Kap4

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4.3 Intravitaler Zell- und Gewebetod
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determiniert ist und geordnet vonstatten geht, erfolgt der Zelltod bei der Nekrose
unkontrolliert (Abb. 4-2). Die Abgrenzung gelingt nicht immer, da beispielsweise
am Rand einer ischämischen Nekrose auch Teile des Apoptoseprogramms beobachtet werden können.
Apoptose und Nekrose. Ak = Apoptosekörperchen; Ma = Makrophage;
Mi = Mitochondrium, nG = neutrophiler Granulozyt; Zk = Zellkern; Zm = Zellmembran
Abb. 4-2
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4 Allgemeine Stoffwechselstörungen
4.3.1
Apoptose
Unter Apoptose versteht man den programmierten Zelltod, wie er beispielsweise
während der normalen Embryonal- und Fetalentwicklung (selektive Eliminierung
überflüssiger Organanlagen) oder im Rahmen des physiologischen Zellumsatzes vorkommt. Aber auch im Immunsystem übernimmt die Apoptose vielfältige Aufgaben:
Bei der T- und B-Zelldifferenzierung dürfen nur solche Zellen überleben, die
körpereigenes Antigen tolerieren (negative Selektion, s. S. 140).
Zytotoxische T-Zellen, NK-Zellen und Makrophagen können unerwünschte
Zielzellen zur Apoptose veranlassen.
Nach einer erfolgreichen Immunreaktion wird die Zahl der Immunzellen
durch Apoptose wieder reduziert (Activation induced cell death, AICD).
Auch nichtaktivierte Immunzellen können apoptotisch untergehen, wenn sie
keine Überlebensstimulierung (z.B. präsentierte Antigene) erhalten oder wenn
sie überaltern.
Fehlerhaft aktivierte T- und B-Zellen werden gleichfalls durch Apoptose eliminiert.
Daraus wird ersichtlich, dass eine unzureichende Apoptose zu Autoimmunerkrankungen und Tumoren führen kann, während ein übersteigerter Zelltod eine
Immundefizienz bewirkt.
■ Morphologische Zeichen: Die Apoptose unterscheidet sich morphologisch
(wie auch biochemisch) grundlegend von der Nekrose (Tab. 4-1). Sie ist durch
Zellschrumpfung und Bildung von Zytoplasmaausstülpungen gekennzeichnet.
Gleichzeitig kondensiert das Chromatin des Zellkerns (Karyopyknose) und formiert
sich an der Kernhülle. Später fragmentiert der Zellkern (Karyorrhexis). Durch die
Positionsänderung eines bestimmten Phospholipids von der Membraninnenseite
zur Membranaußenseite (Translokation des Phosphatidylserins) können apoptotische Zellen von Makrophagen erkannt, phagozytiert und abgebaut werden. Beim
Zell- und Kernzerfall entstehen membranumhüllte Bruchstücke, so genannte
Apoptosekörperchen. Anders als bei der Nekrose wird keine Entzündungsreaktion
hervorgerufen, da die Phagozytose vor dem Zerfall der Zellmembran stattfindet.
Der Ablauf der Apoptose ist im Gegensatz zur Nekrose ein aktiver Prozess, bei
dem Energie verbraucht wird.
Auslösemechanismen
Die verschiedenen Apoptosewege münden alle in einer kaskadenförmigen
Aktivierung von Caspasen (das sind Zysteinproteasen). Man unterscheidet zwei
Hauptgruppen:
Initiierende Caspasen stehen am Anfang der Reaktionskaskade (Caspasen 8, 9,
10 und zum Teil Caspase 2) und aktivieren die ausführenden Caspasen.
4.3 Intravitaler Zell- und Gewebetod
Morphologische und biochemische Unterscheidungsmerkmale von Apoptose und Nekrose
(modifiziert nach Möwes 2003)
Apoptose
Nekrose
Morphologische Merkmale
einzelne Zellen
Zellgruppen
Blasenbildung bei erhaltener
Membranintegrität
Verlust der Membranintegrität
Zellschrumpfung Bildung von
Apoptosekörperchen
Zellschwellung Zelllyse
Phagozytose der Apoptosekörperchen
Phagozytose der Zelltrümmer
keine Entzündungszeichen
Entzündungszeichen
Biochemische Merkmale
physiologisches Signal
unphysiologische Einwirkung
geordneter Ablauf
Verlust der Regulation
de novo Gentranskription
keine de novo Gentranskription
neue Proteinbiosynthese erforderlich
keine Proteinbiosynthese erforderlich
definierte DNA-Fragmentierung
zufällige DNA-Verdauung
energieaufwändig
nicht energieaufwändig
Ausführende Caspasen (insbesondere Caspasen 3, 6 und 7) spalten Proteine
von Zytoskelett oder Kernstruktur, Enzyme mit Zellreparaturaufgaben,
Moleküle der Zellzyklusregulation sowie Moleküle oder Enzyme, die am
Ablauf der Apoptose und ihrer Regulation beteiligt sind. Aus den angestoßenen Reaktionen resultieren schließlich die morphologischen Veränderungen
der Zelle.
■ Ligand-Rezeptor-Interaktion: Die Apoptose kann durch rezeptorvermittelte
Signale gesteuert werden. Man unterscheidet anti- und proapoptotische LigandRezeptor-Wirkungen. So hat zum Beispiel Thyreotropin (TSH) einen antiapoptotischen Effekt auf Thyreozyten. Kommt es nun zur Verringerung der TSHWirkung an den Thyreozyten, dann wirkt dieser Zustand proapoptotisch, und
der apoptotische Zelluntergang erfolgt. Der Vorgang mündet mittelfristig in einer
numerischen Atrophie des Zielorgans (hier: der Schilddrüse). Eine proapoptotische Interaktion stellt beispielsweise die Ligandenbindung an den CD95-Rezeptor
(Fas-Rezeptor) oder den Tumor-Nekrose-Faktor-Rezeptor (TNFR-1) dar.
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Tab. 4-1
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