Kap. 5: Geometrie in der Grundschule 5.1 Grundlegende

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Kap. 5: Geometrie in der Grundschule
5.1 Grundlegende konzeptionelle Aspekte
5.1.1. Notwendigkeit eines angemessenen Anteils der Geometrie am (Mathematik)-Unterricht der Grundschule,
Gründe u.a.:
5.1.1.1 Allgemeine Lernziele ansprechbar, speziell
• geistige Grundfähigkeiten:
kreatives Arbeiten, Argumentieren, Mathematisieren
• geistige Grundtechniken ("Vorgehensweisen"), besonders:
Klassifizieren, Verallgemeinern, Aufdecken von Entsprechungen, Übertragungen, ökonomische Darstellung
• emotionale Erfahrungen ermöglichend:
5.1.1.2 Ausgleich unterschiedlicher Lernvoraussetzungen
• Möglichkeit der differenzierenden Förderung:
5.1.1.3 Geometrie als Lernbasis auch für Arithmetik
• geometrischer Charakter vieler Veranschaulichungen in der Arithmetik,
• Nachgewiesener Zusammenhang zwischen Rechenleistung
und geometrischer Strukturierungsfähigkeit
• Schulung und Diagnose der Strukturierungsfähigkeit u.a. durch
Abzeichnen gegebener Streckenzüge
• Anwendungsbedeutung der Geometrie, z.B. Situationsskizze
vor Lösung einer Sachaufgabe, Rechenbaum Einkauf ...
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5.1.2 Propädeutischer Charakter der GS-Geometrie
Erste Erfahrungen zu grundlegenden geometrischen Sachverhalten; mathematische "Endform" zumeist erst nach der
Grundschulzeit erreichbar
5.1.3 Kein fachsystematischer Aufbau wie in der Arithmetik
• Viele Themen werden schon ab Klasse 1 angesprochen, zunächst auf der unteren Ebene der Curriculum-Spirale (Spiralprinzip/Bruner)
• Ablehnung des linearen Aufbaus des Curriculums, bei dem
jeder Stoff seinen festen Platz hat
• Gegen die Meinung, dass ein Stoff erst dann Unterrichtsgegenstand sein darf, wenn er vollständig erarbeitet werden
kann
• Abgrenzung von einer deduktiven Geometrie: Punkt, Strecke,
Gerade, Dreieck, Viereck, Rechteck, Quadrat, Würfel,...
• Andererseits:
Grundschulgeometrie darf nicht zum Aktionsfeld der Beliebigkeit werden
Notwendigkeit der Berücksichtigung eines Grundkanons von
Inhalten und Aktivitäten
Orientierungsbegriffe; Winkel; Typen und Eigenschaften bekannter geometrischer Figuren; Typen und Eigenschaften bekannter geometrischer Körper; Länge; Fläche; Volumen; symmetrische Figuren und Muster; parallel; senkrecht; maßstäbliches Vergrößern und Verkleinern; Zeichnen von Figuren
und Würfelkörpern (Bauplan, auch: Schrägbild); Bauen von
Körpern
Anmerkung: Ein Begriff wie ‘Raute’ sollte nicht schon deshalb
ausgeklammert werden, weil er nicht im Lehrplan genannt wird.
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5.1.4 Lernpsychologische Basis
5.1.4.1 Visuelle Wahrnehmung als Grundlage für geometrische Strukturierungsfähigkeit
Frostig unterscheidet fünf Teilbereiche:
visomotorische Koordination
Figur-Grund-Diskrimination
Wahrnehmungskonstanz (auch "Formkonstanz")
Wahrnehmung räumlicher Beziehungen
Wahrnehmung der Raumlage
(nach Radatz/Rickmeyer, Handbuch für den Geometrieunterricht, 1991, S. 15f)
5.1.4.2 Operatives Konzept (Basis: Psychologie von Piaget)
• Geometrisches Denken als vorstellendes Operieren an und mit
geometrischen Gebilden (Entwicklungsstufe des "konkret operativen Denkens"). Das Vorstellungsbild als subjektive, aktive
Konstruktion.
5.1.4.3 Didaktische Folgerung (Aebli)
Förderung geometrischen Denkens über den Vorgang der Verinnerlichung:
Begriff Verinnerlichung einer Operation:
Verlagerung von der handelnden Ebene auf die Vorstellungsebene
Vorgang d. Verinnerlichung: e-i-v (enaktiv-ikonisch-vorstellend)
Zeichnung als Stütze des vorstellenden Operierens (Übergangsphase im Verinnerlichungsvorgang)
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5.1.4.4 Raumanschauung
Raumanschauung als Fähigkeit, an geometrischen Objekten im
Raum und in der Ebene Operationen in der Vorstellung ausführen zu können
5.1.4.5 Bildung geometrischer Begriffe
(1) Phänomen-Vorstufe durch erste Erfahrungen mit konkreten
Objekten als Trägern des angezielten geometrischen Merkmals
Ergebnis der Phänomen-Vorstufe:
Vorwissen über den Begriff, incl. Wissen über Anwendungsaspekte
(2) Operative Bildung des Begriffs durch Herstellen von Repräsentanten des Begriffs
Kennzeichen: Synthese
Verinnerlichung der Erzeugungsoperation:
enaktiv - ikonisch - vorstellend, Aufbau des Vorstellungsbildes
eines Repräsentanten des Begriffs als "Prototyp"
(3) Operieren mit dem Begriff
auch: Analyse
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5.1.5 Betonung der Eigenaktivität der Kinder
Effektives und zeichnerisches Operieren als Basis des Lernens,
Förderung der operativen Begriffsbildung
• mit Arbeitsmitteln bauen oder legen:
geometrische Körper und Plättchen verwenden
• ebene Figuren durch Umfahren von Körpern oder Plättchen
mit dem Bleistift "herstellen" (für Kinder nicht leicht!)
• Körper selbst herstellen (kneten, zeichnen, ausschneiden,
kleben, "basteln")
• ebene Figuren mit Lineal (im Gitter / auf weißem Papier)
zeichnen und zerlegen
5.1.6 Anwendungsorientierung
Aspekte der Anwendungsorientierung:
• geometrische Formen und Beziehungen an Gegenständen
der Lebenswirklichkeit erkennen
• die Funktionalität (Zweckmäßigkeit) der Formen sehen:
Warum ist der Gegenstand gerade so geformt?
• durch geometrische Überlegung Informationen für reale Situationen gewinnen, naheliegend bei geometrischen Größen
(Länge, Fläche)
5.1.7 Betonung des räumlichen geometrischen Arbeitens
• keine Beschränkung auf ebene Geometrie, Erfahrungen im
Raum und mit Körpern als Ausgangsbasis des Geometrieunterrichts
• ebene Figuren als Begrenzungen von Körpern wahrnehmen,
hiervon Abbilder nehmen durch Umfahren mit dem Bleistift
• aus ebenen Figuren und ebenen Bauteilen Körper herstellen
5.1.8 Entdeckendes Lernen ermöglichen
• Zum Entdecken gehört ein von den Kindern verstehbares
Problem, das sie lösen sollen
• Aufgabe der Lehrenden: Entdeckungsprozess steuern, Ideen
vorbereiten
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5.2
Inhaltliche Schwerpunkte
5.2.1. Orientierung in Ebene und Raum, Lagebeziehungen
offen
innen
,
,
rechts von
darüber
geschlossen
außen
,
, links von
, darunter
auf dem Rand
(Abhängigkeit vom Beobachter)
, davor → o |, dahinter → | o
Drehsinn:
rechtsherum (wie Uhrzeiger),
linksherum
Nicht so günstig: Sprechweisen "nach rechts (links) drehen"
Winkel als Drehwinkel, erste Erfahrung zum Winkelbegriff,
Winkelmaß als Drehmaß:
"In einer Viertelstunde dreht sich der große Uhrzeiger um 90°" (Festlegung), "Der Drehwinkel der Viertelstunde wird auch rechter Winkel
genannt" (ab Klasse 2).
5.2.2 geometrische Grundformen
eben:
Quadrat, Rechteck, Raute, Viereck, Parallelogramm, Trapez,
Dreieck, Fünfeck, Sechseck,..., Kreis
Merkmale: Seite, Ecke, (rechter) Winkel
Zweiter Winkelaspekt (Winkel als Teil einer geometrischen Figur):
An der Ecke einer ebenen Figur bilden die Seiten einen Winkel, die
Größe des Winkels ist unabhängig von der Länge der Schenkel,
Sachverhalt als Drehwinkel erklärbar: ein Zeiger (Igel) dreht sich von
dem einen Schenkel auf den anderen durch das Innere. Gleiche
Drehung ↔ gleicher Winkel.
räumlich:
Würfel, Quader, Kugel, Walze, Säule, Pyramide, Kegel
Merkmale: Kanten, Ecken, (Seiten-)Flächen: jeweils Anzahl und
Eigenschaften
Würfelkörper als Körper, die aus vorgegebenen Standardwürfeln
gleicher Größe zusammengesetzt wurden oder in solche zerlegt
werden können.
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5.2.4 Zeichnen
5.2.4.1 Zeichnen durch Umfahren von Gegenständen
5.2.4.2 Zeichnen im Gitter
Das Gitter als didaktische Zeichenoberfläche ist ein geordnetes
Paar (Punktraster | Zeichenregel)
Quadratgitter:
Minimalregel: Schrittlänge s
Standardregel: Schritte s und g
Gittermaß s zu Anfang groß, z.B. 3 cm, entsprechend den üblichen geometrischen Wendeplättchen. Die Regeln werden den Kindern über eine
Zeichnung vorgestellt.
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Typische Zeichenaktivitäten im Quadratgitter:
• Zeichnen von Strecken vorgegebener Richtung und Schrittzahl
• Zeichnen von Figuren: Rechteck, Quadrat, Dreieck, Trapez,
Parallelogramm in zwei verschiedenen Orientierungen zur
Längsachse und in verschiedenen Größen
• aus Grundfiguren zusammengesetzte Figuren zeichnen
• Figuren (Rechteck, Quadrat, Dreieck, ...Vieleck) zerlegen und
färben, freie Gestaltung oder Vorgabe
• Figuren durch vorher markierte Punkte zeichnen
• die Flächen von Figuren vergleichen durch Zerlegen in Einheitsquadrate oder halbe Einheitsquadrate (s.u.)
• Ausgangsfiguren symmetrisch ergänzen, Drehung nur Vielfache von 90° (didaktisch interessant: 90°)
• Figuren im Gitter maßstäblich verändern (s.u.)
• vereinfachte Schrägbilder (z.B. Würfelkörper) im Gitter
1
α = 45°, v =
≈ 0, 7 kleinster darstellbarer Würfel: Kante 2s
2
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Dreiecksgitter
Minimalregel: Schrittlänge s
Standardregel: Schritte s und g
Gittermaß s zu Anfang groß, z.B. 3 cm, entsprechend den üblichen geometrischen Wendeplättchen
Typische Zeichenaktivitäten im Dreiecksgitter:
• analoge Aufgaben wie beim Quadratgitter
• beim Flächenvergleich das Gitterdreieck s,s,s oder das gleich
große Dreieck mit den Seiten s,s,g als Maßfläche verwenden
• Beim symmetrischen Ergänzen durch Drehung sind nur Vielfache von 60° möglich (didaktisch interessant: 60°, 120°)
• Figuren im Gitter maßstäblich verändern (s.u.)
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5.2.4.3 Zeichnen auf weißem (unbedrucktem!) Papier
• mit dem Geodreieck z.B.:
zueinander senkrechte Linien, zueinander parallele Linien
Zu beachten:
Beide Begriffe sind Beziehungsbegriffe, eine Linie für sich ist weder
senkrecht noch parallel!
rechte Winkel zeichnen, Faltwinkel als "Winkelprüfer"
Linienmuster erstellen
Rechteck und Quadrat zeichnen
• mit dem Zirkel z.B.:
Kreismuster, regelmäßiges 6-Eck und Teilfiguren
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5.2.6
Flächenbegriff (vgl. Größenbereich "Flächeninhalt"):
Mathematische Basis:
Relation "...hat eine genauso große Fläche wie ..."
Lernstufen:
• unmittelbarer Vergleich durch Aufeinanderlegen, Abschneiden und Umlegen
z.B. Fläche eines Dreiecks mit der Fläche eines Rechtecks vergleichen
• mittelbarer Vergleich durch Auslegen mit (denselben) Plättchen oder analoges Zerlegen auf Gitterpapier
mögliche Auswertung:
Klasse 1, (2):
keine weitere Analyse des Ergebnisses
Klassen (2), 3, 4:
die Flächen sind gleich groß (s.u.); die Fläche der
linken Figur ist größer; ... ist doppelt so groß wie die Fläche der rechten ...
Vergleiche die Flächen
Visualisierung der Flächengleichheit
Flächengleichheiten visualisieren durch zuordnendes Färben, z.B. (s.o.): 3 rote, 3 gelbe Quadrate, 2 grüne, 2 gelbe Dreiecke.
Analog Dreiecksgitter: Zerlegen von Figuren in Gitterdreiecke farblich strukturieren, Anzahl feststellen, Vergleichsergebnis?
Lehrervorgabe (Igel.exe)
Zerlegung und Färben: 16, 12, 16
Hinweis: Begriffe "Figur" (z.B. Rechteck) und "Fläche(ninhalt) der Figur"
sprachlich deutlich trennen!
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5.2.7 Maßstäbliches Vergrößern/Verkleinern:
Ring 2:1 vergrößert, Flächenvergleich
Ausgangsfigur 1:2 verkleinert, Bild 3:1 vergrößert ⇒ M 3:2
Das Bild zeigt die Vergrößerung des Grunddreiecks im
Maßstab 4:1 und im Maßstab
5:1 zur Veranschaulichung
des Gesetzes
(vgl. Schwirtz, GS H. 10/1995)
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5.2.8 Modelle von Körpern bauen
Regulärer Polyeder:
Bau aus Ecken und Kanten (= gefaltete Papierstreifen),
Übersicht über alle Möglichkeiten:
1. Tetraeder-Ecke (Körper hat 4 Flächen)):
Zeichne ein regelmäßiges 6-Eck, schneide 2 Mittendreiecke aus und klebe 2 weitere aufeinander!
2. Oktaeder-Ecke (Körper hat 8 Flächen):
Zeichne ein regelmäßiges 6-Eck, schneide 1 Mittendreieck aus und klebe 2 weitere aufeinander!
3. Ikosaeder-Ecke (Körper hat 20 Flächen):
Zeichne ein regelmäßiges 6-Eck, schneide zur Mitte ein und klebe 2 Dreiecke aufeinander!
4. Würfel-Ecke (Körper hat 6 Flächen):
Zeichne ein regelmäßiges 4-Eck, schneide zur Mitte ein und klebe 2 Dreiecke aufeinander!
5. (Pentagon-) Dodekaeder-Ecke (Körper hat 12 Flächen):
Zerlege eine Kreisscheibe in 3 Sektoren zu 108° und einen Sektor zu 36°. Schneide am kleinen Sektor zur Mitte ein und klebe den Sektor auf! (Lehrer/in)
Geeignet insbesondere Tetraeder, Ecken aus regelmäßigem Sechseck
gewinnen, Kanten aus gefalteten Papierstreifen, Auch: Oktaeder und Ikosaeder (vgl J. Floer, Die Grundschule. H 62/93)
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Arbeit an Würfelkörpern
Aus Würfeln Körper zusammensetzen (Thema Würfelkörper)
Aussagen über nicht sichtbare Würfel oder Flächen machen!
Beispiel: Aus wie vielen Würfeln bestehen diese Körper?
Baue sie nach. (Ebda, S. 81)
a
b
c
d
Schrägbilder von Würfelkörpern im Gitter zeichnen, zerlegen,
vergrößern, Rauminhalt von WKn vergleichen
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5.2.10 Vorerfahrungen zum Rauminhalt
• Quaderförmige Würfelkörper bauen,
Vorgabe als Schrägbild oder durch bewerteten Grundriss
Anzahl der Würfel feststellen, dabei Zählstrategie entwickeln:
Stange (Reihe) - Schicht - Anzahl der Schichten
Berechnung im Sinne der Volumenformel (Thema in der SI)
z.B. Körper 3x4x5 :
Stange: 4 Würfel
Schicht: 3 Stangen
= 3 ⋅ 4 Würfel
= 12 Würfel
Körper: 5 Schichten
= 5 ⋅ 12 Würfel
= 60 Würfel
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5.3 Zum Unterricht in den einzelnen Schuljahren
5.3.1 Typische Arbeitsmittel:
"Geometrische Formen"
Struktur: Quadrate a1 = 3 cm, a2 = 18 ≈ 4, 2 cm, a3 = 6 cm
Rechtwinklige Dreiecke als 'halbe' Quadrate
Gestaltung als Wendeplättchen:
z.B. Vorderseite rot-orange, Rückseite gelb
Erweiterung:
Gleichseitige Dreiecke: a1 = 3 cm, a2 = 6 cm, a3 = 9 cm
Gitterpapier (Punktraster, keine Gitterlinien):
Zunächst Quadratgitter / Dreiecksgitter: 3 cm Punktabstand
Ab Klassen (2), 3: geringere Punktabstände
Würfel zum Bauen aus Holz, 2 cm Kantenlänge, SchnellKlebstoff für Holz zum Bau von Würfelkörpern, Farbe
Zauberspiegel:
Das Besondere am Zauberspiegel:
Er reflektiert nur einen Teil des Lichtes, den anderen Teil aber
lässt er hindurch.
Daher sieht man zugleich das Spiegelbild und die Figur hinter
dem Spiegel. (D.Grundschulzeitschr. 62/ 93)
Fertige Modelle von Grundkörpern: Quader, Kugel, Zylinder,
Kegel, quadratische Pyramide, Tetraeder,...
Vielfältiges Material zum Basteln, z.B. Knetmasse, Stäbe, Pappe, Holzwürfel für Würfelkörper, Holzkleber 'Ponal express'
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5.3.2 Zum Unterricht in den einzelnen Schuljahren
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