Strategie Nachhaltige Entwicklung

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Schweizerischer Bundesrat
Strategie Nachhaltige Entwicklung:
Leitlinien und Aktionsplan 2008–2011
Bericht vom 16. April 2008
Impressum
Schweizerischer Bundesrat
Strategie Nachhaltige Entwicklung:
Leitlinien und Aktionsplan 2008 –2011
Bericht vom 16. April 2008
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8.2008 5000 200554/1
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Strategie Nachhaltige Entwicklung:
Leitlinien und Aktionsplan 2008–2011
Bericht des Schweizerischen Bundesrates vom 16. April 2008
2
Inhalt
1
Ausgangslage
5
1.1
Auftrag
5
1.2
Die Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundes
5
1.3
Wichtige Schnittstellen zur Strategie Nachhaltige Entwicklung
1.3.1 Aufgabenüberprüfung 6
6
1.3.2 Legislaturplanung 2007–2011
6
1.3.3 Wachstumspolitik
7
2
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung
8
2.1
Zukunftsverantwortung wahrnehmen
8
2.2
Ausgewogene Berücksichtigung der drei Zieldimensionen
8
2.3
Nachhaltige Entwicklung in alle Politikbereiche einbeziehen
11
2.4
Koordination zwischen den Politikbereichen erhöhen und Kohärenz verbessern
11
2.5
Nachhaltige Entwicklung partnerschaftlich realisieren
12
3
Der Aktionsplan 2008–2011
13
3.1
Absichten und Zielsetzung
13
3.2
Schlüsselherausforderungen und Massnahmen
15
1 – Klimawandel und Naturgefahren 15
2 – Energie 17
3 – Raumentwicklung und Verkehr
19
4 – Wirtschaft, Produktion und Konsum
21
5 – Nutzung natürlicher Ressourcen
23
6 – Sozialer Zusammenhalt, Demografie und Migration
25
7 – Öffentliche Gesundheit, Sport und Bewegungsförderung
26
8 – Globale Entwicklungs- und Umweltherausforderungen
28
3.3
Transversale Themenfelder: Herausforderungen und Massnahmen
32
9 – Finanzpolitik
32
10 – Bildung, Forschung, Innovation
33
11 – Kultur
36
4
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
38
4.1
Zuständigkeiten, Zusammenarbeit auf Bundesebene und Finanzierung
38
4.1.1 Organisation
38
4.1.2 Zusammenarbeit auf Bundesebene und Finanzierung
38
4.2
39
Nachhaltigkeitsbeurteilung
Inhalt
3
4.3
Aktualisierung der Strategie, Controlling und Berichterstattung, Wirksamkeitsprüfung
41
4.4
Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden
41
4.5
Zusammenarbeit mit weiteren Akteurgruppen
42
4.6
Kommunikation
42
Anhang 1:
Die Massnahmen des Aktionsplans 2008–2011
44
Anhang 2:
Massnahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 in ihrem Bezug
zum Aktionsplan 2008–2011
45
Anhang 3:
Beschreibung der IDANE-Kriterien der Nachhaltigen Entwicklung
47
Anhang 4:
Legende zu den Indikatoren
51
Anhang 5:
Im IDANE vertretene Verwaltungseinheiten
52
4
5
1
Ausgangslage
1.1
Auftrag
Seit zehn Jahren hat der Bundesrat seine strategischen Absichten und konkreten Handlungsan­
weisungen zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklung in der Schweiz in einer nationalen Strategie zusammengefasst. Nach der ersten Strategie «Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz» im Jahr
1997, fünf Jahre nach der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro, verabschiedete der Bundesrat im Jahr 2002 im Vorfeld des «Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung» von
Johannesburg seine zweite «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002».
Gleichzeitig mit der Verabschiedung der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 am 27. März 2002
beschloss der Bundesrat, die Strategie bis 2007 zu erneuern. Basis für die neue Strategie waren
eine Gesamtevaluation der Strategie 2002 1 und eine Bilanz über die Umsetzung der Nachhaltigen
Entwicklung in der Schweiz 2 . Anlässlich deren Kenntnisnahme am 17. Januar 2007 bestätigte der
Bundesrat den Beschluss zur Strategieerneuerung. Diesen setzt der Bundesrat mit dem vorliegenden Bericht um.
1.2
Die Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundes
Der Bundesrat orientiert sich auch künftig an der Definition von Nachhaltiger Entwicklung, die im
Hinblick auf die UNO-Konferenz von 1992 über Umwelt und Entwicklung von Rio de Janeiro durch
die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 erarbeitet und nach ihrer Vorsitzenden
«Brundtland-Definition» benannt worden ist. Danach ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen. Zwei
ergänzende Aspekte sind für das Verständnis von Nachhaltiger Entwicklung von zentraler Bedeutung: Die Idee der Grenzen der Tragfähigkeit des globalen Ökosystems und der Vorrang der Befriedigung der Grundbedürfnisse insbesondere der Armen. 3
Dieser Definition liegt eine ethische Orientierung zugrunde. An die Stelle einer umfassenden Ver­
fügungsgewalt über die Zukunft soll eine Zukunftsverantwortung auf der Basis der Gerechtigkeit
zwischen den Generationen und den Weltregionen treten. Denn Nachhaltige Entwicklung setzt vor­
aus, dass die Lebensgrundlagen für alle jetzt und künftig lebenden Menschen gesichert werden,
und zwar unter menschenwürdigen und gerechten Bedingungen. Diesen Grundsatz der Zukunftsverantwortung hat die Staatengemeinschaft – und mit ihr auch die Schweiz – mit der Verabschiedung
der Dokumente der Rio-Konferenz sowie des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 als Leitidee anerkannt.
Die Strategie Nachhaltige Entwicklung enthält Elemente mit unterschiedlichem Charakter. In den
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung (Ziff. 2) zeigt der Bundesrat sein Verständnis
von Nachhaltiger Entwicklung auf und wie er diese in die Gesamtheit der Bundespolitiken integrieren will. Er lehnt sich dabei an die Leitlinien der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 an und
konkretisiert sie weiter. Ziffer 3 enthält den Aktionsplan des Bundesrates im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung für die Legislaturperiode 2007–2011. Diesen richtet er auf langfristige Schlüsselherausforderungen aus. Hervorgehoben werden auch transversale Politikbereiche wie Finanzpolitik, Bildung, Forschung, Innovation und Kultur, die auf alle Schlüsselherausforderungen einwirken.
1
Arbeitsgemeinschaft Interface/evaluanda: Evaluation der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002. Luzern/Genf,
2006
2 Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 –
Bilanz­ und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007
3 World Commission on Environment and Development: Our Common Future. Oxford/New York 1987, S. 43
6
Ausgangslage
Für die Umsetzung der Strategie (Ziff. 4) stützt sich der Bundesrat auf die bestehenden Gremien ab.
Zuständig für die Verfolgung der Strategie ist der Interdepartementale Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE), dessen Vorsitz dem Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) als Fachstelle für die
Nachhaltige Entwicklung des Bundes obliegt. Gegenüber der Strategie 2002 werden die Beurteilung
und Optimierung von politischen Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigen Entwicklung
(Nachhaltigkeitsbeurteilung, NHB) sowie das Controlling verstärkt.
Die einzelnen Elemente der Strategie weisen eine unterschiedliche Gültigkeitsdauer auf. Die Leit­
linien der Strategie (Ziff. 2) und die Begleitmassnahmen zur Umsetzung (Ziff. 4) gelten als nicht befristete Elemente, welche die Leitplanken für ein langfristiges kohärentes Handeln des Bundesrates
setzen. Der Aktionsplan 2008–2011 (Ziff. 3) ist hingegen zeitlich befristet und nach vier Jahren zu
erneuern.
1.3
Wichtige Schnittstellen zur Strategie Nachhaltige Entwicklung
1.3.1 Aufgabenüberprüfung
Der Bundesrat führt eine systematische Überprüfung der Aufgaben des Bundes durch. Gestützt auf
ein Aufgabenportfolio wird ausgelotet, auf welche Aufgaben ganz verzichtet und bei welchen Aufgaben die Staatstätigkeit reduziert werden kann. Ebenfalls geprüft werden Reformen, Ausgliederungen oder die Entflechtung von Aufgaben, die von Bund und Kantonen gemeinsam wahrgenommen werden. 2006 beschloss der Bundesrat in einem ersten Schritt das Gesamtziel, dass sich der
Bundeshaushalt – unter Einschluss der Finanzierungslücke der Sozialversicherungen – bis 2015 nur
noch im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum entwickeln soll (3 Prozent nominal pro Jahr).
Im April 2008 legte der Bundesrat Zielwachstumsraten und Reformstossrichtungen für die einzelnen Aufgabenbereiche fest. Gleichzeitig entschied der Bundesrat, dass der Bereich der sozialen
Wohlfahrt gesondert behandelt werden soll. Deren Zielhorizont wurde auf das Jahr 2020 erstreckt.
Daraus resultiert ein Kürzungsbedarf von 5,3 Milliarden gegenüber dem Trend-Ausgabenwachstum
des Bundeshaushalts. Anschliessend werden die konkretisierten Massnahmenvorschläge zu einem
Aktionsplan zusammengefasst und den Kantonen, Parteien und interessierten Organisationen im
Rahmen eines «Politischen Dialogs» zur Stellungnahme unterbreitet. Schliesslich werden die Gesetzes- und Verfassungsvorlagen erarbeitet und die beschlossenen Massnahmen umgesetzt.
1.3.2 Legislaturplanung 2007–2011
Der Bundesrat legt in seinem Bericht über die Legislaturplanung jeweils sein Regierungsprogramm
für vier Jahre fest. Zwischen der Planung der Legislatur und der Strategie Nachhaltige Entwicklung
bestehen enge Zusammenhänge. Beide Prozesse sind thematisch breit angelegt, unterscheiden
sich aber in den inhaltlichen Fokussierungen und im Zeithorizont. Die Strategie Nachhaltige Entwicklung legt Vorgaben fest, die langfristigeren Charakter aufweisen. Inhaltlich rückt sie eine Reihe
von Schlüsselherausforderungen in den Vordergrund (siehe Ziff. 3). Sie beschränkt sich auch nicht
wie die Legislaturplanung auf gesetzgeberische Vorhaben, sondern beinhaltet auch wichtige strategische Aktionen auf der Ebene der Umsetzung vorhandenen Rechts.
Die Grundlagen für die Legislaturplanung wurden im Bericht des Perspektivstabs der Bundesverwaltung «Herausforderungen 2007–2011» 4 festgehalten. In diesen Bericht sind unter anderem alle
massgeblichen Perspektivarbeiten des Bundes eingeflossen, insbesondere die Szenarien des Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO) für die Entwicklung des Bruttoinlandproduktes, die Demografieszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS), die Perspektiven des Güter- und des Personenver-
4
http://www.bk.admin.ch/dokumentation/publikationen/00290/00930/index.html?lang=de
Ausgangslage
kehrs des ARE und die Energieperspektiven des Bundesamtes für Energie (BFE), die wichtige
Grundlagen auch für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung darstellen. Durch die gleichzeitige
Berücksichtigung dieser Arbeiten besteht eine Abstimmung zwischen der Strategie Nachhaltige
Entwicklung und dem Bericht über die Legislaturplanung 2007–2011.
1.3.3 Wachstumspolitik
Als eng auf die Legislaturplanung abgestimmter, breit angelegter und überdepartementaler Prozess
soll die Wachstumspolitik des Bundesrates, gestützt auf periodisch zu erneuernde Reformpakete,
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schweiz steigern. Es besteht eine Schnittstelle zur Strategie Nachhaltige Entwicklung, welche die drei Zieldimensionen «wirtschaftliche Leistungsfähigkeit», «ökologische Verantwortung» und «gesellschaftliche Solidarität» integral verfolgt (siehe dazu
Ziff. 2.2). Die Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stellt also auch ein Ziel der Nachhaltig­
keitsstrategie dar. Im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung verfolgen die Wachstumspolitik und
die Strategie Nachhaltige Entwicklung jedoch unterschiedliche Schwerpunkte, indem die Wachstumspolitik die notwenige Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch wie
auch die Wirkungen auf das Sozialkapital wohl als Nebenziele berücksichtigt, nicht jedoch selbst
ein Programm mit geeigneten umweltpolitischen oder sozialpolitischen Massnahmen beinhaltet.
Die Strategie Nachhaltige Entwicklung ihrerseits thematisiert die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in den Ziffern 3.2.4 und 3.2.8. Die einzelnen Massnahmen des Wachstumspakets werden
im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit mit Hilfe der Methode der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) 5 überprüft. Akzente werden gestützt auf eine Relevanzanalyse gemäss der
Methode der Nachhaltigkeitsbeurteilung gesetzt (siehe auch Ziff. 4.2). Analyse wie spätere Evaluation sind dabei in erster Linie den federführenden Ämtern überbunden.
5
Die RFA wird auf Bundesebene seit dem Jahr 2000 für Gesetze und Verordnungen angewendet.
http://www.seco.admin.ch/themen/00374/00459/00465/index.html
7
8
2
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen
Entwicklung
Die Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung basieren auf der Bundesverfassung (BV 6 ,
Art. 2, 54, 73) sowie auf für die Nachhaltige Entwicklung wichtigen internationalen Referenzdokumenten der Vereinten Nationen 7 und der OECD 8 . Die aktualisierte Strategie der Europäischen Union 9 stellt ebenfalls eine wichtige Informationsquelle dar. Die hier aufgeführten Leitlinien konkretisieren und aktualisieren die Leitlinien, welche der Bundesrat im Bericht «10 Jahre nach Rio – Die
Schweiz auf dem Weg zu einer Politik der Nachhaltigen Entwicklung» an die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) der UNO übermittelte 10 und in seiner Strategie Nachhaltige Entwicklung
2002 festlegte. 11
2.1
Zukunftsverantwortung wahrnehmen
Die grundlegende Herausforderung, die Bedürfnisbefriedigung aller Menschen, namentlich auch jener in den Entwicklungsländern, zu gewährleisten und gleichzeitig den Umwelt- und Ressourcenverbrauch zu senken, erfordert einen langfristigen grundlegenden Veränderungsprozess von Wirtschaft und Gesellschaft. Nach dem in der Erklärung von Rio über Umwelt und Entwicklung
verankerten Prinzip der gemeinsamen, aber geteilten Verantwortung müssen dabei die hoch ent­
wickelten Industrieländer mit ihrer besonderen Verantwortung für vergangene und gegenwärtige
Entwicklungsprozesse und ihren grösseren finanziellen und technischen Ressourcen voranschreiten. Angesichts ihrer Wachstumsdynamik müssen die Entwicklungsländer und insbesondere die
Schwellenländer jedoch rasch nachfolgen.
Zukunftsverantwortung bedeutet, dass die Vorsorge-, Verursacher- und Haftungsprinzipien als
grundlegende Rahmenbedingungen für langfristig tragfähiges wirtschaftliches, ökologisches und
gesellschaftliches Handeln auf allen Ebenen zu fördern sind. Ein vorsorgender Ansatz ist notwendig, um eine mögliche Schädigung der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt zu verhindern
und präventive Massnahmen zu ergreifen, auch wenn über die wissenschaftlichen Zusammenhänge
noch keine vollkommene Klarheit vorliegt. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Preise die wahren
Kosten widerspiegeln, und dass die Verursacher für die von ihnen angerichteten Schäden an der
menschlichen Gesundheit oder der Umwelt aufkommen.
2.2
Ausgewogene Berücksichtigung der drei Zieldimensionen
Die in der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 definierten Kriterien zur Konkretisierung der anzustrebenden Ziele in den drei Dimensionen «ökologische Verantwortung», «wirtschaftliche Leistungsfähigkeit» und «gesellschaftliche Solidarität» werden inhaltlich weitergeführt (siehe die folgende Auflistung). Bei der Ausgestaltung der Politiken ist darauf zu achten, dass allen drei
Zieldimensionen und allen Kriterien der Nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen wird (um­
fassende Betrachtung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen).
6
SR 101
UN DESA: Guidance in Preparing a National Sustainable Development Strategy: Managing Sustainable Development
in the New Millennium. New York 2002; UNESCO: International Implementation Scheme for the United Nations
Decade for Education for Sustainable Development 2005–2014. Paris 2005
8 OECD: The DAC Guidelines, Strategies for Sustainable Development: Guidance for Development Co-operation. Paris
2001
9 Rat der Europäischen Union: EU-Strategie für Nachhaltige Entwicklung, angenommen am 15./16. Juni 2006
10 Schweizerischer Bundesrat: 10 Jahre nach Rio 1992 – Die Schweiz auf dem Weg zu einer Politik der Nachhaltigen
Entwicklung. Bericht vom 3. Juni 2001 zuhanden des Sekretariates der Commission on Sustainable Development.
Bern 2001
11 Siehe auch Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung
2002 – Bilanz und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007
7
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung
Wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit
– Einkommen und Beschäftigung erhalten und den Bedürfnissen entsprechend
mehren unter Berücksichtigung einer sozial- und raumverträglichen Verteilung
– Das Produktivkapital, basierend auf dem Sozial- und Humankapital, mindestens erhalten und qualitativ mehren
– Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Wirtschaft verbessern
– In der Wirtschaft primär die Marktmechanismen (Preise) unter Berücksichtigung der massgebenden Knappheitsfaktoren und externen Kosten wirken
lassen
– Ein Wirtschaften der öffentlichen Hand, das nicht auf Kosten zukünftiger
Generationen erfolgt (zum Beispiel Schulden, vernachlässigte Werterhaltung)
Ökologische
– Naturräume und Artenvielfalt erhalten
Verantwortung
– Den Verbrauch erneuerbarer Ressourcen unter dem Regenerationsniveau
beziehungsweise dem natürlichen Anfall halten
– Den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen unter dem Entwicklungspoten­
zial von erneuerbaren Ressourcen halten
– Die Belastung der natürlichen Umwelt und des Menschen durch Schadstoffe
auf ein unbedenkliches Niveau senken
– Die Auswirkungen von Umweltkatastrophen verhindern beziehungsweise
reduzieren und Unfallrisiken nur insoweit eingehen, als sie auch beim
grösstmöglichen Schadensereignis keine dauerhaften Schäden über eine
Generation hin­a us verursachen
Gesellschaftliche
Solidarität
– Gesundheit und Sicherheit der Menschen in umfassendem Sinn schützen und
fördern
– Bildung und damit Entwicklung sowie Entfaltung und Identität der Einzelnen
gewährleisten
– Die Kultur sowie die Erhaltung und Entwicklung gesellschaftlicher Werte und
Ressourcen im Sinn des Sozialkapitals fördern
– Gleiche Rechte und Rechtssicherheit für alle gewährleisten, insbesondere die
Gleichstellung von Frau und Mann, die Gleichberechtigung beziehungsweise
den Schutz von Minderheiten sowie die Anerkennung der Menschenrechte
– Die Solidarität innerhalb und zwischen den Generationen sowie global fördern
Das «Kapitalstockmodell» bildet eine ergänzende Grundlage für die schweizerische Nachhaltigkeitspolitik. 12 Das von der Weltbank entwickelte Konzept basiert auf der Idee, dass es drei Nachhaltigkeitsdimensionen bzw. Kapitalstöcke gibt: Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Das auf der Erde
vorhandene «Kapital» darf demnach nicht einfach aufgezehrt werden, sondern muss kontinuierlich
erneuert werden. Nachhaltigkeit ist dann gegeben, wenn auf Dauer von den Zinsen und nicht vom
Kapital gelebt wird. Das Kapitalstockmodell ist verfeinert worden: Die Konzepte der starken und
schwachen Nachhaltigkeit befassen sich mit der Frage der Substituierbarkeit von Kapitalstöcken.
Starke Nachhaltigkeit verlangt, dass keiner der drei Kapitalstöcke über längere Zeit abnehmen darf,
während schwache Nachhaltigkeit diese Bedingung nur für das gesamte Nachhaltigkeitskapital
12
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Bundesamt für Raumentwicklung (ARE): Nachhaltige Entwicklung in der Schweiz – methodische Grundlagen. Bern 2004
Der Begriff des Kapitals gemäss Kapitalstockmodell geht weniger weit als die Zieldimensionen. Der Begriff «Kapital» umfasst Bestände, wie z.B. Produktionsanlagen, natürliche Ressourcen oder gesellschaftliches Vertrauenskapital. Die Zieldimensionen beinhalten hingegen weitere Aspekte, wie z.B. Verteilungsfragen oder politische Gestaltungsprinzipien. Während sich der Kapitalbegriff in den Bereichen Ökonomie und Ökologie ohne grössere
Schwierigkeiten umschreiben lässt, wird das Sozialkapital in der wissenschaftlichen Literatur noch kontrovers
diskutiert.
9
10
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung
stellt. Schwache Nachhaltigkeit erlaubt also beispielsweise den Abbau des Umweltkapitalstockes,
solange als «Kompensation» mehr Wirtschafts- oder Sozialkapital geschaffen wird.
Gestützt auf den rechtlichen Gehalt der Nachhaltigkeitsbestimmungen der Bundesverfassung (insbesondere Art. 2 und 73) 13 vertritt der Bundesrat eine Mittelposition zwischen starker und
schwacher Nachhaltigkeit, die im englischsprachigen Fachdiskurs als «sensible sustainability» und
im schweizerischen als «schwache Nachhaltigkeit plus» bezeichnet wird. Dieser Ansatz folgt der
Überlegung, dass einzelne Elemente der Kapitalstöcke ersetzt werden können. Deshalb ist eine begrenzte Substitution zwischen den Kapitalstöcken zulässig, sofern in den Abwägungsprozessen
­s ichergestellt wird, dass diese transparent erfolgen, nicht systematisch zulasten der gleichen Nachhaltigkeitsdimension gehen und dass insgesamt die Belastbarkeit der Biosphäre respektiert wird.
Viele Aspekte der Umwelt weisen nach der Auffassung des Bundesrates spezifische Eigenschaften
auf, die – auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschrittspotenzials – eine Substituierbarkeit durch gesellschaftliches oder wirtschaftliches Kapital als unrealistisch erscheinen lassen.
Viele Umweltgüter wie z.B. ein stabiles Klima, Biodiversität, fruchtbare Böden oder die Ozonschicht
der Atmosphäre, sind einerseits unverzichtbar für das Überleben der Menschheit, eine Vernichtung
dieser Umweltgüter lässt sich andererseits in der Regel nicht durch Kapital kompensieren. Eingriffe
in die Natur dürfen nicht zu einem irreversiblen Verlust führen, da er die Handlungsmöglichkeiten
der zukünftigen Generationen einschränkt.
Das Konzept der «schwachen Nachhaltigkeit plus» bedeutet, dass bei der Entwicklung von Vor­
haben oder bei Projektbeurteilungen im Rahmen der umfassenden Berücksichtigung der Zieldimensionen bei der Austauschbarkeit gewisse Randbedingungen oder Grenzen zu beachten sind:
– Soziale, wirtschaftliche und ökologische Minimalanforderungen 14 sind zu respektieren;
– Entwicklungen oder Auswirkungen, die nur schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden
können (Irreversibilität), sind zu vermeiden;
– Lasten, die nicht mit einem entsprechenden Nutzen einhergehen, sollen nicht auf künftige
­G enerationen verschoben werden;
– Umweltbelastungen und soziale Probleme sollen nicht ins Ausland verlagert werden;
– Bei Unsicherheiten oder Risiken, die aufgrund eines unzureichenden Kenntnisstandes oder als
Ereignis mit zwar geringer Eintretenswahrscheinlichkeit, aber hohem Schadenpotenzial be­
stehen, ist grosse Vorsicht geboten;
– In Bereichen, in denen bereits akute Nachhaltigkeitsprobleme bestehen oder in denen sich angesichts eines aktuellen Trends die Probleme verschärfen könnten, sind weitere Verschlechterungen zu unterlassen.
Damit die Beurteilung von Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigen Entwicklung nach
einheitlichen Kriterien erfolgt, stellt der Bundesrat die notwendigen Instrumente zur Verfügung
(siehe Ziff. 4.2).
13
Bundesamt für Raumentwicklung (ARE): Fragen im Zusammenhang mit den Nachhaltigkeitsbestimmungen in der
Bundesverfassung – Rechtsgutachten. Bern 2004.
Im allgemeinen Zweckartikel der Bundesverfassung wird der Begriff der Nachhaltigen Entwicklung in einem umfassenden Sinn verwendet. Der Zweckartikel nimmt Bezug auf die Brundtland-Definition der Nachhaltigen Entwicklung mit der Betonung der drei Zieldimensionen, des Vorrangs der Grundbedürfnisse der Benachteiligten und der
Tragfähigkeitsgrenzen der Biosphäre. Der Verfassungsgrundsatz der Nachhaltigkeit, wie er in Artikel 73 verankert
ist, verpflichtet Bund und Kantone dazu, danach zu streben, die Beanspruchung der Natur durch den Menschen
auf Dauer in ein ausgewogenes Verhältnis, in ein Gleichgewicht zu bringen. Merkmal dieses Gleichgewichtes ist
die Orientierung an der Erneuerungsfähigkeit. In Artikel 73 wird also speziell die ökologische Dimension angesprochen und im Vergleich zu Artikel 2 verdeutlicht, weil die Nachhaltigkeit heute neben dem Vorsorge- und Verur­
sacherprinzip als einer von drei tragenden Grundsätzen des Umweltbereichs anerkannt ist.
14 Dies können sein: gesetzlich festgelegte Grenzwerte (z.B. Emissionswerte, gesundheitlich relevante Umweltnormen gemäss Umweltschutzgesetz und entsprechenden Verordnungen), wissenschaftliche Grenzwerte, die sich
(noch) nicht in gesetzlichen Grenzwerten widerspiegeln (z.B. Niveau von Treibhausgasemissionen, bei dem eine
zusätzliche Erderwärmung gestoppt wird), sozialpolitische Normen wie Chancengleichheit, Gleichberechtigung,
minimales Einkommen, menschenwürdige Lebensbedingungen, Existenzsicherung, oder Gewährleistung der Menschenrechte.
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung
2.3
Nachhaltige Entwicklung in alle Politikbereiche einbeziehen
Der Bundesrat versteht Nachhaltige Entwicklung nicht als weitere Sektorpolitik, sondern als «regula­
tive Idee», die in alle Sachpolitiken einzubeziehen ist. Sämtliche Politikbereiche sind auf die Nachhaltige Entwicklung auszurichten. Dies geht aus Artikel 2 BV hervor, der die Nachhaltige Entwicklung zu einer verpflichtenden Aufgabe für Bund und Kantone erklärt und vor allem programmatischen
Charakter für alle Behörden hat. Die Zweckbestimmung ist als rechtlich verbindliche Richtlinie und
als Handlungsauftrag für alle gesetzgebenden und rechtsanwendenden Behörden zu verstehen. Die
Hauptaufgabe des Zweckartikels liegt in der Richtungsweisung für die staatsleitenden Behörden
von Bund und Kantonen. So hat sich der Bundesrat beispielsweise bei der Bestimmung der Ziele
und Mittel der Regierungspolitik am Staatszweck zu orientieren. Ebenso ist der Zweckartikel Wegweiser für das Bundesgericht in seiner Funktion als oberste rechtsprechende Behörde. Diese Leit­
linie bedeutet, dass die Nachhaltige Entwicklung vorab in die bestehenden Planungs- und Steuerungsprozesse des Bundesrates, der Departemente und der Ämter integriert werden sollte. Auf die
Schaffung von Parallelstrukturen für die Nachhaltigkeitspolitik ist zu verzichten.
2.4
Koordination zwischen den Politikbereichen erhöhen und Kohärenz verbessern
Nachhaltige Entwicklung erfordert einen frühzeitigen Einbezug der drei Zieldimensionen und eine
amtsübergreifende Problembearbeitung zugunsten langfristig tragfähiger Lösungen. Bei der Erfüllung aller Aufgaben ist die ökologische, die wirtschaftliche und die soziale Dimension der Nachhaltigen Entwicklung zu berücksichtigen. Diese Integration der drei Dimensionen der Nachhaltigen
Entwicklung ist bei politischen Planungen und Entscheiden sowie bei konkreten Vorhaben ein vorrangiges Kriterium. Es ist sicherzustellen, dass wichtige politische Entscheidungen auf Vorschlägen
beruhen, deren soziale, ökonomische und ökologische Auswirkungen frühzeitig und transparent beurteilt wurden, wie dies Artikel 141 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz) 15 verlangt. Ein weiteres wichtiges Element einer nachhaltigen
Politikgestaltung ist die Ex-post-Bewertung der Wirkungen von politischen Entscheidungen (Art.
170 BV). Mit Hilfe von Wirksamkeitsüberprüfungen, sind Informationen darüber zu liefern, wie Massnahmen umgesetzt werden, wie ihre Adressaten darauf reagieren, ob und welche Nebenwirkungen
daraus resultieren und ob die Politik ihre Ziele erreicht oder nicht.
Transparente Entscheidverfahren und ein umfassender Einbezug der verschiedenen Akteure sollen
ganzheitliche Güterabwägungen und breit legitimierte Entscheide ermöglichen, umsetzungsfähige
Lösungen hervorbringen und dazu beitragen, dass in den politischen Entscheiden den Gesichtspunkten der Nachhaltigen Entwicklung möglichst Rechnung getragen wird. Dabei sind Konflikte offenzulegen und die getroffenen Wertungen zu begründen. Über diese Abstimmung und das Konfliktmanagement hinaus sind Optimierungen anzustreben und Synergien zu entwickeln. Instrumente
der Nachhaltigkeitsbeurteilung können den Abstimmungsprozess durch die Bereitstellung objektiver Grundlagen und Entscheidhilfen unterstützen. Die diesbezüglichen Regelungen im Hinblick auf
die Umsetzung dieser Strategie sind in Ziffer 4 festgehalten. Ergänzend sind zur Verbesserung von
Koordination und Kohärenz geeignete Zusammenarbeitsstrukturen notwendig.
15
SR 171.10.
http://www.admin.ch/ch/d/sr/171_10/a141.html
11
12
Leitlinien für die Politik der Nachhaltigen Entwicklung
2.5
Nachhaltige Entwicklung partnerschaftlich realisieren
Nachhaltige Entwicklung ist nicht nur eine Aufgabe staatlicher Instanzen oder ausschliesslich des
Bundes. Zahlreiche Probleme unseres Landes können nur in enger Zusammenarbeit der drei staatlichen Ebenen konstruktiv gelöst werden. Eine Bundesratsstrategie, die sich allein auf die Bundespolitik beschränken würde, würde daher zu kurz greifen.
Die Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden ist unerlässlich. Wegen des föderalistischen
Staatsaufbaus der Schweiz verfügen Kantone und Gemeinden in vielen nachhaltigkeitsrelevanten
Themenfeldern über grosse Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten. Dabei nehmen die Förderung
von Nachhaltigkeitsprozessen auf Stufe der Kantone, der Regionen und der Gemeinden als Schnittstellen zur Zivilgesellschaft sowie die Sensibilisierung zur Nachhaltigen Entwicklung eine sehr
wichtige Rolle ein.
Wie eine allein auf die Bundesebene beschränkte Strategie würde auch eine auf die öffentliche
Hand eingegrenzte Strategie angesichts der heute für die Nachhaltige Entwicklung relevanten Einflussfaktoren und Akteurgruppen zu kurz greifen. In die Politik der Nachhaltigen Entwicklung sind
daher auch die Zivilgesellschaft und der Privatsektor einzubeziehen. Die Zusammenarbeit zwischen
staatlichen Behörden und Interessengruppen ist in der Praxis bereits etabliert. In der internatio­
nalen Nachhaltigkeitspolitik existiert seit Jahren eine regelmässige Zusammenarbeit mit interessierten Nichtregierungsorganisationen vor allem aus den Bereichen Umwelt, Entwicklung, Wirtschaft und Soziales. Diese werden in die Vorbereitungen der Behörden für wichtige internationale
Verhandlungen einbezogen und haben der Nachhaltigen Entwicklung in der Schweiz in den letzten
zehn Jahren wichtige Impulse verliehen. Die Zusammenarbeit mit Nichtregierungskreisen soll auch
in Zukunft weitergeführt werden.
Die nichtinstitutionellen Akteure sind auch aufgerufen, die Leitlinien der Strategie in ihren täglichen
Aktivitäten zu berücksichtigen. Dies betrifft namentlich die Unternehmen des Privatsektors, die zu
verantwortlichem Handeln aufgerufen sind. Unternehmen können die Nachhaltige Entwicklung
durch ihr alltägliches, operatives Handeln fördern, indem sie bestehende Handlungsspielräume so
nutzen, dass sie bei der Gestaltung ihrer Produkte und bei ihren Produktionsprozessen auf möglichst geringe Belastungen bzw. möglichst grosse Mehrwerte in gesellschaftlicher und ökologischer
Hinsicht achten. Ihrem Engagement können Unternehmen auch Verbindlichkeit und Legitimität verschaffen, indem sie sich an den verschiedenen Regelwerken, Normen und Standards, etwa im Bereich des Umweltmanagements oder der sozialen Verantwortlichkeit, beteiligen.
13
3
Der Aktionsplan 2008 – 2011
3.1
Absichten und Zielsetzung
Der Bundesrat will, dass die bisherigen Ansätze der Nachhaltigen Entwicklung in der neuen Legis­
laturperiode mit Hilfe der Strategie Nachhaltige Entwicklung stärker vorangetrieben werden. Es soll
vermehrt von einem sektoriell orientierten Denken und Handeln auf eine stärker querschnittsorientierte transdisziplinäre Betrachtung hingearbeitet werden. Dabei sind die Bestrebungen, die Umweltqualität zu verbessern und gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die gesellschaftliche Solidarität zu steigern, besser aufeinander abzustimmen.
Gegenläufige Trends wie Kompensation von Ökoeffizienz durch Konsumsteigerungen oder die zwischen den Bevölkerungsgruppen ungleiche Verteilung der Bedürfnisdeckung sollen möglichst vermieden werden. Verbesserungen innerhalb der Schweiz dürfen schliesslich nicht Verschlechterungen für künftige Generationen oder auf globaler Ebene bewirken.
Um die dargelegten Ziele zu erreichen und die Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken,
sind konkrete Aktionen notwendig. Dabei wird der Bundesrat zuerst die aus der Lageanalyse des
Interdepartementalen Ausschusses Nachhaltige Entwicklung (IDANE) 16 als vorrangig identifizierten
Handlungsachsen angehen, nämlich:
– Die Bekämpfung der globalen Klimaerwärmung und die Bewältigung von Naturgefahren, dies
insbesondere durch Verminderung des Energieverbrauchs und eine vermehrte Nutzung von erneuerbaren Energien, unter Berücksichtigung der bedeutsamen Sektoren Mobilität und Raum­
entwicklung;
– Die Steigerung der Produktivität der Wirtschaft, verbunden mit einer Entkoppelung vom Ressourcen- und Energieverbrauch, und die vermehrte Ausrichtung des Produktions- und Konsumverhaltens auf Nachhaltigkeit;
– Die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sowie eine qualitative und quantitative
Verminderung der Beeinträchtigungen der Umwelt;
– Die Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu den sozialen und wirtschaftlichen Ressourcen
und die Verbesserung der Integration aller Bevölkerungsgruppen;
– Die Intensivierung der Beiträge für die globale Armutsbekämpfung und die Friedensförderung
sowie die Erhöhung deren Wirksamkeit.
Daraus und aus einer vergleichenden Beurteilung von Nachhaltigkeitsstrategien im Ausland leitet
der Bundesrat für sein Handeln im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung acht strategisch vorrangige Schlüsselherausforderungen ab:
1. Klimawandel und Naturgefahren;
2. Energie;
3. Raumentwicklung und Verkehr;
4. Wirtschaft, Produktion und Konsum;
5. Nutzung natürlicher Ressourcen;
6. Sozialer Zusammenhalt, Demografie und Migration;
7. Öffentliche Gesundheit, Sport und Bewegungsförderung;
8. Globale Entwicklungs- und Umweltherausforderungen.
16
Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 –
­B ilanz und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007
14
Der Aktionsplan 2008–2011
Ferner müssen verschiedene Politikbereiche, die aufgrund ihres ausgeprägten transversalen Querschnittscharakters auf alle Schlüsselherausforderungen einwirken, Grundlagen und Voraussetzungen für nachhaltiges Handeln schaffen:
9. Finanzpolitik;
10.Bildung, Forschung, Innovation;
11.Kultur 17 .
Im Aktionsplan zur Strategie zeigt der Bundesrat auf, welche prioritären Ziele er in dieser Legislatur
für die einzelnen Schlüsselherausforderungen (Ziff. 3.2) sowie die transversalen Themenfelder (Ziff.
3.3) verfolgt und mit welchen Massnahmen diese erreicht werden sollen. Der Aktionsplan ist grundsätzlich kein zusätzliches Aktivitätsprogramm des Bundes. Die Massnahmen stellen vielmehr
Schwerpunktsetzungen oder Akzentverschiebungen innerhalb der bestehenden Politiken in Richtung Nachhaltige Entwicklung dar. Aus diesem Grund erfolgt auch die Finanzierung über den ordent­
lichen Budgetprozess (siehe Ziff. 4.1).
Zum Aktionsplan gehören grundsätzlich Massnahmen, die in der direkten Kompetenz des Bundesrates liegen. Dabei geht es einerseits um legislatorische Vorhaben, andererseits um strategisch
bedeutsame Aktionen oder Akzentverschiebungen beim Vollzug des geltenden Rechts, welche relevante Lösungsbeiträge für die Nachhaltige Entwicklung leisten. Zur Zielerreichung in den Schlüsselherausforderungen werden in der Regel weitere Massnahmen, teilweise auf der Ebene des Vollzugs
bereits beschlossener Politik benötigt.
Die Massnahmen des Aktionsplans erfüllen alle oder die Mehrzahl der folgenden Kriterien:
– Ganzheitlichkeit, d.h. Berücksichtigung der drei Zieldimensionen «ökologische Verantwortung»,
«wirtschaftliche Leistungsfähigkeit» und «gesellschaftliche Solidarität»;
– Intergenerationalität (die Massnahmen betreffen langfristige Probleme oder Dynamiken);
– Globaler Bezug (die Massnahmen betreffen globale Probleme oder Dynamiken);
– Übergeordnete Einordnung (Massnahmen können einer oder mehreren Schlüsselherausforderungen zugeordnet werden);
– Wichtigkeit und Relevanz (Massnahmen erfordern ein Handeln oder eine Unterstützung durch
den Bundesrat und leisten relevante Lösungsbeiträge für Herausforderungen);
– Innovationsgehalt und Pilotcharakter (die Massnahmen bringen neue Lösungsansätze und/oder
lassen sich auf andere Bereiche/Gebiete übertragen).
Die Umsetzung des Aktionsplans wird im Rahmen eines detaillierten Controllings überwacht
(siehe Ziff. 4.3). Grundlage dazu bildet das Nachhaltigkeitsmonitoring MONET 18 . Seine rund 120
regelmässig aktualisierten Indikatoren dienen als Informationsgrundlage für die breite Bevölkerung und die politischen Akteure. Die Indikatoren vermitteln keine abschliessende Aus­s age,
denn die komplexe Thematik der Nachhaltigen Entwicklung lässt sich nicht allein in Zahlen fassen. Im Folgenden werden die Fortschritte in den Schlüsselherausforderungen und den transversalen Themenfeldern insgesamt mit Hilfe einer Auswahl besonders aussagekräftiger Indikatoren aus dem MONET-System abgebildet. Dabei ist zu beachten, dass MONET periodisch
überprüft und aktualisiert wird und folglich die Auswahl der Indikatoren ändern kann. Die in
Ziffer 3.2 aufgeführten Indikatoren wurden aufgrund ihrer Eignung für das Monitoring, das
heisst wegen des Vorhandenseins einer Zeitreihe, ausgewählt. Indikatoren, die aus einmaligen
Studien oder Erhebungen stammen, wurden also nicht berücksichtigt. Bei den Beurteilungen
handelt es sich durchgängig um Trendbewertungen in Bezug auf die gewünschte Entwicklungs-
17
18
Die Kultur ist als transversales Thema – und nicht im Sinne einer Sektorpolitik – verankert, um ihre Rolle als Grundlage des für die Nachhaltige Entwicklung notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesses zu unterstreichen.
www.monet.admin.ch
Der Aktionsplan 2008–2011
richtung, nicht jedoch um Bewertungen in Bezug auf einen bestimmten normativen oder gesetzlich definierten Zielwert. Die Abstützung auf Indikatoren zur Erfolgskontrolle erfolgt auch
bei den einzelnen Massnahmen. Über die präzisen Inhalte und organisatorischen Eckpunkte
des Controllings (Termine, Zuständigkeiten, usw.) wird im jährlich aktualisierten «technischen
Bericht» zur Strategie 19 informiert.
3.2
Schlüsselherausforderungen und Massnahmen
1 – Klimawandel und Naturgefahren
Herausforderungen und Ziele
Seit rund 250 Jahren verändert der Mensch durch die Emission von Treibhausgasen die Zusammensetzung der Atmosphäre. Dies verstärkt den natürlichen Treibhauseffekt und führt zu Veränderungen
des Klimas mit Folgen für die Schweiz wie extreme Niederschläge und damit auch Hochwasser und
Murgänge, zunehmende Hitzewellen und auch Trockenperioden. Um 0,6°C hat die Temperatur im
weltweiten Durchschnitt im letzten Jahrhundert bereits zugenommen, besonders stark seit 1970.
Diese Erwärmung wird mit grosser Wahrscheinlichkeit durch Treibhausgase verursacht, die der
Mensch insbesondere mit der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas sowie
durch die grossflächige Entwaldung der Tropen in die Atmosphäre bringt. Der Klimawandel beeinflusst nicht nur die ökologische, sondern auch die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung
in grundlegender Weise (z.B. Veränderung des alpinen Tourismus durch verminderte Schneesicherheit, längerfristig bedeutende jahreszeitliche Änderungen im Gewässerhaushalt). Zudem hat die
Klimaerwärmung Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung (z.B. Gesundheitsgefährdung
durch Hitze und neue Krankheitserreger). Gemäss dem Intergovernmental Panel on Climate Change
(IPCC) müssen die globalen CO 2 -Emissionen bis 2050 bis zu 50% im Vergleich zum Niveau von 1990
verringert werden, um den Temperaturanstieg unter 2°C zu halten und katastrophale Auswirkungen
für den Menschen zu vermeiden. Von den Industriestaaten werden dabei wesentlich stärkere Reduktionen gefordert (eine Reduktion der CO 2 -Emissionen zwischen 60 und 80% bis 2050). Um weit
reichende und irreversible Folgen des Klimawandels zu vermeiden, bleibt nach Einschätzung des
IPCC zum Handeln nur noch Zeit bis zum Jahr 2020.
Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 1999 über die Reduktion der CO 2 -Emissionen (CO 2 -Gesetz) 20 fordert, dass die CO 2 -Emissionen aus der energetischen Nutzung fossiler Energieträger bis zum Jahr
2010 gegenüber 1990 gesamthaft um 10% zu vermindern sind. Das von der Schweiz ebenfalls ratifi­
zierte Kyoto-Zusatzprotokoll der Klimarahmenkonvention verlangt die Reduktion der Emissionen
von sechs verschiedenen Treibhausgasen bis zum Zeitraum 2008–2012 gegenüber dem Stand von
1990 um 8%. Relevante Handlungsfelder für die Erreichung der Kyoto-Zielvorgabe sind nebst dem
Energie- und Verkehrssektor die Landwirtschaft, die Waldbewirtschaftung sowie industrielle Prozesse (insbesondere die Zementherstellung und die Verwendung synthetischer Treibhausgase). Die
Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention über die Ziele für die Zeit nach 2012 haben
begonnen. Einen für die Schweiz wichtigen Bezugspunkt bildet das von der Europäischen Union
propagierte Reduktionsziel von –20% bis 2020 im Vergleich zu 1990.
19
20
Der technische Bericht ist auf www.are.admin.ch/themen/nachhaltig/00262/00528/index.html?lang=de
einsehbar.
SR 641.71
15
16
Der Aktionsplan 2008–2011
Nicht nur die Emissionsreduktion, sondern auch eine gezielte Anpassungsstrategie zur Bewältigung
der Folgen der Klimaänderung ist erforderlich. Bei der Klimaerwärmung muss davon ausgegangen
werden, dass die Anzahl der Extremereignisse weiter zunehmen wird. Eine Anpassung der Schutzmassnahmen an die Auswirkungen des Klimawandels wird somit zu einer Herausforderung für die
ganze Gesellschaft. Hinzu kommt, dass viele grosse wasser- und waldbauliche Infrastrukturen erneuerungsbedürftig sind, weil sie die heutigen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Erneuerungen
und Sanierungen sind zwingend, wenn der entsprechende Schutz weiterhin gewährleistet bleiben
soll. Diese Substanzerhaltung erfordert grosse Investitionen. Da die Prävention wesentlich kostengünstiger ist als die reine Schadenbehebung, will der Bundesrat die Prävention stärken.
Zur Umsetzung des integralen Risikomanagements werden Gefahrengrundlagen benötigt. Bis 2011
sollen deshalb flächendeckend in der ganzen Schweiz Gefahrenkarten vorhanden sein. Diese müssen möglichst rasch in die Nutzungsplanung der Gemeinden überführt werden. Zudem müssen bestehende Schutzbauten auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Architekten und Planende
sowie die ganze Bevölkerung müssen im Umgang mit den Naturgefahren vertraut sein, damit naturgefahrengerecht gebaut und bei einer Warnung die richtigen Massnahmen getroffen werden. Dadurch können Schäden minimiert sowie Menschenleben und Sachwerte möglichst gut geschützt
werden. Die vertiefte Analyse der längerfristigen Auswirkungen des Klimawandels auf Wirtschaft
(z.B. Tourismus, Landwirtschaft, Energieversorgung, Wasserverfügbarkeit) und Gesellschaft (insbesondere Gesundheit) sowie die Formulierung entsprechender Anpassungsmassnahmen stehen
aller­d ings noch aus.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren 21 Gewünschte Trend
Entwicklung
CO 2 -Intensität des motorisierten Individualverkehrs
l
l
CO 2 -Intensität der Volkswirtschaft
l
l
Treibhausgasemissionen
l 22
~
CO 2 -Emissionen
l 23
k
Entwicklung der Schäden durch Naturkatastrophen
l
…
21 Trendbewertung
Für Erklärungen zu den in den Tabellen verwendeten Symbolen siehe Anhang 4.
Auf die grafische Wiedergabe von Zahlenreihen wird im Folgenden verzichtet. Auf dem MONET-Internetportal sind
laufend aktualisierte Angaben zu den einzelnen Indikatoren und zusätzliche Hintergrundinformationen abrufbar.
22 Zusätzlich zur angestrebten Zielrichtung besteht bei diesem Indikator ein Zielwert: bis 2010 –8% unter den Stand
von 1990 (Referenz: Durchschnitt 2008–2012).
23 Zusätzlich zur angestrebten Zielrichtung besteht bei diesem Indikator ein Zielwert: bis 2010 –10% für CO -Emissi2
onen aus energetischer Nutzung fossiler Energieträger (Referenz: Durchschnitt 2008–2012), aufgeteilt auf Emissionen aus energetischer Nutzung fossiler Brennstoffe (–15%) und Emissionen aus der Nutzung fossiler Treibstoffe
ohne Flugtreibstoffe für internationale Flüge (–8%).
Der Aktionsplan 2008–2011
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über den Vollzug bestehender Instrumente und Programme (CO 2 -Gesetz, Kyoto-Protokoll, Nationale Plattform Naturgefahren PLANAT) erreichen. Im Rahmen des Aktionsplans definiert er ergänzend die folgenden Massnahmen:
– 1–1 Weiterentwicklung Klimapolitik
Die gegenwärtige Politik auf der Basis des CO 2 -Gesetzes und des Kyoto-Protokolls ist im Hinblick
auf die Zeit nach 2010 zu einer umfassenden Klimapolitik weiterzuentwickeln. Eine künftige
Klimagesetzgebung soll zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration auf einem ungefährlichen Niveau sowie zur Bewältigung von mit dem Klimawandel verbundenen nachteiligen Veränderungen beitragen. Einerseits sind emissionsarme Produkte und Strukturen zu fördern und
Emissionen aus dem Verbrauch von fossilen Energieträgern und weiteren Quellen weiter zu reduzieren. Anderseits sind angesichts der bereits ablaufenden Klimaveränderungen die Voraussetzungen für die systematische Beobachtung der längerfristigen Auswirkungen sowie zur Entwicklung geeigneter Anpassungsstrategien zu schaffen.
– 1–2 Schutz vor Naturgefahren
Das integrale Risikomanagement ist umfassend umzusetzen. Dabei sollen die präventiven Massnahmen bevorzugt gefördert werden. Die Warnung und Alarmierung sowie die Zusammenarbeit
und Koordination mit den verschiedenen Anspruchsgruppen ist zu verbessern. Im Bildungsbereich sind Anstrengungen notwendig, damit Architekten und Planende bei ihren Bauten und Anlagen die Naturgefahren adäquat berücksichtigen und die Bevölkerung sich im Ereignisfall richtig verhält. Die langfristige Finanzierung der Gefahrenprävention ist zu prüfen.
2 – Energie
Herausforderungen und Ziele
Der schweizerische Primärenergiebedarf verteilte sich in 2006 auf 46,4% Erdöl, 24,6% Kernbrennstoffe (zur Herstellung von Atomstrom), 10,1% Rohwasserkraft (zur Herstellung von Hydroenergie),
9,7% Erdgas und 9,2% übrige Energieträger. Davon sind lediglich ca. 18% erneuerbar (vor allem Rohwasserkraft und Holz). Auch der weltweite Primärenergiebedarf wird heute zu ca. 80% aus nicht
erneuerbaren Quellen gedeckt. Das heutige Energiesystem beruht also weitgehend auf nicht erneuerbaren Ressourcen, zudem belastet es die Umwelt, beeinträchtigt das Klima und überlässt viele
Probleme unseren Nachkommen. Indem die verbleibenden fossilen Energieressourcen sich zunehmend auf unsichere Weltgegenden konzentrieren, ergeben sich auch Herausforderungen in Bezug
auf Versorgungssicherheit sowie politische Krisen und Konflikte.
Nachhaltig kann nur ein Energiesystem sein, das die Bedürfnisse von Wirtschaft und Gesellschaft
dank rationellerer Energienutzung mit stark reduziertem Ressourceneinsatz abdeckt und soweit
möglich erneuerbare Quellen nutzt. Ein nachhaltiges Energiesystem beinhaltet auch einen sparsamen Umgang mit der Energie. Artikel 89 BV (Energiepolitik) 24 und das Energiegesetz vom 26. Juni
1998 (EnG) 25 verlangen von Bund und Kantonen, dass sie sich für eine ausreichende, breit ge­
fächerte, sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung sowie für einen sparsamen und rationellen Energieverbrauch einsetzen. In einer langfristigen Optik wird geprüft, wie
der Weg zu einer «2000 Watt-Gesellschaft» auszugestalten wäre, die dank starker Effizienzsteigerung der Energieverwendung, Förderung der erneuerbaren Energien und von neuen wenig energieintensiven Lebens- und Unternehmensformen mit einem Drittel des heutigen Energieleistungs-
24
25
http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a89.html
SR 730.0
17
18
Der Aktionsplan 2008–2011
bedarfs auskommen und diesen zu einem grossen Teil durch erneuerbare Energieträger decken
kann.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Endenergieverbrauch pro Person
l
k
Erneuerbare Energien
j 26
k
Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe (absolut)
l
j
Energieintensität der Volkswirtschaft
l
l
Endenergieverbrauch im Verkehr
l
k
Trendbewertung
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über den Vollzug bestehender Instrumente und Programme (insbesondere Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Quellen, Vorschriften und Information, Ressortforschung) erreichen. Im Rahmen des Aktionsplans definiert er ergänzend die folgenden Massnahmen:
– 2–1 Programm EnergieSchweiz
Das Programm EnergieSchweiz setzt für die zweite Etappe zwischen 2006 und 2010 auf Kontinuität und noch mehr Wirkung, um damit den Beitrag an die Ziele der Energie- und Klimapolitik
zu verstärken. Im Mittelpunkt der zweiten Programmetappe steht die Förderung der Energie­
effizienz in allen Marktbereichen. Die Schwerpunkte werden wie folgt gesetzt: (1) Gebäudemodernisierung (umfassende Information der Liegenschaftseigner über die energetischen Aspekte
bei der Gebäudemodernisierung), (2) erneuerbare Energien (Bereitstellung von mehr Instrumenten zur Förderung der erneuerbaren Energien), (3) energieeffiziente Geräte und Motoren
(bessere Nutzung der Sparpotenziale in den Bereichen Haushaltgeräte, Elektronik, Licht und
elektrische Antriebe), (4) rationelle Energie- und Abwärmenutzung der Wirtschaft (Einbindung
bei Zielvereinbarungen und bei ergänzenden Programmen des Ziels, 50% der CO 2 -Emissionen
aus Brennstoffen des Bereichs Industrie und Dienstleistungen einzusparen), (5) energie­e ffiziente
und emissionsarme Mobilität (Reduktion des CO 2 -Ausstosses der Neuwagenflotte auf 140 g/km
bis im Jahr 2010 und gleichzeitige substantielle Reduktion des Energieverbrauchs und des Ausstosses von Luftschadstoffen).
26 Zusätzlich zur angestrebten Zielrichtung besteht bei diesem Indikator ein Zielwert: bis 2030 Erhöhung des aus
erneuerbaren Energien produzierten Stroms um 5400 GWh oder 10% des heutigen Schweizer Stromverbrauchs:
http://www.bfe.admin.ch/themen/00490/index.html?lang=de
Der Aktionsplan 2008–2011
– 2–2 Weiterentwicklung Energiestrategie
Die neusten Energieperspektiven zeigen, dass der Energieverbrauch vor allem im Strombereich,
bei den Treibstoffen sowie den industriellen Prozessen weiter ansteigen wird, was neben der
Problematik des Klimawandels die Frage aufwirft, wie der wachsenden Nachfrage ein ausreichendes, sicheres und bezahlbares Energieangebot gegenübergestellt werden kann. Der Bundes­
rat präsentierte am 21. Februar 2007 seine Energiestrategie. Sie beruht im Wesentlichen auf den
vier Pfeilern erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieaussenpolitik und Neubau von
Grossanlagen zur Stromerzeugung. Auf der Basis der bisher verfolgten Politik ist die Energiestrategie im Hinblick auf die langfristigen Ziele einer nachhaltigen Energieversorgung weiterzuentwickeln und mittels Aktionsplänen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu konkretisieren.
3 – Raumentwicklung und Verkehr
Herausforderungen und Ziele
Die «Grundzüge der Raumordnung Schweiz» des Bundesrates aus dem Jahr 1996 sind explizit dem
Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet. Ihre Leitidee bildet das vernetzte System von städtischen
und ländlichen Räumen mit kompakten, flächensparenden Siedlungen. Diese Leitidee soll die wirtschaftlichen (Standortvoraussetzungen für die Wirtschaft, Infrastrukturausstattung, ausgewogene
Entwicklung der Teilräume, Erschliessung etc.), die gesellschaftlichen (hochwertige, attraktive Siedlungs- und Erholungsräume, Schutz vor Naturgefahren) und die ökologischen Ansprüche an den
Raum (haushälterische Bodennutzung, Weiterentwicklung einer wertvollen Kulturlandschaft, Erhalt
der verbleibenden Naturräume) umfassend abstimmen. Wie Evaluationen zeigen, folgt die Raumentwicklung noch nicht dieser Zielvorstellung und ist somit als nicht nachhaltig zu bezeichnen. Deutlichste Zeichen sind der nach wie vor kaum gebremste Bodenverbrauch von rund 1 m 2 pro Sekunde
und die fortschreitende Zerschneidung und Zersiedlung der Landschaft.
Die Mobilität ist Rückgrat und zentrale Einflussgrösse der Raumentwicklung. Nachhaltiger Verkehr
heisst, die Mobilitätsbedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft zu befriedigen, die Teilräume
sachgerecht zu erschliessen und gleichzeitig die Beeinträchtigungen auf Mensch und Umwelt zu
vermindern. Die Umwelteffizienz des Verkehrs hat sich in den letzten Jahrzehnten insgesamt verbessert. Beim Energieverbrauch und den Treibhausgasemissionen hat jedoch noch keine Trendwende im erforderlichen Ausmass stattgefunden. Auch der «Modal Split», d.h. die Verteilung auf Langsamverkehr, motorisierten Individualverkehr und öffentlichen Verkehr, hat sich kaum verändert. Der
Anteil des öffentlichen Verkehrs im Personenverkehr liegt trotz grosser Investitionen seit Jahren
bei rund 20%, weil auch die Infrastrukturen für den Strassenverkehr verbessert wurden. Und das
Verkehrsvolumen steigt nach wie vor im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandprodukt, im Güterverkehr sogar überproportional.
Es gilt, die Anstrengungen für eine haushälterische Bodennutzung zu verstärken und die Siedlungsentwicklung vermehrt nach innen zu lenken. Im Sinne einer Referenzgrösse soll die Siedlungsfläche
bei 400 m 2 pro Kopf der Bevölkerung stabilisiert werden. Eine ausgewogene Entwicklung der Teilräume des Landes ist sicherzustellen und ein Verkehrssystem zu erhalten, das den Bedürfnissen
von Wirtschaft und Bevölkerung genügt und die negativen Auswirkungen des Verkehrs auf Bevölkerung, Umwelt und Wirtschaft reduziert.
19
20
Der Aktionsplan 2008–2011
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Siedlungsfläche
k
j
Siedlungsfläche pro Kopf
k
j
j
k
Lärmbetroffene Personen
l
j
Gütertransportintensität
l
j
Modal Split bzw. Anteil öffentlicher Verkehr und
Langsamverkehr am Personenverkehr (Landweg)
Trendbewertung
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über Schwerpunktsetzungen in der laufenden Politik und beim Vollzug
bestehender Instrumente (insbesondere Bundesgesetz vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung 27 ,
Instrumente der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung und -planung) und, im Rahmen des Aktionsplanes, mit folgenden ergänzenden Massnahmen erreichen:
– 3–1 Raumkonzept Schweiz
Damit sollen im Hinblick auf eine Ablösung der Grundzüge der Raumordnung Schweiz von 1996
zwischen allen institutionellen Ebenen koordinierte Zielvorgaben und Leitlinien zur künftigen
Raumentwicklung unseres Landes erarbeitet werden. Weiter sollen die notwendigen Massnahmen für deren Umsetzung entwickelt werden. Zentrale Aspekte sind eine verstärkte Ausrichtung
der kantonalen Richtplanung und der kommunalen Nutzungsplanung auf die Nachhaltige Entwicklung und die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für eine flächen- und kostensparende Siedlungsentwicklung. Raumansprüche sollen zukünftig konsequent nach innen, d.h.
in die weitgehend überbauten Gebiete gelenkt werden. Hierfür sind insbesondere die Abstimmung zwischen Raumplanung, Verkehr und Umweltschutz sowie die interkommunale Zusammenarbeit zu verbessern.
– 3–2 Massnahmenplan «zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur»
Zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern (öffentlicher Verkehr, motorisierter Individual­
verkehr und Langsamverkehr) sind koordinierte Zielvorgaben umzusetzen und mit innovativen
Ansätzen zu ergänzen. Mit dem Schwerpunkt «Umsetzung Sachplan Verkehr» soll sichergestellt
werden, dass die Detailplanung der einzelnen Verkehrsträger nach den übergeordneten Zielen,
Grundsätzen und Prioritäten des 2006 vom Bundesrat beschlossenen, umfassend auf die Nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Programmteils des Sachplans erfolgt. Der Schwerpunkt «Infrastrukturfonds – Finanzierung Infrastruktur» stellt sicher, dass die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen nach den die Nachhaltigkeitsprinzipien berücksichtigenden planerischen Vorgaben
des Infrastrukturfonds erfolgt. Der Schwerpunkt «Stärkung des öffentlichen Verkehrs» sorgt mit
Hilfe von Instandhaltung, Modernisierung und Ausbau der Eisenbahninfrastruktur und dank der
Schaffung geeigneter institutioneller Strukturen dafür, dass die angestrebte Verlagerung des
alpenquerenden Güterverkehrs und des Personenverkehrs auf die Schiene bzw. den öffentlichen
27
SR 700
Der Aktionsplan 2008–2011
Verkehr erreicht wird. Der Schwerpunkt «Stärkung des Langsamverkehrs» will mit gezielten
Massnahmen erreichen, dass der Anteil der Langsamverkehr-Etappen an der gesamten Personenmobilität zunimmt.
– 3–3 Massnahmenplan «nachhaltige Mobilität»
Die Rahmenbedingungen für einen auf die Nachhaltige Entwicklung ausgerichteten Verkehrs­
betrieb sind weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Schwerpunkts «Verlagerung» sollen marktwirtschaftliche Instrumente die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf
die Schiene unterstützen (z.B. neu zu entwickelnde Alpentransitbörse) und externe Kosten des
Verkehrs ausgleichen. In der Luftfahrt steht der Einbezug in ein internationales Emissions­
handelssystem im Vordergrund. Im Rahmen des Schwerpunkts «Erarbeitung Umwelt-Etikette»
soll eine Umwelt-Etikette entwickelt werden, die Auskunft über die Umweltbelastung und die
Energie- und Ressourceneffizienz von Personenwagen gibt. Durch das «Dienstleistungszentrum
für innovative und nachhaltige Mobilität UVEK» sollen Projekte unterstützt werden, die neue
Ideen und marktfähige Ansätze für eine zukunftsträchtige Mobilität entwickeln und erproben.
– 3–4 Massnahmenplan «Verkehrssicherheit»
Der Bundesrat verfolgt das Ziel, die Anzahl der im Strassenverkehr getöteten und schwer verletzten Personen innert zehn Jahren signifikant zu senken. Zu diesem Zweck hat er das UVEK
beauftragt, Umsetzungsvarianten mit Prioritäten, Kostenschätzungen und Alternativen vorzulegen. Der Bundesrat entscheidet voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2008 über das
weitere Vorgehen. Gleichzeitig ist das UVEK auf Grund seiner Querschnittsaufgabe «Verkehrs­
sicherheit» dafür verantwortlich, weitere Massnahmen vorzuschlagen und zu ergreifen, um das
bundesrätliche Ziel zu erreichen.
4 – Wirtschaft, Produktion und Konsum
Herausforderungen und Ziele
Im Hinblick auf eine wissensbasierte, hochproduktive und ressourcenleichte Volkswirtschaft ist ein
langfristiger Veränderungsprozess erforderlich, der die sozioökonomische Entwicklung stärkt und
mit der Notwendigkeit einer absoluten Absenkung des Umwelt- und Ressourcenverbrauchs in Einklang bringt. Die Produktivität der gesamten Wirtschaft ist laufend zu verbessern. Dazu muss ein
breites Spektrum von Politiken beitragen, wie z.B. Bildung, Forschung, Innovation (BFI), Steuer- und
Wettbewerbspolitik, Arbeitsmarktpolitik oder die Politik im Bereich der Infrastrukturen. Diesbezüglich ist auf die parallel und komplementär zu dieser Strategie verfolgte Wachstumspolitik hinzu­
weisen (siehe Ziff. 1.3.3), deren Inhalte zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten in dieser Strategie
nicht wiederholt werden. Hier wird ergänzend die Umorientierung der Produktions- und Konsum­
muster in den Vordergrund gerückt.
Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfolgt unter hohem Wettbewerbsdruck und in
einem globalisierten Umfeld. Der Konsum nimmt weltweit zu. Es besteht die Gefahr, dass diese
Entwicklung auf Kosten der Umwelt und gerechter Arbeitsbedingungen geht. Die Herausforderung
besteht darin, die Herstellung und den Konsum von Produkten (Gütern, Dienstleistungen, Bau­
werken) so auszurichten, dass diese über ihren gesamten Lebensweg hohen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Anforderungen genügen. Werden diese Anforderungen eingehalten, können
daraus sowohl Kosteneinsparungen als auch geringere externe Kosten – z.B. im Bereich der Gesundheit – resultieren. Es sind deshalb gemäss dem von der Schweiz mitinitiierten und mitunterzeichneten UN-Beschluss für ein zehnjähriges Rahmenprogramm zur Förderung von nachhaltigen
Produktions- und Konsummustern adäquate Massnahmen umzusetzen.
Konsumentinnen und Konsumenten können durch die Nachfrage solcher Produkte einen wichtigen
Beitrag leisten. Der Bund selbst nimmt bei seinem Konsumverhalten eine Vorbildfunktion ein, indem
21
22
Der Aktionsplan 2008–2011
er im Rahmen seiner Beschaffungstätigkeit Produkte nachfragt und Bauwerke realisiert, die wirtschaftlich, umweltschonend und gesundheitsverträglich sind und die sozial verantwortungsvoll
produziert werden. Bei der Festlegung und Umsetzung der Massnahmen ist das partnerschaftliche
und koordinierte Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Forschung von grosser
Bedeutung. Dabei ist auch die Verantwortung der Unternehmungen zu betonen, in ihrer Tätigkeit
vermehrt Nachhaltigkeitsanliegen zu berücksichtigen («Corporate Social Responsibility»), sei es
durch Entwicklung von nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsstrategien, sei es durch entsprechende
Gestaltung von Produkten und Produktionsprozessen oder durch die Übernahme von Standards und
Normen im Bereich umwelt- und sozialverantwortlichen Handelns (siehe auch Leitlinie 2.5). Die
staatlichen Interventionen sind so gering wie möglich zu halten.
Generell gilt es, über Anreize und durch die Entwicklung geeigneter Rahmenbedingungen verstärkte
Innovationsimpulse für einen nachhaltigkeitsorientierten Strukturwandel der Wirtschaft zu vermitteln. Ein Haupterfordernis ist, dass die Preise für Energie, Mobilität, Entsorgung, Raum- und Ressourcenverbrauch der Kostenwahrheit entsprechen, indem nicht nachhaltige Subventionen abgebaut und die externen Kosten internalisiert werden. Durch Kostenwahrheit entstehen Anreize zur
Steigerung der Umwelteffizienz, womit sich auch Kosten einsparen lassen, und der technische Fortschritt wird in die Richtung von nachhaltigen Produkten und Prozessoptimierungen gelenkt. Darin
liegen wirtschaftliche Potenziale, die im 21. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen werden.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Haushaltseinkommen
j
k
Multifaktorproduktivität
j
j
Materialintensität der Volkswirtschaft
l
l
und Dienstleistungen
l
l
Abfallproduktion (Summe inkl. Recycling)
l
j
Energieintensität der Produktion von Gütern
Trendbewertung
Massnahmen
Um die Ziele auf dem Gebiet dieser Schlüsselherausforderung zu erreichen, will der Bundesrat ergänzend zur Wachstumspolitik und zu weiteren für diese Herausforderung wichtigen Massnahmen
dieses Aktionsplans (insbesondere 1–1, 2–1 und 3–3) die folgenden Massnahmen durchführen:
– 4–1 Integrierte Produktepolitik IPP
Produktion und Konsum von Gütern und Dienstleistungen, die hohen wirtschaftlichen, sozialen
und ökologischen Anforderungen genügen, will der Bund über die öffentliche Nachfrage (nachhaltige Beschaffungspraxis des Bundes) und über fundierte ressourcenrelevante Informationen
für Marktteilnehmende stärken. Weiter sind im Rahmen einer nachhaltigen Materialwirtschaft
Strategien zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der Umweltauswirkungen bei gleichwertiger oder erhöhter Produktqualität vorzuschlagen.
Der Aktionsplan 2008–2011
– 4–2 Nachhaltiges Bauen
Die jährlichen Bauausgaben in der Schweiz von über 50 Mia. Franken, davon ein Drittel von öffentlichen Auftraggebern, sollen sich gemäss den Leitlinien dieser Strategie entwickeln. Dafür
soll eine nachhaltige Immobilienstrategie des Bundes (inkl. Vereinbarung zur Begrenzung der
CO 2 -Emissionen von Bundesbauten) formuliert werden. Der Bund will Bauleistungen und Bauwerke beschaffen, die über ihren gesamten Lebensweg hohen wirtschaftlichen, sozialen und
ökologischen Anforderungen genügen. Weiter will er auf das Bauwesen Einfluss nehmen über
baurelevante Programme (wie z.B. EnergieSchweiz), über die Mitgestaltung von Vorschriften,
Normen und Standards im Bau (z.B. Minergie-ECO) sowie durch die Stärkung des Netzwerks zum
nachhaltigen Bauen in der Schweiz.
– 4–3 Weiterentwicklung der Agrarpolitik
In der Agrarpolitik wird die Umlagerung von Mitteln der Marktstützung zu Direktzahlungen in
sozialverträglicher Geschwindigkeit weiter vorangetrieben, und es wird ein neues Instrument
zur nachhaltigen Ressourcennutzung eingeführt (Umsetzung der Agrarpolitik 2011). Im Hinblick
auf das Ziel, die Mittel möglichst zielgenau einzusetzen, wird ein Bericht zum Direktzahlungs­
system erstellt. Dabei sind die aussenhandelspolitischen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen (weitere Liberalisierungsschritte im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO und/oder
allfälliges Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich zwischen der Schweiz und
der EU).
5 – Nutzung natürlicher Ressourcen
Herausforderungen und Ziele
Indem natürliche Ressourcen wie die Biodiversität oder der Wald Leistungen erbringen, die für die
wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung letztlich unverzichtbare Grundvoraussetzungen
bilden, liegt deren Erhaltung im Interesse aller Zieldimensionen der Nachhaltigen Entwicklung. Die
biologische Vielfalt ist eine zentrale Lebensgrundlage des Menschen. In der Schweiz kommen viele
gefährdete Arten nur noch in kleinen Beständen an wenigen Stellen vor. Der Schutz, die Aufwertung
und Vernetzung solcher Standorte ist erst in den vergangenen 15 Jahren richtig angelaufen. Diese
geschützten Gebiete sind aber zu klein, um gefährdete Arten langfristig zu erhalten. Bereits wurden
mehrere Instrumente entwickelt, um die biologische Vielfalt in der Schweiz zu schützen (Biotop­
inventare, Rote Listen, Biodiversitätsmonitoring, ökologischer Ausgleich usw.). Die Landschaft bildet die Grundlage für die qualitative Sicherung der Regenerationsfähigkeit natürlicher erneuerbarer
Ressourcen, das heisst der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen. Zudem bilden die landschaftlichen
Qualitäten eine Grundlage der Lebensqualität und Standortattraktivität. Die Wälder sind zentral als
Rohstoffquelle, Habitat für Biodiversität, als Senke für Klimaemissionen, Lebens- und Arbeitsraum
für Menschen, Erholungsgebiet, als Filter für Wasser, Schutzwald und Stabilisator für Ökosysteme.
Während weltweit der Schutz der Wälder vor Übernutzung im Vordergrund steht, sind in der Schweiz
eine vermehrte Nutzung des einheimischen Rohstoffs und Energieträgers Holz sowie eine bessere
Wertschöpfung im Inland energie- und klimapolitisch von grosser Bedeutung.
Zudem ist dem Wasser mit seiner wichtigen ökologischen, aber im Zusammenhang mit der Wasserkraft- und Trinkwassernutzung auch wirtschaftlichen und sozialen Funktion, weiterhin die not­
wendige Beachtung zu schenken. Herausforderungen stellen ferner Umweltbeeinträchtigungen wie
Gewässerbelastungen durch chemische Verbindungen und Hormone, die Luftbelastung durch Feinstaub, Bodenverunreinigungen durch Schwermetalle sowie der sichere und nachhaltige Umgang mit
Chemikalien und gefährlichen Abfällen dar.
23
24
Der Aktionsplan 2008–2011
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Brutvogelbestand
j
k
Zerschneidung der Landschaft
l
j
Ökologische Ausgleichsflächen
j
j
Phosphorgehalt im Seewasser
l
l
Feinstaubkonzentration
l
l
Trendbewertung
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über Schwerpunktsetzungen in der laufenden Politik und beim Vollzug
bestehender Instrumente erreichen (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz 28 ,
Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer 29 , Bundesgesetz vom 1. Juli 1966
über den Natur- und Heimatschutz 30 , Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über den Wald 31 , Vollzugsprogramme wie z.B. Aktionsplan Risikobeurteilung und Risikomanagement synthetischer Nanomaterialien). Im Rahmen des Aktionsplans dieser Strategie definiert er ergänzend die folgenden
Massnahmen:
– 5–1 Wirkungsanalyse Biodiversität
Die bisher in der Schweiz ergriffenen Massnahmen zur Erhaltung der Biodiversität sind auf ihre
Wirkung zu prüfen. Auf dieser Grundlage wird zu entscheiden sein, ob die bisher verfolgte Politik den Anforderungen genügt oder ob eine weiter reichende Strategie zur Förderung der Bio­
diversität ergriffen werden soll.
– 5–2 Weiterentwicklung Chemikalienpolitik
Mit der neuen EU-Chemikalienverordnung REACH wird ein Paradigmenwechsel vollzogen, der
einige Unzulänglichkeiten der alten, in der Schweiz aber noch geltenden Chemikalienregelung
beseitigt. Im Zentrum steht dabei die Umkehr der Beweislast, wonach die Hersteller oder Importeure von Stoffen die Sicherheit der Verwendung demonstrieren müssen. Eine solide Beurteilungsgrundlage für mögliche Risiken ist in der EU neu Bedingung für den Marktzugang. Damit
muss eine Vielzahl von Stoffen, die bisher ohne Kenntnisse über mögliche Risiken vermarktet
wurden, toxikologisch geprüft werden. Die Schweiz muss ihre Chemikalienpolitik überprüfen
und bestehende Unzulänglichkeiten in den nächsten Jahren schrittweise beseitigen. Nur so
kann ein hohes Schutzniveau für Mensch und Umwelt gewährleistet werden. Weiter sollte die
Schweiz, wie am Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 bekräftigt, das
«Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals» (GHS) möglichst zeitgleich mit den EU-Staaten einführen.
28
29
30
31
SR
SR
SR
SR
814.01
814.20
451
921.0
Der Aktionsplan 2008–2011
25
6 – Sozialer Zusammenhalt, Demografie und Migration
Herausforderungen und Ziele
Eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung basiert auf einer solidarischen, gerechten Gesellschaft. Dieser Anspruch ist stets den sich wandelnden Herausforderungen anzupassen. Zahlreiche
Entwicklungen setzen den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Belastung aus. Aufgrund der erwarteten demografischen Alterung werden das System der sozialen Sicherheit und die Sozialpolitik
mittel- und langfristig stark herausgefordert. Der Altersquotient (65-Jährige und Ältere im Verhältnis zu den 20- bis 64-Jährigen) wird im Laufe der kommenden Jahrzehnte von 25,7% (2005) auf rund
50% im Jahr 2050 ansteigen. Es gilt die Alterssicherungssysteme an die demografische Entwicklung
anzupassen, ohne dabei zukünftigen Generationen spürbar zusätzliche finanzielle Lasten zu auf­
erlegen. Die demografische Entwicklung verlangt, dass wir uns auf eine «Gesellschaft der vier Gene­
ra­t ionen» einstellen. Die Politik muss künftig vermehrt Ansätze verfolgen, die die vorhandenen Potenziale der verschiedenen Generationen nutzen und die Generationenbeziehungen insgesamt
stärken.
Weiter drängt sich eine verstärkte Koordination und Integration von finanziellen Sozialleistungen
und staatlichen Dienstleistungen – neben der Sozialpolitik insbesondere die Arbeitsmarkt-, Aus­
länder-, Gesundheits-, Wohnungs-, Familien-, Bildungs- und Steuerpolitik – auf, wenn man verhindern will, dass Personen in eigentliche Armutsfallen geraten. Zusätzlich ergeben sich weitere Integrationsherausforderungen. Das Auseinanderdriften und die Pluralisierung der Gesellschaft stellen
den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe. Das Sozialkapital im Sinne der Summe von
Faktoren, die das geordnete Zusammenleben der Menschen, das gegenseitige Vertrauen und damit
die gesellschaftliche Entwicklung fördern, ist zu stärken. Von vorrangiger Bedeutung ist die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung. Die gegenseitige Kenntnis der in der Schweiz gelebten
Kulturen ist von entscheidender Bedeutung für den Zusammenhalt des Landes. Es gilt, die Probleme, die mit der mangelnden Integration zusammenhängen, zu vermindern und Folgekosten zu
minimieren: Bei geringer sozialer oder beruflicher Integration besteht ein erhöhtes Risiko von Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit, Sucht und Kriminalität. Der Staat muss günstige Rahmenbedingungen für Chancengleichheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben schaffen.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Jugenderwerbslosigkeit
l
j
Personen unter der Armutsgrenze
l
l
j
k
j
l
j
j
Freiwilligenarbeit, Beteiligung der Ausländer
in % der Schweizer
18–24-jährige Ausländer in postobligatorischer
Ausbildung in % der Schweizer
Gleichstellung: Frauenlohn in % des Männerlohnes
Trendbewertung
26
Der Aktionsplan 2008–2011
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über Schwerpunktsetzungen in der laufenden Politik und beim Vollzug
bestehender Instrumente erreichen (insbesondere Umsetzung 5. Revision der Invalidenversicherung (IV), Sicherstellung der Zusatz-Finanzierung für die IV, Planung der 12. Revision der Alters- und
Hinterbliebenenversicherung (AHV), Bundesauftrag Integrationsmassnahmen). Im Rahmen dieses
Aktionsplans definiert er ergänzend die folgenden Massnahmen:
– 6–1 Strategie zur Bekämpfung der Armut
Gemäss einem parlamentarischen Auftrag 32 wird eine Strategie zur Armutsbekämpfung ent­
wickelt. Die Strategie soll gemeinsam von den zentralen Akteuren entwickelt und getragen werden. Unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und der Zuständigkeiten von Bund und Kantonen
soll die Strategie in erster Linie Anpassungen bestehender Massnahmen enthalten und sich an
alle drei staatlichen Ebenen und die Sozialpartner richten. Die Strategie soll zwecks breiter Abstützung vom Bundesrat, der Konferenz der Kantonsregierungen und den Gemeinden/Städten
verabschiedet werden und auf folgende Themen ausgerichtet werden: (1) Kinder und Jugend­
liche im Vorschul- und Schulalter, (2) Übergang in die Berufsausbildung und in den Beruf, (3)
Working Poor-Familien und Alleinerziehende, (4) Koordination und Ausgestaltung bedarfsabhängiger Leistungen, Steuern etc. zur Vermeidung von Armutsfallen und negativer Arbeitsanreize,
(5) Langzeitarbeitslosigkeit.
– 6–2 Anpassung Arbeitsmarktpolitik an demografische Alterung
Um die für die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzierung der Sozialwerke wichtige hohe
Erwerbsquote der älteren Arbeitskräfte im Zuge der demografischen Alterung der Schweizer
Bevölkerung zu wahren, sind Anstrengungen notwendig. Die Arbeitsmarktpolitik und damit eng
verbundene Politikfelder wie die Sozialversicherungen müssen Anreize so setzen, dass ältere
Arbeitnehmende nicht benachteiligt und unfreiwillig vorzeitig aus dem Arbeitsmarkt gedrängt
werden. Gestützt auf ein 2005 vorgeschlagenes Konzept eines Massnahmenpakets wird der
Bundesrat über weitere Schritte für dessen Realisierung befinden.
7 – Öffentliche Gesundheit, Sport und Bewegungsförderung
Herausforderungen und Ziele
Während der Gesundheitszustand der Schweizer Bevölkerung, gemessen an Lebenserwartung und
Sterblichkeitsrate, noch nie so gut war wie heute, ist im Gegensatz dazu eine Zunahme von chronischen Krankheiten auszumachen, namentlich als Folge von Übergewicht (Diabetes, Herzkreis­
lauferkrankungen), Tabakrauchen (Krebs, Lungenprobleme) und anderen Suchtproblemen sowie
psychischen Problemen, z.B. aufgrund von grösseren Arbeitsbelastungen oder verwandten gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen. Die Gesundheitsversorgung war bisher zu exklusiv auf die
kurative (heilende) Medizin ausgerichtet. Künftig muss auch auf den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung Gewicht gelegt werden. Entsprechend sollten daher in Zukunft die Krankheitsprävention und die Gesundheitsförderung stärker berücksichtigt werden. Dazu sind einerseits
Prävention und Gesundheitsförderung als wichtige Pfeiler des Gesundheitssystems zu stärken sowie die Steuerung und die Koordination der Akteure und Massnahmen zu verbessern. Andererseits
ist eine multisektorale Politik zu verfolgen, die die Zusammenhänge zwischen Gesundheitszustand
einerseits und Umweltsituation, Ernährungsgewohnheiten, Bewegungs- und Mobilitätsverhalten sowie sozialen Unterschieden andererseits thematisiert. Unabdingbare Anliegen sind die Förderung
der öffentlichen Gesundheit zu gleichen Bedingungen für alle – dazu gehören unter anderem gesundheitsrelevante Informationen und Bildung –, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts sowie
32
Motion 06.3001 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrates.
Der Aktionsplan 2008–2011
27
der verbesserte Schutz vor Gesundheitsbedrohungen. Ebenso sind die sportlichen Aktivitäten der
Bevölkerung und die Mobilität aus eigener Kraft zu fördern und bewegungs- und gesundheitsbe­
günstigende sowie lärmarme Lebensräume zu schaffen oder zu erhalten. Dabei gilt es, für regelmässige sportliche Aktivität der Bevölkerung optimale Bedingungen zu schaffen.
Eine zentrale Herausforderung in der Krankenversicherung ist die dauerhafte Dämpfung der Kostenentwicklung. Entscheidend sind daher Reformen, welche die Bedürfnisse in einer sich wandelnden
Gesellschaft befriedigen und welche die Effizienz und den Wettbewerb sowie die Qualität im Gesundheitswesen sicherstellen. Insbesondere sind Anreize zu eliminieren, die zu einer Mengenausweitung medizinischer Leistungen beitragen, ohne dass dies durch zusätzliche Bedürfnisse in einer
alternden Gesellschaft gerechtfertigt erscheint.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Gesundheitsrelevantes Verhalten: körperliche Aktivität
j
k
Lebenserwartung in guter Gesundheit
j
j
Ausgaben für Prävention und Gesundheitsförderung
j
l
Gesundheitsausgaben
k
j
Sucht-/Genussmittelkonsum: Rauchen
l
~
Trendbewertung
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele über Schwerpunktsetzungen in der laufenden Politik und beim Vollzug
bestehender Instrumente (insbesondere Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenver­
sicherung 33 und zugehörige Verordnungen) erreichen. Im Rahmen des Aktionsplanes definiert er
ergänzend die folgenden Massnahmen:
– 7–1 Stärkung von Prävention, Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Chancengleichheit
Durch neue bundesgesetzliche Grundlagen sollen Prävention und Gesundheitsförderung in der
Schweiz gestärkt werden. Die neuen gesetzlichen Grundlagen sollen einerseits die Steuerung
und Koordination der Präventions- und Gesundheitsförderungsaktivitäten aller staatlicher (Bund,
Kantone, Gemeinden) und privater Akteure verbessern und andererseits die bestehende bundesgesetzliche Lücke im Bereich der Prävention von nicht übertragbaren und psychischen
Krankheiten schliessen. Zudem ist eine Politik zu erarbeiten, die Möglichkeiten und Massnahmen aufzeigt, mit denen die heute in der Schweiz bestehende ungleiche Verteilung der Chancen, gesund zu bleiben und ein der durchschnittlichen Lebenserwartung entsprechendes Alter
zu erreichen, überwunden werden kann.
33
SR 832.10
28
Der Aktionsplan 2008–2011
– 7–2 Nationale Strategie «Bewegung, Ernährung und Gesundheit» 2008–2012
Diese hat primär zum Ziel, die zunehmende Zahl der übergewichtigen und adipösen Menschen
in der Schweiz und insbesondere der Kinder zu bremsen und zu reduzieren. Dabei wird auch der
Art und Weise der Produktion und des Vertriebs der Nahrungsmittel ein bedeutender Stellenwert zukommen.
– 7–3 Strategie «Migration und Gesundheit», Phase 2
Längerfristiges Ziel dieser Strategie ist die Schaffung eines Gesundheitswesens, welches auf
eine durch Migration veränderte Gesellschaft und deren Bedürfnisse eingeht. Um den Zugang
zum Gesundheitswesen zu verbessern und um spezifische Leistungen zu erbringen, werden
Massnahmen in vier definierten Interventionsbereichen umgesetzt: Bildung (Aus-, Fort- und
Weiterbildung); Information, Prävention und Gesundheitsförderung; Gesundheitsversorgung;
Forschung und Wissensmanagement.
– 7–4 Allgemeine Sport- und Bewegungsförderung
Gezielte Angebote für alle Alters- und Leistungsstufen sollen dazu beitragen, dass sich die
Schweizer Bevölkerung mehr bewegt. Die Akzeptanz für die gesellschaftliche Bedeutung von
Sport und Bewegung ist zu erhöhen, und die Rahmenbedingungen und Strukturen für die Sportund Bewegungsförderung sind zu verbessern. Tägliche Sport- und Bewegungsaktivitäten im Kindes- und Jugendalter sowie regelmässige Sport- und Bewegungsaktivitäten im Erwachsenen­
alter sind zu fördern. Überdies ist Sport verstärkt als Mittel zur sozialen Integration zu nutzen.
– 7–5 Fairer und sicherer Sport
Damit der Sport seine positiven Wirkungen für die Nachhaltige Entwicklung entfalten kann, sind
dessen Schattenseiten zu bekämpfen. Ein Aktionsprogramm soll dazu beitragen, dass die Prinzi­
pien der Ethik-Charta im Sport umgesetzt und Doping wirksam bekämpft werden. Suchtprävention im und durch den Sport ist zu verstärken, und Massnahmen gegen Gewalt und sexuelle
Übergriffe im Sport sind zu ergreifen.
8 – Globale Entwicklungs- und Umweltherausforderungen
Herausforderungen und Ziele
Die wirtschaftliche Globalisierung wird sich im Laufe des 21. Jahrhunderts fortsetzen. Die westlichen Länder und einige fortgeschrittene Entwicklungsländer entwickeln sich zu «Wissensgesellschaften», deren Wohlstand auf Wissen und dem Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien basiert. Die Industrieproduktion wird in zunehmendem Mass in Entwicklungs- und
Schwellenländer insbesondere Asiens erfolgen. Die transnationalen Unternehmen sind Motoren der
wirtschaftlichen Entwicklung und wichtige Akteure im Globalisierungsprozess. Der internationale
Austausch von Finanzdienstleistungen wird vermehrt an Bedeutung gewinnen. Dieser wirtschaftliche Globalisierungsprozess ist mit bedeutenden Umwelt- und Entwicklungs- bzw. Armutsherausforderungen verknüpft. Die Beanspruchung der Biokapazität der Erde durch die westlichen Länder
ist weiterhin zu gross und wächst auch stark in einigen sich industrialisierenden Entwicklungs­
ländern. Schon heute werden die globalen natürlichen Ressourcen stärker genutzt, als unter der
Bedingung einer Nachhaltigen Entwicklung zur Verfügung stehen.
Die globalen Umweltveränderungen nehmen zu. 2005 wurde im Rahmen des «Millennium Ecosystem Assessment» festgestellt, dass ungefähr 60% der Ökosysteme, welche das Leben auf dem
Planeten erst ermöglichen, degradiert oder in nicht nachhaltiger Weise genutzt werden. Der «Global
Environment Outlook – GEO 4» des UNO-Umweltprogramms UNEP ist die neueste weltweite Analyse
der globalen Umweltsituation und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Die gegenwärtigen Entwicklungstendenzen deuten darauf hin, dass sich die Situation in den nächsten 50 Jahren noch erheblich verschlechtern wird. Diese Probleme können nur gelöst werden, wenn es den staatlichen und
Der Aktionsplan 2008–2011
nicht-staatlichen Akteuren gelingt, ihre Handlungen zu koordinieren. Das globale Umweltsystem
sollte in der Lage sein, alle anstehenden und aufkommenden globalen Umweltprobleme kohärent
aufzunehmen und sie effektiv und effizient anzugehen. Es muss einen institutionellen Rahmen bieten, der den Schutz und die nachhaltige Nutzung der globalen natürlichen Ressourcen gewähr­
leistet und in einem institutionellen Gleichgewicht zu den anderen Pfeilern der Nachhaltigen Entwicklung steht. Um die ihm zugedachte Funktion auszuüben, muss die globale Umweltgouvernanz
deutlich gestärkt und weiterentwickelt werden. Es bestehen viele Doppelspurigkeiten, Inkonsis­
tenzen und teils sogar Widersprüche zwischen den verschiedenen Akteuren und Konventionen, die
ein wirkungsvolles Vorgehen verhindern. Zudem müssen einerseits noch bestehende Lücken im
­i nternationalen Regelwerk gefüllt werden, andererseits die vorhandenen Konventionen und Abkommen vollständig umgesetzt werden. Handlungsbedarf besteht z.B. in der Umsetzung des Übereinkommens über biologische Vielfalt (CBD – Convention on Biological Diversity). Im Bereich
Chemikalien fehlt bisher eine internationale Konvention für Schwermetalle und persistente anorganische Schadstoffe. Ausserdem fehlen bisher international verbindliche Regeln für eine nachhaltige
Waldnutzung. Im Bereich Wasser sollte ein internationales Forum geschaffen werden, in dem diese
Thematik diskutiert und eine auf nachhaltiger Nutzung basierte Politik formuliert werden können.
Das Ziel eines starken Umweltregimes ist nur erreichbar, wenn eine breitere internationale Abstützung für die Umweltthematik erreicht werden kann und angemessene Finanzmittel in die vorhandenen Fonds fliessen. Die Umweltpolitik muss ausserdem mit Fragen der Entwicklungspolitik, der
Politik der humanitären Hilfe, der internationalen Sicherheitspolitik, der Migrationspolitik, der internationalen Gesundheitspolitik und der internationalen Handelspolitik koordiniert werden.
Seit 1990 konnte der Anteil Menschen, die mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, von rund 28% auf 18% (2004) gesenkt werden. Zwar haben die Ungleichheiten im globalen
Massstab zugenommen, doch gibt es in vielen Regionen, gerade auch in Afrika, ein ermutigendes
Einkommenswachstum der armen Bevölkerung. Wegen des weiterhin grossen wirtschaftlichen Gefälles zwischen armen und reichen Ländern steigt die Zahl der potenziellen Migrantinnen und Migranten. Im Entwicklungskontext werden die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen
(MDG) aus dem Jahr 2000 als Eckpunkte einer menschenrechtlich und ökologisch geprägten Entwicklungspolitik betrachtet. Die MDG verpflichteten alle Länder, ihr Engagement zu erhöhen, um die
Armut zu beseitigen, die menschliche Würde und die Gleichberechtigung zu fördern sowie Frieden,
Demokratie und ökologische Nachhaltigkeit zu verwirklichen. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten
Nationen haben vereinbart, bis zum Jahr 2015 gemeinsam messbare Ziele zur Bekämpfung von Hunger, Armut, Krankheit, Analphabetismus, der Diskriminierung von Frauen und der Umweltzerstörung
zu erreichen. Am UNO-Weltgipfel im Jahr 2005 wurden die Schwerpunkte der internationalen Politik
in drei Handlungsfeldern erneut bestätigt: Nachhaltige Entwicklung (Millennium-Entwicklungsziele),
Sicherheit (entwicklungsförderliche Sicherheitspolitik) sowie Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Während der Vorbereitung zu diesem Gipfel wurde klar, dass die Millennium-Entwicklungsziele
nicht realisiert werden können, wenn die gegenwärtige Umweltzerstörung ungehindert fortgeführt
wird. Damit wurde deutlich, dass die internationale Entwicklungspolitik und die internationale Umweltpolitik noch besser aufeinander abzustimmen sind.
Insgesamt ist eine vermehrte Kohärenz und Gleichstellung der institutionellen multilateralen Pfeiler
anzustreben. Entscheidend ist ein gut funktionierendes globales Regelwerk für den internationalen
Handel und Kapitalverkehr, welches aber nicht allein einseitigen wirtschaftlichen Anliegen Rechnung trägt. Neben der Förderung eines diskriminierungsfreien Zugangs sind in der Welthandels­
organisation die Bemühungen für ein umweltverträgliches und die Armut linderndes Handelsystem
voranzutreiben. Daneben sind die noch relativ schwachen und heterogenen internationalen institutionellen Regelwerke auf globaler Ebene in den Bereichen Umwelt (multilaterale Umweltabkommen) und Soziales aufzuwerten. Sie sind den Regelwerken im Bereich Wirtschaft gleichzustellen,
welche dank den Streitschlichtungs- und Sanktionsmechanismen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) über die grösste Durchschlagskraft verfügen.
29
30
Der Aktionsplan 2008–2011
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren 34 :
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Öffentliche Entwicklungshilfe im Verhältnis zum
Bruttovolkseinkommen zu Marktpreisen
Anteil der bilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe,
welche in arme Länder (gemäss Definition der UNO) fliesst
Öffentliche Entwicklungshilfe zur Stärkung der
Handelskapazität
Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe, die die
internationale Umweltpolitik direkt unterstützt
Fair Trade
j
k
j
l
j
j
NN
NN
j
j
Trendbewertung
NN
Massnahmen
Um die Ziele zu erreichen, definiert der Bundesrat im Rahmen des Aktionsplans die folgenden priori­
tären Massnahmen:
– 8–1 WTO und Nachhaltige Entwicklung
Die Schweiz ist bestrebt, die weitere Liberalisierung und Integration der Weltwirtschaft im Rahmen der WTO voranzutreiben und sich dabei speziell für Nachhaltigkeitsanliegen zu engagieren.
In den Verhandlungen in der WTO will sich der Bundesrat einerseits für die wirtschaftliche und
entwicklungsspezifische Dimension der Nachhaltigkeit einsetzen, wobei insbesondere durch
den weiteren Abbau nicht nachhaltiger Subventionen sowie von Handels- und Investitionshemmnissen die ökonomische Ressourcenverwendung optimiert werden soll. Andererseits gilt
es, auch die anderen Dimensionen der Nachhaltigkeit innerhalb der WTO zu stärken. Im Bereich
Ökologie setzt sich der Bundesrat für die Kohärenz von handelsrelevanten Bestimmungen und
internationalen Umweltabkommen, für die Sicherstellung der Konsumenteninformation mittels
eines WTO-kompatiblen Öko-Labelling, für die Anerkennung ökologischer Mindeststandards
durch das Handelsregime sowie für die Anwendung und die Erweiterung des Vorsorge- und Verursacherprinzips innerhalb der WTO ein. Als Massnahmen im gesellschaftlichen Bereich tritt die
Schweiz in der WTO für eine Stärkung der gegenseitigen Zusammenarbeit der multilateralen
Organisationen und für eine Verbesserung des Dialogs mit Nichtregierungsorganisationen ein.
– 8–2 Stärkung der internationalen Umweltgouvernanz
Die Schweiz setzt sich ein für die Stärkung des UNO-Umweltprogramms (UNEP) als zentraler
Pfeiler des internationalen Umweltregimes, für die Umsetzung und Weiterentwicklung der von
der internationalen Gemeinschaft 2002 beschlossenen Massnahmen zur Stärkung der interna­
tionalen Umweltgouvernanz, für die Unterstützung der strategischen Vision einer UNO-Umweltorganisation, sowie für die Weiterführung der Idee der Erarbeitung von globalen Umweltzielen
(Global Environmental Goals GEG). Die Schweiz setzt sich für ein umfassendes internationales
34
Die Indikatoren zu dieser Schlüsselherausforderung sind als vorläufig zu betrachten. Zur Zeit der Beschlussfassung
zur vorliegenden Strategie ist die globale Dimension des Indikatorensystems MONET Gegenstand eines speziellen
Revisionsprojektes.
Der Aktionsplan 2008–2011
Klimaregime ein, das alle wichtigen Emittenten in Pflicht nimmt. Sie engagiert sich für eine weitere Stärkung und Umsetzung der Biodiversitätskonvention und insbesondere für ein griffiges
Regime über den Zugang zur Nutzung von genetischen Ressourcen sowie die faire Aufteilung
der dabei anfallenden Gewinne. Weiter setzt sich die Schweiz ein für die Ausarbeitung einer
Konvention für persistente anorganische Schadstoffe, sowie für die Weiterentwicklung der globalen Chemikalienstrategie und zugunsten von Partnerschaftsinitiativen zur Lösung interna­
tionaler Abfallprobleme. Sie tritt ein für eine Waldkonvention und für ein Wasserforum, für adäquate finanzielle Mittel zur Umsetzung von internationalen Umweltschutzvorhaben, für eine
weitere angemessene Wiederauffüllung und Stärkung des globalen Umweltfonds als zentraler
internationaler Umweltfinanzmechanismus und für die Berücksichtigung der umweltpolitischen
Prioritäten in der Entwicklungspolitik.
– 8–3 Angemessene Finanzierung zur Erreichung der MDG
Die Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, dass 2008 bei der Überprüfung des Finanzierungsrahmens
«Financing for Development» eine angemessene internationale Finanzierung der MDG mit Einbezug aller sechs Dimensionen – entsprechend der Priorisierung der UNO – vereinbart wird: (1)
eigene Finanzressourcen der Entwicklungsländer, (2) ausländische Direktinvestitionen, (3) Handel als Motor für Entwicklung, (4) internationale Entwicklungszusammenarbeit, (5) multilaterale
Entschuldungsmassnahmen und (6) Verbesserung der Kohärenz und Konsistenz der globalen
Finanz­a rchitektur für Entwicklung. In Bezug auf ihren eigenen Beitrag unterzieht die Schweiz
ihre Beziehungen zu den Entwicklungsländen gesamthaft einer Kosten-/Nutzen- und Qualitäts­
analyse mit einem Fokus auf der Frage, wie die Globalisierung entwicklungsfördernd, armutsund ungleichheitsmindernd gestaltet werden kann.
– 8–4 Mitgestaltung der multilateralen Vereinbarungen für Nachhaltige Entwicklung
Die Schweiz bestimmt die Geschäftspolitik der internationalen Organisationen aktiv mit und
setzt sich in ihren Gremien und Foren aktiv für Nachhaltige Entwicklung ein. Sie nimmt eine
aktive Rolle im Marrakesch-Prozess für die Förderung von nachhaltigen Produktions- und
Konsum­m ustern, insbesondere im Bereich nachhaltiges Beschaffungswesen, ein. Sie unterstützt
darin im Sinne der Vorbeugung gezielt die Stärkung der ökologischen Aspekte der Nachhaltigen
Entwicklung sowie die Anliegen der ärmsten Entwicklungsländer für eine faire Globalisierung im
Einklang mit der natürlichen Umwelt. In der sozialen Dimension Nachhaltiger Entwicklung geht
es dabei um die Vereinbarungen zur Deckung der Grundbedürfnisse der Ärmsten (vor allem die
MDG), um die Sicherung von Arbeit und Einkommen für die arme ländliche Bevölkerung, deren
Subsistenz durch die Globalisierung gefährdet ist, sowie um die Absicherung der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen gegen Risiken wie übertragbare Krankheiten, Ressourcenverknappung (Wasser, Energie), die Folgen des Klimawandels und der Naturgefahren sowie gegen Unsicherheit und Gewalt in fragilen Staaten. Der Bund strebt eine erhöhte Akzeptanz der multilateralen
Politik für Nachhaltige Entwicklung in der Schweizer Öffentlichkeit, Zivilgesellschaft und Wirtschaft an.
– 8–5 Zivile Friedensförderung und Förderung der Menschenrechte
Die Schweiz wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten im regionalen und globalen Rahmen daran mit,
gewaltlose Lösungen bestehender Konflikte zu ermöglichen. Sie leistet in ausgewählten Konflikt­
fällen, in denen die Schweiz Zugang zu den Konfliktparteien und deren Akzeptanz hat, effiziente
Beiträge zur Vertrauensbildung, Vermittlung und Prävention. Die Massnahmen der Schweiz bauen auf einer systematischen Kontextanalyse auf; sie unterstützen die Schlüsselakteure darin,
ihre Konflikte im Rahmen von politischen und rechtlichen Prozessen zu regeln, liefern Unterstützung bei der Überwindung struktureller Ursachen von Armut und Gewalt, beim Aufbau von
Rechtsstaatlichkeit und bei der Respektierung der Menschenrechte sowie beim Wiederaufbau in
Nachkriegssituationen. Die Schweiz wird zudem systematisch den menschenrechtsorientierten
Ansatz in die Armutsbekämpfung integrieren, namentlich im Zugang zu Wasser, Nahrung und
Gesundheitsversorgung, aber auch im Grundrecht auf Nichtdiskriminierung.
31
32
Der Aktionsplan 2008–2011
– 8–6 Abgrenzung «globale öffentliche Güter» – Entwicklungspolitik
Zwischen der Entwicklungszusammenarbeit und der Agenda für die Sicherstellung «globaler
öffentlicher Güter», wie z.B. Schutz vor ansteckenden Krankheiten oder Gewährleistung der
inter­n ationalen Finanzmarktstabilität, bestehen Überschneidungen. Eine Entflechtung soll eine
effizientere Finanzallokation und Leistungserbringung in beiden Bereichen ermöglichen sowie
die Grundlage für eine Neuregelung der innen- und aussenpolitischen Zuständigkeiten der
Bundes­s tellen unter den Bedingungen der Globalisierung bieten. Ein Mitwirken im «Global 25
Forum» würde zudem eine Plattform für ein internationales Engagement bieten.
3.3
Transversale Themenfelder: Herausforderungen und Massnahmen
9 – Finanzpolitik
Herausforderungen und Ziele
Nachhaltige Entwicklung verlangt, dass die gegenwärtigen Generationen nicht auf Kosten der zukünftigen leben. In finanzpolitischer Hinsicht gilt es dabei, eine unerwünschte Umverteilung von
Wohlstand unter den Generationen zu vermeiden. Die Finanzpolitik muss für Stabilität besorgt sein
und das Wirtschaftswachstum begünstigen, die Beschäftigung, die Wohlfahrt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Dies wird durch ein mittelfristig ausgeglichenes Bundesbudget, eine
tiefe Verschuldungsquote sowie eine im internationalen Vergleich niedrige Staats- und Fiskalquote
erreicht. Die konsequente Umsetzung der Schuldenbremse stellt sicher, dass die Defizite der
Finanz­r echnungen eingedämmt werden. Diese strukturellen Defizite stellen die wichtigste Ursache
der Neuverschuldung seit 1990 dar. Die Trendwende in der Schuldenwirtschaft ist geschafft. Die
Verschuldungsquote ist seit 2005 rückläufig. Die Stabilisierung der Bundesschulden und damit die
Senkung der Verschuldungsquote benötigen dennoch weitergehende Massnahmen.
Es muss gewährleistet werden, dass die Schuldenbremse längerfristig umsetzbar bleibt, ohne dass
dadurch die Budgetqualität in Frage gestellt wird. Durch Reformen und ein bewusstes Setzen von
Prioritäten sind sowohl die Ausgabendynamik der Bundesausgaben gesamthaft als auch die hohen
Wachstumsraten in gewissen Aufgabenbereichen zu brechen. Ferner müssen die langfristigen Her­
ausforderungen einer alternden Gesellschaft möglichst frühzeitig angegangen werden. Auf lange
Sicht stellen die Kosten einer alternden Gesellschaft eine der grössten finanzpolitischen Herausforderungen dar. Die Schätzungen deuten darauf hin, dass langfristig die obligatorischen öffentlichen
Sozialversicherungen ohne korrigierende Massnahmen auf der Leistungs- und/oder Finanzierungsseite gewichtige Ausgabenüberschüsse einfahren werden. Sowohl die Verschuldung der Sozialversicherungen als auch der Druck auf die Ausgaben des Bundes würden entsprechend zunehmen.
Um die Nachhaltige Entwicklung zu fördern, werden finanzpolitische Instrumente auch in den Bereichen Energie, Verkehr, Emissionen und Ressourcen eingesetzt. Finanzielle Anreize sind geeignet,
das Verhalten der Menschen zu beeinflussen. In der jüngeren Vergangenheit konnten zusammen
mit Sektorpolitiken sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite aus Sicht der Nachhaltigkeit wichtige neue Instrumente eingeführt werden (z.B. CO 2 -Abgabe, Leistungsabhängige
Schwerverkehrsabgabe LSVA, Direktzahlungen in der Landwirtschaft).
Der Aktionsplan 2008–2011
33
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Defizitquote der öffentlichen Haushalte
l
Fiskalquote der öffentlichen Haushalte
l
j
Ökologisierung des Steuersystems
j
j
Umweltbezogene Steuern
j
j
Verschuldungsquote der öffentlichen Haushalte
l
j
Trendbewertung
Massnahmen
Der Bundesrat will die Zielerreichung über folgende, primär das Haushaltsgleichgewicht betreffende Massnahme unterstützen. Für Massnahmen, die den Staatshaushalt auf der Einnahmen- und
Ausgabenseite nachhaltiger ausgestalten sollen, sei auf die im Zusammenhang mit den vorangehenden Schlüsselherausforderungen erwähnten Massnahmen verwiesen.
– 9–1 Entwicklungsszenarien
Die Finanzpolitik muss sich vermehrt mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Nur
wenn die Weichen frühzeitig in die richtige Richtung gestellt werden, kann der Handlungsspielraum erhalten und verhindert werden, dass die Gesellschaft zu verspäteten, dafür umso massiveren Kurskorrekturen gezwungen wird. Der Bund benötigt ein Instrument, das eine lang­
fristige Optik in der Finanzpolitik ermöglicht. Mit dem Instrument «Entwicklungsszenarien» wird
der Bundesrat mindestens alle vier Jahre längerfristige Entwicklungsszenarien für bestimmte
Aufgabenbereiche aufstellen, die über den Zeithorizont der Finanzplanung hinausgreifen. Mit
den Entwicklungsszenarien wird dem Bund ein Instrument in die Hand gegeben, das mögliche
Steuerungs- und Korrekturmassnahmen aufzeigt. Die Entwicklungsszenarien dienen dazu, Entwicklungstendenzen mit ihren finanziellen Folgen in spezifischen Aufgabengebieten über den
Finanzplanhorizont hinaus aufzuzeigen und Politikoptionen zu diskutieren. Dieses neue Instrument wird erstmals im Rahmen der Legislaturfinanzplanung 2007–2011 eingesetzt werden.
10 – Bildung, Forschung, Innovation
Herausforderungen und Ziele
Wissen und die Nutzung dieses Wissens gehören heute zu den kostbarsten Ressourcen, um Entwicklungsprozesse nachhaltig zu gestalten. Ein hohes Niveau an Kompetenzen (Fach- und Schlüssel­
kompetenzen) befähigt die Menschen, komplexe Probleme zu lösen, und es stärkt die Kreativität
und Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Wissen als Resultat von Bildung, Forschung und Innovation
(BFI) ist auch eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Befähigung, Werte und Verhalten kritisch zu
reflektieren, die eigene Identität zu entfalten, sich praktische Orientierung für die Lebensbewältigung anzueignen und die kulturelle und wirtschaftliche Integration zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen. Wissen und Fähigkeiten sind schliesslich auch wichtig, um
das Verständnis der Zusammenhänge zwischen Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und natürlicher Umwelt sowie entsprechendes Handeln zu fördern. Dem lebenslangen Lernen kommt dabei eine zen-
34
Der Aktionsplan 2008–2011
trale Rolle zu. Dies wird bei der Frage eines Weiterbildungsgesetzes gemäss dem neuen Verfassungsartikel 64a zu berücksichtigen sein.
Der Bundesrat stuft die BFI-Politik als prioritär ein. Dem Parlament hat er beantragt, diesem Bereich
in den Jahren 2008–2011 ein jährliches mittleres Budgetwachstum von 6% zu gewähren. Die angestrebten Ziele im Bildungsbereich folgen der Leitlinie «Bildung: Nachhaltige Sicherung und Steigerung der Qualität», die angestrebten Ziele im Forschungs- und Innovationsbereich orientieren sich
an der Leitlinie «Forschung und Innovation: Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums». Dabei soll auch dazu beigetragen werden, das Nachhaltigkeitsverständnis in allen Bereichen
und auf allen Stufen der Bildung (in der formellen 35 Bildung einschliesslich der Berufsbildung, in der
informellen 36 Bildung sowie in der nicht formellen 37 Bildung in einer Perspektive des lebenslangen
Lernens) sowie bei der Forschung umfassend zu verankern und zu stärken.
Die Qualität und die Ausrichtung des Bildungssystems – zentrale Faktoren für die Befähigung künftiger Generationen, die Ziele der Strategie Nachhaltige Entwicklung des Bundesrates effektiv umzusetzen – müssen permanent und auf allen Ebenen, vom Kindergarten bis zur Hochschule, verbessert
werden. Notwendig ist dabei vor allem auch die Weiterführung des Reformprozesses in den Hochschulen, in dessen Kontext die zahlreichen Angebote in Lehre und Forschung zur Thematik der
Nachhaltigen Entwicklung landesweit besser aufeinander abzustimmen und koordiniert weiterzuentwickeln sind. Darauf wird insbesondere auch bei der Erarbeitung des neuen Bundesgesetzes
über die Förderung der Hochschulen und die Koordination des schweizerischen Hochschulbereichs
(HFKG) zu achten sein, dessen Inkraftsetzung für 2012 vorgesehen ist.
Schliesslich ist auch von Bedeutung, dass lokale Verwaltungen, der Privatsektor, die Zivilgesellschaft, die Akteure auf dem Gebiet der Weiterbildung sowie die Medien für die Rolle sensibilisiert
werden, die sie für die Stärkung des Bewusstseins für die Nachhaltige Entwicklung in ihren Umfeldern, als Akteure der informellen und nicht formellen Bildung, aktiv leisten können.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren:
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Lesefähigkeit der 15-Jährigen
j
k
Humanressourcen für Wissenschaft und Technologie
j
j
18–24-jährige in postobligatorischer Ausbildung
j
k
Patentanmeldungen
j
j
j
j
Aufwendungen für Forschung und Entwicklung
(Anteil an Bruttoinlandprodukt)
35
36
37
Trendbewertung
Bildung, die in Erziehungs- und Bildungsinstitutionen praktiziert wird und mit anerkannten Qualifikationen und
Diplomen abschliesst.
Bildung, die von den Individuen im täglichen Leben angeeignet wird (Lernen im Betrieb, in der Familie etc.).
Bildung, die ausserhalb der hauptsächlichen Unterrichts- und Bildungsstrukturen oder parallel zu diesen vermittelt
wird und meist nicht zum Erwerb offizieller Diplome führt. Sie kann auch durch Institutionen vermittelt werden,
die die formellen Bildungssysteme ergänzen (künstlerischer, musikalischer, sportlicher Unterricht oder private
Kurse).
Der Aktionsplan 2008–2011
Massnahmen
Der Bundesrat will die Ziele primär über Schwerpunktsetzungen bei der Festlegung und der Umsetzung seiner BFI-Politik erreichen. Im Bereich der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH)
stehen die Erforschung und Früherkennung von Naturgefahren, die Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit von Materialien und Systemen sowie das Studium, die Planung und Weiterentwicklung des Ressourcenschutzes, der Ressourcen- und Energienutzung, der Infrastruktur und der Raumordnung im
Vordergrund. Beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) sind die Grundlagenforschung (Umweltwissenschaften) und die orientierte Forschung (u.a. Nationale Forschungsschwerpunkte Klima und
Nord-Süd, Nationales Forschungsprogramm 54 «Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung») zu nennen. Von Bedeutung ist auch die Schweizer Beteiligung an Forschungsrahmenprogrammen der Europäischen Union zum Themenkomplex «Nachhaltigkeit, Umweltschutz, erneuerbare
Energien». Im Hinblick auf die Stärkung des Engagements der einzelnen Hochschulen ist dem Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung im Rahmen des neuen HFKG Nachdruck zu verleihen. Die
Hochschulen sind aufgerufen, Forschungsaktivitäten im Bereich der Schlüsselherausforderungen
und Querschnittsthemen dieser Strategie voranzutreiben. Eine wichtige Rolle misst der Bundesrat
auch den Wissenschaftsakademien bei, die mit ihren Aufgaben im Bereich der Früherkennung, des
Dialogs zwischen Forschung und Politik bzw. Gesellschaft, und der Ethik wichtige Beiträge für die
Nachhaltige Entwicklung leisten. Die Nachhaltige Entwicklung ist eine gesetzlich festgeschriebene
Querschnittaufgabe im Bereich Fachhochschulen und Berufsbildung. Die Aktivitäten der Förder­
agentur für Innovation (KTI) richten sich zudem auch am Kriterium der Nachhaltigen Entwicklung
aus. Ausser den üblichen Förderaktivitäten besteht im Bereich des Wissenstransfers seit 2006 ein
Konsortium für Umwelt und Energie. Dadurch wird ein Schwerpunkt auf zukunftsträchtigen Gebieten der Umwelttechnologie und des Umweltschutzes gelegt. Was schliesslich die Bildung betrifft,
bietet das Bildungsmonitoring darüber hinaus die Gelegenheit, Bilanz über die vorgenommenen
­A ktivitäten zu ziehen. In Ergänzung zu diesen Massnahmen stuft der Bundesrat die folgenden Bereiche als prioritär ein:
– 10–1Weiterführung der Politik zur Verankerung der Nachhaltigen Entwicklung in den Schweizer
Schulen
Der Bundesrat begrüsst den Massnahmenplan 2007–2014 der «Plattform Bildung für Nachhaltige
Entwicklung», welche die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und verschiedene an der Bildung für Nachhaltige Entwicklung interessierte Verwaltungseinheiten des Bundes
vereinigt. Dieser Massnahmenplan zielt unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und der Zuständigkeiten von Bund und Kantonen im Bildungsbereich darauf, die Anliegen der Nachhaltigen
Entwicklung im Bildungswesen zu integrieren. Er fokussiert in einer ersten Phase auf die formelle Bildung auf den obligatorischen Schulstufen und wird periodisch weiterentwickelt.
– 10–2Stärkung der nicht formellen und informellen Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Zusätzlich zur formellen sind auch im Bereich der nicht formellen und der informellen Bildung
Umsetzungsaktivitäten zu fördern. Der Bundesrat unterstützt die Bestrebungen der in diesem
Bereich tätigen Akteure, sich untereinander vermehrt zu vernetzen und gemeinsam Umsetzungsprogramme zu entwickeln. Entsprechende Aktionen sollen im Rahmen der Dekade der Vereinten Nationen für die Bildung für Nachhaltige Entwicklung Anerkennung finden.
35
36
Der Aktionsplan 2008–2011
11 – Kultur
Herausforderungen und Ziele
Nachhaltige Entwicklung und kulturelle Entfaltung bedingen sich gegenseitig. Die soziale und kulturelle Entfaltung des Individuums ist ein Hauptziel menschlicher Entwicklung, Kultur die Grundlage
jedes gesellschaftlichen Handelns und Seins. Kulturelle Aspekte sind deshalb im Rahmen jeglichen
politischen Handelns zu beachten. Neben diesem umfassenden Einbezug setzt eine nachhaltige soziale und gesellschaftliche Entwicklung auch spezifische Förderungen und Massnahmen im Bereich
des Kulturschaffens und der Kulturpflege voraus. Der Umsetzung der Kulturpolitik des Bundes
kommt, unter Beachtung der Kompetenzen der Kantone, in dieser Hinsicht grosse Bedeutung zu. Sie
postuliert und konkretisiert die Förderung und Vermittlung der kulturellen Vielfalt und die Ermög­
lichung des Zugangs zur Kultur für alle Bevölkerungskreise und Altersgruppen. Zentrale Ziele des
Bundes sind die Förderung des kulturellen Schaffens sowie die sachgerechte Pflege des Kultur­
erbes und die Sicherstellung der entsprechenden Rahmenbedingungen.
Als Teil unseres Staatsverständnisses ist die kulturelle Vielfalt in der Bundesverfassung verankert.
Das Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der
UNESCO, an dessen Erarbeitung die Schweiz massgeblich beteiligt war, anerkennt die kulturelle
Vielfalt als grundlegenden Faktor für eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung. Ihre Gewährleistung ist ein wichtiges Postulat auch der schweizerischen Nachhaltigkeitspolitik. 38 Das zeitgenössische Schaffen ist diesbezüglich ebenso elementar wie die Wahrung des materiellen und immateriellen Kulturerbes. Die Kulturpolitik des Bundes muss deshalb im Rahmen der gesetzlichen wie
finanziellen Möglichkeiten das vielfältige Kulturschaffen von gesamtschweizerischem Interesse, die
sachgerechte Pflege des Kulturerbes und die entsprechenden Rahmenbedingungen entlang seiner
Zuständigkeit fördern und sicherstellen.
Hinweise, ob die Entwicklung nachhaltig verlaufen wird, geben unter anderen die folgenden Indikatoren 39 :
Indikatoren Gewünschte Trend
Entwicklung
Trendbewertung
Öffentliche Ausgaben Kulturförderung
NN
NN
NN
Öffentliche Ausgaben Kulturpflege
NN
NN
NN
Museumsbesuche/Anteil Jugendlicher
NN
NN
NN
Regelmässiger Gebrauch einer zweiten Landessprache
k
k
NN
NN
Anzahl Personen mit Muttersprache einer
Sprachminderheit
38
39
NN
Bundesamt für Statistik (BFS), Bundesamt für Raumentwicklung (ARE), Bundesamt für Umwelt (BAFU): Monitoring
der Nachhaltigen Entwicklung MONET – Schlussbericht. Neuchâtel 2003, S. 18 (Postulat 1a)
Die Indikatoren zu diesem transversalen Themenfeld stellen erst eine indikative Auswahl dar und müssen im Rahmen der Umsetzung dieser Strategie erst noch festgelegt werden.
Der Aktionsplan 2008–2011
Massnahmen
Wegen der Bedeutung der Kultur als Grundvoraussetzung nachhaltigen Handelns unterstreicht der
Bundesrat deren Bedeutung als transversales Querschnittsthema, das alle anderen Themengebiete
günstig beeinflussen soll. Er will die Ziele über den sachgerechten Vollzug bestehender Instrumente
erreichen, insbesondere über das Bundesgesetz über die Kulturförderung des Bundes (KFG) für die
direkte Förderung der kulturellen Vielfalt und über die in Artikel 70 BV stipulierte Sprachförderung
im Hinblick auf individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit sowie den Austausch unter den
verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Die Förderung der Kulturlandschaften und des baulichen Kulturerbes will der Bundesrat über das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz erreichen. Im
Rahmen des Aktionsplans definiert der Bundesrat folgende Massnahme:
– 11–1Schutz und Pflege des immateriellen Kulturerbes
Die Pflege des immateriellen Kulturerbes dient der kulturellen Kontinuität und der Stärkung
kultureller Identitäten. Der beschleunigte gesellschaftliche Wandel, die globale Vernetzung der
Kommunikation und des Handels sowie die damit einhergehenden Angleichungstendenzen lassen die zentrale Bedeutung des immateriellen Kulturerbes bei der Sozialisierung von Kindern
und Jugendlichen, bei der Kommunikation zwischen den Generationen, bei der Wertevermittlung, bei der Ausformung kultureller Selbstverständnisse sowie im interkulturellen Dialog ins
Bewusstsein rücken. Unter der Voraussetzung der Ratifizierung des Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes der UNESCO durch das Parlament wird sich der Bundesrat für die Pflege des immateriellen Kulturerbes und für die Stärkung des Bewusstseins für dessen Bedeutung engagieren, namentlich durch das Erstellen und Führen einer Inventarliste des
immateriellen Kulturerbes in der Schweiz.
37
38
4
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur
Umsetzung der Strategie
4.1
Zuständigkeiten, Zusammenarbeit auf Bundesebene und Finanzierung
4.1.1 Organisation
Generell gilt für die Umsetzung der Strategie, dass keine zusätzlichen Umsetzungsstrukturen vorgesehen sind. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie bedarf es dennoch einer klaren Bestimmung und Bezeichnung der Verantwortungsbereiche und der Strukturen. Die politische Verantwortung für die Strategie und den Aktionsplan trägt der Bundesrat. Neben dem ARE erfüllt der
Interdepartementale Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE) die Rolle einer Informations-,
Koor­d inations- und Diskussionsplattform für sämtliche nachhaltigkeitsrelevanten Tätigkeiten und
Prozesse des Bundes (inklusive die Strategie Nachhaltige Entwicklung und deren Weiterentwicklung). Den einzelnen Verwaltungseinheiten obliegt die zentrale Verantwortung für die Umsetzung
der Strategie Nachhaltige Entwicklung innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung. Für eine
wirkungsvolle Umsetzung kommt dem Engagement der Direktionen der Verwaltungseinheiten eine
hohe Bedeutung zu.
Im Hinblick auf eine konsequente Umsetzung der Strategie auf Bundesebene gelten folgende
Grundsätze:
G1–1:
Der IDANE wird beauftragt, die Zusammenarbeit unter den Verwaltungseinheiten und
die Integration der Nachhaltigkeitsprinzipien in die Sektorpolitiken zu fördern.
G1–2:
Im IDANE sind sämtliche Verwaltungseinheiten vertreten, deren Aufgaben für die Nachhaltige Entwicklung von Bedeutung sind (siehe Liste der IDANE–Verwaltungseinheiten
im Anhang 5).
G1–3:
Die Vertretungen im IDANE werden von den Verwaltungseinheiten selbst ernannt und
sollen diese mit hoher Verbindlichkeit vertreten können.
G1–4:
Der IDANE wird vom ARE als für die Nachhaltige Entwicklung zuständige Fachstelle des
Bundes geleitet. Das ARE führt das Sekretariat des IDANE und bereitet dessen Arbeiten
vor.
G1–5:
Das ARE, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), das Bundesamt für
Umwelt (BAFU), das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bilden zusammen das als Steuerungsgremium wirkende IDANE-Büro.
G1–6:
Das Vizepräsidium des IDANE wird alternierend von einem im IDANE-Büro vertretenen
Amt übernommen. Das mit dem Vizepräsidium beauftragte Amt stellt die Schwerpunkte
seines Einsatzes in einem Jahresprogramm zusammen. Die Übergabe der Vizepräsidiumsfunktion erfolgt in Absprache zwischen altem und neuem Funktionsträger.
G1–7:
Der IDANE regelt die organisatorischen Einzelheiten seiner Arbeitsweise.
4.1.2 Zusammenarbeit auf Bundesebene und Finanzierung
Die Nachhaltige Entwicklung ist grundsätzlich nicht als Zusatzaufgabe des Bundes zu verstehen und
möglichst in die ordentlichen Planungs- und Politiksteuerungsprozesse auf Ämter-, Departementsund Bundesratsstufe zu integrieren. Dabei sind die Verwaltungseinheiten aufgefordert, auf eine
möglichst umfassende Nutzung von Synergien und eine optimale Abstimmung im Falle von Konflikten hinzuarbeiten. Für die Integration der Nachhaltigen Entwicklung bedarf es auch der Kenntnis
der relevanten Grundsätze. Dies erfordert gezielte Weiterbildungsanstrengungen.
Die Nachhaltige Entwicklung soll grundsätzlich keine Ausweitung der staatlichen Aktivität schaffen,
sondern primär durch Prioritätensetzung und Umschichtung bei den bestehenden Ressourcen realisiert werden. Die Finanzierung der einzelnen Massnahmen muss über die ordentlichen Budgetverfahren gesichert werden.
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
Neben der Gewährleistung der Koordination unter den Bundesämtern und der Erstellung eines detaillierten Programms für die Umsetzung der Strategie stellt das ARE die Berichterstattung über den
Verlauf der Umsetzung auf der Basis der Mitteilungen der Ämter zusammen. Die Informationen zu
den einzelnen Massnahmen und deren Umsetzung werden im technischen Bericht zur Strategie
zusammengestellt. Das ARE leitet weiter die Evaluationsarbeiten, stellt die Kommunikation der
Strategie sowohl auf Bundesebene als auch mit den weiteren Akteurgruppen sicher und pflegt
­e inen Erfahrungsaustausch über die nationalen Strategien im europäischen Umfeld.
In Bezug auf die Zusammenarbeit und die Finanzierung gelten folgende Grundsätze:
G1–8:
Jede Verwaltungseinheit ist verantwortlich für den Einbezug der für die Umsetzung der
Strategie Nachhaltige Entwicklung notwendigen finanziellen Ressourcen in ihre
­F inanzplanung. Sie weisen bei Vorlagen gegenüber dem Bundesrat wie Bestimmungen
auf Verordnungs-, Gesetzes- und Verfassungsstufe die erfolgte Abstimmung mit der
Strategie Nachhaltige Entwicklung aus und sie berücksichtigen in ihren Planungen und
in ihren internen Abläufen die Strategie Nachhaltige Entwicklung. Alle Verwaltungseinheiten fördern die Teilnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an spezifischen
Weiterbildungsangeboten zur Nachhaltigen Entwicklung.
G1–9:
Der IDANE unterstützt die verschiedenen Verwaltungseinheiten bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung. Er unterstützt weiter das ARE bei
der Zusammenstellung und Bewertung der Berichterstattung und der Evaluation der
Strategie zuhanden des Bundesrates und unterbreitet die sich ergebenden Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Politik der Nachhaltigen Entwicklung dem Bundesrat.
G1–10: Das ARE stellt im Sinne der Sicherstellung der Konsistenz und der Wirksamkeit der
Umsetzung des Aktionsplans den Erfahrungsaustausch zwischen den einzelnen Verwaltungseinheiten sicher. An gemeinsamen Projekten im Rahmen des IDANE beteiligen
sich mitinteressierte IDANE-Verwaltungseinheiten, welche die begrenzten finanziellen
Mittel des ARE ergänzen.
G1–11: Zum Zweck der Sensibilisierung und der Information können an den Aktivitäten des
IDANE neben den offiziellen Vertretungen der einzelnen Verwaltungseinheiten weitere
bei der Umsetzung der Strategie direkt oder indirekt betroffene Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Bundesverwaltung einbezogen werden.
G1–12: Der IDANE stellt gute Beispiele für die Nachhaltigkeitsintegration in den Sektorpolitiken zusammen und orientiert die Verwaltungseinheiten des Bundes sowie die Öffentlichkeit in geeigneter Form darüber.
4.2
Nachhaltigkeitsbeurteilung
Im Hinblick auf eine ausgewogene Berücksichtigung der drei Zieldimensionen (siehe Leitlinie 2.2)
und auf die Verbesserung der Kohärenz der Politik (siehe Leitlinie 2.4) sind eine transparente Darlegung und die Begründung der getroffenen Entscheide, die sich auf umfassende Unterlagen und
eine frühzeitige Interessenabwägung abstützen müssen, sehr wichtige Anliegen des Bundesrates.
Die im Rahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 entwickelte Methodik der Nachhaltigkeitsbeurteilung 40 (NHB) erfüllt die Anforderungen für diese Beurteilungen. Die NHB ist eine Ex-­
ante-Beurteilungs- und Optimierungsmethode, die es ermöglicht, die sozialen, ökonomischen und
ökologischen Auswirkungen von politischen Vorhaben und Geschäften des Bundes auf Strategie-,
Plan- und Programmebene zu beurteilen. Sie hilft Zielkonflikte offenzulegen und erlaubt, möglichst
40
Bundesamt für Raumentwicklung (ARE): Nachhaltigkeitsbeurteilung – Rahmenkonzept und methodische Grund­
lagen. Bern 2004
39
40
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
frühzeitig Verbesserungs- und Optimierungsvorschläge zu entwickeln und Varianten ins Spiel zu
bringen. Im Zentrum der Methode steht die systematische Erfassung der direkten und indirekten,
erwünschten und unerwünschten Wirkungen eines Vorhabens. Durch eine nachvollziehbare und
inte­g rale Abschätzung bzw. Beurteilung der Wirkungen wird Transparenz geschaffen. Die NHB beinhaltet nebst der Beurteilung im engeren Sinn auch Grundsätze, die während der Beurteilung zu
beachten sind (Vorgehen). Die NHB begleitet ein Vorhaben während dessen Entwicklung bis zum
Schlussentscheid. Dabei kann eine NHB aus mehreren Zwischenbeurteilungen bestehen.
Im Rahmen der NHB sollen die Geschäfte und Vorhaben anhand der 15 inhaltlichen Nachhaltigkeitskriterien gemäss Leitlinie 2.2, der etwas stärker ausdifferenzierten 27 Kriterien des Interdepartementalen Ausschusses Nachhaltige Entwicklung (IDANE) 41 oder von daraus abgeleiteten sektor­
spezifischen Nachhaltigkeitskriterien und -indikatoren beurteilt werden. Ausgangsbasis für deren
Ableitung sind die genannten allgemeinen Kriteriensets, mit denen die sektoralen Kriteriensets
kompatibel sein müssen. Die Ermittlung von Wirkungen eines Vorhabens nach einem inhaltlichen
Kriterienraster wird gemäss NHB-Rahmenkonzept mit Vorgaben dazu ergänzt, wie mit Zielkonflikten
umzugehen ist und wie spezifische Einzelwirkungen zu bewerten sind (gemäss dem Konzept der
«sensible sustainability» bzw. der «schwachen Nachhaltigkeit plus», vgl. Leitlinie 2.2).
Eine NHB ist insbesondere bei neuen bedeutsamen und nachhaltigkeitsrelevanten Vorhaben legislatorischer, planerisch-konzeptioneller oder baulicher Natur vorzunehmen. Die Nachhaltigkeitsbeurteilung weist Schnittstellen zu bestehenden oder geplanten anderen Beurteilungsinstrumenten
auf. Dabei sind auf legislatorischer Ebene die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) und bei Planungen, welche Rahmenbedingungen für der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegende
Projekte setzen, die Strategische Umweltprüfung (SUP) zu nennen . 42 Bei Projekten im Verkehrs­
bereich sind der Leitfaden zur Bewertung von Projekten im Schienenverkehr (NIBA) und die Nachhaltigkeits-Indikatoren für Strasseninfrastrukturprojekte (NISTRA) zu nennen. Es ist zu prüfen, inwieweit Synergien zwischen den Ansätzen verstärkt genutzt oder sogar integrierte Anwendungen
durchgeführt werden könnten.
Das ARE unterstützt, zusammen mit den für andere strategische Prüfansätze zuständigen Bundes­
stellen, die Verwaltungseinheiten bei der Wahl der Methodik und der Instrumente und bei der
Durchführung der Beurteilung.
In diesem Bereich gelten folgende Grundsätze:
G2–1:
Die Nachhaltigkeitsbeurteilung soll zur Verringerung von Zielkonflikten und optimalen
Ausnützung von Synergien zwischen den Zieldimensionen der Nachhaltigen Entwicklung bei relevanten Vorhaben angewandt werden. Insbesondere bei den im Aktionsplan
enthaltenen Massnahmen ist in ihrer Erarbeitung und im Hinblick auf einen Entscheid
des Bundesrates das Einhalten der Grundsätze der Nachhaltigen Entwicklung auszuweisen. Das ARE legt zusammen mit den zuständigen Verwaltungseinheiten und im
Einvernehmen mit den für andere strategische Prüfansätze zuständigen Verwaltungseinheiten das Vorgehen fest.
G2–2:
In Bezug auf die verwendeten Beurteilungsansätze ist auf eine Vereinheitlichung der
Rahmenbedingungen hinzuarbeiten. Das ARE erarbeitet und entwickelt zusammen mit
den betroffenen Verwaltungseinheiten die dafür notwendigen Grundlagen weiter (z.B.
sektorspezifische Kriterien und Indikatoren, themenspezifische Vertiefungen), stellt
sie als Anwendungsunterstützungen zur Verfügung und orientiert die Verwaltungseinheiten des Bundes und die Öffentlichkeit in geeigneter Form darüber.
41
42
Siehe Anhang 3.
Während die SUP für EU-Mitgliedstaaten gestützt auf eine entsprechende Richtlinie verbindlich ist, befindet sie
sich in der Schweiz noch in Abklärung.
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
4.3
Aktualisierung der Strategie, Controlling und Berichterstattung,
Wirksamkeitsprüfung
Der Bundesrat aktualisiert den Aktionsplan (Ziff. 3) im Rhythmus der Legislaturperioden. Die Ziffern
2 (Leitlinien) und 4 (Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen) bleiben langfristig gültig und werden
nur bei Bedarf angepasst.
Mit Hilfe eines Controllings zur Umsetzung der Strategie und einer periodischen Berichterstattung
wird dem Bundesrat ermöglicht, auf sich verändernde Rahmenbedingungen rechtzeitig zu reagieren. Dabei übernimmt das Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung (MONET), zusammen mit weiteren indikatorenbasierten Hinweisen zum Stand der Nachhaltigen Entwicklung, wie z.B. dem «ökologischen Fussabdruck» 43 , eine wichtige Rolle. MONET misst und dokumentiert die aktuelle Lage
und Entwicklung der Schweiz hinsichtlich der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte
der Nachhaltigen Entwicklung und dient bei der nationalen Berichterstattung als Grundlage. Die
Verwaltungseinheiten integrieren die Nachhaltige Entwicklung gemäss Strategie vermehrt in ihrer
periodischen Berichterstattung zu einzelnen sektorpolitischen Geschäften oder Bereichen.
Artikel 170 BV verlangt von der Bundesversammlung, dafür zu sorgen, dass die Massnahmen des
Bundes auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Der Bundesrat will die Wirkungsorientierung der
Strategie Nachhaltige Entwicklung verstärken. Zur Verbesserung der Wirkungsorientierung führt der
IDANE Diskussionen über die grundsätzliche Ausgestaltung der Strategie. Eine Evaluation nach vier
Jahren ermöglicht im Hinblick auf die Aktualisierung des Aktionsplans eine rückblickende Gesamtbeurteilung von Vollzug, Wirkungen und Zielerreichung.
In diesem Bereich gelten folgende Grundsätze:
G3–1:
Für das Umsetzungscontrolling aktualisieren die federführenden Ämter jährlich die
Massnahmenblätter im technischen Bericht, welcher zur Information der interessierten Akteurgruppen innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung im Internet publiziert wird.
G3–2:
Die Strategie wird nach vier Jahren im Hinblick auf die Aktualisierung des Aktionsplans
umfassend evaluiert. Über die Ergebnisse wird dem Bundesrat Bericht erstattet. Im
Rahmen dieser Berichterstattung legen die Verwaltungseinheiten ebenfalls dar (siehe
Ziff. 4.1.2), wie sie die Grundsätze der Strategie intern umsetzen.
G3–3:
Als gesamtschweizerisches Monitoring der Nachhaltigen Entwicklung dient das Indikatorensystem MONET. Dieses wird weiterentwickelt und periodisch überprüft.
G3–4:
Die Nachhaltige Entwicklung ist in der periodischen Berichterstattung zu einzelnen
sektorpolitischen Geschäften oder Bereichen vermehrt zu berücksichtigen.
4.4
Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden
Ein zentrales Anliegen des Bundesrates ist die Berücksichtigung der Grundsätze der Nachhaltigen
Entwicklung auch auf der Stufe der Kantone und Gemeinden. Die vertikale Integration Bund – Kantone – Gemeinden ist ein vorrangiges Ziel, das hierfür im Rahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 geschaffene «Forum Nachhaltige Entwicklung» unter der Leitung des ARE ist tatkräftig weiterzuführen. Die bundesrätliche Strategie Nachhaltige Entwicklung soll auf kantonaler und
kommunaler Ebene möglichst eine stufengerechte Ergänzung erfahren. Kantone und Gemeinden
sind aufgerufen, analoge Initiativen zur Strategie des Bundesrates zu ergreifen, seien dies eigene
43
Vgl. Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002
– Bilanz und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007, Kapitel 4.1 und 4.2
41
42
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
Strategien zur Nachhaltigen Entwicklung, die Verwendung von Mess- und Beurteilungsinstrumenten
aus der Optik der Nachhaltigen Entwicklung, institutionelle Vorkehren zur stärkeren Verankerung
der Nachhaltigen Entwicklung in der Politiksteuerung oder die Integration der Nachhaltigen Entwicklung in wichtigen Politikfeldern. Grundlage sollen die Leitlinien für das Handeln im Bereich der
Nachhaltigen Entwicklung gemäss Ziffer 2 bilden. Dabei ist die Nachhaltige Entwicklung grundsätzlich nicht als Zusatzaufgabe zu verstehen und möglichst in die ordentlichen Planungs- und Politiksteuerungsprozesse auf allen Stufen zu integrieren.
Im Hinblick auf die Förderung der Zusammenarbeit im Bundesstaat und von Nachhaltigkeitsprozessen in Kantonen und Gemeinden orientiert sich das ARE, in Zusammenarbeit mit dem IDANE,
an folgenden Grundsätzen:
G4–1:
Das «Forum Nachhaltige Entwicklung» ist weiterzuführen, und der Dialog zwischen
Bund, Kantonen und Städten bzw. Gemeinden ist zu stärken.
G4–2:
Lokale Nachhaltigkeitsprozesse sind weiter zu fördern mit dem Ziel, diese verstärkt in
den ordentlichen Planungs- und Politiksteuerungsprozessen zu verankern.
G4–3:
Kantone und Gemeinden sind bei Entwicklung und Einsatz von adäquaten Instrumenten
zu Monitoring, Controlling und bei der Beurteilung der Nachhaltigen Entwicklung zu
unterstützen.
G4–4:
Zur Motivation und Vermittlung von Anreizen sind gute Beispiele für Nachhaltigkeitsstrategien und -aktivitäten in Kantonen und Gemeinden zusammenzustellen.
4.5
Zusammenarbeit mit weiteren Akteurgruppen
Der Bundesrat kann aufgrund der geltenden Kompetenzordnung nicht auf alle Bereiche einwirken.
Neben Kantonen, Gemeinden und Regionen sind alle weiteren Akteure, wie der Privatsektor, Nichtregierungsorganisationen, Kirchen oder Parteien, gehalten, die Inhalte der Strategie Nachhaltige
Entwicklung stufengerecht zu berücksichtigen (z.B. eigene Strategie Nachhaltige Entwicklung, Förderung der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder -beurteilung, Dialogprozesse zu den jeweiligen
Bezugsgruppen, Bildungsaktivitäten). Die im Zusammenhang mit der Erneuerung dieser Strategie
eingeleitete Zusammenarbeit soll Ausgangspunkt eines Dialoges zwischen Bund, weiteren institu­
tionellen Akteuren, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor werden, welcher im Hinblick auf die
Umsetzung der Strategie zu intensivieren ist.
In Bezug auf die Zusammenarbeit mit den weiteren Akteurgruppen gilt folgender Grundsatz:
G5–1:
Das ARE schafft in Zusammenarbeit mit dem IDANE ein Netzwerk für den stärkeren
Einbezug der weiteren Akteurgruppen in den Umsetzungsprozess der Strategie Nachhaltige Entwicklung.
4.6
Kommunikation
Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene ist die Transparenz der staatlichen Tätigkeit und damit eine proaktive Informationspolitik. Der Bundesrat strebt ein optimales, kohärentes Zusammenspiel der verschiedenen Kommunikationsaktivitäten mit allen Akteuren (bundesinterne und externe Dialoggruppen) an.
Zuständigkeiten und Begleitmassnahmen zur Umsetzung der Strategie
Zur Förderung der Kommunikation der Strategie Nachhaltige Entwicklung bei den unterschiedlichen Akteurgruppen gilt folgender Grundsatz:
B6–1:
Der IDANE verbessert die Kommunikation mit wichtigen Zielgruppen der Strategie.
Hierfür entwickelt er ein geeignetes Vorgehen, das den Bedürfnissen der verschiedenen bundesinternen und -externen Dialoggruppen gerecht wird.
43
44
Anhang 1:
Die Massnahmen des Aktionsplans 2008–2011
Schlüsselherausforderungen und
transversale Themenfelder
Massnahmen
1 – Klimawandel und Naturgefahren
1–1
Weiterentwicklung Klimapolitik
1–2
Schutz vor Naturgefahren
2–1
Programm EnergieSchweiz
2–2
Weiterentwicklung Energiestrategie
3–1
Raumkonzept Schweiz
3–2
Massnahmenplan «zukunftsfähige
Verkehrsinfrastruktur»
3–3
Massnahmenplan «nachhaltige Mobilität»
3–4
Massnahmenplan «Verkehrssicherheit»
4–1
Integrierte Produktepolitik IPP
4–2
Nachhaltiges Bauen
4–3
Weiterentwicklung der Agrarpolitik
5–1
Wirkungsanalyse Biodiversität
5–2
Weiterentwicklung Chemikalienpolitik
6 – Sozialer Zusammenhalt,
Demografie und Migration
6–1
Strategie zur Bekämpfung der Armut
6–2
Anpassung Arbeitsmarktpolitik an demografische
Alterung
7 – Öffentliche Gesundheit, Sport
und Bewegungsförderung
7–1
Stärkung von Prävention, Gesundheitsförderung
und gesundheitlicher Chancengleichheit
7–2
Nationale Strategie «Bewegung, Ernährung und
Gesundheit» 2008–2012
7–3
Strategie «Migration und Gesundheit», Phase 2
7–4
Allgemeine Sport- und Bewegungsförderung
7–5
Fairer und sicherer Sport
8–1
WTO und Nachhaltige Entwicklung
8–2
Stärkung der internationalen Umweltgouvernanz
8–3
Angemessene Finanzierung zur Erreichung der MDG
8–4
8–5
Mitgestaltung der multilateralen Vereinbarungen für
Nachhaltige Entwicklung
Zivile Friedensförderung und Förderung der
Menschenrechte
8–6
Abgrenzung «globale öffentliche Güter» – Entwicklungspolitik
9 – Finanzpolitik
9–1
Entwicklungsszenarien
10 – Bildung, Forschung, Innovation
10–1 Weiterführung der Politik zur Verankerung der
Nachhaltigen Entwicklung in den Schweizer Schulen
2 – Energie
3 – Raumentwicklung und Verkehr
4 – Wirtschaft, Produktion und Konsum
5 – Nutzung natürlicher Ressourcen
8 – Globale Entwicklungs- und
Umweltherausforderungen
10–2 Stärkung der nicht formellen und informellen Bildung für
Nachhaltige Entwicklung
11 – Kultur
11–1 Schutz und Pflege des immateriellen Kulturerbes
45
Anhang 2:
Massnahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung
2002 in ihrem Bezug zum Aktionsplan 2008–2011
Massnahme in Strategie 2002
Stand der Umsetzung gemäss
Bilanz 2006 44
Bezug zu Aktionsplan 2008–2011
1. WTO und Nachhaltige Entwicklung
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 8 weitergeführt.
2. Konzept für den Service public im
Infrastrukturbereich
√
Da umgesetzt wird die Massnahme nicht
weitergeführt.
3. Fiskalische Anreize zur Ressourcenschonung
–
Massnahme wird in Schlüsselheraus­
forderung 2 integriert.
4. Einführung einer Integrierten
­P roduktepolitik
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 4 weitergeführt.
5. Sensibilisierung der Bevölkerung über
das Bildungswesen
+
Massnahme wird innerhalb des trans­
versalen Themenfeldes 10 weitergeführt.
6. Förderung der wissenschaftlichen
Zusammenarbeit mit Entwicklungsund Transitionsländern
+
Weiterverfolgung erfolgt im Rahmen der
normalen Verwaltungstätigkeit.
7. Abdecken neuer Armutsrisiken
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 6 weitergeführt.
8. Nationales Programm «Gesundheit –
Ernährung – Bewegung» (Programm
AMEPA)
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 7 weitergeführt.
9. Weiterentwicklung der Energie- und
Klimapolitik
+
Massnahme wird innerhalb der Schlüsselherausforderungen 1 und 2 weitergeführt.
10. Förderung von sauberen Fahrzeugen
–
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 3 (Massnahme 3–3)
weiter­g eführt.
11. Anreizstrategie für Natur und
Landschaft
√
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 5 weitergeführt.
12. Stärkung des internationalen Umweltsystems
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 8 weitergeführt.
13. Massnahmenprogramm «Nachhaltige
Raumplanung»
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 3 weitergeführt.
14. Neue Strategie Regionalpolitik
+
Massnahme realisiert. Weiterverfolgung
erfolgt im Rahmen der normalen
­Verwaltungstätigkeit.
15. Leitbild Nachhaltige Mobilität
+
Auf die Erarbeitung eines eigentlichen
Leitbildes wird verzichtet. Materiell wird
die Massnahme innerhalb Schlüssel­
herausforderung 3 weitergeführt.
16. Stärkung des öffentlichen Verkehrs
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 3 weitergeführt.
17. Neue Strassenverkehrssicherheits­
politik
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 3 weitergeführt.
18. Mitwirkung bei der Formulierung und
Umsetzung einer multilateralen Politik
der Nachhaltigkeit
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 8 weitergeführt.
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 8 weitergeführt.
19. Neue Formen der Entwicklungs­
finanzierung
44
Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 – ­B ilanz
und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007
46
Anhang 2: Massnahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 in ihrem Bezug zum Aktionsplan 2008–2011
Massnahme in Strategie 2002
Stand der Umsetzung gemäss
Bilanz 2006 44
Bezug zu Aktionsplan 2008–2011
20. Zivile Friedensförderung, Konflikt­
prävention und Wiederaufbau
+
Massnahme wird innerhalb Schlüssel­
herausforderung 8 weitergeführt.
21. Monitoring Nachhaltige Entwicklung
√
Massnahme wird als Begleitmassnahme
zur Umsetzung der Strategie weiter­
geführt.
22. Nachhaltigkeitsbeurteilung (NHB)
+
Massnahme wird als Begleitmassnahme
zur Umsetzung der Strategie weiter­
geführt.
Legende:
Massnahme √ (abgeschlossen), + (gemäss Programm), – (noch nicht gestartet)
44
Interdepartementaler Ausschuss Nachhaltige Entwicklung (IDANE): Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002 – ­B ilanz
und Empfehlungen für die Erneuerung. Bern 2007
47
Anhang 3:
Beschreibung der IDANE-Kriterien der Nachhaltigen
Entwicklung
Umwelt
U 1 Artenvielfalt
Der zum Teil rasante Artenschwund, der in der Schweiz besonders ausgeprägt, aber global erfolgt, stellt eine
der bedeutendsten irreversiblen Ressourcenzerstörungen dar. Seine langfristigen Konsequenzen bzw. Auswirkungen sind kaum absehbar. Einerseits stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf das ökologische
Gleichgewicht, anderseits aber auch die Frage, welche Bedeutung diesem verlorenen Erbgut in der Zukunft
als potenzielle wirtschaftliche Ressource zukäme.
U 2 Klima
Die befürchtete anthropogene Veränderung der globalen Klimasituation hat mannigfaltige, zum Teil gravierende Auswirkungen für die Menschen (Nahrungsmittelproduktion, Wasservorkommen, Küstenverlauf, Naturgefahren, u.a.m.). Massgebend sind immer die Auswirkungen auf die betroffenen menschlichen Lebensgemeinschaften, wobei die vergleichsweise kurzen Zeiträume dieser Veränderung einen wesentlichen Aspekt
darstellen. Die Verdünnung der stratosphärischen Ozonschicht, ausgelöst durch gewisse anthropogene
Stoffe wie insbesondere FCKW, wurde erst in den späten 1980er-Jahren entdeckt. Die dadurch erhöhte UVStrahlung hat negative (bis krebserregende) Wirkungen auf alle Lebewesen. Das sog. Ozonloch trat zunächst
in der südlichen Polarzone auf, hat sich aber bis zu bewohnten Gebieten ausgedehnt und tritt auch vermehrt
in der nördlichen Hemisphäre auf. Es handelt sich hier um eine der dramatischsten und unbestrittenen Wirkungen zivilisatorischer Aktivitäten.
U 3 Emissionen
Die Emissionen zivilisatorischer Aktivitäten sind vielfältiger Art. Hier angesprochen sind vor allem die Schadstoffemissionen in die Luft (Schwefel, Stickstoff, Partikel etc.), die Lärmemissionen, aber auch ionisierende
und nichtionisierende Strahlung. Sie betreffen zunächst Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen, haben
aber auch vielfältige direkte und indirekte sowie kurz- und langfristige Wirkungen auf den natürlichen
­L ebensraum bzw. die Biosphäre. Emissionen werden primär als lokales/regionales Problem verstanden. Sie
erhalten mit der weltweiten Verstädterung und Technisierung des Lebens auch global zunehmende Bedeutung.
U 4 Landschaft, Kultur-, Naturraum
Der natürliche Lebensraum ist für den Menschen sowie für Tiere und Pflanzen eine unabdingbare Lebensgrundlage. Für den Menschen hat er vielfältige direkte und indirekte Bedeutung (Gesundheit, Erholung, emotionaler Bezug etc.). Naturraum ist dabei oft auch Kulturraum und damit Element des Kulturgutes und der
Identität. Tiere und Pflanzen sind im Naturraum auf ein ökologisches Gleichgewicht angewiesen, das durch
die zivilisatorischen Aktivitäten in hohem Masse beeinflusst und gestört wird. Landschaft, Kultur- und Naturraum haben zunächst in den dicht besiedelten Regionen wie der Schweiz eine hohe Bedeutung. Ihre Bedeutung nimmt aber auch global ständig zu.
U 5 Wasser
Beim Kriterium Wasser ist zwischen den quantitativen und qualitativen Aspekten zu unterscheiden. Wasser
ist Ressource und Lebensraum. Die quantitativen Wasserressourcen sind sehr ungleichmässig über die Erde
verteilt. In der Schweiz stellt sich dieses Problem nur am Rande. Die qualitativen Probleme, welche durch die
vielfältige Belastung der Gewässer durch zivilisatorische Aktivitäten entstehen, stehen eindeutig im Vordergrund. Sie betreffen sowohl die Dimension Ressource als auch den Lebensraum. Global gesehen gehören
regionale Wasserknappheiten zu den kritischsten Problemen bis hin zur politischen Destabilisierung von
Regionen.
U 6 Stoffe, Organismen, Abfälle
Stoffe im weitesten Sinne des Wortes sind einerseits Ressourcen, anderseits belasten sie in vielfältiger Weise die natürlichen (Stoff-)Kreisläufe, insbesondere wenn es sich um durch den Menschen qualitativ veränderte oder quantitativ angereicherte Elemente handelt oder wenn diese auf «unnatürliche» Weise in die natürlichen Kreisläufe eingebracht werden. Insbesondere ist die Frage der langfristigen Auswirkungen und der
Irreversibilität oft sehr schwierig zu beantworten. Obwohl Stoffe zunächst primär lokale Probleme erzeugen,
können sie auf natürlichen Wegen, aber auch durch Handel und Transport zu überregionalen und globalen
Problemen führen.
48
Anhang 3: Beschreibung der IDANE-Kriterien der Nachhaltigen Entwicklung
U 7 Energie
Dieses Kriterium betrifft die Nutzung natürlicher Ressourcen, aber auch die Belastungen (Emissionen, Ab­
fälle), die bei der Energieproduktion und -nutzung erzeugt werden. Einerseits werden zurzeit gewisse beschränkte energetische Ressourcen ineffizient verbraucht, während nahezu unerschöpfliche Ressourcen
kaum genutzt werden. Dies beruht vor allem auf verzerrten, nicht die wahren Knappheitsverhältnisse
­s piegelnden Kostenstrukturen und auf der Erzeugung erheblicher externer Kosten. Anderseits wird Energie
mit Technologien erzeugt, welche bisher nicht gelöste Probleme im Stoffkreislauf produzieren (Kernenergie).
Die Probleme haben sowohl ressourcen- als auch belastungsmässig primär globale Dimension. Zur Lösung
müssen aber vor allem auch lokale Ansätze beitragen.
U 8 Boden, Fläche, Fruchtbarkeit
Bei diesem Kriterium geht es einerseits um den quantitativen Verlust an Kulturland durch eine immer aus­
gedehntere Bodennutzung für Siedlung und Verkehr in den dicht besiedelten Regionen, aber auch um qualitative Veränderungen des Kulturlandes durch verschiedene Formen der Belastung. Anderseits geht es global
um den sowohl quantitativ wie auch qualitativ zunehmenden Verlust an Kulturland als wichtige Basis für die
Nahrungsmittelproduktion. Hier sind mannigfaltige Ursachen im Spiel (Klima, Erosion, Übernutzung mit der
Folge von Versalzung und Verdichtung etc.)..
U 9 Minimierung von Umweltrisiken
Das Kriterium besagt, dass die Auswirkungen von Umweltkatastrophen zu reduzieren sind und Unfallrisiken
nur insoweit einzugehen sind, als sie auch beim grösstmöglichen Schadensereignis keine dauerhaften Schäden über eine Generation hinaus verursachen. Ereignisse mit zwar geringer Eintretenswahrscheinlichkeit,
aber hohem Schadenpotenzial sind so gut als möglich zu verhindern.
Wirtschaft
W 1 BIP pro Kopf
Das BIP (Bruttoinlandprodukt) ist ein Mass für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft in einer
Periode. Es entspricht dem Wert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen. Das BIP pro Kopf
entspricht dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen. Dieses wird als Indikator für den Wohlstand interpretiert. Wohlstand hat viele Dimensionen, Einkommen ist dabei eine wichtige, zumal es neben direktem
materiellem Wohlstand (Konsum) auch den Zugang zu anderen Dimensionen des Wohlstands ermöglicht (Vermögen, Bildung, Gesundheit, Umweltqualität etc.). Die Berücksichtigung dieses (auch umstrittenen) Indi­
kators fusst auf der Hypothese, dass Nachhaltige Entwicklung nicht möglich ist, wenn beim BIP pro Kopf zu
grosse Abstriche gemacht werden.
W 2 Effiziente Infrastruktur und Dienstleistungen
Qualitativ hoch stehende und effiziente Infrastrukturen und Dienstleistungen der öffentlichen Hand stiften
Nutzen für die Gesellschaft und sind damit Teil der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt. Eine Verringerung
dieses Indikators führt zu Wohlfahrtsverlust. Dieses Kriterium zielt auf die Qualität und Effizienz und nicht
den Umfang der durch die öffentliche Hand angebotenen Infrastrukturen und Dienstleistungen. Es geht somit
insbesondere darum, dass die vom Staat (neben der privaten Wirtschaft) für die Allgemeinheit erbrachten
Leistungen in einer hohen Qualität und effizient erbracht werden.
W 3 Wertvermehrende Investitionsquote
Werterhaltend ist die Investitionsquote (Anteil der Bruttoinvestitionen am Bruttosozialprodukt), wenn Entwertungen des Kapitalstocks periodisch durch Ersatzinvestitionen kompensiert werden. Eine werterhaltende
Investitionsquote ist notwendig, um den volkswirtschaftlichen Kapitalstock (Privatwirtschaft, öffentliche
Hand) zu erhalten.
W 4 Langfristig tragbare Staatsverschuldung
Ein mittelfristig – über einen Konjunkturzyklus – ausgeglichenes Haushaltsbudget ist eine Voraussetzung,
damit die öffentliche Hand den aufgetragenen Aufgaben nachkommen kann. Ein längerfristiges Ungleichgewicht führt zur Handlungsunfähigkeit des Staates und zu negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche
Entwicklung.
Anhang 3: Beschreibung der IDANE-Kriterien der Nachhaltigen Entwicklung
W 5 Ressourceneffizienz
Die Ressourcen (Kapital, Arbeit, Boden, Umwelt, Wissen) sind knapp. Ein effizienter Umgang mit den Ressourcen ist deshalb eine Voraussetzung für eine Nachhaltige Entwicklung. Ressourcenverschwendung behindert
die Bedürfnisbefriedigung heutiger und zukünftiger Generationen.
W 6 Wettbewerbsfähigkeit
Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit meint die Fähigkeit der Schweizer Wirtschaft, sich im internatio­
nalen Handel zu behaupten. Für die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft ist eine intakte wirtschaftliche
Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Erhaltung eines angemessenen ProKopf-Einkommens und damit für die Befriedigung der legitimen Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen
Generationen.
W 7 Arbeitskräftepotenzial
Arbeit ist neben Kapital und Umweltressourcen der zentrale Produktionsfaktor für die Wirtschaft und damit
bestimmend für die wirtschaftliche Entwicklung. Das qualitativ/quantitative Arbeitskräftepotenzial besteht
aus der erwerbsfähigen Bevölkerung und deren Know-how. Der Erhalt bzw. die Steigerung des Arbeitskräftepotenzials verbessert die Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung der heutigen und zukünftigen Genera­
tionen und ist damit positiv für eine Nachhaltige Entwicklung.
W 8 Innovationsfähigkeit, leistungsfähige Forschung
Innovationsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, «Neues» zu schaffen, das zu einer verbesserten
gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung führt. Eine leistungsfähige Forschung und deren nutzbringende
Umsetzung ist eine Voraussetzung für eine innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft.
W 9 Ordnungspolitische Rahmenbedingungen
Damit sind die in Artikel 94 der Bundesverfassung angesprochenen Rahmenbedingungen gemeint. Bund und
Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft. Die Rahmenbedingungen sollen so ausgestaltet werden, dass sie der Wirtschaft als Ganzes und nicht
partikulären Interessen Einzelner dienen. Abweichungen vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, insbesondere auch Massnahmen, die sich gegen den Wettbewerb richten, sind nur zulässig, wenn sie in der Verfassung
vorgesehen oder durch kantonale Regalrechte begründet sind.
Gesellschaft
G 1 Bildung, Lernfähigkeit
Bildung unterstützt die Personenwerdung, die Sozialisation und die Lernfähigkeit der Menschen und quali­
fiziert diese für den Arbeitsprozess
G 2 Gesundheit, Wohlbefinden, Sicherheit, Rechtssicherheit
Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit der «Zustand vollständigen körperlichen, geis­
tigen und sozialen Wohlbefindens des Menschen». Wohlbefinden geht teilweise über die Gesundheit hinaus.
Es ist z.B. die Folge angenehmer Klimabedingungen in Gebäuden, «guter» Luft und Ruhe in Siedlungsräumen,
gesunder Nahrungsmittel u.a.m. Dieses Wohlbefinden ist sowohl für die Lebensqualität als auch für die
­A rbeitsleistung wichtig. Das Sicherheitsbedürfnis des Menschen liegt auf sehr verschiedenen Ebenen. Es
beginnt bei der Vermeidung gewaltsamer Konflikte zwischen Völkern und Völkergruppen und reicht bis hin
zu Gewaltakten und anderen Verbrechen im Alltag. Es betrifft aber auch Sicherheit vor Katastrophen bis hin
zur individuellen Sicherheit vor Unfällen. In der Nachhaltigen Entwicklung muss Sicherheitspolitik begriffen
werden als umfassende Friedenssicherung und auch als Abwendung von Gefahren im wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bereich. Artikel 8 der Bundesverfassung beschreibt das Prinzip der «Rechtsgleichheit» vorab in Absatz 1 mit der Aussage «alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich». Das Diskriminierungsverbot ergänzt diese Aus­s age. Rechtssicherheit setzt nach Artikel 9 den Schutz vor Willkür und die Wahrung
von Treu und Glauben voraus.
49
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Anhang 3: Beschreibung der IDANE-Kriterien der Nachhaltigen Entwicklung
G 3 Freiheit, Unabhängigkeit, Individualität
Neben verschiedenen «Freiheiten» im Grundrechtskatalog (wie Glaubens- und Gewissensfreiheit, Artikel 15
der Bundesverfassung etc.) deklariert Artikel 10 Absatz 2 das Recht auf «persönliche Freiheit», insbesondere
auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit. Dies beinhaltet auch das Recht auf Unabhängigkeit und auf Individualität. Die Selbstverantwortung wird im 3. Kapitel der Bundesverfassung (Sozialziele), in Artikel 41 Absatz 1, angesprochen: staatliche Instanzen sollen nur als Ergänzung zur «persönlichen Verantwortung und zu privater Initiative» beansprucht werden.
G 4 Identität, Kultur
Massgebend für die persönliche Identität ist der Schutz der Würde eines jeden Menschen, wie dies in Artikel
7 der Bundesverfassung garantiert ist. Auch das Diskriminierungsverbot in Artikel 8 Absatz 2 unterstützt die
unversehrte Identität jedes einzelnen Menschen. Artikel 11 lässt der Unversehrtheit von Kindern und
­J ugendlichen besonderen Schutz zukommen. Kultur ist eine wichtige Basis für das Zusammenleben in diesem Land, denn gemeinsame Werte wie Toleranz, Solidarität und die Idee der Menschenrechte sind kulturelle
Errungenschaften.
G 5 Werthaltung
Für die Werthaltung gegenüber anderen Menschen und der Natur sind in der Präambel der Bundesverfassung
für Volk und Staat Verantwortlichkeiten festgelegt worden «gegenüber der Schöpfung und gegenüber den
künftigen Generationen». Auch ist der Wille ausgedrückt, in «gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung zu
leben». Artikel 2 (Zweck), Absatz 3 der Bundesverfassung nennt den Einsatz des Staates zugunsten der «dauerhaften Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und einer friedlichen und gerechten internationalen
Ordnung».
G 6 Solidarität, Gemeinschaft
In der Präambel der Bundesverfassung wird das Bestreben zur Solidarität angesprochen. Die Schweiz soll
sich entsprechend dem Zweckartikel in der Bundesverfassung als solidarische Gemeinschaft verstehen, in
welcher «die gemeinsame Wohlfahrt, ... der innere Zusammenhalt, und die kulturelle Vielfalt des Landes»
gefördert werden (Art. 2 Abs. 2). Der soziale Zusammenhalt wird u.a. gestützt durch «die Sicherheit des
Landes» (Art. 2 Abs. 1), wozu auch Gefühle der «inneren Sicherheit» beitragen. Die Gerechtigkeit wird in der
Erklärung von Rio gefordert als «gerechte Partnerschaft unter den Staaten». Die Bundesverfassung erwähnt
in Artikel 2 Absatz 4 den Einsatz der Schweiz für eine «... gerechte internationale Ordnung». Der zweite Titel
der Bundesverfassung «Grundrechte, Bürgerrechte und Sozialziele» dient der Gewährleistung von Gerechtigkeit für alle.
G 7 Offenheit, Toleranz
Die Präambel der Bundesverfassung spricht die «Offenheit gegenüber der Welt» an, Artikel 2 Absatz 4 den
Einsatz des Staates für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15), das Diskriminierungsverbot nach Artikel 8 Absatz 2 und das Willkürverbot in Artikel 9 können als Voraussetzungen für eine tolerante Gesellschaft gewertet werden.
G 8 Soziale Sicherheit, Armutsanteil
Das System der sozialen Sicherheit in der Schweiz bezweckt den Schutz vor Risiken wie Krankheit, Invalidität, Alter, Unfall, Tod, Einkommensausfall. Ausserdem soll die Existenz jener gesichert werden, welche nicht
in der Lage sind, dies autonom zu tun. Artikel 12 der Bundesverfassung spricht «das Recht auf Hilfe in Notlagen» direkt an: Wer in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, hat Anspruch auf Hilfe.
Die Hilfe muss ein menschenwürdiges Dasein gewährleisten.
G 9 Chancengleichheit, Gleichstellung, Partizipation
Nach Artikel 2 Absatz 3 der Bundesverfassung ist die Schweizerische Eidgenossenschaft gehalten, für möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen. Artikel 8 Absatz 3 soll die
Gleichberechtigung von Mann und Frau sicherstellen. Nach Artikel 37 ist die politische Partizipation auf Bundesebene weitestgehend den Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten.
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Anhang 4:
Legende zu den Indikatoren
Gewünschte Entwicklung
Trend*
j
Zunahme
Zunahme
j
Positiv (in Richtung
Nachhaltigkeit)
l
Abnahme
Abnahme
l
Negativ (weg von der
Nachhaltigkeit)
k
k
Neutral
Stabilität
Trendbewertung
Keine wesentliche
Veränderung
~
Unregelmässig
NN
Aussage noch nicht möglich
…
Keine Aussage möglich (erst 1 Messung)
NN
Angabe noch nicht verfügbar
* In der Regel seit 1990 (sofern genügend Datenpunkte vorhanden)
Keine Aussage
NN
Angabe noch nicht
verfügbar
52
Anhang 5:
Im IDANE vertretene Verwaltungseinheiten
Bundeskanzlei, BK
Bundesamt für Bauten und Logistik, BBL
Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, BBT
Bundesamt für Energie, BFE
Bundesamt für Gesundheit, BAG
Bundesamt für Kommunikation, BAKOM
Bundesamt für Kultur, BAK
Bundesamt für Landwirtschaft, BLW
Bundesamt für Migration, BFM
Bundesamt für Raumentwicklung, ARE
Bundesamt für Sozialversicherung, BSV
Bundesamt für Sport, BASPO
Bundesamt für Statistik, BFS
Bundesamt für Strassen, ASTRA
Bundesamt für Umwelt, BAFU
Bundesamt für Verkehr, BAV
Bundesamt für Veterinärwesen, BVET
Bundesamt für Wohnungswesen, BWO
Bundesamt für Zivilluftfahrt, BAZL
Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA
Direktion für Völkerrecht, EDA-DV
Eidgenössisches Büro für Konsumentenfragen, BFK
Eidgenössische Finanzverwaltung, EFV
Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, IGE
Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und
Sport, GS-VBS
Politische Direktion, EDA-PD
Sekretariat der nationalen schweizerischen UNESCO-Kommission
Staatssekretariat für Bildung und Forschung, SBF
Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO
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