Kolke und Strudeltöpfe Eine typische Erosionsform, welche schalenähnliche Vertiefungen im Gestein hinterlässt, entsteht im fliessenden Wasser, in Flüssen, Wildbächen und unter Gletschern. Das Wasser führt Sand und Geröll mit sich und wird durch Unebenheiten und Hindernisse der Wände und des Bodens zum Strudeln gebracht. Der im Wasser vorhandene Sand entsteht als körniger Zerfall der Gesteinsoberfläche, wenn Wasser in die Grenzflächen zwischen die Mineralkörner des Gesteins eindringt und durch Frostverwitterung Körner aus der Oberfläche herauslöst. Sand und Feinkies erodieren in diesen Studeln die Sohle und die Wände des Fliessgewässers und hinterlassen durch Evorsion 1) Vertiefungen und Löcher, welche Kolke (Kolk, Auskolkung, Kolkloch, Strudelnische) genannt werden. Kolke, die an der Sohle und am Rand von Gletschern durch das unter hohem Druck und mit hoher Geschwindigkeit Fig. 1 Gletscherkolk fliessende Schmelzwasser auf häufig plangeschliffenen Felsplatten und Felswänden entstehen, heissen Gletscherkolke (Fig. 1). Ihr ‘Durchmesser’ reicht von einem bis zu 20 und mehr Zentimetern. Wenn oberflächliches Schmelzwasser in spiralförmig strudelnden Löchern durch den Gletscher abfliesst (siehe dazu das beeindruckende Foto einer Gletschermühle auf dem Unteraargletscher), erzeugen sie in der Felsunterlage grosse Strudeltöpfe, die man als Gletschertöpfe kennt und die oft selbst Gletschmühlen genannt werden. Gletschertöpfe messen im Durchmesser von einigen Dezimetern bis zu mehreren Metern und können bis zu 15 m tief in den Felsen hinabreichen. Gletscherkolke gibt es überall in ehemals vergletscherten Gebieten. Gut erhalten, auffällig und gut sichtbar sind Kolke auf ebenen Felsplatten der durch Metamorphose entstandenen Gesteine (Gneise). Viele dieser Vertiefungen sind unregelmässig. Die einseitig oder allseitig nach unten ‘bauchig’ ausgeweiteten Löcher (Fig. 4 und 7) machen häufig den Eindruck, als sei das Gestein ‘ausgewaschen’. Oft sind die Kolke wie Perlen an einer Schnur aufgereiht (Fig. 2). Das in ihnen verbliebene Wasser dringt in die feinen Risse des Gesteins ein, gefriert und verursacht fortgesetztes Verwittern und eine Vergrösserung der Vertiefung. Dabei kann das Auswittern der inhomogenen Struktur des Gesteins folgen und halbkugelförmige ‘Schalen’ hinterlassen, die den Eindruck erwecken, anthropogen 2 ) zu sein. Wenn zudem Wasser während Jahrhunderten über die geneigten Gesteinsoberflächen und die Kolklöcher hinweg fliesst, werden die Vertiefungen geglättet und die Kanten abgetragen, so dass sie wiederum den Eindruck anthropogener Schalen erwecken können, die bekanntlich entweder mit einem ‘Meissel’ aus Stein gepocht (Fachwort für ‘geklopft’) oder mit einem Spitzhammer oder Metallmeissel ‘gepickt’ werden. Fig. 2 Gletscherkolke als ‘Perlenschnur’. Objektiv-Ø 6 cm. Cröis, oberhalb Vogorno TI 1 2 Die heutige Fliessrichtung des Wassers in der Falllinie der Felsoberflächen ist oft nicht identisch mit der ehemaligen Fliessrichtung des Gletschers. Dies führt dazu, dass sich die Kolklöcher auf der Felsoberfläche schief zur Falllinie folgen können oder horizontal an fast vertikalen Felsflächen am ehemaligen Rand des Eises verlaufen (Fig. 5). Gesteinsaushöhlung durch Wasserstrudel, frz. érosion tourbillonnaire en courant violent vom Menschen künstlich gemacht Im Inventar SSDI dokumentierte Orte mit Gletscherkolken und Kolken in fliessenden Gewässern, die die Grösse künstlicher Schalen haben 1983.12 Evolène VS 3901.02 Zwischbergen VS 3956.04 Saas Almagell VS 6513.04 Monte Carasso 6612.03 Ascona TI 6632.32 Vogorno 6634.13 Brione Verzasca TI 6683.01 Cerentino TI 6713.08 Malvaglia TI 6747.05 Chironico TI 6958.B.12 Capriasca/Bidogno TI Pas de la Mule im Bach oberhalb Villa Zwischbergen/Gondo, Schwarzi Balma und Ze Seewe Moosberg, oberer Brunnenböim auf der Alpe Albagno oberhalb Bellinzona mit Dutzenden von ‘Schalen’ auf dem Hügel Balladrume oberhalb Ascona mit Dutzenden von ‘Schalen’ Ciöss. Grosse Felsplatten mit Hunderten von ‘Schalen’ Cresta della Föpia. Schalenstein mit 11 Kolklöchern Cresta oberhalb Bosco Gurin, ‘im Torli' mit Hunderten von Schalen in der Zone Cadabi auf der Alpe Sponda südlich des Pizzo Forno mit Tausenden von ‘Schalen’ Capriasca/Bidogno, Pian Sotto 7132.24 Vals GR oberhalb der Läntahütte am Zervreilahorn, 2615 m.ü.M. Typische Formen der natürlichen ‘Gletscherkolk-Schalen’ im Gneis Die Schalen befinden sich meist auf leicht geneigten Oberflächen des anstehenden Gesteins, manchmal auch auf ebenen Flächen. Sie sind manchmal kreisrund, meistens aber leicht elliptisch und oft ‘ausgeschwänzt’, ihre Grösse variiert von 3 cm bis 15 cm Durchmesser. Der Querschnitt der Schalen ist in einigen Fällen sphärisch-flach, meistens sind die Schalen aber auf der Seite des ehemals einfliessenden Wassers (meist bergseits) bauchig erweitert und haben oft einen ebenen Boden. Je stärker der Fels geneigt ist, desto eher bekommt man den Eindruck, dass fliessendes Wasser für die Entstehung der Schalen verantwortlich ist, weil die Schalen auf der tiefern Seite oft einen weniger steilen Rand haben oder horizontal auslaufen. Fig. 3. Form der Schalen auf geneigten Felsoberflächen, z.B. in Bosco Gurin TI oder Vogorno TI. Die nach unten bauchig erweiterte Form der Schalen ist der Frostsprengung zu verdanken. In der wassergefüllten Schale trocknen zuerst die Ränder ab. Das im unteren Teil der Schale verbleibende Wasser dringt in die Grenzflächen das kristallinen Gefüges des Gesteins ein und lockert durch die Ausdehnung beim Gefrieren die Mineralkörner, wobei die Wirkung an der zuerst gefrierenden Wasseroberfläche am stärksten ist. Ausserdem können im Wasser, das in den Schalen liegt, organische und anorganische Säuren aus dem umgebenden Humus wirken. Diese Verwitterungsmechanismen haben zur Folge, dass vorhandene Gletscherkolke und Vertiefungen bauchig erweitert werden. Fig. 4. Typische Form von horizontal liegenden Schalen z.B. am Pizzo Forno, Chironico TI. Bilder Fig. 5 Schalen in einer Reihe (‘Perlenschnur’) an der Felswand, 3 cm Ø. Oberer Brunnuböim, SaasAlmagell VS Foto Thomas Burgener, Saas-Grund Fig. 7 ‘Schalen’ auf der Alpe Sponda oberhalb Chironico TI Fig. 6 Kolklöcher auf dem Hügel Balladrume (mit prähistorischer Fluchtburg) oberhalb Ascona TI Fig. 8 Typische Geomorphologie mit Gletscherkolken Fig. 9 Typische Kolklöcher, die teilweise wie anthropogene Schalen aussehen. Cresta, Cerentino TI Alpe Sponda, Chironico TI Fig. 10 Schalenstein mit 11 Kolklöchern Cresta della Föpia, Brione (Verzasca) TI Foto Silvan Blok Fig.11 und Fig. 12 Kolklöcher (‘Schalen’ und ‘Fussabdrücke’) oberhalb der Läntahütte am Zervreilahorn, 2615 m.ü.M., Gemeinde Vals GR. Fotos von Ernst Johner, Romanshorn Kolklöcher und Schalensteine Wenn man Felsoberflächen und Felsblöcke mit Kolklöchern betrachtet, so denkt man unwillkürlich an Schalensteine und findet sie in Listen zusammen mit anthropogen bearbeiteten Felsbildern und Schalensteinen. Im bekannten 1950 als Schrift des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Schweiz erschienenen Verzeichnis ‘Les Mégalithes de la Suisse’ sind auch die ‘Schalen’ der Alpe Sponda (Chironico TI) und von Cresta oberhalb Bosco Gurin (Cerentino TI) aufgeführt, welche zweifellos natürlichen Ursprungs sind. Im Schweizerischen SteindenkmälerInventar SSDI sind diese und andere Schalen ebenfalls aufgeführt mit der Bemerkung ‘sicher oder wahrscheinlich natürlich entstanden’ (Skala 1 oder 2). Es ist durchaus denkbar, dass einige der als anthropogen gemeldeten aber nicht überprüften Schalensteine des Inventars (Skala 3 oder 4) ebenfalls zu den Steinen mit Kolklöchern zu zählen sind. Im Gebiet der Alpen gibt es auch in benachbarten Ländern Felsoberflächen mit Kolklöchern, deren Vertiefungen irrtümlicherweise der Entstehung durch die Einwirkung des Menschen zugeschrieben werden. Bekannt sind mir die wiederholt zitierten Schalensteine am unteren und oberen Bockhartsee im österreichischen Pongau südlich von Salzburg, die mit ‘Kultplätzen’ in Verbindung gebracht werden, bei denen aber keine Zweifel über die natürliche Entstehung der Vertiefungen bestehen. Auch die 1991 entdeckten mystifizierten Schalensteine des ‘Rocce Re’ im Piemont (Roccabruna I) sind ohne Zweifel Kolklöcher. Auch diese Steine werden als ‘pietre sacrificale’ bezeichnet. Herumliegende Quarzitkristalle sollen für die Herstellung der Schalen verwendet worden sein, was auf der eindrücklich gestalteten Website der Associazione Amici del RocceRe mit Experimenten fotografisch dokumentiert wird. Immerhin wird eingeräumt, dass die Geologen den anthropogenen Ursprung der Schalen nicht beweisen können (‘Per il geologo risulta ovviamente impossibile attestare l’origine antropica delle coppelle’). Weitere Fotos dieser Kolklöcher (u.a. eine ‘Perlenschnur’) finden sich auf der Webseite der Gemeinde Roccabruna. Links zu Seiten über ‘Gletschertöpfe’ Zermatt VS Gletschergarten Dossen oberhalb von Furi (1'953 m.ü.M.). Grösster Gletschergarten der Schweiz Luzern LU Gletschergarten Luzern Maloja GR ‘Gletschermühlen’ beim Torre Belvedere mit 36 Gletschertöpfen Poschiavo GR Gletschergarten Cavaglia Gletschertöpfe im Ausland Gommern Norddeutschland Chiavenna Torbole am Gardasee Gesteinsgarten Marmitte dei Giganti mit vielen Felszeichnungen in der Umgebung Marmitte dei Giganti Bemerkung zum Begriff Kolk Als Kolk oder Moorauge werden auch Wasseransammlungen inmitten eines Moores bezeichnet. Kolke entstehen am Meer auch durch Ausspülungen nach einem Deichbruch und heissen dann Bracks. Strömungen in Flüssen bilden Kolke an Brückenbauwerken, was Massnahmen beim Bau solcher Bauwerke erfordert.