Projektidee aus der Diskursgruppe 8: Demokratie, Partizipation und Medien Kommunale BürgerInnenbeteiligung von Michael Rosecker 1 Inhalt: A) Die gesellschaftliche Rahmenhandlung 3 B) Die „Renaissance des Lokalen“ 4 C) Mögliche Projekte 5 C1) (Jung-)BürgerInnen-Panel – Ein Rückfrage- und Beteiligungsinstrument D) 5 C2) „The Young-Mayor“ – Jugend-BürgermeisterInnen 8 C3) BürgerInnen(Online)Konsultationen – „Volksexpertise“ 11 C4) Offene Innovationen-Strategien 14 C5) Das Stadt-WIKI 17 Warnhinweise und Nebenwirkungen 19 2 A) Die gesellschaftspolitische Rahmenhandlung: • Die Zufriedenheit der BürgerInnen mit dem Funktionieren der Demokratie in Österreich sinkt. • Das Vertrauen in „die Politik“ im Allgemeinen sinkt. • Es kam durch das Aufbrechen von sozialer Schicht, Arbeitszusammenhang, Wertemuster und politischem Verhalten fast zur völligen Auflösung der alten (industriegesellschaftlichen) geschlossenen sozialen Milieus. • Damit folgte das Abschmelzen von den mit diesen lebensweltlichen Sozialmilieus verbundenen kulturellen Lebensprägungen und politischen Sozialisationen. • Viele traditionelle Deutungs- bzw. Ordnungsmuster und Handlungsroutinen greifen nicht mehr in einer veränderten sozialen Umwelt. 3 B) Die „Renaissance des Lokalen“: • Kommunen sind Kristallisationspunkt und „Schulen“ aktiver und lebendiger Demokratie. • Die ÖsterreicherInnen fühlen sich in hohem Ausmaß und in erster Linie in der näheren geografischen Umgebung ihres Lebens- und Wohnortes zugehörig. • Gerade in Kommunen können durch BügerInnen-Nähe und -beteiligung Politik und Demokratie wieder Legitimation und Vertrauen gewinnen und die Gemeinwohlorientierung gesteigert werden. • Engagement für konkrete Themen im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen möglich. Kommunen sind der Raum, der Politik an die Lebensrealitäten (junger) Menschen anschlussfähig machen kann. • Der/die BürgerIn soll nicht Schiedsrichter sein, sondern eingebunden werden in die Politikformulierung, -entwicklung und -implementierung. 4 C) Mögliche Projekte: C 1: (Jung-)BürgerInnen-Panel – Ein Rückfrage- und Beteiligungsinstrument: a) Was und Warum? • –››› Sollen das Problem mangelnder Repräsentanz herkömmlicher Beteiligungsmethoden lösen und hohe (zeitliche, soziale oder sprachliche) Beteiligungsschwellen abbauen. • –››› Sollen bisher passive BürgerInnen, die durch die Mitwirkung an Panels aktiviert werden, zur Teilnahme an traditionellen Beteiligungsformen bewegen. • –››› Sollen über soziale Milieugrenzen und atomistische Partikularinteressen hinweg BürgerInnen zusammenführen, um Gemeinwohl verständlicher und greifbarer zu machen. 5 b) Wie? • –››› In einem ersten Schritt wird die Öffentlichkeit über Funktion und Methode des BürgerInnen-Panels informiert. • –››› Eine repräsentative Gruppe (je nach Kommunengröße) von BürgerInnen wird zusammengestellt (Befragtenpool), wobei vor allem auch unterrepräsentierte Personengruppen beachtet werden müssen. • –››› Diese wird in einem Zeitraum von 2 bis 3 Jahren regelmäßig an 3 x bis 4 x jährlich Befragungen zu kommunalen aktuellen (Zukunfts-) Themen teilnehmen. • –››› In einem weiteren Schritt sollen intensivere Methoden der BürgerInnenbeteiligung aufgesetzt werden. Aus dem Befragtenpool ausgewählte Personen in Gruppendiskussionen, BürgerInnenforen, Focusgruppen, Interviews und Zukunftswerkstätten bestimmte komplexe Themen genauer behandeln. 6 c) Referenzprojekte/Information: • –››› London Borough of Lewisham – ein Stadtbezirk von London. • –››› Die Stadt Viernheim in Deutschland. • –››› In der Schweiz organisierte das Zentrum für TechnologienfolgenAbschätzung PublicForums. • –››› Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer. • –››› Klages/Daramus/Masser: Bürgerbeteiligung durch lokale Bürgerpanels (Berlin 2008) Klages: Beteiligungsverfahren und -erfahrungen. Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung (Berlin 2007) ¡Auch als eigenes Projekt für Jugendliche möglich! ¡ Ausbaumöglichkeit: Probegalopp für rechtlich-verbindliches kommunales BürgerInnenbegehren! 7 C 2: „The Young-Mayor“ – Jugend-BürgermeisterInnen: a) Was und Warum? • –››› Viele Jugendliche können mit den ideologischen Überbauten, der Diskurskultur und den organisatorischen Abläufen der Parteien wenig anfangen, fehlen ihnen doch die Anknüpfungspunkte für ihre eigene Lebenswelt. • –››› Soll Verbindung zwischen Politik und jugendlichen Lebenswelten herstellen. Macht Jugendinteressen sichtbar. • –››› Soll Institutionen-Demokratie in ihrer Funktionalität und als Wert vermitteln und anschlussfähig an Lebenslagen und -sorgen junger Menschen machen: Demokratievermittlung. • –››› Soll Bereitschaft zu weiterem (gesellschafts-)politischen Engagement steigern und schafft die Identifikation mit den mitgestalteten Räumen: Förderung Gemeinwohlorientierung. • –››› Fördert Kommunikation und Kreativität junger Menschen. 8 b) Wie? • –››› Jährliche/alle 2 Jahre Direktwahl des/der Jugend-BürgermeisterIn. • –››› Wahlberechtigt sind jene Personen zwischen 14 und 18 Jahren, die in einer Kommune hauptgemeldet sind und/oder dort in die Schule gehen bzw. arbeiten. (Aktives und passives Wahlrecht!) • –››› KandidatInnen erhalten eine rechtlich-politische Vorbereitung durch die Gemeinde. • –››› Die/der Jugend-BürgermeisterIn hat ein eigenes Budget zur Verfügung und ist einem (ebenfalls gewählten) Jugendrat verantwortlich. 9 c) Referenzprojekte/Information: • –››› London Boroughs of Lewisham, Newham, Lambeth, Tower Hamlets & North Tyneside – Stadtbezirke in London. • –››› Young Mayor Network – ymn.org.uk • –››› Kinder- und Jugendparlament Berlin Tempelhof-Schöneberg 10 C 3: BürgerInnen(Online)Konsultationen – „Volksexpertise“: a) Was und Warum? • –››› Beteiligungsformen, die Meinungen und Ideen bzw. Expertise von BürgerInnen, ExpertInnen und Betroffenen zu bestimmten Themen einholen und Mitentscheidung ermöglichen. • –››› Die Einbeziehung von (Teil-)Öffentlichkeit in die Planungsphase und Konsensfindung erhöht Planungssicherheit, Legitimation und Problemlösungskompetenz. • –››› Es wird Prozess-Transparenz (vor allem bei Reformen) und Zustimmung erhöht. • –››› Erhöht Wissen und Kompetenz der BürgerInnen für kommunale Belange. ELearning-Programme 11 b) Wie? • –››› Kanäle der Zweiwege-Kommunikation zwischen Verwaltung«–»Betroffenen und/oder Politik«–»Betroffenen öffnen, in Form von Online-Anhörungen bzw. OnlineBürgerInnenbefragungen. • –››› Wichtig: Dabei handelt es sich um gerade entstehende ABER noch nicht fertigentwickelte oder gar abgeschlossene Projekte. • –››› Ebenso können gezielt ExpertInnen zu bestimmten Themen derart eingebunden werden. • –››› Diese kommunalen E-Konsultationsangebote können gut durch reale Bürger/innenräte ergänzt werden. 12 c) Referenzprojekte/Information: • –››› Auf kommunaler Ebene Online-Diskussionen/raumplanerische Konsultationen/E-BürgerInnenkonsultation: Hamburg „Gestaltung Domplatz“; Bremen „Stadionbad“; Königslutter am Elm „Landschaftsplan“. • –››› Als Beispiel der Experten/innen-Konsultation: European Business Test Panel. Eine Gruppe von ca. 3.600 Unternehmen aus Mitgliedsstaaten, die regelmäßig Online-Befragungen der Kommission beantworten. • –››› E-People in Südkorea und Consulting with Canadians in Kanada. 13 C 4: Offene Innovationen-Strategien: a) Was und Warum? • –››› „Interaktive Wertschöpfung“, in der die Politik/Verwaltung die BürgerInnen als Akteure/innen in den Innovations-, Entwicklungs- und Produktionsprozess einbindet. • –››› Ein kooperativer sozialer Austausch, der gezielt das Innovationspotential erhöht und durch Beteiligung Engagement, Bindung und Interesse generiert. • –››› In öffentlichen gemeinschaftlichen Prozessen können Regelwerke, Programme und/oder politische Forderungen von den Betroffenen mitgestaltet und -verfasst werden. 14 b) Wie? • –››› Öffentlich ausgeschriebene Innovations- und Ideenwettbewerbe. • –››› Problemfeld-Meldesysteme für BürgerInnen. • –››› Öffentliche Raum- oder Stadtplanungsprozesse von AnrainerInnen. • –››› Diese kommunalen E-Konsultationsangebote können gut durch reale Bürger/innenversammlungen ergänzt werden. 15 c) Referenzprojekte/Information: • –››› Auf AmericaSpeaks.org werden BürgerInnen in den Prozess öffentlicher Entscheidungsfindung eingebunden, die Diskussionsergebnisse werden den politischen EntscheidungsträgerInnen präsentiert. • –››› Tools to help Communities help Themselves! Eine Plattform, um BürgerInnen einen raschen und transparenten Draht zur Stadtverwaltung zu bieten, um Probleme in ihrer Nachbarschaft zu melden. • –››› Über das neuseeländische Policing-Act-Wiki wurde das Polizeigesetz der breiten Öffentlichkeit auf einer Plattform im Wikipedia-Format geöffnet, so dass dieses gemeinschaftlich neu verfasst und überarbeitet werden konnte. • –››› In Bayern wurde über Aufbruch.Bayern.de Innovations- und BürgerInnenplattform geöffnet. • –››› Island schrieb mit solchen offenen Kanälen eine neue Verfassung! 16 C 5: Das Stadt-WIKI: a) Was und Warum? • –››› Dient der Information von BürgerInnen. • –››› Macht Wissen der BürgerInnen über ihre Kommune sichtbar. • –››› Ermöglicht ein gemeinschaftliches Arbeiten an der öffentlichen Darstellung einer Kommune. • –››› Fördert Identitätsbildung, soziale Bindung und Vertrauen und Gemeinwohlorientierung. 17 b) Wie? • –››› Ein System für Webseiten (z.B.: Wikipedia) einführen. • –››› Interessierte können über Browser mitverfassen. • –››› WICHTIG: Qualitätskontrollen, Kontrolle und Einhaltung journalistischer und ethischer Standards und Beseitigung von Anonymität der AutorenInnen. • –››› Das Moderieren und Motivieren der NutzerInnen sind ebenfalls neue Herausforderungen. In den USA Diskussion über das Berufsbild des Citizen Editors. • –››› Kann mit Offenen-Innovationen-Strategien ergänzt und genutzt werden. (BürgerInnen-Journalismus, Jugend-Ideenbörse etc.) 18 c) Referenzprojekte/Information: • –››› Landes-Wiki Salzburg • –››› Das Stadt-Wiki Karlsruhe • –››› Das Stadt-Wiki Stuttgart • –››› Das Stadt-Wiki Warschau 19 D) Warnhinweise und Nebenwirkungen: • Änderung des politischen Verständnisses und Handelns!!! • Lernprozess mit Rückschlägen – Geduld und Mut als politische Tugend! • Transparenz und Ernsthaftigkeit entscheidend! • Kein Allheilmittel! Versuch und Irrtum. Viel Überfrachtung = Viel Enttäuschung • Auch Mediation/Moderation, aber der Staat nicht als Supervisionsstaat! • Und: NICHT GRATIS! 20