Auguste-Viktoria-Str. 64, D-14199 Berlin, Tel.: 030-895992.0; Fax: 030-826 35 20e-mail: [email protected] - Internet: www.musikadler.de Verwirrspiel der Gefühle Eine der bekanntesten Opern Georg Friedrich Händels erlebte im Großen Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters knapp 300 Jahre nach der Uraufführung in London die Schweriner Erstaufführung. Das Publikum feierte die erste Schweriner Inszenierung des "Julius Cäsar" in italienischer Sprache mit großem Jubel, stürmischem Beifall und Bravorufen. Wenn sich während der Ouvertüre der Vorhang öffnet, sieht man sich an den ägyptischen Königshof versetzt. Der Bühnenbildner Michael Engel positioniert eine riesige, goldglänzende Pyramide symmetrisch auf der Bühne, als sei die Welt in schönstem Gleichgewicht. Vor diesem Symbol vollkommener Ausgeglichenheit etabliert Gastregisseur Roland Velte ein Schauspiel, in dem Krieg, Liebe und Machtgier bis zur Maßlosigkeit entarten und die Menschen in diesem verzerrten Gefüge ihrer Beziehungen untereinander das Gefühl für ein Gleichgewicht zwischen Gutem und Bösem verlieren. Cäsar kämpft gegen Pompejus um die Alleinherrschaft in Rom. Dieser Machtkampf spiegelt sich zwischen dem jungen Ptolemäus und seiner Schwester und Gattin Kleopatra am Hof von Alexandria wider. Bis dorthin verfolgt Cäsar seinen Widersacher, gerät aber über dessen Ermordung in Zorn. Achillas, der Mörder, verliebt sich in Cornelia, die verzweifelte Gattin des ermordeten Pompejus. Kleopatra verführt Cäsar, um durch seine Hilfe die Alleinherrschaft über den ägyptischen Thron zu erlangen. Ein bis auf die Spitze getriebenes Verwirrspiel der Beziehungen und Gefühle, das der Regisseur in einer fragwürdigen Apotheose der beiden verliebten Herrscher auf einem Berg von Leichen in nunmehr wundgeschlagener Symmetrie enden lässt. Lebenspralle Direktheit und symbolische Bilder Doch gespielt wird zuvor in einem faszinierenden Spannungsfeld zwischen lebenspraller Direktheit, symbolischer Bildhaftigkeit und spannender Choreografie, mit der die ägyptischen Wachen eine ganze Da-Capo-Arie souverän in Bewegung zu halten vermögen. Dazu bieten die Kostüme von Dorothea Jaumann und ein herrlich drapiertes blaues Seidentuch reizvolle Blickpunkte. Dem setzt Chefdirigent Matthias Foremny eine musikalisch ebenso fesselnde Aufführung gegenüber. Die Staatskapelle in sparsamer Besetzung, das Continuo im Wechsel von Cembalo und Harfe, die Soloinstrumente bei einzelnen Arien in den Orchesterlogen sichtbar ausgestellt. Vom Dirigenten geht eine musiktheatralische Vitalität aus, die die Zuhörer von mitreißend lebhaften Allegro-Passagen über langsame Tempi voller Zartheit und Hingabe mit fein ziselierter Dynamik hinführt bis zum prachtvollen Schlusschor, mit dessen Einstudierung sich der junge Chordirektor Ulrich Barthel vorstellt. Verwirrspiel der Gefühle, Seite 2 Der Countertenor Steve Wächter singt mit heller, sehr wandlungsfähiger und gewandter Stimme einen Cäsar, dessen Weltherrscher-Souveränität allein vor der Urne seines Gegners in fragendes Nachsinnen gerät. Ulrike Maria Maier betört ihn mit Grazie und einer mehr und mehr an Ausdruckskraft gewinnenden Sopranstimme. Phantasievoll gespielter, pubertärer Pharao. Brillant besteht neben ihr der junge Roman Grübner, der einen pubertären Pharao phantasievoll zu spielen versteht und dessen Gesangspart überzeugend mit Kraft und Wärme erfüllt. Mit wunderbar weichem, expressivem Sopran, blond und weiß gewandet wird Dshamilja Kaiser als Cornelia zum Symbol der Unschuld in der tödlichen Machtmühle. Sie singt ein hinreißendes Duett mit ihrem Sohn Sextus, der durch Sarah van der Kemp mit teenagerhafter Männlichkeit ausgestattet wird. Andreas Lettowsky als Achillas, Christian Hees in der Rolle der Nirena und Frank Blees als Curio komplettieren ein vorzügliches Solistenensemble, das am Schluss mit Beifall und Füße-trampeln wieder und wieder vor den Vorhang gerufen wird. Schweriner Volkszeitung, 26. November 2007 |von Michael Baumgartl