Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik Teil 11

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Klinische Chemie und
Laboratoriumsdiagnostik
Teil 11
malignes Wachstum
Entzündung
Prof. Dr. Ralf Lichtinghagen
Medizinische Hochschule Hannover
Klinische Chemie
Tel.: 0511-5323940
Tumorentstehung
Maligne solide Tumoren
ihrer Entstehung nach:
Karzinom: epithelial
Sarkom: mesenchymal
Klassifizierung von Tumoren (TNM-System)
T:
Ausdehnung des Primärtumors
N:
Fehlen oder Vorhandensein von regionären Lymphknotenmetastasen
M:
Fehlen oder Vorhandensein von Fernmetastasen
prätherapeutisch
und
postoperativ (pTNM)
Tumorentwicklung und diagnostische Erfassung
Metastasierung auch
hier schon möglich!
Immunologische Methoden zeigen Rezidive u/o Metastasen oft bedeutend früher an
(Zeitvorsprung im Durchschnitt 3-6 Monate).
Tumormarker:Anforderungen an ideale Marker
1. 100%ige Unterscheidung Gesunder von Tumorkranken
2. Erfassung aller Tumorpatienten, möglichst bereits in einem frühen Stadium
3. Organspezifität, Aussage über Lokalisation des Tumors
4. Korrelation mit Tumorstadien
5. Anzeige aller Veränderungen beim Patienten unter Therapie
6. Prognostische Aussagekraft
Screening wäre nur sinnvoll, wenn Punkte 1. und 2. erfüllt sind
Die Rede ist hier von humoralen (idealen) Tumormarkern:
Nachweis in einer Körperflüssigkeit (z.B.Serum)
im Unterschied zu zellulären Tumormarkern:
Nachweis histologisch am Tumorgewebe
Tumormarker
Allgemeine Indikatoren für ein gesteigertes Zellwachstum
z.B. S-Thymidinkinase, S-β2-Mikroglobulin
Allgemeine Indikatoren für gesteigerten Zellumsatz bzw. Zelluntergang
z.B. LDH
Charakteristische, manchmal spezifische Sekretionsprodukte von
Tumorzellen
diverse sogenannte Tumormarker
Tumormarker: Was versteht man in der klinischen Realität darunter ?
Begriff eigentlich unkorrekt, denn kein sogenannter Tumormarker ist bei Tumoren
im Frühstadium immer nachweisbar und beim Gesunden immer negativ.
Solche Marker geben auch oft keinen Hinweis auf die Tumorlokalisation.
Als Screening-Parameter haben Tumormarker in der Regel keinen Stellenwert!
d.h.:
keine Messung diverser Tumormarker zum Ausschluss einer eventuell
vorhandenen Tumorerkrankung
Tumormarker: Marker 1. und 2.Wahl
Marker 1. Wahl:
Marker 2.Wahl:
Tumormarker: Screening, Diagnose, Follow-up
Screening (ja oder nein):
noch ein Rechenbeispiel dazu:
CEA beim kolorektalen
Karzinom
Inzidenz
37 in 100.000
Spezifität: 95%
Sensitivität: 70%
Falsch Positive: 4998
Richtig Positive: 26
Tumormarker: Klinische Bedeutung
Tumormarkerbestimmung nach erster Therapie (OP, Radio-/Chemotherapie)
als Basiswert für gesamte weitere Nachsorge.
Radikaloperative Resektion:
Abfall des Tumormarkers in den Medianbereich
des Referenzintervalles
hier liegen die Basiswerte bei 50%
der tumorfreien Patienten
Hinweis: bei Entfernung eines Organs, das die natürliche Primärquelle des Markers darstellt,
sollte der Tumormarkermesswert sogar noch deutlicher abfallen (z.B. Prostata - PSA)!
Im weiteren Krankheitsverlauf:
Orientierung an individuellen Basiswerten
Anstieg: mögliches Rezidiv
Auch ein noch im Referenzbereich liegender Tumormarker-Messwert
kann „nicht normal“ sein, wenn der individuelle Basiswert zugrunde gelegt wird.
Wichtig:
Für Kontrolluntersuchungen Beibehaltung des
gleichen Testverfahrens und- herstellers (i. d. R. desselben
Labors)
Tumormarker: Methodenwechsel
Minimalverlaufskurve nach erfolgtem Methodenwechsel
Werte können nach Wechsel einer Bestimmungsmethode z.T.
erheblich voneinander abweichen.
Ursache: z.B. Verwendung von Antikörpern gegen unterschiedliche
Epitope des gleichen Moleküls
Nach Methodenwechsel innerhalb eines Labors empfiehlt sich eine
Parallelmessung der Patientenproben für die nächsten 2-3 Bestimmungen
(Praktikabilität?)
Beispiel: Protatakarzinom (PCA)
Tumormarker: PSA (prostataspezifisches Antigen), Referenzbereich: < 4µg/l
organspezifisch trotz geringer Bildung in Mamma, Endometrium und anderen
malignen Tumoren
Wird in der Prostata und den periurethralen Drüsen gebildet
spiegelt Größenzunahme der Prostata, entzündliche (Prostatitis) und
neoplastische Veränderungen wider. (Halbwertszeit: 2-3 Tage)
Einflussgröße außerdem: digital rektale Untersuchung, deshalb PSA-Bestimmung
vor Untersuchung
Normales PSA schließt PCA nicht aus, PSA > 10 µg/l i.d.Regel PCA
Einzelwert im oberen Normbereich nicht aussagekräftig, wichtiger wäre Steilheit
des Anstieges im Verlauf (>0,8 µg/l pro Jahr) auf der Grundlage individueller
Basiswerte (z.B. im Alter ab 50 Jahre).
PSA: komplexierte und freie Form
34 kD großes Glykoprotein mit Serinprotease-Aktivität
(Verflüssigung der Samenflüssigkeit)
Monomer in Seminalflüssigkeit, bildet im Plasma stabile Komplexe
mit Proteinaseinhibitoren (zu 70-90 % mit α1-Antichymotrypsin (ACT),
in geringem Maße mit α2-Makroglobulin (hierbei aber Epitop-Verlust im Assay),
10-30% des gesamtes PSA liegen als freies PSA im Plasma vor.
Besonderheit:
Beim PCA wird häufig ein niedrigerer Prozentsatz des
freien PSA bezogen auf das Gesamt-PSA gefunden.
Diagnostische Bedeutung für das PCA liegt (bei PSA-Werten von 2-10 µg/l) beim
Verhältnis freies PSA/PSA:
cut off
diag. Sensitivität diag. Spezifität
0,23
90%
63%
0,19
82%
82%
0,15
27%
95%
PSA: Indikationen
Zur Früherkennung, Therapiekontrolle und Nachsorge des PCA
Indiziert:
bei jedem Mann im Alter von 50-70 Jahren (z.B. jährlich),
bei Männern mit Miktionsbeschwerden nach Ausschluss eines Harnwegsinfektes,
nach operativer Entfernung des PCA (Rezidivprophylaxe).
PSA-Screening?? Zu bedenken wäre:
nicht alle PCA sind im weiteren Verlauf klinisch relevant,
Übertherapie deshalb bei manchen Betroffenen,
mehr Männer sterben mit einem PCA als an einem PCA,
Grenzwert von 4 µg/l nicht ausreichend gesichert,
einige hochaggressive Tumoren werden trotzdem nicht erkannt.
Fazit:
Die PSA-Bestimmung ersetzt nicht die digital rektale Untersuchung,
die Kombination aus beiden Parametern steigert die Wahrscheinlichkeit bei
verdächtigen Befunden durch Biopsien ein PCA zu sichern
Entzündung
Zytokine: Botenstoffe
Akute Entzündung:
Lokale Antwort auf Schädigung von
Zellen und Geweben
Ziel:
Zerstörung und Elimination einer
schädigenden Substanz, Reparatur und
Heilung des geschädigten Gewebes.
Akute-Phase-Reaktion (APR):
Entfernte Veränderungen durch lokale
Entzündung
Chron. Entzündung:
Protrahierter Prozess mit persistierender
APR
Problem:
Systemisches Inflammatory response
Syndrome (SIRS), Sepsis,
Multiorganversagen (MODS)
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BKS), Synonyme: Blutsenkung,
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG).
Bei verschiedenen Krankheiten beschleunigt sich im antikoagulierten Blut die
Senkung der Blutkörperchen.
Suchtest nach entzündlichen und malignen Prozessen im Körper.
Beeinflussende Faktoren: Proteinzusammensetzung des Plasmas, Ladung und
Dicke der Erythrozyten, Plasmaviskosität, Temperatur, Dichteunterschiede
zwischen Plasma und Blutzellen.
Plasmaproteine: z.B. Fibrinogen, α2-Makroglobulin, Haptoglobin, IgG, IgA wirken
steigernd auf die Erthrozytenaggregation
Senkungsgeschwindigkeit
Viele dieser steigernden Proteine sind Akute-Phase-Proteine
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
Indik.: Ausschluss chronischer immunologischer Erkrankungen
Ausschluss maligner Erkrankungen mit systemischer Reaktion
Messung aus einer 4+1 Mischung (1,6ml + 0,4 ml) von Blut
mit 3,8% Natriumzitrat
Referenzbereiche (Ein-Stunden-Wert)
Methode nach Westergren
Ablesen der Höhe der Plasmaschicht
über den Blutzellen (z.B. nach
einer und zwei Stunden)
Männer (<50 J) <15 mm/h
Männer (>50 J) <20 mm/h
Frauen (<50 J) <20 mm/h
Frauen (>50 J) <30 mm/h
bis 50 mm/h deutliche Senkungsbeschleunigung
bis 90 mm/h starke Senkungsbeschleunigung
ab 90 mm/h Sturzsenkung
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
Einflussgrößen
menstrueller Zyklus
Schwangerschaft
zirkadianer Rhythmus
Nahrungseinfluss
Medikamente
BSG steigt in prämenstrueller Phase an, sinkt während
der Menstruation.
steigt kontinuierlich ab der 4. SSW, Maximum zur
Geburt (ca. 2x URL), Normalbereich nach 6-8 Wochen.
BSG ist nachmittags höher als vormittags
nach fettreicher Nahrung BSG durch Chylomikronen
gesteigert
orale Kontrazeptiva (Erhöhung des Fibrinogens)
Fazit:
Gesteigerte BSG unspezifisches Zeichen einer entzündlichen oder sonst die
Proteinzusammensetzung des Blutes verändernden Erkrankung.
Kann erstes Symptom einer malignen Erkrankung sein, Sturzsenkung bei
monoklonaler Gammopathie.
Da BSG unspezifisch:
Abklärung durch weitere Untersuchungen
Akute-Phase-Proteine
APR: entfernt vom Entzündungsherd initiierte systemische Reaktionen,
kontrollieren lokalen Entzündungsprozess (Fieber, Leukozytose, APP-Synthese...)
APP: Proteine (ca. 30), deren Konzentrationen während einer entzündl.
Erkrankung um mehr als 25% ansteigen oder abfallen (neg. Reaktanden).
Vorwiegender Stimulus: Interleukin-6, Synthese in Hepatozyten
Akute-Phase-Proteine: CRP
C-reaktives Protein (CRP) ist als Akute-Phase-Protein an der
Elimination toter Zellen beteiligt, bindet an körperfremde Strukturen
(Bakterien, Pilze, Parasiten)
Indikation:
Diagnostik und Verlaufskontrolle akuter Entzündungen
infektiöse Komplikationen nach OP
Kontrolle infektgefährdeter Patienten
Therapiekontrolle (antibiotisch, antiinflammatorisch)
Abschätzung des kardiovaskulären Risikos
Referenzbereiche
Erwachsene
<8 mg/l
geringes Myokardinfarktrisiko
bei Gesunden (rel. Risiko 1.0)
erhöhtes Myokardinfarktrisiko
bei Gesunden (rel. Risiko 2.9)
(Physicians´ Health Study)
<0,56 mg/l
>2,1 mg/l
Akute-Phase-Proteine: CRP
Bakterielle/virale Infektion: bakt. Infekte häufig mit einem deutlich
höheren CRP-Anstieg (z.B. bakt.
Meningitis: >100 mg/l)
Post-OP
Nach OP CRP häufig 50-150 mg/l, bei
höherem^Anstieg oder ausbleibendem
Abfall am 3./4. Tag Post-OP: (später)
Indikator für Komplikationen
Rheum. Erkrankungen
Korrelation zwischen Erkrankungsaktivität und CRP (>100 mg/l: schwere
Entzündung)
Falsch-negativ
lokalisierte Entzündung, chronische
Entzündung, Virusinfektion
SIRS, Sepsis: Kriterien
SIRS
systemische auf unterschiedlichen Stimuli beruhende Entzündungsreaktion
mit mind. zwei der folgenden Symptome
Körpertemperatur > 38°C oder < 36°C
Herzfrequenz >90/min
Atemfrequenz >20/min oder pCO2 >32 mmHg
Leukozyten >12x109/l oder < 4x 109/l oder Linksverschiebung
Sepsis
Zusätzlich ist der Nachweis einer Infektion erforderlich
(Erregernachweis im Gewebe/ Blutkultur)
Septischer Schock
Schwere Sepsis mit persistierender Hypotonie
MODS
Versagen der Organfunktionen
SIRS, Sepsis: Labordiagnostik
•Akute Phase Proteine (z.B. CRP)
•Zytokine (IL-6, IL-8, TNF-alpha...)
Marker einer systemischen bakteriellen Infektion (Sepsis)
•Procalcitonin (PCT),Prohormon von Calcitonin,
Synthese-Stimulus: bakt. Endotoxine
Marker einer bereits lokalen bakteriellen Infektion bei drohender Sepsis
•LBP (Lipopolysaccharide (LPS, Endotoxin) binding protein)
Therapie, Prognose
•Erregernachweis (Blutkultur, PCR)
•Genpolymorphismen in Kandidatengenen (TNF, IL-1, IL-6, IL10, HSP,
CD-14, TLR-2, TLR-4....)
SIRS, Sepsis: Zytokine in der Differentialdiagnostik
Messgröße
Messwert
Interpretation
IL-6
sehr guter Parameter für Prognose und Frühdiagnose (im Vgl. zu CRP),
rascher Abfall nach erfolgreicher Antibiose
Dänisches Adoptionsregister
Sorensen et al., N Engl J Med 1988,
Auswertung von Todesursachen von Adoptivkindern,
deren Adoptiveltern sowie deren leiblichen Eltern:
Wenn die leiblichen Eltern <50 Jahre an Infektion starben, hatten die Kinder
ein 5,8faches Risiko (2,47-13,7) ebenfalls frühzeitig an einer Infektion zu
versterben.
Bei kardiovaskulären Ursachen war das Risiko 4,5fach (1,32-15,4) erhöht.
Kinder, deren Eltern an Krebs starben, hatten kein erhöhtes Risiko.
Kinder, deren Adoptiveltern an einer Krebserkrankung starben,
hatten ein 5,16fach (1,32-15,4) erhöhtes Risiko ebenfalls an einer
Krebserkrankung zu versterben.
GENETISCHER EINFLUSS BZGL. EMPFÄNGLICHKEIT GEGENÜBER
INFEKTIONEN ERSTAUNLICH HOCH
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