professorentagung 2008

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PROFESSORENTAGUNG 2008
04. + 05. Juli
in Darmstadt
EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DEM INSTITUT FÜR MASSIVBAU DER TU DARMSTADT
PROFESSOREN-TAGUNG 2008
04. + 05. Juli 2008 in Darmstadt
Tagungsort: Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD,
Fraunhoferstr. 5, Darmstadt
EINE KOOPERATIONSVERANSTALTUNG MIT DEM INSTITUT FÜR MASSIVBAU DER TU DARMSTADT
02
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
04
Tagungsprogramm vom 04.07.08
05
Dr.-Ing. Eduard Koegel
06
„Ai Weiwei Beijing - Fake Design in the village“, Ziegelarchitektur in Beijing
Dipl.Ing Georg Dasch, Sonnenhaus-Institut e.V.
10
Sonnenhaus versus Passivhaus
Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart
14
Werkbericht Staatstheater Darmstadt
Prof. Dipl.-Ing. Hannelore Deubzer, TU München
18
Werkbericht zum Projekt „Learning from the roots“ in Zimbabwe
Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner, TU Darmstadt, Fakultät Bauingenieurwesen
22
Nachhaltigkeitszertifizierung von Bauwerken – Eine Herausforderung für den Mauerwerksbau?
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt, Fakultät Architektur
26
Zwischen Lebensreform und Wiederaufbau, zur Geschichte und Entwicklung Darmstadts
Exkursionsprogramm vom 05.07.08
30
Staatstheater Darmstadt
32
Neufert-Meisterbau
34
Mathildenhöhe mit Hochzeitsturm und Jugendstilvillen, Joseph Maria Olbrich
36
Teilnehmerliste
40
Ergänzende Artikel
42
Impressum
44
04
VORWORT
WALTRAUD VOGLER
Globale Erderwärmung als Folge ungebremsten Energieverbrauchs, neuerdings kombiniert mit explodierenden
Energiekosten, ein Szenario, das in weiten Teilen der Welt durch Kriege, Umweltverschmutzung und Nahrungsmittelknappheit verschärft wird, erzwingt ein Umdenken. Der Mensch, vielerorts als Verursacher der dramatischen Umweltprobleme geortet, sucht nach Wegen aus der bedrohlichen Krise. Die Suche nach Lösungskonzepten ist eine globale Suche geworden. Umweltbewusstsein erzwingt sich über tägliche Hiobsbotschaften
letztlich seinen Weg in die Köpfe und schafft die Basis für Neuerungen, die einen behutsamen Umgang mit den
natürlichen Ressourcen der Erde einfordern.
In vielen Teilen der Welt führt die Beachtung archaischer Grundprinzipien zu wichtigen Ansätzen: „Learning from
the roots“ nennt sich ein Projekt von Entwurfsstudenten der TU München, die mit Prof. Hannelore Deubzer und
dem Lehrstuhl für Raumkunst und Lichtgestaltung eine Schulerweiterung in Simbabwe nicht nur mit den Menschen vor Ort planen, sondern auch bauen. Ein Beispiel der Hochschularbeit, das das Potential der nackten
Erde und der Sonne als Reichtum begreift und die Beschränkung der Mittel als Chance und Ansporn für funktionale Raumbildung und -kunst nutzt – wie in Urzeiten. Junge Leute aus Europa und Afrika erleben gemeinsam
das Bauen mit Ziegel als jahrtausende alte und immer noch gültige Ausdrucksform im Kampf um Schutz vor
den Unbilden der Natur mithilfe der Gaben der Natur.
Von Hand geformter Lehm, getrocknet in der Sonne und auf archaische Weise gebrannt, ist das Baumaterial,
das in vielen Teilen der Welt verfügbar ist. Auch der Künstler Ai Weiwei in China hat Ende der neunziger Jahre
beim Bau seines Wohn- und Atelierhauses auf billigem Bauland am Rand des von einer „permanenten Urbanisierungs-Walze“ erfassten Beijing im Rahmen einer hunderttägigen Performance mit Einwohnern eines Dorfes
eine betriebsame Dynamik angestoßen. Die radikal reduzierte Nutzung lokaler Baumaterialien für einfache formale Kompositionen fand bei den Dorfbewohnern eifrige Nachahmer. Traditionelle Baukultur, verkörpert durch
diese Bauten aus blau-schwarzen und roten Ziegeln, als Kunstprojekt und reales, lebendiges Dorf wird durch
Dr. Eduard Kögel aus Berlin vorgestellt.
Die Sonne als Lebens- und Energiespender in Kombination mit dem Baustoff Ziegel, der auch in Süddeutschland eine Tradition bis zurück zu den römischen Bauten vor 2.000 Jahren hat, ist Thema für den Vortrag von
Dipl.-Ing. Georg Dasch. Die Arbeit des Sonnenhaus-Instituts verdeutlicht Baufachleuten, wie die Kraft der Sonne, die Speicherfähigkeit von Wasser und die Wärmedämmeigenschaften moderner Ziegelgenerationen nahezu
von der Ölindustrie autarke Häuser erschaffen können. Erkenntnisse, die angesichts extrem günstiger Absatzchancen im Bereich Wärmedämmverbundsysteme, die in der Herstellung häufig auf große Mengen an Erdöl
angewiesen sind, sehr nachdenklich machen. Die unmittelbar anstehende Verschärfung der Energieeinsparverordnung, die von Beginn an unter starkem Einfluss der Dämmstoff produzierenden Lobby stand, geriet zudem
zu einem Dick-icht aus Regeln und Sonderregeln, das selbst den Experten – vor allem angesichts ungeklärter
Durchführbarkeit – große Sorge bereitet.
Prof. Carl-Alexander Graubner stellt uns in diesem Zusammenhang die Grundzüge der Nachhaltigkeits-Zertifizierung vor. Nach Jahren der fast ausschließlichen Konzentration auf die Themen „Primärenergiebedarf“ und
„Hüllflächentransmissionswärmeverluste“ soll das Augenmerk der Fachwelt wieder etwas aufgeweitet werden
auf all die anderen wesentlichen Kriterien, die mit dem inzwischen reichlich abgenutzten Begriff „nachhaltig“
schon vor Jahren in bester Absicht zusammengefasst wurden.
Unsere Professoren-Tagung stellt auch in diesem Jahr einen lokalen Bezug zum Tagungsort her. Prof. Arno
Lederer berichtet in seinem Vortrag und vor Ort über die Restaurierung und die Umplanung und Neugestaltung
des inzwischen mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichneten Staatstheaters Darmstadt und ergänzt seinen
Werkbericht um andere weithin bekannte Bauten des Architekturbüros Lederer Ragnasdottir Oei.
Prof. Werner Durth führt uns zum Ende der Tagung zuerst virtuell und am nächsten Vormittag höchst selbst zur
„Stadtkrone“ Darmstadts, zum Weltkulturerbe auf der Mathildenhöhe. Sein Blick zurück zu Arts & Crafts in
England, über die Sezession in Österreich zu Joseph Maria Olbrich und zum „Tempel der Arbeit“ in Darmstadt
öffnet uns die Augen für die kulturellen Errungenschaften und Impulse zur Lebensreform um 1900 und die Entwicklung der Stadt Darmstadt bis heute.
PROGRAMM
04.07.2008
TAGUNG
Ort:
Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, Fraunhoferstr. 5,
Darmstadt, EG, Raum 072
11.30 Uhr
Begrüßungskaffee und Imbiss
12.00 Uhr
Begrüßung durch Prof. Dipl.-Ing. Architekt Stefan Schäfer, TU Darmstadt,
Fakultät Bauingenieurwesen
12.30 Uhr
Einführung, Dipl.-Ing. Waltraud Vogler, Architektin, Ziegel Zentrum Süd e.V.
13.00 Uhr
Dr.-Ing. Eduard Koegel
„Ai Weiwei Beijing - Fake Design in the village“, Ziegelarchitektur in Beijing
13.45 Uhr
Dipl.Ing Georg Dasch (Sonnenhaus-Institut e.V.)
Sonnenhaus versus Passivhaus
14.45 Uhr
Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart
Werkbericht Staatstheater Darmstadt
15.15 Uhr
Pause
15.45 Uhr
Prof. Dipl.-Ing. Hannelore Deubzer, TU München &
Projektleitung Wiss. Ass. Barbara Schelle, TU München
Werkbericht zum Projekt „Learning from the roots“ in Zimbabwe
16.30 Uhr
Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner, TU Darmstadt, Fakultät
Bauingenieurwesen
Nachhaltigkeitszertifizierung von Bauwerken – Eine Herausforderung für den
Mauerwerksbau?
17.30 Uhr
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt, Fakultät Architektur
Zwischen Lebensreform und Wiederaufbau, zur Geschichte und Entwicklung
Darmstadts
18.30 Uhr
Diskussion und Zusammenfassung
19.00 Uhr
Ende der Tagung, Spaziergang zum Welcome Hotel Darmstadt
20.30 Uhr
Sektempfang und gemeinsames Abendessen
Übernachtung im Welcome Hotel Darmstadt, Karolinenplatz 4, Darmstadt
Teilnahmegebühr für die gesamte Tagung 50,- EUR, zuzüglich 29,- EUR für Übernachtung. Die Tagung wird zu einem
erheblichen Teil aus Mitteln des Ziegel Zentrum Süd finanziert. Tagung und Exkursion für ProfessorInnen der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen aller Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz
und Saarland. Anfahrt nach Darmstadt auf eigene Kosten. Ab 15.00 Uhr Einchecken im Welcome Hotel Darmstadt,
Karolinenplatz 4, 64289 Darmstadt. Davor besteht die Möglichkeit das Gepäck im Hotel zu deponieren.
WEIWEI BEIJING - FAKE DESIGN IN THE
06„AI
VILLAGE“, ZIEGELARCHITEKTUR IN BEIJING
DR.-ING. EDUARD KOEGEL
DR.-ING. EDUARD KOEGEL, DIPLOM INGENIEUR FÜR STADTPLANUNG UND STÄDTEBAU
KASTANIENALLEE 29/30
10435 BERLIN
Die permanente Urbanisierungswalze, die sich in Peking
mit mehreren Autobahnringen in konzentrischen Gürteln
um die Kernstadt gelegt hat, erreicht nun auch den
einst beschaulichen Ort Caochangdi. Das Dorf liegt im
Zwickel zwischen dem fünften Autobahnring und der
Schnellstraße zum Flughafen im Nordosten der Stadt.
Falls der Verkehr es zulässt, fährt man von hier in einer
halben Stunde ins Zentrum.
Der Künstler Ai Weiwei zog Ende der neunziger Jahre in
das Dorf Caochangdi. Es gab billiges Bauland und in
Absprache mit dem Ortsvorsteher konnte er ein Wohnund Atelierhaus errichten, das in einer Performance in
hundert Tagen mit lokalen Baumaterialien und Handwerkern errichtet wurde. Mit diesem Projekt begann für
Ai Weiwei eine zweite Karriere als Architekt. Inzwischen
hat er im Ort sieben Projekte realisiert. Allen gemeinsam
ist, dass sie auf die Bedürfnisse von Kunsthandel und
Kunstproduktion zugeschnitten sind. Wie Implantate
einer Gegenwelt verknüpfen sie das dörfliche Leben
mit dem internationalen Kunstmarkt, der am selben
Ort in kurzer Zeit entstand. Diese Symbiose entwickelte
eine eigene Dynamik, die eine Atmosphäre aufgeregter
Betriebsamkeit nach sich zog.
Caochangdi ist heute eine einzige Baustelle, in der jeder
Bewohner sein bescheidenes Anwesen erweitert, ausund umbaut, um für die neuen Herausforderungen
die diese Entwicklungen mit sich bringen, gewappnet
zu sein. Mit den Baumassnahmen kamen hunderte
von Wanderarbeitern ins Dorf, die eine eigene temporäre Struktur von Garküchen, Läden und billigen
Marktangeboten nach sich zog. Gleichzeitig haben
sich durch die Verknüpfung mit dem Kunstmarkt
weitere Galerien angesiedelt, die fortwährend ein
internationales Publikum nach Caochangdi bringen.
Aber alle Bemühungen, sowohl der einheimischen
Dorfbewohner wie der zugezogenen Galleristen und
Künstler, bezieht sich im wahrsten Sinne des Wortes
auf die eigenen vier Wände: Denn die Bebauung
erfolgt meist ohne behördliche Genehmigung und
entspricht in vielen Fällen nicht den Bestimmungen.
Man geht davon aus, dass die Neubauten maximal
zwanzig Jahre stehen werden.
Die lokale Verwaltung kümmert sich nicht um Belange
des öffentlichen Raumes. So entsteht auch hier
eine Doppelstruktur. Einerseits die vernachlässigten
öffentlichen Einrichtungen, Straßen und Grünflächen
mit chaotischen, ungeplanten Infrastrukturen, anderseits die architektonischen Kompositionen von
08
Ai Weiwei, die in radikaler Reduktion mit lokalen Baumaterialien und in einfachen formalen Kompositionen die
Themen der traditionellen Baukultur in eine zeitgenössische Sprache übersetzt. Dazu bedarf es keiner großen
formalen Ansätze, sondern einer an die technischen
Möglichkeiten angepassten Lösung, die gleichwohl mit
architektonischem Grundvokabular Innen- und Außenraum in kongenialer Weise miteinander verknüpft. Ai
Weiwei begreift die einzelnen Bauten nicht als Objekt,
sondern als Typus, den er variiert und der trotzdem aus
der Anpassung an den Ort grandiose plastisch-räumliche Qualitäten aufweist.
Im Jahr 2003 gründete er die Firma FAKE Design, die
sich fortan um die Bauaufträge kümmerte. Der Name
Fake ist mit bedacht gewählt. Im Englischen wird damit
eine Kopie oder Imitation bezeichnet. In Mandarin wird
fake wie das englische Fuck betont. Das chinesische
Zeichen ist eine phonetische Übersetzung und macht
keinen Sinn. Die Doppeldeutigkeit, die im Namen zum
Ausdruck kommt, bestimmt auch die konzeptionelle
Haltung des Architekten Ai Weiwei. Einerseits pfeift er
auf die Konventionen, die ihm in der Architektenwelt
begegnen und umgeht gleichzeitig mit Geschick die
Regeln der lokalen Behörden. Anderseits freut er sich,
wenn die Dorfbewohner seinen Baustil kopieren. Aber
auch die lokalen Behörden haben erkannt, dass sich
mit den Bauten von FAKE Design Gewinn erwirtschaften
lässt. Die Qualitäten oder die Differenz zu den üblichen
kommerziellen Neubauten werden den Parteisekretären
nicht klar. Aber sie verstehen, dass sie mit dem Kunstmarkt mehr Geld verdienen können als mit dem Anbau
von Gemüse. Deshalb beauftragen sie FAKE Design mit
dem Entwurf neuer Baukomplexe, die für den schnell
wachsenden internationalen Kunststandort in Caochangdi benötigt werden. Im April 2007 veröffentlichte die
Dorfverwaltung ein drei-Punkte-Papier mit den Zielen der
neuen sozialistischen Dorfentwicklung. Demnach soll die
Infrastruktur verbessert werden, die Sicherheitsvorkehrungen gegen Einbruch und Diebstahl sollen ausgebaut
werden und bis zu den Olympischen Spielen soll das
Dorf im Sinne des Umweltschutzes schöner werden. Im
Anhang vermerkte das Papier, das bis zum April 2007
das Haupteinkommen des Dorfes aus der Landwirtschaft
kam, aber bis zum Ende des Jahres rechnete man mit 60
bis 70 Prozent der Einkünfte aus der „Kulturindustrie“.
Kein Wunder, dass alle Hausbesitzer im Dorf mit Umbauten beschäftigt sind, um aus ihren Garagen und Höfen
Galerien und Atelierkomplexe zu formen und am erwarteten Boom zu partizipieren. Doch die Erwartungen der
neuen Kundschaft sind den meisten unklar. Ai Weiweis
Bauten scheinen in ihrer radikalen Reduktion zu einfach,
um internationalen Standards zu genügen. Anderseits
erfährt seine Kunst und zunehmend auch seine Architektur internationale Anerkennung. Deshalb versuchen
die Bauern die einfache Materialität und die kubische
Formensprache zu kopieren so gut sie es können. Ai
Weiwei ist keineswegs verärgert darüber, sondern freut
sich, dass seine Bauten als Vorbild Akzeptanz finden.
Denn die Bauern könnten sich nie einen Architekten
leisten und mit den Kopien entsteht im Dorf so etwas wie
eine ästhetische Grundstruktur, in der die Bauten von Ai
Weiwei trotzdem aufgrund ihrer Proportionen und ihrer
Kompositionen sofort erkennbar bleiben. Der lokale,
mehrfach gebrannte blau-schwarze Backstein war das
wichtigste Material für die Außenhaut seiner ersten fünf
Bauten im Dorf. Bei den letzten Komplexen verwandte er
jedoch auch rote Ziegel, die wie die schwarzen alle in
einem einfachen Blockverband vermauert sind. Die Entwurfszeichnungen der Bauten sind nach europäischem
Standard rudimentär im Maßstab 1:100 ausgeführt.
Nach diesen Plänen arbeiten die lokalen Bautrupps. Ai
Weiwei verlässt sich dabei auf das Können der Handwerker und gibt ihnen lediglich bestimmte Vorgaben, die
dann von den Handwerkern in eigener Verantwortung
umgesetzt werden. So gab es beim Projekt Courtyard
104 die Vorgabe, für die Außenhaut dreißig Prozent
rote Ziegel zu verwenden. Die Verteilung blieb den
Handwerkern überlassen. An anderen Projekten waren
die Vorgaben präziser. Beim Courtyard 105 wurden die
Steine im Blockverband vermauert und an den Bindern
die Köpfe abgeschlagen, so dass eine gestreifte Fassade
mit expressivem Charakter entstand. Beim Projekt für das
Fotomuseum des chinesischen Fotographen Rong Rong
war jeder Backstein der Fassade im Plan genau fixiert,
denn durch den Versatz der einzelnen Steine gegeneinander entstand ein Relief, das durch seinen Schattenwurf eine plastisches Erscheinungsbild der ansonsten
einfachen kubischen Baukörper schafft.
Die konzeptionelle Arbeitsweise von Ai Weiwei beim
Bauen, die deutlich von seiner künstlerischen Haltung
des ready-made und der Verfremdung des Alltäglichen
bestimmt ist, bringt erfrischend einfache Lösungen, die
sowohl im lokalen Kontext des Dorfes wie der internationalen Kunstwelt für Diskussionen sorgt.
VERSUS PASSIVHAUS 10SONNENHAUS
Vergleich zweier Baukonzepte zum
Energiesparenden Bauen
DIPL.-ING. (FH) GEORG DASCH, ARCHITEKT
SONNENHAUS-INSTITUT E.V.
AUGSBURGERSTR. 35
94315 STRAUBING
www.sonnenhaus-institut.de
Vor mehr als dreißig Jahren wies der Bericht des Club
of Rome auf die Endlichkeit der Ressourcen und die
Grenzen des Wachstums hin. Es scheint nun die Zeit gekommen, da sich die Menschen dieser Herausforderung
stellen müssen. Humane Lebensbedingungen und ein
einfacher Wohlstand für die Weltbevölkerung sind in
Einklang zu bringen mit einem begrenzten Angebot an
landwirtschaftlichen Flächen, schwindenden fossilen Energievorräten und weiterhin steigender Weltbevölkerung.
Da das Bauen und Wohnen ungefähr ein Drittel der
weltweiten Ressourcen verbraucht, und andererseits in
direktem Zusammenhang mit humanen Lebensbedingungen steht, sind die Entwicklungen im Bauwesen
eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft. Das Angebot fossiler Energieträger als Antrieb des Wachstums
der Weltwirtschaft ist am Peak angekommen, und die
nächsten Jahrzehnte werden geprägt sein von steigender
EG
Nachfrage nach Energie und sinkendem Angebot.
Bei der Gegenüberstellung der Energieversorgung des
Sonnenhaussystems mit dem Passivhaussystem zeigen
die Überlegungen zur zukünftigen Energieversorgung die
Probleme, die einseitig optimierte Lösungen aufwerfen.
Das Beheizen von Gebäuden mit Strom verlangsamt den
Umbau hin zu einer regenerativen Stromerzeugung, und
Sonnenstrom ist nicht speicherbar.
Sonnenstrahlung ist die einzige Energieform, die beinahe
unbegrenzt auf der Erde zur Verfügung steht. Die zeitliche und räumliche Trennung vom Verbrauch macht uns
Probleme. Sonnenenergie muss speicherbar werden, um
mehr Bedarf abzudecken.
Sowohl beim Sonnenhaus als auch beim Passivhaus ist
der Heizenergieverbrauch minimiert, und die passive
Nutzung der Sonnenenergie optimiert. Bei den Heizsystemen bestehen deutliche Unterschiede. Beim Sonnenhaus
OG
12
wird über eine große thermische Solaranlage Sonnenwärme in einem Wassertank gespeichert und bedarfsgerecht an das Haus abgegeben. Solare Deckungsgrade
von 50 – 100 % für Heizung und Warmwasser sind
möglich. Die Wärme wird über ein Wasserheizsystem im
Haus verteilt. So ist es möglich mit 25°C Heizungsvorlauftemperatur ein Haus bei -16° C Außentemperatur
auf 21° C zu beheizen. Der Wassertank und das Wasserheizsystem ermöglichen eine Speicherung der Sonnenenergie und eine genaue bedarfsgerechte Abgabe an
Kollektoren müssen steil zur Wintersonne stehen
Neigung 40 - 80°
das Gebäude. Der Restenergiebedarf, der nicht solar gedeckt wird, wird mit Holz oder anderen Energiepflanzen
bereitgestellt. Auf einen sehr geringen Stromverbrauch
der gesamten Heiz- und Warmwasseranlage wird größter
Wert gelegt. Das Sonnenhaus erreicht einen Primärenergieverbrauch nach ENEV von 10 kWh/m² Jahr. Beim
Passivhaus wird der Heizenergieverbrauch soweit optimiert, dass auf eine wassergeführte Heizverteilung verzichtet werden kann. Die Heizwärme wird dem Gebäude
über Luftleitungen zugeführt. Damit ist eine komfortable
SCHEMAZEICHNUNG
Beheizung der Gebäude bis ca. -4° C Außentemperatur
möglich. Eine Nutzung von aktiver thermischer Solarenergie ist nicht möglich, weil es keinen Speicher und
kein Wasserheizsystem gibt. Passivhäuser mit Klimakompaktgerät haben ein sehr ungünstiges Stromverbrauchsprofil. Der Heizenergiebedarf ist dann am höchsten,
wenn auch der sonstige Stromverbrauch am höchsten
ist. Der Primärenergieverbrauch von Passivhäusern mit
Klimakompaktgerät und Warmwassersolaranlage beträgt
im Mittel 51 kWh/m² Jahr (Quelle: Tagungsband zur 9.
Internationalen Passivhaustagung, Seite 139). Am besten
150 - 250
250
Altbau-Bestand
200
Neubau
nach ENEV
150
100-120 Passivhaus mit
Wärmepumpenheizung
40 - 80
100
Sonnenhaus mit
Solar-Holzheizung
50
5 - 15
0
KWh/m2 Jahr Primärenergieverbrauch von Häusern nach ENEV
wird dieser Widerspruch beim Energieplushaus deutlich.
Als Energieplushaus wird häufig ein Passivhaus bezeichnet, das im Sommer über Fotovoltaik Strom ins öffentliche Netz einspeist, und im Winter mit Strom aus dem
Spitzenlastkraftwerk über eine Wärmepumpe beheizt
wird. Wenn es dann richtig kalt ist, und auch noch die
ältesten Kraftwerke mit dem höchsten Schadstoffausstoß
und den schlechtesten Wirkungsgraden ans Netz gehen,
dann wird die Wärmepumpenheizung (1,4KW Anschlussleistung) durch einen 6 kW Heizstab ergänzt.
Beim Vergleich des Sonnenhauses mit dem Passivhaus
stellt sich nicht die Frage, welches nun das bessere
System sei.
Die Frage lautet, wie kann der Primärenergieverbrauch
reduziert werden. Passivhäuser mit regenerativen Heizsystemen mit Solaranlagen und Pelletsprimäröfen erreichen
Werte von 20 – 30 kWh/m² Jahr. Dieser Wert kann
mit Sonnenhaustechnik auf etwa 7 – 12 kWh/m² Jahr
optimiert werden.
Da das Ziel eine nachhaltige Energieversorgung sein
muss, wird das Passivhaus wohl zum Sonnenhaus
werden. Wie groß die Solarspeicher und Solaranlagen sein werden, welche Medien und Konzepte für die
Speicherung und welche Dämmstandards sich als das
ökologische und ökonomische Optimum herausstellen
werden, das wird die Zukunft zeigen.
Nach derzeitigem Stand der Entwicklung verbraucht das
Sonnenhaus 70 – 80% weniger Primärenergie als das
Passivhaus.
LEDERER - WERKBERICHTE
14ARNO
Staatstheater Darmstadt
PROF. DIPL.-ING. ARNO LEDERER
UNIVERSITÄT STUTTGART
INSTITUT ÖFFENTLICHE BAUTEN UND ENTWERFEN
LEDERER RAGNARSDÓTTIR OEI ARCHITEKTEN
KORNBERGSTRASSE 36
70176 STUTTGART
Quelle: www.archlro.de
Das Darmstädter Theater feiert in dieser Saison seine
175. Spielzeit. Die langjährige Theatertradition der Stadt
begann jedoch schon im 17. Jahrhundert, als Ritterspiele
und Singballette zum Bestandteil des höfischen Zeremoniells der Landgrafen gehörten. Für die Bevölkerung bot
sich Theater durch reisende Schauspielertruppen dar,
die hin und wieder ihre Bühnen in der Residenzstadt aufbauten. Auf Wunsch der Landgräfin Elisabeth Dorothea
entstand das erste Theatergebäude in Darmstadt. Die
Reithalle am Herrengarten wurde in ein „Komödienhaus“
umgebaut und 1711 – nach nochmaligem Umbau
durch den Architekten Louis Remy de La Fosse – eröffnete man mit Christoph Graupners Oper Telemach das
repräsentative Theatergebäude. Dieses Barocktheater
blühte jedoch nur kurze Zeit, da finanzielle Krisen den
Theaterbetrieb weitgehend zum Erliegen brachten. Erst
ein knappes Jahrhundert später begründete Großherzog
Ludwig I. ein Hoftheater, das allen Bevölkerungsgruppen
offen stehen sollte. Das durch den Architekten Georg
Moller erbaute Theatergebäude mit 2000 Sitzplätzen
und einer aufwändigen Bühnentechnik wurde 1819
eröffnet. Trotz weiterer finanzieller Engpässe in den
Jahren 1830 bis 1848 wurde das Theater bis 1871 fast
durchgehend bespielt und feierte mit prachtvoll ausgestatteten Opernaufführungen viel beachtete Erfolge. Aufgrund der Unaufmerksamkeit eines Beleuchters brannte
das Theater 1871 vollständig aus und konnte erst sieben
Jahre später wiedereröffnet werden. Den Wiederaufbau
leiteten die Wiener Theaterarchitekten Hermann Helmer
und Ferdinand Fellner.
1919 wandelte sich das Hoftheater zum Landestheater.
Das ehemalige landgräfliche Opernhaus wurde zum
Kleinen Haus. Der damalige Intendant Gustav Hartung
(1920 bis 1924 und 1931 bis 1933) lehnte das bürgerliche Illusionstheater ab und machte das Darmstädter
Theater mit Uraufführungen moderner Autoren und
aufsehenerregenden Klassiker-Inszenierungen landesweit
bekannt. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft
wurde Intendant Hartung über Nacht zur Flucht gezwungen, und auch die 20-jährige Schauspielerin Lilli Palmer,
die später zu Weltruhm gelangte, musste das Haus wegen ihres jüdischen Glaubens verlassen und emigrierte
nach Paris. Im September 1944 wurden beide Häuser
des Theaters durch einen nächtlichen Bombenangriff
zerstört. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde in
der Orangerie zunächst eine provisorische Spielstätte geschaffen, in der das Theater fast drei Jahrzehnte bleiben
sollte. Unter der Intendanz Gustav Rudolf Sellners (1951
bis 1961) konnte, insbesondere im Schauspiel, an die
Glanzpunkte der Vorkriegszeit angeknüpft werden.
Die Umbenennung von Landes- in Staatstheater erfolgte
1972 als das Theater in das von Rolf Prange neu erbaute Haus am Georg-Büchner-Platz umzog, das heute
drei Bühnen sowie alle Werkstätten und einen großen
Teil der Kulissenmagazine unter einem Dach beherbergt.
Im Zuge der umfangreichen Arbeiten zur technischen
und baulichen Erneuerung des Gebäudes wurde bis zum
Sommer 2006 die gesamte Bühnentechnik des Großen
Hauses ersetzt und auf den neuesten Stand gebracht.
Maßnahmen zum Brandschutz und zur Verbesserung
der Arbeitssicherheit machten einen weiteren großen
Teil der Restaurierung der in die Jahre gekommenen
Bausubstanz aus. Ein geringerer Anteil an den Kosten
des Umbaus floss in die architektonische Umgestaltung,
die ein neues Eingangsbauwerk, die Sanierung der
Foyers und den Einbau der Kammerspiele in einen Teil
der Tiefgarage umfasste. Die Kammerspiele mit Foyer,
einer neuen Bar sowie die technischen Bereiche wurden
als Bestandteil der Sanierung durch das Architekturbüro
Lederer Ragnarsdottír Oei aus Stuttgart schon mehrfach
mit Architekturpreisen ausgezeichnet und sind für den
Mies-van-der-Rohe-Preis vorgeschlagen.
16
Schule & Sporthalle
in Ostfildern
1996-1999 / 2000-2002
GERHARD-KOCH-STRASSE 6
73760 OSTFILDERN
Quelle: www.archlro.de, www.you-are-here.com
Schulhaus und Sporthalle sind Teil einer neuen Stadt, die
zurzeit auf einem ehemaligen Kasernenareal entsteht.
Die Anlage bildet den Stadtrand nach Nordosten. Dort
wird der Siedlungsrand durch die gerundete Form
der Sporthalle geprägt. Auf der anderen Seite ordnet
sich das Schulgebäude in die rechtwinklige Struktur
der bestehenden Kasernenbauten ein. Grundriss und
Schnittführung entsprechen dem Charakter der strengen
Straßenräume.
Zwischen Sporthalle und Schulgebäude liegt der
Pausenhof. Seine Fassung und Eigenart erhält er durch
die plastisch geformte Westseite der Halle, wie auch
der markanten Freitreppe, die nach Süden abfällt. Von
dort hat man einen schönen Blick über die Stadt und die
weitere Landschaft.
Das Gebäude ist zum Großteil aus Ziegeln errichtet.
Die grobe Verfugung ist dabei ein wesentliches gestalterisches Merkmal. Neue und vorhandene Baukörper
der dahinter liegenden Stadtbereiche erhalten von der
Schule und der Sporthalle eine deutlich spürbare Begrenzung, die sich als Stadtmauer deuten lässt - nicht als
historisierendes, sondern als selbstverständliches Mittel,
das mit dem Bild der Mauer spielt.
Die Gliederung der Innenräume, die das Motiv von
Straße und Haus weiterführt, arbeitet mit der gleichen
Materialisierung: Auch hier sind die Oberflächen aus
Ziegel, Stürze und Träger aus sägerauem Stahlbeton.
Alle Fensteröffnungen sind nur so groß dimensioniert,
wie sie zur Ausnutzung des Tageslichtes tatsächlich
benötigt werden. Dadurch wird der Anteil der gemauerten Fassade relativ hoch, das Gebäude wirkt solide
und körperhaft umschlossen. Dieses klare Erscheinungsbild ist keineswegs nur ästhetisch motiviert, vielmehr
spiegeln sich in ihm die vielfältigen Vorteile einer zweischaligen Ziegelfassade gegenüber einer Glasfassade
wider: Deutlich geringere Kosten, höhere Speicherkapazität, weitaus höherer Dämmwert und längere Haltbarkeit.
Walldorfschule in
Villingen-Schwenningen
2004 - 2006
SCHLUCHSEESTRASSE 55
78054 VILLINGEN-SCHWENNINGEN
Quelle: www.archlro.de, “Mauwerksbau aktuell” 2008 Bauwerk Verlag
OG
Die Waldorfschule befindet sich am westlichen Rand des
Stadtteils Schwenningen, unweit eines Waldgebiets. Der
Entwurf für den Erweiterungsbau führt die Kontur des
bestehenden Schulhauses organisch fort.
Das Weiterbauen erfolgte jedoch nicht in der gleichen
Formensprache des Bestandes. Dem Neubau liegt
vielmehr die Erkenntnis zugrunde, dass Häuser nolens
volens Ausdruck einer zeitgebundenen Vorstellung von
Ordnung sind. So ist auch zwischen dem ersten und
zweiten Bau des Goetheanums, was die Formensprache
betrifft, ein gewaltiger Unterschied, obwohl beide Entwürfe nur etwa 15 Jahre trennen.
Die Grundrissgeometrie wird – im Unterschied zu den
polygonalen und gekrümmten Flächen des Altbaus – von
gerundeten Formen bestimmt.
Die Spange der Unterrichtsräume und des Speiseraums
befindet sich im Osten, an der Seite des Schulhofes.
Der Saal, der aus verschiedenen Gründen eher eine
geschlossene Form hat, orientiert sich nach Westen.
Der Hort im Erdgeschoss ist zu einem eigenen Hof nach
Süden ausgerichtet.
Während die Unterrichtsräume im Obergeschoss über
großzügige Fensterbänder einen hohen Tageslichteinfall
bieten, verfügt der zweigeschossige Saal über unregelmäßig gesetzte kleinere Wandöffnungen, die mit ihren
vorgesetzten, farbigen Glasscheiben dem Innenraum
eine eher introvertierte Stimmung verleihen. Mit dem
Sonnenlicht wandern die im Innenraum farbig reflektierten Fensterflächen entlang des Bodens und der Wand.
Auch in der Dachform besitzt der Neubau keinen streng
horizontalen Abschluss: Bewegte Traufkanten differenzieren die Baukörper und lassen die mehrfach geneigten
Dachflächen erahnen. Die geschwungenen Dächer des
Neubaus ermöglichen nicht nur eine einfache Ableitung
des Regenwassers, sie ergeben zudem eine plastisch-bewegte Untersicht im Saal und den Klassenzimmern.
EG
Erweiterung Waldorfschule Villingen-Schwenningen
Architekten
Prof.Arno Lederer
Jórunn Ragnarsdóttir
Marc Oei
Grundriss Erdgeschoss
ZUM PROJEKT „LEARNING
18WERKBERICHT
FROM THE ROOTS“ IN SIMBABWE
PROF. DIPL.-ING. HANNELORE DEUBZER
TU MÜNCHEN
LEHRSTUHL FÜR RAUMKUNST UND LICHTGESTALTUNG
www.lrl.arch.tu-muenchen.de
DEUBZER KÖNIG ARCHITEKTEN
KNESEBECKSTRASSE 77
10623 BERLIN
www.deubzerkoenigarchitekten.de
Quelle: Lehrstuhl Für Raumkunst Und Lichtgestaltung
Die Idee
An den Randgebieten der Welt kann Architektur den Lebensraum von Menschen auf einfache Weise aufwerten
und einen einprägsamen Ort in der Weite der Landschaft
definieren. In einem Gebiet der Armut, wo die meisten
Architekten der entfernten Hauptstadt niemals tätig werden, können Studenten der ersten Welt von der dritten
Welt lernen: die Herausforderung des Mangels, „doing
more with less“ stellt eine Herausforderung in unserer
globalisierten Welt dar. Jede Linie, die wir hier ziehen,
hat eine tiefere Bedeutung.
Ein Projekt für die St. Rupert Mayer School in Simbabwe
Seit 2006 plant der Lehrstuhl für Raumkunst und Lichtgestaltung gemeinsam mit Entwurfsstudenten das Projekt
einer Schulerweiterung. Die angehenden Architekten
bekommen die Möglichkeit, ihren Entwurf im Maßstab
1:1 als realen Beitrag eines kulturellen Austausches zu
verwirklichen.
Im Frühjahr 2007 konnte mit dem ersten Bauabschnitt
der Lehrerhäuser begonnen werden. Seitdem arbeiteten
die Studenten mehr als 12 Wochen auf der Baustelle in
Simbabwe mit: sie mauerten, betonierten, zimmerten,
verputzten, und vor allem entwickelten sie das Projekt im
Detail gemeinsam mit den Bauverantwortlichen vor Ort
weiter. Entstanden sind zwei (von geplanten vier) Lehrerhäuser, gemauerte Wasserspeicher, ein Basketballfeld
und die Fundamente und Grundmauern der Schule.
Das Engagement für eine Schule in Simbabwe, Afrika,
bietet dabei nicht nur jungen Afrikanern eine existentielle
Chance, sondern fördert beidseitig die Auseinandersetzung mit den Werten anderer Kulturen.
Das Projekt für die St.Ruperts Mission in Simbabwe
ermöglicht - neben seinen unmittelbaren sozialen und
pädagogischen Perspektiven als Lern- und Lebensraum für Kinder und Jugendliche - zwei grundlegende
Erfahrungen bei der Umsetzung architektonischer und
künstlerischer Aufgaben.
Zum einen sehen sich die Entwurfsarbeiten konfrontiert
mit einer äußersten Reduktion der Mittel. Die ökonomischen Umstände, aber etwa auch die extremen klimatischen Bedingungen erfordern eine schlichte, in der
Errichtung wie in der späteren Nutzung und im laufenden
Unterhalt wirtschaftlich effiziente und in jeder Hinsicht
funktionelle Bauweise, die ästhetische Kriterien deshalb
aber nicht vernachlässigen muss, im Gegenteil.
Es ließe sich hier nämlich, und dies wäre der zweite
Aspekt, geradezu exemplarisch jenen Vorurteilen ent-
gegenwirken, wonach die praktische Nutzung und der
künstlerische Anspruch von Architektur selten zusammen gingen und sich eher im Wege ständen, oder dass
formal durchdachte, ausdrucksstarke Bauten – wie
jede Spezialanfertigung – aufwendiger und teurer sein
müssten als der übliche Standard.
Aus dem Vorhandenen, dem Gegebenen das Beste zu
machen und weniger in Effekte, Äußerlichkeiten und
kostspielige Materialien zu investieren als vielmehr in
die gute Idee, in die klassischen Mittel der Baukunst seit
alters her, nämlich in Wand und Licht, entspräche jenem
universalen und in allen Kulturen gültigen Prinzip, das
etwa im japanischen „Wabi Sabi“ seinen Niederschlag
gefunden hat.
Der Begriff meint das naturhaft Anspruchslose, das unaufgesetzt Ursprüngliche und Unscheinbare. D.T.Suzuki
hat es als „ästhetische Wertschätzung der Armut“ umschrieben. Ein Konzept, das sich überall dort finden bzw.
realisieren lässt – ganz unabhängig von den regionalen,
kulturellen, sozialen und ökonomischen Umständen - wo
die Beschränkung der Mittel als Chance und Ansporn
gesehen und ergriffen wird und nicht mit allen Mitteln
kaschiert, korrigiert und geschönt werden muss.
Dazu einen sichtbaren und nachhaltigen Beitrag zu
leisten, bleibt unser Ansatz und Anspruch.
Der Ort
St. Ruperts liegt weit abgelegen im ländlichen Shonagebiet, 250 km westlich der Hauptstadt Harare. Den Kern
der katholischen Missionsstation bilden Kirche, Konvent
und Krankenhaus sowie zwei Schulen (Primary School
und Secondary School). 600 Kinder müssen teilweise
bis zu vier Stunden Schulweg am Tag zurücklegen. Die
Schüler kommen aus den verschiedensten gesellschaft-
lichen Schichten und bei den meisten arbeiten die Eltern
auf den umliegenden Farmen des kargen Landes. Ein
Drittel der Kinder lebt als Aidswaisen bei Verwandten.
Alle Kinder, egal welcher Religionszugehörigkeit, dürfen
die Schule besuchen, das geringe Schulgeld aufzubringen, ist für die Familien auf Grund der wirtschaftlichen
Situation schwierig.
20
Bauaufgabe Lehrerhäuser
Programm ist der Entwurf von vier 3-4 Zimmer Häusern
mit der nötigen Flexibilität der Nutzung für Familien und
Wohngemeinschaften alleinstehender Lehrer.
Schön sollen die Wohnungen sein, damit gute Lehrer
gerne nach St. Ruperts kommen und bleiben. Es gilt
einen Haustyp zu entwickeln, der die regionalen Traditionen übersetzt: Dabei spielt die Küche, ihre Position,
Anordnung und Form eine große Rolle.
Die Lehrerhäuser sollen in zwei unterschiedlichen Typen
errichtet werden: ein Zentraltyp, entwickelt aus dem
traditionellen Compound und einem längsgerichteten
Typ, in dem ebenfalls versucht wird, die räumliche Hierarchie von Gemeinschaftsräumen und Privatbereich zur
Steigerung des Wohnwerts zu staffeln.
Die quadratische Struktur (11m x 11m) mit der Feuerstelle in der Mitte, als Reminiszenz an die traditionelle
Rundhütte, mit daran angelagerten Individualräumen für
je zwei Lehrer bzw. eine Lehrerfamilie führt vom öffentlichen Bereich, über den gemeinschaftlichen Essplatz bis
zu privaten Individualräumen. Die nur gedeckte, Luft und
Licht durchlassende Mitte, ist gemeinschaftliches Zentrum
des Hauses. Betreten wird der Gemeinschaftsraum über
eine große, überdeckte Freiterrasse. Sie öffnet sich zum
Feld der Gemeinschaftsgärten und ermöglicht Kommunikation mit den Nachbarn.
Der längs gerichtete Typ (7.5m x 11m) gliedert sich in
drei Zonen. Der Zugangsbereich führt über die jeweilige
private Freiterrasse direkt in die Mitte des Hauses, den
Gemeinschaftsraum. Von dort erschliessen sich, räumlich
diagonal verschränkt, die beiden Küchenbereiche, von
welchen man jeweils in die Privatzimmer gelangt.
Bauaufgabe Schulerweiterung
Der dritte Lehrer ist der Raum, sagt ein Sprichwort, und
wenn Räume tatsächlich Lernvermögen und Lernverhalten beeinflussen, dann ist es auch die Aufgabe der
Architekten Wissen zu fördern.
Die drei bestehenden, gereihten Baukörper mit je
zwei Klassenzimmern, sollen zusammen mit der neuen
Maßnahme aus ihrer additiven Beliebigkeit geholt und
zu einem klar definierten, räumlichen Gesamtkomplex
vereint werden.
Das neue Gebäude öffnet sich mit großen Durchlässen
zur bestehenden Gebäudestruktur und integriert zwei
Klassenzimmer und jeweils dazugehörige Freiluftterrasse
unter einem großen Dach. Ein Lehrerzimmer, eine Bibliothek und ein Computerraum ergänzen das Ganze.
Die beiden Höfe, die so entstehen, werden durch einen
gedeckten, schattigen Gang zu den Sportplätzen abgeschlossen. Die aufstrebenden vertikalen Lehmmauerpfeiler tragen das lange, gemeinsame Dach. Ausfachungen
und Fenster unterteilen in Innen- und Außenräume. Die
Pfeiler aus gebrannten Lehmsteinen und das Dach (eine
durchlüftete Holzbinderkonstruktion auf gewölbt gemauerter Deckenkonstruktion ) dienen als Speichermasse und
verhindern die Aufheizung der Klassenräume.
Zwischen dem Schulkomplex und der Anlage der Lehrer-
häuser komplettieren Sportfelder, wie der von den Studenten errichtete Basketballplatz und Gemüsegärten die
Gesamtanlage. Sie dienen sowohl als Versuchsflächen
im Rahmen des angebotenen Landwirtschaftsunterrichts
der Schulausbildung, als auch für den Eigenanbau für
Schüler und Lehrer.
Ein kleines Werkstattgebäude soll zukünftig einer
Tischlerei, Solarlampen- und Fahrradmanufaktur Raum
bieten.
VON
22NACHHALTIGKEITSZERTIFIZIERUNG
BAUWERKEN – EINE HERAUSFORDERUNG
FÜR DEN MAUERWERKSBAU?
PROF. DR.-ING. C.-A. GRAUBNER
TECHNISCHE UNIVERSITÄT DARMSTADT
FACHBEREICH BAUINGENIEURWESEN UND GEODÄSIE
FACHGEBIET MASSIVBAU IM INSTITUT FÜR MASSIVBAU
PETERSENSTRASSE 12
64287 DARMSTADT
www.massivbau.to
In Deutschland hat das Thema Nachhaltigkeit seit
längerem auch in das Bauwesen Einzug gehalten. Damit
einhergehend zeichnet sich in der Baubranche ein wachsender Bedarf nach einer Zertifizierung der Nachhaltigkeit
von Gebäuden ab. Investoren und Nutzer werden in
Zukunft verstärkt „nachhaltige“ Gebäude nachfragen,
deren Vorteilhaftigkeit durch ein anerkanntes, vertrauenswürdiges Label belegt wird. Im Zentrum des Interesses
steht im Sinne einer ganzheitlichen Gebäudeperformance
die Forderung nach der gleichwertigen Berücksichtigung
ökologischer, ökonomischer, technischer, sozialer und
funktionaler Qualitäten über den gesamten Lebenszyklus
eines Bauwerks. Ergänzend dazu werden Informationen
zur Qualität des Standortes und der Planungs- und Bauprozesse nachgefragt.
Diesem Bedarf kommt das neue nationale Zertifzierungssystem für nachhaltige Gebäude entgegen, dessen
Einführung der Bund für das dritte Quartal 2008 plant.
Die Entwicklung des Systems erfolgte unter maßgeblicher
Mitwirkung des Fachgebiets Massivbau der TU Darmstadt
in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Ökonomie und
Ökologie des Wohnungsbaus der Universität Karlsruhe
(TH). In einem ersten Schritt wird das System im Rahmen
der Zertifizierung von Büro- und Verwaltungsgebäuden
(Neubau) Einsatz finden. Eine Anpassung an weitere Gebäude- und Nutzungsarten sowie an Bestandsbauten wird
zeitnah folgen.
Die Einführung eines derartigen Nachhaltigkeitszertifikats
stellt neue Herausforderungen an alle am Bau Beteiligten. Die Zertifizierung stellt dabei nicht nur ein neues
Geschäftsfeld für Architekten und Ingenieure dar, sie kann
auch das bisherige Tagesgeschäft des Planens und Bauens
ändern, wenn künftig neue Anforderungen an Gebäude
gestellt werden. Architekten müssen gegebenenfalls schon
bei der Konzeption neuer Projekte die Zertifizierungsfähigkeit im Auge haben und Ingenieure werden Detailplanungen unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachten.
Wie sich die Einführung des neuen Zertifizierungssystems
auf die unterschiedlichen am Markt konkurrierenden
Bauweisen auswirken wird, kann sich erst in Zukunft zeigen. Da die Nachhaltigkeitsbeurteilung jedoch stets eine
ganzheitliche Sichtweise umfasst, können Schwächen an
einer Stelle durch Stärken an anderer Stelle kompensiert
werden. Die Ausgangssituation des Baustoffs Mauerwerk
ist dabei generell positiv einzuschätzen, da die Bauweise
bei vielen Bewertungskriterien des Zertifizierungssystems
„punkten“ kann.
Dem System liegt ein hierarchisch gegliederter Kriterienkatalog zu Grunde (vgl. Abbildung 1).
Die erste Version des Zertifizierungssystems wird für den
Bewertungsgegenstand „Gebäude“ in der Hauptkriteriengruppe „ökologische Qualität“ die Kriterien
- Treibhauspotential,
- Ozonschichtzerstörungspotential,
- Ozonbildungspotential,
- Versauerungspotential,
- Überdüngungspotential,
- Primärenergiebedarf nicht erneuerbar,
- Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtprimärenergiebedarf,
- Frischwasserverbrauch
- Nutzungsphase sowie
- Flächeninanspruchnahme
enthalten.
In der Hauptkriteriengruppe „ökonomische Qualität“
werden die Lebenszykluskosten beurteilt.
Zertifikat
E1:
Bewertungsgegenstand
E2:
Hauptkriteriengruppe
E3:
Kriteriengruppe
E4:
Kriterien
Gebäude
Standort
Bau- und
Planungsprozess
ökologische
Qualität
ökonomische
Qualität
soziale und
funktionale Qualität
technische
Qualität
…
…
…
Ökobilanz
…
…
Ressourceninanspruchnahme
Treibhauspotential
Ozonschichtzerstörungspotential
Ozonbildungspotential
Versauerungspotential
Überdüngungspotential
Primärenergiebedarf nicht
erneuerbar
Anteil
erneuerbarer
Energien
Frischwasserverbrauch
Nutzungsphase
Flächeninanspruchnahme
Abbildung 1: Ebenen des nationalen Zertifizierungssystems
Die Hauptkriteriengruppe „soziale und funktionale Qualität“ enthält die Kriterien
- Barrierefreiheit,
- Thermischer Komfort im Winter,
- Thermischer Komfort im Sommer,
- Raumluftqualität,
- Akustischer Komfort,
- Visueller Komfort,
- Sicherheit,
- Flächeneffizienz,
- Umnutzungsfähigkeit,
- Architekturwettbewerb – Sicherung der Vielfalt,
- Kunst am Bau.
Überprüfung des Zertifizierungssystems geplant, bei der
der Kriterienkatalog den in der Praxis identifizierten Anforderungen angepasst werden soll.
Die Beurteilung der Einzelkriterien beruht auf einem
festen Beurteilungsmaßstab und wird mittels festgelegter
Wichtungen zu einer Gesamtnote verrechnet, welche im
auszustellenden Zertifikat und Label dokumentiert wird
(siehe Abbildung 2). Eine Benotung der Standortqualität
sowie der Prozessqualität erfolgt separat und ist von der
Note für das Gebäude zu trennen.
In der Hauptkriteriengruppe „technische Qualität“ werden
- Brandschutz,
- Schallschutz,
- Thermische und feuchteschutztechnische Qualität der
Gebäudehülle
- Beleuchtung des Arbeitsplatzes,
- Dauerhaftigkeit / Anpassung der gewählten Bau
produkte, Systeme und Konstruktionen an die geplante
Nutzungsdauer,
- Instandhaltungs- und Reinigungsfreundlichkeit sowie
- Rückbaubarkeit, Recyclingfreundlichkeit beurteilt.
Nach der Pilot- und ersten Anwendungsphase ist eine
Die Vorteile des Mauerwerksbaus – insbesondere mit
dem Baustoff Ziegel – sind planenden Architekten und Ingenieuren bekannt und bei Bauherren beliebt. Die Vorteile
werden sich hinsichtlich der betreffenden Aspekte auch in
guten Zertifizierungsergebnissen widerspiegeln.
Zunächst ist hier sicherlich die hohe Behaglichkeit von
Gebäuden aus Ziegelmauerwerk zu nennen. Der thermische Komfort ist sowohl im Winter als auch im Sommer
als besonders gut einzuschätzen, da massive Gebäude
Wärme speichern und so über den Tag für ausgeglichene
Temperaturen sorgen (vgl. Abbildung 3). Eine vergleichende Untersuchung des sommerlichen Raumklimas
Wo liegen nun die Herausforderungen der Nachhaltigkeitszertifizierung für den Mauerwerksbau?
24
Temperaturverläufe
44
Holzbau – leichte Trennwände
Lufttemperatur [°C]
bei Massivbauten und Holzbauten im Auftrag des Interessenverbandes MassivMeinHaus e.V. ergab außerdem für
das untersuchte Massivhaus deutlich niedrigere Überhitzungshäufigkeiten und niedrigere Spitzentemperaturen im
Sommer (vgl. Abbildung 4).
Auch hinsichtlich der Kriterien „Brandschutz“, „Schallschutz“ und „Thermische und feuchteschutztechnische
Qualität der Gebäudehülle“ ist der Mauerwerksbau
positiv zu beurteilen. Als nichtbrennbares mineralisches
Material erfüllen Ziegelwände in der Regel ohne weitere
Maßnahmen die notwendigen Brandschutzanforderungen.
Auch der Schallschutz ist durch hohes Flächengewicht
gewährleistet. Konstruktionen aus Mauerwerk sind bei
kompetenter Planung fehlerunanfällig, so dass auch der
Wärme- und Feuchteschutz positiv zu beurteilen ist. Da
sich Mauerwerk durch seine Robustheit und lange Lebensdauer auszeichnet, werden auch die Beurteilungen in den
Kriterien „Dauerhaftigkeit“ und „Instandsetzungsfreundlichkeit“ positiv ausfallen. Gleiches gilt für einschaliges
Ziegelmauerwerk für das Kriterium „Rückbaubarkeit und
Recyclingfreundlichkeit“.
Welche Zertifizierungsergebnisse für ein Gebäude aus
Ziegelmauerwerk hinsichtlich der ökologischen Kriterien
zu erwarten sind, dürfte für die meisten Bauschaffenden
36
bau
Massiv
28
Raumluft
30
Außenluft
12
0
4
Abbildung 3
8
12
Uhrzeit
16
20
24
Temperaturverläufe an einem heißen Sommertag – Südraum ohne
Beschattung [Gertis, K.: Ökobilanz für Bauprodukte – Faktor Zeit muß stärker berücksichtigt
werden, Sonderdruck aus Bundesbaublatt 47 (1998), Heft 11, S. 17-20]
Abbildung 4
Monatliche Überhitzungshäufigkeit im Massivhaus und im Holzhaus [Lahme,
A.: Einfluss der Bauweise auf den Heizwärmebedarf und den sommerlichen Wärmeschutz.
Studie im Auftrag von MassivMeinHaus e.V., 2006]
Primärenergiebedarf (QP)
Ziegelmauerwerk
Holzständerkonstruktion
300%
300%
250%
250%
Holzfarbe
Holzbekleidung
Lattung
Farbe (außen)
200%
Windbremse
200%
Silikatputz
Hochlochziegel
150%
39 %
Mineralwolle
Holzständer
150%
Kalkputz
Tapete
100%
Dampfbremse
Lattung
100%
Farbe (innen)
50%
81 %
Gipskartonplatte
Tapete
50%
Farbe (innen)
0%
0%
0
Abbildung 5
80
Zeit [Jahr]
0
80
Primärenergiebedarf infolge Materialbereitstellung für eine einschalige
Ziegelwand und eine Holzständerwand mit hinterlüfteter Fassade über die
Abbildung 2
Entwurf des nationalen Nachhaltigkeitszertifikats für Gebäude
(Stand 11/07)
Gesamtlebensdauer von 80 Jahren [Graubner, C.-A.; Herzog, K.; Hock, C.: Ökologische und
ökonomische Potenziale von Mauerwerk. In: Mauerwerk 5/2005]
derzeit nur schwer abzuschätzen sein. Dies liegt vor allem
darin begründet, dass das zugrundeliegende Verfahren
der Ökobilanz und die verwendeten Messgrößen – z.B.
kg CO2-Äquivalente Emissionen – noch weitgehend
unbekannt sind.
Als Bewertungsmaßstab der ökologischen Kriterien für die
Zertifizierung werden die berechneten Umweltwirkungen
eines realen Gebäudes (sog. „Typvertreter für Büro- und
Verwaltungsgebäude) über den gesamten Lebenszyklus
zugrunde gelegt. Für die Mauerwerksindustrie ist hier von
Interesse, dass bei der Festlegung des Typvertreters die
Außenfassade aus einer hinterlüfteten Ziegelwand (Hlz 1,2
24 cm) mit Außendämmung aus Mineralwolle (d=100
mm) und Faserzementverkleidung zur Straßenseite und
einer Kalksandsteinwand (KSR, 24 cm) mit verputztem
Wärmedämmverbundsystem (Mineralwolle d=100 mm)
zum Innenhof besteht.
Welche Benotung ein zu zertifizierendes Gebäudes hinsichtlich seiner ökologischen Qualität erreicht, hängt davon ab, ob es hinsichtlich der Ökobilanzkriterien schlechter oder besser abschneidet als der Typvertreter. Hebel zur
Optimierung finden sich dabei an verschiedenen Stellen
und erlauben unterschiedliche Strategien – von Effizienzsteigerungen der Anlagentechnik bis zu höherer Materialeffizienz. Neue Herausforderung für die Planer ist, dass
es Patentrezepte für die „ideale“ Lösung nicht gibt und
viele Wege zum Ziel führen. Beispielsweise können durch
eine höhere Dämmstoffstärke der Heizwärmebedarf und
somit auch die Umweltwirkungen, die beim Betrieb des
Gebäudes verursacht werden, gesenkt werden. Dem sind
jedoch die erhöhten Aufwendungen für die Herstellung
und Instandhaltung des Dämmstoffs gegenüberzustellen.
Eine andere Strategie könnte darin bestehen, nicht den
Heizwärmebedarf, sondern den bei Bürogebäuden nicht
unerheblichen Bedarf für Beleuchtung und Kühlung
[ECOpt./a]
durch einen entsprechenden Gebäudeentwurf und
umweltfreundliche Anlagentechnik zu senken. Es kann
dann z.B. eine einschalige Außenwand aus WärmedämmZiegel verwendet werden, wodurch gleichzeitig die Materialaufwendungen für die zusätzliche Dämmschicht und
damit verbundene Instandsetzungen eingespart werden
können.
Derartige Variantenuntersuchungen und Optimierungen
werden in Zukunft zu den neuen Aufgaben für Architekten
und Ingenieure gehören, welche sich in Folge der Nachhaltigkeitszertifizierung ergeben. Die Mauerwerksindustrie kann hier unterstützen, indem sie für die Anwender der Zertifizierung Arbeitshilfen zur Verfügung stellt,
mit denen beispielsweise Wandkonstruktionen schnell und
korrekt bewertet werden können.
Erste exemplarische Untersuchungen zeigen, dass der
Mauerwerksbau durchaus das Potenzial für sehr gute
Zertifizierungsergebnisse hat. Auch wenn der Primärenergieaufwand zur Herstellung einer massiven Ziegelkonstruktion relativ hoch ist (beispielsweise im Vergleich mit
Konstruktionen aus nachwachsenden Rohstoffen), so
schneidet die Ziegelwand aufgrund ihrer hohen Dauerhaftigkeit dennoch gut ab, wenn man den gesamten
Lebenszyklus – inklusive Instandhaltung und Rückbau
– betrachtet (siehe Abbildungen 5 und 6).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Mauerwerksbau eine nachhaltige Bauweise darstellt und in diesem
Sinne positiv zu bewerten ist. Dennoch sind mit der Nachhaltigkeitszertifizierung neue Herausforderungen – insbesondere für die Arbeit der Architekten und Ingenieure
– verknüpft. Durch die Beurteilung der ökologischen und
ökonomischen Qualität eines Bauwerks in Verbindung mit
seinen funktionalen und technischen Merkmalen über den
kompletten Lebenszyklus ergeben sich völlig neue
Möglichkeiten einer ganzheitlichen Bauwerksoptimierung.
Jährlicher Mittelwert der ECO95-Indikatorpunkte für unterschiedliche Gebäudetypen
und –varianten über den Lebenszyklus (40a)
4,00
3,60
3,50
3,00
3,27
3,23
2,84
2,93
2,71
2,69
2,50
2,51
2,31
3 Einfamilienhaus (B)
4 Doppelhaushälfte (C.)
2,00
5 Reihenmittelhaus (D)
1,50
1,00
0,50
0,00
.2 Ziegel-MW
.3 KS-MW
.4 Holzständerkonstr .
26
ZWISCHEN LEBENSREFORM UND
WIEDERAUFBAU, ZUR GESCHICHTE UND
ENTWICKLUNG DARMSTADTS
PROF. DR.-ING. DR. H. C. WERNER DURTH
TU DARMSTADT
FAKULTÄT ARCHITEKTUR
FACHBEREICH GESCHICHTE UND THEORIE DER ARCHITEKTUR
www.architektur.tu-darmstadt.de/gta
Seit 1898 bereitete der junge Großherzog Ernst Ludwig
in Darmstadt eine nachhaltige Maßnahme zur Wirtschaftsförderung vor. Die Ausstellung „Ein Dokument
deutscher Kunst“ sollte für das hessische Kunstgewerbe werben und der Möbelproduktion neue Märkte
erschließen. In bester Kenntnis der damals schon
einsetzenden Globalisierung der Wirtschaft und damit
verbundener Standort-Konkurrenzen waren es vor allem
Impulse aus England, die den Großherzog zu neuen
Strategien der Wirtschaftsförderung führten, in Nachwirkung der ersten großen Weltausstellung in London 50
Jahre zuvor, präsentiert im legendären Kristallpalast.
In England entfaltete sich neben und als Korrektiv der
rasenden Industrialisierung die Reformbewegung Arts &
Crafts, englische Stoffe und Möbel prägten die Geschmackskultur der gehobenen Schichten, eroberten den
Weltmarkt.
Auch bei Hofe wusste man dies zu schätzen. Ernst
Ludwig, Lieblingsenkel der Queen Victoria, der einen
prägenden Teil seiner Kindheit in England erlebte,
begeisterte sich schon früh für jene Reformmöbel und
-bauten, in denen Julius Posener später die „Anfänge
des Funktionalismus“ sah; seine Residenz in Darmstadt
ließ sich Ernst Ludwig im englischen Stil einrichten, nach
Entwurf von Baillie Scott.
Neueste Strömungen in Kunst und Kultur lockten den
Großherzog auch nach Wien. Dort sammelten sich in
der Sezession um Hoffmann, Klimt und Wagner Künstler
der jungen Generation, darunter auch Joseph Maria
Olbrich, der das Ausstellungsgebäude der Sezession entwarf. 1898 fertiggestellt, steht es bis heute für Aufbruch
und Neubeginn in Kunst und Architektur. Begeistert von
diesem Bau, verpflichtete der Großherzog Olbrich nach
Darmstadt, wo der sich seinen Traum erfüllen konnte,
„bis ins letzte Detail“, vom Besteck über die Möbel,
Häuser und Gärten neue Formen des Lebens vorzubereiten, auf dem Weg zur Lebensreform.
Auf den Hügel im Osten Darmstadts setzte Olbrich
einen „Tempel der Arbeit“, umgeben von Wohnhäusern
und Ausstellungsbauten. Feierlich wird im Mai 1901
der Weg aus der Stadt zur Mathildenhöhe inszeniert,
das Atelierhaus mit einem Weihespiel von Peter Behrens
festlich eröffnet. Der Maler, Grafiker und Dichter Behrens
entwarf sich als Autodidakt sein eigenes Haus, das ihn
über Nacht als Baumeister berühmt machte, ein Haus
mit schlichtem Grundriss im umgebenden Garten; auch
die Wohnung war bis ins letzte Detail von Behrens selbst
gestaltet. Hier besuchte ihn im Sommer 1901 der Kosmopolit Harry Graf Kessler in Begleitung des belgischen
Künstlers Henry van de Velde. „Gut“ sei in Behrens Haus
nur sein Arbeitszimmer, notiert Kessler, sonst: „Romantik im Gegensatz zum Leben“. Van de Velde findet das
Ganze nur dégoutant.
1951 erinnerte Theodor Heuss: „1901 war in Darmstadt auf der Mathildenhöhe das ... Dokument deutscher Kunst hingestellt worden. Als junge Burschen von
17 Jahren wanderten wir dorthin wie zu einem neuen
Mekka... Was war geschehen? Dort wurde vor eben 50
Jahren durch die Initiative des Großherzogs Ernst Ludwig
einer individuellen Künstlerrevolte die große Chance
gegeben... Es handelte sich um eine durch und durch
individualistische Rebellion gegen die Konventionen in
Architektur, in Möbeln, in Tapeten, in allen Gebrauchsgegenständen... War es nun eine Befreiung von einer
Konvention, um zum ‚persönlichen’ Stil zu kommen, oder
galt es eine neue Konvention zu schaffen, die einem
neuen Lebensgefühl, vielleicht auch einem Sozial- und
Wirtschaftsbedürfnis entspreche?“
Den Vorwurf der nur „individualistischen Rebellion“ des
Großherzogs widerlegt die Hessische Landesausstellung auf der Mathildenhöhe 1908. In diesem Jahr wird
mit Hochzeitsturm und Ausstellungsbau von Olbrich die
„Stadtkrone“ Darmstadts errichtet, doch erfolgte zugleich
eine Antwort auf die Kritik am elitären Gestus der Künstlerhäuser von 1901. Auf der Ostseite der Mathildenhöhe
ließ Ernst Ludwig als Gemeinschaftsprojekt von hessischen Unternehmern und ausgewählten Architekten
Arbeiterhäuser als Prototypen für künftigen Siedlungsbau
errichten. Olbrich entwarf das Haus für die Opel-Werke,
daneben entstand am Fuß der Mathildenhöhe das Haus
des jungen Architekten Georg Metzendorf, ein Haus mit
funktionalem Grundriss und demonstrativ schlichtem
Erscheinungsbild.
Nach der Ausstellung wurde dieses Haus mit anderen
Arbeiterhäusern von der Mathildenhöhe ostwärts, ans
Oberfeld transloziert, doch hatte dieses Projekt noch
ein weiteres Nachspiel. Denn wegen dieses Hauses in
Darmstadt wurde Metzendorf nach Essen berufen, um
dort im Auftrag von Margarethe Krupp und ihrer Stiftung
28
über die nächsten Jahrzehnte die inzwischen weltberühmte Gartenstadt Margarethenhöhe zu bauen. 1914
folgte eine weitere Ausstellung, für die Ernst Ludwig auf
der Ostseite der Mathildenhöhe kompakten Geschosswohnungsbau als neues Modell urbaner Lebensformen
errichten ließ. Diese Häuser werden, wie einige der
Künstlerhäuser von 1901, im Zuge der Luftangriffe auf
Darmstadt während des Zweiten Weltkriegs zerstört.
Die verheerende Zerstörung Darmstadts im September
1944 hatte weitreichende Folgen für die Zukunft der
Stadt. Von 1806 bis 1918 Residenzstadt der hessischen
Großherzöge, von 1918 bis 1945 Hauptstadt des
Volksstaates Hessen, verlor Darmstadt die Hauptstadtfunktion durch die Entscheidung der amerikanischen
Militärbehörde, Wiesbaden als Hauptstadt des Landes
Hessen vorzusehen. Schon früh begann daher der Oberbürgermeister Ludwig Metzger, die kulturellen Traditionen
Darmstadts und die internationale Anerkennung jener
Impulse zur Lebensreform in Erinnerung zu rufen, die
von hieraus seit 1900 in der Kunst und Literatur Europas
wirksam geworden waren: „Ich will Darmstadt wieder
zu einem geistigen und kulturellen Mittelpunkt machen,
der die Fenster in die Welt weit offen hält“, versprach
Metzger 1946.
Ein halbes Jahrhundert nach der Gründung der Künstlerkolonie 1899 wurde im Oktober 1949 vom Magistrat
eine Jubiläumsausstellung beschlossen, die im Rückblick
auf die epochale Schau „Ein Dokument deutscher Kunst“
1901 im Jahr 1951 unter Leitung von Otto Bartning
einerseits Entwicklungslinien moderner Architektur seit
1900 nachzeichnen, andererseits durch eine Reihe
von „Meisterbauten“ aktuelle Positionen der Baukunst
präsentieren sollte. Mit umfangreichem Programm wurde
ein „Darmstädter Gespräch“ unter dem Titel „Mensch
und Raum“ 1951 geplant, gleichzeitig sollte in einer
Ausstellung über den Zeitraum von 1901 bis 1951 mit
Werken von Behrens über Gropius und Le Corbusier bis
zu Rudolf Schwarz der Heroen der Moderne gedacht
werden.
Tatsächlich entstanden in den folgenden Jahren mit den
Schulen von Hans Schwippert und Max Taut, dem Krankenhaus von Otto Bartning und dem Ledigenheim von
Ernst Neufert in Darmstadt bald einige „Meisterbauten“,
in denen die stadt-landschaftliche Komposition gemäß
dem städtebaulichen Leitbild der Stadtlandschaft noch
heute unmittelbar spürbar ist. Zudem lässt die Schule
von Taut, das Ludwig-Georg-Gymnasium, noch heute
die Idee einer engen Verbindung von Kunst und Architektur ahnen: Die Aufstellung der Skulpturen „Zwei Figuren
in Beziehung“ des Berliner Bildhauers Bernhard Heiliger
an exponiertem Ort in der Stadtmitte war integraler Bestandteil des Projekts und wirkte damals
doch als Provokation, da die abstrahierten Figuren, im
Volksmund als „Kranke Neger“ bezeichnet, die eingeschliffenen Reflexe gegen „entartete Kunst“ evozierten.
Im deutlichen Kontrast zum Baudekor und Skulpturenschmuck, wie er in der Zeit des Nationalsozialismus und
ab 1950 nach der Doktrin des Sozialistischen Realismus
in der DDR üblich war, traten auch in Darmstadt zunehmend Werke gegenstandsloser Kunst und figurativer
Abstraktion in und zwischen den Neubauten auf, um
kulturellen Neubeginn und Einbindung in internationale Tendenzen moderner Kunst der westlichen Welt zu
demonstrieren. Gleichzeitig sollten zudem Aufbruchstimmung und Zuversicht vermittelt werden: Die absichtsvolle
Heiterkeit farbenfroher Kompositionen, raumgreifend beschwingter Skulpturen, stilisierten Kinderspiels und Familienglücks signalisierten die Abkehrt vom Grauen des
Krieges – und wurden bald als Teil einer „Verdrängungskultur“ kritisiert, die mit dem als Wirtschafts-„Wunder“
erfahrenen Aufstieg der Bundesrepublik einherging. So
werden in Darmstadt wie in einem Freilichtmuseum der
Kunst und Architektur verschiedene Schichten der Geschichte lesbar, die zu immer neuen Entdeckungsreisen
in dieser Stadt anregen.
30
PROGRAMM
05.07.2008
EXKURSION
08.00 Uhr
Frühstück
09.00 Uhr
Abfahrt mit dem Bus vom Welcome Hotel
09.15 Uhr
Staatstheater, Generalsanierung durch Lederer Ragnasdotir Oei, 2003-2006
Führung: Prof. Dipl.-Ing. Arno Lederer, Universität Stuttgart
10.15 Uhr
Weiterfahrt zum Neufert-Meisterbau
10.30 Uhr
Neufert-Meisterbau, Umbau und Sanierung durch P. Karle/R.Buxbaum
Architekten, 2002
Führung: Dipl.-Ing. Ramona Buxbaum, Architektin, Darmstadt
11.30 Uhr
Spaziergang über die Mathildenhöhe
Mathildenhöhe mit Hochzeitsturm und Jugendstilvillen,
Joseph Maria Olbrich, 1867-1908
Führung: Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Werner Durth, TU Darmstadt
13.30 Uhr
Mittagessen im Restaurant ALACARTE, Mathildenhöhe, Sabaisplatz 1
15.00 Uhr
Ende der Veranstaltung
32Staatstheater Darmstadt, Generalsanierung
LEDERER RAGNASDOTIR OEI, 2006
GEORG-BÜCHNER-PLATZ 1
64283 DARMSTADT
Quelle: www.archlro.de, www.staatstheater-darmstadt.de
Um den Spielbetrieb während notwendiger Sanierungsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, war zunächst an
dessen Auslagerung an einen anderen Ort oder die
Anmietung eines Theaterzelts gedacht.
Beim Nachdenken über die damit verbundenen Nachteile - verlorene Kosten und logistische Schwierigkeiten für Mitarbeiter und Besucher - kamen die Architek-
ten auf den Gedanken, in Teilen der Tiefgarage und den
unterirdischen Zufahrten eine provisorische Spielstätte
einzurichten. Diese kann langfristig, nach Wiederaufnahme des Spielbetriebes des kleinen und großes Hauses 2007, als Werkstatttheater weiter genutzt werden.
Mit dem Einrichten des Provisoriums wurde nicht nur
mehr Licht in die „verratzte“ Unterwelt der Garagen-
ebene gebracht, vielmehr konnte die gesamte Eingangssituation mit Pforte und Mitarbeiterzugang aus
dem Dunkel des Untergeschosses zur Straße hin verlegt
und zusätzliche Lagerflächen bereitgestellt werden.
(Wegen der Sanierung mußten bisherige Lagerräume im
Innern des Theaters aufgegeben werden.)
Für diese Umnutzung durfte nur so viel Geld ausgegeben werden wie für die Anmietung eines Theaterzeltes
veranschlagt war. Es handelt sich also um ein „LowBudget“-Projekt.
Zwischen den Stützen und restlichen Wandscheiben
wurde mit Leichtbetonsteinen ausgemauert, die aus lichtund schallschutztechnischen Gründen mit einer Schale
aus Glasbausteinen außenseitig verkleidet wurden.
Im Theaterraum wurden die Mauersteine aus akustischen Gründen sichtbar belassen. Ein umlaufender
Beleuchtersteg ermöglicht den Spielbetrieb an allen Stellen des Raumes. Das Foyer wurde dunkelbraun lackiert,
eine große Sitznische (Spitzname „Schweinebucht“) und
ein verschließbarer Kassenraum wurden rosa herausgestrichen.
Unter Einbeziehung der bestehenden Treppenaufgänge
wurde auf der alten Zwischenebene eine Bar eingebaut.
Dieser Bereich ist zum doppelt hohen Foyer geöffnet und
knallrot lackiert. Zur Ausleuchtung wurden drei Kronleuchter aus Roheisen gebastelt, unzweideutiger Teil der
provisorischen Maßnahme.
DES
34REVITALISIERUNG
NEUFERT-MEISTERBAUS
P.KARLE / R.BUXBAUM
FREIE ARCHITEKTEN • DIPLOM INGENIEURE, DARMSTADT
PÜTZERSTRASSE 6 – 6 B
64287 DARMSTADT
Quelle: P.Karle / R.Buxbaum Freie Architekten
Grundstücksfläche:
Überbaute Fläche:
Total BGF:
Bruttorauminhalt:
Nutzfläche gesamt:
davon Wohnfläche:
Restaurantflächen:
Laden- und Büroflächen:
3.227 m2
1.468 m2
8.917,26 m2
26.000 m3
6.231 m2
4.600 m2
470 m2
270 m2
sonstige Nutzflächen:
Verkehrsflächen:
Funktionsflächen:
Heizwärmebedarf ( Q**h ):
( nach der Sanierung )
Heizwärmebedarf ( Q**h ):
( vor der Sanierung )
Gesamtbaukosten brutto:
910 m2
1.200 m2
250 m2
63,7 kWh/m2a
123,7 kWh/m2a
DM 15.242.454,18
Der 1951 in der Ausstellung „Mensch und Raum“
gezeigte Entwurf von Ernst Neufert für ein Ledigenwohnheim wurde 1952-55 von der Bauverein AG auf
einem Grundstück am Fuße der Mathildenhöhe, direkt
an der Erich-Ollenhauer-Promenade realisiert. Er ist als
einer von fünf realisierten Darmstädter Meisterbauten
wichtiges Zeugnis der Architekturdiskussion der Nachkriegszeit.
Mit 156 Wohneinheiten, davon 131 Ein-Zimmer-Appartements, war das Gebäude in erster Linie für Alleinstehende und junge Ehepaare gedacht und wurde, bedingt
durch gesellschaftliche Veränderungen, den heutigen
Ansprüchen an Wohnraum nicht mehr gerecht.
Nach dem Umbau entstand eine dem Wohnwert des
Standorts „Mathildenhöhe“ angemessene Wohnungsmischung aus den Typen „Atriumwohnung“, „Maisonettewohnung“ und „Geschoßwohnung“, die innerhalb
des bestehenden Baukörpers durch Kombination der
ehemaligen Ein-Zimmer-Raumeinheiten so angeordnet
und miteinander verschränkt sind, daß eine Art räumlichen Puzzles entsteht.
Architektur und Design der 50er Jahre bewegten sich
in einem Spannungsfeld zwischen Neuanfang und
Kontinuität. Aus dem Mangel der Nachkriegszeit heraus
bestimmte ein maßvoller Einsatz der Mittel die gestalterischen Themen. Am Beginn des 21. Jahrhunderts finden diese Prinzipien mit der Diskussion um die Endlichkeit
natürlicher Ressourcen und der Forderung nach deren
nachhaltigem Einsatz auch im Bereich der Architektur zu
neuer Aktualität.
Alle neuen gestalterischen Maßnahmen folgen den
Prinzipien des bestehenden Gebäudes. Gestaltungsmerkmale des denkmalgeschützten Bestandes wurden aufgegriffen und verstärkt oder an anderer Stelle
fortgeführt. Daraus entwickelte sich ein eigenständiges
Gestaltungskonzept, welches die Themen der 50er Jahre
variiert und zeitgemäß verarbeitet. Die Eingriffe bleiben
so im Gebäude erkennbar.
82 Wohneinheiten, davon
3 Atriumwohnungen ( 3- und 4-ZW ),
13 Maisonette-Wohnungen ( 3-ZW ),
47 Geschoßwohnungen ( 2- und 3-ZW ),
19 denkmalgeschützte Wohnungen ( 10 x 1-ZW und 9
x 3-ZW )
Auftragserteilung: Oktober 1996
Baubeginn: Mai 2000, Fertigstellung: Mai 2002
36MATHILDENHÖHE
Darmstädter Künstlerkolonie
JOSEPH MARIA OLBRICH u.a., 1908
MATHILDENHÖHE
DARMSTADT
Quelle: www. wikipedia.org
Die Darmstädter Künstlerkolonie war einerseits eine
größtenteils mäzenatisch finanzierte Gruppe von Künstlern, die gemeinsam tätig waren. Andererseits bezeichnet
der Begriff auch die von den Künstlern errichteten Bauten auf der Mathildenhöhe in Darmstadt, in denen diese
lebten und arbeiteten.
Die Künstlerkolonie wurde 1899 durch Großherzog Ernst
Ludwig von Hessen und bei Rhein (Hessen-Darmstadt)
ins Leben gerufen. Unter dem Leitspruch „Mein Hessenland blühe und in ihm die Kunst“ erwartete er aus einer
Verbindung von Kunst und Handwerk eine wirtschaftliche
Belebung für sein Land. Das Ziel der Künstler sollte die
Erarbeitung neuzeitlicher und zukunftsweisender Bauund Wohnformen sein. Dafür berief Ernst-Ludwig als
Mäzen die Jugendstilkünstler Peter Behrens, Paul Bürck,
Rudolf Bosselt, Hans Christiansen, Ludwig Habich, Patriz
Huber und Joseph Maria Olbrich nach Darmstadt.
Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie fand unter
dem Titel “Ein Dokument deutscher Kunst” von Mai bis
Oktober 1901 statt. Als Ausstellungsobjekte sollten die
Kolonie mit den individuellen Künstlerhäusern, das Atelierhaus sowie verschiedene provisorische Bauten dienen.
Die Schau wurde am 15. Mai mit einem Festspiel nach
einer Idee von Peter Behrens eröffnet und erregte weit
über die Grenzen Darmstadts hinaus Aufsehen, endete
aber trotzdem im Oktober mit einem größeren finanziellen Defizit. Paul Bürck, Hans Christiansen und Patriz
Huber verließen anschließend die Kolonie, wie in den
folgenden Jahren auch Peter Behrens und Rudolf Bosselt.
Die Künstler konnten zu günstigen Konditionen Grundstücke erwerben und darauf ein Wohnhaus errichten,
das während der Ausstellung als Musterhaus zu zeigen
war. So sollten die Bemühungen zur Zusammenführung
von Architektur, Innenarchitektur, Kunsthandwerk und
Malerei an konkreten gebauten Beispielen gezeigt
werden. Allerdings waren nur Olbrich, Christiansen,
Habich und Behrens in der Lage sich den Bau eigener
Wohnhäuser zu leisten. Während der ersten Ausstellung konnten dennoch acht voll eingerichtete Häuser
besichtigt werden.
Ernst-Ludwig-Haus
JOSEPH MARIA OLBRICH, 1901
DEUTSCHE AKADEMIE FÜR SPRACHE UND DICHTUNG
ALEXANDRAWEG 26
D-64287 DARMSTADT
Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de
Als gemeinschaftliches Ateliergebäude wurde das ErnstLudwig-Haus nach Plänen von Joseph Maria Olbrich
gebaut, dem einzigen ausgebildeten Architekten und
der zentralen Figur in der Künstlergruppe. Peter Behrens betätigte sich ursprünglich entsprechend seiner
Ausbildung nur als Maler und Graphiker. Die Grundsteinlegung fand bereits am 24. März 1900 statt. Das
Ateliergebäude war zugleich das Festgebäude der
Künstlerkolonie. In der Mitte des Hauptgeschosses lag
der Versammlungs- und Festraum mit Gemälden von
Paul Bürck, links und rechts davon schlossen sich je drei
Ateliers der Künstler an. Im Untergeschoss befanden
sich zwei Künstlerwohnungen und Wirtschaftsräume. Die
sechs Meter hohen Kolossalfiguren „Mann und Weib“
oder „Kraft und Schönheit“ stammen von Ludwig Habich
und flankieren den Eingang, der in einer Portalnische
mit vergoldeten Pflanzenornamenten liegt. Die Häuser
der Künstler wurden um das Atelierhaus gruppiert. Ende
der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts erfolgte eine
Rekonstruktion des Gebäudes und die Einrichtung des
Museum Künstlerkolonie Darmstadt.
(...) Besonders bemerkenswert an dem sonst betont
schlicht gehaltenen Gebäude ist das reich geschmückte,
omegaförmige Mittelportal auf der Südseite mit den
monumentalen Skulpturen „Adam“ und „Eva“. Darüber
stehen als Verweis auf die Unabhängigkeit der Kunst
von der Realität die Worte des Dichters Hermann Bahr:
„Seine Welt zeige der Künstler die niemals war noch
jemals sein wird“.
38
Großes
Glückert-Haus
JOSEPH MARIA OLBRICH, 1901
DEUTSCHE AKADEMIE FÜR SPRACHE UND DICHTUNG
ALEXANDRAWEG 23
D-64287 DARMSTADT
Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de
Der österreichische Architekt Josef Maria Olbrich (18671908) hat das „Große Glückert-Haus“ 1901 im Auftrag
des Möbelfabrikanten Julius Glückert gebaut. Anlaß war
die im selben Jahr eröffnete Ausstellung der Künstlerkolonie Mathildenhöhe „Ein Dokument Deutscher Kunst“.
Das Glückert-Haus war im Gegensatz zu den anderen
von Olbrich errichteten Häusern für die Künstler Habich,
Behrens und Christiansen nicht in erster Linie auf die
Persönlichkeit des Besitzers zugeschnitten, sondern vor
allem für die Führung eines beliebigen großbürgerlichen
Privathaushalts gedacht und sollte mit ausgedehnter
Haushaltung und viel Personal bewirtschaftet werden.
Die drei geschweiften Giebelfronten, die bis in den
Dachbereich gezogen sind und die schlichten verschieden großen asymmetrisch angeordneten Fensterformen bestimmen die Architektur des Glückert-Hauses.
Einige Fenster sind zusätzlich mit gemalten Ornamenten
und Flachreliefs verziert. Das große Feld über dem
Haupteingang ist im Unterschied zum ursprünglichen
Entwurf hingegen nie ausgemalt worden. Typisch für
Olbrichs architektonische Phantasie ist die Idee des in
die Tiefe gestaffelten Omegabogens, der am GlückertHaus das Eingangsportal formt und sich im Fenster zur
Gartenseite des ehemaligen Speisezimmers wiederholt.
An dem etwa gleichzeitig entstandenen benachbarten
Ernst-Ludwig-Haus verarbeitete der Architekt dieses
Motiv ebenso.
Alle Räume des Glückert-Hauses sind symmetrisch um
die zentrale zweigeschossige Eingangshalle gruppiert.
Olbrich gestaltete die Halle nach englischem Landhaus-
vorbildern mit großen Bogenöffnungen, dunklem Holz
für die Treppe, schlichten der bäuerlichen Wohnkultur
entlehnten Möbeln und einem zentralen großen Steinkamin. Die kontrastierenden hellen Wandflächen waren
damals - und sind es heute wieder - mit farbenprächtigen Ornamenten in Schablonenmalerei verziert. Um den
Kamin ließ Olbrich in der damaligen Begeisterung für
die neuesten Errungenschaften der Technik 28 Glühbirnen in Messingfassungen anbringen.
Der Besitzer Julius Glückert nutzte das Haus in den
nächsten Jahren ausschließlich als architektonische
Visitenkarte und als Ausstellungsraum für seine neuen
Möbelkreationen. Gewohnt hat er - trotz der verschwenderischen Innenausstattung - in seinem Haus nie.
Glückert lebte mit seiner Familie in der Villa nebenan,
dem ebenfalls von Olbrich entworfenen sogenannten
„Kleinen Glückert-Haus“ im Alexandraweg 25, das heute
ausschließlich privat genutzt wird.
Hochzeitsturm
JOSEPH MARIA OLBRICH, 1905
SABAISPLATZ 1
D-64287 DARMSTADT
Quelle: www. wikipedia.org, www.deutscheakademie.de
Der 48 Meter hohe Hochzeitsturm ist Wahrzeichen der
Stadt (sowie Grundlage ihres Logos) und sicherlich eines
der markantesten Bauwerke der Jugendstilarchitektur. Er
wurde zur Erinnerung an die Vermählung des Großherzogs Ernst Ludwig mit Prinzessin Eleonore zu SolmsHohensolms-Lich nach Entwürfen des Architekten Josef
Maria Olbrich errichtet und 1908 fertiggestellt. Olbrich
war 1899 vom Großherzog an die Künstlerkolonie
berufen worden.
Der an eine Hand erinnernde Abschluss des Baus geht
auf eine Anregung des Großherzogs zurück und hat für
den Turmbau in Backstein im Darmstädter Sprachgebrauch die Bezeichnung „Fünf-Finger-Turm“ geprägt.
Jedoch auch die „amtliche“ Bezeichnung Hochzeitsturm
wird dadurch mit Leben erfüllt, dass man im Hochzeitsturm tatsächlich heiraten kann - in den ehemaligen beiden Zimmern des Großherzogs und der Großherzogin,
die sich im Inneren befinden.
Im obersten Geschoss befindet sich eine Aussichtsplattform.
40
REFERENTEN / FÜHRUNGEN
Nr.
01
02
03
04
05
06
07
08
09
Titel
Prof. Dipl.-Ing.
Dr.-Ing.
Dipl.Ing
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.Dr.h.c.
Dipl.-Ing.
Vorname
Stefan
Eduard
Georg
Arno
Hannelore
Barbara
Claus-Alexander
Werner
Ramona
Name
Schäfer
Koegel
Dasch
Lederer
Deubzer
Schelle
Graubner
Durth
Buxbaum
Bereich
Begrüßung
Referent
Referent
Referent/ Führung
Referentin
Referentin
Referent
Referent/ Führung
Führung
FH/TU/ Sonstige
TU Darmstadt
Architekt Berlin
Sonnenhaus-Institut e.V.
Universität Stuttgart
TU München
TU München
TU Darmstadt
TU Darmstadt
P.Karle / R.Buxbaum
Freie Architekten
O R G A N I S AT I O N / M O D E R AT I O N
10
11
12
Dipl.-Ing. Arch.
Dipl.-Ing. Arch.
Dipl.-Ing.
Waltraud
Nicole
Michael
Vogler
Pflug-Dämpfling
Pröll
Einführung
Architektur
Bauing.Wesen
Ziegel Zentrum Süd e.V.
Ziegel Zentrum Süd e.V.
Ziegel Zentrum Süd e.V.
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Bauing.Wesen
Bauing.Wesen
Architekur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Bauing.Wesen
Bauing.Wesen
Architektur
Bauing.Wesen
Architektur
Architektur
Architektur
Bauing.Wesen
Bauing.Wesen
Bauing.Wesen
Architektur
Architektur
Hochschule Darmstadt
Universität Stuttgart
Hochschule Karlsruhe
FH Frankfurt
FH Mainz
Ohm-Hochschule Nürnberg
Hochschule Rosenheim
FHWS Würzburg/Schweinfurt
FH Koblenz
Hochschule Coburg
Universität Stuttgart
Hochschule Augsburg
TU Darmstadt
FH Gießen
FH Trier
Hochschule Augsburg
HTWG Konstanz
TU Darmstadt
SRH Hochschule Heidelberg
Ohm-Hochschule Nürnberg
Hochschule Biberach
FH Regensburg
FH Frankfurt
Universität Karlsruhe
Architekt
FH Kaiserslautern
Hochschule Biberach
FH Frankfurt
FH Bielefeld / Minden
SRH Hochschule Heidelberg
FH Trier
Ohm-Hochschule Nürnberg
FH Kaiserslautern
Hochschule Augsburg
T E I L N E H M E R
13
14
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19
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38
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41
42
43
44
45
46
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dr.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Prof. Dipl.-Ing.
Henning M.
Peter
Susanne
Wolfgang
Albert
Lothar
Gerhard
Gerhard
Henner
Rainer
Thomas
Peter
Rolf
Rüdiger
Klaus
Heinrich
Josef
Kosta
Richard
Friedo
Heinz
Nikolaus
Wolfgang
Peter
Albert
Gregor
Hans-Joachim
Anne-Christin
Klaus-Jürgen
Kenn
Matthias
Horst
Norbert
Sebastian
Baurmann
Cheret
Dürr
Dunkelau
Edelmann
Forkert
Gicklhorn
Hemmerlein
Herrmanns
Hirth
Jocher
Junghanß
Katzenbach
Kern
Klever
Lauer
Lenz
Mathéy
Meier
Mosler
Nelskamp
Neuleitner
Rang
Richter
Ringlstetter
Rutrecht
Schaub
Scheiblauer
Schneider
Schwarzbart
Sieveke
Thomas
Zenner
Zoeppritz
Architektur
Bauing.Wesen
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
Architektur
im
42Daedalus
Himmel über Berlin
Wie das Wirtschaftsministerium die Architektur abstürzen
lässt
GERHARD MATZIG
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Feuilleton
von Donnerstag dem 10.04.2008
Vor 3500 Jahren sagte ein ägyptischer Architekt namens
Senmut: „Ich bin der Größte.“ Und Ledoux, ein Franzose
im 18. Jahrhundert, bezeichnete die Architekten gar als
„Titanen der Erde“. Selbst in Frankreich und Ägypten kann
der Stolz der gegenwärtigen Architektenschaft nicht mehr
heranreichen an solche Egozentrik; aber erst in Deutschland ist der wahre Niedergang der Branche wie mit
Händen zu greifen.
Die Bundesagentur für Arbeit ließ im Jahr 2004 die Schüler
wissen: „Von der Arbeit als Architekt träumen viele. Doch
hohe Arbeitslosenzahlen, die Krise am Bau und ein Alltag,
der weniger mit gestalterischen Ideen als mit Kostenkalkulation zu tun hat, erwarten die Absolventen.“ Vier Jahre
später hat sich diese Perspektive abermals verdüstert. Die
Zahl der erwerbslosen Architekten hat sich in nur zehn
Jahren verdoppelt. In Westdeutschland sind zehn Prozent
der insgesamt fast 120.000 Architekten, Stadtplaner, Innen- oder Landschaftsarchitekten ohne Beschäftigung – im
Osten sind es 14 Prozent. In Berlin ist sogar jeder vierte
Architekt arbeitslos. Wer aber Arbeit hat als Architekt, der
hat noch lange kein Auskommen: Jeder zehnte angestellte
Planer verdient im Monat weniger als 1300 Euro. Jedes
zweite Architekturbüro erwirtschaftet für die Baumeister eine
Summe, die dem Lohn eines Hausmeisters entspricht.
Daedalus, Architekt und Erfinder jener Wachs-Flügel, die
Ikarus zum Verhängnis wurden, entstammt der Mythologie
– aber als Sinnbild des Absturzes bezeichnet er heute eine
aktuelle Realität. Er ist deshalb der Patron des Bundeswirtschaftsministers. Wie nirgendwo sonst wird im Amt von
Michael Glos der Absturz der Baukultur betrieben. Wobei
die Sabotage unter einem harmlos bürokratischen Kürzel
vorbereitet wird: HOAI. Das ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Seit Jahren umstritten, wurde die
vom Ministerium vorgelegte Novellierung dieser Ordnung
am Mittwoch in Berlin verhandelt. Die Verbände und Kammern der planenden Berufe sind von dieser Novelle jedoch
regelrecht entsetzt - und zwar mit Recht.
Das Entsetzen ist groß
Vom „Ausverkauf der Baukultur“ spricht die Bundesarchitektenkammer, während die Vertretung der Ingenieure auf
der Grundlage der neuen HOAI ein „billiges, qualitätsloses
und umweltzerstörendes Bauen“ heraufziehen sieht. Der
renommierte Münchner Architekt Muck Petzet begreift die
Novelle, an der seit 13 Jahren gearbeitet wird, als „ver-
nichtenden Schlag“. Denn die HOAI ist weit mehr als eine
langweilige Bundesverordnung zur Regelung von Vergütung
und Leistung am Bau: Tatsächlich beschreibt sie das Verhältnis der Gesellschaft zu den Produzenten der Baukultur.
Sie ist nicht nur Ausdruck des Selbstverständnisses eines
Berufs, sondern auch Blaupause für die zukünftige Qualität
der Lebensräume. Wenn der Wirtschaftsminister, unterwegs
in seiner Dienstlimousine, die Augen aufmachen würde,
um die abstoßende, breiig zerfließende Hässlichkeit unserer
ohnehin von Architekturqualität meist unberührten Stadtund Landbrachen wahrzunehmen, müsste er seine Novellisten sofort stoppen. Wenn die HOAI-Novelle in dieser Form
verabschiedet wird, erobern die architekturfreien Zonen, die
aus dem Fundus der Baumärkte bestückt werden, endgültig
ein Land, das für sein Architekturwissen und seine Planungskultur im Ausland gefeiert wird – was man in Berlin
nicht mal zu ahnen scheint.
Im Kern geht es bei der Novelle darum, aus Gründen
der „Entbürokratisierung“ sowie der „EU-Kompatibilität“
den Wettbewerb der Ideen und das Ringen um Qualität
durch eine reine Preis-Konkurrenz zu ersetzen. Das Bauen
von Schulen, Krankenhäusern, Parkanlagen und ganzen Stadtquartieren soll schlicht billiger, die Architektur
anspruchsloser werden. Denn zukünftig sollen die bei allen
Bauvorhaben, bei großen wie kleinen Projekten, exakt
definierten Leistungen und Vergütungen schon ab einer
Bausumme von fünf Millionen Euro „frei verhandelbar“
sein. Das aber schwächt gerade die Position von kleineren
und jüngeren Büros, die kaum mehr die Chance haben
werden, bei größeren Bauvorhaben zum Zuge zu kommen.
Profitieren werden die weltweit herumgereichten LabelArchitekten als Produzenten spektakelhafter SchauwertArchitektur. Was dagegen auf der Strecke bleibt: das ganz
normale Bauen als eigentlicher Träger der Baukultur. „Die
Auftragsverhandlung für stadtbildprägende Gebäude der
öffentlichen Auftraggeber wird mit der Kappung“, so der
Bund Deutscher Architekten, „zum Preiswettbewerb – das
gilt auch für Architektenwettbewerbe, deren Ergebnisse
durch die anschließende Preisverhandlung wieder in Frage
gestellt werden.“
Noch bizarrer ist die Überlegung, bestimmte Leistungen
– etwa die Bauleitung oder die Beratung durch Fachingenieure – abzuwerten. Das eine wird zur Folge haben,
dass die Bauausführung, die über die Qualität des Gebauten entscheidet, leidet. Das andere wird dafür sorgen,
dass etwa das Zusammenwirken von Energieplanern und
Architekten, das in Zeiten des Klimawandels stärker denn
je gefordert wäre, dem Zufall überlassen bleibt. Die neue
HOAI reiht solche Überlegungen aneinander, um am Ende
wie ein Plan auszusehen: wie der Plan, Deutschland unbewohnbar zu machen und von Architekten und Ingenieuren
zu befreien.
Vom Winde verweht
e-magazin 08_21
Quelle: www.magazin-world-architects.com
„Sie sind auserwählt“ – so oder so ähnlich hätte der Betreff
der E-Mail lauten können, die hundert Architekturbüros aus
aller Welt vor etwa einem halben Jahr in ihrem Postfach
fanden. Absender: das Büro Herzog & de Meuron. Trotz
akuten Spam-Verdachts – die Basler sind schließlich nicht
gerade für ihre Internetpräsenz bekannt – haben die meisten
Empfänger die Mail wohl geöffnet. Dadurch erfuhren sie,
dass sie für einen recht merkwürdigen Auftrag empfohlen
wurden: hundert Architekturbüros aus aller Welt sollen in Ordos in der Inneren Mongolei hundert Villen entwerfen, jede
davon 1.000 Quadratmeter groß und noch ohne zukünftige
Bewohner. Finanziert wird das Ordos 100 genannte Projekt
von Cai Jiang, der seinen Reichtum laut New York Times
unter anderem dem Handel mit Kohle und Milch verdankt.
Den Masterplan für das Projekt fertigte der Künstler Ai Weiwei mit seinem Atelier „Fake Design“, die Wahl geeigneter
Architekten überließ man dem mit seinem Vogelnest in
den chinesischen Architektur-Olymp aufgestiegenen Duo
Herzog & de Meuron. Inzwischen haben die von den Baslern
erwählten Büros den Bauplatz in zwei Gruppen besichtigt.
Die Gegend, in der die neue Villensiedlung gebaut werden
soll, kann wohl durchaus als unwirtlich bezeichnet werden:
Bis auf einige Straßen, die nach Ai’s Masterplan angelegt
wurden, existieren dort fast nur Sand und Gestrüpp. „Es hat
schon etwas Surreales, etwas im Nichts zu entwerfen“ sagt
auch Henning Ehrhardt von Bottega Ehrhardt Architekten,
der zu der kürzlich wieder in Deutschland eingetroffenen
zweiten Gruppe gehört. Durch die Wanderdünen könnte das
zugeloste Baufeld beim nächsten Besuch auch ganz anders
aussehen. Die direkten Nachbarn (in diesem Fall aus Basel
und San Francisco) kenne man aber bereits und man werde
sich auch im Entwurfsprozess abstimmen. Darauf konnten
sich die Architekten schnell einigen, nachdem sie die 28 bereits existierenden Villenmodelle der ersten Gruppe betrachtet hatten. Der Meisterplan von Ai Weiwei, so Ehrhardt, sei
eigentlich gar nicht so schlecht – nur hätte sich bisher kaum
einer daran gehalten. Die Villen werden relativ nah beieinander stehen und sollten sich daher eigentlich nach einem
vorgegebenen „footprint“ richten. Die meisten Architekten
waren großzügig darüber hinweg gegangen, was zu recht
skurrilen städtebaulichen Situationen führte.
Gar nicht so abwegig erscheint bei alldem der Verdacht von
Roderick Hönig, der für Hochparterre ein Reisetagebuch
der Ordos-Exkursion geführt hat: Vielleicht sei das Projekt ja
nur eine große Kunst-Performance von Ai WeiWei. Thema:
„Architektur in Zeiten der Globalisierung“. hi
Das Studio von Ai Weiwei entstand 1999 in 100 Tagen
Siehe dazu Artikel S. 06 ff., Bild © Eduard Kögel
44IMPRESSUM
Herausgeber
© Ziegel Zentrum Süd e.V.
Konzeption, Graphik, Recherche
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin
Tagungsvorbereitung
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin
Margret Kaiser
AnsprechpartnerInnen:
Geschäftsführung
Waltraud Vogler, Dipl.-Ing. Architektin
FB Architektur
Nicole Pflug-Dämpfling, Dipl.-Ing. Architektin
FB Bauingenieurwesen
Michael Pröll, Dipl.-Ing. Bauingenieur
Sekretariat
Margret Kaiser
Ziegel Zentrum Süd e.V.
fon 089 74 66 16-11
Beethovenstrasse 8
fax 089 74 66 16-60
80336 München
[email protected]
Das Ziegel Zentrum Süd hat die Aufgabe, Lehrende und Studierende der Architektur und des Bauingenieurwesens in
ihrer Arbeit an den Hochschulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu unterstützen. Diese Unterstützung findet stetig mehr Anklang. Im Jahr 2006 alleine wurden 46 Veranstaltungen mit einem
breiten Spektrum an Themen durchgeführt - Seminare, Tagungen und Exkursionen. Die Professoren-Tagung 2007 und
die beiden Professoren-Exkursionen im Herbst 2007 zogen 76 VertreterInnen von 26 Hochschulen in ganz Süddeutschland an. Die Gespräche während dieser 3 Professoren-Veranstaltungen bildeten die Basis für 37 Exkursionen, Seminare
und Tagungen für StudentInnen, an denen wiederum fast 50 ProfessorInnen teilnahmen.
Diese Veranstaltungen wurden vom Ziegel Zentrum Süd organisiert, weitestgehend finanziert und vor Ort betreut und
begleitet. Knapp zwanzig Zuschüsse des Ziegel Zentrum Süd gingen an verschiedene Hochschulen, die weitere Exkursionen oder Veröffentlichungen durchführten, die sich mit dem Thema Ziegel befassten. Die Möglichkeit, Unterstützung
für mehrtägige Exkursionen quer durch Süddeutschland über die Landesgrenzen hinweg zu erhalten, wurde von drei
Hochschulen genutzt. Die Tatsache, dass viele der oben aufgeführten Veranstaltungen fast vollständig durch Gelder des
Ziegel Zentrum Süd finanziert wurden, ist einzigartig in der Hochschullandschaft in Deutschland.
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