Servicetransformation – Vom Produktanbieter zum Dienstleistungsunternehmen Intensiver Wettbewerb, hoher Preisdruck, Angleichung von Produkten und Services sowie der Trend der Digitalisierung führen in vielen Branchen dazu, dass sich Unternehmen nicht mehr auf reine Produktangebote beschränken, sondern – im Rahmen eines Transformationsprozesses vom Produktanbieter zum Dienstleistungsunternehmen – zunehmend Dienstleistungen in das Portfolio aufnehmen und vermarkten. ______ Von Prof. Dr. Karsten Hadwich Unternehmen wie Hilti, Caterpillar, Mercedes-Benz, IBM, Siemens usw. wachsen vorwiegend im Dienstleistungsgeschäft und der Umsatzanteil von Dienstleistung beträgt heute circa 50 Prozent. Die Servicetransformation führt zu einer Verlagerung der Wertschöpfung von einer Produktwertschöpfung hin zu einer Servicewertschöpfung. Damit bieten sich neue Chancen zur Wettbewerbsdifferenzierung, zum Aufbau enger Kundenbeziehungen und insbesondere zur Abschöpfung neuer ökonomischer Potenziale. Der Prozess der Servicetransformation betrifft jedoch nicht nur klassische Industriegüterunternehmen, sondern auch die Konsumgüterindustrie sowie die Dienstleistungsbranchen, in denen viele Unternehmen letztlich ebenfalls nur als Produktanbieter agieren. Beispiele dafür sind Banken oder Telekommunikationsanbieter. In vielen Fällen sind die bisherigen Branchenteilnehmer völlig unvorbereitet, wenn neue Serviceanbieter auf dem Markt erscheinen. Dabei zeigt sich, dass es im Rahmen der Servicetransformation nicht ausschließlich um das Angebot von Dienstleistungen geht, sondern vielmehr um die Entwicklung innovativer servicebasierter Geschäftsmodelle. Die Digitalisierung ist ein zentraler Treiber dieser Entwicklung, da sie innovative Servicekonzepte ermöglicht. Beispiele der letzten Jahre sind Amazon im Buchhandel, Zalando im Modegeschäft, Spotify in der Musikindustrie, Uber im Taxigewerbe, Airbnb in der Hotellerie und Car2Go in der Automobilindustrie. Mit der Servicetransformation sind insofern nicht nur evolutorische Veränderungen, sondern oft strukturelle Veränderungen von Märkten und Unternehmen – in einigen Branchen sogar „disruptive Veränderungen“ verbunden. www.bruhn-partner.com 2 bruhn+partner - Servicetransformation Wie ist die Servicetransformation als Veränderungsprozess zu gestalten? Eine wesentliche Frage der Servicetransformation befasst sich mit der Gestaltung der Veränderungsprozesse. Dabei lassen sich aus der Beobachtung aktueller Entwicklungen vier Phasen und Wertschöpfungsmodelle unterscheiden (vgl. Abbildung 1). Die erste Stufe des Phasenmodells der Servicetransformation ist das produktorientierte Geschäftsmodell, bei dem das Produkt des Anbieters die Kernleistung darstellt und die Dienstleistung inhaltlich mit der Kernleistung zusammenhängt. Je nach Entwicklungsschritt bietet der Anbieter zusätzlich zu seiner originären Leistung eigenständige und marktfähige Dienstleistungen. Ziel ist es, den Absatz der Kernleistung zu fördern, die Produktivität des Produkts zu steigern und über den gesamten Produktlebenszyklus Umsatz zu erzielen. 4 Abbildung 1: Entwicklungsphasen der Servicetransformation 3 2 1 Wertschöpfungsorientierung Serviceorientierung Systemlösungsorientierung Produktorientierung Ein weiterer Schritt der Servicetransformation besteht darin, sich zu einem Systemlösungsanbieter weiterzuentwickeln. Das Ziel des Systemlösungsanbieters ist das Angebot eines kompletten Leistungsbündels aus einer Hand, d. h. der Anbieter bündelt Produkte und produktbegleitende Dienstleistungen – auch solche anderer Anbieter – zu einer Gesamtlösung und verkauft diese. Die nächste Stufe im Phasenmodell ist das dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell. Der Service selbst stellt jetzt die eigentliche Kernleistung dar. Hier werden neue Kernkompetenzen aufgebaut und eigenständige organisatorische Bereiche im Unternehmen geschaffen. Noch weiter geht das wertschöpfungsorientierte Geschäftsmodell. Es stellt den umfangreichsten Entwicklungsschritt in der Servicetransformation dar. Dieser vereint den Produkt-, Systemlösungs- und Dienstleistungsanbieter und bietet dem Kunden neben der Planung, der Produktion und Finanzierung des Gesamtprodukts ebenso auch den Betrieb (und die Vermarktung) der Leistung an. Hierbei verändert sich die klassische Kunden-Anbieter-Beziehung und der Anbieter agiert als Partner für einen Teil der kundenseitigen Wertschöpfung. www.bruhn-partner.com bruhn+partner - Servicetransformation 3 Die Betrachtung der verschiedenen empirischen Untersuchungen zum Entwicklungsstand der Servicetransformation (z. B. Neely 2008) zeigen, dass das Thema Servicetransformation in der Unternehmenspraxis zwar angekommen ist und sich auch zahlreiche Aktivitäten entfalten, jedoch noch erhebliche Entwicklungspotenziale bestehen. Die Angebote von dienstleistungs- und systemlösungsorientierten Geschäftsmodellen finden zunehmend Anwendung. Der höchste Grad der Servicetransformation – das integrative Wertschöpfungsmodell – wird ebenfalls bereits praktiziert, wenn auch bislang nur bei wenigen Unternehmen. Welche Aufgaben sind im Rahmen der Servicetransformation zu bewältigen? Die Aufgaben der Servicetransformation sind vielfältig und zahlreich und lassen sich zu fünf Bausteinen der Servicetransformation zusammenfassen (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2: Bausteine der Servicetransformation Förderung der Kundentransformation Entwicklung von servicebasierten Geschäftsmodellen Service durch Digitalisierung Entwicklung von Serviceinnovationen KundenAnbieterIntegration Management der Anbietertransformation (1) Entwicklung von servicebasierten Geschäftsmodellen Eine wesentliche Aufgabenstellung der Servicetransformation besteht in der Entwicklung von servicebasierten Geschäftsmodellen. Dabei steht das Nutzenversprechen im Zentrum aller Überlegungen. Darauf basierend geht es um das Design der Wertschöpfungsarchitektur, also der Frage, wie der Nutzen für die Kunden und die Partner eines Unternehmens generiert wird. Zuletzt wird das Geschäftsmodell durch das Ertragsmodell bestimmt, das sich in ein Erlös- und ein Kostenmodell gliedert. (2) Entwicklung von Serviceinnovationen Servicetransformation bedeutet die Ausweitung des Dienstleistungsangebotes. Die Entwicklung von neuen Dienstleistungen gehört daher zu einer der zentralen Aufgabenstellungen der Servicetransformation. Es gilt, in den Unternehmen die tradierten Innovationsstrukturen zu durchbrechen und die Voraussetzungen für die Entwicklung und Vermarktung von Serviceinnovationen zu schaffen. (3) Kunden-Anbieter-Integration Die Kundenintegration ist im Rahmen der Dienstleistungserstellung unabdingbar. Bei der Zusammenführung von Kunde und Anbieter geht es um die Frage, wie die Anbieter- und Nachfragerressourcen bei der Erbringung von Serviceleistungen zusammengeführt werden. Die Kunden-Anbieter-Integration ist www.bruhn-partner.com 4 bruhn+partner - Servicetransformation darüber hinaus auch wesentlich, um potenzielle neue Serviceleistungen zu identifizieren. (4) Förderung der Kundentransformation Die Veränderungen von Serviceangeboten, Geschäftsmodellen und der Anbieter-Kunden-Integration führen auch zu Veränderungen beim Kunden. Insofern ist Servicetransformation immer auch Kundentransformation. Zum einen gilt es, die kundenseitigen Veränderungen zu erfassen und diese zum Ausgangspunkt der Entwicklung von Serviceinnovationen und neuen Geschäftsmodellen zu machen. Im besten Falle geht es als Anbieter darum, den Kunden in seinem Transformationsprozess zu begleiten und ihn zu innovieren. Zum anderen stellt sich die Frage nach der kundenseitigen Akzeptanz und Adoption von neuen Serviceangeboten. (5) Management der Anbietertransformation Servicetransformation erfordert die Anpassung des Anbieters an eine veränderte Marktsituation. Neben der Veränderung von Vision und Mission sind die Überarbeitung der Marketingstrategien und -maßnahmen sowie die Anpassung der Unternehmensorganisation notwendig. Die interne Umsetzung und Durchsetzung der Servicetransformation gehört zu den größten Herausforderungen. Ausblick Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass es sich bei dem Thema „Servicetransformation“ um ein zentrales Zukunftsthema sowohl für Sachgüter- als auch für Dienstleistungsunternehmen handelt. Im Zentrum steht für Unternehmen, sich mit der Entwicklung und Implementierung von veränderten und neuen Geschäftsmodellen im Unternehmen zu beschäftigen. Business Development mit dem Fokus der Servicetransformation ist eine wesentliche Unternehmensaufgabe. Servicetransformation zieht erhebliche Veränderungsprozesse bei den Anbietern und Nachfragern mit sich. Die Anbieter stehen vor der Frage und Herausforderung, wie zukünftig die Leistungsangebote und Geschäftsmodelle zu gestalten sind. Der organisatorische Wandel von Unternehmen und der kulturelle Transformationsprozess sind als zwei bedeutende Aspekte der Implementierung hervorzuheben. Die Nachfrager stehen als Kunden vor der Frage und Herausforderung, wie sich Kaufverhaltensprozesse zukünftig unter Einsatz von neuen Technologien verändern werden. Deshalb wird es unabdingbar sein, die mit der Servicetransformation verbundenen „Customer Insights“ in Wissenschaft und Praxis sorgfältig zu analysieren und die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Literatur • Bruhn, M., Hepp, M. & Hadwich, K. (2015): Vom Produkthersteller zum Serviceanbieter – Geschäftsmodelle der Servicetransformation. Marketing Review St. Gallen (2015/1). • Bruhn, M., Hadwich, K., (2016): Servicetransformation - Forum Dienstleistungsmanagement. Verlag Springer Gabler • Neely, A. (2008): Exploring the financial consequences of the Servitization of manufacturing. Operations Management Research Prof. Bruhn & Partner AG Strategie- und Marketingberatung Heuberg 22 / CH-4051 Basel +41 (0)61 273 47 10 [email protected] www.bruhn-partner.com