social design Was ist das? Social Design – Arts of Innovation Social Design ist aus dem Produktdesign entstanden und hat sich im Laufe der Zeit zu einem eigenen Bereich im Design und Kunstsektor entwickelt. Eine Reise in die Welt des Social Design mit Beispielen und Anregungen Social Design weitet den Begriff Design in Gebiete aus, die mehr der Soziologie, den Gesellschaftswissenschaften und den Künsten als Aufgabenbereich zugeordnet werden und tritt damit in Opposition zum klassischen Designbegriff, der mehr oder weniger nur das Industriedesign umfasst. Dies führt zu erheblichen Diskussionen zwischen der Social Design Community, die vornehmlich aus KünstlerInnen und ExpertInnen verschiedenster Fachrichtungen besteht, und den „klassischen“ DesignerInnen. Um den Begriff „Social Design“ verständlicher zu machen und aufzuzeigen was alles darunter verstanden werden kann, geben wir einige Zitate (kursiv gesetzt) von Gerhard Regenthal aus dem Jahr 1983 wieder. Die Beispiele sollen auch dazu dienen, Ihnen verschiedene Möglichkeiten, Herangehensweisen und nicht zuletzt Anregungen zur Ideenfindung aufzuzeigen. Durch den Versuch, Produkte/Dienstleistungen „sozial verträglich“ zu gestalten und auf die gesellschaftlichen Umstände einzugehen, ist den gestaltenden KünstlerInnen und DesignerInnen klar geworden, dass Produkte, aber auch künstlerische Arbeitsergebnisse gesellschaftsverändernd wirken und umgekehrt. Der Kunstbereich Social Design befasst sich also gerade mit diesem Phänomen der gegenseitigen Beeinflussung von Gestaltung und Gesellschaft in sehr bewusster Art und Weise. Social Design hatte sich damit immer weiter in das Spannungsfeld von Kunst und Gesellschaft begeben. Die Universität der Angewandten Kunst in Wien bezeichnet daher Social Design auch als „Arts of Innovation“. Gestaltung für Menschen heißt Gestaltung des Menschen: Design hat eine doppelte soziale Funktion. „Soziales Design“ – Design, das die Gesellschaft, Gemeinschaft betrifft und welches besonders die Menschen in seine Überlegungen einbezieht – ist nichts Neues. Wie kann man den Verbraucher bei der Gestaltung berücksichtigen und sein Verhalten, seine Ansprüche und Bedürfnisse für das Design aufbereiten und umsetzen? ... The Flatbread Society – In The Baking Scandinavian Sun – Sørenga, Oslo, Norway Plenarsaal und Marktstand social Design als produktentwicklung Bislang aber wurden die sozialen Aspekte im Design häufig nur „ausgenutzt“, um dem Produkt ein besonderes Image oder einen besonderen Wert zu verleihen. .... Diese „sozial“ gestalteten Produkte sollen die Zufriedenheit der Benutzer erhöhen ... Je mehr Menschen zum gestaltenden Produkt eine enge und prägende Beziehung haben, desto mehr sollte das Design ein sozialorientiertes Design werden, das die soziale Funktion besonders hervorhebt. Meist wird die Notwendigkeit oder Möglichkeit einer Entwicklung eines Produktes erst durch die Analyse einer Situation ersichtlich. Zum Beispiel: wie dem Verlust der Nahversorgung begegnen? Hier kann es auch sinnvoll sein, auf der Grundlage von Befragungen, geschichtlicher Forschung und Gedanken für zukünftige Erfordernisse eine Produktreihe, ein spezielles Sortiment zu kreieren oder ein spezielles Produkt anzubieten, das eine ehrliche, nachhaltige Identifikation schafft. Konkretes Beispiel: eine Tischlerei bietet ganz besondere, auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtete Produkte, an die bis jetzt niemand gedacht hat. All das braucht die Analyse des gesellschaftlichen Umfelds, Kreativität jenseits ausgetretener Pfade und die Zusammenarbeit aller Beteiligter. Eines der bekanntesten Projekte aus diesem Bereich ist der „Hipporoller“ Die ursprüngliche Fragestellung des Projektes war: „Warum kommen die Mädchen nicht in die Schule?“ – „Weil sie Wasser holen müssen.“ – Viele Schritte später: Als Alternative zu „traditionellen“ 20-Liter-Gefäßen, die zum Wasserholen auf dem Kopf getragen werden, sollte der Hipporoller die Arbeit erleichtern und die sozialen Verhältnisse und die Gesundheit der „Wasserholer“ (vor allem Frauen) verbessern. Diese Ziele wurden mit diesem Projekt und der Entwicklung des Hipporollers (einer schiebbaren, bunten und attraktiven Wasserwalze) erreicht. Der Hipporoller im Einsatz 1. Regent Park School of Music – part of a redevelopment strategy – Bruce mau design Präsentationsausstellung der Planung von Azra Aksamija für den „Arizona Market“ (oben) Abluftrecycling von U-Bahnschächten für winterliches Grün Die Abholbank – wer hier sitzt, wird mitgenommen (Zwei Siegerprojekte des Spiegel Social Designwettbewerbs der TU Berlin und Caritas Westeifel social Design als prozessorientierte planung Somit ist das „sozialorientierte Design“ mit seiner Forderung nach mehr „Menschlichkeit“ (quantitativ und qualitativ) und Einbeziehung der sozialen Komponenten im Design ein innovatives Konstrukt, da es die soziale Funktion des Design insgesamt umfassend aufnimmt und vertritt. ... wird, Interviews mit PendlerInnen geführt und auf öffentlichen Plätzen präsentiert werden etc. – Wir sehen, wie hier ganz neue Betrachtungen in das Projekt einfließen und zu einem ganz anderen Gesamtbild und anderen Entscheidungsgrundlagen führen. Planungsarbeiten oder vorausschauende Entwicklungsprozesse bergen oft viel Konfliktstoff in sich. Um hier konsensorientiert zu arbeiten, ist es notwendig, die betroffenen Bevölkerungsgruppen frühzeitig einzubinden. Sei dies beim Hausbau, bei der Raumplanung, bei der Dorfentwicklung oder bei anderen politischen Langzeitstrategien, zum Beispiel im Bereich Verkehr und Energie. Ein sehr bekanntes Beispiel aus diesem Bereich ist das „Arizona Market Project“ Um zu vermeiden, dass hier verschiedene Interessensgruppen des Für und Wider aufeinandertreffen, hat sich die Einbindung von Kreativen und KünstlerInnen bewährt, da diese oft nicht direkt auf ein Problem zugehen, sondern über Umwege Lösungs- oder Entwicklungsansätze initiieren, an die noch niemand gedacht hat. Hierzu stehen ihnen die künstlerischen Werkzeuge der Intervention, des Mappings, der Rhythmisierung, der Abstraktion usw. zur Verfügung. Wie wenn eine Verkehrsplanung, aufgelöst in Bewegung, mit einer gemeinsamen Fahrt von hier nach da, mit Erzählungen zu den anliegenden Orten beginnt, in Linien und Strichen auf einer Landkarte mitsamt der verschiedenen Beziehungen der Orte zueinander dargestellt Ein sehr bekanntes Projekt im Sinne des Social Designs befasst sich mit der Theorie der Selbstorganisation. Die bosnische Architektin Azra Aksamija hat mit ihren Interventionen versucht, einen in den Kriegswirren entstandenen multikulturellen Schwarzmarkt, an einer von amerikanischen Soldaten geschaffen Pufferzone zwischen den Kriegsparteien, durch Social Design-Interventionen in einen legalen Markt zu verwandeln. Dies ist ihr bis zu einem gewissen Maße gelungen, vor allem durch raumplanerische Maßnahmen und die Bereitstellung von Gas, Wasser, Strom und Kanal über multifunktionale Beleuchtungselemente (Provocative Poles). (Allerdings muss hier angemerkt werden, dass die neoliberale Idee der Selbstorganisation sehr schnell an ihre Grenzen gestoßen ist und immer wieder sehr wohl gestalterisch und gesetzlich eingriffen werden musste und muss, gerade was den kriminellen Bereich des Marktes betrifft.) 2. Stefan Trimmel, „Die Städterin“, Strategiespiel um die Ressourcen einer Stadt Ethnobotanical Station 2012 Artists/Collaborators: Sculpture, Workshops, Web - New York Hall of Science Internet Kampangne: by Sustainable Brands on Monday, May 26, 2014 in Features - http://reset.org/blog social Design als präsentation, ausstellung oder spiel Zielsetzung von „Social Design“ ist nach Maser die Verbesserung des praktischen Lebens. 1. im Vergleich: altes Produkt – neues Produkt 2. durch Verhaltensänderung (Bewusstseinsänderung) 3. als „Hilfe“ für Probleme im Benutzeralltag 4. als Teil der Lebensqualität Social Design ist aber nicht nur ergebnisorientiert, sondern stellt die Beteiligung der Zielgruppen am Prozess der Entwicklung wesentlich in den Vordergrund. Dies kann auch bedeuten, dass es gar kein Produkt oder eine Planung im herkömmlichen Sinne gibt, sondern eine Präsentation oder eine Analyse eines Problems oder gesellschaftlichen Umstands, welches in einer speziellen Form dargestellt und präsentiert wird. Stellen wir uns vor, aus der Problematik des geringen Anteils der Frauen in Führungspositionen würde ein interaktives Spiel gestaltet, bei dem jeder Besucher einer Ausstellung zu diesem Problem eine Rolle einnehmen muss, die ihm dann hauptsächlich die Aspekte des Problems präsentiert, die dem Klischee dieser Rolle zugeschrieben sind. Und es gäbe die Möglichkeit, in weiterer Folge diese Rollen zu tauschen ... Wir sehen, dass wir auch in der Analyse und Präsentation durch die Einbeziehung von Künstlerinnen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für die Bewusstmachung gesellschaftlicher Strukturen und Mustern haben. Und Bewusstmachung ist ein erster Schritt zur Lösung und zum Verständnis. Ein bekanntes Beispiel aus diesem Bereich ist das Projekt des OHO „Wächter über Oberwart“ Ethnobotanical Station 2012 Artists/Collaborators Als Beispiel kann die Ausstellung „Wächter über Oberwart“ dienen, die die ethnische und religiöse Vielfalt der Burgenlandes anhand der Stadt Oberwart und ihrer sechs Friedhöfe darstellt und damit eine neue Identifikation mit der multikulturellen Vielfalt des Burgenlandes mit sich gebracht hat. Die Ausstellung, konzipiert von Peter Wagner, Design Eveline Rabold, kuratiert von Martin Preindl und wissenschaftlich begleitet von Gert Tschögl, erhielt im Februar 2015 den Bank Austria Kunstpreis. 3. Ausstellung „Wächter über Oberwart“ im Stadtpark in Oberwart social Design in weiteren Beispielen aufgelistet von der globalen Kampagne „Design21“ Zu dem Begriff Social Design gehören gemäß der „Globalen Kampagne Design21“ auch die Bereiche „Green Design“ oder „Sustainable Design“ und auch „barrierefreies (behindertengerechtes) Design“ – etwa Patente aus dem Industriedesign für bspw. seh- und gehbehinderte oder demente Menschen. „Green Design“ umfasst, wie der Name schon nahelegt, umweltfreundliches Design im weitesten Sinne. Z.B. spielen Kriterien wie Abbaubarkeit und Wiederverwertbarkeit von Baustoffen, Verwendung nachwachsender Rohstoffe usw. Regent Park School of Music – part of a redevelopment strategy – Bruce mau design bei der Entwicklung von Produkten eine Rolle, außerdem ganzheitliche Aspekte beim Designen von Ausstellungen oder Marketingkonzepten (etwa mit einer sinnvollen „Message“), doch auch beispielsweise die parkähnliche Begrünung von stillgelegten Eisenbahnwegen in Großstädten oder von Hochhausdächern, oder auch das Entwerfen von Kampagnen zur Bewusstseinsschärfung in Bezug auf bestimmte umweltschutzbezogene Themen, etwa im Werbesektor, bis hin zu groß angelegten Medienaktionen. http://www.design21sdn.com handlungsweisen für ein sozial orientiertes design Der Mensch ist das Maß aller Gestaltung, so sollte z.B. nicht allein das Verkaufsinteresse, sondern auch die Berücksichtigung der Interessen, Bedürfnisse der Benutzer ausschlaggebend sein (menschengerechte und nicht nur ökonomische Planung und Gestaltung in der Arbeits- und Wohnumwelt, bei öffentlichen Einrichtungen usw.). Bewerte Gefühle höher als die Funktionalität (der Beziehungsaspekt bestimmt den Inhaltsaspekt, wobei letzterer auch die Beziehung prägen kann); beachte dabei die Verbesserung der Benutzbarkeit für den Benutzer und verbessere dabei die Beziehung des Menschen zum Gegenstand und zum Bewusstsein für diesen. Nimm den Menschen ernst und zeig es ihm auch, analysiere insbesondere die BenutzerInnengruppe (Zielgruppenbestimmung), beachte dabei den berechtigten Wunsch der BenutzerInnen nach individueller Gestaltung und eigenen Entscheidungsspielräumen. Versuche, dem Benutzer das Funktionieren und den Einsatz des Produktes unkompliziert und transparent zu machen und ihn vielleicht in den Prozess des Gestaltens mit einzubeziehen. The Flatbread Society – In The Baking Scandinavian Sun – Sørenga, Oslo, Norway Versuche über den reinen Darstellungs- und Aussagecharakter des Designs hinaus auch einen Zuwendungs- und Aufforderungscharakter zu vermitteln. Vermeide inhumane Produktions- und Arbeitstechniken. Sei dir der Verantwortung gegenüber den benutzenden Menschen, dir selbst und gegenüber der Gesellschaft bewusst. Gerhard Regenthal Sozial orientiertes Design – Konzept 1983 4. Impressum Verantwortlich für den Inhalt: Offenes Haus Oberwart, Lisztgasse 12, 7400 Oberwart, [email protected], www.oho.at Design und Layout: RABOLD UND CO. / www.rabold.at Foto Cover: Stefan Trimmel, „Die Städterin“ Offenes Haus oberwart 7400 Oberwart * Lisztgasse 12 Telefon 03352-38555 * [email protected] WWW.OHO.AT