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Deutsche NedIzillisdhe Wocheuschrift
Begründet von Dr. Paul Börner
HERAUSGEBER:
VERLAG:
GEORG THIEME
Geh. San.-Rat Prof. Dr. Schwalbe
Berlin-Charlottenburg, Schlüterstr. 53
BERLIN, DEN 6. M!IRZ 1913
Aus der Direktorial-Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses
st. Georg in Hamburg.
Ueber die syphilitische Aortenerkrankung.1)
Von Prof. Dr. Th. Deneke.
Die Prognose der Syphilis gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Pathologie, da für die Erkrankungen keine Meldepflicht besteht und die Todesfälle, die direkt oder indirekt auf
Syphilis zurückzuführen sind, größtenteils von der Medizinalstatistik nicht erfaßt werden. Aus den Berichten der Krankenhausabteilungen wissen wir zwar, daß Todesfälle an erworbener
Syphilis im primären und sekundären Stadium äußerst selten
sind ;
die Statistik vermerkt auch im tertiären Stadium der
Erkrankung nur eine recht geringe Zahl von Todesfiillen, wenn
man sie in Vergleich stellt zu dem großen Heere der Erkrankten.
Hier aber ist der Pdnkt, wo die Statistik zurückgeblieben ist
hinter den Fortschritten, die die Kenntnis der Syphilis und
ihrer Folgekrankheiten inzwischen gemacht hat.
Durch die Wa.R. und ihren weiteren Ausbau haben Wir erst die
ungeheuer große Zahl aller Spatfolgen der Syphilis übersehen gelernt,
und viele Krankheiten, deren Zusammenhang mit der Syphilis noch vor
wenigen Jahren bestritten wurde, sind jetzt in den großen Rahmen
der sptsyphi1itischen oder postsyphilitischen Affektionen einbezogen
worden. Die offizielle Statistik aber zählt die Tabes und Paralyse noch
unter die Nerven. und Geisteskrankheiten, die syphilitischen Herz- und
Gefäßerkrankungen zu den Krankheiten des Zirkulationsapparates viele
auf Lues beruhende Apoplexien, Nephritiden, amyloide Degenerationen
und auch Gummen mit tödlichem Ausgange verstecken sich in den
Rubriken der Organerkrankungen.
Ein sehr viel richtigeres und sehr viel ernsteres Bild erhalten
wir, wenn wir die Statistik der Lebensversicherungs-
gesellschaften durchsehen. Wir erfahren da, daß die Syphilis
außer ihren direkten Folgen den Körper noch mit einer großen
Anzahl von Krankheiten bedroht, die unmittelbar mit Syphilis
nichts zu tun haben, für die sie aber den Boden bereitet. So
wirkt sie in einem Maße, wie sonst höchstens noch der Alkoholismus, lebensverkürzend auf die Befallenen.
Die Gothaer Lebensversicherungsbank hat die Sterblichkeit der
bei ihr versicherten Personen, die eine Syphilisinfektion durchgemacht
hatten, vom Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts an bis zum
Jahre 1905 zusammengestellt und mit der Sterblichkeit sämtlicher Versicherten verglichen. Wenn man letztere gleich Hundert setzt, wurde
eine IJebersterblichkeit der früheren Syphilitiker von nicht
weniger als 68% ermittelt. Bei gesonderter Betrachtung der häufig-
sten Todesursachen hatten die Syphilitiker eine Uebersterblichkeit von
60% an bösartigen Neubildungen, 64% an Nierenerkrankungen, 84%
an Krankheiten des Magens und Darmes, 116% an Erkrankungen
des Zirkulationsapparates, 122% an Selbstmord, 128% an Apoplexie, von 145% an G1eistes- und Nervenkrankheiten außer Paralyse.
Bei Beurteilung dieser Statistik muß berücksichtigt werden,
daß recht oft eine syphilitische Infektion beim Abschluß der
Versicherung verheimlicht wird und daß so eine große Anzahl
früherer Syphilitiker die Gesamtmortalität verschlechtert haben.
Auch ist zu beachten, daß die Versicherungsgesellschaften nur
gut behandelte und mehrere Jahre symptomenfreie Fälle aufnehmen. Beide Ueberlegungen sprechen dafür, daß die Ge -
samtprognose der Lues, da immer noch die überwältigend große Mehrheit der Erkrankten ungenügend
Vortrag im Hamburger Aeiztlichen Verein am 3. Dezember 1912.
(Diskussion Seite 484.)
1)
Rabensteinplatz 2
39. JFHRGING
behandelt wird, noch sehr viel ungünstiger ist, al aus
den genannten Zahlen hervorzugehen scheint.
Die gewaltige Uebersterblichkeit der Syphilitiker; an Erkrankungen des Zirkulationsapparates ist es, auf die 'ich heute
Abend Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte. Die Uobersterblichkeit von 1 16% ist deshalb von so großer Bedeutung, weil die
absolute Zahl der Todesfälle durch Erkrankungen des Zirkulationsapparates unter den Versicherten wie unter der ganzen
Bevölkerung bekanntermaßen sehr groß ist. Man bedenke nur,
ein wie großer Bruchteil der in den späteren Manncsjahren
Verstorbenen an Arteriosklerose und Myokarderkrankungen zugrunde geht. Trotzdem hat also der Syphilitiker eine
mehr als doppelt so große Wahrscheinlichkeit, an
Erkrankungen des Zirkulationsapparates zu sterben,
als der nicht infizierte Erwachsene. Tatsächlich haben
die pathologischen und klinischen Untersuchungen der letzten
Jahre, vor allen Dingen mit Hilfe der Serologic, zu der Einsicht
geführt, daß die syphilitischen Erkrankungen des Zirkulationsapparates viel häufiger sind, als man früher vermutete, und daß
hier eine klinisch eminent wichtige Krankheitsgruppe
Ich will heute eine Uebersicht zu geben versuchen
über den praktisch wichtigsten Teil dieser:Krankheitsgruppe,
die syphilitischen Aortenerkrankungen, und fasse hierunter
vorliegt.
die Aortitis im engeren Sinne, nach Heller- Döhle auch
Mesaortitis genannt, die durch sie bedingte Aorteninsuffif i z je n z und die ebenfalls mit der Aortitis in direktem ursächi
lichen Zusammenhange stehenden Aorte n ancu r ysme n zusammen.
Ueber die syphilitische Aortenerkrankung iM neuerdings
eine Reihe guter klinischer Arbeiten erschienen, nachdem längere
Jahre hindurch sich hauptsächlich die Anatomen ftir diese Erkrankung interessiert hatten.
Ich nenne besonders dieArbéiten von Grau (unter Aug. Hoff mann);
von Reitter (unter Schottmüller), von Goldscheider und ganz
neuerdings die von Stadler und von Reinhold. Auch ich habe 1910 in
der Unna-Festschrift über meine bis dahin an 46 Pällen gesammelten
Erfahrungen berichtet.
Obwohl somit das Krankheitsbild der Aortitis gewiß vielen
Aerzten wohlbekannt it, glaube ich dennoch, meine inzwischen
stark angewachsenen Erfahrungen mitteilen zu sollen. Denn
der Mehrheit der Praktiker, darin möchte ich Goldscheider
widersprechen, ist die Kenntnis dieser Krankheitsgruppe noch
keineswegs so in succum et sanguinem übergegangen, wie es im
Interesse der Patienten wünschenswert wäre.
Was die Häufigkeit der syphilitischen Aorteiierkrankung
im Verhältnis zu anderen Folgekrankheiten der Syphilis betrifft,
so haben sich bei einer Durchsicht der Protokollbücher unseres
Pathologischen Instituts, die Herr Ernst Müller in dankenswerter Weise vorgenommen hat, aus den drei Jahren 1909 bis
1911 54 Pälle ermitteln lassen, bei denen syphilitische Aortitis,
Aortcninsuffizienz und Aneurysmen die Tode s u r s ache bildeten.
Dieser Zahl stehen 29 Erwachsene gegenüber, die im gleichen
Zeitraume an anderen syphilitischen und postsyphilitischen
Erkrankungen, einschließlich Tabes und Paralyse, bei uns gestorben sind. Danach sind in den Krankenhäusern die Aortenerkrankungen als Todesursache häufiger als alle übrigen Spätfolgen der Lues zusammengenommen.
Um zu einer rohen Schätzung der in ganz Hamburg an syphilitischer
Aortitis sterbenden Personenzahl zu gelangen, habe ich die Zahl der im
St. Georger Krankenhause an Lungenschwindsucht gestorbenen Per56
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Nr. 10
LEIPZIG
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSOJRIFT.
442
soroen mit der Gesamtzahl der Sohwindsuehtstodesf11e in ganz Hamburg
verglichen und gefunden, daß durchschnittlich der neunte Teil dieser
Todesfälle im St. Georger Kraiikenhause erfolgt. Nach diesem Verhältfis berechnet, müßten in drei Jahren 486 Todesfälle an Aortitis, j ähr lic h
also dur chso hn ittlich 162 , im Hamburgisehen Staate vorgekommen
sein. Zum Vergleiche bemerke ich, daß jährlich etwa 100 Paralytiker
in den Hamburgischen Irrenanstalten sterben.
Auch auswärtige Statistiken, insbesondere die Ru ne bergs, führen zu dem Ergebnis, daß die syphilitischen Erkrankungen des zentralen Zirkulationsapparates häufiger sind
als alle anderen Todesfälle an Spätfolgen der Lues, wenn man
die Paralyse außer Betracht läßt. Die Aortitistodesfälle sind
auch häufiger als die Todesfälle an Paralyse allein, aber nicht so
häufig wie die an allen übrigen SpiLtfolgen der Syphilis einschließ-
lich der Paralyse.
Bei dieser Häufigkeit der Krankheit kann es nicht wundernehmen, wenn ich in vier Jahren etwa 200 Erkrankungsfälle
von Aortitis beobachten konnte ; von dieser Zahl sind 1 73 Fälle
mit freundlicher Beihilfe meines wissenschaftlichen Assistenten
Dr. Lipp mann genauer bearbeitet worden, und über diese
Nr. lo
Unter den Klinikern sind es besonders die Nordländer ge-
wesen, die sehr viel früher als wir Deutsche die wahre Natur der
syphilitischen Aortenveränderungen erkannt haben.
Nächst Heiberg in Christiania ist vor allen Malinsten in Stockholm zu nennen, der 1888 in einer ausgezeichneten Monographie ohne
Kenntnis der Döhleschen Dissertation über ein großes Material berichtete.
M al m s t e n bringt auch von der ,,Aortitis eclerogummosa' ', wie er sie
nennt, vier äußerst charakteristische Abbildungen. Nächst Malmeten
ist vor allem die ausgezeichnete Arbeit von Ha mpelu , Riga, zu erwähnen,
die 1894 in der Berliner klinischen Wochenechrift, aleo in Deutschland,
erschien, trotzdem aber vielfach unbeachtet geblieben ist. H ampeln
betont das Vorkommen der Krankheit vorwiegend bei Männern in
mittleren Jahren, vor dem der eigentlichen Arteriosklerose gehörenden
Lebensabschnitt, und tritt dein naheliegenden Einwande, daß im Leichenbefunde Gummen an den Gefäßen meistens vermißt werden, mit dem Hinweise entgegen, daß bei der Syphilis auch sonst vielfach vulgäre chronische
Entzündungen vorkommen, die, rein anatomisch betrachtet, nichts Charak-
teristisches bieten, so Iritis, Neuritis gummosa, Keratitis, Otitis, Synovitis, amyloide Degeneration.
Völlig sichergestellt wurde die syphilitisehe Natur der
Aortenerkrankung durch den Befund der Spirochaeta
pallida, den zuerst Reuter 1906 in Hamburg erhoben hat.
Nachher haben Benda, Schmorl, Wright und Richardson
Die Kenntnis von der wahren Natur der hier zu besprechen- diese Befunde bestätigt, die aber immerhin eine Seltenheit
den Aortenerkrankungen hat sich nur sehr allmählich Bahn gebrochen. Einige kurze Daten über die neuere Geschichte der
geblieben sind.
Eine praktisch sehr viel größere, ja ausschlaggebende
Erforschung dieser Krankheit dürfen hier nicht übergangen Bedeutung hat die Wa.R. erlangt.
werden.
Daß Aortenaneurysmen in einem sehr großen Bruchteile der Fälle
auf Syphilis beruhen, war schon älteren Autoren bekannt, wurde aber
erst von Welch 187G durch eine Statistik der englischen Armee zahlenmäßig bewiesen. Trotzdem fanden sich viele Zweifler und Gegner bis
in die neueste Zeit hinein. Die Vorstufe des Aneurysmas, die Aortitis
im engeren Sinne, haben wir durch Dohle kennen gelernt, der unter
Heller in Kiel im Jahre 1885 zuerst einen Fall von syphilitiseher Erkrankung der Aorta bei einem 25jährigen Manne in seiner Dissertation
anatomisch beschrieben hat und 1894 zwei weitere Fälle folgen ließ.
Obwohl eine Bestätigung durch Puppe sehr bald erfolgte und Heller
durch mehrere Arbeiten seiner Schüler weitere Fälle veröffentlichen ließ,
begegnete er doch, als er 1899 auf dem Münchener Pathologen-Kongreß
sei ne gesammelten Erfahrungen mitteilte, nahezu allgemeiner Ablehnung.
Sie wurde zuerst von Fraenkel und Much 1908 bei Leichenbiut
von Aortitikern angewendet, die in allen sechs untersuchten Fällen positiv
ausfiel. Am Lebenden bestätigte Citron noch im gleichen Jahre diesen
Befund und fand darin im Verlaufe weniger Monate zahlreiche Nachfolger.
Tatsächlich ist die Wa.R. zurzeit, wie bei alIen anderen
Spätformen der Syphilis, so auch bei der Aortitis eines der
wichtigsten diagnostischen Kriterien.
Einen breiten Raum in der Literatur nahm auch die Dis-
kussion über das kombinierte Vorkommen der Tabes
mitAortenerkrankungen ein. Ich komme unten auf diesen
Punkt zurück.
Durch diesen kurzen Ueberblick über die Entwicklung
Nur Straub und Bollinger traten auf Hellers Seite und brachten der Lehre von der Aortitis ist eine besondere Besprechung
wichtiges neues Material bei. Drei Jahre später, auf dem Kasseler der Aetiologie nahezu überflüssig geworden ; immerhin mögen
Pathologen-Kongreß, war ein vollständiger Umschwung der Ansichten über die Häufigkeit, mit der der Nachweis der Syphilis nach
eingetreten. Hier referierten Chiari und Benda über die Beziehungen
der Syphilis zu den Erkrankungen der Aorta und zum Aneurysma.
Ersterer stellte der gewöhnlichen Arteriosklerose oder Endarteriitis
chronica deformans, die stets in der Intima beginnt und bei der degenerative Veränderungen, Verfettung, Quellung, hyaline und scbleimige
Metamorphose, Verkalkung, überwiegen, die ,,Mesaortitis productiva"
gegenüber, für die, entsprechend den Befunden der Kieler Schule, die
entzündlichen Veränderungen der Media und Adventitia charakteristisch sind.
Benda erörtert besonders die Frage, wie aus der Aortitis sich das
Aneurysma entwickelt. Er nimmt an, daß während der gummösen Entzündung der Widerstand, den die Aortenwand dem Blutdruck entgegensetzt, vermindert ist, sodaß letzterer die Wand vorwölben und Einrisse
in den Gewebselementen der Wand bewirken kann.
Eine Art Nachhall fanden die Münchener und Kasseler Debatten
1904 in der Biologischen Abteilung des Hamburger Aerztlichen Vereins,
als Fahr seine an dem pathologisch-anatomischen Material des St. Georger Krankenhauses gewonnenen Erfahrungen mitteilte. Frac n k el
und Nonne waren damals der Ansicht, daß nur der Befund wirklicher
Gummen zur Diagnose der Syphilis in der Aorta berechtige, während
Reuter und Simmonds sich dem Vortragenden anschlossen, der die
Neigung, tiefe, retrahierende Narben zu bilden, als charakteristisch für
Lues hinstellte.
Aehnliche Veränderungen, wie bei der erworbenen Lues, fanden
Bruhns und Wiesner auch in denAorten kongenital. syphilitischer
Kinder. Die Bruhnssche Arbeit ist um so bemerkenswerter, als sie
unter Orth verfaßt wurde, der als Schüler Virchows lange Zeit zu den
Skeptikern auf diesem Gebiete gehörte. Bruhns fand in sechs Fällen
von im ganzen neun untersuchten Aorten ausgesprochene mikroskopische
Veränderungen: Zellijifiltrate in der Adventitia, vorwiegend in der Umgebung der Vasa vasorum, die sich vielfach mit deo Gefäßen in die Media
hinein erstrecken. Bei nichtsyphilitischen Kindern, die zur Kontrolle
untersucht wurden, konnten keine derartigen Veränderungen nachgwiesen werden.
Zurzeit wird über die damalige Streitfrage wohl keine
Meinungsverschiedenheit mehr bestehen.
den verschiedenen Kriterien gelingt, noch einige Daten gegeben
werden.
Von 148 Männern meines Materials hatte einer hereditäre Lues;
77, also wenig mehr als die Hälfte, gaben eine syphilitische Infektion zu,
alle übrigen stellten sie in Abrede. Daß besonders bei Patienten niederen
Bildungsgrades der anamnestisehe Nachweis der Lues sehr oft mißlingt,
ist Ihnen allen bekannt. Weitere Volkskreise schenken ja ihrer Gesund-
heit nur geringe Aufmerksamkeit; besonders von jungen Leuten der
arbeitenden Klasse werden kleine Wunden oder Stellen" an den Geschlechtsorganen oft kaum beachtet. Bei gebildeten Männern versagt
die Anamnese bei energischem Inquirieren des Arztes sehr viel
Daß verheiratete Frauen in der Regel nichts von der matrimonialen Infektion wissen oder sie wenigstens nicht angeben, ist begreiflich. Unter meinen 24 weiblichen Patienten gaben nur zwei die
Infektion zu.
seltener.
Ein wesentlich erschwerendes Moment für die Erhebung
einer zuverlässigen Anamnese bildet auch die lange Z wise he n zeit, die zwischen der syphilitischen Infektion und dem Manifestwerden der Aortenerkrankung zu verlaufen pflegt.
In meinen Fällen war die kürzeste Zwischenzeit fünf Jahre. I)onath
hat die ersten Erscheinungen schon innerhalb der ersten zwei bis drei
Jahre gesehen. Der längste Zwischenraum zwischen der Infektion und
dem Beginne der subjektiven Krankheitserscheinungen betrug bei meinen
Die durchschnittliche Zwischenzeit wurde
bei den 77 Männern auf 2O1/ç Jahre ermittelt, bei den Frauen
Patienten 44 Jahre
auf 191/2 Jahre.
Ein direkter Zusammenhang mit den im sekundären Früh-
stadium der Syphilis, insbesondere von Grass mann be-
schriebenen Herzerscheinungen scheint nicht zu bestehen. Mit
Recht stellt Weintraud die letzteren den bei Chlorose ge-
fundenen sehr ähnlichen Erscheinungen an die Seite und hält
es für unwahrscheinlich, daß hier wirklich anatomische Läsionen
vorliegen.
Auf der anderen Seite ist es als sicher anzunehmen
die
mikroskopischen Befunde in Fällep, wo makroskopisch noch
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möchte ich im folgenden berichten.
6. März 1913.
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCURIFT.
weisen dies - daß die
Aortitis sich im Ver
laufe von mehreren,
vielleicht vielen Jah-
ren ganz allmählich
in schleichender, für
den Träger unmerklicher
Weise cntwickelt und immer schon
ausgedehnte Zerstörungen
in der Aortenwand herbei-
Verteilung auf die Leb en s alter.
172 Fällo.
nichts nachweisbar ist, be-
443
(Beginsi der subjektiven Beschwerden.)
20..
15-
geführt hat, ehe sie dem
Patienten zum Bewußtsein
Der wirkliche
kommt.
Zwischenraum zwischen
der Infektion und der Erkrankung ist also zweifellos sehr viel kürzer, als
oben angegeben. Die ersten pathologischen Veränderungen der Vasa nu-
10
5
diums zu verlegen, wo
Fälle
syphilitische Gefäßerkran-
kungen auch in den peripherischen
Kreislaufsge-
Lebens-
alter
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bieten in der Regel beobachtet werden. Je nach der Malignität des Virus wird dann die
Widerstandsfähigkeit der Aortenwand in einer kürzeren oder
längeren Reihe von Jahren so sehr unterminiert, daß zylindrische oder sackförmige Erweiterungen und damit FunktionsStörungen eintreten.
Wichtiger für die Feststellung der Aetiologie als die so oft
im Stiche lassende Anamnese istdie serologische Blutuntersuchung.
Sie wurde in 164 Fällen unseres Materials vorgenommen, und zwar
mit wenigen Ausnahmen im St. Georger Serologischen institute, anfangs
von Dr. Reinhart und von Juni 1909 an von unserem Serologen Dr.
Jacobsthal. Die wenigen Fälle, bei denen es nicht zur Anstellung der
Wa.R. kam, entstammen entweder der Privatpraxis, wo besonders bei
Beginn meiner Arbeit äußere Umstände manchmal hinderlich waren,
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chronica deformans) noch nicht in Betracht kommen kann.
Ich habe das Alter meiner Patienten auf in vorstehen-
der Figur graphisch dargestellt; Sie sehen daraus, daß die
Aortitis durchschnittlich in den Jahren zwischen 35 und 50
anfängt, Beschwerden zu machen. Dar Eintritt in unsere
Beban lung erfolgt oft erheblich später als der Bcginn der
subjektiven Beschwerden. Der jüngste Patient, wenn ich von
dem 17 jährigen Hereditarier absehe, war beim Eintritt in unsere
Behandlung 25 Jahre, der älteste 72 Jahre. Bei einem Teile
der in höherem Alter erkrankten Patienten, bat auch die syphi-
litische Infektion ungewöhnlich spät, in den 40er oder 50er
Jahren, stattgefunden. Das durchschnittliche Alter der aus
der Privatpraxis stammenden Fälle war etwas niedriger als bei
den Krankenhauspatienten, was sich wohl aus der besseren
oder es handelt sich um Patienten, die gleich nach der Aufnahme starben.
Selbstbeobachtung der den gebildeten Ständen angehörigen
Die serologische Untersuchung des Leichenblutes ist bekanntlich nicht
Personen erklärt
Von den 164 Fällen zeigten 142 einen positiven
Ausfall der Wa.R., sechs Fälle waren zweifelhaft, 16 boten eine
ganz gleichwertig.
negative Wa.R.
Wenn somit nur 86,6% meiner Fälle eine positive Reaktion
hatten, so ist dabei zu berücksichtigen, daß diese TJntersuchungen vom Spätherbst 1908 an gemacht sind. Seit dieser Zeit
hat die serologische Technik sich außerordentlich verfeinert,
sodaß negative Ergebnisse im letzten Jahre kaum noch vorgekommen sind.
In zwei von den sechs fraglichen Fällen waren die Ergebnisse
nicht einwandfrei, da in zwei verschiedenen Instituten die Reaktionen
verschieden ausfielen. Die übrigen vier Fälle waren sämtlich vor der
Untersuchung mit Quecksilber behandelt; in zwei Fällen wurde
die Reaktion später, nach weiterer Hg-Behandlung, ausgesprochen
Ebensowenig wie aus dem Lebensalter lassen sich aus einer
Zusammenstellung der Berufe Anhaltspunkte für die Bewertung sekundärer ätiologischer Momente entnehmen.
Tabelle 1.
Gruppierung der 173 Aortitis-Patienten
nach dem Berufe.
a) Männer
I. Kaufleute, Ladenbesitzer, Schreiber, Lehrer, Schauspieler etc.
Schneider. Schuster
Zollbeamte
Küper, Gastwirte
Ei.enbahner, Straßenbahner, Kutscher
Gärtner Bauarbeiter (Maurer, Zimmerleute, Tischler. Maler, Töpfer etc )
Eisenarbeter (Schlosser, Srhmiede, Mechaniker)
Kai und Speicherarbeiter
positiv.
Unter den 16 negativen Fällen sind zwei auch im übrigen in
13 Fälle waren energisch mit
Hg behandelt, meist schon früh nach der Infektion. In allen diesen
13 Fällen war die Anamnese quoad luem positiv. Anamnese und Blutuntersuchung ergänzten sich also in wahrhaft vollkommener Weise.
In einem Falle wurde die Ursache der negativen Reaktion nicht aufgeklärt; der Patient starb, und die Sektion ergab den charakteristischen
Befund der Aortitis syphilitica mit kleinem Aneurysma der Aortenwurzel und Klappenveränderungen. Auch nach dem Tode war die Blutreaktion negativ.
diagnostischer Hinsicht etwas unsicher.
Daß neben der Syphilis noch andere Momente eine wichtige
ätiologische oder prädisponierende Rolle spielen, dafür haben
sich aus meinem Materiale keine Anhaltspunkte ergeben. Schon
das Lebensalter der Patienten beweist, daß bei der übergroßen Mehrzahl die eigentliche Arteriosklerose (Endarteriitis
Seeleute
li. Gelegenheitsarbeiter
12.
Verschiedene Berufe (Musiker, Heiidiener, Aufseher, Hlndler)
b) Frauen:
verheiratet 19, davon mit Seeleuten
Kellnern
anderweitig
unverheiratet 5, davon Stewardess
Zimmervermieterinnen und ähnl. -
41
4
4
6
4
2
16
13
15
15
15
14
149
2
2
15
4
24
Die Berufe, die auf vorstehender Tabelle zusammengestellt sind,
zeigen keineswegs ein auffälliges Ueberwiegen der schwer arbeitenden
Klassen; im Gegenteil scheinen die sitzenden Berufe verhältnismäßig
stark beteiligt. Da die Zahl der syphilitisch Infizierten in allen diesen
Berufsarten unbekannt ist, kann in eine genauere kritische Würdigung
dieser Zahlen nicht eingetreten werden.
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tritia der Aorta sind ver-
mutlich in den Beginn
des tertiären Sta-
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSOHRIFT.
Schon aus der Berufstabelle geht hervor, was auch durch
die Anamnese der einzelnen Patienten bestätigt wird, dali der
Alkoholis mus keine besonders hervortretende Disposition
für die Niederlassung des syphilitischen Virus in der Aortenwand schafft.
Auch andere Beobachter, wie Hampein, haben die von vielen behauptete begunstigende Wirkung des Alkoholismus in Abrede gestellt,
und y. Düring hat auf das häufige Vorkommen der Aortenerkrankung
unter den glaubensstrengen und deshalb völlig abstinenten Türken
Kleinasiens hingewiesen. Natürlich befanden sich unter unserem Material
AlkohDlisten in nicht geringer Zahl. In der großstädtischen Bevölkerung
ist der Alkoholismus ja enorm verbreitet; die Alkoholisten infizieren sich
besonders häufig und entziehen sich oft einer konsequenten Behandlung.
Aber von einem vorwiegenden Befallenwerden kann man doch nicht
sprechen.
Auch für eine ausgesprochen begünstigende Wirkung des
Tabaks haben wir in unserem Materiale beweisende Tatsachen
nicht gefunden.
Die pathologische Anatomie der syphilitischen Aortenerkrankung ist bereits oben gestreift worden. Ich möchte nur
die wichtigsten anatomischen Tatsachen hier kurz zusammenfassen.
Schon die Lokalisation der luetischen Aortenerkrankungen ist eine etwas andere als die der Altersarterioskierose. Die
Nr. 10
und Media der Ausgangspunkt des Prozesses ist. Die Intima
beteiligt sich hauptsächlich durch einfache Proliferation an dem
Prozesse. Regressive Veränderungen der Intima (Verfettung,
hyaline Degeneration, Verkalkung) sind selten. Charakteristisch ist der Befund kleinzelliger Infiltrate, manchmal mit zentralen Nekrosen und Riesenzellen, innerhalb der Media und
Adventitia. Diese durchbrechen, den Vasa vasorum folgend,
die Elasticalarnellen der Media und lassen nach Ablauf der Eutzündung tiefeingezogene Narben zurück. Richtige Gummen
sind im ganzen selten, aber doch von verschiedenen Beobachtern konstatiert worden.
Das klinische Symptomenbild der Aortitis ist je nach
Art und Ort
der pathologischen Veränderungen außerordentlich verschieden. Für die beginnenden Fälle fehlt
ein charakteristischer Symptomenkomplex.
Hinter unbestimmten Herzbeschwerden mit gelegentlichen Sehwächeanwandlungen versteckt sich oft eine beginnende Aortitis ; bei
Personen, die derartige Klagen vorbringen, muß, falls eine alte
syphilitische Infektion in Frage kommt, immer an diese Erkrankung gedacht werden. Eine blasse Gesichtsfarbe,
oft mit leichtgelblichem Hauch, ist schon in frühen Stadien
vorhanden und wird in vorgeschrittenen selten vermißt. Sie
bildet ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der bei Herz-
Aortitis bevorzugt den aufsteigenden Teil der Aorta und n eurosen meist vorhandenen vasomotorischen Erregbarkeit.
beginnt fast immer unmittelbar über den Ansatzrändern
Die ausgeprägteren Fälle lassen sich in drei Gruppen einder Semilunarkiappen. Der Aortenbogen und die Aorta teilen. Die erste ist abhängig von der Erkrankung der
thoracica descendens zeigen gewöhnlich die frischeren und Abgangsstellen der Kranzarterien. Hier stehen die
weniger hochgradigen Veränderungen ; die Aorta abdominalis angina-peetorisartigen Zustände im Vordergrunde, sehr
ist in der Regel frei. Die Erkrankung greift sehr oft auf die häufig tritt schon nach ganz wenigen Anfällen der Tod ein.
Basis der Aortenklappen, nicht selten auf diese selbst über. Reuter hat aus seiner Erfahrung in der Anatomie des HamDurch narbige Retraktion der Klappen entsteht häufig Aorten- burger Polizeikrankenhauses mehrere Fälle von Mors subita
insuffizienz, ohne daß eine wirkliche Endocarditis valvularis beschrieben, bei denen anscheinend schon der erste Anfall zum
nachweisbar wäre. Dieser Befund der durch Narbenschrump- Tode führte; und jedem Arzte sind Fälle von sogenanntem
fung straff an die Aortenwand herangezogenen, im übrigen H e r z s e h 1 ag bekannt, bei denen zum mindesten der Verdacht
glatten und zarten Kiappensegel ist besonders charakteristisch auf syphilitisehe Aortitis auftauchen muß. Jede echte Angina
für die syphilitische Aortitis.
pectoris, deren Träger das 50. Lebensjahr noch nicht übersehritDem gegenüber läßt die Alters- oder Abnutzungsarteriosklerose, ten hat, ist hochgradig verdächtig auf Lues der Aorta.
d. h. die deformierende Endarteriitis gewöhnlich einen fingerbreiten
Der z we i te Typus der Aortiker zeigt uns das altbekannte
Ring über den Aortenklappen frei, die ihrerseits erst in den späteren
Stadien des Prozesses befallen werden. Der Aortenb o g e n , besonders
die Gegend des Ductus Botalli und der Abgangsstellen der großen Arterien,
erkranktam frühesten und stärksten, dieAorta abdominalis ist in gleicher
Weise oder stärker befallen als die Thoracica descendens.
Das makroskopische Bild der Aortitis ist charakteri-
siert durch diè narbigen, grübchenartigen Einziehungen der
Innenfläche, die zu starker Wandverdünnung führen können
(Dölil Auspunzungen). Manchmal ist hier die Aortenwand
so sehr verdünnt, daß das Licht durchscheint. Oft wird der
Substanzverlust der Media auch durch schwielige Verdickungen
der Ad vent it i a, die mehrere Millimeter Stärke erreichen kann,
ausgeglichen. Neben suizigen Verdickungen finden sich Runzeln
und Falten der Intima, die weiter abwärts gewöhnlich einen
longitudinalen Verlauf nehmen, während sie an der Aortenwurzel
unregelmäßige, manchmal sternförmig konfluierende Figuren
bilden. Kalkeinlagerungen fehlen bei jugendlichen Personen
völlig, während man bei älteren sehr häufig eine Kombination
der syphilitiechen Aortenerkrankung mit der deformierenden
Endartoriitis mit ihren teils mehr krümeligen, teils mehr scholligen Kalkeinlagerungen findet. Die stärkst befallenen Teile
der Aorta, am frühesten die Aortenwurzel, sind gewöhnlich erweitert, die Abgangsstellen der Koronararterien vielfach verengt.,
nicht seIten eine derselben völlig verschlossen, während das
Gefäß in seinem weiteren Verlaufe von normaler Weite sein kann.
und keine Veränderungen seiner Wand erkennen läßt. Da der
Verschluß der Koronararterie allmählich eintritt, sind ausgedehnte Nekrosen des Herzfleisches selten; das Herz wird viel-
Bild der Aorteninsuffizienz.
Der Prozeß hat sieh an
seinem Lieblingsplatze, der Gegend des Kiappenringes, niedergelassen, die Aortenwurzel ist erweitert, die Sinus Valsalvae
bucklig vorgetrieben. Hierdurch und durch die beschriebenen
narbigen Retraktionen der Klappensegel entsteht Sehlußunfähigkeit der Klappen.
Das Symptomenbild der syphilitisehen Aorteninsuffizienz
stimmt im allgemeinen mit dem überein, das bei der auf poiyarthritischer Basis entstandenen Aorteninsuffizienz beobachtet
worden ist. Die letztere ist übrigens weit seltener als die
syphilitische, der etwa 80% der Fälle angehören.
Ich kann hier darauf verzichten, das so außerordentlich eindrucksvolle Bild dieses Klappenfehlers, das sich auch bei der Beobachtung mit
dem Röntgenschirme besonders charakteristisch darstellt, zu schildern, da es sich um eins der bestgekannten Kapitel der Herzpathologie
handelt.
Für die Differentialdiagnose der syphilitischen und der
polyarthritischen Aorteninsuffizienz kommen zunächst die Wa.R.
und die Anamnese in Frage, wobei jedoch zu beachten ist,
daß viele Syphilitiker Knochen- und Gelenkschmerzen gehabt
haben, die sie Rheumatismus nennen. Was die objektiven Verschiedenheiten betrifft, so ist zunächst die Hautfarbe zu beachten. Patienten mit einer leidlich kompensierten rheumatischen
Aorteninsuffizienz haben meist eine rosige Hautfarbe, die bei
Blonden so recht als Milch und Blut" erscheint. Der Syphilitiker ist, wie erwähnt, in der Regel gelblich-blaß, oft auch von
mehr grauer Hautfarbe, ohne daß eine Abnahme des Hämoglobins oder der Blutkörperehenzahl nachweisbar zu sein
braucht.
møhr durch kollaterale Zuflüsse von der anderen Coronaria
notdürftig ernährt. Im weiteren Verlaufe der Erkrankung
Recht hat Grau darauf hingewiesen, daß die Erscheinungen
bilden siph, ausgehend von einer besonders stark befallenen in denMit
peripherisehen Gefäßen bei der syphilitisehen Aorteninsuffizien.z
Stelle der Aortenwand, sackförmige Ausbuchtungen, die An- oft weniger ausgeprägt sind als bei der rheumatisehen. Die sichtbare
eurysmen, deren oft gewaltige Ausdehnung und wechselvolle Pulsation der Schlagadern, die Zelerität des Radialpulses, der KapillarGestalt Ihnen allen wohlbekannt ist. Sie sind meistens mit puls treten weniger stark hervor, des Duroziezsche Doppelgeräusch fehlt
dicken Lageü von Blutgerinnseln ausgekleidet, verdrängen die
Nachbarorgane und gehen mit diesen feste Verwachsungen ein.
Im nikokopisohen Bilde ioht man, daß die Adventitia
meistens ganz.
Grau gibt für dicaen Unterschied eine recht einleuchtende Erklärung: bei den Rheumatikern ist in kompensierten Fällen die Aorta
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6. M%rz 1913.
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSOHRIFT.
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Letzteres ist also keine Conditio sine qua non für die Entstehung von Pulsdifferenzen; diese können vielmehr durch die
syphilitische Entzündung der Aortenwand in der Gegend der
wirkt wie ein Windkessel, der die Extreme des Druekunterschieds zwischen Abgangsstelle der betreffenden Gefäße erzeugt werden, ohne
Systole und Diastole ausgleicht.
daß sich gleichzeitig größere Ausbuchtungen der Wand bilden,
Diesen Verhiiltnissen sowie der sehr allmählichen Entwickja, die Pulsdifferenz ist manchmal ein ziemlich früh auftretenlung der Ventilstörung Ist es auch wohl zuzuschreiben, daß viele des Symptom. Früher sprach man von einer Verspätung
syphilitisehe Aorteninsuffiieiiaen den Trägern zunächst wenig des einen Radialpulses gegen den anderen. Tatsächlich ist die
Beschwerden machen; manche von diesen Leuten wissen gar- Abschwächung das Wesentliche.
nicht, daß sie herzkrank sind. Oft bestehen nur allgemeine BeSie läßt sieh am besten dadurch feststellen, daß man kurz nacheinschwerden, leichte Ermüdbarkeit, geringe Kurzatmigkeit bei ander den Blutdruck in der rechten und linken A. brachialis nach RivaAnstrengungen mit leichtem Druckgefühl auf der Brust. Oft R o e ci mißt. Ist der Radialpuls einer Seite nicht fühlbar, dann bestimmt
wird die Aorteninsuffizienz tatsächlich nur als ein Nebenbefund man den Blutdruck mit einer Modifikation der Gärtnerschen Methode
erhoben; am häufigsten haben die Psychiater und die Neuro- Hand, Unterarm und der halbe Oberarm werden mit einer Gummilogen dazu Gelegenheit bei Untersuchung ihrer Paralytiker und binde stramm umwickelt; dann wird die y. Recklinghausensche Manschette
normal weit und normal elastisch; sie überträgt die durch die Herzarbeit erzeugten starken Druckschwankungen wenig vermindert auf die
Peripherie. Bei den Syphilitikern ist die Aorta fast stets erweitert; sie
oder es tritt nur zeitweilig auf; am besten ist es an dem sogenannten fünften Punkt nach tiefer Exspiration wahrzunehmen.
Bei Blutdruckbestimmungen vermißt man in leichteren
Fällen stets die Steigerung des systolischen Druckes, während
die Senkung des diastolischen Druckes (meistens auf
40-50 mm Hg) eines der frühesten und deshalb wichtigsten
Zeichen der Aorteninsuffizienz bildet.
Die dritte Gruppe der klinischen Erscheinungsformen der
Aortitis wird durch die Aortenaneurys men im engeren Sinne
gebildet, d. h. durch die Fälle, bei denen nicht nur eine zylindrische Erweiterung des Gefäßes, sondern eine sackförniige Ausbuchtung stattgefunden hat und diese durch die Beeinträchtigung der Nachbarorgane neue Symptomenkomplexe hervorruft. Tm Vordergrunde stehen hier die Periost- und Knochenschmerzen, die durch Usur am Sternum oder den Rippen, be-
umgelegt und in dieser ein den systolischen Druck der anderen Seite
übersteigender Druck erzeugt. Nun wird die Binde abgenommen und
der Druck in der Manschette langsam vermindert. Sobald die blasse
Extremität sich rötet, wird das Manometer abgelesen. Diese Zahl cntspricht dem Maximaidrucke der A. brachialis.
Von den Komplikationen der Aortitis sind die häufigsten diejenigen mit Ne r ve ne r kr an kungen , insbesondere mit
den syphilitischen und postsyphilitischen Erkrankungen des Zentralnervensystems, auf die oben schon kurz
hingewiesen ist.
Rogge und Ed. Müller beobachteten 24 Fälle der Kombination
von Aortenerkrankung mit tabischen Symptomen.
Dieser Zahl konnte
Strümpell 16 weitere hinzufügen. Lesser fand bei Durchsicht von
96 Sektionsprotokollen von Tabesfällen, daß 18 mal gleichzeitig ein
Aneurysma bestanden hatte.
Noch häufiger scheint nach Straub der Befund der Aortitis bei
Paralytikern zu sein. Reitter, Goldscheider, Stadler und Reinhold haben ein großes Material untersucht und fanden in einem ansehnlichen Bruchteile, durchschnittlich in etwa 25% ihrer Fälle, gleich-
sonders aber an der Wirbelsäule entstehen, weiterhin die zeitig syphilitische oder postsyphilitische Nervenerkrankungen.
Ich verfüge über 153 Fälle syphilitischer Aortenerkrankung,
Schmerzen, die durch Verschluß der Interkostalarterien bedingt sind ; es folgen die Kompressionen der Bronchien, die bei denen ein genauer Nervenstatus erhoben wurde.
Blutungen in den Bronchialbaum, die sich vom leichten ,,Zeichnen" des Aneurysmas bis zur tödlichen Blutung steigern können,
die Recurrenslähmung, das Schwächerwerden und Verschwinden
eines (meist des linken), in einem von mir beobachteten Falle
auch beider Radialpulse.
Die Diagnose der Aneurysmen stößt beim Nachweise eines
pulsierenden Tumors auf keine Schwierigkeiten, bei nicht wand-
ständiger Lage des Aneurysmas kann dieser Nachweis durch
ein pulsatorisches Hinabrücken des mit den Fingern gehobenen
Kehikopfes (Oliver-Cardarellisches Symptom) geführt werden.
Es fanden sich in 63 Fällen, also in über 40%, Erscheinungen, die
für eine syphilitische oder postsyphilitische Erkrankung des Nerven-
systems beweisend waren oder doch den Verdacht einer solchen erwecken
mußten. Als lediglich verdächtig sind 17 Fälle zu bezeichnen, bei denen
nur leichtere pathologischeVeränderungen der Pupillen, Pupillendifferenz,
auffallende Enge, Entrundung der Pupillen, nachweisbar waren. Die
einfache Pupillendifferenz ist ja bei Aneurysmatikern außerordentlich
häufig und wird meistens durch mechanische Schädigung des Sympathicus
im Brustraume erklärt.
Wirkung der Lues an.
Andere, wie Babinski, nehmen eine direkte
In 46 Fällen, also in 30% meines Materials, lagen beweisende
Alle übrigen diagnostischen Behelfe aber werden in den Schatten
Symptome für Nervenlues vor. 17 mal handelte es sich um ausgesprochene
die Hälfte aller vorhandenen Aneurysmen erst entdeckt wird.
Bei Heranziehung der beiden schrägen Durchmesser läßt sich
vor dem Röntgenschirme oft ein wirklich körperliches Bild des
Steigerung oder Abschwächung der Patellarreflexe, Erlöschen der Achillessehnenreflexe. Zwölfmal wurde ausgesprochene Tabes beobachtet,
Aneurysmasackes gewinnen.
Lues verzeichnet.
oder Lichtträgheit der Pupillen, sechsmal waren bei
gestellt durch die Röntgendurchleuchtung, durch die etwa Lichtstarre
normaler Pupillenreaktion Reile xano malien vorhanden, insbesondere
Nur zwei Abschnitte der Aorta sind der Besichtigung auf
dem Röntgenschirme nicht zugänglich. Der eine ist die
in vier Fällen lag progressive Paralyse vor, siebenmal ist zerebrale
Nächst den Nervenerkrankungen kommen ander weit j g e
Spätfolg en der Lues als Begleiterscheinungen der Aortitis
Aortenwurzel, die inmitten des Herzschattens gelegen vor. lin meinem Material sind nur die auffallenderen, klinisch
ist, der andere die Konkavität des Bogens, an der nur gröbere
Veränderungen im zweiten schrägen Durchmesser erkannt
werden können.
Diese drei Typen sind natiirlich keineswegs streng voneinander getrennt. Von einem zum anderen finden sich alle
Uebergänge, ganz besonders häufig sind Aneurysmen mit
Aorteninsuffizienz kombiniert; garnicht selten sind aile drei
vereinigt.
Von 157 Fällen, die längere Zeit beobachtet wurden, hatten keine
auskultatorisehen oder perkussorisohen Symptome, aber verdächtige
subjektive Beschwerden (Angina pectoris) bei positiver Wa.R., teilweise
auch einen suspekten Röntgenbef und 14 = 9%. Aorteninsuffizienz
ohne Aneurysma war in 78 Fällen = 50%, Aorteninsuffizienz mit
Aneurysma in 46 Fällen = rund 29% vorhanden. In mäßigem Grade
zylindrisch erweiterte Aorten wurden nicht als Aneurysmen gerechnet.
Reine Aneur ys men ohne Aorteninsuffizienz wurden in 19 Fällen = 12%
gefunden.
Pulsdifferenzen sind in 36 Fällen notiert, 25 mal war der rechte
Puls stärker als der linke, in 21 dieser Fälle lagen Aneurysmen vor.
Elfmal war der linke Puls stärker als der rechte, bier war achtmal Aneurysma vorhanden.
bedeutsamen Manifestationen der Lues verzeichnet und abgelaufene Prozesse, Narben, Hodenschwielen und dergleichen
nicht berücksichtigt.
So sind dreimal Hautgummen beobachtet worden, einmal zugleich
mit Knochengummen, ein zweites Mal mit schwerer paroxysmaler Hämoglobinurie; Leberlues und Chorioiditis sind je einmal notiert; ein Patient
ging an einer Trachealstenose zugrunde, die nach Abheilung einer Gummigeschwulst zurückgeblieben war. Amyloidentarturig der Mils und der
Nieren fanden sich bei unseren Sektionen ziemlich häufig.
Der Krankheitsverlauf und Ausgang der Aortitis ist
abhängig einerseits von der Schädigung der Kreislaufsorgane,
anderseits von der Malignität des syphilitiseben Virus. Went
sich der Krankheitsprozeß in der Aortenwand, unbeeinflußt
durch eine spezifische Therapie, weiter entwickeln kann, dann
tritt in der Regel unter zunehmenden Kreislaufsstörungen der
Tod ein. Die Aortiker streben meistens schon 1/2_1 Jahr
nach Beginn der subjektiven Krankheitssymptome; sie kommen
leider meist erst zum Arzte, wenn bereits erhebliche Hrzbeschwerden und Stauungen bestehen.
Ueber Prognose und Ausgang der Aortitis darf ich einige
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Tabiker.
Sogar das diastolisehe Geräusch, das unentbehrliche Kennzeichen der Aorteninsuffizienz, ist manchmal kaum hörbar.
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Zahlen mitteilen. Ich scheide dabei die seit dem 1. Januar 1912 in
unsere Beobachtung getretenen Fälle aus, weil iiber deren Verlauf erst die Zukunft eine Entscheidung bringen kann. Aber
auch über die seit einem Jahre und länger beobachteten Fälle
ist ein endgültiges Urteil noch nicht möglich, wie schon die
Unterschiede in der Mortalität der einzelnen Jahrgänge erkennen lassen. Wenn wir den Zugang nach Jahren gruppieren,
ergibt sich folgendes Bild:
Tabelle 2.
davon lebtenSchicksal
.
P a ien
en am 1. Nov. 1912
Zugang 1909 (und früher) 33
5
1910
1911
lnsgesJmt
unbekannt
-
2
26
47
60
13
3
31
27
2
31
140
45
7
88
Steeblichkeit
= 840/
= 70/,
= 53'i
=
Danach sind also / meiner Aortiker bereits gestorben.
und von dem überlebenden Drittel wird noch eine ganze Anzahl nachfolgen.
Die oben aufgestellten klinischen Gruppen hinsichtlich ihrer
Prognose gesondert zu betrachten, ist von nicht geringem
Interesse.
Wenn ich aus obigen 140 Fällen diejenigen ausscheide, die gleich
nach der Aufnahme starben, ferner die, deren Schicksal unbekannt ist,
62%. Vois diesen hatten
dann bleiben 118 Fälle mit 74 Todesfällen
sechs keine Aorteninsuffizienz und kein Aneurysma; es waren Fälle von
Aortitis un engeren Sinne mit stenokardischen Beschwerden, Röntgen-
befund und positiver Wa.R. Von diesen starben bisher 2, was einer
Mortalität von 33% entsprechen würde, wenn man so kleine Zahlen
iiberhaupt gelten lassen will. Immerhin umfaßt diese Gruppe die i n i tialen Fcklle, und es ist begreiflich, daß sie bei unserer begreno'.ten Beobachtungsdauer günstiger dasteht als die anderen Gruppen.
Zur Gruppe derreinenAorteninsuffizien-i. gchörten64Patienteni.
von denen 40 verstorben sind - : 62,5°/h.
Das Bild der Aortoninsuffizienz mit Aortenaneurysma
boten 34 Patienten, von denen 23 gestorben sind
-
67,6%.
An Ancurysma ohne Aortenfehler litten 14. von denen 9
verstorben sind = 64,3%.
Diese Zahlen geben natürlich nur ein sehr ungenaues Bild
der wirklichen Verhältnisse ; bei einer Krankheit, deren Anfangs-
stadien fast nie zur Beobachtung gelangen und deren Ende,
d. h., bei den bisher günstig verlaufenden Fällen deren Heilung
ebenfalls nicht sicher festgestellt werden kann, muß man sich
hüten, aus einer solchen rohen Statistik weitgehende Schlüsse
zu ziehen. Bessere, beweiskräftigere Zahlen werden vielleicht
in einigen Jahren beigebracht werden können Immerhin ist
bemerkenswert, daß nach dem gegenwärtigen Stande unserer
Erfahrungen die einfache Aorteninsuffizienz keine wesentlich
günstigere Prognose bietet als die Aorteninsuffizienz mit
Aneurysma und als das Aneurysma allein.
Die nächstc Todesursache war in 14 obiger 88 Todesfälle nicht zu ermitteln, da diese Patienten außerhalb des
Krankenhauses längere Zeit nach Austritt aus unserer Behandlung verstorben sind.
5 von den verbleibenden 74 Kranken starben ass Komplikat ionen, die mit der Aortitis nicht in ursächlichens Zusammenhange
standen. In sieben Fällen bildeten allerdings Tabes, Lues cerebri und
andere Folgezustände der Syphilis die Todesursache, Affektionen, die
gewissermaßen als Geschwister der Aortitis anzusehen sind. Zwei
Patienten starben an Tuberkulose, zwei an Karzinom, je einer an Pneumokokkensepsis, an Suizid, an Colitis haemorrhagica, deren Aetiologie, da
Patient kein Quecksilber bekommen hatte, dunkel blieb. Ein Kranker,
ein von vornherein schwerer Fall, erlag einer septischen Phlebitis, die sich
an eine intravenöse Salvarsaninjektion anschloß.
Die übrig bleibenden 59 Patienten starben an der Aortenerkrankung
selbst. In neun Fällen trat der Tod ein infolge Ruptur eines Aneurysmas,
fünfmal im sten okardischen Anfalle. Diesen plötzlichen Todesfällen
stehen gegenüber 33 Fälle, in denen zunehmende Kreislaufsschwäche
mit Stauungszuständen verschiedenster Art, oft auch mit Lungeninfarkten, allmählich zum Tode führtem In sieben Fällen standen Erscheinungen vonseiten der Atmungsorgane im Vordergrunde; die Trachea
oder ein Hauptbronchus war durch das Aneurysma komprimiert, eitrige
Bronchitiden und pneumonische Prozesse hatten sich angeschlossen.
Von den selteneren Ausgangsformen der Aortitis sind noch
erwähnenswert zwei Fälle von Dar mgangrän auf embolischer Grundlage und zwei Fälle von Entkräftung nach langdauernden, qualvolleis
Knochenschmerzcn. Nur einer unserer Fälle ging urämisch an
einer schnell sich verschlimrnernden Nephritis zugrunde.
Wir sehen also eine große Mannigfaltigkeit von teils plötz-
lichen, teils nach längerem Krankenlager eintretenden Aus-
Nr. 10
gängen; im allgemeinen ist das Bild tribselig, und man weiß
nicht, wen man mehr bedauern soll, den schnell Dahingerafften
oder den zwischen Besserungen und Verschlechterungen,
zwischen Furcht und Hoffnung langsam Dahinsiechenden.
Die Leistungen unserer Behandlung der Aortenerkrankungen erscheinen, wenn man die genannten Sterblichkeitszahlen auf sich wirken läßt, in recht ungünstigem Lichte. Und
doch würde man der antisyphilitischen Therapie Unrecht tun,
wenn man ihr nicht einen ganz erheblichen Einfluß auf die
Aortitis zubilligen wollte, wenn diese auch ebenso wie bei anderen
Spätformen der Lues keineswegs so durchschlagend ist
wie bei frischer Syphilis. Die Verhältnisse liegen ähnlich wie
bei den syphilitischen Erkrankungen des Nervensystems, z. B.
der Meningitis gummosa, wo nur energische Kuren, und auch
diese meist erst nach wiederholter Anwendung, zum Ziele
führen und wo die vor Beginn der Behandlung durch den
Krankheitsprozeß zerstörten, physiologisch hochwertigen Ge-
webselemente durch keine noch so vollkommene Therapie
wiederhergestellt werden können. Eine aneurysmatische Ausbuchtung der Aortenwand, ein verdicktes und geschrumpftes
Klappensegel sind einer Regeneration ebensowenig zugänglich
wie ein atrophischer Sehnerv. So müssen sich, wenn einmal
schwere Veränderungen eingetreten sind, unsere therapeutischen
Bestrebungen darauf beschränken, weiteren Verschlimmerungen
vorzubeugen, und dieser Aufgabe wird die Therapie, wenn der
Patient die nötige Geduld und Ausdauer hat, im allgemeinen
gewachsen sein.
Diese unentbehrliche Voraussetzung, daß nämlich der
Patient sich von dem bedrohlichen Charakter seines Leidens
rechtzeitig überzeugen und sich hinreichend lange und grundlich behandeln läßt, trifft leider heute noch in sehr vielen Fällen
nicht zu. Noch allzu häufig, ja geradezu typisch ist der Fall,
daß ein Patient mit dekompensierter Aorteninsuffizienz zur
Aufnahme kommt. Das Röntgenbild ergibt eine erweiterte
Aorta, die WaR. ist dreifach positiv; unter Karell, Digitalis
und Bettruhe tritt Kompensation ein, die antisyphilitisehe Behandlung beginnt. Schon vor Vollendung der ersten Kur aber
geht der Patient ab, weil er sich völlig wohl fühlt und von Naturheilfreunden vor dem Hg bange gemacht wird ; einige Wochen
oder Monate später erscheint er wieder und ist dann meist in
einem Zustande unrettbarer Verschlimmerung, manchmal geradezu sterbend.
Um meine Todesfälle hinsichtlich der Therapie
kritisch zu betrachten, muß ich nicht nur die außerhalb
des Krankenhauses Verstorbenen und die an Komplikationen
Verstorbenen abziehen, sondern muß auch die innerhalb weniger
( acht) Tage nach der ersten Aufnahme zum Exitus gekommenen
Patienten ausscheiden, da bei diesen von einer einigermaßen
wirksamen Behandlung der Grundkrankheit nicht wohl gesprochen werden kann. Außerdem lohnt es nicht, solche Fälle
in die Betrachtung einzubeziehen, bei denen bereits so tiefgreifende Organveränderungen bestanden, daß ein Einfluß der
Behandlung vernünftigerweise nicht mehr zu erwarten war.
Mein so gesichtetes Material von 29 Todesfällen teile ich in zwei
Gruppen: die erste enthält 15 Fälle, die nur völlig ungenügend antisyphilitisch behandelt werden konnten; die zweite umfaßt 14 Fälle, bei
denen mindestens eine regelrechte Schmierkur durchgemacht war oder
antisyphilitische Mittel längere Zeit innerlich gegeben werden konnten.
Der Zeitraum vom Beginn unserer Beobachtung bis zum Tode der Patienten betrug bei der ersten Gruppe durchschnittlich 61/3 Monate, bei der
zweiten 1 jahr 2/ Monate, also mehr als das Doppelte.
Noch überzeugender zeigte sich der Einfluß der Therapie
naturgemäß bei der Betrachtung der bis jetzt günstig verlaufenen Fälle.
Unter den bis Ende 1911 in Behandlung genommenen befinden
sich nur wenige, bei denen die Krankheit von vornherein keine Neigung
zum Fortschreiten zeigte. Daß es solche gutartigen Fälle von Aortitis
tatsächlich gibt, bezweifle ich nicht, wenn sie mir auch wesentlich seltener
zu sein scheinen als z. B. stationäre Tabesfälle. Bei meinen Patienten
hatten sich die meist sehr erheblichen Beschwerden gleichzeitig mit den
objektiven Erscheinungen der Krankheit in verhältnismäßig kurzer Zeit
verschlimmert und schienen schnell weiter zuzunehmen.
Wenn ich diese Krankengeschichten überblicke ---- es handelt
sich um 46 Patienten - so ist ihr Zustand um so günstiger,
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6 Marz 1913.
DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHJIifT.
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je energiseher und je nachhaltiger sie antisyphilitisch in 13 unserer Fälle durch die Behandlung beeinflußt. Zweimal
zahl von Todeskaic1idaten darunter , so z. B. Paralytiker und
manche andere mit irreparablen Störungen, aber doch auch eine
ganze Reihe von Patienten, die in ihrem bürgerlichen Berufe
seit Jahren voll tätig sind, teilweise sogar körperliche Arbeit
leisten und fast gänzlich beschwerdefrei sind. Darunter befindet sieh z. B. ein 51 jithriger Arbeiter, der mit schwerem
Lungenödem aufgenommen wurde und jetzt dauernd arbeits-
fähig ist, ein 38jihriger Kaufmann, bei dm der seit Jahren
unfühlbare linkseitige Radialpuls nach mehrfachen Kuren
sich wieder hergestellt hat, und eine ganze Anzahl von Patienten,
deren blasses, kränkliches Aussehen sich in ein blühendes ver-
wandelte, deren schwer geschädigtes Myokard sich in überraschender Weise erholte.
Was die Art der von uns geübten Therapie betrifft,
so läßt sich da kein Schema aufstellen. Die grundsätzlich in
die erste Linie zu stellende Schmierkur war nur in einer
Minderzahl unserer Fälle verwendbar, da die meisten Patienten
im Zustande schwerer Stauung mit Oedemen und Ergüssen
zur Aufnahme kamen. Auch nach Behebung der Stauungen
sind hier Einreibungen zunächst nicht zweckmäßig. Die Jodbehandlung allein führt offenbar nur bei langem Gebrauch
sehr großer Dosen, die die meisten Menschen nicht vertragen,
zum Ziele ; die so gebräuchlichen kleinen Gaben von Jodkalium
sind meist wertlos.
Ilöfler in Tölz, ein gewiegter Kennei der ipätIues, besehrLnkt
gegenwaitig, wie Erfahrungen an meinen hingesandten Patienten mich
gelehrt haben, die kombinierte Tölzer Jodbehandlung auf die Fälle mit
negativer WaR. ; ist die Wa.R. positiv, dann fügt er Quecksilber hinzu.
In den unter unserem Material so häufigen Fällen, in denen
Inunktionen nicht anwendbar waren, haben wir meist die alte
Ricordsche Zusammenstellung aus Hydrargyrum bijodatum
und Natrium jodatum gegeben, teils als Mixtur, neuerdings
mit Vorliebe in Form der Pohischen Geloduratkapseln. Bei der
Geringfügigkeit der Hg-Dosen ist ein um so längerer Gebrauch
nötig. Wenn das Mittel gut vertragen wird, sollte man es, wie
Oigaard mit Recht empfiehlt, gleich zu Anfang der Behand-
lung drei Monate hintereinander gebrauchen lassen.
Injektionen von Hg-Salzen sind aus demselben Grunde
wie die Inunktionen für das Gros unserer Patienten nicht besonders geeignet. In ausgewählten Füllen haben wir sie verwendet meist in Form der Vasenolemulsion von Hydrarg. saucy].
(Injektion Köpp).
An die Hg- und Jodbehandlung haben wir bei widerstandsfähigen Patienten mit Vorliebe die altbewährte Z itt mann kur angeschlossen, meist mit bestem Erfolge.
Was das Salvarsan betrifft, so ist die Zahl unserer Injektionen zwar nicht gering, aber wir sind doch noch weit ent-
fernt davon, über abschließende Erfahrungen berichten zu
können. Zunächst kann man nach Ehrlichs Warnung das
Mittel schwerkranken Aortitikern überhaupt nicht geben,
und auch bei den gut kompensierten Fällen ist Vorsicht geboten;
kleine Dosen
0,2 bis 0,4 - sind daher von uns selten überschritten worden. Auch hie;lten wir uns nicht für berechtigt,
den Patienten neben dieser notgedrungen abgeschwächten
Salvarsanbehandlung andere bewährte Mittel vorzuenthalten.
So liegt meist eine gemischte Behandlung vor, deren Erfolg
oder Mißerfolg man nicht wohl auf eines der verwandten Mittel
zurückführen kann. Immerhin haben wir in vereinzelten Fällen,
in denen sowohl Quecksilber wie Jod nicht vertragen wurde
und in denen keine starken Kreislaufstorungen bestanden,
unzweifelhaft günstige Wirkungen gesehen, sodaß wir das Mittel
nicht missen möchten. Der oben erwähnte Unglücksfall
(Phlebitis nach intravenöser Injektion) gehört in die jetzt
längst überwundene Periode der noch unentwickelten Technik.
Merkwürdig gering war in unseren Fällen die Wirkung
der Behandlung auf die Wa.R., die allerdings in unserem
Serologischen Institut von dem Kollegen Jacobs t h a 1 neuerdings so verfeinert ist, daß ein negativer Ausfall bei einem früheren Syphulitiker
meine Erfahrungen beziehen sich nur auf
tertiäre Lues --- kaum noch vorkommt, auch wenn er einer
konsequenten chroniach-intermittierenden Behandlung unterzogen war. Die alte, in der Wärme angestellte Wa.R. wurde
wurde sie endgültig negativ, sonst nur abgeschwächt oder
schwankend.
Ohne auf die Würdigung der Wa.R. hier einzugehen,
möchte ich doch meine persönliche Ansicht dahin präzisieren,
daß ich keinen Syphilitiker, der beim Eintritt in die Behand-
lung eine positive Wa.R. gehabt hat, für wirklich gesichert
halte vor neuem Fortschreiten seiner Krankheit, ehe nicht eine
dauernd negative Wa.R. bei ihm erreicht ist. In der Praxis
muß man auf diesen endgültigen Erfolg oft jahrelang warten;
oft wird man ihn überhaupt nicht erreichen können und muß
sich damit begnügen, den manchmal sehr unsteten Kranken
so viele Kuren zu verordnen wie möglich. Augenblickserfolge
zu erlangen, ist auch hier leicht, Dauererfolge schwer.
Die Aussichten für eine erfolgreiche Behandlung dieser
quälenden und mörderischen Krankheit werden sich ganz wesent-
lich bessern, wenn die Aerzte sie allgemein besser kennen und
friiher erkennen als bisher und wenn der Patient einer corn -
munis opinio der Aerzteschaft über die Schwere der
Krankheit und die Notwendigkeit energischer, Monate
und Jahre erfordernder Behandlung gegenübersteht. Jetzt werden noch allzuviele Aortiker als ,herzleidend"
,
bezeichnet und nach Nauheim gesandt oder mit Tonica
be-
handelt, his die Katastrophe hereinbricht. Bei jedem an Angina
pectoris leidenden Patienten unter 50 Jahren, bei jedem mit
Aorteninsuffizienz behafteten Patienten muß baldigst die
Aetiologie durch Anstellung der Wa.R. geklärt werden. In
der übergroßen Mehrzahl der Fülle wird die Reaktion positiv
ausfallen und der Therapi einen sicheren Weg weisen, von dem
der Arzt seinen Patienten nicht abirren lassen darf.
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