PROFESSORENTAGUNG 2008 04. + 05. Juli in Darmstadt EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DEM INSTITUT FÜR MASSIVBAU DER TU DARMSTADT PROFESSOREN-TAGUNG 2008 04. + 05. Juli 2008 in Darmstadt Tagungsort: Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Fraunhoferstr. 5, Darmstadt EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DEM INSTITUT FÜR MASSIVBAU DER TU DARMSTADT 02 INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 04 Tagungsprogramm vom 04.07.08 05 Dr.-Ing. Eduard Koegel 06 „Ai Weiwei Beijing - Fake Design in the village“, Ziegelarchitektur in Beijing Dipl.Ing Georg Dasch, Sonnenhaus-Institut e.V. 10 Sonnenhaus versus Passivhaus Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart 14 Werkbericht Staatstheater Darmstadt Prof. Dipl.-Ing. Hannelore Deubzer, TU München 18 Werkbericht zum Projekt „Learning from the roots“ in Zimbabwe Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner, TU Darmstadt, Fakultät Bauingenieurwesen 22 Nachhaltigkeitszertifizierung von Bauwerken – Eine Herausforderung für den Mauerwerksbau? Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt, Fakultät Architektur 26 Zwischen Lebensreform und Wiederaufbau, zur Geschichte und Entwicklung Darmstadts Exkursionsprogramm vom 05.07.08 30 Staatstheater Darmstadt 32 Neufert-Meisterbau 34 Mathildenhöhe mit Hochzeitsturm und Jugendstilvillen, Joseph Maria Olbrich 36 Teilnehmerliste 40 Ergänzende Artikel 42 Impressum 44 04 VORWORT WALTRAUD VOGLER Globale Erderwärmung als Folge ungebremsten Energieverbrauchs, neuerdings kombiniert mit explodierenden Energiekosten, ein Szenario, das in weiten Teilen der Welt durch Kriege, Umweltverschmutzung und Nahrungsmittelknappheit verschärft wird, erzwingt ein Umdenken. Der Mensch, vielerorts als Verursacher der dramatischen Umweltprobleme geortet, sucht nach Wegen aus der bedrohlichen Krise. Die Suche nach Lösungskonzepten ist eine globale Suche geworden. Umweltbewusstsein erzwingt sich über tägliche Hiobsbotschaften letztlich seinen Weg in die Köpfe und schafft die Basis für Neuerungen, die einen behutsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde einfordern. In vielen Teilen der Welt führt die Beachtung archaischer Grundprinzipien zu wichtigen Ansätzen: „Learning from the roots“ nennt sich ein Projekt von Entwurfsstudenten der TU München, die mit Prof. Hannelore Deubzer und dem Lehrstuhl für Raumkunst und Lichtgestaltung eine Schulerweiterung in Simbabwe nicht nur mit den Menschen vor Ort planen, sondern auch bauen. Ein Beispiel der Hochschularbeit, das das Potential der nackten Erde und der Sonne als Reichtum begreift und die Beschränkung der Mittel als Chance und Ansporn für funktionale Raumbildung und -kunst nutzt – wie in Urzeiten. Junge Leute aus Europa und Afrika erleben gemeinsam das Bauen mit Ziegel als jahrtausende alte und immer noch gültige Ausdrucksform im Kampf um Schutz vor den Unbilden der Natur mithilfe der Gaben der Natur. Von Hand geformter Lehm, getrocknet in der Sonne und auf archaische Weise gebrannt, ist das Baumaterial, das in vielen Teilen der Welt verfügbar ist. Auch der Künstler Ai Weiwei in China hat Ende der neunziger Jahre beim Bau seines Wohn- und Atelierhauses auf billigem Bauland am Rand des von einer „permanenten Urbanisierungs-Walze“ erfassten Beijing im Rahmen einer hunderttägigen Performance mit Einwohnern eines Dorfes eine betriebsame Dynamik angestoßen. Die radikal reduzierte Nutzung lokaler Baumaterialien für einfache formale Kompositionen fand bei den Dorfbewohnern eifrige Nachahmer. Traditionelle Baukultur, verkörpert durch diese Bauten aus blau-schwarzen und roten Ziegeln, als Kunstprojekt und reales, lebendiges Dorf wird durch Dr. Eduard Kögel aus Berlin vorgestellt. Die Sonne als Lebens- und Energiespender in Kombination mit dem Baustoff Ziegel, der auch in Süddeutschland eine Tradition bis zurück zu den römischen Bauten vor 2.000 Jahren hat, ist Thema für den Vortrag von Dipl.-Ing. Georg Dasch. Die Arbeit des Sonnenhaus-Instituts verdeutlicht Baufachleuten, wie die Kraft der Sonne, die Speicherfähigkeit von Wasser und die Wärmedämmeigenschaften moderner Ziegelgenerationen nahezu von der Ölindustrie autarke Häuser erschaffen können. Erkenntnisse, die angesichts extrem günstiger Absatzchancen im Bereich Wärmedämmverbundsysteme, die in der Herstellung häufig auf große Mengen an Erdöl angewiesen sind, sehr nachdenklich machen. Die unmittelbar anstehende Verschärfung der Energieeinsparverordnung, die von Beginn an unter starkem Einfluss der Dämmstoff produzierenden Lobby stand, geriet zudem zu einem Dick-icht aus Regeln und Sonderregeln, das selbst den Experten – vor allem angesichts ungeklärter Durchführbarkeit – große Sorge bereitet. Prof. Carl-Alexander Graubner stellt uns in diesem Zusammenhang die Grundzüge der Nachhaltigkeits-Zertifizierung vor. Nach Jahren der fast ausschließlichen Konzentration auf die Themen „Primärenergiebedarf“ und „Hüllflächentransmissionswärmeverluste“ soll das Augenmerk der Fachwelt wieder etwas aufgeweitet werden auf all die anderen wesentlichen Kriterien, die mit dem inzwischen reichlich abgenutzten Begriff „nachhaltig“ schon vor Jahren in bester Absicht zusammengefasst wurden. Unsere Professoren-Tagung stellt auch in diesem Jahr einen lokalen Bezug zum Tagungsort her. Prof. Arno Lederer berichtet in seinem Vortrag und vor Ort über die Restaurierung und die Umplanung und Neugestaltung des inzwischen mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichneten Staatstheaters Darmstadt und ergänzt seinen Werkbericht um andere weithin bekannte Bauten des Architekturbüros Lederer Ragnasdottir Oei. Prof. Werner Durth führt uns zum Ende der Tagung zuerst virtuell und am nächsten Vormittag höchst selbst zur „Stadtkrone“ Darmstadts, zum Weltkulturerbe auf der Mathildenhöhe. Sein Blick zurück zu Arts & Crafts in England, über die Sezession in Österreich zu Joseph Maria Olbrich und zum „Tempel der Arbeit“ in Darmstadt öffnet uns die Augen für die kulturellen Errungenschaften und Impulse zur Lebensreform um 1900 und die Entwicklung der Stadt Darmstadt bis heute. PROGRAMM 04.07.2008 TAGUNG Ort: Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Fraunhoferstr. 5, Darmstadt, EG, Raum 072 11.30 Uhr Begrüßungskaffee und Imbiss 12.00 Uhr Begrüßung durch Prof. Dipl.-Ing. Architekt Stefan Schäfer, TU Darmstadt, Fakultät Bauingenieurwesen 12.30 Uhr Einführung, Dipl.-Ing. Waltraud Vogler, Architektin, Ziegel Zentrum Süd e.V. 13.00 Uhr Dr.-Ing. Eduard Koegel „Ai Weiwei Beijing - Fake Design in the village“, Ziegelarchitektur in Beijing 13.45 Uhr Dipl.Ing Georg Dasch (Sonnenhaus-Institut e.V.) Sonnenhaus versus Passivhaus 14.45 Uhr Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart Werkbericht Staatstheater Darmstadt 15.15 Uhr Pause 15.45 Uhr Prof. Dipl.-Ing. Hannelore Deubzer, TU München & Projektleitung Wiss. Ass. Barbara Schelle, TU München Werkbericht zum Projekt „Learning from the roots“ in Zimbabwe 16.30 Uhr Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner, TU Darmstadt, Fakultät Bauingenieurwesen Nachhaltigkeitszertifizierung von Bauwerken – Eine Herausforderung für den Mauerwerksbau? 17.30 Uhr Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt, Fakultät Architektur Zwischen Lebensreform und Wiederaufbau, zur Geschichte und Entwicklung Darmstadts 18.30 Uhr Diskussion und Zusammenfassung 19.00 Uhr Ende der Tagung, Spaziergang zum Welcome Hotel Darmstadt 20.30 Uhr Sektempfang und gemeinsames Abendessen Übernachtung im Welcome Hotel Darmstadt, Karolinenplatz 4, Darmstadt Teilnahmegebühr für die gesamte Tagung 50,- EUR, zuzüglich 29,- EUR für Übernachtung. Die Tagung wird zu einem erheblichen Teil aus Mitteln des Ziegel Zentrum Süd finanziert. Tagung und Exkursion für ProfessorInnen der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen aller Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Anfahrt nach Darmstadt auf eigene Kosten. Ab 15.00 Uhr Einchecken im Welcome Hotel Darmstadt, Karolinenplatz 4, 64289 Darmstadt. Davor besteht die Möglichkeit das Gepäck im Hotel zu deponieren. WEIWEI BEIJING - FAKE DESIGN IN THE 06„AI VILLAGE“, ZIEGELARCHITEKTUR IN BEIJING DR.-ING. EDUARD KOEGEL DR.-ING. EDUARD KOEGEL, DIPLOM INGENIEUR FÜR STADTPLANUNG UND STÄDTEBAU KASTANIENALLEE 29/30 10435 BERLIN Die permanente Urbanisierungswalze, die sich in Peking mit mehreren Autobahnringen in konzentrischen Gürteln um die Kernstadt gelegt hat, erreicht nun auch den einst beschaulichen Ort Caochangdi. Das Dorf liegt im Zwickel zwischen dem fünften Autobahnring und der Schnellstraße zum Flughafen im Nordosten der Stadt. Falls der Verkehr es zulässt, fährt man von hier in einer halben Stunde ins Zentrum. Der Künstler Ai Weiwei zog Ende der neunziger Jahre in das Dorf Caochangdi. Es gab billiges Bauland und in Absprache mit dem Ortsvorsteher konnte er ein Wohnund Atelierhaus errichten, das in einer Performance in hundert Tagen mit lokalen Baumaterialien und Handwerkern errichtet wurde. Mit diesem Projekt begann für Ai Weiwei eine zweite Karriere als Architekt. Inzwischen hat er im Ort sieben Projekte realisiert. Allen gemeinsam ist, dass sie auf die Bedürfnisse von Kunsthandel und Kunstproduktion zugeschnitten sind. Wie Implantate einer Gegenwelt verknüpfen sie das dörfliche Leben mit dem internationalen Kunstmarkt, der am selben Ort in kurzer Zeit entstand. Diese Symbiose entwickelte eine eigene Dynamik, die eine Atmosphäre aufgeregter Betriebsamkeit nach sich zog. Caochangdi ist heute eine einzige Baustelle, in der jeder Bewohner sein bescheidenes Anwesen erweitert, ausund umbaut, um für die neuen Herausforderungen die diese Entwicklungen mit sich bringen, gewappnet zu sein. Mit den Baumassnahmen kamen hunderte von Wanderarbeitern ins Dorf, die eine eigene temporäre Struktur von Garküchen, Läden und billigen Marktangeboten nach sich zog. Gleichzeitig haben sich durch die Verknüpfung mit dem Kunstmarkt weitere Galerien angesiedelt, die fortwährend ein internationales Publikum nach Caochangdi bringen. Aber alle Bemühungen, sowohl der einheimischen Dorfbewohner wie der zugezogenen Galleristen und Künstler, bezieht sich im wahrsten Sinne des Wortes auf die eigenen vier Wände: Denn die Bebauung erfolgt meist ohne behördliche Genehmigung und entspricht in vielen Fällen nicht den Bestimmungen. Man geht davon aus, dass die Neubauten maximal zwanzig Jahre stehen werden. Die lokale Verwaltung kümmert sich nicht um Belange des öffentlichen Raumes. So entsteht auch hier eine Doppelstruktur. Einerseits die vernachlässigten öffentlichen Einrichtungen, Straßen und Grünflächen mit chaotischen, ungeplanten Infrastrukturen, anderseits die architektonischen Kompositionen von 08 Ai Weiwei, die in radikaler Reduktion mit lokalen Baumaterialien und in einfachen formalen Kompositionen die Themen der traditionellen Baukultur in eine zeitgenössische Sprache übersetzt. Dazu bedarf es keiner großen formalen Ansätze, sondern einer an die technischen Möglichkeiten angepassten Lösung, die gleichwohl mit architektonischem Grundvokabular Innen- und Außenraum in kongenialer Weise miteinander verknüpft. Ai Weiwei begreift die einzelnen Bauten nicht als Objekt, sondern als Typus, den er variiert und der trotzdem aus der Anpassung an den Ort grandiose plastisch-räumliche Qualitäten aufweist. Im Jahr 2003 gründete er die Firma FAKE Design, die sich fortan um die Bauaufträge kümmerte. Der Name Fake ist mit bedacht gewählt. Im Englischen wird damit eine Kopie oder Imitation bezeichnet. In Mandarin wird fake wie das englische Fuck betont. Das chinesische Zeichen ist eine phonetische Übersetzung und macht keinen Sinn. Die Doppeldeutigkeit, die im Namen zum Ausdruck kommt, bestimmt auch die konzeptionelle Haltung des Architekten Ai Weiwei. Einerseits pfeift er auf die Konventionen, die ihm in der Architektenwelt begegnen und umgeht gleichzeitig mit Geschick die Regeln der lokalen Behörden. Anderseits freut er sich, wenn die Dorfbewohner seinen Baustil kopieren. Aber auch die lokalen Behörden haben erkannt, dass sich mit den Bauten von FAKE Design Gewinn erwirtschaften lässt. Die Qualitäten oder die Differenz zu den üblichen kommerziellen Neubauten werden den Parteisekretären nicht klar. Aber sie verstehen, dass sie mit dem Kunstmarkt mehr Geld verdienen können als mit dem Anbau von Gemüse. Deshalb beauftragen sie FAKE Design mit dem Entwurf neuer Baukomplexe, die für den schnell wachsenden internationalen Kunststandort in Caochangdi benötigt werden. Im April 2007 veröffentlichte die Dorfverwaltung ein drei-Punkte-Papier mit den Zielen der neuen sozialistischen Dorfentwicklung. Demnach soll die Infrastruktur verbessert werden, die Sicherheitsvorkehrungen gegen Einbruch und Diebstahl sollen ausgebaut werden und bis zu den Olympischen Spielen soll das Dorf im Sinne des Umweltschutzes schöner werden. Im Anhang vermerkte das Papier, das bis zum April 2007 das Haupteinkommen des Dorfes aus der Landwirtschaft kam, aber bis zum Ende des Jahres rechnete man mit 60 bis 70 Prozent der Einkünfte aus der „Kulturindustrie“. Kein Wunder, dass alle Hausbesitzer im Dorf mit Umbauten beschäftigt sind, um aus ihren Garagen und Höfen Galerien und Atelierkomplexe zu formen und am erwarteten Boom zu partizipieren. Doch die Erwartungen der neuen Kundschaft sind den meisten unklar. Ai Weiweis Bauten scheinen in ihrer radikalen Reduktion zu einfach, um internationalen Standards zu genügen. Anderseits erfährt seine Kunst und zunehmend auch seine Architektur internationale Anerkennung. Deshalb versuchen die Bauern die einfache Materialität und die kubische Formensprache zu kopieren so gut sie es können. Ai Weiwei ist keineswegs verärgert darüber, sondern freut sich, dass seine Bauten als Vorbild Akzeptanz finden. Denn die Bauern könnten sich nie einen Architekten leisten und mit den Kopien entsteht im Dorf so etwas wie eine ästhetische Grundstruktur, in der die Bauten von Ai Weiwei trotzdem aufgrund ihrer Proportionen und ihrer Kompositionen sofort erkennbar bleiben. Der lokale, mehrfach gebrannte blau-schwarze Backstein war das wichtigste Material für die Außenhaut seiner ersten fünf Bauten im Dorf. Bei den letzten Komplexen verwandte er jedoch auch rote Ziegel, die wie die schwarzen alle in einem einfachen Blockverband vermauert sind. Die Entwurfszeichnungen der Bauten sind nach europäischem Standard rudimentär im Maßstab 1:100 ausgeführt. Nach diesen Plänen arbeiten die lokalen Bautrupps. Ai Weiwei verlässt sich dabei auf das Können der Handwerker und gibt ihnen lediglich bestimmte Vorgaben, die dann von den Handwerkern in eigener Verantwortung umgesetzt werden. So gab es beim Projekt Courtyard 104 die Vorgabe, für die Außenhaut dreißig Prozent rote Ziegel zu verwenden. Die Verteilung blieb den Handwerkern überlassen. An anderen Projekten waren die Vorgaben präziser. Beim Courtyard 105 wurden die Steine im Blockverband vermauert und an den Bindern die Köpfe abgeschlagen, so dass eine gestreifte Fassade mit expressivem Charakter entstand. Beim Projekt für das Fotomuseum des chinesischen Fotographen Rong Rong war jeder Backstein der Fassade im Plan genau fixiert, denn durch den Versatz der einzelnen Steine gegeneinander entstand ein Relief, das durch seinen Schattenwurf eine plastisches Erscheinungsbild der ansonsten einfachen kubischen Baukörper schafft. Die konzeptionelle Arbeitsweise von Ai Weiwei beim Bauen, die deutlich von seiner künstlerischen Haltung des ready-made und der Verfremdung des Alltäglichen bestimmt ist, bringt erfrischend einfache Lösungen, die sowohl im lokalen Kontext des Dorfes wie der internationalen Kunstwelt für Diskussionen sorgt. VERSUS PASSIVHAUS 10SONNENHAUS Vergleich zweier Baukonzepte zum Energiesparenden Bauen DIPL.-ING. (FH) GEORG DASCH, ARCHITEKT SONNENHAUS-INSTITUT E.V. AUGSBURGERSTR. 35 94315 STRAUBING www.sonnenhaus-institut.de Vor mehr als dreißig Jahren wies der Bericht des Club of Rome auf die Endlichkeit der Ressourcen und die Grenzen des Wachstums hin. Es scheint nun die Zeit gekommen, da sich die Menschen dieser Herausforderung stellen müssen. Humane Lebensbedingungen und ein einfacher Wohlstand für die Weltbevölkerung sind in Einklang zu bringen mit einem begrenzten Angebot an landwirtschaftlichen Flächen, schwindenden fossilen Energievorräten und weiterhin steigender Weltbevölkerung. Da das Bauen und Wohnen ungefähr ein Drittel der weltweiten Ressourcen verbraucht, und andererseits in direktem Zusammenhang mit humanen Lebensbedingungen steht, sind die Entwicklungen im Bauwesen eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft. Das Angebot fossiler Energieträger als Antrieb des Wachstums der Weltwirtschaft ist am Peak angekommen, und die nächsten Jahrzehnte werden geprägt sein von steigender EG Nachfrage nach Energie und sinkendem Angebot. Bei der Gegenüberstellung der Energieversorgung des Sonnenhaussystems mit dem Passivhaussystem zeigen die Überlegungen zur zukünftigen Energieversorgung die Probleme, die einseitig optimierte Lösungen aufwerfen. Das Beheizen von Gebäuden mit Strom verlangsamt den Umbau hin zu einer regenerativen Stromerzeugung, und Sonnenstrom ist nicht speicherbar. Sonnenstrahlung ist die einzige Energieform, die beinahe unbegrenzt auf der Erde zur Verfügung steht. Die zeitliche und räumliche Trennung vom Verbrauch macht uns Probleme. Sonnenenergie muss speicherbar werden, um mehr Bedarf abzudecken. Sowohl beim Sonnenhaus als auch beim Passivhaus ist der Heizenergieverbrauch minimiert, und die passive Nutzung der Sonnenenergie optimiert. Bei den Heizsystemen bestehen deutliche Unterschiede. Beim Sonnenhaus OG 12 wird über eine große thermische Solaranlage Sonnenwärme in einem Wassertank gespeichert und bedarfsgerecht an das Haus abgegeben. Solare Deckungsgrade von 50 – 100 % für Heizung und Warmwasser sind möglich. Die Wärme wird über ein Wasserheizsystem im Haus verteilt. So ist es möglich mit 25°C Heizungsvorlauftemperatur ein Haus bei -16° C Außentemperatur auf 21° C zu beheizen. Der Wassertank und das Wasserheizsystem ermöglichen eine Speicherung der Sonnenenergie und eine genaue bedarfsgerechte Abgabe an Kollektoren müssen steil zur Wintersonne stehen Neigung 40 - 80° das Gebäude. Der Restenergiebedarf, der nicht solar gedeckt wird, wird mit Holz oder anderen Energiepflanzen bereitgestellt. Auf einen sehr geringen Stromverbrauch der gesamten Heiz- und Warmwasseranlage wird größter Wert gelegt. Das Sonnenhaus erreicht einen Primärenergieverbrauch nach ENEV von 10 kWh/m² Jahr. Beim Passivhaus wird der Heizenergieverbrauch soweit optimiert, dass auf eine wassergeführte Heizverteilung verzichtet werden kann. Die Heizwärme wird dem Gebäude über Luftleitungen zugeführt. Damit ist eine komfortable SCHEMAZEICHNUNG Beheizung der Gebäude bis ca. -4° C Außentemperatur möglich. Eine Nutzung von aktiver thermischer Solarenergie ist nicht möglich, weil es keinen Speicher und kein Wasserheizsystem gibt. Passivhäuser mit Klimakompaktgerät haben ein sehr ungünstiges Stromverbrauchsprofil. Der Heizenergiebedarf ist dann am höchsten, wenn auch der sonstige Stromverbrauch am höchsten ist. Der Primärenergieverbrauch von Passivhäusern mit Klimakompaktgerät und Warmwassersolaranlage beträgt im Mittel 51 kWh/m² Jahr (Quelle: Tagungsband zur 9. Internationalen Passivhaustagung, Seite 139). Am besten 150 - 250 250 Altbau-Bestand 200 Neubau nach ENEV 150 100-120 Passivhaus mit Wärmepumpenheizung 40 - 80 100 Sonnenhaus mit Solar-Holzheizung 50 5 - 15 0 KWh/m2 Jahr Primärenergieverbrauch von Häusern nach ENEV wird dieser Widerspruch beim Energieplushaus deutlich. Als Energieplushaus wird häufig ein Passivhaus bezeichnet, das im Sommer über Fotovoltaik Strom ins öffentliche Netz einspeist, und im Winter mit Strom aus dem Spitzenlastkraftwerk über eine Wärmepumpe beheizt wird. Wenn es dann richtig kalt ist, und auch noch die ältesten Kraftwerke mit dem höchsten Schadstoffausstoß und den schlechtesten Wirkungsgraden ans Netz gehen, dann wird die Wärmepumpenheizung (1,4KW Anschlussleistung) durch einen 6 kW Heizstab ergänzt. Beim Vergleich des Sonnenhauses mit dem Passivhaus stellt sich nicht die Frage, welches nun das bessere System sei. Die Frage lautet, wie kann der Primärenergieverbrauch reduziert werden. Passivhäuser mit regenerativen Heizsystemen mit Solaranlagen und Pelletsprimäröfen erreichen Werte von 20 – 30 kWh/m² Jahr. Dieser Wert kann mit Sonnenhaustechnik auf etwa 7 – 12 kWh/m² Jahr optimiert werden. Da das Ziel eine nachhaltige Energieversorgung sein muss, wird das Passivhaus wohl zum Sonnenhaus werden. Wie groß die Solarspeicher und Solaranlagen sein werden, welche Medien und Konzepte für die Speicherung und welche Dämmstandards sich als das ökologische und ökonomische Optimum herausstellen werden, das wird die Zukunft zeigen. Nach derzeitigem Stand der Entwicklung verbraucht das Sonnenhaus 70 – 80% weniger Primärenergie als das Passivhaus. LEDERER - WERKBERICHTE 14ARNO Staatstheater Darmstadt PROF. DIPL.-ING. ARNO LEDERER UNIVERSITÄT STUTTGART INSTITUT ÖFFENTLICHE BAUTEN UND ENTWERFEN LEDERER RAGNARSDÓTTIR OEI ARCHITEKTEN KORNBERGSTRASSE 36 70176 STUTTGART Quelle: www.archlro.de Das Darmstädter Theater feiert in dieser Saison seine 175. Spielzeit. Die langjährige Theatertradition der Stadt begann jedoch schon im 17. Jahrhundert, als Ritterspiele und Singballette zum Bestandteil des höfischen Zeremoniells der Landgrafen gehörten. Für die Bevölkerung bot sich Theater durch reisende Schauspielertruppen dar, die hin und wieder ihre Bühnen in der Residenzstadt aufbauten. Auf Wunsch der Landgräfin Elisabeth Dorothea entstand das erste Theatergebäude in Darmstadt. Die Reithalle am Herrengarten wurde in ein „Komödienhaus“ umgebaut und 1711 – nach nochmaligem Umbau durch den Architekten Louis Remy de La Fosse – eröffnete man mit Christoph Graupners Oper Telemach das repräsentative Theatergebäude. Dieses Barocktheater blühte jedoch nur kurze Zeit, da finanzielle Krisen den Theaterbetrieb weitgehend zum Erliegen brachten. Erst ein knappes Jahrhundert später begründete Großherzog Ludwig I. ein Hoftheater, das allen Bevölkerungsgruppen offen stehen sollte. Das durch den Architekten Georg Moller erbaute Theatergebäude mit 2000 Sitzplätzen und einer aufwändigen Bühnentechnik wurde 1819 eröffnet. Trotz weiterer finanzieller Engpässe in den Jahren 1830 bis 1848 wurde das Theater bis 1871 fast durchgehend bespielt und feierte mit prachtvoll ausgestatteten Opernaufführungen viel beachtete Erfolge. Aufgrund der Unaufmerksamkeit eines Beleuchters brannte das Theater 1871 vollständig aus und konnte erst sieben Jahre später wiedereröffnet werden. Den Wiederaufbau leiteten die Wiener Theaterarchitekten Hermann Helmer und Ferdinand Fellner. 1919 wandelte sich das Hoftheater zum Landestheater. Das ehemalige landgräfliche Opernhaus wurde zum Kleinen Haus. Der damalige Intendant Gustav Hartung (1920 bis 1924 und 1931 bis 1933) lehnte das bürgerliche Illusionstheater ab und machte das Darmstädter Theater mit Uraufführungen moderner Autoren und aufsehenerregenden Klassiker-Inszenierungen landesweit bekannt. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Intendant Hartung über Nacht zur Flucht gezwungen, und auch die 20-jährige Schauspielerin Lilli Palmer, die später zu Weltruhm gelangte, musste das Haus wegen ihres jüdischen Glaubens verlassen und emigrierte nach Paris. Im September 1944 wurden beide Häuser des Theaters durch einen nächtlichen Bombenangriff zerstört. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde in der Orangerie zunächst eine provisorische Spielstätte geschaffen, in der das Theater fast drei Jahrzehnte bleiben sollte. Unter der Intendanz Gustav Rudolf Sellners (1951 bis 1961) konnte, insbesondere im Schauspiel, an die Glanzpunkte der Vorkriegszeit angeknüpft werden. Die Umbenennung von Landes- in Staatstheater erfolgte 1972 als das Theater in das von Rolf Prange neu erbaute Haus am Georg-Büchner-Platz umzog, das heute drei Bühnen sowie alle Werkstätten und einen großen Teil der Kulissenmagazine unter einem Dach beherbergt. Im Zuge der umfangreichen Arbeiten zur technischen und baulichen Erneuerung des Gebäudes wurde bis zum Sommer 2006 die gesamte Bühnentechnik des Großen Hauses ersetzt und auf den neuesten Stand gebracht. Maßnahmen zum Brandschutz und zur Verbesserung der Arbeitssicherheit machten einen weiteren großen Teil der Restaurierung der in die Jahre gekommenen Bausubstanz aus. Ein geringerer Anteil an den Kosten des Umbaus floss in die architektonische Umgestaltung, die ein neues Eingangsbauwerk, die Sanierung der Foyers und den Einbau der Kammerspiele in einen Teil der Tiefgarage umfasste. Die Kammerspiele mit Foyer, einer neuen Bar sowie die technischen Bereiche wurden als Bestandteil der Sanierung durch das Architekturbüro Lederer Ragnarsdottír Oei aus Stuttgart schon mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichnet und sind für den Mies-van-der-Rohe-Preis vorgeschlagen. 16 Schule & Sporthalle in Ostfildern 1996-1999 / 2000-2002 GERHARD-KOCH-STRASSE 6 73760 OSTFILDERN Quelle: www.archlro.de, www.you-are-here.com Schulhaus und Sporthalle sind Teil einer neuen Stadt, die zurzeit auf einem ehemaligen Kasernenareal entsteht. Die Anlage bildet den Stadtrand nach Nordosten. Dort wird der Siedlungsrand durch die gerundete Form der Sporthalle geprägt. Auf der anderen Seite ordnet sich das Schulgebäude in die rechtwinklige Struktur der bestehenden Kasernenbauten ein. Grundriss und Schnittführung entsprechen dem Charakter der strengen Straßenräume. Zwischen Sporthalle und Schulgebäude liegt der Pausenhof. Seine Fassung und Eigenart erhält er durch die plastisch geformte Westseite der Halle, wie auch der markanten Freitreppe, die nach Süden abfällt. Von dort hat man einen schönen Blick über die Stadt und die weitere Landschaft. Das Gebäude ist zum Großteil aus Ziegeln errichtet. Die grobe Verfugung ist dabei ein wesentliches gestalterisches Merkmal. Neue und vorhandene Baukörper der dahinter liegenden Stadtbereiche erhalten von der Schule und der Sporthalle eine deutlich spürbare Begrenzung, die sich als Stadtmauer deuten lässt - nicht als historisierendes, sondern als selbstverständliches Mittel, das mit dem Bild der Mauer spielt. Die Gliederung der Innenräume, die das Motiv von Straße und Haus weiterführt, arbeitet mit der gleichen Materialisierung: Auch hier sind die Oberflächen aus Ziegel, Stürze und Träger aus sägerauem Stahlbeton. Alle Fensteröffnungen sind nur so groß dimensioniert, wie sie zur Ausnutzung des Tageslichtes tatsächlich benötigt werden. Dadurch wird der Anteil der gemauerten Fassade relativ hoch, das Gebäude wirkt solide und körperhaft umschlossen. Dieses klare Erscheinungsbild ist keineswegs nur ästhetisch motiviert, vielmehr spiegeln sich in ihm die vielfältigen Vorteile einer zweischaligen Ziegelfassade gegenüber einer Glasfassade wider: Deutlich geringere Kosten, höhere Speicherkapazität, weitaus höherer Dämmwert und längere Haltbarkeit. Walldorfschule in Villingen-Schwenningen 2004 - 2006 SCHLUCHSEESTRASSE 55 78054 VILLINGEN-SCHWENNINGEN Quelle: www.archlro.de, “Mauwerksbau aktuell” 2008 Bauwerk Verlag OG Die Waldorfschule befindet sich am westlichen Rand des Stadtteils Schwenningen, unweit eines Waldgebiets. Der Entwurf für den Erweiterungsbau führt die Kontur des bestehenden Schulhauses organisch fort. Das Weiterbauen erfolgte jedoch nicht in der gleichen Formensprache des Bestandes. Dem Neubau liegt vielmehr die Erkenntnis zugrunde, dass Häuser nolens volens Ausdruck einer zeitgebundenen Vorstellung von Ordnung sind. So ist auch zwischen dem ersten und zweiten Bau des Goetheanums, was die Formensprache betrifft, ein gewaltiger Unterschied, obwohl beide Entwürfe nur etwa 15 Jahre trennen. Die Grundrissgeometrie wird – im Unterschied zu den polygonalen und gekrümmten Flächen des Altbaus – von gerundeten Formen bestimmt. Die Spange der Unterrichtsräume und des Speiseraums befindet sich im Osten, an der Seite des Schulhofes. Der Saal, der aus verschiedenen Gründen eher eine geschlossene Form hat, orientiert sich nach Westen. Der Hort im Erdgeschoss ist zu einem eigenen Hof nach Süden ausgerichtet. Während die Unterrichtsräume im Obergeschoss über großzügige Fensterbänder einen hohen Tageslichteinfall bieten, verfügt der zweigeschossige Saal über unregelmäßig gesetzte kleinere Wandöffnungen, die mit ihren vorgesetzten, farbigen Glasscheiben dem Innenraum eine eher introvertierte Stimmung verleihen. Mit dem Sonnenlicht wandern die im Innenraum farbig reflektierten Fensterflächen entlang des Bodens und der Wand. Auch in der Dachform besitzt der Neubau keinen streng horizontalen Abschluss: Bewegte Traufkanten differenzieren die Baukörper und lassen die mehrfach geneigten Dachflächen erahnen. Die geschwungenen Dächer des Neubaus ermöglichen nicht nur eine einfache Ableitung des Regenwassers, sie ergeben zudem eine plastisch-bewegte Untersicht im Saal und den Klassenzimmern. EG Erweiterung Waldorfschule Villingen-Schwenningen Architekten Prof.Arno Lederer Jórunn Ragnarsdóttir Marc Oei Grundriss Erdgeschoss ZUM PROJEKT „LEARNING 18WERKBERICHT FROM THE ROOTS“ IN SIMBABWE PROF. DIPL.-ING. HANNELORE DEUBZER TU MÜNCHEN LEHRSTUHL FÜR RAUMKUNST UND LICHTGESTALTUNG www.lrl.arch.tu-muenchen.de DEUBZER KÖNIG ARCHITEKTEN KNESEBECKSTRASSE 77 10623 BERLIN www.deubzerkoenigarchitekten.de Quelle: Lehrstuhl Für Raumkunst Und Lichtgestaltung Die Idee An den Randgebieten der Welt kann Architektur den Lebensraum von Menschen auf einfache Weise aufwerten und einen einprägsamen Ort in der Weite der Landschaft definieren. In einem Gebiet der Armut, wo die meisten Architekten der entfernten Hauptstadt niemals tätig werden, können Studenten der ersten Welt von der dritten Welt lernen: die Herausforderung des Mangels, „doing more with less“ stellt eine Herausforderung in unserer globalisierten Welt dar. Jede Linie, die wir hier ziehen, hat eine tiefere Bedeutung. Ein Projekt für die St. Rupert Mayer School in Simbabwe Seit 2006 plant der Lehrstuhl für Raumkunst und Lichtgestaltung gemeinsam mit Entwurfsstudenten das Projekt einer Schulerweiterung. Die angehenden Architekten bekommen die Möglichkeit, ihren Entwurf im Maßstab 1:1 als realen Beitrag eines kulturellen Austausches zu verwirklichen. Im Frühjahr 2007 konnte mit dem ersten Bauabschnitt der Lehrerhäuser begonnen werden. Seitdem arbeiteten die Studenten mehr als 12 Wochen auf der Baustelle in Simbabwe mit: sie mauerten, betonierten, zimmerten, verputzten, und vor allem entwickelten sie das Projekt im Detail gemeinsam mit den Bauverantwortlichen vor Ort weiter. Entstanden sind zwei (von geplanten vier) Lehrerhäuser, gemauerte Wasserspeicher, ein Basketballfeld und die Fundamente und Grundmauern der Schule. Das Engagement für eine Schule in Simbabwe, Afrika, bietet dabei nicht nur jungen Afrikanern eine existentielle Chance, sondern fördert beidseitig die Auseinandersetzung mit den Werten anderer Kulturen. Das Projekt für die St.Ruperts Mission in Simbabwe ermöglicht - neben seinen unmittelbaren sozialen und pädagogischen Perspektiven als Lern- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche - zwei grundlegende Erfahrungen bei der Umsetzung architektonischer und künstlerischer Aufgaben. Zum einen sehen sich die Entwurfsarbeiten konfrontiert mit einer äußersten Reduktion der Mittel. Die ökonomischen Umstände, aber etwa auch die extremen klimatischen Bedingungen erfordern eine schlichte, in der Errichtung wie in der späteren Nutzung und im laufenden Unterhalt wirtschaftlich effiziente und in jeder Hinsicht funktionelle Bauweise, die ästhetische Kriterien deshalb aber nicht vernachlässigen muss, im Gegenteil. Es ließe sich hier nämlich, und dies wäre der zweite Aspekt, geradezu exemplarisch jenen Vorurteilen ent- gegenwirken, wonach die praktische Nutzung und der künstlerische Anspruch von Architektur selten zusammen gingen und sich eher im Wege ständen, oder dass formal durchdachte, ausdrucksstarke Bauten – wie jede Spezialanfertigung – aufwendiger und teurer sein müssten als der übliche Standard. Aus dem Vorhandenen, dem Gegebenen das Beste zu machen und weniger in Effekte, Äußerlichkeiten und kostspielige Materialien zu investieren als vielmehr in die gute Idee, in die klassischen Mittel der Baukunst seit alters her, nämlich in Wand und Licht, entspräche jenem universalen und in allen Kulturen gültigen Prinzip, das etwa im japanischen „Wabi Sabi“ seinen Niederschlag gefunden hat. Der Begriff meint das naturhaft Anspruchslose, das unaufgesetzt Ursprüngliche und Unscheinbare. D.T.Suzuki hat es als „ästhetische Wertschätzung der Armut“ umschrieben. Ein Konzept, das sich überall dort finden bzw. realisieren lässt – ganz unabhängig von den regionalen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Umständen - wo die Beschränkung der Mittel als Chance und Ansporn gesehen und ergriffen wird und nicht mit allen Mitteln kaschiert, korrigiert und geschönt werden muss. Dazu einen sichtbaren und nachhaltigen Beitrag zu leisten, bleibt unser Ansatz und Anspruch. Der Ort St. Ruperts liegt weit abgelegen im ländlichen Shonagebiet, 250 km westlich der Hauptstadt Harare. Den Kern der katholischen Missionsstation bilden Kirche, Konvent und Krankenhaus sowie zwei Schulen (Primary School und Secondary School). 600 Kinder müssen teilweise bis zu vier Stunden Schulweg am Tag zurücklegen. Die Schüler kommen aus den verschiedensten gesellschaft- lichen Schichten und bei den meisten arbeiten die Eltern auf den umliegenden Farmen des kargen Landes. Ein Drittel der Kinder lebt als Aidswaisen bei Verwandten. Alle Kinder, egal welcher Religionszugehörigkeit, dürfen die Schule besuchen, das geringe Schulgeld aufzubringen, ist für die Familien auf Grund der wirtschaftlichen Situation schwierig. 20 Bauaufgabe Lehrerhäuser Programm ist der Entwurf von vier 3-4 Zimmer Häusern mit der nötigen Flexibilität der Nutzung für Familien und Wohngemeinschaften alleinstehender Lehrer. Schön sollen die Wohnungen sein, damit gute Lehrer gerne nach St. Ruperts kommen und bleiben. Es gilt einen Haustyp zu entwickeln, der die regionalen Traditionen übersetzt: Dabei spielt die Küche, ihre Position, Anordnung und Form eine große Rolle. Die Lehrerhäuser sollen in zwei unterschiedlichen Typen errichtet werden: ein Zentraltyp, entwickelt aus dem traditionellen Compound und einem längsgerichteten Typ, in dem ebenfalls versucht wird, die räumliche Hierarchie von Gemeinschaftsräumen und Privatbereich zur Steigerung des Wohnwerts zu staffeln. Die quadratische Struktur (11m x 11m) mit der Feuerstelle in der Mitte, als Reminiszenz an die traditionelle Rundhütte, mit daran angelagerten Individualräumen für je zwei Lehrer bzw. eine Lehrerfamilie führt vom öffentlichen Bereich, über den gemeinschaftlichen Essplatz bis zu privaten Individualräumen. Die nur gedeckte, Luft und Licht durchlassende Mitte, ist gemeinschaftliches Zentrum des Hauses. Betreten wird der Gemeinschaftsraum über eine große, überdeckte Freiterrasse. Sie öffnet sich zum Feld der Gemeinschaftsgärten und ermöglicht Kommunikation mit den Nachbarn. Der längs gerichtete Typ (7.5m x 11m) gliedert sich in drei Zonen. Der Zugangsbereich führt über die jeweilige private Freiterrasse direkt in die Mitte des Hauses, den Gemeinschaftsraum. Von dort erschliessen sich, räumlich diagonal verschränkt, die beiden Küchenbereiche, von welchen man jeweils in die Privatzimmer gelangt. Bauaufgabe Schulerweiterung Der dritte Lehrer ist der Raum, sagt ein Sprichwort, und wenn Räume tatsächlich Lernvermögen und Lernverhalten beeinflussen, dann ist es auch die Aufgabe der Architekten Wissen zu fördern. Die drei bestehenden, gereihten Baukörper mit je zwei Klassenzimmern, sollen zusammen mit der neuen Maßnahme aus ihrer additiven Beliebigkeit geholt und zu einem klar definierten, räumlichen Gesamtkomplex vereint werden. Das neue Gebäude öffnet sich mit großen Durchlässen zur bestehenden Gebäudestruktur und integriert zwei Klassenzimmer und jeweils dazugehörige Freiluftterrasse unter einem großen Dach. Ein Lehrerzimmer, eine Bibliothek und ein Computerraum ergänzen das Ganze. Die beiden Höfe, die so entstehen, werden durch einen gedeckten, schattigen Gang zu den Sportplätzen abgeschlossen. Die aufstrebenden vertikalen Lehmmauerpfeiler tragen das lange, gemeinsame Dach. Ausfachungen und Fenster unterteilen in Innen- und Außenräume. Die Pfeiler aus gebrannten Lehmsteinen und das Dach (eine durchlüftete Holzbinderkonstruktion auf gewölbt gemauerter Deckenkonstruktion ) dienen als Speichermasse und verhindern die Aufheizung der Klassenräume. Zwischen dem Schulkomplex und der Anlage der Lehrer- häuser komplettieren Sportfelder, wie der von den Studenten errichtete Basketballplatz und Gemüsegärten die Gesamtanlage. Sie dienen sowohl als Versuchsflächen im Rahmen des angebotenen Landwirtschaftsunterrichts der Schulausbildung, als auch für den Eigenanbau für Schüler und Lehrer. Ein kleines Werkstattgebäude soll zukünftig einer Tischlerei, Solarlampen- und Fahrradmanufaktur Raum bieten. VON 22NACHHALTIGKEITSZERTIFIZIERUNG BAUWERKEN – EINE HERAUSFORDERUNG FÜR DEN MAUERWERKSBAU? PROF. DR.-ING. C.-A. GRAUBNER TECHNISCHE UNIVERSITÄT DARMSTADT FACHBEREICH BAUINGENIEURWESEN UND GEODÄSIE FACHGEBIET MASSIVBAU IM INSTITUT FÜR MASSIVBAU PETERSENSTRASSE 12 64287 DARMSTADT www.massivbau.to In Deutschland hat das Thema Nachhaltigkeit seit längerem auch in das Bauwesen Einzug gehalten. Damit einhergehend zeichnet sich in der Baubranche ein wachsender Bedarf nach einer Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Gebäuden ab. Investoren und Nutzer werden in Zukunft verstärkt „nachhaltige“ Gebäude nachfragen, deren Vorteilhaftigkeit durch ein anerkanntes, vertrauenswürdiges Label belegt wird. Im Zentrum des Interesses steht im Sinne einer ganzheitlichen Gebäudeperformance die Forderung nach der gleichwertigen Berücksichtigung ökologischer, ökonomischer, technischer, sozialer und funktionaler Qualitäten über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Ergänzend dazu werden Informationen zur Qualität des Standortes und der Planungs- und Bauprozesse nachgefragt. Diesem Bedarf kommt das neue nationale Zertifzierungssystem für nachhaltige Gebäude entgegen, dessen Einführung der Bund für das dritte Quartal 2008 plant. Die Entwicklung des Systems erfolgte unter maßgeblicher Mitwirkung des Fachgebiets Massivbau der TU Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus der Universität Karlsruhe (TH). In einem ersten Schritt wird das System im Rahmen der Zertifizierung von Büro- und Verwaltungsgebäuden (Neubau) Einsatz finden. Eine Anpassung an weitere Gebäude- und Nutzungsarten sowie an Bestandsbauten wird zeitnah folgen. Die Einführung eines derartigen Nachhaltigkeitszertifikats stellt neue Herausforderungen an alle am Bau Beteiligten. Die Zertifizierung stellt dabei nicht nur ein neues Geschäftsfeld für Architekten und Ingenieure dar, sie kann auch das bisherige Tagesgeschäft des Planens und Bauens ändern, wenn künftig neue Anforderungen an Gebäude gestellt werden. Architekten müssen gegebenenfalls schon bei der Konzeption neuer Projekte die Zertifizierungsfähigkeit im Auge haben und Ingenieure werden Detailplanungen unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachten. Wie sich die Einführung des neuen Zertifizierungssystems auf die unterschiedlichen am Markt konkurrierenden Bauweisen auswirken wird, kann sich erst in Zukunft zeigen. Da die Nachhaltigkeitsbeurteilung jedoch stets eine ganzheitliche Sichtweise umfasst, können Schwächen an einer Stelle durch Stärken an anderer Stelle kompensiert werden. Die Ausgangssituation des Baustoffs Mauerwerk ist dabei generell positiv einzuschätzen, da die Bauweise bei vielen Bewertungskriterien des Zertifizierungssystems „punkten“ kann. Dem System liegt ein hierarchisch gegliederter Kriterienkatalog zu Grunde (vgl. Abbildung 1). Die erste Version des Zertifizierungssystems wird für den Bewertungsgegenstand „Gebäude“ in der Hauptkriteriengruppe „ökologische Qualität“ die Kriterien - Treibhauspotential, - Ozonschichtzerstörungspotential, - Ozonbildungspotential, - Versauerungspotential, - Überdüngungspotential, - Primärenergiebedarf nicht erneuerbar, - Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtprimärenergiebedarf, - Frischwasserverbrauch - Nutzungsphase sowie - Flächeninanspruchnahme enthalten. In der Hauptkriteriengruppe „ökonomische Qualität“ werden die Lebenszykluskosten beurteilt. Zertifikat E1: Bewertungsgegenstand E2: Hauptkriteriengruppe E3: Kriteriengruppe E4: Kriterien Gebäude Standort Bau- und Planungsprozess ökologische Qualität ökonomische Qualität soziale und funktionale Qualität technische Qualität … … … Ökobilanz … … Ressourceninanspruchnahme Treibhauspotential Ozonschichtzerstörungspotential Ozonbildungspotential Versauerungspotential Überdüngungspotential Primärenergiebedarf nicht erneuerbar Anteil erneuerbarer Energien Frischwasserverbrauch Nutzungsphase Flächeninanspruchnahme Abbildung 1: Ebenen des nationalen Zertifizierungssystems Die Hauptkriteriengruppe „soziale und funktionale Qualität“ enthält die Kriterien - Barrierefreiheit, - Thermischer Komfort im Winter, - Thermischer Komfort im Sommer, - Raumluftqualität, - Akustischer Komfort, - Visueller Komfort, - Sicherheit, - Flächeneffizienz, - Umnutzungsfähigkeit, - Architekturwettbewerb – Sicherung der Vielfalt, - Kunst am Bau. Überprüfung des Zertifizierungssystems geplant, bei der der Kriterienkatalog den in der Praxis identifizierten Anforderungen angepasst werden soll. Die Beurteilung der Einzelkriterien beruht auf einem festen Beurteilungsmaßstab und wird mittels festgelegter Wichtungen zu einer Gesamtnote verrechnet, welche im auszustellenden Zertifikat und Label dokumentiert wird (siehe Abbildung 2). Eine Benotung der Standortqualität sowie der Prozessqualität erfolgt separat und ist von der Note für das Gebäude zu trennen. In der Hauptkriteriengruppe „technische Qualität“ werden - Brandschutz, - Schallschutz, - Thermische und feuchteschutztechnische Qualität der Gebäudehülle - Beleuchtung des Arbeitsplatzes, - Dauerhaftigkeit / Anpassung der gewählten Bau produkte, Systeme und Konstruktionen an die geplante Nutzungsdauer, - Instandhaltungs- und Reinigungsfreundlichkeit sowie - Rückbaubarkeit, Recyclingfreundlichkeit beurteilt. Nach der Pilot- und ersten Anwendungsphase ist eine Die Vorteile des Mauerwerksbaus – insbesondere mit dem Baustoff Ziegel – sind planenden Architekten und Ingenieuren bekannt und bei Bauherren beliebt. Die Vorteile werden sich hinsichtlich der betreffenden Aspekte auch in guten Zertifizierungsergebnissen widerspiegeln. Zunächst ist hier sicherlich die hohe Behaglichkeit von Gebäuden aus Ziegelmauerwerk zu nennen. Der thermische Komfort ist sowohl im Winter als auch im Sommer als besonders gut einzuschätzen, da massive Gebäude Wärme speichern und so über den Tag für ausgeglichene Temperaturen sorgen (vgl. Abbildung 3). Eine vergleichende Untersuchung des sommerlichen Raumklimas Wo liegen nun die Herausforderungen der Nachhaltigkeitszertifizierung für den Mauerwerksbau? 24 Temperaturverläufe 44 Holzbau – leichte Trennwände Lufttemperatur [°C] bei Massivbauten und Holzbauten im Auftrag des Interessenverbandes MassivMeinHaus e.V. ergab außerdem für das untersuchte Massivhaus deutlich niedrigere Überhitzungshäufigkeiten und niedrigere Spitzentemperaturen im Sommer (vgl. Abbildung 4). Auch hinsichtlich der Kriterien „Brandschutz“, „Schallschutz“ und „Thermische und feuchteschutztechnische Qualität der Gebäudehülle“ ist der Mauerwerksbau positiv zu beurteilen. Als nichtbrennbares mineralisches Material erfüllen Ziegelwände in der Regel ohne weitere Maßnahmen die notwendigen Brandschutzanforderungen. Auch der Schallschutz ist durch hohes Flächengewicht gewährleistet. Konstruktionen aus Mauerwerk sind bei kompetenter Planung fehlerunanfällig, so dass auch der Wärme- und Feuchteschutz positiv zu beurteilen ist. Da sich Mauerwerk durch seine Robustheit und lange Lebensdauer auszeichnet, werden auch die Beurteilungen in den Kriterien „Dauerhaftigkeit“ und „Instandsetzungsfreundlichkeit“ positiv ausfallen. Gleiches gilt für einschaliges Ziegelmauerwerk für das Kriterium „Rückbaubarkeit und Recyclingfreundlichkeit“. Welche Zertifizierungsergebnisse für ein Gebäude aus Ziegelmauerwerk hinsichtlich der ökologischen Kriterien zu erwarten sind, dürfte für die meisten Bauschaffenden 36 bau Massiv 28 Raumluft 30 Außenluft 12 0 4 Abbildung 3 8 12 Uhrzeit 16 20 24 Temperaturverläufe an einem heißen Sommertag – Südraum ohne Beschattung [Gertis, K.: Ökobilanz für Bauprodukte – Faktor Zeit muß stärker berücksichtigt werden, Sonderdruck aus Bundesbaublatt 47 (1998), Heft 11, S. 17-20] Abbildung 4 Monatliche Überhitzungshäufigkeit im Massivhaus und im Holzhaus [Lahme, A.: Einfluss der Bauweise auf den Heizwärmebedarf und den sommerlichen Wärmeschutz. Studie im Auftrag von MassivMeinHaus e.V., 2006] Primärenergiebedarf (QP) Ziegelmauerwerk Holzständerkonstruktion 300% 300% 250% 250% Holzfarbe Holzbekleidung Lattung Farbe (außen) 200% Windbremse 200% Silikatputz Hochlochziegel 150% 39 % Mineralwolle Holzständer 150% Kalkputz Tapete 100% Dampfbremse Lattung 100% Farbe (innen) 50% 81 % Gipskartonplatte Tapete 50% Farbe (innen) 0% 0% 0 Abbildung 5 80 Zeit [Jahr] 0 80 Primärenergiebedarf infolge Materialbereitstellung für eine einschalige Ziegelwand und eine Holzständerwand mit hinterlüfteter Fassade über die Abbildung 2 Entwurf des nationalen Nachhaltigkeitszertifikats für Gebäude (Stand 11/07) Gesamtlebensdauer von 80 Jahren [Graubner, C.-A.; Herzog, K.; Hock, C.: Ökologische und ökonomische Potenziale von Mauerwerk. In: Mauerwerk 5/2005] derzeit nur schwer abzuschätzen sein. Dies liegt vor allem darin begründet, dass das zugrundeliegende Verfahren der Ökobilanz und die verwendeten Messgrößen – z.B. kg CO2-Äquivalente Emissionen – noch weitgehend unbekannt sind. Als Bewertungsmaßstab der ökologischen Kriterien für die Zertifizierung werden die berechneten Umweltwirkungen eines realen Gebäudes (sog. „Typvertreter für Büro- und Verwaltungsgebäude) über den gesamten Lebenszyklus zugrunde gelegt. Für die Mauerwerksindustrie ist hier von Interesse, dass bei der Festlegung des Typvertreters die Außenfassade aus einer hinterlüfteten Ziegelwand (Hlz 1,2 24 cm) mit Außendämmung aus Mineralwolle (d=100 mm) und Faserzementverkleidung zur Straßenseite und einer Kalksandsteinwand (KSR, 24 cm) mit verputztem Wärmedämmverbundsystem (Mineralwolle d=100 mm) zum Innenhof besteht. Welche Benotung ein zu zertifizierendes Gebäudes hinsichtlich seiner ökologischen Qualität erreicht, hängt davon ab, ob es hinsichtlich der Ökobilanzkriterien schlechter oder besser abschneidet als der Typvertreter. Hebel zur Optimierung finden sich dabei an verschiedenen Stellen und erlauben unterschiedliche Strategien – von Effizienzsteigerungen der Anlagentechnik bis zu höherer Materialeffizienz. Neue Herausforderung für die Planer ist, dass es Patentrezepte für die „ideale“ Lösung nicht gibt und viele Wege zum Ziel führen. Beispielsweise können durch eine höhere Dämmstoffstärke der Heizwärmebedarf und somit auch die Umweltwirkungen, die beim Betrieb des Gebäudes verursacht werden, gesenkt werden. Dem sind jedoch die erhöhten Aufwendungen für die Herstellung und Instandhaltung des Dämmstoffs gegenüberzustellen. Eine andere Strategie könnte darin bestehen, nicht den Heizwärmebedarf, sondern den bei Bürogebäuden nicht unerheblichen Bedarf für Beleuchtung und Kühlung [ECOpt./a] durch einen entsprechenden Gebäudeentwurf und umweltfreundliche Anlagentechnik zu senken. Es kann dann z.B. eine einschalige Außenwand aus WärmedämmZiegel verwendet werden, wodurch gleichzeitig die Materialaufwendungen für die zusätzliche Dämmschicht und damit verbundene Instandsetzungen eingespart werden können. Derartige Variantenuntersuchungen und Optimierungen werden in Zukunft zu den neuen Aufgaben für Architekten und Ingenieure gehören, welche sich in Folge der Nachhaltigkeitszertifizierung ergeben. Die Mauerwerksindustrie kann hier unterstützen, indem sie für die Anwender der Zertifizierung Arbeitshilfen zur Verfügung stellt, mit denen beispielsweise Wandkonstruktionen schnell und korrekt bewertet werden können. Erste exemplarische Untersuchungen zeigen, dass der Mauerwerksbau durchaus das Potenzial für sehr gute Zertifizierungsergebnisse hat. Auch wenn der Primärenergieaufwand zur Herstellung einer massiven Ziegelkonstruktion relativ hoch ist (beispielsweise im Vergleich mit Konstruktionen aus nachwachsenden Rohstoffen), so schneidet die Ziegelwand aufgrund ihrer hohen Dauerhaftigkeit dennoch gut ab, wenn man den gesamten Lebenszyklus – inklusive Instandhaltung und Rückbau – betrachtet (siehe Abbildungen 5 und 6). Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Mauerwerksbau eine nachhaltige Bauweise darstellt und in diesem Sinne positiv zu bewerten ist. Dennoch sind mit der Nachhaltigkeitszertifizierung neue Herausforderungen – insbesondere für die Arbeit der Architekten und Ingenieure – verknüpft. Durch die Beurteilung der ökologischen und ökonomischen Qualität eines Bauwerks in Verbindung mit seinen funktionalen und technischen Merkmalen über den kompletten Lebenszyklus ergeben sich völlig neue Möglichkeiten einer ganzheitlichen Bauwerksoptimierung. Jährlicher Mittelwert der ECO95-Indikatorpunkte für unterschiedliche Gebäudetypen und –varianten über den Lebenszyklus (40a) 4,00 3,60 3,50 3,00 3,27 3,23 2,84 2,93 2,71 2,69 2,50 2,51 2,31 3 Einfamilienhaus (B) 4 Doppelhaushälfte (C.) 2,00 5 Reihenmittelhaus (D) 1,50 1,00 0,50 0,00 .2 Ziegel-MW .3 KS-MW .4 Holzständerkonstr . 26 ZWISCHEN LEBENSREFORM UND WIEDERAUFBAU, ZUR GESCHICHTE UND ENTWICKLUNG DARMSTADTS PROF. DR.-ING. DR. H. C. WERNER DURTH TU DARMSTADT FAKULTÄT ARCHITEKTUR FACHBEREICH GESCHICHTE UND THEORIE DER ARCHITEKTUR www.architektur.tu-darmstadt.de/gta Seit 1898 bereitete der junge Großherzog Ernst Ludwig in Darmstadt eine nachhaltige Maßnahme zur Wirtschaftsförderung vor. Die Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst“ sollte für das hessische Kunstgewerbe werben und der Möbelproduktion neue Märkte erschließen. In bester Kenntnis der damals schon einsetzenden Globalisierung der Wirtschaft und damit verbundener Standort-Konkurrenzen waren es vor allem Impulse aus England, die den Großherzog zu neuen Strategien der Wirtschaftsförderung führten, in Nachwirkung der ersten großen Weltausstellung in London 50 Jahre zuvor, präsentiert im legendären Kristallpalast. In England entfaltete sich neben und als Korrektiv der rasenden Industrialisierung die Reformbewegung Arts & Crafts, englische Stoffe und Möbel prägten die Geschmackskultur der gehobenen Schichten, eroberten den Weltmarkt. Auch bei Hofe wusste man dies zu schätzen. Ernst Ludwig, Lieblingsenkel der Queen Victoria, der einen prägenden Teil seiner Kindheit in England erlebte, begeisterte sich schon früh für jene Reformmöbel und -bauten, in denen Julius Posener später die „Anfänge des Funktionalismus“ sah; seine Residenz in Darmstadt ließ sich Ernst Ludwig im englischen Stil einrichten, nach Entwurf von Baillie Scott. Neueste Strömungen in Kunst und Kultur lockten den Großherzog auch nach Wien. Dort sammelten sich in der Sezession um Hoffmann, Klimt und Wagner Künstler der jungen Generation, darunter auch Joseph Maria Olbrich, der das Ausstellungsgebäude der Sezession entwarf. 1898 fertiggestellt, steht es bis heute für Aufbruch und Neubeginn in Kunst und Architektur. Begeistert von diesem Bau, verpflichtete der Großherzog Olbrich nach Darmstadt, wo der sich seinen Traum erfüllen konnte, „bis ins letzte Detail“, vom Besteck über die Möbel, Häuser und Gärten neue Formen des Lebens vorzubereiten, auf dem Weg zur Lebensreform. Auf den Hügel im Osten Darmstadts setzte Olbrich einen „Tempel der Arbeit“, umgeben von Wohnhäusern und Ausstellungsbauten. Feierlich wird im Mai 1901 der Weg aus der Stadt zur Mathildenhöhe inszeniert, das Atelierhaus mit einem Weihespiel von Peter Behrens festlich eröffnet. Der Maler, Grafiker und Dichter Behrens entwarf sich als Autodidakt sein eigenes Haus, das ihn über Nacht als Baumeister berühmt machte, ein Haus mit schlichtem Grundriss im umgebenden Garten; auch die Wohnung war bis ins letzte Detail von Behrens selbst gestaltet. Hier besuchte ihn im Sommer 1901 der Kosmopolit Harry Graf Kessler in Begleitung des belgischen Künstlers Henry van de Velde. „Gut“ sei in Behrens Haus nur sein Arbeitszimmer, notiert Kessler, sonst: „Romantik im Gegensatz zum Leben“. Van de Velde findet das Ganze nur dégoutant. 1951 erinnerte Theodor Heuss: „1901 war in Darmstadt auf der Mathildenhöhe das ... Dokument deutscher Kunst hingestellt worden. Als junge Burschen von 17 Jahren wanderten wir dorthin wie zu einem neuen Mekka... Was war geschehen? Dort wurde vor eben 50 Jahren durch die Initiative des Großherzogs Ernst Ludwig einer individuellen Künstlerrevolte die große Chance gegeben... Es handelte sich um eine durch und durch individualistische Rebellion gegen die Konventionen in Architektur, in Möbeln, in Tapeten, in allen Gebrauchsgegenständen... War es nun eine Befreiung von einer Konvention, um zum ‚persönlichen’ Stil zu kommen, oder galt es eine neue Konvention zu schaffen, die einem neuen Lebensgefühl, vielleicht auch einem Sozial- und Wirtschaftsbedürfnis entspreche?“ Den Vorwurf der nur „individualistischen Rebellion“ des Großherzogs widerlegt die Hessische Landesausstellung auf der Mathildenhöhe 1908. In diesem Jahr wird mit Hochzeitsturm und Ausstellungsbau von Olbrich die „Stadtkrone“ Darmstadts errichtet, doch erfolgte zugleich eine Antwort auf die Kritik am elitären Gestus der Künstlerhäuser von 1901. Auf der Ostseite der Mathildenhöhe ließ Ernst Ludwig als Gemeinschaftsprojekt von hessischen Unternehmern und ausgewählten Architekten Arbeiterhäuser als Prototypen für künftigen Siedlungsbau errichten. Olbrich entwarf das Haus für die Opel-Werke, daneben entstand am Fuß der Mathildenhöhe das Haus des jungen Architekten Georg Metzendorf, ein Haus mit funktionalem Grundriss und demonstrativ schlichtem Erscheinungsbild. Nach der Ausstellung wurde dieses Haus mit anderen Arbeiterhäusern von der Mathildenhöhe ostwärts, ans Oberfeld transloziert, doch hatte dieses Projekt noch ein weiteres Nachspiel. Denn wegen dieses Hauses in Darmstadt wurde Metzendorf nach Essen berufen, um dort im Auftrag von Margarethe Krupp und ihrer Stiftung 28 über die nächsten Jahrzehnte die inzwischen weltberühmte Gartenstadt Margarethenhöhe zu bauen. 1914 folgte eine weitere Ausstellung, für die Ernst Ludwig auf der Ostseite der Mathildenhöhe kompakten Geschosswohnungsbau als neues Modell urbaner Lebensformen errichten ließ. Diese Häuser werden, wie einige der Künstlerhäuser von 1901, im Zuge der Luftangriffe auf Darmstadt während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Die verheerende Zerstörung Darmstadts im September 1944 hatte weitreichende Folgen für die Zukunft der Stadt. Von 1806 bis 1918 Residenzstadt der hessischen Großherzöge, von 1918 bis 1945 Hauptstadt des Volksstaates Hessen, verlor Darmstadt die Hauptstadtfunktion durch die Entscheidung der amerikanischen Militärbehörde, Wiesbaden als Hauptstadt des Landes Hessen vorzusehen. Schon früh begann daher der Oberbürgermeister Ludwig Metzger, die kulturellen Traditionen Darmstadts und die internationale Anerkennung jener Impulse zur Lebensreform in Erinnerung zu rufen, die von hieraus seit 1900 in der Kunst und Literatur Europas wirksam geworden waren: „Ich will Darmstadt wieder zu einem geistigen und kulturellen Mittelpunkt machen, der die Fenster in die Welt weit offen hält“, versprach Metzger 1946. Ein halbes Jahrhundert nach der Gründung der Künstlerkolonie 1899 wurde im Oktober 1949 vom Magistrat eine Jubiläumsausstellung beschlossen, die im Rückblick auf die epochale Schau „Ein Dokument deutscher Kunst“ 1901 im Jahr 1951 unter Leitung von Otto Bartning einerseits Entwicklungslinien moderner Architektur seit 1900 nachzeichnen, andererseits durch eine Reihe von „Meisterbauten“ aktuelle Positionen der Baukunst präsentieren sollte. Mit umfangreichem Programm wurde ein „Darmstädter Gespräch“ unter dem Titel „Mensch und Raum“ 1951 geplant, gleichzeitig sollte in einer Ausstellung über den Zeitraum von 1901 bis 1951 mit Werken von Behrens über Gropius und Le Corbusier bis zu Rudolf Schwarz der Heroen der Moderne gedacht werden. Tatsächlich entstanden in den folgenden Jahren mit den Schulen von Hans Schwippert und Max Taut, dem Krankenhaus von Otto Bartning und dem Ledigenheim von Ernst Neufert in Darmstadt bald einige „Meisterbauten“, in denen die stadt-landschaftliche Komposition gemäß dem städtebaulichen Leitbild der Stadtlandschaft noch heute unmittelbar spürbar ist. Zudem lässt die Schule von Taut, das Ludwig-Georg-Gymnasium, noch heute die Idee einer engen Verbindung von Kunst und Architektur ahnen: Die Aufstellung der Skulpturen „Zwei Figuren in Beziehung“ des Berliner Bildhauers Bernhard Heiliger an exponiertem Ort in der Stadtmitte war integraler Bestandteil des Projekts und wirkte damals doch als Provokation, da die abstrahierten Figuren, im Volksmund als „Kranke Neger“ bezeichnet, die eingeschliffenen Reflexe gegen „entartete Kunst“ evozierten. Im deutlichen Kontrast zum Baudekor und Skulpturenschmuck, wie er in der Zeit des Nationalsozialismus und ab 1950 nach der Doktrin des Sozialistischen Realismus in der DDR üblich war, traten auch in Darmstadt zunehmend Werke gegenstandsloser Kunst und figurativer Abstraktion in und zwischen den Neubauten auf, um kulturellen Neubeginn und Einbindung in internationale Tendenzen moderner Kunst der westlichen Welt zu demonstrieren. Gleichzeitig sollten zudem Aufbruchstimmung und Zuversicht vermittelt werden: Die absichtsvolle Heiterkeit farbenfroher Kompositionen, raumgreifend beschwingter Skulpturen, stilisierten Kinderspiels und Familienglücks signalisierten die Abkehrt vom Grauen des Krieges – und wurden bald als Teil einer „Verdrängungskultur“ kritisiert, die mit dem als Wirtschafts-„Wunder“ erfahrenen Aufstieg der Bundesrepublik einherging. So werden in Darmstadt wie in einem Freilichtmuseum der Kunst und Architektur verschiedene Schichten der Geschichte lesbar, die zu immer neuen Entdeckungsreisen in dieser Stadt anregen. 30 PROGRAMM 05.07.2008 EXKURSION 08.00 Uhr Frühstück 09.00 Uhr Abfahrt mit dem Bus vom Welcome Hotel 09.15 Uhr Staatstheater, Generalsanierung durch Lederer Ragnasdotir Oei, 2003-2006 Führung: Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart 10.15 Uhr Weiterfahrt zum Neufert-Meisterbau 10.30 Uhr Neufert-Meisterbau, Umbau und Sanierung durch P. Karle/R.Buxbaum Architekten, 2002 Führung: Dipl.-Ing. Ramona Buxbaum, Architektin, Darmstadt 11.30 Uhr Spaziergang über die Mathildenhöhe Mathildenhöhe mit Hochzeitsturm und Jugendstilvillen, Joseph Maria Olbrich, 1867-1908 Führung: Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt 13.30 Uhr Mittagessen im Restaurant ALACARTE, Mathildenhöhe, Sabaisplatz 1 15.00 Uhr Ende der Veranstaltung 32Staatstheater Darmstadt, Generalsanierung LEDERER RAGNASDOTIR OEI, 2006 GEORG-BÜCHNER-PLATZ 1 64283 DARMSTADT Quelle: www.archlro.de, www.staatstheater-darmstadt.de Um den Spielbetrieb während notwendiger Sanierungsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, war zunächst an dessen Auslagerung an einen anderen Ort oder die Anmietung eines Theaterzelts gedacht. Beim Nachdenken über die damit verbundenen Nachteile - verlorene Kosten und logistische Schwierigkeiten für Mitarbeiter und Besucher - kamen die Architek- ten auf den Gedanken, in Teilen der Tiefgarage und den unterirdischen Zufahrten eine provisorische Spielstätte einzurichten. Diese kann langfristig, nach Wiederaufnahme des Spielbetriebes des kleinen und großes Hauses 2007, als Werkstatttheater weiter genutzt werden. Mit dem Einrichten des Provisoriums wurde nicht nur mehr Licht in die „verratzte“ Unterwelt der Garagen- ebene gebracht, vielmehr konnte die gesamte Eingangssituation mit Pforte und Mitarbeiterzugang aus dem Dunkel des Untergeschosses zur Straße hin verlegt und zusätzliche Lagerflächen bereitgestellt werden. (Wegen der Sanierung mußten bisherige Lagerräume im Innern des Theaters aufgegeben werden.) Für diese Umnutzung durfte nur so viel Geld ausgegeben werden wie für die Anmietung eines Theaterzeltes veranschlagt war. Es handelt sich also um ein „LowBudget“-Projekt. Zwischen den Stützen und restlichen Wandscheiben wurde mit Leichtbetonsteinen ausgemauert, die aus lichtund schallschutztechnischen Gründen mit einer Schale aus Glasbausteinen außenseitig verkleidet wurden. Im Theaterraum wurden die Mauersteine aus akustischen Gründen sichtbar belassen. Ein umlaufender Beleuchtersteg ermöglicht den Spielbetrieb an allen Stellen des Raumes. Das Foyer wurde dunkelbraun lackiert, eine große Sitznische (Spitzname „Schweinebucht“) und ein verschließbarer Kassenraum wurden rosa herausgestrichen. Unter Einbeziehung der bestehenden Treppenaufgänge wurde auf der alten Zwischenebene eine Bar eingebaut. Dieser Bereich ist zum doppelt hohen Foyer geöffnet und knallrot lackiert. Zur Ausleuchtung wurden drei Kronleuchter aus Roheisen gebastelt, unzweideutiger Teil der provisorischen Maßnahme. DES 34REVITALISIERUNG NEUFERT-MEISTERBAUS P.KARLE / R.BUXBAUM FREIE ARCHITEKTEN • DIPLOM INGENIEURE, DARMSTADT PÜTZERSTRASSE 6 – 6 B 64287 DARMSTADT Quelle: P.Karle / R.Buxbaum Freie Architekten Grundstücksfläche: Überbaute Fläche: Total BGF: Bruttorauminhalt: Nutzfläche gesamt: davon Wohnfläche: Restaurantflächen: Laden- und Büroflächen: 3.227 m2 1.468 m2 8.917,26 m2 26.000 m3 6.231 m2 4.600 m2 470 m2 270 m2 sonstige Nutzflächen: Verkehrsflächen: Funktionsflächen: Heizwärmebedarf ( Q**h ): ( nach der Sanierung ) Heizwärmebedarf ( Q**h ): ( vor der Sanierung ) Gesamtbaukosten brutto: 910 m2 1.200 m2 250 m2 63,7 kWh/m2a 123,7 kWh/m2a DM 15.242.454,18 Der 1951 in der Ausstellung „Mensch und Raum“ gezeigte Entwurf von Ernst Neufert für ein Ledigenwohnheim wurde 1952-55 von der Bauverein AG auf einem Grundstück am Fuße der Mathildenhöhe, direkt an der Erich-Ollenhauer-Promenade realisiert. Er ist als einer von fünf realisierten Darmstädter Meisterbauten wichtiges Zeugnis der Architekturdiskussion der Nachkriegszeit. Mit 156 Wohneinheiten, davon 131 Ein-Zimmer-Appartements, war das Gebäude in erster Linie für Alleinstehende und junge Ehepaare gedacht und wurde, bedingt durch gesellschaftliche Veränderungen, den heutigen Ansprüchen an Wohnraum nicht mehr gerecht. Nach dem Umbau entstand eine dem Wohnwert des Standorts „Mathildenhöhe“ angemessene Wohnungsmischung aus den Typen „Atriumwohnung“, „Maisonettewohnung“ und „Geschoßwohnung“, die innerhalb des bestehenden Baukörpers durch Kombination der ehemaligen Ein-Zimmer-Raumeinheiten so angeordnet und miteinander verschränkt sind, daß eine Art räumlichen Puzzles entsteht. Architektur und Design der 50er Jahre bewegten sich in einem Spannungsfeld zwischen Neuanfang und Kontinuität. Aus dem Mangel der Nachkriegszeit heraus bestimmte ein maßvoller Einsatz der Mittel die gestalterischen Themen. Am Beginn des 21. Jahrhunderts finden diese Prinzipien mit der Diskussion um die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und der Forderung nach deren nachhaltigem Einsatz auch im Bereich der Architektur zu neuer Aktualität. Alle neuen gestalterischen Maßnahmen folgen den Prinzipien des bestehenden Gebäudes. Gestaltungsmerkmale des denkmalgeschützten Bestandes wurden aufgegriffen und verstärkt oder an anderer Stelle fortgeführt. Daraus entwickelte sich ein eigenständiges Gestaltungskonzept, welches die Themen der 50er Jahre variiert und zeitgemäß verarbeitet. Die Eingriffe bleiben so im Gebäude erkennbar. 82 Wohneinheiten, davon 3 Atriumwohnungen ( 3- und 4-ZW ), 13 Maisonette-Wohnungen ( 3-ZW ), 47 Geschoßwohnungen ( 2- und 3-ZW ), 19 denkmalgeschützte Wohnungen ( 10 x 1-ZW und 9 x 3-ZW ) Auftragserteilung: Oktober 1996 Baubeginn: Mai 2000, Fertigstellung: Mai 2002 36MATHILDENHÖHE Darmstädter Künstlerkolonie JOSEPH MARIA OLBRICH u.a., 1908 MATHILDENHÖHE DARMSTADT Quelle: www. wikipedia.org Die Darmstädter Künstlerkolonie war einerseits eine größtenteils mäzenatisch finanzierte Gruppe von Künstlern, die gemeinsam tätig waren. Andererseits bezeichnet der Begriff auch die von den Künstlern errichteten Bauten auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, in denen diese lebten und arbeiteten. Die Künstlerkolonie wurde 1899 durch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (Hessen-Darmstadt) ins Leben gerufen. Unter dem Leitspruch „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“ erwartete er aus einer Verbindung von Kunst und Handwerk eine wirtschaftliche Belebung für sein Land. Das Ziel der Künstler sollte die Erarbeitung neuzeitlicher und zukunftsweisender Bauund Wohnformen sein. Dafür berief Ernst-Ludwig als Mäzen die Jugendstilkünstler Peter Behrens, Paul Bürck, Rudolf Bosselt, Hans Christiansen, Ludwig Habich, Patriz Huber und Joseph Maria Olbrich nach Darmstadt. Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie fand unter dem Titel “Ein Dokument deutscher Kunst” von Mai bis Oktober 1901 statt. Als Ausstellungsobjekte sollten die Kolonie mit den individuellen Künstlerhäusern, das Atelierhaus sowie verschiedene provisorische Bauten dienen. Die Schau wurde am 15. Mai mit einem Festspiel nach einer Idee von Peter Behrens eröffnet und erregte weit über die Grenzen Darmstadts hinaus Aufsehen, endete aber trotzdem im Oktober mit einem größeren finanziellen Defizit. Paul Bürck, Hans Christiansen und Patriz Huber verließen anschließend die Kolonie, wie in den folgenden Jahren auch Peter Behrens und Rudolf Bosselt. Die Künstler konnten zu günstigen Konditionen Grundstücke erwerben und darauf ein Wohnhaus errichten, das während der Ausstellung als Musterhaus zu zeigen war. So sollten die Bemühungen zur Zusammenführung von Architektur, Innenarchitektur, Kunsthandwerk und Malerei an konkreten gebauten Beispielen gezeigt werden. Allerdings waren nur Olbrich, Christiansen, Habich und Behrens in der Lage sich den Bau eigener Wohnhäuser zu leisten. Während der ersten Ausstellung konnten dennoch acht voll eingerichtete Häuser besichtigt werden. Ernst-Ludwig-Haus JOSEPH MARIA OLBRICH, 1901 DEUTSCHE AKADEMIE FÜR SPRACHE UND DICHTUNG ALEXANDRAWEG 26 D-64287 DARMSTADT Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de Als gemeinschaftliches Ateliergebäude wurde das ErnstLudwig-Haus nach Plänen von Joseph Maria Olbrich gebaut, dem einzigen ausgebildeten Architekten und der zentralen Figur in der Künstlergruppe. Peter Behrens betätigte sich ursprünglich entsprechend seiner Ausbildung nur als Maler und Graphiker. Die Grundsteinlegung fand bereits am 24. März 1900 statt. Das Ateliergebäude war zugleich das Festgebäude der Künstlerkolonie. In der Mitte des Hauptgeschosses lag der Versammlungs- und Festraum mit Gemälden von Paul Bürck, links und rechts davon schlossen sich je drei Ateliers der Künstler an. Im Untergeschoss befanden sich zwei Künstlerwohnungen und Wirtschaftsräume. Die sechs Meter hohen Kolossalfiguren „Mann und Weib“ oder „Kraft und Schönheit“ stammen von Ludwig Habich und flankieren den Eingang, der in einer Portalnische mit vergoldeten Pflanzenornamenten liegt. Die Häuser der Künstler wurden um das Atelierhaus gruppiert. Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte eine Rekonstruktion des Gebäudes und die Einrichtung des Museum Künstlerkolonie Darmstadt. (...) Besonders bemerkenswert an dem sonst betont schlicht gehaltenen Gebäude ist das reich geschmückte, omegaförmige Mittelportal auf der Südseite mit den monumentalen Skulpturen „Adam“ und „Eva“. Darüber stehen als Verweis auf die Unabhängigkeit der Kunst von der Realität die Worte des Dichters Hermann Bahr: „Seine Welt zeige der Künstler die niemals war noch jemals sein wird“. 38 Großes Glückert-Haus JOSEPH MARIA OLBRICH, 1901 DEUTSCHE AKADEMIE FÜR SPRACHE UND DICHTUNG ALEXANDRAWEG 23 D-64287 DARMSTADT Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de Der österreichische Architekt Josef Maria Olbrich (18671908) hat das „Große Glückert-Haus“ 1901 im Auftrag des Möbelfabrikanten Julius Glückert gebaut. Anlaß war die im selben Jahr eröffnete Ausstellung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe „Ein Dokument Deutscher Kunst“. Das Glückert-Haus war im Gegensatz zu den anderen von Olbrich errichteten Häusern für die Künstler Habich, Behrens und Christiansen nicht in erster Linie auf die Persönlichkeit des Besitzers zugeschnitten, sondern vor allem für die Führung eines beliebigen großbürgerlichen Privathaushalts gedacht und sollte mit ausgedehnter Haushaltung und viel Personal bewirtschaftet werden. Die drei geschweiften Giebelfronten, die bis in den Dachbereich gezogen sind und die schlichten verschieden großen asymmetrisch angeordneten Fensterformen bestimmen die Architektur des Glückert-Hauses. Einige Fenster sind zusätzlich mit gemalten Ornamenten und Flachreliefs verziert. Das große Feld über dem Haupteingang ist im Unterschied zum ursprünglichen Entwurf hingegen nie ausgemalt worden. Typisch für Olbrichs architektonische Phantasie ist die Idee des in die Tiefe gestaffelten Omegabogens, der am GlückertHaus das Eingangsportal formt und sich im Fenster zur Gartenseite des ehemaligen Speisezimmers wiederholt. An dem etwa gleichzeitig entstandenen benachbarten Ernst-Ludwig-Haus verarbeitete der Architekt dieses Motiv ebenso. Alle Räume des Glückert-Hauses sind symmetrisch um die zentrale zweigeschossige Eingangshalle gruppiert. Olbrich gestaltete die Halle nach englischem Landhaus- vorbildern mit großen Bogenöffnungen, dunklem Holz für die Treppe, schlichten der bäuerlichen Wohnkultur entlehnten Möbeln und einem zentralen großen Steinkamin. Die kontrastierenden hellen Wandflächen waren damals - und sind es heute wieder - mit farbenprächtigen Ornamenten in Schablonenmalerei verziert. Um den Kamin ließ Olbrich in der damaligen Begeisterung für die neuesten Errungenschaften der Technik 28 Glühbirnen in Messingfassungen anbringen. Der Besitzer Julius Glückert nutzte das Haus in den nächsten Jahren ausschließlich als architektonische Visitenkarte und als Ausstellungsraum für seine neuen Möbelkreationen. Gewohnt hat er - trotz der verschwenderischen Innenausstattung - in seinem Haus nie. Glückert lebte mit seiner Familie in der Villa nebenan, dem ebenfalls von Olbrich entworfenen sogenannten „Kleinen Glückert-Haus“ im Alexandraweg 25, das heute ausschließlich privat genutzt wird. Hochzeitsturm JOSEPH MARIA OLBRICH, 1905 SABAISPLATZ 1 D-64287 DARMSTADT Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de Der 48 Meter hohe Hochzeitsturm ist Wahrzeichen der Stadt (sowie Grundlage ihres Logos) und sicherlich eines der markantesten Bauwerke der Jugendstilarchitektur. Er wurde zur Erinnerung an die Vermählung des Großherzogs Ernst Ludwig mit Prinzessin Eleonore zu SolmsHohensolms-Lich nach Entwürfen des Architekten Josef Maria Olbrich errichtet und 1908 fertiggestellt. Olbrich war 1899 vom Großherzog an die Künstlerkolonie berufen worden. Der an eine Hand erinnernde Abschluss des Baus geht auf eine Anregung des Großherzogs zurück und hat für den Turmbau in Backstein im Darmstädter Sprachgebrauch die Bezeichnung „Fünf-Finger-Turm“ geprägt. Jedoch auch die „amtliche“ Bezeichnung Hochzeitsturm wird dadurch mit Leben erfüllt, dass man im Hochzeitsturm tatsächlich heiraten kann - in den ehemaligen beiden Zimmern des Großherzogs und der Großherzogin, die sich im Inneren befinden. Im obersten Geschoss befindet sich eine Aussichtsplattform. 40 REFERENTEN / FÜHRUNGEN Nr. 01 02 03 04 05 06 07 08 09 Titel Prof. Dipl.-Ing. Dr.-Ing. Dipl.Ing Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing.Dr.h.c. Dipl.-Ing. Vorname Stefan Eduard Georg Arno Hannelore Barbara Claus-Alexander Werner Ramona Name Schäfer Koegel Dasch Lederer Deubzer Schelle Graubner Durth Buxbaum Bereich Begrüßung Referent Referent Referent/ Führung Referentin Referentin Referent Referent/ Führung Führung FH/TU/ Sonstige TU Darmstadt Architekt Berlin Sonnenhaus-Institut e.V. Universität Stuttgart TU München TU München TU Darmstadt TU Darmstadt P.Karle / R.Buxbaum Freie Architekten O R G A N I S AT I O N / M O D E R AT I O N 10 11 12 Dipl.-Ing. Arch. Dipl.-Ing. Arch. Dipl.-Ing. Waltraud Nicole Michael Vogler Pflug-Dämpfling Pröll Einführung Architektur Bauing.Wesen Ziegel Zentrum Süd e.V. Ziegel Zentrum Süd e.V. Ziegel Zentrum Süd e.V. Architektur Architektur Architektur Architektur Bauing.Wesen Bauing.Wesen Architekur Architektur Architektur Architektur Architektur Architektur Bauing.Wesen Bauing.Wesen Architektur Bauing.Wesen Architektur Architektur Architektur Bauing.Wesen Bauing.Wesen Bauing.Wesen Architektur Architektur Hochschule Darmstadt Universität Stuttgart Hochschule Karlsruhe FH Frankfurt FH Mainz Ohm-Hochschule Nürnberg Hochschule Rosenheim FHWS Würzburg/Schweinfurt FH Koblenz Hochschule Coburg Universität Stuttgart Hochschule Augsburg TU Darmstadt FH Gießen FH Trier Hochschule Augsburg HTWG Konstanz TU Darmstadt SRH Hochschule Heidelberg Ohm-Hochschule Nürnberg Hochschule Biberach FH Regensburg FH Frankfurt Universität Karlsruhe Architekt FH Kaiserslautern Hochschule Biberach FH Frankfurt FH Bielefeld / Minden SRH Hochschule Heidelberg FH Trier Ohm-Hochschule Nürnberg FH Kaiserslautern Hochschule Augsburg T E I L N E H M E R 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dr.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Prof. Dipl.-Ing. Henning M. Peter Susanne Wolfgang Albert Lothar Gerhard Gerhard Henner Rainer Thomas Peter Rolf Rüdiger Klaus Heinrich Josef Kosta Richard Friedo Heinz Nikolaus Wolfgang Peter Albert Gregor Hans-Joachim Anne-Christin Klaus-Jürgen Kenn Matthias Horst Norbert Sebastian Baurmann Cheret Dürr Dunkelau Edelmann Forkert Gicklhorn Hemmerlein Herrmanns Hirth Jocher Junghanß Katzenbach Kern Klever Lauer Lenz Mathéy Meier Mosler Nelskamp Neuleitner Rang Richter Ringlstetter Rutrecht Schaub Scheiblauer Schneider Schwarzbart Sieveke Thomas Zenner Zoeppritz Architektur Bauing.Wesen Architektur Architektur Architektur Architektur Architektur Architektur Architektur im 42Daedalus Himmel über Berlin Wie das Wirtschaftsministerium die Architektur abstürzen lässt GERHARD MATZIG Quelle: Süddeutsche Zeitung, Feuilleton von Donnerstag dem 10.04.2008 Vor 3500 Jahren sagte ein ägyptischer Architekt namens Senmut: „Ich bin der Größte.“ Und Ledoux, ein Franzose im 18. Jahrhundert, bezeichnete die Architekten gar als „Titanen der Erde“. Selbst in Frankreich und Ägypten kann der Stolz der gegenwärtigen Architektenschaft nicht mehr heranreichen an solche Egozentrik; aber erst in Deutschland ist der wahre Niedergang der Branche wie mit Händen zu greifen. Die Bundesagentur für Arbeit ließ im Jahr 2004 die Schüler wissen: „Von der Arbeit als Architekt träumen viele. Doch hohe Arbeitslosenzahlen, die Krise am Bau und ein Alltag, der weniger mit gestalterischen Ideen als mit Kostenkalkulation zu tun hat, erwarten die Absolventen.“ Vier Jahre später hat sich diese Perspektive abermals verdüstert. Die Zahl der erwerbslosen Architekten hat sich in nur zehn Jahren verdoppelt. In Westdeutschland sind zehn Prozent der insgesamt fast 120.000 Architekten, Stadtplaner, Innen- oder Landschaftsarchitekten ohne Beschäftigung – im Osten sind es 14 Prozent. In Berlin ist sogar jeder vierte Architekt arbeitslos. Wer aber Arbeit hat als Architekt, der hat noch lange kein Auskommen: Jeder zehnte angestellte Planer verdient im Monat weniger als 1300 Euro. Jedes zweite Architekturbüro erwirtschaftet für die Baumeister eine Summe, die dem Lohn eines Hausmeisters entspricht. Daedalus, Architekt und Erfinder jener Wachs-Flügel, die Ikarus zum Verhängnis wurden, entstammt der Mythologie – aber als Sinnbild des Absturzes bezeichnet er heute eine aktuelle Realität. Er ist deshalb der Patron des Bundeswirtschaftsministers. Wie nirgendwo sonst wird im Amt von Michael Glos der Absturz der Baukultur betrieben. Wobei die Sabotage unter einem harmlos bürokratischen Kürzel vorbereitet wird: HOAI. Das ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Seit Jahren umstritten, wurde die vom Ministerium vorgelegte Novellierung dieser Ordnung am Mittwoch in Berlin verhandelt. Die Verbände und Kammern der planenden Berufe sind von dieser Novelle jedoch regelrecht entsetzt - und zwar mit Recht. Das Entsetzen ist groß Vom „Ausverkauf der Baukultur“ spricht die Bundesarchitektenkammer, während die Vertretung der Ingenieure auf der Grundlage der neuen HOAI ein „billiges, qualitätsloses und umweltzerstörendes Bauen“ heraufziehen sieht. Der renommierte Münchner Architekt Muck Petzet begreift die Novelle, an der seit 13 Jahren gearbeitet wird, als „ver- nichtenden Schlag“. Denn die HOAI ist weit mehr als eine langweilige Bundesverordnung zur Regelung von Vergütung und Leistung am Bau: Tatsächlich beschreibt sie das Verhältnis der Gesellschaft zu den Produzenten der Baukultur. Sie ist nicht nur Ausdruck des Selbstverständnisses eines Berufs, sondern auch Blaupause für die zukünftige Qualität der Lebensräume. Wenn der Wirtschaftsminister, unterwegs in seiner Dienstlimousine, die Augen aufmachen würde, um die abstoßende, breiig zerfließende Hässlichkeit unserer ohnehin von Architekturqualität meist unberührten Stadtund Landbrachen wahrzunehmen, müsste er seine Novellisten sofort stoppen. Wenn die HOAI-Novelle in dieser Form verabschiedet wird, erobern die architekturfreien Zonen, die aus dem Fundus der Baumärkte bestückt werden, endgültig ein Land, das für sein Architekturwissen und seine Planungskultur im Ausland gefeiert wird – was man in Berlin nicht mal zu ahnen scheint. Im Kern geht es bei der Novelle darum, aus Gründen der „Entbürokratisierung“ sowie der „EU-Kompatibilität“ den Wettbewerb der Ideen und das Ringen um Qualität durch eine reine Preis-Konkurrenz zu ersetzen. Das Bauen von Schulen, Krankenhäusern, Parkanlagen und ganzen Stadtquartieren soll schlicht billiger, die Architektur anspruchsloser werden. Denn zukünftig sollen die bei allen Bauvorhaben, bei großen wie kleinen Projekten, exakt definierten Leistungen und Vergütungen schon ab einer Bausumme von fünf Millionen Euro „frei verhandelbar“ sein. Das aber schwächt gerade die Position von kleineren und jüngeren Büros, die kaum mehr die Chance haben werden, bei größeren Bauvorhaben zum Zuge zu kommen. Profitieren werden die weltweit herumgereichten LabelArchitekten als Produzenten spektakelhafter SchauwertArchitektur. Was dagegen auf der Strecke bleibt: das ganz normale Bauen als eigentlicher Träger der Baukultur. „Die Auftragsverhandlung für stadtbildprägende Gebäude der öffentlichen Auftraggeber wird mit der Kappung“, so der Bund Deutscher Architekten, „zum Preiswettbewerb – das gilt auch für Architektenwettbewerbe, deren Ergebnisse durch die anschließende Preisverhandlung wieder in Frage gestellt werden.“ Noch bizarrer ist die Überlegung, bestimmte Leistungen – etwa die Bauleitung oder die Beratung durch Fachingenieure – abzuwerten. Das eine wird zur Folge haben, dass die Bauausführung, die über die Qualität des Gebauten entscheidet, leidet. Das andere wird dafür sorgen, dass etwa das Zusammenwirken von Energieplanern und Architekten, das in Zeiten des Klimawandels stärker denn je gefordert wäre, dem Zufall überlassen bleibt. Die neue HOAI reiht solche Überlegungen aneinander, um am Ende wie ein Plan auszusehen: wie der Plan, Deutschland unbewohnbar zu machen und von Architekten und Ingenieuren zu befreien. Vom Winde verweht e-magazin 08_21 Quelle: www.magazin-world-architects.com „Sie sind auserwählt“ – so oder so ähnlich hätte der Betreff der E-Mail lauten können, die hundert Architekturbüros aus aller Welt vor etwa einem halben Jahr in ihrem Postfach fanden. Absender: das Büro Herzog & de Meuron. Trotz akuten Spam-Verdachts – die Basler sind schließlich nicht gerade für ihre Internetpräsenz bekannt – haben die meisten Empfänger die Mail wohl geöffnet. Dadurch erfuhren sie, dass sie für einen recht merkwürdigen Auftrag empfohlen wurden: hundert Architekturbüros aus aller Welt sollen in Ordos in der Inneren Mongolei hundert Villen entwerfen, jede davon 1.000 Quadratmeter groß und noch ohne zukünftige Bewohner. Finanziert wird das Ordos 100 genannte Projekt von Cai Jiang, der seinen Reichtum laut New York Times unter anderem dem Handel mit Kohle und Milch verdankt. Den Masterplan für das Projekt fertigte der Künstler Ai Weiwei mit seinem Atelier „Fake Design“, die Wahl geeigneter Architekten überließ man dem mit seinem Vogelnest in den chinesischen Architektur-Olymp aufgestiegenen Duo Herzog & de Meuron. Inzwischen haben die von den Baslern erwählten Büros den Bauplatz in zwei Gruppen besichtigt. Die Gegend, in der die neue Villensiedlung gebaut werden soll, kann wohl durchaus als unwirtlich bezeichnet werden: Bis auf einige Straßen, die nach Ai’s Masterplan angelegt wurden, existieren dort fast nur Sand und Gestrüpp. „Es hat schon etwas Surreales, etwas im Nichts zu entwerfen“ sagt auch Henning Ehrhardt von Bottega Ehrhardt Architekten, der zu der kürzlich wieder in Deutschland eingetroffenen zweiten Gruppe gehört. Durch die Wanderdünen könnte das zugeloste Baufeld beim nächsten Besuch auch ganz anders aussehen. Die direkten Nachbarn (in diesem Fall aus Basel und San Francisco) kenne man aber bereits und man werde sich auch im Entwurfsprozess abstimmen. Darauf konnten sich die Architekten schnell einigen, nachdem sie die 28 bereits existierenden Villenmodelle der ersten Gruppe betrachtet hatten. Der Meisterplan von Ai Weiwei, so Ehrhardt, sei eigentlich gar nicht so schlecht – nur hätte sich bisher kaum einer daran gehalten. Die Villen werden relativ nah beieinander stehen und sollten sich daher eigentlich nach einem vorgegebenen „footprint“ richten. Die meisten Architekten waren großzügig darüber hinweg gegangen, was zu recht skurrilen städtebaulichen Situationen führte. Gar nicht so abwegig erscheint bei alldem der Verdacht von Roderick Hönig, der für Hochparterre ein Reisetagebuch der Ordos-Exkursion geführt hat: Vielleicht sei das Projekt ja nur eine große Kunst-Performance von Ai WeiWei. Thema: „Architektur in Zeiten der Globalisierung“. hi Das Studio von Ai Weiwei entstand 1999 in 100 Tagen Siehe dazu Artikel S. 06 ff., Bild © Eduard Kögel 44IMPRESSUM Herausgeber © Ziegel Zentrum Süd e.V. Konzeption, Graphik, Recherche Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin Tagungsvorbereitung Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin Margret Kaiser AnsprechpartnerInnen: Geschäftsführung Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin FB Architektur Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin FB Bauingenieurwesen Michael Pröll, Dipl.-Ing. Bauingenieur Sekretariat Margret Kaiser Ziegel Zentrum Süd e.V. fon 089 74 66 16-11 Beethovenstrasse 8 fax 089 74 66 16-60 80336 München [email protected] Das Ziegel Zentrum Süd hat die Aufgabe, Lehrende und Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens in ihrer Arbeit an den Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu unterstützen. Diese Unterstützung findet stetig mehr Anklang. Im Jahr 2006 alleine wurden 46 Veranstaltungen mit einem breiten Spektrum an Themen durchgeführt - Seminare, Tagungen und Exkursionen. Die Professoren-Tagung 2007 und die beiden Professoren-Exkursionen im Herbst 2007 zogen 76 VertreterInnen von 26 Hochschulen in ganz Süddeutschland an. Die Gespräche während dieser 3 Professoren-Veranstaltungen bildeten die Basis für 37 Exkursionen, Seminare und Tagungen für StudentInnen, an denen wiederum fast 50 ProfessorInnen teilnahmen. Diese Veranstaltungen wurden vom Ziegel Zentrum Süd organisiert, weitestgehend finanziert und vor Ort betreut und begleitet. Knapp zwanzig Zuschüsse des Ziegel Zentrum Süd gingen an verschiedene Hochschulen, die weitere Exkursionen oder Veröffentlichungen durchführten, die sich mit dem Thema Ziegel befassten. Die Möglichkeit, Unterstützung für mehrtägige Exkursionen quer durch Süddeutschland über die Landesgrenzen hinweg zu erhalten, wurde von drei Hochschulen genutzt. Die Tatsache, dass viele der oben aufgeführten Veranstaltungen fast vollständig durch Gelder des Ziegel Zentrum Süd finanziert wurden, ist einzigartig in der Hochschullandschaft in Deutschland. Profitieren Sie von unserem Knowhow und diesem lebendigen Netzwerk und bringen auch Sie Ihre Ideen ein! www.ziegel.com w w w. z i e g e l . c o m