1 Physik-Department E 10 Raum 2313 Versuch 10 Version 18.04.2010 Supraleitung 1. Einleitung Die Entdeckung der Supraleitung geht auf Kamerlingh Onnes zurück. Dieser untersuchte 1911 die Leitfähigkeit von Metallen bei tiefen Temperaturen. Bei Quecksilber stellte er dabei bei der sog. kritischen Temperatur Tc ein sprungartiges Verschwinden des elektrischen Widerstandes fest (Fig. 1). Diesen neuen Zustand, den viele Metalle zeigen, bezeichnet man als supraleitende Phase. Ist das äußere Magnetfeld oder der Transportstrom zu groß verschwindet der supraleitende Zustand. . 2. 2.1 Fig. 1: R(T)-Kurve von Hg. Bei der kritischen Temperatur Tc= 4.2 K verschwindet der elektrische Widerstand R. Theorie Das Verhalten des Supraleiters in einem äußeren Magnetfeld Ein Supraleiter werde ohne ein äußeres Magnetfeld unter seine kritische Temperatur gekühlt. Legen wir nun ein äußeres Feld an so werden aufgrund des zunehmenden Magnetfeldes nach dem Faradayschen Induktionsgesetz G ∂B G G − = ∇× E ∂t Wirbelströme angeworfen. Diese wirken nach der Lenzsche Regel dem erzeugenden Feld entgegen und heißen deshalb auch Abschirmströme. Da im Supraleiter für den elektrischen A Widerstand R = 0 ist somit auch der spezifische Widerstand ρ = R Null. Somit folgt aus l dem Ohmschen Gesetz G G G j j =σE ⇒ E = = ρ j = 0 σ und aus dem Faradayschen Induktionsgesetz: G G ρ = 0 ⇒ E = 0 ⇒ ∂B ∂t = 0 2 G Dies bedeutet, dass Bi = const. im Inneren des Supraleiters ist. Die permanent fließenden Abschirmströme schirmen also den Supraleiter gegen das Eindringen des äußeren Feldes ab. 2.2 Meissner-Ochsenfeld-Effekt Dieser Effekt wurde 1933 von W. Meissner und R. Ochsenfeld entdeckt. Im Gegensatz zur oben diskutierten Vorgehensweise wird nun zuerst ein Magnetfeld angelegt und dann die Probe unter Tc abgekühlt. Es stellt sich die Frage, wie sich die Probe am supraleitenden Übergang verhält. Das Magnetfeld im Inneren müsste weiterhin konstant bleiben. Man würde also ein „eingefrorenes“ Feld erwarten. Stattdessen wird das Feld aus der Probe herausgedrängt. Es gilt also wieder Bi = 0. Dies bedeutet, dass die oben erwähnten Wirbelströme spontan zu fließen beginnen. Die Supraleitung erfordert offenbar, unabhängig davon ob mit oder ohne Feld gekühlt worden ist, dass Bi = 0 ist. 2.3 Supraleiter 1. Art Fig. 2 zeigt eine Methode das innere Magnetfeld Bi eines langen Drahts zu messen. Fig. 2: Messmethode zur Bestimmung des Magnetfelds im Inneren eines langen Drahtes. Um einen langen, dünnen supraleitenden Draht wird eine Induktionsspule gewickelt. Nachdem der SL unter seine kritische Temperatur gekühlt worden ist, wird ein äußeres Feld Ba angelegt und erhöht. Ändert sich das innere Feld Bi im SL, so kommt es zu einer Flussänderung innerhalb der Spule und es wird eine Spannung induziert: G ∝ B i ⇒ Bi ∝ U ind dt − U ind = Φ ∫ Das Integral der induzierten Spannung über die Zeit wird als Spannungsstoß bezeichnet und ist proportional zu Bi. Misst man nun mit Hilfe eines Integrators diesen Spannungsstoß als Funktion des äußeren Feldes erhält man für einen SL den in Figur 3 gezeigten Verlauf: Fig. 3: Abhängigkeit des inneren Feldes Bi vom äußeren Feld Ba für einen SL 1. Art Solange das äußere Feld Ba unterhalb einer bestimmten kritischen Feldstärke Bc liegt, ist an der Spule keine induzierte Spannung messbar. Es findet keine Flussänderung in der Spule 3 statt. Dies bedeutet, dass im SL noch immer Bi=0 gilt. Wird der kritische Wert Bc erreicht, so kommt es zu einem Zusammenbruch der Supraleitung. Der Supraleiter geht in seinen normalleitenden Zustand über und die Wirbelströme klingen ab. Dies führt zu einer Flussänderung in der Spule, welche gemessen wird. Wie in Fig. 3 erkennbar findet dieser Vorgang bei Bc abrupt statt. Oberhalb Bc sind dann inneres und äußeres Feld gleich. Solche Supraleiter werden als Supraleiter 1. Art bezeichnet. 2.4 Londonsche Eindringtiefe Das Magnetfeld fällt im supraleitenden Zustand jedoch nicht abrupt an der Probenoberfläche vom Wert Ba auf Null ab, sondern fällt exponentiell innerhalb der sog. Londonschen Eindringtiefe λ auf Ba/e ab. Dies ist in Fig. 4 für einen langen geraden Draht (Durchmesser d) gezeigt. Das externe Feld Ba ist konstant und parallel zur Drahtachse gerichtet. An den Rändern (x=0 bzw. x=d) fällt das Magnetfeld exponentiell ins Drahtinnere gegen Null ab. Die Londonsche Eindringtiefe liegt im Bereich von 10-6 – 10-8 m. Fig. 4: Exponentieller Abfall des Magnetfeldes Bi im Inneren des Supraleiters. Außerhalb ist Ba konstant. Oftmals wird auch das innere Magnetfeld Bi durch die Magnetisierung M ausgedrückt die in vektorieller Schreibweise definiert ist durch: G G G Bi = Ba + μ0 M or G G G -μ0 M = Ba − Bi Figur 5 zeigt die der Fig. 3 entsprechende Auftragung der Magnetisierung als Funktion von Ba für einen idealen bzw. realen Supraleiter 1. Art. Diese Auftragung betont das Verhalten des Supraleiters als idealen Diamagnet mit der Suszeptibilität χ = -1 (Steigung der Gerade). Beim idealen Supraleiter verschwindet die Magnetisierung bei Bc abrupt. (Reale SL, siehe Abschnitt 2.6) Fig. 5: Die Magnetisierung als Funktion des äußeren Feldes Ba. Der Supraleiter 1. Art verhält sich wie ein idealer Diamagnet. a) idealer Supraleiter 1. Art b) realer Supraleiter 1. Art 2.5 Supraleiter 2. Art Supraleiter 2. Art haben ein anderes charakteristisches Verhalten im Magnetfeld. Fig. 8 zeigt den Verlauf des Feldes Bi im Inneren des Supraleiters in Abhängigkeit vom äußeren Feld Ba. Es treten hier zwei kritische Felder auf: das untere kritische Feld Bc1 und das obere kritische 4 Feld Bc2. Solange das äußere Feld kleiner als das kritische Feld Bc1 ist, befinden wir uns wie beim Supraleiter 1. Art in der Meissner Phase. Dies bedeutet, dass das Feld im Inneren gleich Null ist. Wird das kritische Feld Bc1 überschritten, erhält man den gemischten Zustand oder die Shubnikov Phase. Hier kommt es zu einer Koexistenz von normal leitenden und supraleitenden Bereichen. Das Feld dringt oberhalb von Bc1 in sog. Flussfäden in den Supraleiter ein. Einen Flussfaden kann man sich vorstellen als eine normal leitende Linie durch die Probe, um die ein supraleitender Kreisstrom oder ein Stromwirbel fließt. Fig. 8: Abhängigkeit des inneren Feldes Bi eines Supraleiters 2. Art vom äußeren Feld Ba Ein Flussfaden umschließt genau ein Flussquant φ0 für das gilt: φ 0 = h 2e = 2 × 10 −11 Tcm 2 Mit steigendem äußeren Feld Ba dringen immer mehr Flussfäden in den Supraleiter ein. Dadurch steigt der Fluss im Inneren der Probe, also auch das makroskopisch gemittelte Feld Bi, das gegeben ist durch: ( A )φ Bi = N 0 Hierbei ist N die Anzahl der Flussfäden in der Probe und A die Querschnittsfläche der Probe. Wird Bc2 erreicht, also am Schnittpunkt der Kurve mit der Winkelhalbierenden, sind nur noch überlappende normal leitende Flussfäden vorhanden. Die Supraleitung bricht nun völlig zusammen und es gilt wieder Bi = Ba (siehe Fig. 8). Statt dem inneren Feld Bi trägt man auch hier meist die Magnetisierung über dem äußeren Feld Ba auf. Dies ist in Figur 9 gezeigt (vergleiche dazu Fig. 5: Magnetisierung des SL 1.Art). Zunächst steigt die Magnetisierung linear an. Der Supraleiter zeigt das gewohnte diamagnetische Verhalten. Ist Bc1 erreicht fällt die Kurve ab. Das Feld dringt nun in den Supraleiter ein, bis schließlich bei Erreichen von Bc2 die gesamte Probe normal leitend ist. Fig. 9: Magnetisierung in Abhängigkeit vom äußeren Feld für einen Supraleiter 2. Art. 5 Abschließend sei noch die Abhängigkeit des kritischen Magnetfeldes Bc2 von der Temperatur angegeben (Fig. 10). Im Vergleich zum Supraleiter 1. Art hält der Supraleiter 2. Art deutlich höheren Feldstärken stand. Die Temperaturabhängigkeit ist ähnlich wie beim SL 1. Art. Fig. 10: Abhängigkeit des kritischen Magnetfeldes von der Temperatur für verschiedene Supraleiter 2. Art. 2.6 Form-Anisotropie undEntmagnetisierungsfaktor In realen Proben gibt es zwei Komplikationen: Erstens wird das angelegte Feld durch den Körper selbst deformiert. Im Fall einer Kugel herrscht am Äquator ein Feld B>Ba (s. Fig. 6). Fig. 6: Deformation des Feldes durch einen kugelförmigen Supraleiter Diese Feldkorrektur beschreibt man durch einen sog. Entmagnetisierungsfaktor N: 1 Ba − μ0M = 1− N Das Magnetfeld beginnt damit schon bei Ba = (1 − N ) Bc einzudringen (vgl. Fig. 5b). Beim Eindringen verringert sich die Feldverzerrung, so dass erst bei Ba=Bc die Supraleitung vollständig verschwindet. Bei einer Widerstandsmessung an einer sonst homogenen Probe heißt das, dass Ba=Bc bei dem Feld ist, bei dem R vollständig auf den normal leitenden Wert zurückkehrt (Fig. 7). Dies ist bei Aufgabe 2 von Bedeutung. Fig. 7: 2.7 Bc: Bestimmung über den Widerstand der Probe. Wärmekapazität eines Supraleiters Die Wärmekapazität ist definiert als C= dQ dS =T dT dT 6 Für die Differenz von CSL-CNL zwischen Supraleiter (SL) und Normalleiter (NL) gilt: CSL − CNL = T d (S SL−S NL ) dT Dies wollen wir graphisch in Fig. 11 veranschaulichen: Fig. 11: Differenz der Wärmekapazität zwischen SL und NL graphisch abgeleitet. In Bild a ist die Entropiedifferenz von Supraleiter und Normalleiter gegeben. Bild b zeigt qualitativ die Ableitung der Kurve von a. Das Minimum in a ist in b als Nulldurchgang erkennbar. Bei T =0 bzw. T=Tc ist in b die Kurve maximal, da in a an diesen Punkten die maximale Steigung vorliegt. Die Differenz der Wärmekapazität ist durch Multiplikation von b mit der Temperaturgeraden gegeben (Bild c). Da die Temperaturgerade durch den Ursprung geht, folgt aus der Multiplikation, dass bei T=0 ΔC=0 ist. Außerdem ist ΔC für T>Tc Null. Die Wärmekapazität eines Normalleiters setzt sich bei Metallen aus dem elektronischen und dem phononischen (Gitterschwingungen) Anteil zusammen. Für Temperaturen weit unterhalb der Debye-Temperatur gilt: CNL=γ T+A T ³ wobei γT den elektronischen und AT³ den phononischen Anteil repräsentiert. Man bezeichnet γ als den Sommerfeldparameter. Zieht man von CNL den phononischen Anteil ab, da Phononen bei tiefen Temperaturen ausfrieren, erhält man den rein elektronischen Anteil (Fig. 12, punktiert). Fig. 12: Wärmekapazität eines Supraleiters bzw. Normalleiters 7 Nach Fig. 11 ist der Verlauf von ΔC=CNL-CSL bekannt. Mit dem Verlauf der Wärmekapazität des NL kann daraus die Wärmekapazität des SL (Fig. 12) angegeben werden. Von T=0 kommend liegt sie zunächst unterhalb der des NL. Mit zunehmender Temperatur schneidet sie jedoch die Gerade. Wird die kritische Temperatur erreicht, kommt es zu einem Sprung in der Wärmekapazität des SL. Immer wenn ein Sprung in der Wärmekapazität zu verzeichnen ist und keine latente Wärme auftritt, spricht man von einem Phasenübergang 2. Ordnung. Dieser Sprung ist direkt messbar: 2 (CSL − CNL )Tc = Tc ⎛⎜ dBc ⎞⎟ Tc μ0 ⎝ dT ⎠ 2.8 Paaranziehung (Cooper-Paare) und BCS-Theorie Der supraleitende Zustand kann durch sog. Cooper-Paare beschrieben werden die in einen makroskopischen Quantenzustand kondensieren. Die BCS-Theorie (J. Bardeen, L.N. Cooper, J.R. Schrieffer 1957) erklärt die Paarung durch Wechselwirkung der Elektronen mit Gitterschwingungen (Elektron-Phonon-Wechselwirkung). Einen wichtigen experimentellen Hinweis hierfür lieferte der Isotopeneffekt. Dazu wurde die kritische Temperatur in isotopenreinen Proben genau bestimmt. Es zeigte sich, dass Tc mit der Masse M des Isotops variiert. Es gilt: Tc ∝ 1 M Ein weiteres Kriterium ist das Verhalten der spezifischen Wärme. Die BCS-Theorie sagt für den Sprung der spezifischen Wärmekapazität bei Tc voraus: Δ C (T c ) = 1, 43 γTc 2 wobei γTc=CNL(Tc) ist mit γ = π 2 N (0)k b2 . 3 Auch unterhalb von Tc sind noch normal leitende Elektronen vorhanden. Diese bezeichnet man als Quasiteilchen. Mit sinkender Temperatur bilden sich immer mehr Cooper-Paare, bis schließlich bei T=0 keine Quasiteilchen mehr vorhanden sind. Infolge dieser Paarkorrelation kann das Elektronensystem seine Energie absenken. Die Energiedifferenz zwischen normalund supraleitenden Elektronen bezeichnet man dabei als Energielücke. Der Verlauf der Energielücke Δ(T) ist in Fig. 15 gezeigt. Sie verschwindet bei Tc. Die BCS-Theorie sagt voraus: 2 Δ 0 = 3,52 k B Tc Die Energielücke kann direkt an supraleitenden Tunnelkontakten gemessen werden. Das sind zwei sich überlappende Metallkontakte die durch eine Isolatorschicht getrennt sind. Tunnelspektroskopie ist deshalb ein wichtiger experimenteller Test. Diese experimentellen Hinweise zeigen, dass die Bewegung des Gitters eine Rolle spielt. Eine Anziehung zwischen Elektronen im Festkörper durch Vermittlung von Phononen wurde erstmals von Fröhlich vorgeschlagen (1950). 8 Fig. 13 Deformation des positiven Ionengitters durch eine negative Dazu betrachten wirProbeladung zunächst die Elektron Wir bringen ein Elektron in das Gitter positiver Ionenrümpfe (Fig. 13). Aufgrund der Coulomb-Anziehung wird das Gitter polarisiert. Die Ladungsstärke der Punktladung soll oszillieren mit (d.h. das Elektron bewegt sich durch den Ort x => „Ladungsoszillation“ am Ort x: q = q0 + q1eiωt Damit oszilliert auch die Anziehungskraft, so dass wir eine erzwungene Schwingung des Gitters erhalten. Am einfachsten können wir dieses Problem mit dem Einstein Modell (alle Atome habe die gleiche Resonanzfrequenz ωE) behandeln. Die sich ergebende Amplitude und Phase (zwischen schwingendem Atom und Ladungsoszillation) der Verschiebung ist in Figur 14 gezeigt. Fig. 14: Amplitude und Phase der Verschiebung aufgrund der Oszillation der Ladungsstärke Ist die Frequenz der Atome ω<<ωE, schwingt das Gitter gleichphasig mit der Ladungsoszillation. Wird die negative Ladung größer, dann wird auch die Verschiebung größer, so dass im Bereich der negativen Ladung mehr positive Ladungen vorhanden sind. Die positiven Ladungen schirmen die negative wegen der Steifigkeit des Gitters nur teilweise ab. Ist ω <~ ωE, wächst die Amplitude der positiven Ladungen in Resonanz und überwiegt die Amplitude der negativen Ladungsoszillation. Man spricht dann von „over screening“ oder „Über-Abschirmung“ der negativen Ladung durch die positiven. Die Phasenverschiebung ist noch nicht stark ausgeprägt. In diesem Fall kann eine zweite negative Ladung von dieser Über-Abschirmung angezogen werden, was effektiv einer anziehenden Wechselwirkung zwischen zwei negativen Ladungen entspricht. Es entsteht also ein Cooper-Paar durch den Austausch von Phononen. Ist ω>ωE, schwingt das Gitter gegenphasig. Ist die negative Ladung klein, liegen mehr positive Ladungen vor und umgekehrt. Damit wird das negative Potential verstärkt und nicht mehr abgeschirmt 9 Fig. 15: Abhängigkeit der Energielücke von der Temperatur 2.9 Die neuen Supraleiter In den Jahren 1986/87 wurde eine neue Klasse von Supraleitern entdeckt, die auf Metalloxiden basiert und eine dem Perovskit ähnliche Struktur hat (Fig. 16). Ein Beispiel ist die Verbindung YBa2Cu3O7-x (x≈0,2). Sie hat ein Tc von ca. 93K, d.h. oberhalb der Siedetemperatur des flüssigen N2. Die Supraleitung findet hier in den CuO2-Ebenen statt. Der wesentliche Mechanismus, der in diesen Materialien zur Supraleitung führt, ist noch nicht vollständig verstanden. Fig. 16: Hochtemperatursupraleiter YBa2Cu3O7-x 3. Versuchsdurchführung 3.1 Kryostat Die Proben befinden sich in einem sog. Badkryostaten (Fig. 17). Er besteht aus zwei doppelwandigen und verspiegelten Glasgefäßen (engl. Dewar). Die Zwischenräume sind zur Reduzierung von Wärmeleitung evakuiert. Die Wärmestrahlung wird neben der Verspiegelung vor allem auch durch die Vorkühlung mit flüssigem N2 reduziert (warum?). Das flüssige Helium im Kryostaten kann über ein Pumpsystem bis auf etwa 1 K abgepumpt werden. Zum Abkühlen wird zuerst LN2 eingefüllt. Nach ca. 1h kann LHe aus einem Transportbehälter mittels eines doppelwandigen U-förmigen Heberrohrs in den Kryostaten eingefüllt werden. Dies darf nur unter Aufsicht des Assistenten erfolgen. Achtung: Während des weiteren Versuchs darf der Druck im Kryostat zu keiner Zeit über Normaldruck steigen. Öffnen Sie immer rechtzeitig das Ventil V3 zur Rückleitung. (Explosionsgefahr). Der Höhenstand des flüssigen Heliums kann durch Sichtschlitze kontrolliert werden (Lampe). 10 Fig. 17: Versuchsaufbau 3.2 Datenerfassung Die Daten aller Versuche können mit Hilfe eines Messcomputers erfasst werden. Das Messprogramm heißt „SLPraktikum“. Die Unterprogramme zu den einzelnen Messaufgaben sind unter dem Menüpunkt „Auswahl“ zu finden. Mit STARTEN lassen sich die Messkurven aufnehmen. Weiter kann mit SPEICHERN die aktuelle Messkurve als Text-Datei (*.txt) speichern (Erstellen Sie sich einen neuen Ordner z.B. mit Ihrer Gruppennummer). 3.3 Aufgabe 1: Supraleitende Sprungtemperatur von Zinn Sie sollen zunächst die kritische Temperatur Tc einer Zinnprobe bestimmen. Dazu messen Sie den Widerstand R der Sn-Probe als Funktion der Temperatur. Da der normalleitende Widerstand nur etwa 1mΩ, die Zuleitungswiderstände aber mehrere Ω betragen, muß die Vierpunktmethode verwendet werden. Probenaufbau und Anschlüsse sind in Fig. 18 gezeigt. Verbinden Sie den Stromgeber (Probenstrom ca. 100 mA) mit den äußeren Anschlüssen und den Eingang des digitalen Multimeters „Y“ mit den inneren Anschlüssen. Das DMM hat eine Schnittstelle zum PC. Die Temperatur wird durch Abpumpen von LHe abgesenkt. Dazu muss zunächst das Ventil V3 in Fig. 17 geschlossen werden (warum?) und dann die Drehschieberpumpe eingeschaltet werden. Wird nun das Drosselventil V2 geöffnet erniedrigt sich der Druck. Die Temperatur ergibt sich dem Dampfdruck von LHe. Dazu wird ein kapazitiver Druck-aufnehmer verwendet dessen Analog-Ausgang mit dem DMM „p,T“ zu verbinden ist. Die Umrechnung der Drücke in Temperaturen und die graphische Darstellung der R(T) Messkurve erledigt das Software-Programm. Zu beachten ist dass nur bei langsamer Druckabnahme sich ein gutes thermisches Gleichgewicht im normal fluiden Helium einstellt. Insbesondere bei Erhöhung des Drucks können große Temperatur-Inhomogenitäten im Heliumbad auftreten. (Warum?) Halten Sie die Temperatur ca. 0,05 K unterhalb von Tc für Aufgabe 2 stabil! (Aufgabe 1 und 2 sollten als eine Einheit betrachtet werden.) Auswertung Aufgabe 1 Bestimmen Sie die Sprungtemperatur Tc als denjenigen Wert, bei dem R auf die Hälfte abgefallen ist. Geben Sie die Breite des Übergangs an und schätzen Sie den Temperaturmessfehler ab. Diskutieren Sie mögliche Ursachen der Übergangsbreite. 11 Fig. 18: Elektrische Anschlüsse am Kryostateinsatz Fig. 19: Schaltbild: 3.4 Aufgabe 2: Kritisches Magnetfeld von Zinn Für die Zinnprobe untersuchen Sie nun die Abhängigkeit des kritischen Magnetfelds Bc von der Temperatur zwischen Tc und 1,1K. Beginnen Sie dazu unmittelbar unter Tc (spätestens 0,05K unter Tc). Hierzu wird bei konstanter Temperatur der Widerstand der Probe (Vierpunktmessung) in einem steigenden Magnetfeld bestimmt. Das Magnetfeld wird mit Hilfe einer Spule erzeugt. Der Anschluss des Spulenstroms erfolgt über die in Fig. 18 als „Anschlüsse Kryospule“ bezeichneten Kontakte. Als Stromquelle dient das Netzgerät NGR 50, das extern über einen Rampengenerator steuerbar ist. Stellen Sie einen maximalen Strom von 1,5 A ein. Um den Strom durch die Magnetspule genau messen zu können, wird seriell in diesen Kreis ein Messshunt (1Ω) eingefügt (s. Fig. 19). An diesem Messshunt wird die Spannung abgegriffen und mit einem digitalen Multimeter verbunden. Der Widerstandsverlauf in Abhängigkeit vom Magnetstrom wird vom Computers aufgezeichnet. Auf der Y-Achse wird dazu die Ausgangsspannung der Sn-Probe aufgetragen. Messen Sie für 18 Temperaturen zwischen etwa 3,68 K und 1,1 K die Auffahrkurven. Bei kleinen Dampfdrücken müssen Sie die Ventile V1 und V0 öffnen sowie die Wälzkolbenpumpe zur weiteren Temperaturerniedrigung dazuschalten. Die Temperaturbestimmung erfolgt dabei mittels PC über den Dampfdruck von flüssigem 4He. Die Dampfdrucktabelle hängt auch aus beim Versuch aus. Nach Abschluss der Messungen bitten Sie den Betreuer das Helium-Bad auf Atmosphärendruck zu heizen. 12 Auswertung Aufgabe 2 Bestimmen Sie aus den Auffahrkurven Bc auf der B-Achse. (Anmerkung: Die Definiton für Bc finden Sie im Theorie-Teil dieser Anleitung!) Um das Magnetfeld der Kryospule zu berechnen, gehen Sie davon aus, dass es sich um eine lange, homogene Spule handelt. Es gilt: N B = μ0 I wobei N die Windungszahl, l die Spulenlänge und I der Strom ist. l ⎛ ⎛ T ⎞2 ⎞ 2 ⎟. Tragen Sie Bc über T auf zur Bestätigung der Beziehung Bc = Bc 0 ⎜⎜1 − ⎜ T ⎟ ⎟ ⎝ ⎝ c⎠ ⎠ Bestimmen Sie durch Ausgleichsrechnung Bc0 und Tc. Geben Sie den statistischen Fehler. Vergleichen Sie Tc mit dem Messwert aus Aufgabe1 und Bc0 mit dem Literaturwert. Geben Sie den Wert für cs-cn an und vergleichen ihn mit dem kalorimetrisch gemessenen von 10,6 mJ/molK. Berechnen Sie aus Ihrem Wert die Dichte der Elektronen an der Fermikante N ( 0) = 3.5 3(c s − cn ) . 2π 2 k B2 1,4Tc Aufgabe 3a: Magnetisierungskurven von reinen Blei und Blei-IndiumLegierungen Bei 4,2 K soll die Suszeptibilität von reinem Pb und die Magnetisierungskurve von reinem Pb sowie dreier PbIn-Legierungen bestimmt werden. Die Proben sind Zylinder, die an das Ende eines Stahlrohrs geschraubt werden können. Beim Einführen in den Kryostat den Verschluss nur kurz öffnen! Das Rohr darf nur bei Normaldruck und trocken eingeführt werden! Zur Messung der Magnetisierung werden zwei Pick-up-Spulen, die entgegengesetzt gewickelt und seriell verbunden sind, verwendet. Die Probe wird in eine der beiden Spulen eingeführt. Wird ein Magnetfeld angelegt, wird in beiden Spulen eine Spannung - entsprechend des sie durchdringenden Flusses - induziert. Über die leere Spule wird also das äußere Magnetfeld gemessen bzw. über die Spule mit Probe das „Feld im Inneren des Supraleiters“. Da die beiden Spulen entgegengesetzt gewickelt sind, ergibt sich eine Differenzspannung. Bei dem symmetrischen Aufbau der Pick-up-Spulen gilt insgesamt: +Φ = −μ M NA U ind = −Φ 1 2 0 Hierbei ist N die Windungszahl der PickUp-Spule und A die Querschnittsfläche. Integriert (bei t=0 sei M=0) ergibt sich: t ∫U ind (t ')dt ' = − μ0 M (t ) NA 0 Dieser Spannungsstoß wird mit einem elektronischen Integrator gemessen (dazu die Spannungsdifferenz zwischen den beiden Spulen (Fig. 18: BNC-Buchse Pick-up Spulen) mit dem Eingang des Integrators verbinden). Mit dem RESET Knopf wird der Integrator auf Null gesetzt. Der OFFSET wird so eingestellt, dass das Driften des Integrators minimal ist. Die Ausgangsspannung Uaus(t) des Integrators ist proportional zum Spannungsstoß. Sie wird mit einem digitalen Multimeter gemessen und an den PC übertragen. Die Proportionalitäts- 13 konstante kann durch eine Kalibrierung bestimmt werden (wie?) und ist im Messprogramm gespeichert. Das Messprogramm gibt also direkt den Spannungsstoß in mV*s aus. Die Stromversorgung des supraleitenden Magneten erfolgt wie bei Aufgabe 2. Als erstes machen Sie eine Messung mit einer Leerprobe, um die Asymmetrie zwischen den Spulen zu bestimmen. Durchfahren Sie den kompletten Strombereich 0→3,6 A; 3,6 A→-3,6 A; 3,6 A→0 A; 0→3,6 A. Anschließend fahren Sie mit der reinen Pb-Probe fort und zeichnen eine komplette Hysterese-Kurve auf. Gleiches wiederholen Sie für die anderen Proben. Der Stromwert soll dabei 3,6 A nicht überschreiten, da sonst die Heizleistung für die Magnetspule zu groß und sie dabei zerstört wird. Achten Sie deshalb auch immer wieder auf den Heliumstand im Kryostaten und informieren Sie spätestens bei Erreichen der weißen Marke „min“ Ihren Betreuer. Auswertung Aufgabe 3 a In der Ausarbeitung bestimmen Sie aus der Magnetisierungskurve Bc, Bceff und den Entmagnetisierungsfaktor (mit Fehlerrechnung). Für die reine Pb-Probe bestimmen Sie die Suszeptibilität. Woran erkennen Sie die Typ II-Supraleiter? Bestimmen Sie jeweils Bc1 und Bc2 aus den gemessenen Magnetisierungskurven! 3.6 Aufgabe 3b: I-U-Kennlinien eines Aluminium Tunnelkontakts Alternativ zu Aufgabe 3a kann die I-U-Kennlinie eines supraleitenden Al-AlOx-Al Tunnelkontakts gemessen werden. Der Tunnelkontakt besteht aus einer ca. 1 nm dicken Oxidschicht zwischen 2 etwa 100 nm dicken Aluminium-Filmen in Kreuzgeometrie. Die Fläche des Tunnelkontakts beträgt etwa 0,2x0,2 mm. Weit unterhalb der supraleitenden Sprungtemperatur fließt erst oberhalb einer Spannung von 2∆/e ein merklicher Tunnelstrom. Sie können also direkt den supraleitenden Ordnungsparameter ∆ als Funktion der Temperatur messen. Dies ist bis etwa 100 mK unterhalb von Tc möglich. Man kann auch beobachten dass bereits unterhalb der Gapspannung 2∆/e ein kleiner Tunnelstrom fließt, der mit zunehmender Temperatur anwächst. Er rührt von den thermisch angeregten Quasiteilchen her. Auswertung Aufgabe 3b Vergleichen Sie Ihre gemessenen Gapspannungen 2∆(T)/e mit der Vorhersage der BCSTheorie. Dazu wird Ihnen eine Auswerte-Software zur Verfügung gestellt. 3.7 Aufgabe 4: Supraleitender Übergang eines Hochtemperatur-Supraleiters Für den Hochtemperatursupraleiter SmBa2Cu3O7-x (kurz SmBCO) soll die Temperatur-abhängigkeit des elektrischen Widerstandes von 300 K bis 77 K bestimmt werden. Die SmBa2Cu3O7-x-Probe befindet sich zusammen mit einem Pt100 TemperaturSensor in einer Kupfer-Dose. Der Widerstand des Pt100-Sensors wird mit der Vierpunktmethode mit dem digitalen Multimeter „p,T“ gemessen. Der Strom durch die HTSL-Probe (ca. 10 mA) wird von einem Präzisionsstromgeber bereitgestellt, der Spannungsabfall an der Probe wird mit dem digitalen Multimeter ‚Y’ gemessen. Die Messsoftware rechnet den Widerstand des Pt100-Sensors direkt in die Temperatur um. Senken Sie die Probe langsam in ein N2-Dewar und nehmen Sie die R(T)-Kurve auf. Um eine langsame Kühlung zu erreichen soll nur der Aluminium-Kühlkörper in das LN2-Bad eintauchen. Wenn die Probe den supraleitenden Übergang erreicht hat kühlen Sie die Probe bitte noch auf LN2-Temperatur ab. Ergänzend können Sie die Messung von 77 bis 100 K beim Aufwärmen der Probe wiederholen. 14 Auswertung Aufgabe 4 Bestimmen Sie die Sprungtemperatur Tc als denjenigen Wert, bei dem R auf die Hälfte abgefallen ist. Geben Sie die Breite des Übergangs an und schätzen Sie den Temperaturmessfehler ab. 4. Ausarbeitung In der Ausarbeitung sollten in knapper Form die einzelnen Versuche so beschrieben werden, dass sie auch ohne Anleitung nachvollzogen werden können. Kommentieren Sie die Ergebnisse, d.h. fügen Sie z.B. Übereinstimmungen oder Abweichungen von der Literatur an. Bitte erstellen Sie alle Diagramme so, dass beim Kolloquium eventuell eine erneute Auswertung möglich ist. 5. Daten Magnetspule: 11,6 cm Länge, 18 mm Durchmesser, 2600 Windungen PickUp-Spulen: 2 x 4000 Windungen Zinn-Draht: 85 cm Länge, 0,5 mm Durchmesser Magnetisierungsmessungen: reines Pb, Pb + 2% In, Pb + 3% In, Pb + 4% In Durchmesser: (3,2±0,1)mm Dichte von Sn: 7,3 g/cm3 cS/cN von Sn (kalorisch gemessen): 10,6 mJ/(Mol*K) 6. Literatur Ch. Kittel: Ch. Enss, S. Hunklinger: H. Kinder: W. Buckel, R. Kleiner: M. Tinkham: Einführung in die Festkörperphysik, Kap. 12, Oldenbourg, 2005 Tieftemperaturphysik, Kap. 10, Springer, Berlin, 2000. Supraleitung und Tieftemperaturphysik, Vorlesungsskript, http://www.physik.tu-muenchen.de/lehrstuehle/E10. Supraleitung, Wiley-VCH, 2004. Introduction to Superconductivity, Dover Books, 2004. 15 Sicherheitshinweise zum Praktikumsversuch Supraleitung • • • • • • Die Betriebsanweisung für den Umgang mit flüssigem Stickstoff (LN2) und Helium (LHe) ist zu beachten (Siehe Anhang). Vor dem Einfüllen von LN2 bzw. LHe ist sicherzustellen dass die beiden Isolationsvakua des Dewars evakuiert und die beiden Ventile (weiße Markierung) geschlossen sind. Sie dürfen nicht geöffnet werden solange sich LN2 bzw. LHe im Dewar befinden. Kontrollieren ob die Rückführleitung geöffnet ist Die supraleitende Magnet darf nur betrieben werden wenn der Magnet sich im flüssigem Helium befindet. Deshalb immer den Heliumstand kontrollieren. Beim Einbringen des Probenstabs bei den Magnetisierungsmessungen (Aufgabe 3a) bitte darauf achten dass der Stab trocken ist. Die Quetschdichtung soll nur kurz geöffnet werden. Bevor das Dewar abgepumpt wird bitte kontrollieren ob alle Quetschdichtungen verschlossen sind. Wenn bei Versuchsende die Pumpen nicht mehr benötigt werden die Ventile geöffnet und die Pumpe weiter laufen lassen. Das LHe wird vom Betreuer durch Heizen auf Atmosphärendruck gebracht (Gefahr des Überdrucks). 16 Betriebsanweisung für den Umgang mit flüssigem Stickstoff (LN2) und Helium (LHe) Eigenschaften Farbe, Geruch, Reaktionsverhalten Dichte bei Normalbedingungen (kg/m3) Siedepunkt Ts bei 1013 mbar in K (°C) Dichte bei Ts (kg/m3) He farblos, geruchlos, inert 0,179 N2 farblos, geruchlos, reaktionsträge 1,25 O2 farblos, geruchlos, brand fördernd 1,43 4,21 (-269) 77,35 (-196) 90,2 (-183) 124,8 804 1140 Mögliche Gefahren • • • • Erstickungsgefahr wenn große Mengen in die Atmosphäre verdampfen. Tiefkalt verflüssigte Gase bzw. die damit gekühlten Gegenstände können bei Hautkontakt Kaltverbrennungen verursachen. Brandgefahr bei O2-Anreicherung an tiefkalten Oberflächen. Explosionsgefahr bei Verwendung dichter Apparaturen. Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln • Der Umgang mit Kryo-Flüssigkeiten erfordert eine persönliche Einweisung. • Arbeitsabläufe vorausplanen und mögliche Gefahrenquellen im Auge behalten. • Angemessene Lüftung sicherstellen. • Körper vor Flüssigkeitsspritzern schützen . • Geeignete Handschuhe tragen wenn kalte Gegenstände angefasst werden müssen. • O2-Anreicherung an kalten Oberflächen vermeiden. • Eindringen von feuchter Luft verhindern (Blockierungsgefahr). • Überdruck- und Berstventile einsetzen. Verhalten im Gefahrfall Notruf 112 (Handy 089 289 14100) • • • Raum schnellstens verlassen. Verantwortliche Personen benachrichtigen. Feuerwehr oder Notarzt alarmieren. Erste Hilfe • • Verunglückte Personen an die frische Luft bringen (auf Selbstschutz achten). Bei Kälteverbrennungen Betriebsarzt Tel 14000 (Handy 089 3299 1410) kontaktieren.