M E D I Z I N DISKUSSION Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Neue Erkenntnisse zur Immunpathogenese Wo bleiben die eosinophilen Granulozyten? Die Autoren beschreiben die Pathogenese beider Krankheiten als ein Geschehen, das von entzündungsfördernden und -hemmenden Zytokinen bestimmt wird. Die Zytokine werden als Produkte von neutrophilen Granulozyten, Monozyten, Makrophagen, Tund B-Lymphozyten angesehen. Eosinophile werden nicht erwähnt, obwohl gerade sie, wie mehrfach licht- und elektronenmikroskopisch dokumentiert wurde, in großer Zahl in der Lamina propria des Darms vorhanden sind (1). Bedenkt man ferner, was ebenfalls eindeutig bewiesen ist, daß die eosinophilen Granulozyten von zentraler Bedeutung sind für den Ablauf zellvermittelter immunologischer Abwehrreaktionen (2), kommen Zweifel auf, daß der beschriebene pathogenetische Prozeß den tatsächlichen Vorgängen entspricht. Diese Zweifel werden noch verstärkt, wenn, wie bei SCID-Mäusen, ein erheblicher Mangel an eosinophilen Granulozyten in der Lamina propria des Darms festzustellen ist (3). Aus eigener Sicht ist das ablaufende pathogenetische Geschehen vergleichbar mit den Vorgängen, wie sie bei Nasenschleimhautpolypen mit allergischer Genese beobachtet werden konnten (4). Es ist offenbar hier wie da ein Prozeß, der sich am und im Epithel abspielt. Letztendlich tritt dabei eine Schädigung des Epithels, möglicherweise aber auch, was noch zu untersuchen wäre, eine Schädigung der pro- Schlußwort Eosinophile Granulozyten (1) sind ebenso wie Mastzellen (1, 2) und eine Vielzahl weiterer Immun- und Nichtimmunzellen wichtige Elemente von Entzündungsreaktionen. Auch im Darm ist eine Beteiligung dieser Zellen, möglicherweise abhängig vom Stadium des entzündlichen Befalls und zeßbestimmenden Eosinophilen ein. Außerdem ist infolge der Lokalisation des Abwehrprozesses an der Grenzfläche Darmschleimhaut/Darmlumen die Organisation einer adäquaten Abwehrreaktion mit trizonaler GliedeZu dem Beitrag von Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Schreiber Prof. Dr. med. Eduard F. Stange in Heft 19/1997 rung (2) nicht möglich. Auch kann der Abwehrprozeß von den ursächlich wirksamen Substanzen ständig erneut angefacht werden, was einen kontinuierlichen Nachschub an eosinophilen Granulozyten erforderlich macht. Literatur 1. Schmidt H, Módis L: Elektronenmikroskopischer Nachweis von Phenoloxidase (EC 1.14.18.1) in eosinophilen Granulozyten des Dünndarms weißer Ratten. Folia Haematol, Leipzig 1985; 112: 550–561. 2. Schmidt H: Phenoloxidase (EC 1.14.18.1) a marker enzyme for defense cells. G Fischer Verlag, Stuttgart–New York 1988. Progress in Histochemistry and Cytochemistry 17/3. (Zusammenfassende Darstellung, über 300 Literaturangaben). 3. Schmidt H et al.: Untersuchungen zum Vorkommen von Phenoloxidase enthaltenden Zellen bei SCID- und Balb/c-Mäusen. In Vorbereitung. 4. Schmidt H, Krell D, Krell R: Zur Pathogenese von Nasenschleimhautpolypen, untersucht mit dem histochemischen Nachweis für Phenoloxidase (EC 1.14.18.1). Acta histochem. 1990; 89: 187–200. Dr. Dr. med. habil. H. Schmidt W.-Külz-Straße 32 04683 Naunhof dem damit verbundenen Zytokinmuster (3), wahrscheinlich sehr wichtig. Eosinophile Granulozyten sind ebenso wie Mastzellen Produzenten von Zytokinen und stehen ihrerseits unter dem Einfluß löslicher Mediatoren. Zytokine (zum Beispiel Interleukin-8 [4]) sind wahrscheinlich (neben der Ausprägung entsprechender Adhäsionsmoleküle auf den Endothelien) für den Einstrom von Phagozyten in die entzündete A-2508 (64) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 39, 26. September 1997 Darmschleimhaut verantwortlich. Experimentell lassen sich viele Hinweise finden, daß proentzündliche Zytokine wesentliche Steuerelemente in der Pathophysiologie akuter Schübe sind. Inwieweit Zytokine aber tatsächlich eine Schlüsselrolle in der Pathophysiologie der schubweisen intestinalen Entzündung (nicht der Ätiopathogenese) spielen, kann nur durch den kontrollierten Therapieversuch in vivo entschieden werden. Insofern erwarten wir die Ergebnisse derzeit laufender klinischer Studien, die Zytokinantagonisten oder auch kontraentzündliche Zytokine (Interleukin-10) therapeutisch evaluieren, mit Spannung. Völlig unklar ist, ob die Schädigung der mukosalen Integrität von der epithelialen Seite (das heißt aus dem Darmlumen) erfolgt oder ob zugrundeliegende entzündliche Prozesse zum Beispiel zuerst die Gefäße betreffen. Auch hier ist ein zusätzlicher Einblick in den nächsten Jahren zu erwarten. Literatur 1. Bischoff SC, Wedemeyer J, Herrmann A, Meier PN, Trautwein C, Cetin Y, Maschek H, Stolte M, Gebel M, Manns MP: Quantitative assessment of intestinal eosinophils and mast cells in inflammatory bowel disease. Histopathology 1996; 28: 1–13. 2. Bacci S, Faussone-Pellegrini S, Mayer B, Romagnoli P: Distribution of mast cells in human ileocecal region. Dig Dis Sci 1995; 40: 357–365. 3. Desreumaux P, Brandt E, Gambiez L, Emilie D, Geboif K, Oeztorf N, Klein O, Cortot A, Capron M, Colombel J-F: Distinct cytokine patterns in early and chronic ileal lesions of Crohn’s disease. Gastroenterology 1997; 113: 118–126. 4. Harada A, Mukaida N, Matsushima K: Interleukin 8 as a novel target for intervention therapy in acute inflammatory diseases. Mol Med Today 1996; 2: 482–489. Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Schreiber Universitätsklinikum Charité, IV. Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik, Medizinische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin Schumannstraße 20/21 10117 Berlin Prof. Dr. med. Eduard F. Stange Medizinische Universität zu Lübeck Medizinische Klinik I Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck