Allergische Erkrankungen - Universität des Saarlandes

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Allergische Erkrankungen
- Pathophysiologie als Grundlage
zur rationalen medikamentösen Therapie
von
Gerhard W. Sybrecht und Michaela Leutz
Etwa 40% der Bevölkerung reagiert
im Hauttest auf ein Allergen und
gilt somit als atopisch veranlagt,
aber nicht alle weisen klinische
Symptome oder gar Zeichen einer
Erkrankung auf. Die Symptome
entstehen durch eine allergische
Entzündungsreaktion im betroffenen Organsystem, die erst einen
gewissen Grad erreichen muss, um
überhaupt klinisch in Erscheinung
zu treten (Abb. 1).
Studien an gesunden Studenten ohne anamnestische Hinweise auf
Heuschnupfen, die im Hauttest positiv auf Gräserpollen reagiert hatten, und die im weiteren Verlauf eine saisonale allergische Rhinitis entwickelten, legen den Verdacht auf
eine gewisse Latenzzeit von der Allergisierung bis zur Entwicklung klinischer Symptome nahe. Die Vermutung, dass erst gewisse entzündliche Veränderungen im Organsystem vorhanden sein müssen,
wird auch dadurch unterstützt,
dass bei Patienten ohne Asthma,
die auf Hausstaubmilben lediglich
mit allergischer Rhinitis reagieren,
bereits eine Entzündung der unteren Atemwege vorliegt, die in etwa
zwischen der Entzündungsreaktion,
wie sie bei Asthma auftritt und dem
Fehlen jeglicher entzündlicher
Veränderungen in der Schleimhaut
gesunder Probanden liegt.
Diese Entzündungsreaktion, die in
den einzelnen Organen unterschiedlich stark ausgeprägt sein
2
Wenn jetzt mit den ersten Frühlingstagen der Pollenflug wieder beginnt,
treten bei vielen Menschen Augentränen, Niesen, Schnupfen, Husten,
ein Engefühl in der Brust und andere Beschwerden auf. Diese Beschwerden sind die klassischen Symptome allergischer Atemwegserkrankungen,
die in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben. Die Prävalenz
von Asthma wird aktuell auf 10% bei Kindern und mindestens 5% bei
Erwachsenen, die von Heuschnupfen auf 15% geschätzt. Die Erkrankungen erlangen eine große volkswirtschaftliche Bedeutung, denn sie
verursachen hohe Kosten und zum Teil erhebliche Krankheitszeiten und
Arbeitsausfälle. Bei Patienten, die zunächst nur an Heuschnupfen leiden,
kann die Erkrankung im Laufe der Jahre einen Etagenwechsel vollziehen
und zu Asthma führen, an dessen Folgen auch heute noch Patienten
sterben können, wenn die Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt oder
untertherapiert wurde.
kann, entsteht durch ein komplexes
Zusammenspiel verschiedener Zellen und Botenstoffe.
Allergische Erkrankungen
führen zu
Entzündungsreaktionen
bedeutete, dass neben der klassischen Vorstellung der Mastzelldegranulation als Auslöser für die anfallsweise auftretenden Symptome
andere Mechanismen zu Veränderungen in den Atemwegen führen
mussten.
Früher dachte man, dass ein IgE
(Immunglobulin E) vermittelter
Kontakt des inhalierten Allergens
an der Zelloberfläche von Mastzellen zu einer Freisetzung von
Histamin und anderen Mediatoren
führte, die dann durch eine Stimulation der Rezeptoren glatter Muskelfasern in den Atemwegen eine
Bronchokonstriktion, das heißt eine
Engstellung der Bronchien auslösten. Allerdings konnten weder Medikamente zur Bronchodilatation
noch solche zur Mastzellstabilisation die Symptome bei chronisch
allergischen Atemwegserkrankungen ausreichend kontrollieren. Das
Heute weiß man, dass Asthma,
auch das allergisch bedingte oder
extrinsic Asthma, eine entzündliche
Erkrankung der Atemwege darstellt. Um diese Entzündungsreaktion zu unterhalten, bedarf es eines
komplexen Zusammenspiels verschiedener Zellen, die durch verschiedene Botenstoffe angelockt
und in ihrer Aktivität kontrolliert
werden (Adhäsionsmoleküle, Interleukine). Diese werden von verschiedenen Zellen, die an der Entzündung beteiligt sind, unter bestimmten Bedingungen freigesetzt
und können andere Zellen anlocken und stimulieren oder deren
Universität des Saarlandes
Allergen
Aktivierung der Immunzellen
Mastzellen
T-Lymphozyten
B-Lymphozyten
Langerhans´Zellen
Aktivierung der
Schleimhautzellen
Endothelzellen
Epithelzellen
Zellrekrutierung
und Aktivierung
Mastzellen
Eosinophile
Basophile
Epithelschaden
Fibroblastenproliferation
Kollagendisposition
Hyperthrophie und –plasie
der glatten Muskulatur
Gefäßerweiterung
Mediatorfreisetzung
Neurale Stimulation
Gefäßdilatation
und erhöhte
Gefäßpermeabilität
Symptome
Reparationsmechanismen
Bronchokonstriktion
Wandverdickung
der unteren
Atemwege
Bronchiale Hyperreagibilität
Abb. 1: Entstehung der klinischen Symptome aufgrund der Entzündung der Atemwege
durch eine allergische Reaktion
Wirkung verstärken oder hemmen
(Abb. 2).
Mastzellen
Bei den Mastzellen führt die direkte
Bindung des Allergens mit dem spezifischen IgE-Antikörper an die auf
der Zelloberfläche lokalisierten
Rezeptoren zur Freisetzung von
Histamin und verschiedenen Proteasen. Daneben enthalten die Mastzellen auch die Interleukine IL-4, IL5, IL-6 und den TumornekroseFaktor TNF-a. Mastzellen gehören
zusammen mit den Basophilen, die
die beiden Zytokine IL-4 und IL-13
freisetzen, zu den Effektorzellen
einer allergischen Entzündung.
Dabei setzen Mastzellen Histamin,
Leukotriene, Prostaglandine, Kinine
sowie Tryptase frei. Diese können
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direkt die Rezeptoren von Nerven
und Gefäßen und in den unteren
Atemwegen auch der glatten Muskulatur aktivieren und die klassischen Symptome der Rhinitis, nämlich Nasenjucken, Niesreiz und
Nasensekretion, und eine Atemwegsobstruktion auslösen. Ihre Aktion wird durch b2-Sympatomimetika, Substanzen, die sich vom
Adrenalin herleiten, behindert.
Basophile Granulozyten
Basophile Granulozyten sezernieren Histamin und Leukotriene, die
ebenso wie die Mediatoren, die von
den Mastzellen freigesetzt werden,
zur Kreislaufdepression im anaphylaktischen Schock beitragen. Diese
Mediatoren werden innerhalb weniger Minuten freigesetzt und füh-
ren
zu
sofortigen
Symptomen. Das bedeutet in den oberen Atemwegen, dass über einen
Reflex ein Jucken in der
Nase, Niesen und Nasensekretion sowie, bedingt durch eine Erweiterung der Gefäße, eine
nasale Obstruktion auftreten. In den unteren
Atemwegen führt die
Freisetzung der Mediatoren zu einer Engstellung
der Atemwege (Bronchokonstriktion) und zur
vermehrten Bildung eines zähen Bronchialschleims. Der Patient
klagt über ein Engegefühl in der Brust, Atemnot, Husten und ein giemendes, brummendes
Nebengeräusch beim Atmen. Diese Reaktion
kann durch eine Stimulation der sensiblen Nervenenden durch die Freisetzung von Neuropeptiden noch verstärkt
werden.
Makrophagen
Makrophagen exprimieren wie die
Mastzellen einen IgE-Rezeptor auf
der Zelloberfläche, der im Unterschied zu den IgE-Rezeptoren der
Mastzellen jedoch nur eine geringe
Affinität für IgE besitzt. Durch die
Besetzung der IgE-Rezeptoren und
durch andere Mechanismen werden die Makrophagen aktiviert. Sie
setzen daraufhin verschiedene Zytokine, dazu gehören die Interleukine IL-1, IL-8, IL-10, TNF-a, GMCSF, EAF und IFN-g, und verschiedene Mediatoren (Prostaglandin
E2, Leukotrien B4 sowie freie Radikale (O2-) frei. Ihre Aktivierung
kann durch Glukokortikosteroide
(Cortison) gehemmt werden.
Der Kontakt mit einem Allergen
führt zu einer raschen Freisetzung
von Mediatoren aus den Mast3
zellen, die zu den klassischen
Symptomen führt. Im Anschluss an diese Sofortreaktion
tritt eine sogenannte zellvermittelte Immunantwort auf, an
der hauptsächlich eosinophile
Granulozyten und Lymphozyten beteiligt sind. Die Sekretion von IL-1 führt zu einem
Anstieg von E-Selectin, P-Selektin, und den Adhäsionsmolekülen ICAM-1 und VCAM-1
(Intercellular adhesion molecule-1, vascular cell adhesion
molecule-1) auf der Oberfläche der Bronchialschleimhaut.
Dadurch werden eosinophile
Granulozyten, mononukleäre
Zellen, basophile und neutrophile Granulzyten im Gewebe rekrutiert. Bei Patienten
mit Heuschnupfen findet man
während der Pollenflugsaison
eine Anhäufung von Entzündungszellen in den Atemwegen. Dies erklärt das klinische
Phänomen, dass die Symptome trotz gleichbleibender
Pollenkonzentration in der Luft
am Ende der Pollensaison stärker ausgeprägt sind als zu
Beginn.
Eosinophile Granulozyten
Allergen
LangerhansZelle
INF-g
IL-12
Antigenpräsentierende
Zelle
PGE2
IL-10
PGE2
Th1
IL-12
Th0
IL-10
IL-4
Th2
IL-1
IL-4
IL-4
Eosinophile
IL-3
IL-5
GM-CSF
Chronische Symptomatik
INF-g
INF-g
B
IL-4
IL-5
IL-13
IgE
IgE
IL-4
IL-3
IL-5
IL-4
IL-10 Mastzellen
Basophile
Akutsymptomatik
Abb. 2: Regulierung der IgE-Synthese und der Entzündungsreaktion
Stimuliert durch IL-4 produzieren Th2-Zellen IL-4, IL-5 und IL-13 und führen dadurch
zu einer vermehrten IgE-Produktion der B-Lymphozyten. Die gleichzeitige
Produktion von IL-10 hemmt dabei Th1-Lymphozyten, die wiederum durch ihre
Interferon-gg Produktion sowohl die IgE-Synthese der B-Lymphozyten als auch die
Funktion der Th2-Lymphozyten negativ beeinflussen. Mastzellen und Basophile setzen ebenfalls IL-4 und IL-5 frei und stimulieren dadurch ebenfalls die IgE-Synthese der
B-Lymphozyten. Unter dem Einfluß von IL-3, IL-5 und GM-CSF werden vermehrt
Eosinophile gebildet und in der Schleimhaut rekrutiert, wo sie eine längere
Verweildauer haben, weil IL-5 den programmierten Zelltod hemmt. Der Prozeß
setzt die Antigenaufnahme und dessen Verarbeitung durch Langerhans´ Zellen in der
Mukosa (Antigen-präsentierende Zellen) voraus.
positiver Einfluß,
hemmende Wirkung
atoren und Sauerstoffradikale und
Vor allem die eosinophilen Graandere basische Proteine frei, die
nulozyten, in ihrer Aktion verstärkt
zu einer Abschilferung der Schleimdurch IL-3, IL-5, GM-CSF und INFhautoberfläche beitragen und
g, spielen jetzt in der zellulären
somit den Zugang für Allergene an
die unter der Schleimhautoberfläche liegenden subGerhard Walter Sybrecht, geb. 1943 in Unna/ Westfalen,
mukösen Strukturen erwar Gründungsausschußmitglied der Medizinischen Hochschule in
leichtern. Die Ansammlung
Hannover, wo er nach dem Wehrdienst 1970 sein Staatsexamen
der eosinophilen Graablegte und promoviert wurde mit einer Arbeit über den Genulozyten in den Atemwebssauerstoffpartialdruck. Nach einem Postgraduierten-Studium
am Meakins-Christie-Laboratory an der Mc Gill University in
wegen erfolgt durch eine
Montreal, Kanada in den Jahren 1973 und 1974 wurde er 1978
verstärkte Anlockung (chezunächst Facharzt für Innere Medizin, dann Oberarzt im
motaktische Antwort) auf
Zentrum Innere Medizin der Medizinischen Hochschule
sogenannte Chemokine,
Hannover. Nach der Habilitation 1980 war er bis zu seinem Ruf
durch eine vermehrte Proan die Universität des Saarlandes leitender Oberarzt im Zentrum
Innere Medizin.
duktion eosinophiler Granulozyten im KnochenSchwerpunkt seiner klinischen Forschung sind Pathophysiologie der Atmung, pneumolomark und durch ein längegische Intensivmedizin, klinische Pharmakologie des Respirationstraktes und pneumologische Onkologie. Er arbeitet im Vorstand der Deutschen Lungenstiftung, ist Präsident der
res Verweilen im entzündeDeutschen Gesellschaft für Pneumologie und deutscher Vertreter in der European
ten Gewebe, indem die
School of Respiratory Medicine in Lausanne.
Apoptose, d.h. der pro4
Phase zusammen mit den T-Helfer
Lymphozyten eine wichtige Rolle in
der Unterhaltung einer chronischen Entzündung. Eosinophile
Granulozyten setzen Lipid-Medi-
Universität des Saarlandes
grammierte
Zelltod,
durch IL-5 inhibiert wird.
Lymphozyten
Allergene
Viren
chemische/physikalische Reize
Die spezifische InterakAktivierung
tion zwischen einer Antigen-präsentierenden
Zelle, in der Hauptsache
dentritische LangerhansZellen und T-LymphoSchleimhautoberfläche (Epithel)
zyten führt zu einer TZell-Aktivierung. Die Antigen-präsentierende Zelle prozessiert das Antigen und präsentiert es in
Eotaxin
IL-4
modifizierter Form den
Tryptase
Endothelin
T-Lymphozyten. Bei chroEosinophilenBronchokonstriktion
nischen allergischen Erattraktion
Vasokonstriktion
krankungen gibt es HinHypertrophie der
weise auf eine Erhöhung
IL-8
glatten Muskulatur
der T-Helfer-LymphozyFibroblastenproliferation
ten, die Th2-Zytokine,
IL-8 spezifischer IgA
insbesondere Interleukin
Komplex
Chemoattraktion von
4 (IL-4) und Interleukin
Makrophagen
13 (IL-13) produzieren
Basophilen
und dadurch die IgE-ProAttraktion und Aktivierung
Lymphozyten
duktion der B-Lymder Eosinophilen
Aktivierung von
phozyten begünstigen.
Basophilen
Mastzellen
Die andere Subgruppe
Aktivierung der Eosinophilen
der T-Helfer-Zellen (Th1)
Chemoattraktion von
dagegen produziert InterEosinophilen
feron-g, das seinerseits
T-Lymphozyten
die IgE-Synthese der BMonozyten
Lymphozyten hemmt.
Die beiden Untergruppen
der T-Helfer-Zellen (Th1
und Th2) hemmen sich Abbildung 3: Entzündliche Veränderungen der Atemwege
gegenseitig in ihrer Ent- Bei einer allergischen Atemwegserkrankung werden von den epithelialen Zellen Botenstoffe
wicklung, ein Prozess der gebildet und und sezerniert, die zu einer Entzündungsreaktion in den Schleimhäuten
wiederum durch ausge- führen.
sandte Botenstoffe regupiker (allergisch veranlagte Persozellen, basophilen Granulozyten, Tliert wird. Die Th2-Zyotokine förnen) produzieren vermehrt IgE.
Lymphozyten
und
Langerhans
dern die Ansammlung eosinophiler
Dies legt den Verdacht eines UnZellen regulieren (Abb. 3).
Granulozyten in den Atemwegen,
gleichgewichtes in der Kontrollindem sie das Endothel aktivieren
funktion der beiden Subgruppen
Immunglobulin E
und zu einer verstärkten Adhärenz
der T-Helferzell-Lymphozyten naan der Gefäßwand führen (Abb.2).
he. Th2-Lymphozyten benötigen zu
Spezifische IgE-Antikörper werden
ihrer Entwicklung Interleukin 4.
von B-Lymphozyten unter der ReEpithelzellen
Dieses wird von der Placenta gegulation von Zytokinen, die von T(Schleimhautzellen)
bildet, um eine Th1-vermittelte
Lymphozyten gebildet werden, proimmunologische Abstoßung des
duziert. Die Präsenz spezifischer
Aktivierte Epithelzellen setzen
Foetus zu verhindern. Das PerAntigene führt zu einer positiven
ebenfalls Botenstoffe frei, die die
sistieren dieser placentaren Th2-StiReaktion im Hauttest bzw. im RaBewegung der eosinophilen Granumulierung, möglicherweise aufdioallergosorbenttest
(RAST).
Atolozyten ebenso wie die der Mastmagazin forschung 1/1999
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grund einer verbesserten oder veränderten Ernährung in Abwesenheit einer Differenzierung in Th1Lymphozyten, könnte eine Hauptursache für die steigende Prävalenz allergischer Erkrankungen in
den letzten 30-40 Jahren sein.
Während desselben Zeitraums
wurde jedoch auch ein Rückgang
schwerer Infektionen in den ersten
Lebensjahren und eine zunehmende Umweltbelastung durch Schadstoffe registriert, die die Tendenz
zu einer vermehrten Atopieneigung
verstärken könnten. Infektionen
würden nämlich zu einer vermehrten Stimulation von Th1-Lymphozyten und somit zu einer Abnahme
der Erkrankungen, die durch Th2Lymphozyten begünstigt werden,
führen. IgE-Antikörper binden mit
einer hohen Affinität an Rezeptoren, die auf den Zelloberflächen
von Mastzellen im Gewebe und zirkulierenden basophilen Granulozyten exprimiert werden. Durch
die Bindung des Allergens an den
spezifischen IgE-Antikörper werden die Zellen aktiviert und
Mediatoren gebildet und sezerniert.
Entzündungsreaktion und
Zellaktivierung
Schleimhautbiopsien von Patienten
mit Asthma, Rhinitis und Konjunktivitis zeigen eine vermehrte Ansammlung von Effektorzellen
(Mastzellen, eosinophile und baso-
phile Granulozyten) und eine Vermehrung der T-Lymphozyten in der
Schleimhaut.
Die lokale Freisetzung von Botenstoffen, nämlich Zytokinen und
Chemokinen (chemotaktisch wirkenden Zytokinen) durch aktivierte
T-Lymphozyten, Mastzellen und
epitheliale Zellen führt zu dieser
Anhäufung von Entzündungszellen
in den Atemwegen.
Therapeutische
Konsequenzen
Allergenvermeidung
Wenn eine allergische Erkrankung
diagnostiziert wurde, sollte die Exposition gegenüber dem spezifischen Antigen vermieden werden.
Allein die Vermeidung des Antigens
kann den Schweregrad der Erkrankung herabsetzen, und die erforderlichen Therapiemaßnahmen
können gegebenenfalls reduziert
werden. Dazu muss das Allergen
identifiziert werden und der Patient
über die Möglichkeiten der Allergenvermeidung aufgeklärt werden
(Urlaubsplanung in Kenntnis des
Pollenflugplans und in bestimmte
Regionen, Haushaltssanierung, Umschulungsmaßnahmen, etc.). Die
Identifizierung erfolgt aufgrund der
Anamnese und wird durch den
Nachweis spezifischer IgE-Antikörper mittels eingangs erwähnter
Methoden objektiviert.
Medikamentöse Therapie
Das körpereigene Adrenalin ist das
Basismedikament im anaphylaktischen Schock und ist bei rechtzeitiger Gabe äußerst wirksam.
Glukokortikoide sind bei allen allergischen Erkrankungen die wirksamsten Medikamente zur Vorbeugung klinischer Symptome, indem
sie direkt in den Entzündungsprozess eingreifen und ihn minimieren.
Sie regulieren die Gen-Transkription und führen zu einer Verminderung der Zytokin- und Chemokin-Synthese und verhindern
dadurch indirekt die Ansammlung
von Entzündungszellen und deren
Aktivierung. Sie reduzieren die
Aktivierung der Epithel- und der
Endothelzellen sowie die Anhäufung epithelialer Mastzellen, eosinophiler Granulozyten und Langerhans Zellen. Sie begünstigen die
Apoptose eosinophiler Granulozyten. Sie reduzieren die Zytokinbildung in T-Lymphozyten und Mastzellen. Um systemische Nebenwirkungen zu vermeiden, werden Glukokortikoide am besten topisch,
das heißt inhalativ auf die Atemwege oder als Salbe auf die Haut
appliziert. Ihre Wirksamkeit wurde
in vielen Studien erprobt, ihr
Einsatz ist als Standardtherapie etabliert. Die Eindämmung der Entzündungsreaktion führt zu einer
deutlichen Verbesserung der Symptome und verhindert einen irreparablen Funktionsverlust, der sonst
durch eine strukturelle Veränderung
der Atemwege als
Antwort auf die unbehandelte allergische
Entzündung
entstehen kann.
Dott. (Univ. Roma) Dr. med. Michaela Leutz, geboren 1961
in Heidenheim an der Brenz studierte von 1981-1988 Medizin an der
Università degli Studi „La Sapienza“ in Rom. Nach ihrer Promotion
sowie einer zusätzlichen Promotion an der Universität Ulm und
Approbation begann sie ihre Ausbildung in einer kardiologischnephrologischen Praxisgemeinschaft in Heidenheim bevor sie 1990
nach Homburg an die Medizinische Universitätsklinik, Innere Medizin
V zu Herrn Professor G.W. Sybrecht wechselte. Sie erlangte 1995
die Anerkennung als Facharzt für Innere Medizin und 1997 die
Schwerpunktbezeichnung „Lungen- und Bronchialheilkunde“. Frau
Dr. Leutz wurde 1994 zur Oberärztin ernannt und beschäftigt sich
vor allem mit klinischer Pneumologie und pneumologischer Intensivmedizin. Insbesondere
betreut sie Patienten mit Bronchialkarzinomen, Mukoviszidose und obstruktiven
Atemwegserkrankungen, darunter auch allergischen Atemwegserkrankungen. Ihr derzeitiger
Forschungsschwerpunkt liegt in der Fusion bildgebender Verfahren zur Diagnostik von
Bronchialkarzinomen.
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Chromoglycinsäure
ist nur bei prophylaktischer Anwendung
wirksam. Spezifische
Rezeptor-Antagonisten
(H1-AntiUniversität des Saarlandes
histaminika, Anticholinergika,
Leuko triene-Rezeptor-Antagonisten) sowie funktionelle Antagonisten (bronchodilatatorisch
wirkende ß-2-Sympathomimetika) oder a-Agonisten, die durch
eine Vasokonstriktion zur Abschwellung der Schleimhäute führen, sind in ihrer Wirksamkeit limitiert. Zwar ist Histamin ein wesentlicher Mediator allergischer
Erkrankungen der oberen Atemwege, aber die systemische Gabe
von H1-Antihistaminika führt oft
zu Müdigkeit als intolerable Nebenwirkung.
Allergenvermeidung
Allergen
Allergen
präsentierende
Zelle
Th2
Zytokinantikörper und
Antagonisten
Y
IL-3
BLymphozyten
Y
YY
Mastzellen
Immuntherapie
IL-4
Y Y
Konventionelle Immuntherapie
IL-5
Eosinophile
Y
Y
YY
Bei der Immuntherapie werden
Freisetzung von
Spezifische
Mediatoren
Pharmakotherapie
wiederholt über meist 3-5 Jahre
Histamin
niedrige Dosen eines speziellen
Leukotriene
Allergens verabreicht. Die Gabe
Y
IL-3, IL-4, IL-5,
GM-CSF
erfolgt in der Regel als subkutane
Injektion, um eine immunologische und klinische Toleranz
Symptomatische Therapie
Symptome
gegenüber dem speziellen Antigen zu erzielen. Diese Toleranz
Y = IgE
= Allergen
entsteht vermutlich durch eine
Veränderung der T-lymphozytären Immunantwort oder durch Abb. 4: Therapeutische Ansätze bei allergischen Atemwegserkrankungen
die Induktion einer fehlenden TZell-Antwort (Anergie). Dabei
milben hat diese Therapieform bisergischen Reaktionen zu verhinscheint eine IL-12 Modulation die
lang
wenig
Aussicht
auf
Erfolg.
dern oder zu blockieren (Abb. 4).
Differenzierung von Th0 in Th1Lymphozyten zu begünstigen und
Anti-IgE-Antikörper
Forschungsschwerpunkte
gleichzeitig die IL-4 Synthese durch
Th2 Lymphozyten zu inhibieren.
Gleichzeitig führt eine vermehrte
Anti-IgE-Antikörper scheinen die
Es erscheint wesentlich, dass die
Freisetzung von IL-10 zu einer ReInteraktion zwischen einem AllerUrsachen des Anstiegs allergischer
duktion des TNF-a, GM-CSF und
gen und dem spezifischen IgE-AntiErkrankungen erkannt und besser
IL-6. Bei einer Bienen- oder
körper, beziehungsweise die Synerfasst werden, so dass diese direkt
Wespengiftallergie ist die Immunthese von IgE-Antikörpern hemverhindert werden können. Bereits
therapie als vorrangige Therapiemen zu können. Sie führen auch zu
jetzt sind folgende Punkte zu empmaßnahme zur Prophylaxe zu empeiner verminderten Anzahl von IgEfehlen, um das Allergierisiko zu verfehlen. Bei einer allergischen saisoRezeptoren auf der Zelloberfläche
mindern: kein inhalatives Aktivnalen Rhinitis (Heuschnupfen) auf
von basophilen Granulozyten und
oder Passivrauchen während der
ein isoliertes Allergen ist die ImMastzellen. Die MastzelldegranulaSchwangerschaft sowie die strikte
muntherapie ebenfalls etabliert,
tion wird inhibiert. Dadurch könVermeidung inhalativer Noxen in
allerdings sollte dabei bedacht wernen die Bronchokonstriktion, die
den ersten Lebensjahren. Bislang
den, dass die Patienten häufig im
bronchiale Hyperreagibilität, d.h.
werden im wesentlichen jedoch die
Laufe der Zeit eine Reaktion auf
eine Überempfindlichkeit der
Erkrankungen behandelt, die durch
mehrere Allergene entwickeln, für
Bronchien auf bestimmte Stimuli,
Allergien hervorgerufen werden.
die die spezifische Immuntherapie
und die eosinophile EntzündungsDabei beschäftigt sich die medikadann natürlich nicht wirksam ist.
reaktion minimiert werden. Bislang
mentöse Forschung damit, einzelne
Bei einer Allergie auf Hausstaubliegen wenige Daten vor, die am
Schritte in der Entwicklung der allmagazin forschung 1/1999
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Tiermodell und an einzelnen Studien mit Patienten gewonnen wurden. Da Anti-IgE-Antikörper die Sofortreaktion nach Allergenexposition - das heißt auch die
Freisetzung von Botenstoffen - beeinflussen,
können sie womöglich
die anschließend sich
entwickelnde chronische
Entzündungsreaktion
verhindern.
Allergen
Makro
phagen
TLymphozyten
Zäher
Bronchialschleim
Epithelabschilferung
Subepitheliale Fibrose
Vasodilatation
Gefäßneubildung
Afferente Nerven
Bronchiale
Muskulatur
Konstriktion
Hypertrophie/-plasie
Efferente Nerven
Ödem
Abb. 5: Asthma entsteht durch eine komplexe Entzündungsreaktion mit einer Vielzahl von
Entzündungszellen und Mediatoren. Diese Mediatoren wirken auf die Zellen der Atemwege
ein und führen zu einer Kontraktion der Bronchialmuskulatur, zu einem Ausschwitzen von
Proteinen, einem Ödem, zur Aktivierung sensibler Nervenenden und zur Auslösung cholinerger Reflexe, die dann zu einer Fortsetzung der Entzündungsreaktion beitragen. Die
chronische Entzündung führt zu strukturellen Veränderungen, einer subepithelialen
Fibrose, Hypertrophie und Hyperplasie der glatten Muskulatur. Im akuten Stadium sind
diese Veränderungen reversibel. Zur Vermeidung von Langzeitschäden ist deshalb eine frühzeitige und effektive Therapie notwendig.
Zusammenfassung
Bei allergischen Erkrankungen führt
ein komplexes Zusammenspiel von
verschiedenen Zellen und Botenstoffen zu einer Entzündungsreak-
8
NeutroPhile
Eosinophile
InterleukinAntikörper
Weitere Studien, an denen sich unsere Klinik
beteiligt, beschäftigen
sich mit der Funktionseinschränkung von Zytokinen und Chemokinen
durch monoklonale Interleukin-5-Antikörper
oder Chemokin-Rezeptor-Antagonisten. IL-4
und IL-5 Antikörper führen zu einer Verminderung von IgE und eosinophilen Granulozyten.
Erste Daten zeigten, dass
IL-4-Antikörper die IgEProduktion
hemmen
und IL-5-Antikörper zu
einer Verminderung der
Eosinophilen in den
Atemwegen führen. IL-4und IL-5-Antikörper gemeinsam scheinen darüberhinaus auch einen
Einfluss auf die Hyperreagibilität der Atemwege zu haben.
Mastzellen
tion, die sich selbst perpetuieren
und bei einer ungenügenden Therapie auch zu dauerhaften Schäden
führen kann (Abb. 5). Während
bislang die Therapie im wesentlichen darin bestand, Allergene zu
vermeiden, Symptome zu lindern
bzw. die Entzündungsreaktion ein-
zudämmen, ist man heute darum
bemüht, therapeutische Ansätze zu
finden, um bereits die Entstehung
einer Entzündungsreaktion zu verhindern. Die Antikörper, die gegen
IgE oder gegen verschiedene Interleukine gerichtet sind, könnten dabei eine neue Dimension eröffnen.
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