3.2 Astrozytäre Tumoren Tipps + Tricks Z ● Mit der MRT sollen Hirntumoren nicht nur möglichst präzise dargestellt werden, sondern es sollte immer auch versucht werden, die Tumorentität möglichst genau einzugrenzen. 3.2 Astrozytäre Tumoren Von den glialen Zellen stammen viele primäre Tumoren des ZNS ab. Die glialen Zellen wiederum unterscheiden sich in Astrozyten, Oligodendrozyten und ependymale Zellen. Astrozytären Ursprungs ist eine Reihe von Tumoren, die nach der Klassifikation der WHO (World Health Organisation) als astrozytische Neoplasmen wie folgt klassifiziert werden: ● pilozytisches Astrozytom ● subependymales Riesenzellastrozytom ● pleomorphes Xanthoastrozytom ● diffuses Astrozytom (fibrillär, protoplasmisch und gemistozytisch) ● anaplastisches Astrozytom ● Glioblastom (Riesenzellglioblastom, Gliosarkom) ● Gliomatosis cerebri Diffuse Astrozytome, anaplastische Astrozytome und Glioblastome besitzen eine ähnliche oder gleiche molekulargenetische Grundlage und die prinzipielle Eigenschaft, das umliegende ZNS-Gewebe diffus zu infiltrieren. Daraus ergibt sich auch das Verständnis für die Tatsache, dass 50–75 % der diffusen Astrozytome einen Übergang in anaplastische Astrozytome oder sogar gleich endgültig in Glioblastome zeigen. Die Zeit dieser anaplastischen Transformation ist jedoch sehr variabel und kann bis zu 10 Jahre betragen. Molekulargenetische Studien haben gezeigt, dass es 2 unterschiedliche Arten von Glioblastomen gibt: zum einen die Gruppe, die sich sekundär aus Astrozytomen entwickelt, und zum anderen die Gruppe, die primär als Glioblastom entsteht. Signifikante genetische Differenzen zwischen diesen primären und sekundären Glioblastomen sind nachgewiesen. Die Unterteilung von astrozytären Tumoren ist in der Vergangenheit verschiedenen Graduierungsschemata unterlegt worden, von denen sich insbesondere die WHO-Graduierung auch Tab. 3.3 Vergleich von Graduierungssystemen bei glialen Hirntumoren. WHO-Klassifikation WHO-Grad pilozytisches Astrozytom I diffuses Astrozytom II anaplastisches Astrozytom III Glioblastom IV im klinischen Alltag bewährt hat. Auch wenn eigentlich aus neuropathologischer Sicht die WHO-Klassifikation (Astrozytom, anaplastisches Astrozytom und Glioblastom) genutzt werden sollte, findet sich selbst im universitären Umfeld immer wieder die Anwendung der WHOGraduierung. Dies ist jedoch nicht problematisch, da es eine direkte Korrelation zwischen der WHO-Graduierung und der Klassifikation gibt (▶ Tab. 3.3). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ● Sinus sagittalis superior liegen (z. B. parasagittales Meningeom), eine venöse MRA die Durchgängigkeit des Venensystems überprüfen. Mit arteriellen Angiografien des Circulus Willisii können mögliche Verlagerungen oder Kompressionen bzw. Verschlüsse der basalen Hirnarterien dokumentiert werden. DWI- und perfusionsgewichtete Aufnahmen können im Einzelfall die Tumordifferenzialdiagnose weiter eingrenzen. 3.2.1 Pilozytisches Astrozytom Die pilozytischen Astrozytome sollten von den diffus wachsenden astrozytären Neoplasien unterschieden werden, da sie eine andere genetische Grundlage zeigen, das umliegende Hirngewebe nicht infiltrieren und in der Regel keine anaplastische Transformation erfahren. Zusätzlich zeigen die pilozytischen Astrozytome eine Vorliebe für bestimmte Lokalisationen, die von anderen astrozytären Neoplasien nicht geteilt wird. ▶ Epidemiologie. Pilozytische Astrozytome sind die häufigsten Gliome bei Kindern. Die meisten dieser Tumoren werden in den ersten 2 Lebensdekaden beobachtet; es gibt keine eindeutige Geschlechtsdominanz. Pilozytische Astrozytome liegen bevorzugt am N. opticus (Optikusgliome), am Chiasma oder Hypothalamus und im Zerebellum. Die zerebralen Hemisphären und der Hirnstamm sind weniger betroffen, noch seltener das Rückenmark. ▶ Klinik/Therapie. Die Tumoren wachsen relativ langsam und verursachen daher entweder direkte fokale neurologische Defizite oder sekundäre Hirndruckzeichen aufgrund eines Anstiegs des intrakraniellen Druckes (Liquorraumkompression mit nachfolgendem Hydrocephalus occlusus). Anfälle sind selten, da die Läsionen meistens nicht kortikal liegen. Aufgrund des relativ langsamen Wachstums sind häufig gute Kompensationsmechanismen vorhanden (z. B. trotz chiasmaler Lage wenig Sehstörung). Die häufigsten klinischen Symptome erklären sich durch den intrakraniellen Druckanstieg oder Funktionsstörungen im Bereich der hinteren Schädelgrube. Die Tumoren werden in der Regel operiert. Bei vollständiger Resektion ist ein Rezidiv kaum zu erwarten. Sollten Tumorreste verbleiben, entsteht ein Wachstum vor allen Dingen durch Reformation der Zyste; seltener wird der solide Tumoranteil größer. Generell gilt für diese Tumoren, dass sie 109 Hirntumoren ▶ Pathologie. Makroskopisch imponieren relativ weiche, grau gefärbte Tumormassen mit einer assoziierten Zyste. Selten finden sich kleine Kalzifikationen oder Hämosiderineinlagerungen. Der solide Tumoranteil ist häufig stark vaskularisiert, und auch die Zystenwand kann deutliche Neovaskularisationen aufweisen. Selten kann eine Invasion des Subarachnoidalraums vorliegen. ▶ MRT-Befund. Die meisten pilozytischen Astrozytome liegen um den III. und IV. Ventrikel herum. Die zerebellären pilozytischen Astrozytome sind in der Regel zystisch. Die soliden Knoten nehmen kräftig, aber inhomogen Kontrastmittel auf (▶ Abb. 3.1). Aufgrund der häufig infraten- toriellen Lage kommt es zur Kompression des IV. Ventrikels oder des Aquädukts mit nachfolgendem Hydrocephalus occlusus (S. 374) und im fortgeschrittenen Stadium dann zur Entwicklung periventrikulärer hydrozephaler Ödeme. Auch wenn die meisten pilozytischen Astrozytome in der Mittellinie liegen, können auch laterale Tumorlagen beobachtet werden. Die optikochiasmatisch-hypothalamischen pilozytischen Astrozytome zeigen ebenfalls ein kräftiges homogenes Enhancement, aber seltener eine zystische Begleitkomponente. Auch das Enhancement selbst ist homogener als bei den zerebellären pilozytischen Astrozytomen (▶ Abb. 3.2). ▶ Differenzialdiagnose. Bei infratentorieller Lage und im Kindesalter ist vor allen Dingen das Medulloblastom die wichtigste Differenzialdiagnose. Dies ist insbesondere Abb. 3.1 Pilozytisches Astrozytom des Kleinhirns. a Im axialen kontrastverstärkten T1w Bild ist der lateral gelegene, solide Tumorknoten zu erkennen, der ein kräftiges randständiges Enhancement (Pfeil) und eine zentrale Nekrosezone zeigt. b Die medial hiervon gelegene Tumorzyste weist ein liquorisointenses Signal in T1w und T2w Aufnahmen auf. Abb. 3.2 Optikochiasmatisches pilozytisches Astrozytom. a Im koronaren nativen T1w Bild stellt sich der Tumor des Chiasma opticum hirnisointens dar. b Nach Kontrastmittelgabe zeigt der Tumor eine kräftige, homogene Kontrastmittelaufnahme. c Signalreiche, etwas inhomogene Tumormatrix im T2w Bild. 110 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. relativ stabil sind und langsam wachsen; ganz selten können auch spontane Regressionen auftreten. 3.2 Astrozytäre Tumoren 3.2.2 Pleomorphes Xanthoastrozytom Hierbei handelt es sich um eine umschriebene, desmoplastische astrozytäre Neoplasie, die meistens in den oberflächlichen Regionen der zerebralen Hemisphären bei Kindern und jungen Erwachsenen lokalisiert ist. Diese Tumoren wachsen relativ umschrieben und neigen zur Zystenbildung. Merke H ● Im Gegensatz zu den anderen Astrozytomen sind pleomorphe Xanthoastrozytome besser abgrenzbar und neigen weniger zu einer diffusen Tumorausdehnung. ▶ Epidemiologie. Der Tumor tritt vor allem bei Kindern und jüngeren Erwachsenen auf. Der Altersgipfel liegt zwischen der 2. und 3. Lebensdekade. ▶ Klinik/Therapie. Aufgrund ihrer temporalen Lage verursachen diese Tumoren häufig Temporallappenanfälle. Die Therapie besteht in einer möglichst radikalen operativen Exzision. Die Prognose ist im Vergleich zu astrozytären Tumoren erheblich besser (10-Jahres-Überlebensrate: über 70 %). ▶ Pathologie. Der Tumor wächst häufig oberflächlich im Kortex. Typisch ist eine relativ große Zystenbildung mit soliden Tumorknoten in der Zystenwand. ▶ MRT-Befund. Im MRT stellt sich der Tumor relativ gut abgegrenzt dar. In seinem Erscheinungsbild gleicht er sehr dem pilozytischen Astrozytom (Zyste mit stark kontrastmittelaufnehmendem Tumorknoten; ▶ Abb. 3.3). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. deswegen von Wichtigkeit, da die Prognose und das postoperative Therapieregime dieser beiden Entitäten gänzlich unterschiedlich sind. Im Einzelfall kann es sehr schwer sein, die beiden Tumorarten voneinander zu unterscheiden. Allgemein zeigen die Medulloblastome kleinere Zysten und häufiger Zeichen der Einblutung in die Tumormatrix. Auch das Enhancement ist häufig weniger kräftig als bei pilozytischen Astrozytomen. Bei großen infratentoriellen Prozessen muss das Ependymom oder ein primärer Plexustumor abgegrenzt werden. Bei Tumoren mit großer Zyste ist differenzialdiagnostisch das Hämangioblastom zu diskutieren, das aber in der Regel kräftige Flow Voids aufgrund seines angiomartigen Charakters aufweist. 3.2.3 Diffuses Astrozytom Die Astrozytome werden auch als „niedriggradige Astrozytome“ bezeichnet und in der WHO-Klassifikation als Grad-II-Gliome geführt. Histologisch werden 3 unterschiedliche Typen differenziert: ● fibrilläre Astrozytome ● protoplasmatische Astrozytome ● gemistozytische Astrozytome Die fibrillären Astrozytome stellen dabei die größte Gruppe dar. Zerebrale Astrozytome haben die Eigenschaft, diffus in der weißen Hirnsubstanz zu wachsen. Die betroffe- Abb. 3.3 Pleomorphes Xanthoastrozytom. Dieser Tumor weist eine multilobuläre Zyste im okzipitalen Anteil mit entsprechendem Flüssigkeitssignal in T2w und T1w Aufnahmen auf. Der rostral daran angrenzende solide Tumorknoten zeigt ein intermediäres Signal im T2w Bild (a). Sowohl die Septen des zystischen Anteils als auch der solide Knoten nehmen kräftig Kontrastmittel auf (b, c). Die Raumforderung führt zu einer Herniation des Temporallappens mit Verlagerung des Mittelhirns und Aufstau des rechten Temporalhorns (a, b). a Axiale T2w Aufnahme. b Axiale T1w Aufnahme. c Koronare T1w Aufnahme. 111 Hirntumoren nen anatomischen Strukturen werden vergrößert oder auch verlagert, aber durch diese Tumorart nicht zerstört. Diese Tumoren wachsen in der Regel sehr langsam, können aber zu jeder Zeit einer malignen Transformation unterliegen. Die niedriggradigen Astrozytome liegen bevorzugt im frontalen und temporalen Hirnlappen, seltener in den anderen Hirnanteilen und nur sehr selten in den Stammganglien. Einige dieser Tumoren haben eine gallertartige Konsistenz; es können sich auch Zysten formieren, die makroskopisch dann eine relativ klare Flüssigkeit enthalten. Hirnstammastrozytome liegen bevorzugt im Zentrum des Pons, können aber auch exophytische Anteile mit Umscheidung der A. basilaris enthalten. Selten können auch fokale Kalzifikationen auftreten; typischerweise werden aber keine Neovaskularisationen beobachtet, und auch Blutungen sind sehr selten. Wahl; dies vor allen Dingen dann, wenn eine komplette Tumorresektion möglich erscheint. Die maligne Transformation in höhergradige Gliome ist die häufigste Todesursache bei Patienten mit niedriggradigen Astrozytomen. Die mittlere Überlebensrate beträgt etwa 10 Jahre nach Diagnosestellung. ▶ Epidemiologie. Niedriggradige Astrozytome sind eher selten. Sie repräsentieren allenfalls 10–15 % aller Gliome und werden demzufolge sehr viel seltener beobachtet als Glioblastome. Die niedriggradigen fibrillären Astrozytome sind vorwiegend Tumoren des Kindesalters oder des Erwachsenen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Bei älteren Erwachsenen werden diese Tumoren sehr selten beobachtet. ▶ MRT-Befund. Die niedriggradigen Astrozytome zeigen in T1w Bildern typischerweise ein leicht hypointenses Signalverhalten im Vergleich zur grauen Hirnsubstanz. Auf T2w und vor allem auf FLAIR-Aufnahmen stellen sich diese Tumoren homogen hyperintens dar (▶ Abb. 3.4). In der Regel liegt kein begleitendes Ödem vor, sodass die gesamte Signalalteration der tatsächlichen Tumorausdehnung entspricht. Die Tumorklassifikation ist mit dem MRT relativ einfach, da die Grad-II-Astrozytome nach Kontrastmittelgabe kein Enhancement aufzeigen. Dies korreliert sehr gut mit der Tatsache, dass histopathologisch auch keine pathologische Neovaskularisation nachzuweisen ist. Bei maligner Transformation (Übergang in Grad-III- und Grad-IV-Gliome) ist dann auch in der MRT Abb. 3.4 Astrozytom WHO-Grad II. a Der gesamte, kaum raumfordernde, infiltrierend wachsende Tumor zeigt ein hohes Signal im T2w Bild ohne Nachweis eines perifokalen Ödems. b Fehlende Kontrastmittelanreicherung des im T1w Bild hypointensen Tumors. 112 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Klinik/Therapie. Aufgrund ihrer häufig subkortikalen und kortikalen Lage manifestieren sich diese Tumoren zumeist mit Epilepsien. Da die niedriggradigen Astrozytome die genetische Potenz haben zu malignisieren (50–75 %), ist die Operation niedriggradiger Tumoren Therapie der ▶ Pathologie. Zytologisch zeigen die diffusen Astrozytome nur eine geringe Zellatypie. Die Fähigkeit der Gliomzellen zur Invasion des gesamten Hirngewebes provoziert unterschiedliche Reaktionen in Form von Astrozytosen und aktivierter Mikroglia. Bei maligner Transformation kommt es zum Auftreten von Neovaskularisationen. Die subkortikalen U-Fasern stellen zwar eine natürliche Migrationsbarriere für gliale Zellen dar, eine diffuse Kortexinfiltration ist aber dennoch möglich. 3.2 Astrozytäre Tumoren ein Enhancement nachweisbar. Selten können diese niedriggradigen Astrozytome auch zystisch oder sogar polyzystisch imponieren. Die exakte Tumorausdehnung ist auf FLAIR-Aufnahmen (oder PDw Aufnahmen) am besten darstellbar. DWI-Aufnahmen demonstrieren keine Diffusionseinschränkung entsprechend der Niedriggradigkeit dieser Tumoren. In der Spektroskopie ist der Cholin-Peak nicht angehoben; in den SWI-Sequenzen finden sich in der Regel keine Suszeptibilitäten. ändern, während dies bei einem niedriggradigen Gliom nicht der Fall ist. Schwierigkeiten machen postoperative Befunde nach Tumorresektion: An den Resektionsrändern können postoperativ Gliosen entstehen, die eine gleiche Signalcharakteristik wie niedriggradige Astrozytome aufweisen und daher von diesen nicht zu unterscheiden sind. ▶ Differenzialdiagnose. Umschriebene, subkortikal gelegene Signalveränderungen haben prinzipiell eine umfangreiche Differenzialdiagnose. Bei sehr kleinen Veränderungen kann z. B. eine postentzündliche oder posttraumatische Gliose von einem niedriggradigen Astrozytom nicht unterschieden werden. Im Falle einer sehr seltenen, primär zystischen Präsentation eines niedriggradigen Astrozytoms muss eine neuroepitheliale Zyste differenziert werden. Bei den größeren Astrozytomen stellen subakute Infarkte eine wesentliche Differenzialdiagnose dar. Die DWI-Bilder helfen hier bei der Unterscheidung, da die Infarkte bis zum 6. Tag nach Infarktereignis eine Diffusionsstörung mit Absenkung des ADC zeigen. Aber auch auf T1w Aufnahmen ist zwischen einem Territorialteilinfarkt und einem niedriggradigen Astrozytom zumeist gut zu unterscheiden, da die niedriggradigen Astrozytome relativ hypointens dargestellt werden. In Zweifelsfällen hilft die Spektroskopie (Laktatnachweis beim Infarkt) oder eine Verlaufsbeurteilung mit Wiederholung der MRT-Untersuchung nach 2–4 Wochen. Ein Infarkt würde in diesem Zeitraum seine Signalcharakteristik deutlich ver- Bei Tumorresektion kann nur eine exakt identische präund postoperative Bildgebung mit direktem Bildvergleich zwischen Resttumor oder bereits sich entwickelnder Narbenbildung an den Resektionsrändern unterscheiden. In anderen Fällen hilft nur die Verlaufsbeobachtung. Diese sollte immer mit Kontrastmittel durchgeführt werden, da eine sekundäre Malignisierung des Tumors möglich ist. Z ● Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tipps + Tricks 3.2.4 Anaplastisches Astrozytom und Glioblastom Das anaplastische Astrozytom wird nach der WHO-Klassifikation als Grad-III-Gliom eingeordnet, das Glioblastoma multiforme als Grad-IV-Gliom. Glioblastome können entweder de novo entstehen, oder sie repräsentieren das Endstadium einer malignen Transformation eines ursprünglich niedriggradigen Astrozytoms (▶ Abb. 3.5). Die Unterscheidung dieser beiden Tumorentwicklungen kann Abb. 3.5 Anaplastisches Hirnstammastrozytom. a Sagittales T1w Bild nach Kontrastmittelapplikation. Dieser ausgedehnte signalarme Tumor des Pons bei einem 7-jährigen Jungen wurde stereotaktisch biopsiert: Astrozytom Grad III. b Innerhalb von 10 Monaten kam es trotz Radiotherapie zu einem Übergang in ein Glioblastom mit kräftiger, irregulärer Kontrastmittelanreicherung. 113 Hirntumoren ▶ Epidemiologie. Glioblastoma multiforme und anaplastisches Astrozytom machen zusammen 65–75 % aller Gliome aus. Entsprechend der Graduierung stellen die anaplastischen Astrozytome eine Übergangs- oder Zwischenform zwischen dem Astrozytom und dem Glioblastoma multiforme dar. Bei den Glioblastomen gibt es 2 Altersgipfel: Meistens sind die Patienten älter (über 50 Jahre); es können aber auch Glioblastome bei Patienten unter 30 Jahren auftreten. ▶ Klinik/Therapie. Die Anamnese bei diesen rasch wachsenden Tumoren ist relativ kurz und umfasst meist nur wenige Wochen bis Monate. Fokale neurologische Defizite, schlaganfallähnliche Symptome oder Anfälle stellen die Erstsymptome dar. Im fortgeschrittenen Stadium imponieren Raumforderungssymptome auch durch sekundäre Liquorzirkulationsstörungen. Bei Diagnosestellung besteht der primäre Therapieansatz darin, operativ die Tumormasse so weit wie möglich zu verkleinern. Die Möglichkeiten werden begrenzt durch die Lagebeziehung des Tumors zu eloquenten Hirnarealen (z. B. Sprachregion, Motorkortex). Der operative Ansatz fokussiert sich dabei auf den Tumoranteil, der eine Neovaskularisation aufweist; dieser entspricht den kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteilen im MRT. Nach Tumorteilresektion erfolgen die Bestrahlung sowie die anschließende adjuvante Chemotherapie mit Temozolomid. Bei umschriebenen Tumorrezidiven kann auch eine Zweit- oder, selten, eine Drittoperation die makroskopische Tumormasse verkleinern. Dennoch ist die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit einem Glioblastom begrenzt und selten länger als 12 Monate nach Diagnosestellung. Mehrere Studien konnten in den letzten Jahren zeigen, dass die Überlebenszeit signifikant verlängert werden kann, wenn operativ der Tumorteil entfernt wurde, der in der MRT Kontrastmittel aufgenommen hatte. Neuere Therapien versuchen, über lokale Medikamenteninfusionen oder -applikationen die gliale Proliferation einzugrenzen oder das Immunsystem zu stimulieren. ▶ Pathologie. Gliomzellen haben eine aktive Migrationsfähigkeit; d. h., sie können selbstständig an anatomischen Leitstrukturen durch das Hirngewebe wachsen. Als solche Leitstrukturen gelten Myelinscheiden oder Basalmembranen. Wie viele andere maligne Tumoren auch, produzieren Gliome Faktoren, die die Neovaskularisation anregen (z. B. den Vascular endothelial Growth Factor). Ab einer bestimmten Tumorgröße kommt es somit zur Bildung von neuen pathologischen Gefäßen. Im Gegensatz zu gesunden Hirngefäßen weisen diese Tumorgefäße jedoch 114 eine deutlich geringere Schranke zum umliegenden Hirngewebe auf, sodass sie verantwortlich für Ödembildung oder auch für Kontrastmittelanreicherung sind. Merke H ● Diese grundlegenden Eigenschaften, Migrationsfähigkeit und Neovaskularisation, stellen die histopathologische Grundlage für das Erscheinungsbild der Glioblastome dar. Dennoch können die Glioblastome ein multiformes Erscheinungsbild bieten, was zu ihrer Namensgebung beigetragen hat (Glioblastoma multiforme). Deskriptiv-morphologisch können 3 Tumortypen unterschieden werden: ● Typ mit infiltrierendem Wachstum ● Typ mit primär solidem Wachstum ● Typ mit zentral nekrotisierendem Wachstum Das Glioblastom entsteht vorzugsweise in der tiefen weißen Hirnsubstanz, vor allem in den Frontal- oder Temporallappen. Die Wachstumsrichtung orientiert sich häufig an dem Faserverlauf der großen Bahnen. Als Wegbereiter für das solide Gliomwachstum wird das peritumorale Ödem angesehen. Dieses bricht die Zellverbände des Hirngewebes auf und erleichtert somit die Zellmigration der Gliomzellen. Im fortgeschrittenen Stadium wird eine multilobuläre und bihemisphärische Tumorausbreitung auch über das Corpus callosum beobachtet. Glioblastome der hinteren Schädelgrube sind selten. ▶ MRT-Befund. Analog zur Multiformität der Histopathologie stellen sich auch in der MRT die Glioblastome sehr unterschiedlich dar. Entsprechend ihrer histologischen Graduierung und dem Nachweis von Gefäßneubildungen ist bei all diesen Tumoren jedoch eine Kontrastmittelaufnahme nachzuweisen. Am häufigsten findet sich in den T1w Bildern nach Kontrastmittelgabe ein girlandenartig wachsender, makroskopischer Tumor, der zentral Nekrosen aufweist und von einem deutlichen fingerförmigen Marklagerödem umgeben wird (▶ Abb. 3.6). Punktuelle Einblutungen in der Tumormatrix können vorkommen. Deskriptiv können auch im MRT die genannten 3 Tumortypen unterschieden werden: mit infiltrierendem Wachstum, mit solidem Wachstum und mit zentral nekrotisierendem Wachstum (▶ Abb. 3.7). Die Ausprägung des perifokalen Ödems kann sehr unterschiedlich sein; regelmäßig sind aber auch im Ödem und teilweise sogar über die Ödemgrenzen hinaus maligne Zellen in der Histologie nachzuweisen. Bei fortgeschrittenem Tumorwachstum lassen sich auch im fingerförmigen, peritumoralen Ödem mit einiger Distanz zum eigentlichen Kerntumor neue Tumorzellnester nachweisen, die eine Neovaskularisation und dementsprechend ein Enhancement zeigen. Es wird ein multifokales von einem multilokulären Wachstum unterschieden, wobei das multifokale Tumorwachstum zumindest eine Ödemstraße zwi- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. nur auf molekulargenetischer Basis durchgeführt werden; makroskopisch und histopathologisch sind diese Tumorarten nicht zu unterscheiden. Das Glioblastoma multiforme ist der häufigste primäre intrakranielle Hirntumor. Die große mikroskopische und makroskopische Variabilität dieses malignen Tumors gab ihm den Beinamen „multiforme“. 3.2 Astrozytäre Tumoren Tumor Tumor Tumor Nekrose Nekrose Ödem Ödem a b Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3.6 Glioblastoma multiforme. a T1w Aufnahme. Girlandenförmig kontrastmittelaufnehmender, zentral nekrotischer Tumorkern des Glioblastoms. b Der Tumorkern weist einen teilweise recht scharfen, teilweise aber auch unscharfen Übergang in nicht kontrastmittelaufnehmende, T2w hyperintense, periphere Tumoranteile und in das hiervon kaum zu unterscheidende peritumorale Ödem auf. c Einige malignisierte Tumoranteile medial und dorsal weisen eine Diffusionseinschränkung auf. d In der SWI-Sequenz weisen zahlreiche Signalauslöschungen auf pathologische Tumorgefäße und Mikrohämorrhagisierungen hin. Ödem c Abb. 3.7 Wachstumstypen beim Glioblastom. Schematische Darstellung. a Rundlich-solide. b Zentral nekrotisch. c Diffus infiltrierend. schen den einzelnen makroskopischen Tumorkernen erkennen lässt. Beim multilokulären Wachstum sind die verschiedenen Tumorkerne unabhängig voneinander, aber zeitgleich entstanden; das kann als Modell für die genetische Triggerung dieser Tumorentstehung angesehen werden (▶ Abb. 3.8). Initial bilden die subkortikalen U-Fasern eine gewisse Migrationsbarriere für die Gliom- zellen. Im fortgeschrittenen Stadium wird diese aber durchbrochen; die Glioblastome können in den Subarachnoidalraum einbrechen und über den Liquor disseminieren. Die Hirnoberfläche kann sogar rasenartig vom Tumor ausgekleidet werden. Eine pachymeningeale (durale) Infiltration ist ungewöhnlich. 115 Abb. 3.8 Multilokuläres anaplastisches Astrozytom WHO-Grad III. In beiden Frontallappen findet sich ein charakteristisches Nebeneinander von diffusen Tumorinfiltrationen, die überwiegend die weiße Substanz betreffen, und einzelnen schrankengestörten Tumorknoten. a Die T2w Aufnahme zeigt das Ausmaß der niedrigmalignen diffusen Tumoraussaat, die sich überwiegend auf das Marklager beschränkt. b Links-periventrikulär demarkiert sich im kontrastverstärkten T1w Bild ein ringförmiger, dedifferenzierter Tumoranteil. Ein kleinerer maligner Knoten ist rechts-frontal als fleckförmige Kontrastmittelaufnahme nachweisbar. Abb. 3.9 Operationskontrolle eines Glioblastoms. a Präoperative Darstellung des links-temporalen, zentral nekrotischen Tumors mit Rand-Enhancement im axialen T1w Bild nach Kontrastmittelgabe. b Postoperatives MRT. Am medialen Rand der Resektionshöhle finden sich im nativen T1w Bild hyperintense Veränderungen, die Blutabbauprodukten entsprechen. c Postoperatives MRT. Nach Kontrastmittelgabe demarkiert sich am rostralen Resektionsrand ein maligner Tumorrest (Pfeil). ▶ Postoperative Kontrolle. Primäres operatives Ziel ist heute die möglichst radikale Entfernung des makroskopischen (im MRT kontrastmittelaufnehmenden) Tumoranteils. Die frühe postoperative Bildgebung kann dieses Therapieziel dokumentieren. Die Bildgebung sollte aber innerhalb der ersten 3–4 postoperativen Tage durchgeführt werden, da ab dem 4. Tag bis etwa nach 3 Mona- 116 ten ein chirurgisch induziertes Enhancement an den Resektionsrändern nachzuweisen ist. Die Blutabbauprodukte (insbesondere wenn die Resektionshöhle mit Wasserstoffsuperoxid gespült wurde) können residuellen Tumor imitieren, wenn nur kontrastangehobene MR-Scans durchgeführt wurden (▶ Abb. 3.9). In der Regel schließt sich beim Glioblastom nach der operativen Therapie eine Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Hirntumoren Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 3.2 Astrozytäre Tumoren Abb. 3.10 Hirntumor-Staging (RANO-Kriterien). Verlaufsuntersuchungen einer 37-jährigen Patientin, die mit einer akut einsetzenden Wortfindungsstörung symptomatisch wurde, anschließend operiert und mit einer Radiochemotherapie nachbehandelt wurde. a Präoperativer Status, T2w Aufnahme: initialer links-frontaler, ca. 13 mm × 15 mm messender kortikaler Tumor, der überwiegend Kontrastmittel aufnimmt. Dezentes perifokales Ödem. b Korrespondierende kontrastverstärkte T1w Aufnahme zu a. c Acht Tage postoperativ, T2w Aufnahme: entfernter Tumor (Complete Response). Histologisch anaplastisches Astrozytom. d Korrespondierende kontrastverstärkte T1w Aufnahme zu c. e 14 Monate postoperativ, T2w Aufnahme: (Pseudo-)Progression nach Radiochemotherapie mit neuem erheblichem Ödem linkshemisphärisch und schlieriger Kontrastmittelaufnahme sowohl an den ehemaligen Resektionsrändern als auch in der Tiefe des Marklagers. Diese Veränderungen sind im weiteren Verlauf rückläufig und wurden daher als Strahlenreaktion gewertet. f Korrespondierende kontrastverstärkte T1w Aufnahme zu e. g 18 Monate postoperativ, T2w Aufnahme: Tumorrezidiv von ca. 16 mm × 29 mm Durchmesser (Progressive Disease). Histologisch Glioblastoma multiforme. h Korrespondierende kontrastverstärkte T1w Aufnahme zu g. 117 Hirntumoren R ● Pitfalls Ein Tumorprogress darf aufgrund der genannten Unsicherheiten bei Patienten mit o. g. Therapien daher erst anhand weiterer Verlaufskontrollen (und ggf. unter Zuhilfenahme von MRS [Magnetresonanzspektroskopie] und MR-Perfusion) gestellt werden. Die ▶ Tab. 3.4 fasst die Beurteilung nach den RANO-Kriterien zusammen. ▶ Differenzialdiagnose. Höhergradige Gliome müssen primär von Metastasen oder Lymphomen differenziert werden. Dabei zeigen Lymphome bei immunkompetenten Patienten in der Regel ein homogenes, kräftiges Enhancement ohne Nekrosen. In den SWI-Sequenzen finden sich bei Glioblastomen daher Mikroblutungen, beim Lymphom aber nicht. In der Perfusionsbildgebung zeigen die Glioblastome eine Hypervaskularisation, während die Lymphome eine Permeabilitätsstörung aufweisen. An den Randbereichen des makroskopischen Gliomwachstums lässt sich häufig der infiltrierende Charakter der Gliome nachweisen, was die Differenzialdiagnose zu Metastasen erleichtern kann. Schwierigkeiten kann die Gliomdiagnose bei primär eingebluteten Tumoren machen. Hier hilft nur eine sehr frühe MR-Bildgebung vor Entwicklung des Methämoglobinsignals. Ein Enhancement in oder am Rand einer scheinbar primären Blutung in dieser frühen Phase ist verdächtig auf einen zugrunde liegenden Tumor. Weitere Differenzialdiagnosen zum Glioblastom sind atypische Infarkte, tumorartige Demyelinisierungen oder umschriebene Infektionen (bakterieller Abszess, Tuberkulom oder Aspergillom). Der gut abgekapselte Abszess mit zentral dickflüssigem Eiter zeigt eine deutliche DWI-Störung mit hohem Signal auf. Die Abszesskapsel ist im T2w oder im PDw Bild hypointens, und das Ödem beim Abszess ist in der Regel sehr ausgeprägt (▶ Abb. 3.11). Diese Unterscheidungshilfen zwischen zystischem Gliom und Abszess sind zwar nicht 100 %ig, helfen aber bei der Gewichtung der Differenzialdiagnose. 3.2.5 Gliosarkom Das Gliosarkom ist ein seltener primärer Hirntumor, der aus einem Gliom mit mesenchymaler Komponente besteht. Letztere nimmt ihren Ursprung von endothelialen, fibroplastischen und myoplastischen Elementen. Die Tumoren sind sehr fest lobuliert, mit einer zentralen Nekrose. Der Tumor tritt in der Regel in der 5.–7. Lebensdekade Tab. 3.4 Radiologische Verlaufsbeurteilung nach RANO-Kriterien (Quelle: [9]). Kriterien Complete Response Partial Response Stable Disease Progressive Disease in T1w kontrastmittelaufnehmende Läsion keine ≥ 50 % ↓ < 50 % ↓, aber < 25 % ↑ ≥ 25 % ↑1) in T2w/FLAIR stabil oder ↓ stabil oder ↓ stabil oder ↓ ↑1) neue Läsion keine keine keine vorhanden1) Kortikosteroide keine stabil oder ↓ stabil oder ↓ NA2) klinischer Status stabil oder ↑ stabil oder ↑ stabil oder ↑ ↓1) erforderliche Kriterien alle alle alle mindestens 1 Kriterium1) NA = nicht zutreffend 1) Ein progressiver Befund liegt vor, wenn dieses Kriterium erfüllt ist. 2) Eine alleinige Zunahme der Kortikosteroide wird bei der Klassifizierung „Progressive Disease“ nicht berücksichtigt, falls der klinische Befund sich nicht verschlechtert. 118 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Strahlentherapie an. In den Verlaufsuntersuchungen muss daher zwischen einem Tumorrezidiv und einer Radionekrose (auch als „Pseudoprogression“ bezeichnet) unterschieden werden. Letztere kann in der Regel 4–6 Monate nach Bestrahlung auftreten. Bei der Strahlennekrose wird eine ausgeprägte Störung der Blut-HirnSchranke mit entsprechend starker Ödembildung und rascher Extravasation des Kontrastmittels in das umliegende Gewebe beobachtet. Perfusionsbildgebung, Spektroskopie und SWI können helfen, zwischen Rezidivtumor und Strahlennekrose zu unterscheiden. Bei der Radionekrose steht nicht die Neovaskularisation, sondern die Permeabilitätsstörung im Vordergrund, mit entsprechenden Perfusionskurven (Leackage); in der Spektroskopie werden hohe Laktat- bzw. Lipid-Peaks und niedrige Cholin-Peaks gesehen. Letztendlich gibt es aber keine klaren MRT-Kriterien, um ein Rezidivgliom von einer Radionekrose sicher zu unterscheiden, sodass Verlaufsuntersuchungen nötig sind. Für die Verlaufsbeurteilung von Glioblastomen unter Therapie haben sich heute die sog. RANO-Kriterien etabliert (Response Assessment in Neuro-Oncology; ▶ Abb. 3.10). Diese RANO-Kriterien werden den Phänomenen Pseudoprogression und Pseudoregression gerecht: ● Pseudoprogression: Auftreten einer Neovaskularisation unter Strahlentherapie und adjuvanter Chemotherapie, die eine Tumorprogression vortäuschen kann ● Pseudoregression: Tumorwachstum mit Reduktion der kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteile, aber mit einer tumorbedingten Zunahme der T2w Läsionen; entsteht unter der Therapie mit antiangiogenen Medikamenten 3.2 Astrozytäre Tumoren Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3.11 Hirnabszess. a Dieser rechts-frontal gelegene Hirnabszess weist einen hypointensen Granulationswall und ein ausgeprägtes perifokales Ödem im T2w Bild auf. b Erwartungsgemäß sehr intensive Kontrastmittelaufnahme im T1w Bild. c Charakteristischerweise führt Eiter zu einem hohen Signal in den DWI-Aufnahmen. Abb. 3.12 Gliosarkom. a Sehr inhomogener Tumor im linken Frontallappen, im T2w Bild mit solidem Tumorknoten und multiplen zystischen und nekrotischen hyperintensen Anteilen. Zusammen mit dem perifokalen Marklagerödem führt die Raumforderung zu einer transfalxiellen Herniation des Frontallappens nach rechts. b T1w Bild koronar nach Kontrastmittelgabe. Es besteht ein teils knotiges, teils randständiges Enhancement des Tumors. auf. Die Überlebensraten sind ähnlich wie beim Glioblastoma multiforme. Im Gegensatz zu diesen Tumoren kann das Gliosarkom aber nach extrakraniell metastasieren. Bei 15–30 % aller Gliosarkome werden sogar viszerale Metastasen nachgewiesen. Die Tumoren liegen mehr in der Peripherie und zeigen eine durale Invasionstendenz. Im MRT weisen die Gliosarkome ein unterschiedliches Aussehen auf. Die Tumoren sind inhomogen, zeigen Hämorrhagien und Nekrosen und in der Regel ein ausgeprägtes, heterogenes Enhancement (▶ Abb. 3.12). 119 Hirntumoren Die Gliomatosis cerebri ist charakterisiert durch die ausgedehnte Infiltration des ZNS mit kleinen, neoplastischen glialen Zellen. Üblicherweise ist ein relativ großer Teil des Gehirns beteiligt. Die Differenzialdiagnose zwischen der Gliomatosis cerebri und einem diffus infiltrierenden Glioblastom kann schwierig sein. Bei der Gliomatosis cerebri finden sich jedoch gehäuft nicht miteinander in Verbindung stehende Tumorareale. ▶ Epidemiologie. Die Gliomatosis cerebri ist selten. Sie kann in jedem Alter auftreten; jedoch wird sie gehäuft zwischen der 3. und 4. Lebensdekade gefunden. Prinzipiell können alle Teile des Gehirns betroffen sein; eine Präferenz liegt für den Balken, die Fornixschenkel und die Kleinhirnstiele vor. Sehr selten gibt es auch eine primäre leptomeningeale Gliomatose. ▶ Klinik/Therapie. Aufgrund der diffusen Wachstumsart stehen mehr allgemeine als fokale Symptome im Vordergrund: Leistungsschwäche, Kopfschmerz und Demenz. Umschriebene Einblutungen können auch zu fokalneurologischen Defiziten führen. Nach der bioptischen Diagnosesicherung wird heute in der Regel eine Strahlentherapie durchgeführt, die in einzelnen Fällen gutes Ansprechen zeigen kann. Größere Studien über Langzeitergebnisse liegen nicht vor. ▶ Pathologie. Bei der klassischen Gliomatosis cerebri findet eine diffuse Tumorausdehnung mit Volumenzunahme von mehr als 2 zerebralen Lappen statt. Ein eigentlicher Tumorkern mit zentralen Nekrosen ist nicht zu identifizieren; es kann aber zu umschriebenen kleinen Einblutungen kommen. Die Tumorausdehnung erfolgt primär in der weißen Hirnsubstanz; aber auch die Kernregionen und der Kortex können betroffen sein. ▶ MRT-Befund. Der typische Befund der Gliomatosis cerebri besteht in einer diffusen, multilokulären T2w Signalanhebung des Gehirns (▶ Abb. 3.13). Die Läsionen gehen mit einer moderaten Volumenzunahme einher und zeigen meist kein Enhancement. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann es zu punktuellen, schlecht abgrenzbaren Kontrastmittelaufnahmen kommen. Im nativen T1w Bild ist nur selten eine Signalveränderung nachzuweisen. ▶ Differenzialdiagnose. Die wesentliche Differenzialdiagnose zur Gliomatosis cerebri ist eine Enzephalitis (Slow Virus Encephalitis). Im Gegensatz zur Leukodystrophie oder zu mikroangiopathischen Marklagerschädigungen zeigt die Gliomatosis cerebri eine Volumenzunahme. Abb. 3.13 Gliomatosis cerebri. Diffuse, aber ungleichmäßige Signalanhebungen im Marklager beider Großhirnhemisphären mit Betonung des geschwollenen Balkenspleniums. Eine Hirnschrankenstörung mit entsprechender Kontrastmittelaufnahme besteht nicht (Bilder nicht gezeigt). a T2w Aufnahme axial. b FLAIR-Aufnahme koronar. 120 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 3.2.6 Gliomatosis cerebri Z ● Mit der Spektroskopie kann als Ausdruck eines erhöhten zellulären Umsatzes eine Erhöhung des Cholin-Peaks nachgewiesen werden. 3.3 Nicht astrozytäre Gliome 3.3.1 Oligodendrogliom und anaplastisches Oligodendrogliom Oligodendrogliome sind insgesamt seltene gliale Tumoren des Gehirns. Reine Oligodendrogliome sind sogar noch seltener; gehäuft werden eher gemischte Oligoastrozytome oder sog. gemischte Gliome beobachtet. Oligodendrogliome nehmen ihren Ursprung von den Oligodendrozyten, also einem speziellen Typ der glialen Zellen. ▶ Epidemiologie. Oligodendrogliome sind selten und machen nur etwa 10 % der primären intrakraniellen Neoplasien aus. Sie treten gleich häufig bei Frauen wie bei Männern auf und sind selten in der Kindheit, aber häufiger im Erwachsenenalter, sodass ihr Häufigkeitsgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr liegt. Sie haben ihre bevorzugte Lokalisation in den Frontallappen. ▶ Klinik/Therapie. Aufgrund der frontalen Lokalisation wundert es nicht, dass die Tumoren häufig mit einer Epilepsie manifest werden. Je nach WHO-Klassifikationsstufe und Tumorgröße werden die Tumoren operiert. Im Vergleich zu anderen Gliomen sind Oligodendrogliome deutlich chemosensitiver, sodass schon bei niedrigeren WHOGraden eine Chemotherapie indiziert ist. ▶ Pathologie. Die Oligodendrogliome werden üblicherweise in die Oligodendrogliome und die anaplastischen Oligodendrogliome eingeteilt; dies entspricht gemäß WHO-Klassifikation einem Grad II bzw. III. Oligodendrogliome sind typischerweise relativ gut umschriebene Marklagertumoren, die in den Kortex und die Leptomeningen infiltrieren können. Nur selten ist eine relativ schlecht abgrenzbare, diffus infiltrierende Läsion zu sehen. Ausgesprochen häufig sind fokale und zystische Degenerationen, die typischerweise kalzifizieren. Einblutungen oder Nekrosen sind weniger häufig. Mikroskopisch bestehen die Oligodendrogliome aus relativ uniformen Zellen, die leicht in die graue Hirnsubstanz infiltrieren, aber eine relativ scharfe Grenze zur weißen Hirnsubstanz aufweisen. Die Kalzifikationen finden sich üblicherweise an den Rändern der Neoplasie oder in den Bereichen, die eine Infiltration in die graue Hirnsubstanz zeigen. Typischerweise findet sich in der Tumormatrix eine feine Angioarchitektur mit verzweigten Kapillaren. Bei anaplas- tischen oder malignen Oligodendrogliomen zeigt sich ein höherer Zellpleomorphismus. ▶ MRT-Befund. Das MRT demonstriert den meist im Frontallappen gelegenen Tumor. Er stellt sich in T1w und T2w Aufnahmen mit einer gemischten, inhomogenen Signalgebung dar. Typisch sind punktuelle Signalauslöschungen im T2w Bild (oder auch im T2*w Bild und in der SWI), die den Kalzifikationen im CT entsprechen. Das Kontrastmittel-Enhancement ist typischerweise fleckförmig und nur moderat und kann helfen, kleinere zystische Areale abzugrenzen (▶ Abb. 3.14). Korrespondierend zu den pathologischen Befunden findet sich zumindest bei den niedrigergradigen Tumoren eine relativ scharfe Abgrenzbarkeit zum nicht befallenen Marklager. Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich gelegentlich Tumorabsiedlungen über die Liquorzirkulation, wobei insbesondere Zweittumoren um den Recessus lateralis des IV. Ventrikels beobachtet werden. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tipps + Tricks 3.3 Nicht astrozytäre Gliome ▶ Differenzialdiagnose. Die wesentliche Differenzialdiagnose besteht in der Abgrenzung zu den astrozytären Tumoren. Oligodendrogliome zeigen dabei deutlich weniger perifokale ödematöse Veränderungen. Die differenzialdiagnostisch wichtigen Kalzifikationen lassen sich, wie oben erwähnt, in T2w, T2*w oder SWI-Aufnahmen erahnen, aber häufig einfacher mit der CT beweisen (s. ▶ Abb. 3.14d). Gemischte Gliome sind kaum vom reinen Oligodendrogliom abzugrenzen. 3.3.2 Oligoastrozytärer Tumor Nach der Definition sind gemischte Gliome zusammengesetzt aus neoplastischen Zellen, die verschiedene Formen der glialen Entdifferenzierung aufweisen. Überwiegend bestehen sie aus oligodendroglialer Matrix, kombiniert mit transformierten Astrozyten. Ependymale Elemente sind eher selten. Bildmorphologisch, aber auch pathologisch ist die Unterscheidung zwischen den gemischten Gliomen (Oligoastrozytomen) und einem reinen Oligodendrogliom gar nicht bzw. nur sehr schwer möglich (▶ Abb. 3.15). 3.3.3 Ependymom Nach der WHO-Klassifikation können aus der Dedifferenzierung ependymaler Zellen intrakraniell 3 Tumorentitäten unterschieden werden: ● Ependymom ● Subependymom ● anaplastisches Ependymom Die seltenen myxopapillären Ependymome werden nahezu ausschließlich spinal beobachtet. 121