ERCO Lichtbericht 26

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E
Erschienen im März 1987
Zwischen Dom und Rhein, nach
dem Krieg ein Omnibus -bahnhof, ist heute ein pracht -voller
Platz mit dem Wallraf- RichartzMuseum/Museum Ludwig entstanden. Wo einstmals Autos
gelärmt und die Fußgänger vom
Fluß abgeschnitten haben, lädt
heute ein 600 m langer und 50
m breiter Park zum Flanieren
ein, der Hauptbahnhof, Dom, Altstadt und Rhein verbindet.
Lichtbericht 26
Inhalt
Zu diesem Heft
Ein Technorama für
Erfindungen
La Villette, Paris
Der Deutschen Bank bestauntester Arbeitsplatz
Das Paradies der Damen
Kunsthalle Emden
Nannens Spätwerk
Im Lichte der bürgerlichen Dämmerung
Shop Design für
Katharine Hamnett
Die Architektur nach
Foster, Rogers und
Stirling
Wallraf-Richartz Museum/
Museum Ludwig, Köln
Schlußlichter
Zu diesem Heft
1
2-7
8-10
11-13
14-15
16-19
20-21
22-25
26-31
32-33
Fotos: Luc Bernard (U1, S. 26/27), Heiner Blum (S. 14/15),
Richard Bryant (S. 20-25), Lars Christ/ERCO (S. 32/33),
Andreas Horlitz (S. 11-13, 33, U4), Marc lzikowitz (S. 2-7,
28-31), Annegret Koch (S. 16-19), Timm Rautert (5. 1),
Horst Weisser (S.14).
Martin Pawley, Architekturkorrespondent
des Guardian, setzt sich auf den Seiten 22
bis 25 mit den Stars der britischen Architekturszene - Stirling, Rogers und Foster auseinander, die sich auf einer Ausstellung in der Royal Academy in London
präsentierten.
Seine Haltung ist kritisch und vieles,
was er über die britische Architekturszene
sagt, läßt sich sicherlich auf deutsche Verhältnisse übertragen.
Die Ausstellung selber war ein riesiger
Erfolg, der alles, was bisher an Architektur ausstellungen gezeigt wurde, übertraf.
Irgendwie scheint Architektur beim
Publikum „in“ zu werden. Daraus den
Schluß, zu ziehen, daß Bauherren sich in der
Zukunft vom profanen Nutzungsdenken hin
zu einer selbstbewußten und angemessenen Selbstdarstellung entwickeln
werden, dürfte allerdings zu optimistisch
sein. Das wäre nun doch zu schön, um wahr
zu sein.
Martin Pawley favorisiert in seinem
Artikel ganz eindeutig Architekten wie
Foster und Rogers, da er in deren Architekturkonzeptionen die wichtigsten Anregungen für die Weiterentwicklung des „Projektes der Moderne“ sieht.
In Frankreich wurden zwei Museen im
letzten Jahr ihrer Bestimmung übergeben,
die die unterschiedlichen Positionen der
Architektur heute markieren. Das eine, heftig kritisiert, vielfach verrissen und nur von
wenigen gelobt, ist Gae Aulenti‘ s Musée d‘
Orsay. Das andere, Publikums -liebling vom
Start weg, die Cité des Sciences et de l´
Industrie an der Porte de la Villette, das wir
in diesem Heft vorstellen.
Mit Milliardenbeträgen legt sich Paris
zur Zeit eine Reihe neuer Museen zu, die
der kulturellen Hauptstadt des 19.Jahr-hunderts helfen sollen, verlorengegangenes Terrain wieder zu gewinnen, denn der kulturelle
Fokus ist im 20. Jahrhundert auf New York
gerichtet.
Aber auch Nordrhein-Westfalen ist für
die bildende Kunst ein Standort von hohem
europäischen Rang geworden. Eine Fülle
von Museen wurde hier in den letzten Jahren eröffnet wie sonst in kaum einer anderen Region auf der Welt. Jüngster Stern im
Collier der nordrhein-westfälischen
Museumslandschaft ist das Doppelmuseum
Wallraf-Richartz/Museum Ludwig in Köln,
das wir ebenfalls in diesem Heft zeigen und
das innerhalb weniger Monate nach seiner
Eröffnung der Staatsgalerie Stuttgart den
Rang in der Gunst der Besucher abgelaufen
hat. Vorausgesetzt, man erkennt
Besucherzahlen als Maßstab für die Qualität
eines Museums an.
Ab und zu wird der Vorwurf erhoben,
wir würden im Lichtbericht zu viele Museen
zeigen. Nun sind Museen zum einen immer
sehr spektakulär, zum anderen der Ort, an
dem Beleuchtung am sensibelsten eingesetzt werden muß. Im Museum kann die
Qualität des Lichtes von jedermann
überprüft werden, was bei Privathäusern
oder Innenräumen meist schwieriger ist.
Wie auch immer, in diesem Heft werden neben Museen auch Schaufenster beleuchtung (Kaufhof, Düsseldorf) und ein
Modegeschäft (Katharine Hamnett, London)
vorgestellt, die beide mit Niedervolt-Strahlern aus dem Oseris- Programm beleuchtet
wurden.
Lichtbewußtsein ganz anderer Art wird
unter dem Titel „Blaue Stunde“ dargestellt.
Die Fotos dazu machte Anne Koch, den Text
schrieb Robert Kuhn. Auf dem Rücktitel finden Sie Fotos aus dem nächtlichen Lissabon, die fast so schwermütig wirken wie die
portugiesischen Fados.
Wie in jedem Lichtbericht haben wir
auch in diesem Heft versucht, eine möglichst große Bandbreite lichttechnischer Aufgabenstellungen, die wir mit Planungsingenieuren, mit Architekten und mit Bauherren lösen, vorzustellen.
Ein Fazit läßt sich ziehen:
„Licht ist Ansichtssache.“
Bis zum nächsten Heft
Klaus J. Maack
© 1987 ERCO
Printed in W-Germany, Druckhaus Maack GmbH & Co. KG,
5880 Lüdenscheid, 6278703
1
In den letzten 15 Jahren sind in Paris Architektur und Politik Hand in Hand gegangen.
Die drei Staatspräsidenten, die Frankreich
während dieser Zeit führten, zeichneten sich
vor allem dadurch aus, daß sie von dem
Wunsch beseelt waren, der Nachwelt durch
mehr oder weniger außergewöhnliche Bauwerke in Erinnerung zu bleiben.
Dem jetzigen Staatschef Francois Mitterrand brachte dieses Streben die Titel
„Mitterramses“ und „Pharao“ in der französischen Presse ein. Einen „Sonnenkönigskomplex“ weist er jedoch strikt von
sich. Er begründet den Baueifer während
seiner noch bis 1988 währenden Amtszeit
mit der Notwendigkeit, die Strukturen der
Stadt zu erneuern und ihren Bewohnern
mehr Behaglichkeit und Möglichkeiten zur
Kommunikation geben zu wollen. Ohne die
dazu notwendigen Baumaßnahmen werde
sich das Frankreich des 21. Jahrhunderts
dahinschleppen, verkündete
Ein Technorama
für Erfindungen
Zentrum für Wissenschaft
und Industrie
La Villette, Paris
Architekt:Adrien Fainsilber
Beleuchtungsplanung: ERCO Paris
Mitterrand, um zugleich einem Wunsch Ausdruck zu verleihen: Paris möge wieder das
werden, was es von 1860 bis 1914 gewesen ist: Kunst- und Kulturhauptstadt der
Welt.
Das größte und teuerste der Grand Projets von Mitterand wurde im März 1986 im
Pariser Nord-Osten eingeweiht:
Die Cité des Sciences et de l´ Industrie an
der Porte de la Villette. Auf einer 35 ha
großen Grundfläche sind hier neben diesem
4,5-Milliarden-Bauwerk noch insgesamt drei
weitere Projekte realisiert bzw. in Planung.
Bereits seit Anfang 1986 ist die Grand
Halle in Betrieb, eine von dem Architektenteam Reichen & Robert renovierte Viehhalle aus dem Jahre 1867. Von der Cité des
Sciences nur durch einen Kanal getrennt,
dient die „riesige gestreckte Basilika aus
Glas und Eisen“ heute als Mehrzweck-Ausstellungszentrum.
Ende 1987 soll dann der erste, 12 ha
Zeitgleich mit einem bedeutenden wissenschaftlichen Ereignis, dem Tag der Begegnung der Giotto-Sonde mit dem Halleyschen
Kometen wurde das Zentrum für Wissenschaft und Industrie eröffnet. Beleuchtet
wird das Museum, das eigentlich ein
Schlachthaus werden sollte, durch Tagesund Kunstlicht.
2
größte Teil des Parc de la Villette fertiggestellt sein, den die Mitterrand-Gegner verdächtig sozialistisch finden. Den revolutionär
gestalteten Volks- und Kulturpark entwarf
Bernhard Tschumi, Frankoschweizer mit
Wohnsitz in New York.
Komplett wird das „Kulturspektakel“ im
Nord-Osten der Stadt 1988, wenn die
geplante Cité de la Musique im Park von la
Villette fertiggestellt sein wird. Die Ausschreibung für dieses Zentrum der Experimentalmusik, das unter Leitung von Pierre
Boulez stehen wird, erfolgte im Gegensatz
zu den anderen Projekten auf nationaler
Ebene. Gewinner des Wettbewerbs, vom
Staatspräsidenten persönlich ausgewählt,
wurde der junge Christian de Portzamparc
mit seinem als gebaute Musik gelobten Entwurf.
Zurück zum März 1986, der als bedeutsamer Monat für die Pariser Kulturwelt
in die Geschichte eingehen wird. Nicht nur,
weil am 13. mit der Cité des
Für das Kunstlicht wurden silberfarbene
ERCO TM-Spots ausgewählt und an
Stromschienen installiert; insgesamt
10 000 Stück.
3
Sciences das erste der Grand Projets seiner
Bestimmung übergeben wurde. Es war
zugleich das letzte große Fest einer zu Ende
gehenden Legislaturperiode.
Genau drei Tage später, am 16. März
1986, brachten Wahlen einen Regierungswechsel und der Nation einen Zustand, der
mittlerweile als „Cohabitation“ Eingang in
den Sprachgebrauch genommen hat. Die
Frage, ob denn dadurch die Realisierung der
Grand Projets gefährdet sei, ist mittlerweile
beantwortet. Alle Projekte werden weitergeführt wie geplant.
Der 13. März 1986 war aber noch in
anderer Hinsicht bedeutsam. Die Eröffnung
der Cité des Sciences fand nämlich gleichzeitig mit einem Ereignis von großer wissenschaftlicher und technischer Bedeutung
statt, und das ist ja bei einem Zentrum für
Naturwissenschaft und Technik viel wesentlicher als Politik. Es war der Tag, an dem die
Begegnung der Giotto-Sonde mit dem Halleyschen Kometen
Das Zentrum für Wissenschaft und Industrie
wendet sich an alle, gleich welcher Herkunft
oder Ausbildung, die das Bedürfnis haben,
die wissenschaftliche und technische Entwicklung und deren Auswirkungen auf das
Leben eines jeden besser zu verstehen.
Wo möglich, wird die starke Anziehungskraft interaktiver Darstellungsweisen genutzt, um die Besucher einzubeziehen und
zur Teilnahme zu bewegen.
stattgefunden hat. Die Bilder von diesem
Ereignis wurden den Besuchern der Eröffnung live in das größte hemisphärische Kino
der Welt, der Géode, übertragen.
Wohl kaum einer der über 6000 Besucher wird daran gedacht haben, daß
dieses Zentrum der Wissenschaft und
Industrie ursprünglich ein Schlachthaus werden sollte, an dem man die Arbeit 1970
während des Rohbaus einstellte.
Lange wurde überlegt, was mit der
mit 36 m Durchmesser, die im Wasser steht
und ihre Umgebung widerspiegelt. Im Inneren können auf 365 Sitzplätzen die Besucher
auf gekrümmten Rundumleinwänden Filme
bewundern.
Das Entree des Museums liegt im
ersten Stock und wird über eine Brücke
erreicht, die den Festungscharakter des von
tiefen Gräben umgebenen Hauses noch
unterstreicht.
Die gewählten architektonischen
Schwerpunkte sind aus dem Lévy- Bericht
abgeleitet. Drei Themen wurden zu Schwerpunkten bei der Gebäudegestaltung:
Wasser als „Nahtstelle zwischen Universum
und Leben“ umgibt in Form eines hochliegenden langgezogenen Teiches das Hauptgebäude des Museums.
Die Vegetation soll über bioklimatische,
dem Park zugewandte Fassaden ins Innere
des Museums dringen.
Licht „als Energiequelle der lebenden
Welt“ erhellt die Räume der Daueraus-
Bauruine geschehen solle, bis Valery Giscard d‘ Estaing 1977 Maurice Lévy mit einer
Studie über die Schaffung eines Museums
für Wissenschaft und Technik beauftragte.
Der sogenannte „Lévy-Bericht“ (1979) stellt
die Grunddefinition der Cité des Sciences
dar. Im September 1980 erfolgte dann die
Wahl von Adrien Fainsilber als Architekt des
Museums durch den Staatspräsidenten. Die
ihm gestellte Aufgabe, einen halbfertigen,
unbenutzbaren Schlachthof in der Welt
modernstes Museum zu verwandeln, hat er
mit Bravour bewältigt.
Das Gebäude ist mit einer Länge von
270 m, einer Breite von 110 m und einer
Höhe von 47 m mehr als dreimal so groß
wie das Centre Pompidou und verfügt
über eine Ausstellungsfläche von über
165 000 m².
Dem ob seiner Dimensionen niedrig
wirkenden massigen Bau vorgelagert ist „La
Géode“, eine Kugel aus rostfreiem Stahl
4
5
In die Fassade eingebaut sind ebenfalls verglaste Aufzüge, die den Blick auf den Park
freigeben und die einzelnen Ausstellungsbereiche untereinander verbinden.
Das Gebäudeinnere erstreckt sich über
7 Geschosse, wobei der obere Teil vor allem
der Dauerausstellung, der mittlere Teil den
technischen Bereichen und der untere Teil
dem Eingang mit Information sowie sonstigen Bereichen, wie z. B. Mediothek, Konferenzräume etc., vorbehalten ist.
Die Eingangshalle läuft wie auf Flughäfen und Bahnhöfen durch vier Stockwerke. Im Erdgeschoß ist sie mit einem
polierten Granitfußboden ausgelegt.
Das Zentrum für Wissenschaft und
Industrie wendet sich an alle, gleich welcher
Herkunft oder Ausbildung, die das Bedürfnis
haben, die wissenschaftliche und technische Entwicklung und deren Auswirkungen
auf das Leben eines jeden besser zu verstehen. Dazu werden in den einzelnen Ausstellungsteilen weitgehend die konzeptionellen
und instrumentellen Neuerungen aus den
Bereichen Audiovision und EDV genutzt.
Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
wird ein fast unerschöpflicher Reichtum an
konkreten Erfahrungen, Anregungen und
Denkanstößen geboten.
Wo möglich wird die starke Anziehungskraft interaktiver Darstellungsweisen
genutzt, um den Besucher einzubeziehen
und ihn zur Teilnahme zu bewegen.
Eine der vier Dauerausstellungen steht
unter dem Motto „Von der Erde zum Universum“. Der Wunsch der Menschen, die
Geheimnisse und Schätze der Erde kennenzulernen, erfüllt sich hier in einigen Beispielen.
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Das Gebäude ähnelt in seinem technischen
Auftritt dem Centre Pompidou, ist aber
mehr als dreimal so groß und verfügt über
eine Ausstellungsfläche von 165 000 m².
Wissenschaftliche Forschung und technologische Leistungen, die hier nie aus ihrem
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Zusammenhang gerissen werden, provozieren die Besucher dazu, teilzunehmen.
Endgültig wird man über die Cité und
die Projekte im Pariser Nord-Osten erst
urteilen können, wenn sie abgeschlossen
sind und ihr Gesamtkonzept erkennbar ist.
Die Abstimmung der Pariser Bevölkerung
mit den Füßen hat allerdings schon ein eindeutiges Votum erbracht: Sie kommen in
Scharen.
stellung. Die Eingangshalle, 100 m lang und
18 m breit, wird nach oben von 2 großen
Drehkuppeln mit schwenkbaren Spiegeln
abgeschlossen. Die Außenseiten der Dreh kuppeln folgen der Sonne und ihre Spiegel
leiten das Licht ins Gebäudeinnere. Mit
einem ferngesteuerten System lassen sich
Ausrichtung der Kuppeln sowie Neigung und
Abstand der Spiegel verändern, um so auf
diese Weise diverse Lichteffekte im Eingangsbereich zu erhalten.
Ein Merkmal aller Fassaden sind vorspringende, granitverkleidete Träger. Die auf
die Porte de la Villette gehende Nord -fassade besteht im oberen Teil aus rostfreiem
Stahl und im unteren Teil aus Glas.
In der Mitte ist diese Fassade durch
eine Außengalerie unterteilt, über die die
beiden großen Terrassen an der Ost- und
Westseite verbunden sind. Die dem Park
zugewandte Fassade ist weitgehend verglast, um einen visuellen Übergang zwischen Innen- und Außenraum zu schaffen.
7
Die Außenanlage in den Eingangsbereichen
besteht aus Natursteinplatten. Blickfang vor
der großen Eingangshalle ist die etwa 5 m
hohe Skulptur „Kontinuität‘ von Max Bill,
eine Endlosschleife, die in zweieinhalbjähriger Arbeit in einem Stück aus
einem 500 Tonnen schweren Granitblock
herausgearbeitet wurde. An der nordöstlichen Ecke des Gebäudes erinnern zwei
steinerne Löwen an die Geschichte des
Grundstücks, halten Wache, so wie Stitt
und Stephen, die Löwen vor der Hongkong
and Shanghai Bank.
Die große Eingangshalle kann von zwei
Seiten aus betreten werden. Sie ist fast 30
m hoch, nach oben hin verglast, und bietet
so einen freien Blick auf die beiden Türme.
Im Inneren der Halle befindet sich ein Wasserbecken, das mit roten Granitsteinen ausgelegt ist. Das Wasser des Beckens spiegelt sich in der edelstahlverkleideten Brücke
wider, die zwischen den beiden Türmen
durch die Eingangs-
Der Deutschen Bank
bestauntester Arbeitsplatz
Architekten: ABB, Frankfurt
Beleuchtungsplanung:
Christian Bartenbach, München
Einen der bestauntesten Arbeitsplätze
Frankfurts hat Jürgen Höfler, Jahrgang
1956, verheiratet, eine Tochter. Wer sonst
verfügt schon über ein Büro aus weißem
brasilianischem Marmor und sardischem
Granit.
Die Deutsche Bank, größte Bank der Bundesrepublik, hat in den vergangenen Jahrzehnten hervorragende wirtschaftliche Zahlen vorzuweisen. Mit dem Wachstum stieg
aber nicht nur die Zahl der Tochtergesellschaften, auch die Anzahl der Mitarbeiter in der Frankfurter Zentrale nahm zu.
Als die Arbeitsabläufe in der Zentrale
zunehmend schwieriger wurden, sah man
sich nach einem geeigneten Neubau um.
Fündig wurde man auf dem Gelände des
ehemaligen Palais Löwenstein in Sichtweite
der „Alten Oper“. Ein Münchener Unternehmer hatte das 13000 m² große Grundstück
gekauft, um dem Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs entsprechend zwei
Hochhaustürme auf einem breiten Sockelgeschoß errichten zu lassen. Gerade rechtzeitig zu Beginn der Rohbauphase kauften zwei
der Deutschen Bank nahestehende Finanzierungsgesellschaften das Grundstück einschließlich aller Planungsunterlagen. Um den
komplexen Aufgaben einer Bankzentrale
gerecht werden zu können, mußten erhebliche planerische Änderungen durchgeführt
werden. Und das in kürzester Zeit, denn die
Arbeit an der Baustelle ging ohne Unterbrechung weiter.
Heute streben in der Taunusanlage
zwei hochgewachsene, vielfach gegliederte,
spiegelverglaste Türme 155 m hoch in den
Himmel. Sie sind durch einen Basisbau
verbunden, der mit seinen abgeschrägten
Glasflächen ihre schlanke Harmonie unterstreicht.
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Privat trägt Jürgen Höfler gerne Jeans.
Während der Arbeit im Empfang der Deutschen Bank ist ein Maßanzug seine Dienstkleidung.
Schmuckstück der großen Halle ‚ist eine
freischwebende Plastik von Richard Lippold.
halle führt. Der Fußboden besteht aus sardischem Granit, die Wände sind mit weißem brasilianischem Marmor verkleidet.
Schmuckstück der Halle ist eine freischwebende Plastik des New Yorker Künstlers Richard Lippold: Senkrecht angeordnete
Aluminiumstäbe und zwei schlanke Messingkörper, die über das Wasserbecken hinweg die Höhe mit der Tiefe des Raumes in
schwungvoller Weite verbinden.
Es ist eins von mehr als 1 500 Kunstwerken, die sich in den beiden Bürotürmen einer 38, der andere 40 Stockwerke hoch befinden unter dem Leitgedanken, zeitgenössische Kunst und Kultur in die Arbeitswelt mit einzubeziehen.
Und genau hier befindet sich einer der
bestauntesten von insgesamt 1 900 Arbeitsplätzen in der Zentrale der Deutschen Bank
in der Taunusanlage. Jürgen Höfler, Jahrgang 1956, hat vor 2 Jahren bei der Bank
angefangen. Er ist einer von 9 Personen, die
im Schichtdienst für Empfang und Kontrolle
zuständig sind.
Vor zwei Jahren hat er die Information
bekommen, daß in der Bank eine Stelle im
Empfang frei geworden ist. Daraufhin hat er
sich sofort um diesen „sicheren“ und „sauberen“ Arbeitsplatz beworben und ihn
bekommen.
Vor seiner Tätigkeit bei der Bank hat er
in einer Spedition gearbeitet, LKW gefahren
und „geschraubt“. Als gelernter KFZMechaniker an harte Arbeit gewöhnt,
9
hat ihm die körperlich anstrengende Arbeit
nichts ausgemacht. Im Gegenteil, die größte
Umstellung begann für ihn, als er in der
Bank angefangen hat. In den ersten Monaten schien es ihm, als ginge die Zeit
während des Dienstes nicht weiter.
Aber die Phase der Gewöhnung ging
schnell vorüber. Es fällt ihm nicht schwer,
stets freundlich und hilfsbereit zu den Kunden zu sein und immer frisch rasiert und gut
gekämmt zum Dienst zu erscheinen. Und
auch die Umstellung in der Dienstkleidung,
früher Jeans - heute Maßanzug, ist mittlerweile Vergangenheit. Zweimal pro Jahr fährt
er nach Aschaffenburg, um sich auf Kosten
seiner Dienstherren bei einem Schneider
einen neuen Anzug anfertigen zu lassen.
Heute empfindet er seinen Arbeitsplatz
nicht nur als sicher, sondern auch als besonders abwechslungsreich. Viele interessante
Persönlichkeiten hat er während des Dienstes kennengelernt, unter ihnen Boris
Becker, Ion Tiriac, die komplette Fußballmannschaft des FC Bayern München und
Karin Tietze-Ludwig, die Lotto-Fee des Fernsehens.
Jürgen Höfler ist verheiratet und hat
eine Tochter. Seine Frau Karin kennt er, seit
er 17 Jahre alt ist. Tochter Nicole wird bald
fünf. Seine Freizeit widmet er in erster Linie
der Familie und dem Schrebergarten der
Schwiegereltern in Griesheim, wo er die
Bäume selbst beschneidet. Außerdem treibt
er Sport, am liebsten Judo und Fußball.
Seine eigentliche Passion aber ist ein
Motorrad, eine 750er Honda. Im Sommer,
bei gutem Wetter, fährt er mit ihr zur Bank.
Im Winter ist die Maschine abgemeldet.
Dann nimmt Jürgen Höfler die S-Bahn für
den Weg zur Arbeit.
Am Wochenende zieht er gern wieder
die Jeans an und fährt schon mal mit ein
paar Freunden zum Nürburgring. Diese Tage
stehen bei der reinen Männerrunde unter
dem Motto „Schwein am Ring“, da alle dort
über Nacht bleiben und wild campen.
Sanitäre Einrichtungen und Waschmöglichkeiten gibt es in der Kurve zwischen Adenau
und Pflanzengarten natürlich nicht. Darum
das Motto und der Verzicht auf die Begleitung der Ehefrauen.
Höhepunkt dieser Wochenenden ist
sonntags, wenn alle zum Preis von 9 DM
pro Runde mit ihren Motorrädern ein paar
Runden auf dem Ring drehen.
Spätestens montags aber ist die Lagerfeuerromantik vorbei. Jürgen Höfler
„Das Paradies der Damen“
Emile Zola bezeichnete es als das „Paradies
der Damen“, und der Pop-Künstler Andy
Warhol sah in ihm das „moderne Museum
des 20. Jahrhunderts“: Das Kaufhaus ist
immer mehr gewesen als lediglich ein Ort
für den Warenumschlag. Schon seit dem 19.
Jahrhundert beschert es seinen Besuchern
rauschhafte Konsumerlebnisse und ist
gleichzeitig eine Verkehrung unseres All-
tags: Mangel wird hier zum Überfluß, Langeweile zum Abenteuer, Besonnenheit zum
Rausch, der Traum zur Wirklichkeit. Kein
anderer Ort kultiviert die Warenästhetik und
das unerschöpfliche Angebot mit einer derartigen Perfektion.
Die Ursprünge dieses Paradieses sind
durchweg profan: Vorbild für die Konsumpaläste waren die neuen Industriebauten
der Jahrhundertwende mit ihren weithat die Jeans wieder mit dem dunklen Maßanzug vertauscht, wenn sein Dienst in der
Bank beginnt und er in sein Büro aus sardischem Granit mit den marmorverkleideten
Wänden geht und über ihm die Plastik von
Richard Lippold schwebt.
155 m hoch ragen die zwei Glastürme in
den Frankfurter Himmel. Kaum ein Besucher, der den Kopf in den Nacken legt, um
die riesigen Dimensionen fassen zu können,
ahnt, daß sich hinter dem Spiegelglas ein
„heimliches“ Museum mit insgesamt 1500
Kunstwerken verbirgt.
10
flächigen Stahlkonstruktionen. Erst in der
architektonischen Ausschmückung der
stählernen Skelette zeigt sich, wie die
ästhetische Fiktion die architektonische
Wirklichkeit verdrängt: In den Portalen und
bei der Ausgestaltung der Etagen kopieren
die Baumeister den Stil von Schlössern und
Kirchen. Der Mensch wird in dieser Bedeutungsarchitektur miniaturisiert, die Ware
übermächtig und mit Bedeutung aufgeladen.
Der Zwitter aus Industriehalle
der in der Kunst der Schaufensterdekoration
die Schule des Brutalen und Kolossalen
begründet hatte. Er verlangte scheinbar
ungeordnete, wie zufällig aus den geleerten
Fächern herausfallende Massen und
wünschte, daß sie in den glühendsten Farben flammten und sich wechselseitig in der
Wirkung steigerten. Den Leuten müßten die
Augen wehtun, wenn sie aus dem Geschäft
kämen, pflegte er zu sagen.“
Das Überangebot wird zu einem Seh-
und Kathedrale ist einerseits eine gigantische Traumburg und andererseits zentrale
Versorgungseinrichtung für die Menschen in
den Ballungszentren. Doch der praktische
Nutzen, das alltägliche Geschäft, wurde
immer von dem Erlebnisangebot Kaufhaus
in den Hintergrund gedrängt. Die massige
Architektur schirmt das Innenleben der Verkaufstempel wirksam vom Alltag ab.
Dies war nicht immer so. Als im Zuge
der Industrialisierung die Warenhäuser an
Bedeutung gewannen, gab es Pläne, diese
weitläufigen Großetagen wie durchsichtige
Geschenkkartons zu gestalten. Das ganze
Kaufhaus ein einziges Schaufenster
- von vier Seiten und über fünf Etagen.
Diese Konzepte erwiesen sich aber als unpraktikabel, weil die oberen Etagen von der
Straße nicht einzusehen waren. Was blieb,
waren die Schaufenster. Kleininszenierungen dessen, was im Inneren als
Gesamtkunstwerk in Szene gesetzt wird. Es
ist kein Zufall, daß, die Schaufenster wie
kleine Bühnen gestaltet sind, wie Panoramen des 19. Jahrhunderts, auf denen die
Dekorateure Geschichten vom „Leben nach
dem Kauf“ erzählen.
Die Dramaturgie dieser Geschichten
wird stets vom Ungewöhnlichen bestimmt.
In Zolas Roman „Das Paradies der Damen“
sind die Dekorateure Artisten des Schocks:
„Alle waren sich darüber einig, daß der Chef
der beste Dekorateur von Paris sei, ein
wahrhaft revolutionärer Dekorateur,
erlebnis, das den Betrachtern Schmerzen
bereitet. Sie sind nicht mehr in der Lage,
diese Ballung von visuellen Reizen zu verarbeiten. Es geht nicht mehr um einzelne
Produkte, sondern um die Erzeugung einer
Grundstimmung. Damit verlieren die Dinge
ihre funktionale Bedeutung: Schuhe, Zeitungen, Zigaretten, Hosen und Jacken versprechen uns eine neue, bessere Identität.
Warenhäuser sind schon lange keine Warenhäuser mehr. Sie sind die perfekte Umsetzung eines unbeschwerten Lebens jenseits
der täglichen Reglementierung. Eskalieren
die Zwänge im Alltag, verspricht uns das
Kaufhaus die Erlösung von ihnen.
Die Fülle des Ausgestellten und Angebotenen, die Fesselung des Blicks durch
„Blickfänge“ versetzt die Käufer in eine Art
Trance-Zustand. Gustav Stresemann notierte
erstaunt: „Die Zeit verfliegt mit dem
Betrachten der verschiedensten Rayons, der
Toiletten der einkaufenden Damen, der
Unterhaltung und anderem, und wenn man
an der Uhr plötzlich sieht, daß es höchste
Zeit sei, heimzukehren, so macht man oft
wohl gleichzeitig die Wahrnehmung, daß
man anstatt einer Cravattenschleife, die
man anfänglich kaufen wollte, mit einem
ganzen Bündel der verschiedenartigsten
Sachen beladen ist. Eine Zeitlang spürt man
dann vielleicht Reue, aber sobald man das
Warenhaus betreten hat, um einen kleinen
Einkauf zu machen, wiederholt sich das
Schauspiel aufs neue“.
11
Wie das Glück durch Konsum auszukosten
ist, wird uns unmittelbar vorgelebt: Schaufensterpuppen schlüpfen in unsere Rolle,
spielen vor, wie uns die neugewonnene
Identität zu Gesicht stände. Mit ihrer genormten Souveränität und den unsichtbaren
Wäscheklammern im Rücken durchleben
wir in den Figuren vorab die noch unerfüllten Träume.
Doch die Kaufhäuser haben es mittlerweile schwer, sich als Erlebnisraum zu
behaupten. Die Häufung visueller Reize
durch eine Ballung von Waren ist nur noch
eine schwache Provokation unserer Sinne,
angesichts der Bilderflut, die uns die konkurrierende Elektronik ins Haus liefert.
Gleichzeitig haben die Kaufhäuser als zentrale Versorgungseinrichtung an Bedeutung
verloren. Billigmärkte und Einkaufszentren
haben die Käuferströme umgeleitet. Neonbeleuchtete Verkaufshallen mit blanken
Stahlregalen, vollgestopft mit braunen Pappkartons belegen, wie sich das Käuferverhalten geändert hat: billige Versorgung
statt aufwendiger Inszenierung.
Patentrezepte für die Rückeroberung
verlorenen Terrains gibt es dabei nicht. Bei
neuen Marketingstrategien spielt nicht
zuletzt der Standort eines Kaufhauses eine
zentrale Rolle. Beim Düsseldorfer Kaufhof
an der Königsallee ist das Umfeld geprägt
von hochwertigen, exklusiven Einzelhandelsgeschäften - und entsprechend anspruchsvollen Kunden. Bei dem jetzt beendeten Umbau des 1909 eröffneten
Jugendstil-Hauses wurde darauf reagiert:
Insgesamt 20 Abteilungen, die diese Käuferschicht nicht ansprechen können, sind
aus dem neuen Haus verbannt worden.
Statt Möbel- oder Bauabteilung wurde zum
Beispiel die Fitness- und Geschenketage
ausgebaut. Konzeption: hochwertige Produkte in einem anspruchsvollen Ambiente. Ziel:
ein neues Kauferlebnis.
Der Lichthof im Zentrum des Hauses
wurde wieder geöffnet, zwei kleine Trep-
penhäuser zugunsten des großen, verspiegelten Aufgangs zugemauert. „Atmosphäre, Flair, Stimmung“ soll das neue
Haus haben. Kein unüberschaubares Ballungszentrum ausufernder Warenangebote,
sondern erlesener Ort, geschmackvolle
Produktpräsentation. Zolas Dekorateure
haben hier endgültig ausgedient. Der
Schock ist der unterkühlten Präsentation
gewichen.
Auf den Etagen sind die einzelnen
Abteilungen zu „Inseln“ zusammengefaßt,
zu denen im Teppich gekennzeichnete
Wege in „dynamischer Gangführung“ hinleiten. Überschaubare, großzügige Verkaufsflächen und eine neue Distanz zu
den Produkten sind das Ergebnis. Perfekte
Wareninszenierungen sollen die Kunden zu
den Verkaufsflächen locken: Allein in
der Damenoberbekleidung führen insgesamt 250 Schaufensterfiguren das neue
Lebensgefühl im neuen Dress vor. Dabei
hat man darauf geachtet, daß die neue
Großzügigkeit nicht auf Kosten des Waren angebots geht.
Wie bei den alten Warenhäusern sind
auch an der Königsallee die Schaufenster
wieder ein Spiegelbild des Hausinneren:
Marmorausgeschlagene Fensterräume mit
den entsprechenden „Warenträgern“ aus
Glas und Messing spiegeln den coolen
Umgang mit dem Fetisch. Doch die Faszination bleibt ungebrochen: Der satte Überfluß, das sparsame Provozieren der Emotionen entspricht dem Zeitgeist. Die Kunden
erliegen um so mehr der Anziehung der
Waren, wie es schon Adalbert Stifter bei
seinen Wiener Zeitgenossen feststellen
mußte: „Wenn ein Mann, der sein gehöriges Geld hat, vom Lande hereinkommt
und nur den Stephansplatz entlang geht und
all die glänzenden lockenden Gläserkisten
ansieht, wie sie ohne Unterbrechung endlos
fortlaufen . der Mann ist verloren, er muß
etwas kaufen...“
Hans Scheurer
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Kunsthalle Emden
Nannens Spätwerk
Architekt: Friedrich Spengelin, Hannover
Beleuchtungsplanung: Hochbauamt
der Stadt Emden in Zusammenarbeit
mit ERCO
Mark geschätzt: Etwa 200 Ölgemälde,
Zeichnungen, Druckgraphiken (Radierungen,
Lithographien, Holzschnitte) und Plastiken,
die ohne Ausnahme zur Kunst des 20. Jahrhunderts gehören. Persönliche, ganz subjektive Vorlieben des Stifters waren bei der
Auswahl der Werke von Bedeutung. Kunstrichtungen wie Kubismus, Fauvismus, Konstruktivismus oder Dadaismus fehlen, dafür
begegnet man bedeutenden Arbeiten des
Deutschen Expressionismus und Werken,
die in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts
unter den Gesamtbegriffen „Neue Sachlichkeit“ bzw. „Magischer Realismus“ entstanden sind. Da sind die auf den Expressionismus weisenden Bilder von Paula Modersohn-Becker, Ölgemälde, Zeichnungen
und Druckgraphiken von Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff,
Erich Heckel, Emil Nolde und Otto Müller,
die in der Sammlung die Künstlergemeinschaft der „Brücke“ vertreten, da ist der
führten, die Kunsthalle gerade an diesem
Ort zu bauen.
Mit seinen versetzten Bauteilen und
Staffeldächern paßt sich das Gebäude seinem Umfeld an. Durch die Verwinkelung
des Baukörpers wurden Außenräume geschaffen, die für das Gesamterscheinungsbild von Bedeutung sind. Schon der Eingangshof, der sich durch Brüstungsmauern
von der Straße abhebt, lädt mit seinen Plastiken und der dort eingerichteten Cafe-
teria zum Verweilen ein. Der Skulpturenhof
liegt auf der anderen Seite des Gebäudes
und ist weitgehend abgeschlossen. Gleichzeitig Informationshalle und Aufenthaltsraum ist das kleine Foyer im Zentrum der
Anlage, mit Garderobe und Sanitärräumen.
Vom Foyer aus ist jeder Bereich der Kunst halle einzeln zugänglich: Die Malschule im
Erdgeschoß, ein Magazin, ein Fahrstuhl, der
zu den oberen Ausstellungsräumen führt,
und der erdgeschossige Ausstellungssaal.
Die eigentlichen Ausstellungsräume, die
sich in Größe und Proportion voneinander
unterscheiden, liegen dann im 1. Obergeschoß. Vitrinen und Zwischenwände erlauben es, diese Räume zusätzlich zu unterteilen, so daß sie sowohl den unterschiedlichen Exponaten der ständigen Sammlung
als auch wechselnden Ausstellungen
gerecht werden. Emporen in den größeren
Sälen gewährleisten einen zusätzlichen
Überblick, zwei Treppen eröffnen imposante
weil jegliche Gleichmäßigkeit unterbleibt.
Und das auch den lichtempfindlichen Graphiken und Arbeiten auf Papier nicht schadet. Seitenlicht dann bei den Plastiken, um
Erhebungen und Vertiefungen der Oberfläche sichtbar zu machen.
Daß das Museum bei den Emdener
Bürgern voll angenommen worden ist, zeigen die Besucherzahlen: zehntausend
bereits in den ersten drei Wochen. Ob das
Haus mit wachsendem Bekanntheitsgrad
darüber hinaus auch touristische und wirtschaftliche Auswirkungen für die Region
haben wird, muß sich zeigen.
„Eine Luxusherberge auf den Bahamas
hätte ‚Sir Henry‘ - wie Freund und Feind
den streitbaren Journalisten Henri Nannen
voll spöttischer Bewunderung nannten sich als Alterssitz leisten können. Henri
Nannen, 33 Jahre lang Chefredakteur des
‚Stern‘, zog es vor, sich in seiner Heimatstadt ein Denkmal zu setzen. Er steckte sein
Erspartes und Gesammeltes in die ‚Kunsthalle in Emden‘ und bescherte Ostfriesland
damit ein lohnendes Reiseziel.“ (Hans
Berndt, Handelsblatt.)
Ein Haus mit Werken der klassischen
Moderne und der zeitgenössischen Kunst,
mit einer Malschule für Kinder und einer Stipendiatenwohnung für junge Künstler. Ein
Haus, für das Nannen, wo seine eigenen
Mittel nicht ausreichten, sogar „schamlos
betteln gegangen ist“.
Knapp 6,5 Millionen Mark hat der Bau
gekostet. Der Wert der Sammlung, die Nannen der Emdener Kunsthalle gestiftet hat,
wird ebenfalls auf rund 6 Millionen
Etwa 200 Kunstwerke, die ohne Ausnahme
zur Kunst des 20. Jahrhunderts gehören,
sind in dem Museum zu sehen, das sich
nicht pompös, sondern bescheiden gibt.
14
Kreis des „Blauen Reiter“ mit Franz Marc
oder Alexej von Jawlensky, da sind Individualisten wie Oskar Kokoschka oder Max
Beckmann. Bewußte Abkehr vom Expressionismus, Nüchternheit bei der Wiedergabe
der Realität dann bei Werken von Karl Hofer,
Franz Radziwill, Josef Scharl und Hanns
Ludwig Katz. Bei der Kunst nach 1945 gibt
es noch keine eindeutige Gruppierung. Mit
Peter Kukei, Salomé, Verena Vernunft, Ter
Hell u. a. sind sehr unterschiedliche Künstlertemperamente in der Sammlung vertreten. Qualitätsvoll ist auch die Auswahl der
Plastiken, die über die Räume und den
Innenhof verteilt wurden.
Der Standort des Museums ist bewußt
gewählt. Vor 1945 hatte hier die Gestapo
ihren Sitz, nicht weit davon entfernt stand
das Elternhaus einer jüdischen Freundin
Nannens, in dem er zum ersten Mal mit
Kunst und Kultur in Berührung kam. Erinnerungen, die zu dem Entschluß
Durchblicksmöglichkeiten zum Erdgeschoß.
Gleichzeitig erleichtern die Treppen die Orientierung, so daß der Besucher seinen
Rundgang durch die Sammlung an jeder
beliebigen Stelle beginnen kann und doch
immer weiß, in welchem Teil des Gebäudes
er sich gerade aufhält. Backsteinrote Betonfliesen, weiße Ziegelwände und Säulen,
helle Holz-Töne an den Decken und Galerien dienen darüber hinaus der farblichen
Gliederung im Inneren dieses norddeutsch
schlichten Klinkerbaus.
Mit der Beleuchtung der Bilder und Plastiken wurde eine kontrastreiche Raum atmosphäre geschaffen. Aus Ober- und Seitenfenstern fällt Tageslicht in die Räume ein.
ERCO Optec- Strahler an MonopollSchienen setzen Akzente, heben einzelne
Bilder heraus und regen die Aufmerksamkeit
der Besucher an. Blendfreies Licht, das
Spiegeleffekte auf den Bildern vermeidet.
Licht, das auch beim längeren Betrachten
der Exponate nicht ermüdet,
15
Vom Büchsen- bis zum Purpurlicht
Betrachten wir den Verlauf der bürgerlichen
Dämmerung - in der Jägersprache „Büchsenlicht“ genannt - etwas näher.
Die erste Phase heißt „helle Dämmerung‘. Die Sonne ist im Westen untergegangen und bewegt sich nun unter dem
Horizont langsam nach Norden. An der
Untergangsstelle breiten sich nach beiden
Seiten farbige Streifen am Horizont aus. Sie
bilden ein langes, sehr flaches, nach oben
zunächst ganz verschwommenes, von unten
nach oben weißgelb, gelb, grünlich gefärb tes Feld, in der Mitte überdeckt vom Glanz
der sinkenden Aureole.
Ein größeres Himmelsgebiet darüber
weist einen hellen, merkwürdig durchsichtigen, blauweißen Lichtschleier auf, den
sogenannten hellen Schein. Am Gegen -horizont erscheint über einem Dunststreifen ein
sehr flaches, orangegelbes, oft grün-blau
gesäumtes Feld, die sogenannte Gegendämmerung.
12 bis 15 Minuten nach Sonnenuntergang - die Sonne ist inzwischen 2° unter
den Horizont gesunken - wechseln die Farben der Horizontalstreifen (von unten nach
oben ) ins Rotbraune, Orange, Gelbe. Die
Aureole ist verschwunden, der klare Schein
wird weißlich-gelb, die Gegendämmerung
farbintensiver: unten karminfarbig, dann
orangerot, orangegelb, weißlich-gelb, grünlich-blau. Das Blau des Himmels darüber
vermischt sich allmählich mit Grau.
Im Lichte der bürgerlichen
Dämmerung
Als das Düsseldorfer Kunstmuseum im
Oktober vergangenen Jahres die skandinavische Malerei-Ausstellung „Im Lichte
des Nordens“ eröffnete, erlebte die Mode-,
Kunst- und Werbe-Metropole am Rhein ihre
blaue Stunde, und das gleich in doppelter
Hinsicht.
Während die Kunstkritik vom „traumartigen Blau“ der dänischen Dämmerung
schwärmte und das „magisch-bläuliche
Zwielicht“ der nordischen Mittsommernacht
pries, begeisterte sich die Klatsch -presse
für eine nordische Lichtgestalt ganz anderer
Art: Mit dem Auftritt der schwedischen
Königin Silvia habe die „Skandinavisierung“
des Düsseldorfer Kulturlebens ihren Höhepunkt erreicht.
b Himmels- oder Adelsblau, ob Abendoder Göttinnen-Dämmerung - die blaue
Stunde ist eine Licht-Erscheinung, die nicht
mit einem Satze zu erklären ist. Wir wollen
deshalb eine Annäherung in zwei Schritten
versuchen. Wobei uns der erste mehr der
physikalischen, der zweite mehr der physiologischen Seite des Phänomens näherbringen soll.
Mit den Augen des Bildkünstlers gesehen ist die blaue Stunde ein fantastisches
Farblichtspiel zwischen Tag und Nacht, mit
den Augen eines Physikers gesehen dagegen nur eine Dämmerungserscheinung, hervorgerufen durch Reflexion und Streuung
der Sonnenstrahlen in höheren Schichten
der Atmosphäre, sobald die Sonne unter
dem Horizont steht.
16
15 bis 20 Minuten nach Sonnenuntergang bei Sonnentiefen von 2 bis 3° -beginnt die
sogenannte Hauptpurpur-Dämmerung. Sie
dauert bis zu Sonnentiefen von 6 bis 7° (35
bis 50 Minuten nach Sonnenuntergang) und
erreicht ihren farblichen Höhepunkt 20 bis
30 Minuten nach Sonnenuntergang, wenn
die Sonne 3 bis 4° unter dem Horizont
steht.
Dann erscheint über den nunmehr sehr
matt gewordenen Horizontstreifen das
sogenannte Hauptpurpurlicht in seiner vollen
Stärke. Es ist eigentlich ein relativ zartes,
mildes Licht, erzeugt aber durch seine
leuchtenden, rosa roten bis purpurnen
Nuancen eine eigentümliche, romantischfaszinierende Stimmung. Es wirft - vor allem
bei wolkenlosem Himmel - einen magischen
Schimmer auf die ganze Landschaft,
während gleichzeitig am Gegen -horizont die
Gegendämmerung bereits zu verblassen
beginnt.
Bei 6 bis 7° Sonnentiefe geht die bürgerliche Dämmerung zu Ende. Es ist jetzt so
dunkel, daß man im Freien nicht mehr gut
lesen kann. Der rasch angestiegene Erdschatten überschreitet den Zenit.
Die Geophysik kennt zwei Arten abendlicher
Dämmerung: die bürgerliche und die astronomische. Während die bürgerliche Dämmerung bis zu einer Sonnen-tiefe von 6 bis 6,5°
reicht, in unseren Breiten 37 bis 51 Minuten
dauert und so hell ist, daß Lesen im Freien
noch möglich ist, erreicht die astronomische
Dämmerung 16 bis 18° Sonnentiefe, endet
100 bis 120 Minuten nach Sonnenuntergang
und ist bis auf schmale Farbstreifen am
Horizont dunkel wie die Nacht.
17
Vom Zäpfchen aufs Stäbchen
Die physiologische Seite der blauen Stunde
gehorcht den Gesetzen des Sehens. Bekanntlich verfügt die Netzhaut unseres
Auges über zwei verschiedene Empfangs zellen: die farbempfindlichen Zäpfchen
des „Hellauges“ und die farbunempfindlichen, dafür aber bis zu achttausendmal so lichtempfindlichen Stäbchen des
„Dunkelauges“.
Die physiologische Folge des Hell-Dunkel-Auges ist, daß wir in der Zeit zwischen
Tag und Nacht die Farben nicht mehr richtig
sehen. Gelb rückt ins Grüne, Blau wird
weißlich, Rot wird schwarz.
Farbforscher Goethe stellte vor fast 200
Jahren fest: Ein gasförmiges, durchsichtiges
Medium erscheint uns blau, eine Lichtquelle
dahinter sehen wir rötlich.
Heute haben die Atomphysiker eine raffiniertere Erklärung für den blauen Himmel
und den roten Sonnenuntergang gefunden:
Das Licht als elektro-magnetische Welle
trifft auf ein Luftmolekül und wird dabei
gestreut. Die Intensität dieser Streustrahlung wächst mit der Frequenz der Sonnenstrahlung, und zwar in der vierten
Potenz.
Nun hat der blaue, kurzweilige Sonnenlichtanteil rund die doppelte Frequenz
des langweiligen, roten Anteils. Das blaue
Licht wird daher 16mal stärker gestreut als
das rote. Deshalb erscheint der Himmel uns
blau.
Abends bei Sonnenuntergang haben
wir dagegen eine direkte Lichtquelle, deren
blauer Anteil gestreut wird, während ihr
roter Anteil größtenteils bei uns ankommt.
Daher erscheint uns der Abendhimmel rot,
wobei die Erscheinung durch Staubteilchen
in der Luft noch verstärkt wird.*)
Und das spezifische Blau des nordischen
Lichts? Es erklärt sich zum einen aus der
mit zunehmender Polarnähe (scheinbar) flacheren Sonnenbahn, zum anderen wohl
auch aus der wesentlich saubereren Luft.
Die skandinavischen Maler der Jahrhundertwende waren geradezu blausüchtig.
Immer auf der Suche nach dem richtigen
Blau wurden sie zu den glühendsten Anhängern der Plein-air- Malerei.
„Alles soll blau um mich sein. Und mitten in der blauen Welt wird mein Herz
unschuldig und frei schlagen wie ein Kielwasser, das singt, wie die Tropfen, die vom
Ruderblatt fallen.“ (Karen Blixen, Der junge
Mann mit der Nelke.)
Robert Kuhn
*) Nach Werner Gilde, Licht und Schatten,
Weinheim 1983, S. 136 f.
„Im Lichte des Nordens“ ist der Titel einer
Ausstellung im Düsseldorfer Kunstmuseum,
die vom Oktober 1986 bis zum Februar
1987 zu sehen war. Thema ist aber eher das
fehlende oder verblassende Licht, ist die
lange Dunkelheit, welche die Gedanken
nach ihnen lenkt.
18
19
Shop Design für
Katharine Hamnett
Architekt: Norman Foster,
London
Beleuchtungsplanung: Foster
Associates in Zusammenarbeit
mit ERCO London
„Katharine Hamnett: Architecture as fashion“ lautet die
Schlagzeile auf der Titelseite des
Architekturmagazines Blueprint
im November 1986. Gemeint ist
die Eröffnung einer Modeboutique an der Brompton Road in
London SW3, die sowohl architektonisch wie auch traditionell
aus dem Rahmen fällt. Katharine
Hamnetts Designer Shop ist
eine gelungene Mischung aus
Architektur, Mode und Public
Relations. Architekt Norman
Foster war mit Planung und
Gestaltung des neuen Geschäftes beauftragt.
Nicht zufällig fiel die Wahl
der Designerin auf Foster, der
sich in der Architekturwelt, die
von gigantischen und technologisch hoch entwickelten Projekten wie z. B. der Hongkong
and Shanghai Bank lebt, einen
großen Namen gemacht hat.
Daß Foster im Gegensatz dazu
seit 1972 für eine überraschende
Anzahl von Boutiquen das
Design lieferte, ist weniger bekannt. Unter ihnen eine EspritBoutique in Kalifornien und das
elegante Flaggschiff des Joseph
Shops in London, mit dem er
den ersten erfolgversprechen-
20
den Vorstoß in die Modebranche
erzielte. Allroundtalent Foster
widmet sich in zunehmendem
Maße Projekten, die außerhalb
der hermetischen Architekturwelt liegen, die greifbarer, näher
sind - nicht nur im geographischen Sinn. Dies beweist auch
seine neue Möbelkollektion, die
er für die italienische Firma
Tecno kreiert hat.
Katharine Hamnett bestand
bei Vertragsunterzeichnung mit
Peter Bertelsens Unternehmen
Aguecheek, welches eine weitere Reihe von Boutiquen unter
ihrem eigenen Namen finanziert,
auf die Dienste Fosters. „Es ist
sehr wichtig für Großbritannien,
international zu demonstrieren,
was wir gut können. Norman
Foster gehört zur Spitze, wenn
es um Architektur geht; und ich
denke, wir gehören gewissermaßen zur Spitze, wenn es um
Mode geht.“ Worte der
Modedesignerin, die 1983 mit
politischer Slogans auf T-Shirts
Aufsehen erregte, der 1984 der
British Fashion Industry Award
als der einflußreichsten Designerin des Jahres verliehen wurde
und die bei ihren Kollektionen
die funktionale Qualität der
Kleidung schätzt. Funktionale
Qualität ist auch das Motto, unter dem Norman Foster den Geschäftsinnenraum gestaltete -in
dem wesentlich mehr als nur
Kleidung verkauft wird.
Der Eingang, eine Art Toreinfahrt zu dem ehemaligen
Fabrikgebäude viktorianischer
Herkunft, gibt sich anonym und
unscheinbar. Früher waren hier
Werkstätten und Garagen zu
Hause. Glamourös aufgemachte
Schaufenster muß der neugierige Kunde missen, denn es
gibt keine. „Let‘s do the first
shop in London without any
windows“, bemerkte der Architekt treffend. Der Weg führt
durch einen weiß gestrichenen
Tunnel. Den Einstieg in ein
Raumschiff assoziierend,
scheint es so, als ob in diesem
Schlauch eine leicht gewölbte
und von unten beleuchtete
Brücke über dem Boden
schwebt. Eine Konstruktion, die
an Fosters (nicht realisierten)
Entwurf eines Glasfußbodens für
die Hongkong and Shanghai
Bank erinnert. Am Ende des Tunnels öffnet sich eine großzügig
angelegte Tür. Der Blick wird frei
für einen Raum, in dem auch ein
Flugzeug Platz finden könnte.
Foster ließ alle Zwischenwände
und -stockwerke in dem
ursprünglichen Gebäude einreißen, um einen Raum mit dreieckigem Grundriß und einer
Höhe von ca. sechs Metern zu
schaffen. Als einzige optische
Gliederung dienen geometrisch
angeordnete Säulen. Deckenhöhe, versetzte Spiegelwände
an den Stirnseiten verbergen
hinter sich die Umkleidekabinen
und lassen den eigentlichen
Grundriß nur schwer erkennen.
Durch Reflexion entsteht ein unendlich verschachteltes Gebilde.
Foster verzichtet bewußt
auf die Kaschierung der konstruktiven Merkmale des Ge bäudes, was durch den freien
Einblick in die Dachkonstruktion besonders deutlich wird.
Weiß gestrichene Backstein wände und ein nackter Betonfußboden geben dem Raum
eine kühle, funktionale Atmosphäre. Die Kleidung, die hier
zum Verkauf gelangt, steht
weder im Vorder- noch im Hintergrund. Sie ist einfach da,
aufgehängt an fünf Kleiderständern, die an den Längsseiten plaziert sind.
Für genügend Tageslicht sorgen
in dem Paralleldach eingebaute
Fensterschrägen sowie hohe
Sprossenfenster. Zusätzlich wurden an der Dachkonstruktion
und den seitlichen Trägern
Stromschienen, bestückt mit
Oseris- Niedervoltstrahlern,
angebracht, die das Gesamtkonzept des Raumes „ins richtige
Licht rücken‘. Akzentuierendes
Licht wird eingesetzt, um Effekte zu erzielen, die den Raum als
Ganzes - die Kleidung inbegriffen
-zu einem Erlebnis werden lassen. Warenpräsentation im
herkömmlichen Sinn ist dies
nicht; es geht vielmehr um die
Präsentation einer KatharineHamnett- Idee, die sich gleichwohl in Architektur und Mode
widerspiegelt.
Die Entwicklung eines
eigenen Stils, der sich in allen
Aktivitäten manifestiert, ist
wichtiger Bestandteil der Unternehmensstrategie von Katharine Hamnett. Mittlerweile
zählt sie zu den führenden
Modedesignern Großbritanniens und bekleidet u. a. Tina
Turner, die Rolling Stones und
Faye Dunaway. Auch bei Norman Foster befinden sich zwei
Hamnett-Mäntel im Schrank;
was vielleicht ein Grund war,
sich schnell für den Auftrag
an der Brompton Road zu
erwärmen. Die Frühjahr-/Sommer-Kollektion ‘87 heißt „Chic“
und wird mit Begriffen wie
„Smart, Sharp, Clean, Hard“
beschrieben. Die Mode ist
gekennzeichnet durch gerade,
klare Linien, bevorzugtes Material ist Baumwolle. Funktio-
nalität und Bequemlichkeit in
Verbindung mit diskreter Eleganz bestimmen die Entwürfe,
die zeitlos modern und nicht
kurzfristigen Trends unterworfen sein sollen.
Kleidung hat die Funktion
einer zweiten Haut, hinter der
man sich verbergen kann, mit
der man verschiedene Rollen
annehmen kann und nach der
man erst einmal beurteilt wird.
„Du kannst den Musikgeschmack der Leute an der Art,
wie sie sich anziehen, erkennen.
Du kannst sagen, was sie
wählen. Wenn du jemanden
siehst, der nur Sachen von Pierre Cardin trägt, sieht er aus wie
ein Sozialist?“ Katharine Hamnett hat schon früh erkannt, wie
wichtig es ist, die politischen,
kulturellen und sozialen Aspekte
der Mode in ihr Konzept einzubeziehen. Mit ihrem aktuellen
Katalog kreiert sie einen freigeistigen Menschentyp, sexy und
suspekt. Es sollen Bedürfnisse
geweckt werden, die weit darüber hinaus gehen, sich neu
einzukleiden.
Betrachtet man die Kultur geschichte der Kleidung, so
wurde Mode immer nur von
einem relativ kleinen Personenkreis im jeweiligen Zeitalter bestimmt. Bis zur französischen
Revolution war der Adel tonangebend. Im 19.Jahrhundert trat
das internationale Großbürgertum hinzu. Kleidung war Ausdruck der Zugehörigkeit zu
einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht. Diese Verhältnisse haben sich heute verschoben. Die Art, sich zu
kleiden, reflektiert eine Geisteshaltung, eine Lebensauffassung.
Mittels der „zweiten Haut“ wird
Protest an bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen ausgedrückt, sie ist sowohl Statussymbol wie der Versuch, eine
Wunschvorstellung zu realisieren. Besonders jüngere Menschen, die in zunehmendem
Maße nach festen Bezugspunkten in einer immer anonymer
werdenden Umwelt suchen,
benutzen auch die Kleidung
dazu, ihre Vorstellungen und
Ziele zu demonstrieren. Mode
entsteht nicht am Zeichenbrett
des Designers, sondern aus den
unterschiedlichsten Bedürfnissen der Menschen. Sie frühzeitig zu erkennen, aufzugreifen
und zum Modetrend zu verarbeiten, ist Aufgabe des Mode designers.
Das auf Expansion bedachte
Unternehmen HamnettBertelsen scheint auf dem richtigen Weg zu sein, denn Katharine Hamnett „has always understood ‚The Street“‘.
21
Die Architektur nach Foster,
Rogers und Stirling
Eine Ausstellung in der Royal Academy
of Arts, London
Beleuchtung:
Ausstellungsteil Foster und Rogers: ERCO
Ausstellungsteil Stirling: Museumsbestand, Fabrikat Concord
Die erfolgreiche Ausstellung „New Architecture: Foster, Rogers, Stirling“, die von
Oktober bis Dezember 1986 in der Royal
Academy zu sehen war, markiert einen
Wendepunkt in der britischen Nachkriegsarchitektur. Einerseits zeigte die Ausstellung
den täglich rund 2000 Besuchern, daß nicht
unbedingt jene Spitzensportler, über die sie
so viel in ihren Zeitungen lesen, die wahren
Champions sein müssen, sondern ein paar
Architekten mittleren Alters, von denen keiner von ihnen je gehört hatte. Andererseits
vermittelte die Ausstellung der Öffentlichkeit zum erstenmal eine Vorstellung davon,
welch atemberaubende Entwicklung HighTech-Architektur seit den Rückschlägen und
der Nichtanerkennung in den siebziger Jahren inzwischen genommen hat.
Aber so aktuell die Ausstellung auch
war, sie präsentierte nicht ein kompromißloses Bild der Architektur des dritten Jahrtausends, das wir in nicht einmal 15 Jahren
erreicht haben werden. Um möglichst viel
aus dem 500 000-Pfund -Budget und der renommierten Lage herauszuholen, widmete
sich „New Architecture dem Werk dreier
Architekten, die außer ihrer Berühmtheit
kaum etwas miteinander gemein haben
(dürften). James Stirling, Norman Foster und
Richard Rogers haben ein internationales
Ansehen erlangt. Jeder von ihnen erhielt die
Goldmedaille des Royal Institute of British
Architects. Wenn man auch die Bedeutung
ihrer Werke nicht hoch genug ansetzen
kann - kein Werk der vorhergehenden Generation englischer moderner Architekten kann
es mit der Bedeutung von Fosters Hongkong and Shanghai Bank, mit dem Publikums- und (Architektur-) Kritikerfolg von
James Stirlings Staats -galerie oder mit dem
Skandalerfolg von Richard Rogers neuem
Lloyds-Gebäude aufnehmen -‚ sollte man
dennoch nicht glauben, die Zukunft der
Architektur sei durch die an den drei Architekten festzumachenden Tendenzen hinlänglich beschrieben.
Der ungeheure Erfolg von Foster,
Rogers und Stirling stellt sich, bei der
schwierigen Frage nach der Zukunft der britischen Architektur, als Teil des Problems
dar. Man ist versucht, die Zukunft jeweils in
ihren Begriffen zu sehen, weil jeder von
ihnen seinen erfolgreichen Weg gegangen
ist. Das wäre ein Fehler. Bereits ein ganz
flüchtiger Blick in die jüngste Geschichte
wird das bestätigen. Um jemanden zu finden, der dem Rang von Stirling,
22
Rogers und Foster gerecht wird, müssen
wir um mehr als ein halbes Jahrhundert
zurückblicken; zu Sir Edwin Lutyens und seinen Planungen für Neu Delhi - oder noch
weitere hundert Jahre zurück - zu Sir
Joseph Paxton und dem Kristallpalast. Doch
in keinem der beiden genannten Fälle könnte man behaupten, daß die weitere Entwicklung dem durch sie vorgegebenen Weg
gefolgt wäre.
Die Architektur des dritten Jahrtausends wird das Produkt aus der Kombination von vorhersehbaren und unvorhersehbaren Veränderungen sein. Einige werden
mit dem jüngsten Werk von Foster und Rogers angedeutet, einige sind in Stirlings
Schaffen verborgen, einige sind das Ergebnis sozialer, technischer und ökonomischer
Entwicklungen, die von außen her auf die
Architektur einwirken. So antwortete Richard Rogers auf die Frage, wie die Architektur des nächsten Jahrhunderts aussehe:
„Auf jeden Fall wird sie viel komplexer sein,
als Sie denken.“ Um diese neue Komplexität aufzuzeichnen, müssen wir mit einer
Bestandsaufnahme der Gegenwart anfangen.
Britische Architektur besteht heute im
wesentlichen aus drei erkennbaren Stilrichtungen, die durch die Auflösung des
Konsens der Moderne entstanden sind:
High-Tech-Architektur, eine Stilrichtung, die
neue Methoden und Materialien in den Bauprozeß integriert und damit dem Hauptprinzip der Moderne folgt; die postmoderne
Architektur, ein Entwurfsansatz, der historische Elemente, die von klassischen Motiven bis zum Art Deco der 30er Jahre reichen, zu vereinigen sucht; und die LowTech- Architektur (in Großbritannien unter
dem Begriff „Community Architecture‘
geläufig), eine Bewegung, die ihre Anregungen und Methodik aus lokaler Bautradition und der Kommunalpolitik bezieht.
Diese drei klar identifizierbaren Tendenzen
stehen nicht nur in einer fortwährenden
Norman Foster geboren am 1. Juni 1935 in
Manchester. Ausbildung an der University of
Manchester und der Yale University of
Architecture. Bekannteste Projekte:
Renault Zentrallager in Swindon (1983) und
Hongkong and Shanghai Bank (1986).
Konkurrenz, um einen größeren Anteil am
Baumarkt zu erlangen. Auf jede von ihnen
wird Druck durch das eigene unmittelbare
Umfeld und durch wirtschaftliche, technische und politische Einflüsse von außen
ausgeübt. So, wie das Beispiel der Praktiker
von heute, wird auch die Summe dieser
Evolutionszwänge die Form der Architektur
in der Zukunft diktieren.
Ganz oben auf der Liste der von außen
auf die Architektur einwirkenden Zwänge
steht die Bedrohung, von unternehmerischen oder politischen Unternehmungen
aufgesaugt zu werden, was High-Tech, Postmoderne und der Low-Tech- Architektur gleichermaßen entgegentritt. Im Falle der HighTech-Architektur stellt der Verlust der persönlichen Kontrolle über den Bauprozeß das
größte Risiko dar - und nicht so sehr Mißfallen in der Öffentlichkeit (an dieser Art von
Architektur). Architekten wie Norman Foster
und Richard Rogers arbeiten auf einem
Gebiet, in dem spezialisierte Hersteller,
technische Berater und große Bauunternehmungen mehr wirtschaftliche Schlagkraft
aufbieten als die Architekten selbst. In
Großbritannien besteht ein Übereinkommen,
wonach der Architekt der Leiter des Bauteams ist. Das ist aber eine Vereinbarung,
die nur durch den Bekanntheitsgrad des
Architekten mit Inhalt gefüllt wird. Im Fall
von Richard Rogers‘ Lloyds-Gebäude wählte
die große Versicherungsgesellschaft ihre
Entwicklungsberater - nämlich das Ingenieurbüro Arup Associates -,‚ bevor sie den
Architekten ausgewählt hatte. Und zwei von
den drei Preisträgern des beschränkten
Wettbewerbs haben schon vorher mit
genau demselben Ingenieurbüro zusammengearbeitet. Es wäre nur noch eine geringfügige Veränderung notwendig, um diese
heikle Balance endgültig zu verlagern.
Sollte dieses passieren, würden wir bald
bedeutende Gebäude sehen, die nicht
mehr als das Ergebnis individuellen Entwerfens anzusehen sind, sondern quasi
als Industrieprodukte - wie neue Autos
und neue Computer.
Abgesehen von dieser Verdrängung
durch anonymer werdende Entwurfs- und
Bauabläufe gibt es noch andere Bedrohungen, die dem Status des freien Architekten
gefährlich werden können. Der Einzug der
Computer-Technologie in die Architektur büros gefährdet nicht nur die Existenzgrundlage vieler Architekten, schlimmer:
Die (Architekten-)Fachsprache selbst wird in
zunehmendem Maße von der ComputerIndustrie verwandt - und zwar so sehr, daß
es durchaus denkbar ist, das Wort „Architektur“ in Wörterbüchern des 21. Jahrhunderts unter dem Stichwort „Computer“
subsumiert zu finden. In diesem Zusammenhang sollten wir die Prognosen, die
1985 von Mc Graw Hill dem TechnologieAusschuß des Kongresses der Vereinigten
Staaten vorgetragen wurden, sorgfältig
betrachten. Mc Graw Hill sagte voraus, daß
die CAD-Entwicklung und die Kosten ermittlung und Ausschreibung mit Computerhilfe im Jahr 2000 das Tätigkeitsfeld
von 80% der 80 000 praktizierenden
Architekten in den Vereinigten Staaten
ganz gravierend verändert haben werde.
Auch werden „Einmannbüros“,die im
Bereich Low-Tech oder Community Architecture arbeiten, also fast ausschließlich
von kostengünstigem Wohnungsbau oder
innerstädtischen Sanierungsobjekten leben,
einem ähnlich be-denklichen Schicksal nicht
entrinnen können. Zugunsten des
weniger strittigen Begriffes „Kooperatives
Bauen“ bereits des Namens Architektur
beraubt, steht Low-Tech gleichsam für Deprofessionalisierung. Diese Tendenz zum
„Jeder-kann-Mitmachen“ ist schwerwiegender und ernster zu nehmen als im Gegensatz dazu die Berufung so manchen Vertreters der Postmoderne oder des High-Tech
auf einen Entwurfslehrstuhl. Low-TechArchitektur steht und fällt mit der Beteiligung des Nutzers am Entwurfs- und (Selbst)Bauprozeß. Beides schränkt die erlernte
und übliche Arbeitsweise des Architekten
ein. Die Entwicklung hin zum Massenprodukt für den Baumarkt hat schon viele
Handwerksberufe ihrer eigentlichen Handfertigkeiten beraubt und wird schnell eine
Situation erzeugen, in der die von der
Gemeinschaft benötigten architektonischen
Fähigkeiten gegenüber der Forderung nach
Unterstützung in Genehmigungs- und Bauabwicklungsfragen völlig ins Hintertreffen
geraten. Folglich ist auch kaum anzunehmen, daß dabei in technischer Hinsicht innovative Ergebnisse zu erwarten sind. In die
Architekturgeschichte wird das Kooperative
Bauen wohl kaum als Architektur eingehen.
Zusätzlich zu dem Risiko der Einverleibung, das die führenden Vertreter der
postmodernen Architektur bedroht, steht sie
einer einzigartigen Gefahr ganz anderer Art
gegenüber. In Ermangelung konstruktivräumlicher Ehrlichkeit, wie sie der HighTech-Architektur mit ihrer funktionalen
James Stirling, geboren 1926 in Glasgow
Ausbildung an der Liverpool School of Architecture und der University of London.
Pritzkerpreisträger 1981. Bekanntestes Projekt: Staatsgalerie in Stuttgart (1984).
23
Logik zu eigen ist, wird eine Architektur aus
historischen Zitaten und witzigen historischen Anspielungen sehr schnell zur
bloßen Oberfläche. Eine postmoderne Fassade kann ein technisch hoch entwickeltes
Interieur enthalten - so wie beim 1982 von
Terry Farrell umgebauten Tvam- Gebäude;
oder bei dem jüngsten Projekt von James
Stirling (auf einem Teil des früheren Mansion House Square, einem Platz in der City
von London) mit seiner papierdünnen Verkleidung aus Stein und seinen kulissenartigen (Bossen-) Rundbögen. Doch die Postmoderne hat keine ihr eigene Bauform oder
Bauweise. Sofern ihre trickreichen Fassaden
nicht bloß als Hüllen für funktionale Räume
im Innen -bereich benutzt werden, wird entweder die Benutzbarkeit beschnitten, oder
die Postmoderne beschränkt sich auf „vornnachindustrielle“ Gebäudetypen wie z. B.
Wohnhäuser, Galerien und Museen. Gerade
wegen dieses Mangels an Substanz würde
auch der enthusiastischste Besucher der
Stuttgarter Staatsgalerie zugeben, daß der
spielerische Effekt von Stirlings riesigen
rosafarbenen Knackwurst-Handläufen, den
knallfarbenen Lüftungs- „Schnorcheln“ die
an Jacques Tatis „Mon oncle“ erinnern, und
die grünen Glasfassaden alle historischen
Elemente des Gebäudes erdrücken. Das
Gebäude ist weder alt noch neu, es ist ein
Schwindel. Alle postmodernen Gebäude
sind umgeben von dieser Aura der NichtEchtheit: Das erinnert an die Zweifel, die
bei der Frage nach dem Ursprung manch
teurer Gemälde auftauchen.
Unglaubwürdigkeit ist der Grund dafür,
daß der größte Feind der postmodernen
Architektur in Großbritannien nicht die
Zukunft, sondern die Vergangenheit ist.
Nach einem Jahrzehnt des Kräftesammelns
ist man nun - mit einer wachsenden Postmoderne-Flut nicht mehr damit zufrieden, in
sonst moderne Gebäude Schrägdächer und
historische Versatzstücke zu integrieren.
Nun ist wieder das „absolut
lich zu Selbsthilfe- oder Gemeinschaftsprojekten abgleitet und der Baumarkt immer mehr mit papierdünnem Postmodernismus für die „Puppenstubensanierung“
überschwemmt wird, ist - daran gemessen
-vergleichsweise harmlos. Die Zukunft
der Architektur als eine selbständige Disziplin im historischen Sinne obliegt den
Erben der modernen Bewegung, die damit
fortfahren, Materialien und Methoden ihrer
jeweiligen Zeit der Baukunst anzupassen.
Was ist dann die Wirkung ihres eigenen
Beispiels?
Bei Richard Rogers und Norman Foster
wird die klare Sprache moderner Technologie nicht von vordergründigem Fassadendenken verstellt, In dieser schöpferischen
Ehrlichkeit liegt im Grunde ihr ausschlaggebender Einfluß auf die Architektur der
Zukunft. Aber auch in diesem Punkt gibt es
sogar noch einen Unterschied im Werk der
beiden Leute. Das Lloyds Gebäude von
Richard Rogers ist ein technologischer
Von Norman Fosters Hongkong and Shanghai Bank muß gesagt werden, daß in ihr all
das erstklassig verwirklicht wurde, mit dem
sich Richard Rogers kaum abgegeben hat.
Die Bank ist das teuerste Gebäude unserer
Zeit. Es ist viermal so teuer (aber dreimal so
groß) wie das Lloyds Gebäude und vierzigmal so teuer wie die Staats -galerie. Aber es
ist kein Bauwerk, das einen (Architektur-)
Kritiker dazu verleiten könnte, zu fragen,
wohin denn das Geld geflossen sei, oder
aber spöttisch darauf hinzuweisen, wofür es
ausgegeben wurde. Nämlich für das noch
nie dagewesene, komplizierte und sorgfältig
detaillierte System der Verkleidungen,
das vom Architekten entwickelt wurde,
um für die Innenräume einen Grad an Vollendung zu erreichen, den das Lloyds Gebäude einfach nicht hat. Im Gegenteil, wie
jeder Besucher bestätigen wird, liegt die
Lektion der Hongkong and Shanghai
Bank gerade darin, daß alle derartigen
Bauwerke im 21. Jahrhundert noch teurer
werden und noch sorgfältiger detailliert sein
müssen, als sie es jemals waren, wenn sie
die Vollendung in Funktion und Innen -raumgestaltung erreichen sollen; denn das allein
wäre eine Garantie dafür, daß der Architekt
auch weiterhin als individuelle, kreative Kraft
in der anonymer werdenden Welt von morgen agieren kann. In diesem Sinne war die
Leistung Norman Fosters, der bei seinem
Bau mit logistischen Schwierigkeiten zu
kämpfen hatte, die kaum geringer gewesen sein dürften als die des Falkland - Feldzuges, und der zur Planung auch nicht
mehr Zeit hatte, als für das Lloyds Gebäude benötigt wurde, dazu bestimmt, eines
hervorzubringen - und zwar unabhängig
vom Preis: ein prachtvoll und perfekt detailliertes Beispiel fortgeschrittener Technologie
in der Architektur, welches in Präzision und
Komplexität mit den edelsten Beispielen
aus Automobil- und Raumfahrtdesign
verglichen werden kann.
„Kraftakt“, der unvermeidlich zum Inbegriff
der globalen Finanzwirtschaft des 21. Jahrhunderts werden wird; so wie die dunklen,
unmenschlichen Fabriken in Lancashire den
Geist eines früheren industriellen Zeitalters
heraufbeschwören. Kein Zweifel, Rogers
hätte die „ Haut-und-Knochen- Architektur“
mit Stirlings Bossenmauerwerk und Rundbögen verschönern können. Kein Zweifel, er
hätte das Lloyds Gebäude verschwenderisch in Auto-Design-Manier verkleiden können, er hätte es nach allen
Regeln der Kunst ausstatten und mit kostbaren, benutzerfreundlichen Innenwandverkleidungen versehen können, wie es Norman Foster mit dermaßen hohen Kosten für
die Hongkong Bank entwickelte, um sie
menschengerechter zu gestalten - aber er
tat es nicht. Das Werk Rogers´ ist inszenierte Ingenieurbaukunst mit dem Zweck,
darin zu leben, eine Art von Bastelei des 21.
Jahrhunderts, ausgeführt mit qualitativ
hochwertigen und teuren Materialien.
Die Ausstellung in der Royal Academy of
Arts in London lockte in der Zeit vom 3. 10.
bis 21. 12. 1986 mehr als 100 000 Besucher
an. Eines der Ausstellungsstücke war eine
Zukunftsvision von Richard Rogers unter
dem Titel „London as it could be“.
Es läßt sich nicht leugnen: Verglichen mit
der Hongkong Bank wirkt das Lloyds Gebäude ungehobelt und die Staatsgalerie trivial.
Norman Fosters Gebäude hat nur einen Fehler, nämlich in der entferntesten Ecke und
zudem auf (politisch) unsicherem Boden zu
stehen. Wenn es dort stünde, wo sich das
neue Lloyds Hauptquartier heute befindet,
könnte die Hongkong and Shanghai Bank
mit vollem Recht für sich den Anspruch
erheben, eines der drei großartigen Bauwerke des 20. Jahrhunderts zu sein.
Einen noch größeren Einfluß auf die
Architektur des 21. Jahrhunderts kann ein
Gebäude schließlich gar nicht haben.
ein Areal mit verborgenem architektonischem Witz hingegen ist es nicht.
Dieses sind die wesentlichen Parameter, die auf die Architekturentwicklung der
nächsten 15 Jahre einwirken werden. Für
die High-Tech-Architektur wird der Kampf
gegen die Anonymität des Planungsablaufs
zum entscheidenden Anliegen werden,
denn die Verdrängung des Architekten aus
seiner federführenden Rolle hat längst begonnen. Daß Low-Tech-Architektur allmäh-
Echte“ gefragt: Die wahre klassische
(Revival-)Architektur aus den Musterbüchern
des 18. Jahrhunderts wird (ab-)gezeichnet
und mit traditionellen Materialien gebaut.
Hinter dieser Forderung steckt die Berechnung der 6 Milliarden £ schweren TouristikIndustrie genauso wie das Herz der Romantiker. Für beide Tendenzen ist ein Disneyland mit „echten“ Georgian buildings,
eingebettet in einen „Technologiepark“,
eine gut zu verkaufende Ware;
24
Richard Rogers, geboren am 23. Juli 1933 in
Florenz als Sohn englischer Eltern. Ausbildung an der Londoner Architectural Association und der Yale University of Architecture. Bekannteste Projekte: Centre Georges
Pompidou (1978) zusammen mit Renzo
Piano und Lloyd‘ s Bank (1986).
Martin Pawley
25
Wallraf-RichartzMuseum/
Museum Ludwig,
Köln
Architekten: Peter Busmann,
Godfrid Haberer, Köln
Beleuchtungsplanung:
Lichtdesign, Köln
Was ist länger als der Kölner
Dom, tiefer als der Rhein und zu
groß für dessen Brücken? Die
Antwort auf diese in Köln häufig
gestellte Frage ist einfach, zumal
für Kölner. Es ist das neue Wallraf-Richartz- Museum/Museum
Ludwig. Neben Karneval, Kirche
und Klüngel haben sich damit
Kunst und Kultur in Köln endgültig etabliert.
Der Neubau zwischen
Dom und Strom markiert den
vorläufigen Höhepunkt eines
Jahrzehnts, das Deutschland
durch eine Vielzahl von Museumsneubauten geprägt hat.
International renommierte
Architekten wie Hans Hollein,
James Stirling und Richard
Meier waren an dieser Entwicklung mit beteiligt. Es scheint
der Baumassen des neuen Wallraf-Richartz- Museums an das
Römisch-Germanische Museum
und den Sockelbereich des Domes. Hierdurch wird in entscheidender Weise die Maßstäblichkeit in dieser Zone neu geschaffen. Eine weitere wirksame Konsequenz dieser Entscheidung ist
ein beträchtlicher Freiraum zwischen neuem Museum und
Rhein. Der verfügbare Stadtraum
wird in zwei unterschiedlich ausgeprägte Bereiche gegliedert.
Dadurch gewinnt der Verfasser
ausreichende Möglichkeiten,
sowohl dem Museum angemessene Freiräume zuzuordnen, als
auch den Übergang zur offenen
Rheinlandschaft zu gewinnen.
Die Anordnung der Baumasse ist geschickt so gewählt,
von „Kultur-Jogging“ sprechen;
das gestiegene Angebot an
Kunst und Kultur scheint den
Bedürfnissen der Menschen
gerade zur rechten Zeit zu
kommen.
Die Kommunen haben im
Wettbewerb um Platz eins unter den Kulturstädten dieses
Landes weder Kosten noch
Mühen gescheut. Die Kölner
städte an den Rhein vergeben
worden.
Zehn Jahre haben die
Kölner dafür gebraucht und
insgesamt wurden 530 Millionen DM dafür ausgegeben.
Davon wurden 280 Millionen
für die reinen Hochbaukosten
und 32 Millionen für die Freianlage aufgewendet. Den Rest
verschlangen städtebauliche
industriellen Wertes zu den
kostbarsten gehörte, der in
deutschen Landen noch zu vergeben war. „Ein Ort, der städtebauliche Experimente oder
architektonisch kurzlebige
Moden scheut wie der Teufel
das Weihwasser und irreparable
Fehler nicht verzeiht.“
Von Beginn an hat das
heute fast 2 000jährige Köln
Frank Stella´s „Ctesiphon III“
und Richard Long´ s „A Crossing Place“, ein Kreuz aus Steinen auf dem hellbraunen
Hirnholzpflaster aus amerikanischer Eiche, sind mit
Leuchtstofflampen und ERCO
Druckgußstrahlern beleuchtet.
für zwei unbekannte Kölner
Architekten: Peter Busmann,
ein Schüler Egon Eiermanns,
und Godfrid Haberer.
Die Begründung für die Vergabe des 1. Preises an die beiden damals noch recht jungen
Architekten ist einem Protokoll
zu entnehmen: „Wesentliches
Merkmal des Entwurfes ist ein
mutiges Heranrücken
daß sowohl Anschlüsse an die
Altstadt wie auch an die Bahnhofsanlagen erreicht werden.
Daraus ergibt sich außerdem als
Vorteil eine niedrig gehaltene
Mittelpartie, die den Durchblick
zum Dom freihält. Da an dieser
Stelle außerdem der Hauptzugang zur Bauanlage angeordnet
ist, wird die Höhenentwicklung
auch für die Orien-
so, als sei der Besuch von
Museen zur liebsten Freizeitbeschäftigung der Deutschen
avanciert. In vielen Städten
werden die Museen stärker besucht als die Fußballstadien.
Vor allem fällt auf, daß der
Großteil der Museumsbesucher
junge Menschen unter 30 Jahren sind.
Auch wenn Kritiker schon
Gestaltungsmaßnahmen, Verlegung des Zentralomnibusbahnhofs, der neue Rheinufer tunnel, Sicherung der Hohenzollernbrücke und Maßnahmen
zur Änderung der Nutzungsstruktur. Dafür bekamen die
Auftraggeber 260 000 m³ umbauten Raum und 25000 m²
Nutzfläche. Und das an einem
Platz, der ungeachtet seines
bringen nun mit ihrem neuen
Museumskomplex ein neues
Zugpferd in dieses Rennen, das
vergleichbaren Plätzen wie
Stuttgart, Frankfurt oder Düsseldorf zunächst wohl das Nachsehen gibt. Mit dem größten
Museumsneubau der Bundesrepublik seit deren Gründung
ist gleichzeitig Platz eins der
Rangliste deutscher Kultur -
26
bewerbs im Jahre 1976 wohl
einen Mittelweg gesucht hat.
An dem Wettbewerb haben
sich in- und ausländische Architekten beteiligt. 63 Entwürfe
gingen ein. Unter den Teilnehmern so klangvolle Namen wie
Oswald Mathias Ungers, Gottfried Böhm und James Stirling.
Die Jury entschied sich aber
nicht für die Arrivierten, sondern
sein Zentrum in dem Bereich
gehabt, den heute Dom, Rathaus, Heumarkt und Rhein
abstecken. Hier dokumentiert
sich gleichsam der „ewige
Grundriß,“ dieser Stadt. Im letzten Weltkrieg wurde gerade
dieses Zentrum bis zur Unkenntlichkeit zerstört. 95 %
aller Bauten versanken in
Trümmern.
Nach und nach hat man
alles wieder aufgebaut. Dabei
war die alte Streitfrage wieder
entbrannt, ob der Dom frei wie
eine Skulptur stehen müsse
oder ob die Grundstücke rund
um den Dom wie im Mittelalter
dicht bebaut werden sollten.
Wer die heutige Lösung in
Augenschein nimmt, wird sie
eher „mittelalterlich“ finden,
auch wenn die Jury des Wett-
27
Die Realisierung dieses ehrgeizigen Pro jektes war mit technischen Schwierigkeiten
nur so gespickt. Nebenan der Kölner Hauptbahnhof und die Hohenzollernbrücke, über
die alle zwei Minuten ein Zug rollt. Der Plan
der Architekten sah vor, die Rampe der im
Krieg zerstörten Straßen -brücke abzutragen.
Dies machte eine neue Abstützung des
Bahndammes erforderlich. Dazu kam die
vielbefahrene Rheinuferstraße, die jetzt in
einem Tunnel schräg durch die Brückenpfeiler hindurch verläuft. Da sich die Sohle des
neuen Bauwerks drei Meter unter dem
Wasserspiegel des Rheins befindet, mußte
eine verankerte Betonwanne gebaut werden, damit das Grundwasser das Gebäude
nicht auftreibt.
Das Ergebnis, am 9. September 1986
feierlich seiner Bestimmung übergeben,
sehe von weit oben aus, „als sei gerade
eine Schafherde dem Dom entlaufen und
renne in zwei unterschiedlich großen
Das künstlerische Schaffen Pablo Picassos
ist im Museum Ludwig durch Werke, die er
zwischen 1901 und 1970 schuf breit dokumentiert.
tierbarkeit zum Vorteil. Der Besucher nimmt
das Bild des Bauwerks mit in den Eingangsbereich und kann sich von dort aus auch im
Inneren gut zurechtfinden.“
Noch im selben Jahr - 1976 - erhielten
Busmann und Haberer den Auftrag, das
mächtige Bauwerk zu entwerfen. Von
Anfang an war klar, daß es ein besonderes
Bauwerk werden würde, keines wie die
anderen. Was dort zwischen Dom und
Rhein Gestalt annehmen sollte, muß sich
In der Museumspädagogik wird die Tradition
des alten Wallraf-Richartz- Museums fortgeführt. Die von Markus Lüpertz 1985
geschaffene Bronzeplastik „Titan“ ist in der
Eingangshalle zu sehen.
auch übermorgen noch sehen lassen
können. Auf keinen Fall durfte das Gebäude dem Dom architektonisch zu nahe
treten und sollte dennoch Würde ausstrahlen.
Es ging aber nicht nur um Gebäudearchitektur, sondern um Städtebau, denn
durch den neuen Museumskomplex sollte
ein Verbindungsglied zwischen Dom, Altstadt und Rhein, öffentlichem Straßennetz
und Fußgängerzone geschaffen werden.
Führungen und Galeriegespräche werden
für Schulklassen, Erwachsenengruppen und
Weiterbildungsinstitute angeboten. Für Senioren und Kinder finden regelmäßig offene
Führungen statt.
28
„Der Bahnhof von Perpignan“ ist ein Spätwerk von Salvador Dali Er schuf es 1965 auf
einer Leinwand von 295x 406 cm.
29
Gruppen den Hügel hinab zur Tränke: zum
Rhein“, verglich Mathias Schreiber in der
FAZ.
Gemeint sind damit die keilförmigen
Gebäudegruppen, die mit grauem Titan-Zinkblech überzogen sind und ihren Haupt effekt den abgerundeten Shed- Dächern mit
den schrägen Fensterbändern verdanken.
Die Shed- Dächer liegen parallel zur OstWest-Orientierung des Domes und verwandeln das riesige Dachareal in eine Landschaft aus Licht und Schatten. Die Dächerfolge ist identisch mit der Raumgliederung
im Inneren. An der West -seite des
Museums gibt es Glaswände, die den Blick
auf den Dom freigeben und ihn sozusagen
in die Ausstellung mit einbeziehen. Unter
den Sheds, also vor allem im Trakt des
Museums Ludwig, fließt mildes Nordlicht
auf die Wände.
In den Tageslichträumen der Museen
muß dem Licht in seiner Stärke, Richtung
und Stimmung sowie seiner Gleichmäßig-
Das Konzept der Museumspädagogen bezieht auch Kinder mit ein. Aber Kunst kann
nicht nur ein Genuß, sondern auch anstrengend und ermüdend ob der Fülle der
Eindrücke sein. Nicht nur für Kinder.
auf Ausstellungsflächen können zusätzlich
durch Sonnenschutzrollos korrigiert und in
besucherfreien Zeiten gemindert werden.
Trotz der einseitigen Lichtführung in den
Oberlichträumen zeigen die Wände durch
die lichtstreuende Wirkung der runden
Gegensheds eine Helligkeitsdifferenz von
nicht mehr als 1:2 und eine Licht -stimmung, die dem Tageslichtverlauf entspricht
und in seiner Gleichmäßigkeit das Auge
angenehm berührt.
Entsprechend dem Tageslicht hat das
Kunstlicht sowohl im Museums- wie im
Konzertsaalbereich gleiche hohe Bedeutung.
In den Shed-Tageslicht- Räumen wurde eine
Leuchtstoffleiste mit 4 Leuchtstofflampen
36 W auf jeder Glassprosse so angeordnet,
daß es dem natürlichen Lichteinfall entspricht und die Lichtführung bei natürlichem
und künstlichem Licht gleich bleibt.
Die Kunstlichträume der Museen erhielten 3 Beleuchtungsanlagen, die getrennt
oder sich ergänzend geschaltet werden können. Umlaufende Wallwasherwannen mit
Leuchtstofflampen und zwischenliegenden
Halogen-Einzelleuchtkörpern leuchten die
Wände aus. Eine mittenliegende LichtRasterdecke schafft eine indirekte Beleuchtung zur Veränderung des Lichtes und Vermeidung von Rahmenschatten. Zusätzlich
umlaufende Stromschienen zur Aufnahme
von Einzelstrahlern können einzelne Kunstwerke besonders hervorheben.
Insgesamt machen die Räume einen
praktischen und kunstfreundlichen Eindruck.
Von den drei Ausstellungsebenen hält das
Museum Ludwig mit seiner Kunst des 20.
Jahrhunderts die oberste und unterste
besetzt, was zwei Drittel der gesamten Ausstellungsfläche des Doppelmuseums von 10
000 m² ausmacht. Dazwischen liegt das
Wallraf-Richartz- Museum mit seinen alten
Beständen. 1 500 Kunstwerke aus 8 Jahrhunderten können besichtigt werden, nicht
gerechnet das Foto-Historama und die regelmäßigen Sonderausstellungen.
Aber nicht nur den Augen, auch den
Ohren wird einiges geboten. Unter dem
Museumsplatz, den der israelische Bildhauer Dani Karavan entworfen hat, befindet
sich ein Konzertsaal, der etwa ein Drittel
des umbauten Raumes beansprucht. Er
beherbergt die Kölner Philharmonie, bietet
Platz für 2000 Besucher und ist dem griechischen Amphitheater von Epidaurus nachempfunden. Die Architekten, die beide
selbst ein Instrument spielen, beschreiben
ihre Konzeption: „Am Anfang stand unsere
Idee, die einmalige Chance zu nutzen, bildende Kunst und Musik zueinander in Beziehung zu setzen: Dem im Wettbewerbsprogramm ausgewiesenen ‚Mehrzwecksaal‘
der Museen gaben wir den eindeutigen
Charakter eines Konzertsaales, wo die
Menschen um ein Geschehen, das sie
interessiert, selbst einen Raum bilden.“
Physiker und Musiker sind übrigens mit
der Akustik und dem ästhetischen Raumklima sehr zufrieden.
Abgerundet wird das Angebot an die
Besucher durch Cafeteria, Bücherei, Lesesaal in der Bibliothek, Cinemathek als Filmvorführungs- und Vortragssaal sowie Kreativräume für die Museumspädagogik.
Was die Kölner von ihrem neuen Museum
halten, war schon am ersten Wochenende
klar. Mehr als 40 000 Besucher drängelten
sich an zwei Tagen durch die Gänge und
ließen die Planzahlen der Museumsdirektoren realistisch erscheinen, die mit 2 Millionen Besuchern pro Jahr rechnen.
Die Frage, ob die Stadt mit dem Doppelmuseum einen großen architektonischen
Wurf getan oder sich einen ästhetischen
Mißgriff geleistet hat, ist für Peter Ludwig,
Stifter und Namensgeber in Personalunion,
klar beantwortet: „Ein Bauwerk, das eine
großartige Mitte zwischen Demut und Stolz
hält.“ Und auch Mathias Schreiber von der
FAZ ist zufrieden: „Köln
hat ein gediegenes, in vieler Hinsicht schönes Museum hinzugewonnen. Mit seinen
städtebaulichen, museumsphilosophischen
und architektonischen Widersprüchen läßt
sich wohl leben. Die Rheinländer werden es
benutzen und seine Schwächen durch ihre
angestammte Heiterkeit überstrahlen.“
Ob es denn gar ein Jahrhundertwerk
wie der Dom geworden ist, darüber wird
unsere Nachwelt urteilen.
keit für die Ausstellung der Kunstwerke
ein hoher Rang eingeräumt werden. Alles
Tageslicht der Museumsräume fällt von
schräg oben, durch nach Norden gerichtete
Sheds oder durch senkrechte Nordverglasung, ein. Zu bestimmten Jahreszeiten
mögliche seitliche Sonneneinstrahlungen
im Shedbereich werden durch außenliegende Blechlamellen vermieden, UVStrahlungen durch im Glas eingebaute
Klarsichtfolien gefiltert. Die Lichtstärken
30
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Georg Büchner
Darmstadt, Mathildenhöhe -Juli bis Oktober
1987: Anläßlich des 150.Todestages von
Georg Büchner bereitet die Georg Büchner
Ausstellungsgesellschaft - im Frühjahr 1986
ins Leben gerufen - eine Ausstellung vor,
die umfassend Leben, Werk und Zeit Büchners dokumentieren soll. Auf Spurensuche
begibt sich seine Heimatstadt, in der es
dem Literaten selbst oft zu dunkel und
nebulös war.,,, Isch bin ein armer Schuster,
mein Lämbsche brennt so duster‘, soll er
der Familienüberlieferung nach gern gesungen haben.“ Gemeint ist etwas anderes. In
einer Zeit, die gekennzeichnet war von Fürstenherrschaft, Bauernelend und Kleinstaaterei, nahm Georg Büchner an den politischen Kämpfen in Hessen teil, schrieb die
sozialistische Flugzeitschrift „Der hessische
Landbote“, betätigte sich als „Sozialrevolutionär“ unter dem Motto „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ und floh 1835 nach
Straßburg und Zürich. Seine Werke „Dantons Tod“ und „Woyzeck“ lassen den nur
23 Jahre alt gewordenen Georg Büchner
auch heute nicht in Vergessenheit geraten.
Schlußlichter
Mies van der Rohe
Er entwickelte neue Bauformen von äußerster Einfachheit und harmonischer Klarheit. Stahl und Glas waren sein Metier:
Ludwig Mies van der Rohe, der am 27. 3.
1986 seinen 100. Geburtstag gefeiert
hätte. Für ihn selbst war die Baukunst
„...immer eine ernste Sache. Man hat
die Epochen danach benannt, und so wird
es bleiben.“ Seinen Mut, die Welt (zumindest architektonisch) zu verändern, als
Direktor des Bauhauses in Dessau
(1929-1933), als Leiter der Architektur abteilung der Technischen Hochschule in
Chicago (seit 1938), kommentierte er
selbst mit den Worten: „Keine Hoffnung
zu brauchen, um anzufangen, und keinen
Erfolg zu brauchen, um auszuharren, das
sollte eigentlich das Leitmotiv sein.“ Ein
Leitmotiv, das sein Leben bestimmte, weit
über die Baukunst hinaus.
Innen nach außen gekehrt
Weltfirmen und mittelständische Unternehmen lassen ihre Produktionsanlagen und
Verwaltungsgebäude in zunehmendem
Maße von renommierten Architekten entwerfen, als Teil der Corporate-Design Strategie des Unternehmens. So erhielt das
Ersatzteil- und Reparaturzentrum der
Renault-Werke im englischen Swindon den
1986 erstmals verliehenen „constructaIndustriebaupreis“. Die Entwurfskonzeption
dieses Markenzeichens — die nach außen
verlegte Stahlseilkonstruktion, die materialsparend geformten Stahlstützen und der
nachvollziehbare Kräfteverlauf der Konstruktion - reflektiert den „Geist der Produktion“,
„die technische Intelligenz des dort repräsentierten Produkts Automobil“. Der französische Architekt Auguste Perret definierte
einst die Konstruktion als „das Unterbewußtsein der Architektur“. Ins Bewußtsein
gerückt, ist die Konstruktion im modernen
Industriebau das bevor-
Eclipse
Auch bei dem neuen Niedervolt-Strahlerprogramm Eclipse (Design Mario Bellini)
steht der Gedanke im Vordergrund, komplette Produktsysteme anstelle von Einzelprodukten zu entwickeln. Mit dem EclipseStrahler ist auch der Nichtfachmann in der
Lage, mit dem Licht als Gestaltungsmittel
kreativ umzugehen und so zu individuellen
Problemlösungen zu kommen.
32
Schwere Last
Der Spengler wandert durch die Lande und
bietet seine Waren feil. Er trägt ein Kostüm
aus den Produkten, die er herstellt; Lampen,
verschiedene Gefäße, allerlei Zeug. Was
heute mehreren Berufsgruppen Arbeit gibt,
war früher ein „Ein-MannBetrieb“: Lampenzugte gestalterische Element und stellt eine
besondere Herausforderung an den Architekten dar.
Am Anfang war das Feuer
...mit ihm kam das Licht als nützlicher
Nebeneffekt. Was Zeus angerichtet hätte,
hätte Prometheus ihm nicht das Feuer
gestohlen, ist undenkbar. In der prähisto rischen Zeit, in der sich der Wandel vom
Heidelbergmenschen zum Homo sapiens
vollzog, war das Feuer die einzige Möglichkeit, Licht zu produzieren, obwohl es
in erster Linie zur Wärmeerzeugung gebraucht wurde. Lampen als solche waren
noch völlig unbekannt und auch unwichtig.
Grundlegende existentielle Bedürfnisse
standen im Vordergrund. Obwohl es heute
an hochentwickelten Leuchtkörpern und
ökonomisch ausgereiften Leuchtmitteln
nicht mangelt, bleibt das lodernde Feuer im
Kamin immer noch aktuell und gibt so
manch langem Winterabend die gemütliche
und warme Atmosphäre.
Jede zweite elektrische Leuchte hat
Sicherheitsmängel
Daß die Sicherheitsbestimmungen des
VDE, der skandinavischen Prüfstellen,
der Schweizer, Belgier oder Holländer eingehalten werden, ist bei ERCO selbstverständlich. Alle Leuchten, Leuchtenkomponenten, elektrischen Systeme und
ihre Teile tragen das VDE-Zeichen, soweit
entsprechende Bestimmungen existieren.
Daß dem nicht immer so ist, beweisen
Meldungen, die mit Überschriften wie
„Jede zweite elektrische Leuchte hat
Sicherheitsmängel“, „Gefährliche Leuchten
auf Möbelmesse“ und „Gewerbeaufsicht
ging ein Licht auf“ durch die Presse liefen.
In Rheinland-Pfalz wiesen bei Kontrollen
der Gewerbeaufsicht 174 von 330 überprüften Leuchten sicherheitstechnische
Mängel auf. In Nordrhein-Westfalen fanden
Beamte „erschreckend viele“ Leuchten
mit zum Teil lebensgefährlichen Sicherheitsmängeln. Unzureichende Isolierung,
fehlende Schutzleiter und keine Zugentlastung für die elektrische Anschlußleitung
waren die häufigsten Fehlerquellen.
herstellung und Eisenwarenhandlung unter
einem Dach. Von diesen einfachen Tischlampenformen, bei denen schon eine dekorative
Komponente zu erkennen ist, bis hin zu der
Beleuchtung, wie wir sie heute als selbstverständlich ansehen, ist es noch ein langer
Weg.
Euroshop
Vom 21-25. Februar 1987 fand auf dem Düsseldorfer Messegelände die Euroshop ‘87,
die weltgrößte Fachmesse für Ladenbau
und Schaufensterwerbung, statt. Auf fast
100 000 m2 demonstrierten internationale
Unternehmen marktbestimmende Trends für
Handel und Marketing. Alles, was für die
Einrichtung, verkaufsfördernde Gestaltung
und funktionelle Organisation von Geschäften erforderlich ist,
Leuchtturm
Leuchttürme gab es bereits in der Antike.
Berühmt war der von Pharos, vor dem
Hafen von Alexandria, der schon 279 v. Chr.
die stattliche Höhe von 50 Metern erreichte.
An Küsten, auf Inseln, Untiefen, über Felsen
und im Wasser stehend, blieben sie seit
über 2000 Jahren als weithin sichtbare Seezeichen für die Schiffahrt unentbehrlich, bis
heute einen Hauch von Seefahrer-Romantik
bewahrend. Ebenso lange sorgten Menschen dafür, daß das Feuer auf den Türmen
nicht verlöschte. In Deutschland allerdings
ist das jetzt vorbei. Eine ganze Reihe von
Apparaturen, Computern, Bildschirmen,
Steuer- und Aufzeichnungsgeräten haben
die Leuchtturmwärter ersetzt. Auch die
Arbeit von Ferdinand Denzien (57), Deutschlands letztem Leuchtturmwärter, verrichtet
jetzt ein Automat. Am 30. September 1986
war sein letzter Arbeitstag - da stieg er zum
letztenmal die 52 Stufen zu seinem ArNeonlicht
Sobald die Dämmerung Einzug hält und den
Tag in die Nacht zu verwandeln sucht,
erstreckt sich ein buntes Lichterspektakel
über unsere Einkaufsstraßen. Neonröhren
setzt man vorwiegend in der Werbebeleuchtung ein. An Plätzen der Unterhaltung
und Kommunikation werden mehrfarbige
Neonröhren als dekorative und beleuchtende Elemente plaziert. Die für die 50er
Jahre so typischen Milchbars mit weiß gekachelten Wänden, beleuchtet mit Leuchtstofflampen und Neonröhren zur Dekoration,
eine kühle Atmosphäre erzeugend, stoßen
auch heute wieder auf Interesse.
beitsplatz am Klintbarg über der Eckernförder Bucht hinauf. Ein historischer Tag für
die historische Küste.
„Kunst mit Licht“
Exponate bekannter Künstler wie z. B.
Henry Moore, Ernst Barlach und Terry Haas,
wurden vom 12. Januar 1987 im Bochumer
Stadtwerkehaus präsentiert. Bei der Ausstellung „Kunst mit Licht“ die bis zum 13.
März 1987 zu besichtigen war, handelt es
sich um eine Gemeinschaftsaktion mit dem
Museum Bochum, den Stadtwerken
Bochum und ERCO. Zusätzlich zur Beleuchtung der Kunstwerke, hauptsächlich Bronzeplastiken, Stein -skulpturen, Arbeiten aus
Holz, Metall, Plexiglas und verschiedenen
Kunststoffen, befindet sich im großen
Schaufenster des Stadtwerkehauses eine
Selbstdarstellung des Unternehmens. Im
Jahr 1972 stellten die Stadtwerke Bochum
zusammen mit dem Museum die erste
gemeinschaftliche Kunstausstellung vor. Der
Tradition treu bleibend, sollen in Zukunft
jährlich Ausstellungen dieser Art der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Designer‘ s Saturday
In diesem Jahr beteiligt sich auch ERCO am
Designer‘ s Saturday, der am 16. und 17.
10. 1987 in Düsseldorf stattfindet. Zuerst
nur in New York und London, später in
Amsterdam und Paris, seit 1985 auch in
Deutschland, öffnen bedeutende Einrich-
stand im Mittelpunkt dieser Messe. ERCO
präsentierte auf seinem Messestand Beleuchtung für Verkaufsräume und Schaufenster. Beleuchtung, die dazu beiträgt, Verkaufsräume zu Schauplätzen visueller Faszination, Kommunikation und Begegnung zu
machen. Beleuchtung, die Schaufenster zu
kleinen Bühnen werden läßt, die auf den
Passanten wie optische Magnete wirken.
tungshäuser und Hersteller von Wohn- und
Büroeinrichtungen ihre Pforten, um Architekten, Innenarchitekten, Designer, Studenten und anderweitig Interessierte über ihre
Produkte zu informieren. Ein vielfältiges
Rahmenprogramm sorgt für eine ungezwungene Atmosphäre auf einer Veranstaltung,
die neben sachlicher Information auch die
Möglichkeit zum Gedankenaustausch und
zur Kontaktpflege bietet.
33
Nachtzeit in Lissabon. Melancholisch wie die Lieder Portugals
ist die Stimmung in den Straßen,
auf den Plätzen, in den Parks.
E
ERCO Leuchten GmbH
Postfach 2460
D-5880 Lüdenscheid
Telefon 02351/551-0
Telefax 02351/551300
Telex 826722-0
Teletex 235132
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