Der Zweite Weltkrieg und die Konferenz von Brazzaville

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Geschichte Afrikas im
Überblick: 20. Jahrhundert
„ Der Zweite Weltkrieg und
die Konferenz von
Brazzaville“
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs
versuchen die USA, den politischen
Druck auf England und Frankreich zu
erhöhen: das aus der Atlantik-Charta
abgeleitete Selbstbestimmungsrecht
des Völker wird zu einem zentralen
Kriegsziel erklärt.
Die Atlantik-Charta wurde am 14. August
1941 bei der Atlantik-Konferenz (in
Neufundland, Kanada) vereinbart.
Es handelte sich um eine gemeinsame
Erklärung (Prinzipien ihrer nationalen
Politik) des britischen Premierministers
Winston Churchill (1874-1965) und des
US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt
(1882-1945)
Die Charta enthielt acht Punkte:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Verzicht auf territoriale Expansion
Gleichberechtigter Zugang zur Weltwirtschaft
Gleichberechtigter Zugang zu den Rohstoffen
Liberalisierung des Welthandels
Öffnung der maritimen Wege für alle
Verzicht auf Gewaltanwendung
Selbstbestimmungsrecht der Nationen
Vernichtung des Nazi-Regimes
Am 24 September wurde die Erklärung von der
Sowjetunion, Jugoslawien, Polen, Norwegen,
Luxemburg, Tschechoslowakei, Griechenland,
Niederlanden, Belgien und vom Freien
Frankreich paraphiert.
Die Erklärung gilt außerdem als fundamentales
Gründungsdokument der künftigen Vereinten
Nationen [LIT.: Jacobs, Raoul: Mandat und
Treuhand im Völkerrecht, Universitätsverlag,
Göttingen 2004]
Grundsätzlich war die Stimmung im
Alliiertenlager eine äußerst schlechte.
Die sogenannten imperialistischen
Nationen (USA, Frankreich, England)
haben die Erklärung eigentlich nur aus
taktischen Gründen unterzeichnet,
zumal ihre Interessen grundverschieden
waren.
Aus US-amerikanischer Sicht hatte das Prinzip des
Selbstbestimmungsrechts der Völker einen rein
wirtschaftlichen Hintergrund.
Für die Sowjetunion handelte es sich um einen
wichtigen ideologischen Faktor im Kampf gegen
den internationalen Imperialismus.
Franzosen und Engländer hingegen sahen darin eine
drohende Gefahr für ihre Kolonialimperien, die
sie auf gar keinen Fall aufgeben wollten.
Jean Suret-Canale formuliert die
außenpolitischen Divergenzen unter den
Alliierten sehr treffend. Er meint dass
Frankreich und England daran interessiert
waren, ihre Monopolstellung (etwa in
Afrika) zu sichern, während Roosevelt sich
zum Ziel setzte (in Anlehnung an Woodrow
Wilson im Ersten Weltkrieg), den
universalen Charakter der Atlantik-Charta
durchzusetzen:
„Un ébranlement interne des empires coloniaux anglais et
français, qui relâcherait la tutelle des métropoles et
donnerait à l’impérialisme américain, avide d’expansion, un
accès et des chances dans des territoires jusque là interdits,
ne serait pas pour déplaire à Washington“ [LIT.: SuretCanale, Jean: Afrique Noire. L’Ere coloniale 1900-1945,
Editions Sociales, Paris 1964, p. 597]
„Im Namen Frankreichs erkläre ich ausdrücklich folgendes:
jeder Franzoser, der noch im Besitz seiner Waffen ist, hat
die absolute Aufgabe, den Widerstand fortzusetzen… Jeder,
der im Afrika von Clozel, Bugeaud, Lyautey und Noguès,
Ehre hat, ist strikt verpflichtet, die Ausführung feindlicher
Bedingungen abzulehnen… Soldaten Frankreichs steht auf,
wo immer ihr seid“.
Um das Kolonialreich zu retten bzw. neue
Ressourcen aus den Kolonien holen zu
können, ließ Charles de Gaulle vom 30.
Jänner bis zum 8. Februar 1944 eine
Tagung in Brazzaville organisieren: die
„Conférence Africaine Française de
Brazzaville“ (Afrikanisch-Französische
Konferenz von Brazzaville).
De Gaulle wurde von der Vichy-Regierung in
Abwesenheit zum Tode verurteilt, da er den
Waffenstillstand mit Deutschland ablehnte.
1941 gründete er in London das „Comité National
Français“ (CNF) [Französisches
Nationalkomitee], eine Exilregierung des Freien
Frankreichs.
Gleichzeitig baute er die „Forces Françaises
Libres“ (FFL) *Freie Französische Streitkräfte+,
die an der Seite der Alliierten und der
Resistance kämpften.
Nach der Alliiertenlandung in Marokko
und Algerien (1943) und der Niederlage
der Achsen-Mächte in Nordafrika
beschloss das Freie Frankreich, sich in
Algerien zu etablieren.
In der Folge begannen die Kolonien (eine
nach der anderen) sich von Vichy zu
distanzieren, um sich den truppen von
de Gaulle anzuschließen.
Die Achsen-Mächte:
Dieses Bündnis hat seinen Ursprung im Abkommen von 1936
zwischen Nazi-Deutschland und Italien (Achse Berlin-Rom).
Mai 1939 wurde es durch ein neues Militärabkommen (den
Stahlpakt) erweitert. In diesem Pakt stand die Verpflichtung
zur gegenseitigen Unterstützung im Kriegsfall sowie zur
Zusammenarbeit im kriegswirtschaftlichen und
militärischen Bereich. Die Sicherung des Lebensraumes und
der Lebensinteressen Deutschlands und Italiens war ein
weiterer wichtiger Punkt des Abkommens. September 1940
kam es zum Dreimächtepakt, nachdem Japan sich dem
deutsch-italienischen Bündnis angeschlossen hatte.
Weitere Mitgliedsstaaten:
Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Rumänien und Slowakei.
1943 übernahm de Gaulle, gemeinsam mit General HenriHonoré Giraud (1879-1949) [Oberbefehlshaber der
Streitkräfte des Freien Frankreichs] die Führung des in
Algier neu gegründeten und aus dem CNF
hervorgegangenen „Comité Français de Libération
Nationale“ (CFLN) *Französisches Komitee zur Nationalen
Befreiung].
Noch im gleichen Jahr wurde de Gaulle zum alleinigen Chef
des Komitees, nachdem er sich bei einem internen
Machtkampf gegen General Giraud, den Mann der
Amerikaner, durchsetzte.
April 1944 sollte General Giraud den Oberbefehl endgültig
niederlegen.
Die USA wollten den für sie leicht
manipulierbareren Giraud als Chef des
Freien Frankreichs bestimmen. Denn
aus der Perspektive der amerikanischen
Strategen war de Gaulle aufgrund
seines glühenden Nationalismus ein
Störfaktor, den man von den
Entscheidungsmechanismen fernhalten
musste.
Am 3. Juni 1944 wurde das CFLN in
die „Gouvernement Provisoire de
la République Française“ (GPRF)
[Provisorische Regierung der
Französischen Republik]
umgewandelt.
In Brazzaville trafen sich Vertreter des
Freien Frankreichs mit den
wichtigsten Kolonialbeamten aus den
afrikanischen Kolonien.
Neben de Gaulle und dem
Kolonialminister René Pleven (19011993) waren 20 Gouverneure
anwesend.
So wurde Brazzaville, zumindest für kurze
Zeit, zur Hauptstadt des Freien
Frankreichs.
Aber warum gerade Brazzaville als
Konferenzort?
 Da Dakar (Senegal) ebenfalls in Frage kam,
kann man davon ausgehen, dass hier einige
strategische Überlegungen eine zentrale
Rolle gespielt haben müssen.
 Der zweite Grund dürfte insofern einen
Symbolcharakter gehabt haben, weil die
erste positive Reaktion auf den Appell von de
Gaulle aus Brazzaville kam.
Der aus Cayenne (Französisch Guyana) stammende
AEF-Generalgouverneur (mit Sitz in Brazzaville),
Félix Eboué (1885-1944), war nämlich der erste
Franzose, der bereit war, Truppen
zusammenzustellen, um sie dem Freien
Frankreich zur Verfügung zu stellen.
In der Hierarchie der Kolonialadministration hatte F.
Eboué wichtige Funktionen inne: zuerst war er
Generalsekretär der Regierung von Martinique,
bevor er als Lieutenant-Gouverneur in
Französisch-Sudan (Mali, 1934), Guadeloupe
(1936) und Tschad (1938) fungierte.
Sollten hier sentimentale Faktoren eine rolle gespielt haben, so
hätte man vielleicht behaupten können, de Gaulle wollte sich
mit der Wahl auf Brazzaville als Konferenzort bei F. Eboué
bedanken. Aber wir wissen, dass die Mechanismen der
Realpolitik stets auf rationalen und pragmatischen
Überlegungen basieren.
De Gaulle wollte aus guten (opportunistischen) Gründen das
Zentrum der Aktivitäten seiner Befreiungsbewegung in die
Kolonien transferieren. Er war ja überzeugt, dass das
afrikanische Kolonialreich aufgrund seiner Humanressourcen
bzw. wirtschaftlichen Möglichkeiten und strategischen
Position eine gewichtige Rolle im weiteren Verlauf des Krieges
spielen wird.
Ende 1940 hatte de Gaulle eine lange
Afrika-Reise unternommen, besuchte
dabei Dakar (Senegal), Douala
(Kamerun), Fort-Lamy (Tschad),
Brazzaville (Französisch-Kongo),
Léopoldville [(aktuell Kinshasa,
Demokratische Republik Kongo),
(ehemals Zaire) und Libreville (Gabun)
Am 17. November 1940 kehrte er nach London, mit
Zwischenstationen im anglophonen Afrika [Lagos
(Nigeria), Freetown (Sierra Leone), und Bathurst
(heute Banjul in Gambia)] zurück.
Das Ziel dieser ersten Reise bestand darin:
 auf dem afrikanischen Kontinent lebenswichtige
Strukturen für das Freie Frankreich aufzubauen
 die Vichy-treuen Kolonien zurückzugewinnen
 von Afrika aus den Widerstand zu organisieren.
Nach der Niederlage bzw. der Kapitulation in Bordeaux
(Juni 1940) und der Etablierung in Vichy eines
Kollaborationsregimes (unter der Leitung von
Pétain) war de Gaulle quasi isoliert in London. Erst
im Exil ist es ihm bewusst geworden, dass die
meisten Franzosen nicht bereit waren, ihm nach
England zu folgen.
Ganz im Gegenteil: es war in Afrika, wo begonnen
hatte, sich militärisch zu organisieren. Das Beispiel
von F. Eboué hat letztlich viele französische
Soldaten im Dient in den Kolonien davon
überzeugt, sich der Resistance anzuschließen.
„Hitler avait pu gagner en Europe la première manche, mais la seconde
allait commencer… En attendant, c’était en Afrique, que nous,
Français, devions poursuivre la lutte… Dans les vastes étendues de
l’Afrique, la France pouvait en effet, se refaire une armée et une
souveraineté, en attendant que l’entrée en ligne d’alliés nouveaux, à
côté des anciens, renversât la balance des forces… Au surplus, la
libération nationale, si elle était un jour accomplie grâce aux forces
de l’Empire, établirait entre la Métropole et les terres d’outre-mer
des liens de communauté. Au contraire, que la guerre finît sans que
l’Empire eût rien tenté pour sauver la mère-patrie, c’en serait fait,
sans nul doute de l’œuvre africaine de la France“ [LIT.: De Gaulle,
Charles: Mémoires de guerre: l‘appel, Editions Plon, Paris 1954, p.
95]
„Hitler hatte die erste runde in Europa gewinnen können. Aber die
zweite sollte bald beginnen… Indessen war es in Afrika, wo wir
Franzosen, den Kampf fortsetzen mussten… Doch in den Weiten von
Afrika vermochte Frankreich, sich eine neue Armee aufzustellen und
seine Souveränität wiederherzustellen, während neue Alliierten,
neben den Alten, die Kräfteverhältnisse umkehren konnten…
Außerdem, würden Gemeinschaftsbindungen zwischen Metropole
und Kolonien entstehen, wenn eines Tages die nationale Befreiung
dank der Stärke des Empire erreicht werden sollte. Im Gegenteil,
wenn der Krieg zu Ende gegangen wäre, ohne dass das Empire
etwas unternommen hätte, um das Vaterland zu retten, dann wäre
es ohne Zweifel mit den französischen Werk in Afrika vorbei
gewesen“
Um das Kolonialreich nicht aufgeben zu müssen,
entwickelte de Gaulle eine Strategie, die in einer
ersten Phase darin bestand, Französisch-Äquatorial
Afrika unter Gaullisten-Kontrolle zu bringen.
In einer zweiten Phase ging es darum, Senegal
unbedingt zurückzuerobern, da de Gaulle die Absicht
hatte, Dakar als Hauptstadt des Freien Frankreichs zu
deklarieren. Um seine Ziele zu erreichen, war er
sogar bereit, militärisch einzugreifen. Zudem wollte
er persönlich dabei sein.
Dakar, gelegen auf der Halbinsel „Cap-Vert“,
dem westlichsten Punkt des afrikanischen
Kontinents, hatte stets eine militärisch
strategische Bedeutung. De Gaulle und
Churchill wollten mit der Besetzung von Dakar
den Deutschen zuvorkommen. Im Rahmen der
Atlantik-Schlacht plante Deutschland, den
Hafen von Dakar in eine Basis für U-Boote
umzufunktionieren.
Außerdem wollte de Gaulle einen Teil [der andere teil
befand sich bereits auf der US-amerikanischen
Federal Bank] der französischen, belgischen und
polnischen Goldreserven, die nach Senegal bzw.
Französisch-Sudan transferiert waren, vor den Nazis
retten.
Die in Afrika versteckten Goldreserven wurden später
von einer Einheit afrikanischer Soldaten (unter der
Führung von zwei französischen Offizieren) durch die
Sahara nach Colomb-Béchard (Nordwesten Algeriens
an der marokkanischen Grenze) gebracht.
Am 8. September 1940 starteten de Gaulle und
Churchill die sogenannte „Opération menace“
(Operation Bedrohung), um Dakar militärisch
zu erobern.
Drei Tage lang (23. bis 25. September) versuchte
de Gaulle mit seinen Verbündeten (England
und Australien), die politische und militärische
Kontrolle über AOF an sich zu reißen.
Ein Sieg würde de Gaulle mehr Legitimität vor dem
US-amerikanischen Misstrauen verleihen. Für
Churchill ging es darum, die Deutschen von
Westafrika fernzuhalten und zugleich eigene
britische Truppen dort zu stationieren.
Zum ersten Mal im Zweiten Weltkrieg mussten
Franzosen gegen Franzosen kämpfen. De Gaulle,
der sich am Bord eines holländischen
Passagierschiffes befindet, gelingt es nicht,
Generalgouverneur Pierre Boisson (1894-1948)
zur Kapitulation zu überreden.
Auf den von de Gaulle selbst verfassten
Propaganda-Brief reagiert Pierre Boisson mit den
Worten:
„La France m‘a confié Dakar, je défendrai Dakar“
„Frankreich hat mir Dakar anvertraut, ich werde
Dakar verteidigen“
De Gaulle hat bis zum letzten Moment gehofft, dass
seine persönliche Anwesenheit vor Dakar manche
Franzosen zum überlaufen animieren könnte.
Die alliierten Streitkräfte starteten ihre
Offensive mit einer doppelten Taktik:
gleichzeitig mit dem Beginn der
Bombardierung versuchte ein
Kommando, sich ans Land zu setzen,
wurde aber relativ rasch von den VichyTruppen gestoppt und gefangen
genommen.
Zusammensetzung der alliierten Streitkräfte vor Dakar:
 2 Fischdämpfer
 3 Landungsboote
 4 Frachtschiffe (für den Transport des schweren Kriegsmaterials)
 2 000 französische Soldaten
 2 holländische Passagierschiffe (mit de Gaulle am Bord)
 1 englisches Geschwader
 2 Schlachtschiffe
 1 Flugzeugträger
 4 Kreuzer
 10 Zerstörer
[LIT.: Bourgi, Robert: Le Général de Gaulle et l‘Afrique Noire 1940-1969,
Librairie Générale de Droit et de Jurisprudence, Paris 1975, p. 82.]
[LIT.: Williams, John: The Guns of Dakar: September 1940, Heineman,
London 1976]
Am drittenTag der „Opération menace“ (25. September)
beschloss der Kommandeur der Britischen Marine
Admiral John Cunningham (1885-1962), die Operation
abzubrechen: er wollte zurück zu seinem Stützpunkt in
Freetown (Sierra Leone).
Die Schlacht um Dakar erwies sich als totales Fiasko für de
Gaulle und seine Verbündeten.
Daraufhin ging de Gaulle nach Yaoundé (Kamerun), wo er
vom Gouverneur Oberst Philippe Leclerc (1902-1947)
empfangen wurde.
Schließlich besuchte er F. Eboué, der sich in Fort-Lamy
(Tschad) aufhielt. Bei den Begegnungen ging es darum,
den weiteren Verlauf von de Gaulles Strategie zu fixieren.
Vom 8. bis zum 12. November, also zwei Monate nach
Dakar, sollte es zu einer weiteren Schlacht, diesmal um
Libreville (Gabun) kommen. Hier hatte de Gaulle mehr
Erfolg, da es ihm doch gelungen war, ganz FranzösischÄquatorial-Afrika für das Freie Frankreich zu gewinnen.
Zwei Jahre später (5. Mai – 6. November 1942) starteten die
Alliierten (ohne de Gaulle) die Schlacht um Madagaskar
[Operation Ironclade = Operation Panzerschiff].
Gemeinsam mit Australien, Südrhodesien und Südafrika
konnte England die Vichy-Streitkräfte und japanische
Marineeinheiten besiegen und so Madagaskar erobern.
Nachdem Französisch-Äquatorial-Afrika sich de
Gaulle angeschlossen hatte, wurden die Truppen
von F. Eboué und die Panzerdivision von P. Leclerc
[eigentlich: Philippe François-Marie, Comte de
Hauteclocque. Während der Résistance änderte
er seinen Namen in Jacques-Philippe Leclerc.
1941 wurde er zum Brigadegeneral bzw. 1943
Generalmajor ernannt] zusammengeführt. Über
Libyen erreichten sie Nordafrika, wo sie gegen
den Afrikakorps von Erwin Rommel (1891-1944)
kämpften.
In Südosten von Libyen, bei der Kufra-Oasen (950 km
südlich von Banghazi) trafen sie auf italienische Truppen,
die sie relativ rasch besiegen konnten (Februar 1941). Zu
diesem Anlass machte er die berühmte Rede von Kufra:
„Soldaten! Wir werden die Waffen erst dann niederlegen,
wenn wir Straßburg erreichen, und wenn die schöne
französische Flagge auf dem Straßburger Dom flattert“.
Am 25. August 1944 erreichte Leclerc Paris, wo er am
Bahnhof Montparnasse die Kapitulation der deutschen
Besatzungstruppen von General Dietrich von Choltitz
(1894-1966) entgegennahm. Choltitz war
Stadtkommandant von Groß-Paris.
Der sogenannte US-amerikanische und sowjetische
Antikolonialismus hat im Endeffekt de Gaulle dazu
bewogen, die Konferenz von Brazzaville organisieren.
 USA hatten offensichtlich rein wirtschaftliche
Interessen. Deswegen benötigten sie neue Märkte.
 UdSSR wollte im Rahmen des Kalten Krieges den
ideologischen Kampf intensivieren. Die Kolonien
stellten dafür ein ideales Terrain dar, wo man im
Namen des Antikolonialismus den antiimperialistischen
Kampf für sich entscheiden wollte.
In einem solchen Kontext sollte die AfrikaFrankreich-Konferenz von Brazzaville
beginnen. Rasch erkannte de Gaulle die
Notwendigkeit politischer, sozialer und
wirtschaftlicher Reformen in den von
Frankreich besetzten Territorien. Deshalb
wollte er eine grundlegende Neuordnung der
Beziehungen zwischen Metropole und
Kolonien.
Es ist allerdings wichtig, zu bemerken, dass dieses
Neuordnungskonzept nicht die Unabhängigkeit,
sondern die Umstrukturierung der
Kolonialverhältnisse beinhaltete: das heißt, die
Konstituierung einer Französischen Union. Ein
fundamentaler Aspekt von de Gaulles
Militärstrategie bestand darin, die afrikanischen
Kolonien intensiver in den Kampf um die
Befreiung des Vaterlandes einzubinden.
Schon in der Grundsatzerklärung von
Brazzaville stand:
„Die Vorsätze des von Frankreich in den
Kolonien realisierten Kolonialwerkes
untersagen jegliche Möglichkeit einer
Evolution außerhalb des französischen
Empire. Die eventuelle Bildung von SelfGovernments in den Kolonien ist zu
unterbinden“
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Die „Déclaration de Brazzaville“ (Deklaration von Brazzaville)
beinhaltete folgende Punkte:
Frankreich und seine Kolonien werden in der Zukunft vereint bleiben.
In jeder Kolonie sollen halbautonome Regierungsorgane eingerichtet
werden.
Die Bürger der französischen Kolonien bekommen das Recht,
Vertreter in die verfassungsgebenden und halbautonomen Organe zu
entsenden. Diese werden nach dem Krieg installiert.
Die Bürger der französischen Kolonien werden das Recht erhalten,
Vertreter in das Französische Parlament zu entsenden.
Der öffentliche Dienst soll für die Indigenen (nur in den Kolonien)
zugänglich werden.
Abschaffung der Zwangsarbeit.
Wirtschaftliche Reformen sollen den ausbeuterischen Charakter der
kolonialen Wirtschaft verringern.
In Brazzaville wurden ebenfalls die Lebens- und Sozialverhältnisse in den
Kolonien neugeregelt:
 Indigenenpolitik
 Stellung der Frauen/Frauenrechte/Zwangsehe
 Afrikanische Sprachen wurden aus der Bildungspolitik gestrichen
 Feststellung der Unfähigkeit der Afrikaner, sich selbst zu regieren
 Frankreich übernimmt die Aufgabe, sie graduell zu emanzipieren
 Gouverneure bekommen mehr Machtbefugnis
 Frage der französischen Nationalität wird nach Kriegsende behandelt
 Familienzusammenführung: Kolonisierte, die einen neuen Posten
bekommen und daher einen Ortwechsel unternehmen müssen, dürfen
ihre Familie (Frau, Kinder) mitnehmen
 Obligatorischer Dienst: nicht mobilisierte junge Menschen müssen ein Jahr
lang der Administration zur Verfügung stehen
Ein wichtiger Kritikpunkt an der Konferenz:
Die Afrikaner, über deren Leben Frankreich
entscheiden wollte, wurden nicht
aufgefordert, der Konferenz beizuwohnen.
Zudem haben manche von ihnen (der
afrikanischen Eliten) stark damit gerechnet,
in Brazzaville anwesend zu sein.
Der einziger Kompromiss, den de Gaulle zu
machen bereit war, bestand darin, den Eliten
zu bieten, 6 Petitionsbriefe (Memoiren) zu
verfassen. In der Folge wurden die Briefe von
den französischen Verantwortlichen völlig
ignoriert, trotz der Zusicherung, dass man sie
als Konferenzgrundlagen verwenden wird. Im
Grunde haben de Gaulle und René Pleven der
Konferenz eine Bedeutung verliehen, die sie
(aus afrikanischer Sicht) gar nicht hatte.
Anhänger des „Gaullismus“ sollten später
versuchen, die Konferenz von Brazzaville
als Ausgangspunkt des
Dekolonisierungsprozesses zu
interpretieren: für sie war es de Gaulles
Absicht, das Kolonialreich aufzugeben.
In der Regel wird er (auch von vielen
Afrikanern) als „l‘Homme de Brazzaville“
(Mann von Brazzaville) bezeichnet.
Jean Suret-Canale meint hingegen, dass
die Entsendung von 6 Petitionsbriefen
nach Brazzaville keineswegs als effektive
Partizipation aufgefasst werden kann.
Die Konferenz, schreibt er, war weder
demokratisch noch repräsentativ [LIT.:
Suret-Canale, J. (1964), p. 599-600]
Adotévi Spero Stanislas [1934 in Lomé (Togo) geboren;
Nationalität: Beniner; lebt derzeit in Burkina Faso]
schreibt in Anlehnung an Jean Suret-Canale:
„Brazzaville war ein Rettungsversuch der französischen
Diplomatie vor dem Druck der USA, die die
Souveränität Frankreichs als imperialistische Macht in
Frage stellten. In Brazzaville ist nie die Rede von
Unabhängigkeit gewesen. De Gaulle als „l‘Homme de
Brazzaville“ bleibt ein Mythos“ *LIT.: Adotévi, Spero
Stanislas: De Gaulle et les Africains. In: Afrique
Contemporaine (sous la direction d‘Ibrahima Baba
Kaké), Vol. 10, Editions Chaka, Paris 1990, p. 101]
Der Emanzipationsprozess hatte eine
Eigendynamik entwickelt, die dazu
führte, dass Frankreich aufgrund
zweier Kolonialkriege (Indochina und
Algerien) quasi gezwungen war, die
Unabhängigkeitsforderungen der
Kolonien doch noch zu akzeptieren
Die Formulierung, wonach Frankreich seine
Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen
hätte, wird von zahlreichen Afrikanern
kritisiert, zumal sie meinen, dass dominierte
Menschen sich ihre Befreiung erkämpfen
müssten. Aus ihrer Sicht stellt eine auf der
Servierplatte präsentierte Unabhängigkeit
im Grunde eine falsche Auslegung des
Begriffes „Freiheit“ dar.
Der mexikanische Politiker, Diplomat und Lyriker Octavio
Paz (1914-1998) über Freiheit:
„Freiheit ist weder eine Idee, noch ein Glaube. Die Freiheit
lässt sich nicht definieren: man übt sie aus. Sie ist eine
Wette. Der Beweis für Freiheit ist kein philosophischer,
sonder ein existentieller: es gibt Freiheit immer dann,
wenn es einen freien Menschen gibt, immer dann, wenn
ein Mensch es wagt „Nein“ zur Macht zu sagen. Wir
werden nicht frei geboren. Die Freiheit ist eine Eroberung
–darüber hinaus: eine Erfindung“ [LIT.: Paz, Octavio: Der
menschenfreundliche Menschenfresser. Geschichte und
Politik 1971-1980, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main
1981, S. 14-14. Originaltitel: El Ogro Filantrópico]
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