Gesundheitsgespräch - Bayerischer Rundfunk

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Gesundheitsgespräch
Schwindelerkrankungen – Schwindel sinnvoll
behandeln
Sendedatum: 22.04.2017
Experte:
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Michael Strupp, Neurologische Klinik und Deutsches
Schwindel- und Gleichgewichtszentrum am Klinikum der Ludwig-MaximiliansUniversität München, Campus Großhadern
Autor: Uli Hesse
Manchmal fühlt es sich an wie ein Weltuntergang: Plötzlich dreht sich alles, der
Boden fängt an zu schwanken, kalter Schweiß bricht aus, die Beine geben nach
- eine typische Schwindelattacke. Schätzungsweise jeder zehnte Deutsche
leidet mehr oder weniger häufig daran.
Schwindelattacken sind keine eigene Krankheit, sondern ein Hinweis auf eine
Störung des Gleichgewichtssinns. Es gibt ganz verschiedene Ursachen dafür.
Ein Gleichgewichtsorgan kann ausgefallen oder beeinträchtigt sein.
Möglicherweise steckt auch eine spezielle Migräneform dahinter.
Durchblutungsstörungen des Hirnstamms oder Kleinhirns können zur
Schwindel führen und es gibt psychische Gründe für Schwindel.
Viele Patienten haben daher schon eine jahrelange Odyssee zu verschiedenen
Ärzten hinter sich und jede Hoffnung auf Besserung verloren.
"Doch die meisten Schwindelformen lassen sich gut behandeln. In 95 Prozent
aller Fälle können wir die richtige Diagnose stellen und in 90 Prozent den
Patienten helfen." Prof. Michael Strupp
Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. med. Michael Strupp von der
Neurologische Klinik und Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum
am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Campus
Großhadern zugrunde.
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Diagnose – Erkennen einer Schwindelerkrankung
Schwindel entsteht zum Beispiel, wenn das Gleichgewichtsorgan im Innenohr
nur noch Chaos meldet und das Gehirn diese Sinneseindrücke nicht mehr
einordnen kann.
"Ähnliches kann man auf einem Schiff bei stürmischer See oder bei einer Fahrt
mit der Achterbahn erleben. Selbst beim Walzertanzen kann das passieren.
Manchen Menschen wird auch schwindelig und übel, wenn sie im Auto lesen."
Prof. Michael Strupp
Wie Schwindel entsteht
Die Informationen, die das Gehirn von den Gleichgewichtsorganen, Augen und
den Haut- und Muskelfühlern bekommt, stimmen nicht überein - und man kann
sich deshalb nicht mehr richtig räumlich orientieren.
So funktioniert der Gleichgewichtssinn:
Das Gleichgewichtsorgan liegt im Innenohr. Es besteht aus drei Bogengängen,
die jeweils im rechten Winkel zueinander angeordnet sind - wie die drei Ebenen
des Raums - und den „Steinchenorganen“. In den Bogengängen befinden sich
Sinneszellen, die mit winzigen Härchen besetzt und von einer Flüssigkeit
umgeben sind.
Bewegt man sich, bewegt sich diese Flüssigkeit in die entgegengesetzte
Richtung und erzeugt Signale in den Sinneszellen. Über den
Gleichgewichtsnerv werden diese Signale ständig ans Gehirn gemeldet.
Auf den Härchen der Sinneszellen der Steinchenorgane liegen kleine Kristalle,
die sich bei Kopfbewegungen nach vorne, hinten, rechts oder links hin- und her
bewegen und die Sinneszellen dadurch reizen.
Im Gehirn werden die Informationen der Gleichgewichtorgane und die
Sinneseindrücke der Augen und der Haut- und Muskelfühler koordiniert.
Dadurch kann man sich sicher - und schwindelfrei - im Raum orientieren und
bewegen.
Angst vor der nächsten Schwindelattacke
"Die erste Schwindelattacke ist für manche Patienten wie ein Weltuntergang:
Alles dreht sich, sie können nicht mehr gehen, stürzen möglicherweise oder
kriechen morgens auf allen Vieren ins Bad. Schwindel kann das Leben sehr
beeinträchtigen, und viele Patienten entwickeln richtige Angst vor der nächsten
Attacke. Diese Angst kann zum Beispiel dazu führen, dass sie es vermeiden,
allein in die Stadt zu gehen oder dass sie sich sozial vollständig zurückziehen
und sich nur noch in den eigenen Wänden bewegen. Zuerst muss man die
meist körperliche Ursache für den Schwindel herausfinden und den Patienten
dann nach und nach zurück ins normale Leben führen." Prof. Strupp
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Die richtigen Fragen
Prof. Strupp fragt die Patienten zum einen nach dem Beginn und der Dauer der
Beschwerden und ob es sich um Schwindelattacken handelt und wie lange
diese dauern.
"Außerdem interessieren mich die Art der Beschwerden, d.h. Dreh- oder
Schwankschwindel, und mögliche Auslöser, wie eine Lageänderung. " Prof.
Strupp
Weitere Symptome
Hat ein Patient beispielsweise zusätzlich Doppelbilder, Schluck-, Sprech- oder
Koordinationsstörungen, Lähmungen im Gesicht, Lähmungen an Armen oder
Beinen, dann ist das ein Hinweis darauf, dass der Schwindel vom sogenannten
Hirnstamm oder Kleinhirn kommt. Hörstörungen oder Ohrgeräusche mit den
Schwindelattacken sprechen für die Menièresche Erkrankung. Tritt ein
Schwindel dagegen nur bei einer Änderung der Kopfposition auf, dann könnte
es sich um einen gutartigen Lagerungsschwindel handeln.
Schwindelambulanz statt Ärzte-Odyssee
Schwindelerkrankungen betreffen viele Fachgebiete, und es gibt leider nur
wenige Ärzte, die sich mit allen wirklich gut auskennen. Deshalb empfiehlt Prof.
Strupp, zunächst zum Hausarzt zu gehen und dann zusätzlich einen Fachmann
oder eine Schwindelambulanz hinzuzuziehen. Der Grund: Manche Ärzte
schicken immer noch ihre Schwindelpatienten zum Orthopäden, weil sie die
Ursache in der Halswirbelsäule vermuten. Diese Form von Schwindel existiere
seines Erachtens allerdings gar nicht, so Prof. Strupp. Manche Patienten
werden auch zuerst zum Psychiater geschickt, weil fälschlicherweise primär
psychische Ursachen angenommen wurden.
Dem Schwindel auf der Spur:
Es gibt einfache Untersuchungen und Geräte, die helfen, die Schwindelform
genauer einzuordnen:
•
Mit Hilfe einer speziellen Brille untersucht man, ob krankhafte
Augenbewegungen bestehen.
•
Mit den Lagerungsmanövern kann man einen gutartigen
Lagerungsschwindel einfach diagnostizieren.
•
Bei einer anderen Untersuchung muss der Patient einen Stab senkrecht
einstellen: die sogenannte subjektive Vertikale. Schädigungen des
Gleichgewichtssinns führen zu einer Verkippung dieser Vertikalen.
•
Mit der sogenannten Videookulographie lassen sich Augenbewegungen
aufzeichnen und gleichzeitig die Funktion der Gleichgewichtsorgane im
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Innenohr testen. Dazu wird der Kopf des Patienten schnell nach links
und rechts gedreht und gleichzeitig die Kopf- und Augengeschwindigkeit
gemessen und es werden die Ohren mit kühlem und warmem Wasser
gespült und die Augenbewegungen gemessen.
Schwindelformen – Ursachen und Risikofaktoren
Am häufigsten ist der gutartige Lagerungsschwindel; etwa jeder zehnte Mensch
leidet in seinem Leben daran.
"Fast genauso viele Patienten suchen uns entweder wegen des psychisch
bedingten Schwindels auf oder wegen Beschwerden, die ihre Ursache im
Hirnstamm oder Kleinhirn haben." Prof. Strupp
An einer Schwindelmigräne oder der Menièreschen Erkrankung leiden jeweils
ein Zehntel der Patienten. Nur bei etwa fünf Prozent der Patienten sind die
Fachleute unsicher, welche Ursachen die Schwindelattacken haben.
Der gutartige Lagerungsschwindel
Dieser Schwindel entsteht durch eine Störung im Gleichgewichtsorgan: Bei den
betroffen Patienten liegen die kleinen Kristalle nicht mehr an ihrer
vorbestimmten Stelle, sondern haben sich gelöst. Bei bestimmten Kopf- und
Körperbewegungen kullern sie in den Bogengängen hin und her und lösen
dadurch Drehschwindelattacken aus, häufig auch Übelkeit und Erbrechen. Das
ist zum Beispiel dann der Fall, wenn man sich im Bett umdreht und seine
Kopflage verändert. Wenn man wieder stillhält, bleiben sie liegen und die
Schwindelattacke klingt ab.
Die Menièresche Erkrankung - Schwindel plus Hörstörungen
Diese Schwindelform - erstmalig vor 155 Jahren beschrieben - hat ebenfalls
ihren Ursprung im Gleichgewichtsorgan. Charakteristisch dafür ist, dass die
Patienten plötzlich einen starken Drehschwindel spüren und gleichzeitig
Ohrengeräusche, eine Hörminderung oder Druckgefühl auf einem Ohr. Diese
Erscheinungen können minutenlang bis zu einem Tag anhalten und immer
wieder auftreten.
Man vermutet, dass die Schwindelattacken mit der Flüssigkeit
zusammenhängen, die um die empfindlichen Sinneszellen des
Gleichgewichtsorgans und des Innenohrs fließt. Bei der Menièreschen
Erkrankung wird entweder zu viel Flüssigkeit gebildet oder zu wenig Flüssigkeit
aufgenommen. Dadurch entsteht ein erhöhter Druck im Innenohr auf die feinen,
membranartigen Schläuche. Wenn der Druck so groß wird, dass die Schläuche
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einreißen und Flüssigkeit austritt, entsteht die Schwindelattacke.
Psychisch bedingter Schwindel - ein Teufelskreis
Der psychisch bedingte, sogenannte funktionelle Schwankschwindel kommt bei
etwas zwanghaften und zu vermehrter Kontrolle neigenden Menschen vor.
Häufig hat der Patient am Anfang der Erkrankung eine Schwindelattacke als
sehr verunsichernd erlebt. Daraufhin bekommt er Angst verständlicherweise
Angst vor der nächsten Schwindelattacke und beobachtet sich vermehrt selbst.
"Typischerweise verstärken sich die Beschwerden in Menschenansammlungen
oder wenn die Patienten über weite Plätze gehen und deshalb fangen sie an,
diese Situationen zu vermeiden - ein Teufelskreis also. Oft sind davon sehr
perfektionistische Menschen betroffen, die vieles unter Kontrolle behalten
möchten und dieses Kontrollgefühl auf ihre Balance übertragen." Prof. Strupp
Alter als Risiko
Schwindel nimmt mit zunehmendem Alter zu. Der Grund: Um gerade zu stehen
und sicher zu gehen, benötigt das Gehirn Informationen von verschiedenen
Sinnesorganen: den Gleichgewichtsorganen, Haut- und Muskelfühlern und den
Augen. Es kann zu einer vorzeitigen Alterung der Gleichgewichtsorgane bis zu
deren beidseitigen Ausfall kommen. Ältere Menschen leiden zusätzlich häufiger
an Erkrankungen der peripheren Nerven, sodass die Patienten weniger
Informationen zum Beispiel aus den Bein- oder Fußmuskeln bekommen und
sich dadurch schon unsicherer fühlen. Schließlich gibt es Augenerkrankungen
wie die Makuladegeneration die vor allem im Alter auftreten und die dazu
führen, dass man schlechter sieht.
"Manchmal ist bei älteren Menschen der Blutdruck zu niedrig eingestellt. Das
kann zu Blutdruckschwankungen im Bereich des Gehirns führen, und diese
Störungen zeigen sich dann in Form eines Schwankschwindels beim raschen
Aufstehen." Prof. Strupp
Können auch Kinder an Schwindel leiden?
Schwindel ist bei Kindern gar nicht so selten. Die häufigste Ursache ist eine
Form der kindlichen Migräne. Doch manchmal haben die Kinder dabei keine
Kopfschmerzen. Stattdessen leiden sie zwei- bis dreimal die Woche an einem
über Stunden andauernden Schwank- oder Drehschwindel mit oder ohne
Übelkeit, und irgendwann kommt dann noch der Kopfschmerz dazu, so Prof.
Strupp.
Wenn Kinder an Schwindel leiden
Kinder können außerdem an einem gutartigen Lagerungsschwindel leiden, z.B.
nach einem Unfall: Am nächsten Morgen dreht sich das Kind im Bett um und
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hat dann einen heftigen Drehschwindel. Es bleibt ruhig liegen, der Schwindel
klingt ab, es dreht sich noch mal um, hat wieder einen heftigen Drehschwindel.
Wenn ein Kind solche Schwindelattacken beschreibt, sollte man an diese
Schwindelart denken.
Behandlung – Training oder Tabletten?
Der gutartige Lagerungsschwindel zum Beispiel, die häufigste Schwindelart, ist
harmlos. Um die Kristalle aus dem betroffenen Bogengang hinaus und an ihren
richtigen Platz zu befördern, führt man ein sogenanntes Befreiungsmanöver
durch - das erste Mal unter ärztlicher Anleitung, rät Prof. Strupp. Danach kann
jeder Patient selbst mit diesen einfachen Übungen weitermachen. Nach
einigen Tagen ist der Schwindel dann meist schon überstanden.
Medikamente sind nicht immer sinnvoll
Bei den meisten Medikamenten, die heute immer noch zur Behandlung von
Schwindel eingesetzt werden, ist deren Wirksamkeit zur Behandlung von
Schwindel überhaupt nicht sicher nachgewiesen - möglicherweise haben einige
einfach einen Placebo-Effekt. In der Schwindelambulanz setzt Prof. Strupp
daher Medikamente vor allem bei zwei Schwindelformen ein: bei
Schwindelmigräne und der Menièreschen Erkrankung.
Die Therapie der Schwindel-Migräne entspricht der einer normalen Migräne:
Bei mehr als zwei Attacken pro Monat und bei schweren Attacken gibt er einen
Beta-Blocker.
Medikamente gegen die Menièresche Erkrankung
Diese Schwindelform wird ebenfalls medikamentös behandelt: mit dem
sogenannten Betahistin. Es verbessert die Durchblutung im Innenohr, reduziert
so wahrscheinlich die Produktion der Flüssigkeit im Innenohr und verbessert
deren Aufnahme. Dadurch lassen sich weitere Attacken vermeiden. Wichtig ist,
das Medikament in ausreichender Menge, regelmäßig und langdauernd
einzunehmen, denn es hilft nicht während einer Attacke, sondern beugt einer
Attacke vor. Außerdem muss man es ausreichend hoch dosieren - Prof. Strupp
empfiehlt nach seiner eigenen Erfahrung mindestens dreimal 96 Milligramm pro
Tag für mindestens zwölf Monate. Dank dieses Medikaments sind nur noch
selten Injektionen ins Mittelohr mit bestimmten Antibiotika notwendig.
Training zur Prima Ballerina - ein Fallbeispiel:
"Eine junge Patientin stellte sich wegen bewegungsabhängigem
Schwankschwindel und Gangunsicherheit in unserer Ambulanz nach einer
Odyssee von Arztbesuchen vor. Letztlich stellte sich heraus, dass beide
Gleichgewichtsorgane ausgefallen waren. Sie konnte beim Gehen nur unscharf
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sehen, hatte große Probleme, sich im Dunkeln zu bewegen und berichtete,
dass sie bei Kopf- und Körperdrehungen vermehrt schwanke. Dazu muss man
wissen: Es gibt eine enge Verbindung zwischen dem Gleichgewichtssystem
und dem Augenbewegungssystem. Diese ist notwendig, damit wir auch beim
Gehen und bei Kopfbewegungen Gegenstände fixieren und scharf sehen
können. Der erste Teil der Behandlung bestand deshalb aus Informationen, wie
unser Gleichgewichtsorgan funktioniert und woher die Beschwerden kommen:
Dies muss der Patient wissen, das entlastet. Der zweite Teil war ein
Gleichgewichtstraining und eine Gangschulung, sodass die Patientin für ihre
Balance zusätzlich Informationen aus Gelenken und Muskeln nutzen lernte, um
im Alltag besser zurechtzukommen. Schwindelpatienten müssen sich zur Prima
Ballerina oder zum Seiltänzer trainieren, um ihre Defizite auszugleichen." Prof.
Strupp
Eigeninitiative
Manche Schwindelformen müssen die Patienten selbst behandeln, so Prof.
Strupp: Beim gutartigen Lagerungsschwindel führen sie Befreiungsmanöver
durch, beim psychisch bedingten Schwindel sollten sie sich selbst den
Schwindel auslösenden Situationen aussetzen. Ist das Gleichgewichtsorgan
betroffen, sind Balanceübungen sinnvoll: Zum Beispiel auf einem Bein stehen,
barfuß eine Linie entlang gehen, bestimmte Drehungen mit dem Kopf schaffen.
"Es gehört also sehr viel Eigeninitiative zur Diagnose und Behandlung dazu!"
Prof. Strupp
Gleichgewichtsstörungen – Die Schwierigkeit, Balance
zu halten
Experte:
Prof. Dr. Thomas Brandt, Neurowissenschaftler am Deutschen Zentrum für
Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen im Klinikum Großhadern der LudwigMaximilians-Universität München
Autorin: Kathrin Hasselbeck
Der Gleichgewichtssinn gehört zu den ältesten Sinnen überhaupt, schon bei
urzeitlichen Würmern, bei Fossilien oder Meeresbewohnern ist er zu finden.
Und er hat sich seitdem nicht einmal sehr verändert: Die Bogengänge, drei
miteinander verwachsene und mit Flüssigkeit gefüllte Ringe, haben schon
Dinosaurier in Balance gehalten. Durch das Gleichgewichtsorgan können wir
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uns orientieren, wir können Beschleunigung und Drehbewegungen
wahrnehmen und so verarbeiten, dass uns nicht ständig schwindlig wird.
Sitz: Im Innenohr
Das Gleichgewichtsorgan sitzt im Innenohr. Im sogenannten Felsenbein liegt
das Labyrinth. Darin findet man zum einen die Hörschnecke – sie dient dem
Hörsinn. Außerdem, und daraus setzt sich der Gleichgewichtssinn zusammen,
sind dort die drei Bogengänge, sowie die Otolithen, kleinste Körnchen aus Kalk,
die sich auf Sinneshaaren frei und schwerkraftgesteuert bewegen. Beide
Bestandteile liefern ihren Beitrag zur Orientierung im dreidimensionalen Raum.
Gekoppelt an das Ohr
Das Gleichgewichtsorgan sitzt im Innenohr, obwohl es nichts mit dem
Gehörsinn zu tun hat. Im Gegenteil – eher noch arbeitet es mit den Augen
zusammen.
Ruhige Lage
Wichtig für den Gleichgewichtssinn ist eine stabile, unbewegte Umgebung. Das
könnten die sich ständig in Bewegung befindlichen Augen nicht bieten. Eher
schon das Innere der Ohren – ein knöchernes Labyrinth. Dass das
Gleichgewicht im Ohr reguliert wird, liegt vermutlich daran, dass die Otolithen
früher einmal auch eine Funktion beim Hören erfüllten. Inzwischen aber sind
Gehör- und Gleichgewichtssinn zwei getrennte Bereiche.
Kleine Anatomiekunde
Der äußere Gehörgang führt von beiden Ohrmuscheln jeweils in den Kopf
hinein auf das Trommelfell zu. Dahinter liegen die drei Gehörknöchelchen
Hammer, Amboss und Steigbügel und schließlich die Schnecke, mit der man
hört. Über dieser Schnecke befinden sich die Otolithen und die Bogengänge –
das Gleichgewichtssystem.
Die Bogengänge – Alles dreht sich?
Die drei Bogengänge sehen aus wie drei Schleifen aus kleinen, mit Flüssigkeit
gefüllten Röhrchen.
•
Eine der Schleifen ist horizontal ausgerichtet – sie ist für horizontale
Bewegungen zuständig, beispielsweise Kopfschütteln für „nein“.
• Die anderen beiden Schleifen sind vertikal, leicht schräg angeordnet. Sie
werden aktiviert, wenn man den Kopf rollt, also seitwärts nickt oder „ja“
nickt.
In den Bogengängen befinden sich kleine Sinneshaare und eine Flüssigkeit. Je
nachdem, wie sich die Flüssigkeit bewegt, leiten die Sinneshaare Informationen
weiter – und lösen gegebenenfalls Schwindel aus.
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Warum nicht jede Drehung schwindlig macht?
Das liegt an der Trägheit der Flüssigkeit. Wird ein Glas mit Wasser gedreht,
dreht sich das Wasser selbst nicht mit – oder nur sehr viel langsamer. Und so
läuft es auch in den Bogengängen.
Otolithen – Tanz auf dem Besen
Otolithen sind kleinste Kalkkristalle, die auf Sinneshaaren liegen. Deshalb hängt
ihre Bewegung von der Schwerkraft ab – sie schieben dorthin, wohin sich der
Kopf kippt.
"Otoliten sind wie Mörtelbröckchen auf Besenhaaren. Wenn sich der Besen
neigt, dann schiebt der Mörtel zur Seite und drückt an dieser Stelle die
Besenhaare nach unten. Im Kopf sind diese Besenhaare Sinneszellen – und
die signalisieren dann: Der Kopf wird geneigt, nach hinten, vorne oder schräg."
Prof. Dr. Thomas Brandt
Wozu braucht man den Gleichgewichtssinn?
Der Gleichgewichtssinn dient dazu, dass man die Umwelt stabil wahrnehmen
kann – dass nicht immer alles wackelt, wenn man in Bewegung ist. Würde man
nur liegen oder sitzen, käme man auch ohne das Organ aus. Sind aber beide
Gleichgewichtssysteme im Kopf, also das linke und das rechte, beschädigt,
dann kann der Blick nicht mehr stabil gehalten werden, die Umwelt wackelt.
Experiment
Halten Sie sich ein Auge mit einer Hand zu. Legen Sie den Zeigefinger der
anderen Hand unter das noch sehende Auge und ruckeln Sie daran. Dann
wackelt das ganze Sichtfeld. So nimmt jemand mit beidseitig ausgefallenem
Gleichgewichtssinn die Umwelt wahr, wenn er zum Beispiel im Auto über eine
unruhige Straße fährt.
"Wenn nur ein Labyrinth im Kopf anlagebedingt oder beispielsweise als Folge
einer Hirnhautentzündung ausfällt, kann ich immer noch gut das Gleichgewicht
halten. Nur bei sehr raschen Kopfbewegungen würde ein kurzer Schwindel
auftreten." Prof. Dr. Thomas Brandt.
Zusammenspiel im Körper - Probleme beim Gehen
Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr ist über Nervenbahnen mit dem
restlichen Körper verbunden. Dadurch informiert es beispielsweise die Augen
oder das Rückenmark über alle möglichen Körperbewegungen und stabilisiert
so das Gleichgewicht.
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Gleichgewichtssinn und Sehsinn sind miteinander verbunden. Nur so gelingt es,
dass die Wahrnehmung mit den Augen auch dann, wenn der Körper in
Bewegung ist, stabil bleiben kann. Dies nennt man den vestibulo-okulären
Reflex.
"Stellen Sie sich vor, Sie gehen mit einer Kamera durchs Gelände. Der Film,
der dabei entsteht, wird ziemlich verwackelt sein – bei jedem Schritt, bei jeder
Unebenheit im Boden. Wenn sich aber der Körper so bewegt, beispielsweise
beim Joggen, können Sie mit Ihren Augen dennoch Schilder lesen, Gesichter
erkennen – der Blick bleibt stabil. Das ist der vestibulo-okuläre Reflex." Prof. Dr.
Thomas Brandt
Experiment
Strecken Sie den Arm aus, der Daumen zeigt nach oben. Nun bewegen Sie
den Arm hin und her. Der Daumen wird verschwimmen, weil die Augen nicht
folgen können. Jetzt halten Sie den Daumen still und bewegen stattdessen den
Kopf hin und her. Sie sehen: Durch den vestibulo-okulären Reflex kann die
Kopfbewegung ausgeglichen werden, das Bild (in diesem Fall der Daumen)
bleibt scharf.
Verbindung mit dem Rückenmark
Vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr aus laufen Nervenverbindungen ins
Gehirn und ins Rückenmark. Diese sind zum Beispiel dann aktiv, wenn ein
Baby Laufen lernt. Der Gleichgewichtssinn gibt Informationen über
Schwankungen und Drehungen weiter, sodass dann beispielsweise die
Beinmuskulatur aktiviert wird und den Körper im Gleichgewicht hält. Dieses
Lernen der Informationen aus dem Gleichgewichtssinn ist nie beendet. Das
Gleichgewichtssystem trainiert das Nervensystem jeden Tag. Für neue,
ungewohnte Bewegungen braucht es allerdings einen mühsamen Lernprozess.
Durch ständige Wiederholung bilden sich neue Synapsen, der Körper lernt und
trainiert.
"Jeder kann Seiltanz lernen, aber nicht auf dem Bürgersteig – der muss auf’s
Seil gehen." Prof. Dr. Thomas Brandt
Tipp: Der Gehstock hilft nur bedingt
Wer zum Gehen eine Hilfe (einen Stock oder einen Rollator) benötigt, der kann
sich damit zwar aufrecht halten und fortbewegen. Das Gehen trainieren
funktioniert so aber nicht. Im Gegenteil: Die Gleichgewichtsfähigkeiten gehen
verloren. Nur wenn der Gleichgewichtssinn arbeiten muss und das Nerven-und
Muskelsystem des Körpers ständig mit Informationen versorgt, es dadurch
trainiert, stellt sich auf Dauer eine Verbesserung ein.
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"In der Rehabilitation nach einer Gleichgewichtsstörung muss der Körper
Gefahren des Ungleichgewichts ausgesetzt werden. Nur so kann er lernen."
Prof. Dr. Thomas Brandt
Sinnessysteme bei Tänzern
Bei Balletttänzern hat man festgestellt, dass die Hirnareale, die Signale vom
Gleichgewichtssinn erhalten, verkleinert sind. Sie unterdrücken den
Gleichgewichtssinn. Schließlich können es die Tänzer nicht gebrauchen, dass
ihnen nach schnellen Drehungen schwindlig ist. Stattdessen arbeiten sie zur
Stabilisierung mehr mit dem visuellen System – entsprechend sind diese
Hirnareale bei ihnen vergrößert.
Erkrankungen - Störungen eines empfindlichen Systems
Wenn das empfindliche System der Sinneszellen durcheinander gerät, reagiert
der Körper mit Schwindel oder Übelkeit. Leichte Übelkeit bekommen viele dann,
wenn sie im Auto lesen oder Filme anschauen. Das liegt daran, dass die beiden
Sinnessysteme - Auge und Gleichgewicht - verschiedene Signale senden.
Während der Sehnerv eine ruhige Fläche registriert (Buch, Bildschirm), meldet
das Gleichgewichtsorgan: Bremsen, Anfahren, Kurve!
Die Lösung: Einfach die Augen so ausrichten, dass sie die Bewegung, die vom
Gleichgewichtssinn gemeldet wird, auch wahrnehmen.
"Wer verhindern möchte, dass es ihm auf dem Karussell schlecht wird, der
sollte seinen Kopf gerade halten. Dann melden Sehnerv und
Gleichgewichtssinn dieselbe Information." Prof. Dr. Thomas Brandt
Häufigste Störung: Der Lageschwindel
Manchmal bricht ein kleines Stück der Otolithen, der Steinchen auf den
Sinneszellen unterhalb der Bogengänge ab und gerät in das Röhrchen eines
Bogengangs. Auslöser können beispielsweise Schädelverletzungen durch
einen Unfall sein oder auch spontane Degenerationen im Alter. Die
Sinneszellen in den Bogengängen werden dadurch verwirrt. Sie registrieren
normalerweise die Flüssigkeit in den Röhrchen – nun aber melden sie die
Position des Steinchens. Dadurch lösen sie den sogenannten attackenartigen
Lageschwindel aus: Die ganze Welt dreht sich um einen, die Augen spielen
verrückt, zittern.
"Beim Drehen im Bett, beim Bücken, bei anderen Kopfbewegungen – immer
fällt das Steinchen im Bogengang an die tiefste Stelle, weil es schwerer ist als
die Flüssigkeit. Das übt auf die Sinneshaare einen regelrechten Sog aus.
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Dadurch wird eine heftige Drehbewegung vorgetäuscht und dem Patienten ist
schwindlig." Prof. Dr. Thomas Brandt
Behandlung bei Lageschwindel
Durch Lagerung des Patienten kann der Arzt herausfinden, auf welcher Seite
sich ein Steinchen im Bogengang verirrt hat. Durch ein Kopflagerungs-Manöver
kann der Stein wieder herausgespült werden.
"Es ist eine rein mechanische Behandlung ohne Medikamente. Wie bei dem
Spiel mit einer Kugel, die man durch Kipp- und Drehbewegungen des Spielfelds
in ein Loch bugsieren muss, kann der Arzt durch geschickte Lagerung des
Patienten das Steinchen aus dem Bogengang befreien." Prof. Dr. Thomas
Brandt
Ausfall durch Virusentzündung
Vor allem der Gleichgewichtsnerv kann von einer Virusentzündung befallen
werden. Dadurch fällt das betroffene Labyrinth für mehrere Tage oder Wochen
aus. Die Folge davon: Ein Ungleichgewicht entsteht, es kommt zu heftigem
Augenzittern, zu Drehschwindel und zur Fallneigung in Richtung des
betroffenen Ohrs.
Behandlung der Virusentzündung
Wenn die Entzündung des Gleichgewichtsnervs rechtzeitig mit Cortison
behandelt wird, kann sie zurückgetrieben werden und innerhalb von ein bis drei
Wochen wieder abklingen. Möglicherweise bleibt das Labyrinth aber
ausgefallen oder teilgeschädigt. Das ist dann nicht schlimm, wenn das andere
Labyrinth noch gesund ist und funktioniert.
Überdruck im Innenohr: die Menière-Erkrankung
Heftige Drehschwindel-Attacken, Ohrgeräusche, wechselnde Hörminderung –
das sind Symptome der sogenannten Menièrschen Krankheit. Dazu kommt es,
wenn sich im Innenohr zu viel Flüssigkeit befindet; entweder weil sich zu viel
gebildet hat – oder weil sie nicht abgeführt, bzw. vom Gewebe aufgenommen
wird. Ist dieser Kreislauf gestört, kann es im Ohr zu einem Überdruck kommen,
dann reißt die Membran im Labyrinth, die Flüssigkeit strömt aus und lähmt den
Gleichgewichtsnerv für Stunden.
Drehschwindel beim Niesen
Das innere Labyrinth des Gleichgewichtssinns liegt im knöchernen Labyrinth im
Innenohr. Bei etwa zwei bis fünf Prozent der Bevölkerung ist die
Knochenummantelung dieses Labyrinths an einer Stelle nahe dem Bogengang
zu dünn. Durch ein sogenanntes Drucktrauma (bei schwerem Heben, starkem
Pressen, im Flugzeug oder durch Niesen) kann die dünne Resthülle zerstört
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werden. Dann überträgt sich in der Folge eben solcher Druck (z.B. beim
Niesen) direkt auf den Bogengang, wodurch ein Drehschwindel vorgetäuscht
wird.
Wenn eine Arterie drückt: Vestibularisparoxysmie
Ähnlich der Trigeminus-Neuralgie, also des schmerzenden Gesichtsnervs, kann
auch der Gleichgewichtsnerv betroffen sein – dann nennt man es
Vestibularisparoxysmie: Eine Arterie gerät in Kontakt mit dem Nerv und durch
das Pulsieren des Blutes wird die Isolierschicht des Nervs beschädigt – bis
irgendwann der Nerv selbst vom Puls berührt wird.
"Das kann häufige, kurze zack-zack-Attacken machen, dass man das Gefühl
hat, jemand schubst einen zur Seite. Dadurch entsteht ein sekundenlanger
heftiger Schwindel mit Standunsicherheit, häufig in Serie. Dies geschieht nur
bei diesem Gefäß-Nerv-Kontakt." Prof. Dr. Thomas Brandt
Behandlung der Vestibularisparoxysmie
Durch das Mittel Carbamazepin (in niederen Dosen) wird die Erregbarkeit der
Nerven herunter geregelt. In seltenen Fällen kann man auch operieren und
etwas zwischen den Nerv und die Arterie legen, sodass sie sich nicht mehr
berühren.
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Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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