Völkerrecht II

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ARBEITSBLATT ZUM 2. ABSCHNITT
INTERNATIONALES SEERECHT
I.
Übersicht
1.
Einführung (Begriff und Geschichte des Seerechts; nur Überblick))
− Begriff des Seerechts
− Geschichte des Seerechts
2.
Meereszonen I (Maritimes Aquitorium)
− Innere Gewässer
− Küstenmeer
− Archipelgewässer
− Meerengen
3.
Meereszonen II (Küstenstaatliche Funktionshoheitszonen)
− Anschlusszone
− Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)
− Festlandsockel
4.
Meereszonen III (Staatengemeinschaftsräume)
− Hohe See (einschließlich Fischerei und Schifffahrt)
− Tiefseeboden („Gebiet“)
5.
Meeresschutz und -forschung (allenfalls Überblick)
− Meeresschutz
− Meeresforschung
1. Abschnitt: Begriff und Geschichte des Seerechts
I.
Begriff des Seerechts
See bzw. Meer im Rechtssinne ist die Einheit aller salinen Gewässer; zwischen den salzigen Gewässern muss grundsätzlich eine natürliche und freie
Verbindung bestehen
„Seerecht“ ist die Summe aller auf das Seewesen bezogenen Rechtsnormen; nicht erfasst werden Flüsse, Seen und andere Binnengewässer (Ausnahme: Seehäfen im Landesinneren, die mit dem Meer nur durch einen Fluss
oder Kanal verbunden sind, aber von Seeschiffen angelaufen werden [str.])
im Unterschied zum Seehandelsrecht und zum nationalen öffentlichen Seerecht geht es beim internationalen Seerecht um eine völkerrechtliche Materie,
um eine raum- und nutzungsbezogene Teilordnung des Völkerrechts; zum
Regelungsgegenstand gehören zum einen die verschiedenen maritimen
Räume, Zonen und Grenzen, also die rechtlichen Bestimmungen, die das
Meer, seinen Grund und Untergrund sowie den epimaritimen Luftraum zuordnen und aufteilen; zum anderen erfasst das internationale Seerecht die Ordnung der Erforschung, Nutzung und Bewahrung des Meeres und seiner Ressourcen
Übersicht 1: Meereszonen im geltenden Seerecht (Quelle: Purcell/Purcell [Hrsg.], The Sedimentary
Basins of Western Australia 2, 1998, S. 3)
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II.
Geschichte des Seerechts (Überblick)
1. Vorklassische Antike und griechische Epoche
erste Rechtsregeln bezogen auf Küstenschifffahrt (Aufstieg der Phöniker) und Fischerei
Grundvoraussetzung für die Herausbildung von Völkerrecht (Nebeneinander verschiedener Herrschaftsverbände) ab ca. 1400 v. Chr.
Erfolge Kretas im Kampf gegen die Piraterie (aber: Existenz der kretisch-minoischen „Thalassokratie“ [Meeresherrschaft] historisch nicht
gesichert)
2. Griechisch-persische Epoche (ab 600 v. Chr.)
Entstehung erster Seebünde (delisch-attischer Seebund [478/477 v.
Chr.)]; Korinthischer Bund [338/337 v. Chr.] mit erster positiv-rechtlicher
Formulierung einer seevölkerrechtlichen Navigationsfreiheit)
punktuelle seerechtliche Regelungen auf den Gebieten des Seehandels
(Strandrecht), der Bekämpfung der Piraterie (Piraten als Feinde der
Menschheit) und des Seekriegs (Entwicklung erster Regelungen über
die neutrale Schifffahrt im Verlauf des Peloponnesischen Kriegs)
erste Ansätze zur Ausdehnung staatlicher Kontrolle über das küstennahe Meer (Inanspruchnahme eines „cordon sanitaire“; „Ein-SchiffKlausel“)
erste Seegerichte in Athen (Schiffsfreigabe, Seehandel); Entscheidungen innerhalb von 30 Tagen
3. Hellenistisch-römische Epoche (ab ca. 300 v. Chr.)
Aufstieg der „Landmacht“ Rom; Seerecht um ca. 270 v. Chr. geprägt
von Republik Rhodos als „Herrin des Meeres“
Entwicklung der Meeresfreiheit zum Rechtsprinzip (Positivierung im
Corpus Iuris Civilis, vermutlich basierend auf der lex rhodia)
Mittelmeer als mare nostrum (Bedeutung als Rechtskonzept aber umstritten); jedenfalls sah Rom seine Rolle zunehmend darin, im Mittelmeer für Sicherheit und Ordnung zu sorgen (Bekämpfung der Piraterie
als Polizeiaktion, nicht als Krieg; Piraten als hostis humani generis,
nicht als Kombattanten)
Vereinbarungen über Sperr- und Einflusszonen in Verträgen zwischen
Rom und Karthago
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Weiterentwicklung des Seehandelsrecht (Seewurf; heute: „große Haverei“ bzw. „general average“)
4. Mittelalter (9. – 15. Jhdt.)
Zeit der seefahrenden Städte (Hanse als „Keimzelle eines maritimen
Profils des modernen Europa“ [M. Mollat du Jourdin])
Ausdehnung küstenstaatlicher Territorialansprüche (Dänemark bzgl.
Ostseezugänge, Venedig in der Adria [„Hochzeit mit der See“])
geschriebene seehandelsrechtliche Kodifikationen (Consolat del Mare
in Barcelona, Entscheidungen des Seegerichtshofs auf der Insel Oléron
[Rôles d´Oléron], Seerechtsbuch von Wisby [1407], Seerechtsordnungen von Amalfi, Pisa, Venedig, Genua, Marseille)
5. Ozeanische Epoche (15. – 17. Jhdt.)
geprägt durch ozeanische Expansion nach Amerika und Asien
Aufteilung der Welt mittels einer gedachten Demarkationslinie 370 sm
westlich der Kapverdischen Inseln durch den Vertrag von Tordesillas
(1494)
Widerstand der ausgeschlossenen Franzosen, Generalstaaten und
Engländer kulminiert im „Krieg der Bücher“: De mare libero (Hugo Grotius 1609) vs. Mare clausum (John Selden 1635)
Auseinandersetzung hat weitreichende Bedeutung für die Entwicklung
zentraler seerechtlicher Konzepte (Freiheit der Meere, „effective control“-Test, historische Gewässer)
Freiheit der Meere als naturrechtliches Postulat (spanische Spätscholastik [Vásquez, Vitoria])
6. Französische Epoche (1648 – 1815)
Ordonnance de la marine als französisches Seehandelsrechtsbuch
(Bezugnahme auf Rôles d´Oléron und Consolat del Mare)
Meeresfreiheit als anerkanntes Rechtsprinzip, erste Anklänge an Konzept der erga omnes-Pflichten (Emer de Vattel)
Reichweite des Küstenmeers: Kanonenschuss-Regel (Cornelius van
Bynkershoek) als Ausdruck des Effektivitätsprinzip; Entwicklung der 3
sm-Regel aus skandinavischer Staatenpraxis
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britische Hovering Acts (1736 – 1876) als Vorläufer der Anschlusszone
7. Englische Epoche (ab 1815)
„Britannia rules the waves“ (Großbritannien als Seeimperium)
bis 1858 britische Praxis, fremde Schiffe auch auf Hoher See anzuhalten und zu kontrollieren (Mandat zur Bekämpfung der Piraterie und
Sklaverei)
seekriegsrechtliche Kodifikationsprojekte (Pariser Seerechtsdeklaration,
Zweite Haager Friedenskonferenz); aber: Schaffung eines Internationalen Prisenhofes scheitert ebenso wie Regelung des Neutralitätsrechts
in der Londoner Seerechtsdeklaration von 1909
8. Seerechtsentwicklung im 20. Jhdt. bis zu den Seerechtskonferenzen
Breite des Küstenmeers als seerechtliche Jahrhundertfrage (Scheitern
der Haager Seerechtskonferenz des Völkerbundes 1930)
Durchfahrt durch Meerengen (Bosporus, Dardanellen)
Scheitern von Kodifikationsbemühungen hinsichtlich des Seekriegsrechts in der Zeit der Weltkriege
9. Seerechtsentwicklung unter UN-Ägide
Bildung internationaler Organisationen als prägendes Charakteristikum
(Völkerrecht entwickelt sich vom Recht der Koexistenz zum Recht der
Kooperation)
ressourcenbezogene Tendenzen zu einer „Terraneisierung“ des Meeres (1945: Truman-Proklamation über die US-amerikanische Inanspruchnahme des Festlandsockels)
Genfer Seerechtskonferenz von 1958: vier Konvention bzgl. Küstenmeer und Anschlusszone, Festlandsockel, Hohe See und Fischerei
1960: Scheitern der Zweiten UN-Seerechtskonferenz (UNCLOS II) an
den Fragen der Ausdehnung des Küstenmeers und der Reichweite küstenstaatlicher Fischereirechte
1967: küstenferner Meeresboden und seine Ressourcen als „common
heritage of mankind“ (Arvid Pado) als Gegenpol zu Totteilungsansätzen
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Dritte UN-Seerechtskonferenz (UNCLOS III) von 1973-1982: Abschluss
des UN-Seerechtsübereinkommens (SRÜ) als „Verfassung für die Meere“
1994 und 1995: Annahme von Durchführungsübereinkommen (Implementation Agreements) zum Meeresbodenregime und der gemeinsamen Verwaltung gebietsübergreifender Fischbestände
1996: Internationaler Seegerichtshof (ISGH) nimmt in Hamburg seine
Arbeit auf
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