LABORATORIUMSMEDIZIN Abteilung Immunologie Direktor: Prof. Dr. Reinhold Förster Forschungsprofil Das Immunsystem ist ein den gesamten Organismus durchziehendes Netzwerk, das Informationen über die momentane Präsenz eigener, harmloser und pathogener Bestandteile im Körper sammelt, bewertet und entsprechend darauf reagiert. In den allermeisten Fällen bedeutet dies Toleranzinduktion und nur im Falle pathogener Belastung wird eine angeborene oder adaptive Immunantwort in die Wege geleitet. Diese Aufgabe wird durch immunkompetente Zellen und Gewebe erfüllt, wobei der notwendige Informationsfluß und die Konsequenzen daraus durch gesteuerte Migration/Zirkulation bzw. Kommunikation der daran beteiligten Zellen gewährleistet werden. Dies sowie die Entstehung der lymphatischen Strukturen wird zu einem erheblichen Anteil durch das Chemokin/Rezeptorsystem gesteuert. Das Institut für Immunologie verfolgt mit seinen Projekten daher das Ziel, zu einem besseren Verständnis des Immunsystems vor dem Hintergrund dieser dynamischen, von den Chemokin/Rezeptorsystem gesteuerten Prozesse zu gelangen. Dabei steht die Analyse der mittelbaren wie unmittelbaren Einflussnahme in das Chemokin/Rezeptorsystem und der von ihm regulierten Prozesse der zellulären Differenzierung, Aktivierung, Adhäsion/Kommunikation im Mittelpunkt des Interesses. Seit dem Umzug des Institutes in das TPFZ konnten zwei unabhängige Nachwuchsgruppen an das Institut gewonnen werden, die sich mit der Thematik des Funktion der Sphingosin1-phosphats und seiner Rezeptoren (Dr. Markus Gräler) bzw. der mukosalen Immunität und Toleranz gegen Darmbakterien (Dr. Dirk Bumann) beschäftigen. Forschungsprojekte Die balancierte Expression der Chemokinrezeptoren CXCR5 und CCR7 steuert die transiente Migration von follikulären T-Helferzellen in die B-Zellfollikel Eine wesentliche Aufgabe des Immunsystems besteht darin, eingedrungene Pathogene schnell und effektiv zu bekämpfen. Ein entscheidendes Ereignis im Verlauf einer erworbenen Immunantwort stellt die Interaktion verschiedener Lymphozytenpopulationen untereinander dar. Ein Beispiel hierfür ist der Kontakt zwischen T- und B-Zellen innerhalb der lymphatischen Organe, in dessen Verlauf es zu einer Aktivierung der B-Zellen und damit zur Antikörperproduktion kommen kann. Die Chemokinrezeptoren CCR7 und CXCR5 sowie ihre Liganden CCL19/CCL21 und CXCL13 sind von entscheidender Bedeutung als immunologische Regulatoren der Migration funktionell unterschiedlicher T- und B-Zellen. Sie spielen nicht nur eine MHH Forschungsbericht 2005 671 LABORATORIUMSMEDIZIN wichtige Rolle bei dem Homing von Zellen in die sekundären lymphatischen Organe sondern, wie in diesem Projekt für T-Zellen und in vorangegangen Arbeiten für B-Zellen gezeigt, auch bei der Migration zwischen B-Zellfollikel und T-Zellzone. Der Chemokinrezeptor CXCR5 wurde ursprünglich als homöostatischer Rezeptor (d.h. Bindung eines konstitutiv exprimierten Liganden) auf B-Zellen beschrieben. Neuere Arbeiten haben jedoch eine kleine Subpopulation CXCR5 exprimierender T-Helferzellen identifiziert, welche sich innerhalb der B-Zellfollikel humaner Tonsillen sowie im Blut befinden. Diese Zellen wurden aufgrund ihrer Lokalisation und ihrer Fähigkeit, in vitro effektive B-Zellhilfe zu geben, „follicular B helper T cells“ (TFH ) genannt. Abb. 1: CXCR5 und CCR7-Expression nach Immunisierung mit OVA und Poly I:C CFSE markierte Lymphozyten aus DO11.10-Mäusen wurden i.v. in Balb/c Empfänger injiziert und diese einen Tag später mit OVA/Poly I:C s.c. immunisiert. An Tag vier wurden die Zellen aus den drainierenden LN analysiert. A,B) zeigt die Expression von CXCR5 bzw. CCR7 von KJ1-26+ Zellen in Bezug auf die Proliferation (CFSE) Abb. 2: Die Expression von CXCR5 und CCR7 bestimmt die Lokalisation innerhalb des LN A-C) Immunhistologische Aufnahme von 8µmGefrierschnitten drainierender LN. Transfer von Lymphozyten aus A) DO11.10 CXCR5+/+, B) DO11.10CXCR5-/- und C) DO11.10CCR7-/- Mäusen (alle auf Balb/c x 129SV gemischten Hintergrund) auf F1 Balb/c x 129SV-Empfängertiere. Alle Empfängertiere erhielten FTY720 über das Trinkwasser. Die Empfängertiere wurden s.c. mit OVA/CT immunisiert und die LN vier Tage später analysiert. Dargestellt ist eine Färbung der transferierten Zellen mit KJ1-26 in grün, B-Zellfollikel (anti-B220, blau) und T-Zellen (anti-CD3, rot). In der vorliegenden Arbeit konnte mit Hilfe von adoptiven Transferexperimenten mit T-Zellen, welche einen transgenen T-Zellrezeptor für OVAlbumin exprimieren, die CXCR5Expression auf aktivierten T-Zellen sowie die CXCR5-vermittelte Migration dieser Zellen in die B-Zellfollikel des drainierenden Lymphknotens (LN) gezeigt werden (Abb. 1). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass transferierte T-Zellen weiterhin CCR7 exprimieren und diese CCR7-Expression die Zellen solange in der T-Zellzone zurückhält, bis ein bestimmter 672 MHH Forschungsbericht 2005 LABORATORIUMSMEDIZIN Schwellenwert an CXCR5-Expression erreicht ist, und die T-Zellen dann dem CXCL13- Signal in die B-Zellfollikel folgen können (Abb. 2 und 3). In vivo B-Zellhilfe-Experimente mit CXCR5 defizienten T-Zellen zeigen, dass die Migration von T-Zellen in die B-Zellfollikel wichtig ist, um eine effiziente Immunglobulinproduktion zu induzieren (Abb. 4). In dieser Arbeit konnte außerdem eine CXCR5 positive T-Zellpopulation in den Peyerschen Platten (PP) identifiziert werden, welche kein CCR7 exprimieren und somit den für TFH-Zellen beschriebenen Phänotyp tragen. Übereinstimmend mit diesem Phänotyp wurde auch, verglichen mit den LN, eine erhöhte Anzahl T-Zellen in den B-Zellfollikeln der PP gefunden. Abb. 3: CXCR5-/- T-Zellen können nicht in die B-Zellfollikel migrieren Immunhistologische Aufnahme von 8µm Gefrierschnitten des drainierender LN. Transfer von Lymphozyten aus A) CXCR5+/+ DO11.10 und B) CXCR5-/- DO11.10 (beide auf gemischten Balb/c x 129SV Hintergrund) auf F1; Balb/c x 129SV-Empfängertiere. Die Empfängertiere wurden s.c. mit OVA/CT immunisiert und an den beschriebenen Zeitpunkten die LN entnommen und analysiert. Um die transferierten Zellen und die B-Zellfollikel darzustellen, wurden die Schnitte mit Aceton fixiert und mit KJ1-26 (rot) und anti-B220 (blau) gefärbt. Abb. 4: Verminderte IgG Sezernierung CXCR5 defizienten Mäusen A,B) ELISA-Analyse TNP-spezifischer IgG1 (A), IgG2a (B) und Immunglobuline im Serum neun Tage nach i.p. Immunisierung. CXCR5-/- 129SV Hintergrund (weiße Balken) und 129SV Mäuse (schwarze Balken)wurden mit TNP-BSA/Poly I:C bzw. CXCR5-/- (C57Bl/6 Hintergrund) und C57Bl/6 mit TNP-BSA/CT immunisiert. (drei Mäuse pro Gruppe; ** p<0.01, * p<0.05; unpaired two tailed student’s t-test) Um die CXCR5 exprimierenden T-Zellpopulation aus den PP besser zu charakterisieren und sie mit den nach adoptivem Transfer generierten CXCR5+ Zellen aus dem LN zu vergleichen, wurde eine vergleichende DNA Mikroarray-Analyse durchgeführt. Hierbei wurden 371 Gene MHH Forschungsbericht 2005 673 LABORATORIUMSMEDIZIN identifiziert, die signifikant unterschiedlich exprimiert sind, aber nur wenige davon wurden in Studien mit humanen TFH-Zellen als signifikant beschrieben. So zeigt sich, dass Unterschiede in den Expressionsmuster der Zellen aus LN, PP und humanen Tonsillen bestehen. Ob diese auch mit funktionellen Unterschieden verknüpft sind, müssen weitere Analysen zeigen. Weitere Informationen in: Hardtke et al. Blood 2005. Weitere Forschungsprojekte Chemokinrezeptoren bei der Entwicklung lymphatischer Organe Projektleiter: L. Ohl/R. Förster; Förderung: DFG Regulation von Chemokinrezeptoren während der Induktion einer spezifischen TZellimmunantwort Projektleiter: L. Ohl/R. Förster; Förderung: DFG Die Rolle des Chemokinrezeptors CCR7 bei der Migration von dendritischen Zellen der Haut Projektleiter: L. Ohl/R. Förster; Förderung: DFG Der Einfluss von Sphingosin-1-phosphat und seines Analogen FTY720 auf die Reifung und Migration von dendritischen Zellen Projektleiter: R.Förster/G. Bernhardt; Förderung: DFG SFB566-A14 Funktionelle Bedeutung von CD155 und ihm verwandter Rezeptoren in immunologischen und entwicklungsbiologischen Prozessen Projektleiter: G. Bernhardt; Förderung: DFG, Stipendienprogramm Infektionsbiologie des Landes Niedersachsen Identifikation und funktionelle Analyse von Kandidatengenen die an der lymphogenen Metastasierung und Angiogenese des kolorektalen Karzinoms beteiligt sind Projektleiter: R. Förster/U. Wulbrand; Förderung durch das Nationale Genomforschungsnetzwerk des BMBF Funktionelle Analyse der Kandidatengene CCR7, CXCR4 und CXCR5 bei der Metastasierung des kolorektalen Karzinoms Projektleiter: R. Förster; Förderung durch das Nationale Genomforschungsnetzwerk-2 des BMBF 674 MHH Forschungsbericht 2005 LABORATORIUMSMEDIZIN Der Einfluss von Sphingosin-1-Phosphat auf die Steuerung von Komponenten der Lymphozytenmigration bei physiologischer und autoreaktiver Immunantwort Projektleiter: O. Pabst/R. Förster; Förderung durch SFB 566-A14 Die Funktion des Chemokinsystems bei der Initiation der intestinalen Immunität, der Induktion der oralen Toleranz und der Entstehung der Kolitis Projektleiter: R. Förster/O. Pabst; Förderung durch SFB 621-A1 Struktur, Organogenese und Funktion von „solitary intestinal lymphoid tissue“ Projektleiter: Oliver Pabst; Förderung durch SFB621-A11 Humanisierung des murinen Chemokinrezeptors CCR7 Projektleiter: Oliver Pabst Die Rolle von homöostatischen Chemokinrezeptoren für die mukosale Immunität der Lunge Projektleiter: G. Hintzen / R. Förster; Förderung durch SFB587-B3 Rolle des Chemokinerezeptors CCR7 in der Intrathymischen T-Zell-Entwicklung Projektleiter: A.Misslitz/R. Förster Mukosale Immunität und Toleranz gegen Darmbakterien Projektleiter: D. Bumann; Förderung durch SFB621-A9; Nachwuchsgruppe im SFB Untersuchung der funktionellen Bedeutung von Sphingosin 1-Phosphat und dessen Rezeptor S1P1 für die Aktivierung und Wanderung von Lymphozyten Projektleiter: M. H. Gräler; Förderung durch das Emmy Noether-Programm der DFG Originalpublikationen Czeloth, N., Bernhardt, G., Hofmann, F., Genth, H., and Forster, R. Sphingosine-1phosphate mediates migration of mature dendritic cells. J Immunol 2005; 175:2960-7. ming of polarized tissue-selective homing receptor patterns of T cells: important roles for soluble factors and tissue microenvironments. Eur J Immunol 2005; 35:1056-65. Dudda, J. C., Lembo, A., Bachtanian, E., Huehn, J., Siewert, C., Hamann, A., Kremmer, E., Forster, R., and Martin, S. F. Dendritic cells govern induction and reprogram- Graler, M. H., Huang, M. C., Watson, S., and Goetzl, E. J. Immunological effects of transgenic constitutive expression of the type 1 sphingosine 1-phosphate receptor by MHH Forschungsbericht 2005 675 LABORATORIUMSMEDIZIN mouse lymphocytes. J Immunol 2005; 174: 1997-2003. Gunther, K., Leier, J., Henning, G., Dimmler, A., Weissbach, R., Hohenberger, W., and Forster, R . Prediction of lymph node metastasis in colorectal carcinoma by expressionof chemokine receptor CCR7. Int J Cancer 2005; 116:726-33. Hardtke, S., Ohl, L., and Forster, R. Balanced expression of CXCR5 and CCR7 on follicular T helper cells determines their transient positioning to lymph node follicles and is essential for efficient B-cell help. Blood 2005; 106:1924-31. Johansson-Lindbom, B., Svensson, M., Pabst, O., Palmqvist, C., Marquez, G., Forster, R., and Agace, W. W. 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Diplomarbeiten Paul Andreani (Chemische Technologie). „Etablierung einer HPLC-basierenden Methode zur Aufklärung der Signaltransduktion und des Metabolismus der Sphingolipide“ Weitere Tätigkeiten in der Forschung Prof. Dr. R. Förster: Sprecher des Sonderforschungsbereiches 621; Programmbeauftragter des internationalen PhD-Studienganges „Infectionbiology“; Gutachter der DFG, des BMBF, der Leibnizgesellschaft, des Austrian Science Funds und der German-Israeli-Foundation. Gutachtertätigkeit für die Zeitschriften der Nature-Gruppe, Immunity, Journal of Experimental Medicine, Journal of Immunology, European Journal of Immunology, International Journal of Cancer, u.a. Dr. Dirk Bumann: Gutachter für DFG und Welcome Trust Dr. Oliver Pabst: Gutachter für DFG Einzelverfahren MHH Forschungsbericht 2005 677