Kapitel 2 Beweistechniken

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Kapitel 2
Beweistechniken
Allgemeines
Direkter Beweis
Indirekter Beweis
Beweis durch Widerspruch
Induktion
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 1/20
Allgemeines (1)
James Franklin and Albert Daoud. Proof in Mathematics: An Introduction,
Quakers Hill Press, 1996 / Kew Books, 2011
http://web.maths.unsw.edu.au/~ jim/proofs.html
Why do students take the instruction ”prove”
in examinations to mean ”go to the next question”? Because they have not been shown the
simple techniques of how to do it. Mathematicians meanwhile generate a mystique of proof, as
if it requires an inborn and unteachable genius.
True, creating research-level proofs does require
talent; but reading and understanding the proof
that the square of an even number is even is
within the capacity of most mortals.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 2/20
Allgemeines (2)
Unter einem Beweis versteht man eine Folge von mathematisch korrekten
Schlussfolgerungen, aus denen die Gültigkeit der zu beweisenden Aussage geschlossen werden kann.
Streng: Eine formale Herleitung einer Aussage aus den Axiomen in
einem formalen System
Mindestens: Eine semiformale Herleitung einer Folgerung aus (allen)
Voraussetzungen, bei denen die Einzelschritte gut nachvollziehbar sind
und ggf. auch vollständig im formalen System formuliert werden
könnten
Nicht: Eine schwammig begründete Meinungsäusserung oder ein Votum
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 3/20
Allgemeines (3)
Nützliche Notationen (aus der Logik):
Schreibweise
A∧B
A∨B
¬A
A⇒B
A⇔B
Bedeutung
A und B
A oder B
nicht A
Wenn A gilt, dann gilt auch B
A gilt genau dann, wenn B gilt
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 4/20
Allgemeines (3)
Nützliche Notationen (aus der Logik):
Schreibweise
A∧B
A∨B
¬A
A⇒B
A⇔B
Bedeutung
A und B
A oder B
nicht A
Wenn A gilt, dann gilt auch B
A gilt genau dann, wenn B gilt
Die häufigsten mathematischen Behauptungen sind von der Form:
A⇒B
bzw. A1 ∧ · · · ∧ Ak ⇒ B
Manchmal ist A nicht ausdrücklich angegeben, d.h. implizit, z.B. durch
Grundannahmen (Axiome) gegeben
Manchmal sind auch Äquivalenzaussagen A ⇔ B zu zeigen: In diesem
Fall beweist man A ⇒ B und B ⇒ A
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 4/20
Allgemeines (4)
Um A ⇒ B zu beweisen:
Direkt: Man nimmt an, dass A gilt, und leitet daraus mit gültigen
(formalen) Schritten B ab.
Indirekt: Man nimmt an, dass B nicht gilt, und folgert daraus, dass
dann auch A nicht gilt.
Widerspruch: Man nimmt an, dass A ∧ ¬B gilt, und leitet daraus einen
Widerspruch zu einer gültigen Aussage ab.
Induktion
......
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 5/20
Direkter Beweis
Theorem: Sei n eine nicht durch 3 teilbare natürliche Zahl, dann ist auch
n2 nicht durch 3 teilbar. (Diese Aussage lässt sich auf eine beliebige Primzahl
erweitern)
Beweis:
n ∈ N nicht durch 3 teilbar
=⇒ (∃k ∈ N) [n = 3k + a, a = 1, 2]
2
a
=⇒ n2 = (3k + a)2 = 9k 2 + 6ak +
|{z}
| {z }
durch 3 teilbar nicht durch 3 teilbar
=⇒ n2 nicht durch 3 teilbar
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 6/20
Indirekter Beweis
Grundprinzip:
A⇒B
genau dann, wenn ¬B ⇒ ¬A
Beispiel:
A: es regnet
B: die Strasse ist nass
A ⇒ B gilt: Wenn es regnet, dann ist die Strasse nass
¬B ⇒ ¬A gilt: Wenn die Strasse nicht nass ist, dann regnet es nicht
B ⇒ A gilt nicht: Wenn die Strasse nass ist, dann regnet es
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 7/20
Indirekter Beweis
Grundprinzip:
A⇒B
genau dann, wenn ¬B ⇒ ¬A
Beispiel:
A: es regnet
B: die Strasse ist nass
A ⇒ B gilt: Wenn es regnet, dann ist die Strasse nass
¬B ⇒ ¬A gilt: Wenn die Strasse nicht nass ist, dann regnet es nicht
B ⇒ A gilt nicht: Wenn die Strasse nass ist, dann regnet es
Beispiel: Sei n eine natürliche Zahl. Wenn n2 durch 3 teilbar ist, dann ist auch
n. (Diese Aussage lässt sich auf eine beliebige Primzahl erweitern)
Beweis: Um diese Aussage indirekt zu beweisen müssen wir zeigen: Wenn n
nicht durch 3 teilbar ist, dann ist auch n2 . Dies ist genau die auf der letzten
Folie bewiesene Aussage.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 7/20
Beweis durch Widerspruch (1)
Grundprinzip: reductio ad absurdum
A ⇒ B ≡ (A ∧ ¬B) ⇒ Widerspruch
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 8/20
Beweis durch Widerspruch (1)
Grundprinzip: reductio ad absurdum
A ⇒ B ≡ (A ∧ ¬B) ⇒ Widerspruch
√
Beispiel:
3 ist irrational, d.h. 3 ∈
6 Q. (Diese Aussage lässt sich auf eine
beliebige Primzahl erweitern)
√
Beweis: Widerspruchsannahme 3 ∈ Q
√
√
3 ∈ Q =⇒
3 = pq , p, q ∈ N, p und q sind teilerfremd (∗)
=⇒ 3q 2 = p2
=⇒ p ist durch 3 teilbar
=⇒ (∃k ∈ N) [p = 3k]
=⇒ 3q 2 = 9k 2
=⇒ q 2 = 3k 2
=⇒ q ist durch 3 teilbar
√
Dies ist ein Widerspruch zu (∗)
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 8/20
Beweis durch Widerspruch (2)
Beispiel:
√
√
3 ist irrational, d.h. 3 6∈ Q.
Beweis: Dieselbe Beweisführung, allerdings weniger formal.
√
√
Angenommen, 3 wäre nicht irrational. Dann wäre 3 ∈ Q und es gäbe somit
teilerfremde Zahlen p und q aus N, für die gilt:
√
p
3 =
q
Daraus folgt:
3q 2 = p2
Die Gleichung hat zur Folge, dass p2 durch 3 teilbar ist, woarus folgt, dass auch
p durch 3 teilbar sein muss. Es gibt also ein k ∈ N, so dass p = 3k. Setzen wir
diese Beziehung in die obige Gleichung ein, so erhalten wir
q 2 = 3k 2
Analog zu oben erfolgt nun, dass q 2 und somit auch q durch 3 teilbar ist. Das
bedeutet aber, dass 3 sowohl p als auch q teilt und die Zahlen p und q somit
nicht, wie angenommen, teilerfremd sind – ein Widerspruch.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 9/20
Beweis durch Widerspruch (3)
Grundprinzip für den Fall, dass A nicht (explizit) vorhanden ist:
B ≡ ¬B ⇒ Widerspruch
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 10/20
Beweis durch Widerspruch (3)
Grundprinzip für den Fall, dass A nicht (explizit) vorhanden ist:
B ≡ ¬B ⇒ Widerspruch
Theorem: (Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen.
Beweis: Nehmen wir an, es gäbe nur endlich viele Primzahlen p1 , p2 , . . . , pk .
Dann ist
k
Y
pi + 1
n =
i=1
eine natürliche Zahl und nicht durch p1 , p2 , . . . , pk teilbar.
Da jede natürliche Zahl als Produkt von Primzahlen dargestellt werden kann
(siehe Folie “Induktion (6)”), gilt:
n = pe11 pe22 · · · pekk , für geeignete e1 , e2 , . . . , ek ∈ N0
wobei ein el > 0 existiert. Das bedeutet die Teilbarkeit von n durch pl , einen
Widerspruch zur Definition von n.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 10/20
Beweis durch Widerspruch (4)
Wir können den indirekten Beweis auch als Beweis durch Widerspruch auffassen:
Zu beweisen: A ⇒ B
Schritt 1 (indirekter Beweis): ¬B ⇒ ¬A
Schritt 2 (Widerspruch):
(A ∧ ¬B) ⇒ (A ∧ ¬A) (Widerspruch)
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 11/20
Logische Äquivalenzen
Explizite Voraussetzung A
Direkt
A⇒B
¬A ∨ B
Indirekt
¬B ⇒ ¬A
¬(¬B) ∨ ¬A
≡ ¬A ∨ B
Widerspruch (A ∧ ¬B) ⇒ F ¬(A ∧ ¬B) ∨ F
≡ ¬A ∨ B
Keine explizite Voraussetzung A
Direkt
B
B
Widerpsruch ¬B ⇒ F ¬(¬B) ∨ F
≡B
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 12/20
Induktion (1)
Wir wollen zeigen, dass eine Aussage P (n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ k gilt.
Beweismethode der vollständigen Induktion:
Induktionsanfang (IA, auch Anker genannt): Zeige P (k)
Induktionsschritt (IS): Zeige, dass für alle natürlichen Zahlen n > k gilt:
P (n) ⇒ P (n + 1)
P (n) heisst auch Induktionsannahme oder Induktionsvoraussetzung (IV).
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 13/20
Induktion (1)
Wir wollen zeigen, dass eine Aussage P (n) für alle natürlichen Zahlen n ≥ k gilt.
Beweismethode der vollständigen Induktion:
Induktionsanfang (IA, auch Anker genannt): Zeige P (k)
Induktionsschritt (IS): Zeige, dass für alle natürlichen Zahlen n > k gilt:
P (n) ⇒ P (n + 1)
P (n) heisst auch Induktionsannahme oder Induktionsvoraussetzung (IV).
Warum stimmt das Induktionsprinzip (informell)?
P (k) ist richtig wegen des Ankers
P (k + 1) ist wahr, denn P (k) ist wahr (Spezialfall des
Induktionsschritts)
P (k + 2) ist wahr, denn P (k + 1) ist wahr (Spezialfall des
Induktionsschritts)
···
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 13/20
Induktion (2)
Beweis: Korrektheit der vollständigen Induktion durch Widerspruch
Angenommen, die Aussage P (n) sei nicht für alle natürlichen Zahlen n ≥ k
wahr. Dann exisitiert eine kleinste Zahl n0 ≥ k, für die sie falsch ist. Es gibt
nur zwei Fälle:
n0 = k: Dies wird durch den Induktionsanfang ausgeschlossen.
n0 > k: Wegen der Annahme muss P (n0 − 1) wahr sein. In diesem Fall
hat der Induktionsschritt jedoch zur Folge, dass P (n0 ) richtig sein muss.
Somit kann dieser Fall auch ausgeschlossen werden.
Beide Fälle können ausgeschlossen werden, somit ist die Aussage P (n) für alle
natürlichen Zahlen n ≥ k wahr.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 14/20
Induktion (3)
Der folgende Satz ist benannt nach Carl Friedrich Gauss (1777–1855), der ihn
bereits während seiner Grundschulzeit bewiesen hat.
Theorem: Für alle natürlichen Zahlen n gilt: Die Summe der ersten n natürlichen Zahlen ist gleich 12 n(n + 1).
Beweis: Der Induktionsanfang mit P (1) = 1 ist klar.
n
X
1
i = n(n + 1).
IV: P (n) stimmt, d.h.
2
i=1
Nun zeigen wir, dass auch P (n + 1) stimmt:
n+1
X
i=1
i =
n
X
i=1
i + (n + 1) =
1
1
n(n + 1) +(n + 1) = (n + 1)(n + 2)
2
|2 {z }
IV
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 15/20
Induktion (4)
Manchmal gelingt es nicht, aus der Gültigkeit der Eigenschaft P (n) auf die
Gültigkeit von P (n + 1) zu schliessen. Hier hilft zuweilen das allgemeine Induktionsprinzip, bei dem man im Induktionsschritt zeigt:
Wenn P (n′ ), k ≤ n′ ≤ n, gilt, dann gilt auch P (n + 1).
Beweismethode der allgemeinen Induktion:
Induktionsanfang (IA, auch Anker genannt): Zeige P (k)
Induktionsschritt (IS): Zeige, dass für alle natürlichen Zahlen n > k gilt:
P (k) ∧ P (k + 1) ∧ · · · ∧ P (n) ⇒ P (n + 1)
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 16/20
Induktion (5)
Theorem: (Fundamentalsatz der Arithmetik) Jede Zahl n ∈ N, n ≥ 2,
lässt sich eindeutig als Produkt von Primzahlen darstellen:
n = pe11 · pe22 · · · pekk
wobei p1 < p2 < · · · < pk Primzahlen sind und e1 , e2 , . . . , ek ∈ N.
Beweis: Die Existenz folgt durch Induktion über n.
IA: Für n = 2 ist die Behauptung offenbar richtig.
IS: Wir betrachten eine beliebige Zahl n > 2. Es gibt zwei Fälle:
n ist eine Primzahl: trivial
n ist keine Primzahl: Dann existieren natürliche Zahlen k und m mit
1 < a, b < n, so dass n = ab. Die Induktionsannahme lässt sich nun auf
a und b anwenden, d.h. sowohl a als auch b und damit auch n = km
lassen sich als Produkt von Primzahlpotenzen schreiben.
Recht einfach kann auch die Eindeutigkeit der Primzahlzerlegung gezeigt werden.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 17/20
Induktion (6)
Anwendung: Berechnung von ggT (der grösste gemeinsame Teiler) und kgV
(das kleinste gemeinsame Vielfache)
Für beide Zahlen die Zerlegung in Primfaktoren bestimmen und daraus ggT
bzw. kgV ablesen.
Beispiel:
8712 = 23 · 32 · 112 , 24948 = 22 · 34 · 7 · 11
=⇒ ggT(8712, 24948) = 22 · 32 · 11 = 396
=⇒ gkV(8712, 24948) = 23 · 34 · 7 · 112 = 548856
Für grosse Zahlen ist das Finden einer Primzahlzerlegung allerdings i.A. sehr
schwierig und zeitaufwendig. Für diese sollte man daher andere Algorithmen
verwenden.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 18/20
Induktion (7)
Beispiel: Während eines Turniers spielen n Mannschaften M1 , . . . , Mn nach dem Modus
“jeder gegen jeden”. Dann gilt: Endet kein Spiel unentschieden, so gibt es immer eine
Reihenfolge Mi1 , . . . , Min der Mannschaften, so dass für alle j = 1, . . . , n − 1 gilt:
Mannschaft Mij hat gegen Mannschaft Mij+1 gewonnen.
Beweis: Durch Induktion über n.
IA: Für n = 2 ist die Aussage trivialerweise richtig.
IV: Die Behauptung gilt für alle n′ ≤ n. Betrachten wir nun Mannschaft Mn+1 . Die
anderen Mannschaften teilen wir in zwei Mengen auf: die Sieger-Mannschaften, die gegen
Mn+1 gewonnen haben, und die Verlierer-Mannschaften, die gegen Mn+1 verloren haben.
Beide Mengen enthalten höchstens n Mannschaften und kennen deshalb jeweils eine
Reihenfolge, in der jede Mannschaft gegen die nächste gewonnen hat. Nachfolgend wird dies
durch einen Pfeil veranschaulicht.
M
-
···
Sieger-Mannschaften
-
-n+1 -
-
···
-
Verlierer-Mannschaften
Lösung: Alle Sieger-Mannschaften in der durch Induktion gegebenen Reihenfolge, Mn+1 ,
und dann gefolgt von allen Verlierer-Mannschaften in der durch Induktion gegebenen
Reihenfolge. Diese Reihenfolge erfüllt die gewünschte Eigenschaft.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 19/20
Exkurs: Divide and conquer algorithm
[Wikipedia] Divide and conquer is an important algorithm design paradigm based on recursion. A divide and conquer algorithm works by recursively breaking
down a problem into two or more sub-problems of the same type, until these
become simple enough to be solved directly. The solutions to the sub-problems
are then combined to give a solution to the original problem.
Kapitel 2 “Beweistechniken” – p. 20/20
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