Lea K. Jahrgangsstufe 11 Betreuende Lehrerin: Kordula von Basum Thema I: Erleichtert das Philosophieren das Leben? Ein Studium ohne Abschluss Erleichtert das Philosophieren das Leben? Eine Frage, die erstmals simpel scheint, doch das gar nicht ist. Um uns ihr anzunähern, bedarf es erst einmal einer Definition der Philosophie. Was ist das Philosophieren? Was ist ihre Funktion? Und besonders, was sind die Konsequenzen, die philosophisches Denken mit sich trägt? Der Mensch ist grundsätzlich ausgestattet mit einer naturgegebenen Fähigkeit: der des Nachdenkens. Er kann Dinge hinterfragen, Zusammenhänge zwischen Ereignissen und Handlungen erkennen und so bewusst vorausplanen. Dieses Verständnis beruht auf dem Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Bereits von klein auf erlernt der Mensch, dass auf eine Aktion eine Reaktion folgt. Der Säugling schreit, die Mutter kommt und nimmt ihn auf den Arm. Das Kleinkind drückt auf den großen Knopf, der Fernseher geht an. Das Schulkind macht die Hausaufgaben, es wird von der Lehrerin gelobt. Die menschlichen, planenden Denkprozesse basieren auf diesem einfachen Prinzip. So funktioniert auch die Wissenschaft; Kinder entstehen über die Befruchtung; Merkmale entstehen durch gewisse Gene in unserer DNA. Dieses Prinzip sind wir gewohnt; wir orientieren uns danach und gestalten unser Leben nach diesem Konzept. Wir planen, führen aus und sehen die Konsequenzen von dem, was wir tun. Doch was passiert, wenn es Dinge gibt, die über unsere kognitiven Fähigkeiten hinausgehen? Wenn es Fragen gibt, die wir nicht beantworten können? Bereits in der Antike haben sich Denker mit Fragen auseinandergesetzt, die nicht durch wissenschaftliche Versuche belegt werden können. Fragen wie die nach dem Sinn des Lebens. Wofür leben wir Menschen überhaupt? Wie handeln wir richtig oder falsch? Gibt es einen Gott? Dies sind abstrakte Fragen, die sich nicht leichtfertig beantworten lassen. Unsere Neugierde, die normalerweise durch gewohnte Gedankenkonzepte und Wissenschaft befriedigt werden kann, fordert uns hier dazu auf, zu denken, zu hinterfragen, wo sich kein Zusammenhang erkennen lassen kann zwischen Ursache und Wirkung. Wir wissen nur, dass es uns gibt, kennen jedoch nicht das Warum. Gut, wir könnten uns jetzt damit zufriedengeben, was wir wissen. Wir müssten nicht hinterfragen. Dennoch tun wir es immer und immer wieder. Genau dieses Nachdenken, dieser Versuch die Fragen des Lebens zu beantworten, bedeutet es, zu philosophieren. Demzufolge sind philosophische Fragen solche, die nicht belegend beantwortet werden können, denn unsere Gedankenkapazität reicht häufig nicht aus, um Antworten zu finden. Denn die Philosophie, im Gegensatz zum Beispiel zu der Religion, beantwortet keine Fragen; sie stellt welche. Sie führt daher zu keinem Ergebnis, sondern ist ein Prozess, der die Menschheit bereits seit vielen Jahrtausenden begleitet hat. Je mehr Menschen zusammenkommen und ihre Meinungen über philosophische Themen vertreten, desto weiter entwickeln wir uns. Es ist eine Entwicklung, die unsere Kognition zwar erweitern wird, jedoch kein Ergebnis präsentieren kann. Erleichtert denn diese Entwicklung unser Leben wirklich? Ich möchte hierzu ein paar Fragen stellen: Hat Sokrates damals das Leben der griechischen Gesellschaft mit seinen neuen Denkansätzen erleichtert? Hat Feuerbach mit seinen atheistischen Thesen das Leben der Menschen erleichtert? Hat Marx‘ Gesellschaftskritik es den Menschen leichter gemacht, ihr Leben zu leben? Es ist unbestritten, dass all diese Philosophen einen großen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit bewirkt haben. Sie haben unsere Perspektiven geprägt und erweitert, uns die Grundlagen gelegt, auf denen wir heute aufbauen können. Doch ist dieser Fortschritt eine Erleichterung für uns? Nehmen wir ebendiese Beispiele: Sokrates war ein Mann, der über den Marktplatz von Athen spaziert ist und auf all die Menschen zugegangen ist, die ihm über den Weg liefen. Er hat mit ihnen geredet über sie selber und ihnen selbstreflektierende Fragen gestellt, die die Gesprächspartner eher verwirrten, als dass sie sie angenommen hätten. Es wäre doch viel leichter gewesen, einfach das Leben zu leben und es dabei zu belassen und es nicht zu hinterfragen, nicht wahr? Ludwig Feuerbach, der die These aufstellte, Gott wäre nur eine Projektion der Menschen ihrer Eigenschaften auf eine höhere Existenz, wurde nicht von all seinen Mitmenschen unterstützt. Die Vorstellung, dass es keinen Gott gab und eine solch ausgeklügelte Argumentation haben die Menschen garantiert zum Denken gebracht; es war schwer, sich gedanklich von den Gewohnheiten zu lösen, die man im Gottesglauben hatte. Keineswegs hat hier die Philosophie etwas erleichtert. Karl Marx, der den Kommunismus als ideale Staatsform empfand, die Arbeiter als ungerecht behandelt sah und die Religion als „Opium des Volkes“ bezeichnete, mit der Aufgabe, das eigene Leiden zu legitimieren und die Unterdrückung vonseiten des Adels und des Klerus zu vertuschen, war ein stark kritisierter Philosoph. Seine Ansichten waren scharfe Kritiken, die vielen das Weltbild zerstörten. Zwar waren wahrscheinlich viele dieser Annahmen nicht grundlegend falsch, doch eine Erleichterung waren sie erstmals höchstwahrscheinlich nicht. Diese Beispiele betrachtend, baut jeder Philosoph seine Theorie auf seinen eigenen Ideen auf und entwickelt so eine These, die es noch nicht zuvor in der Form gegeben hat. So entstehen entscheidende Fortschritte; jede Idee regt allerdings zu einer Handlungsveränderung an. Jedes Mal, wenn wir beginnen, auf philosophische Weise über unser Leben nachzudenken, so halten wir uns selbst einen Spiegel vor Augen. Selbstverständlich sehen wir so nicht nur Dinge, die uns gefallen. Zwar bietet uns die Philosophie die Erweiterung unseres Horizonts und eine gedankliche Objektivität gegenüber unserem realen Leben, jedoch offenbart sie uns auch häufig den Blick auf uns selbst, auf die Endlichkeit und die Begrenztheit des Menschen. Wir fragen uns nach dem Sinn des Lebens und reflektieren so auf unser eigenes Leben. Die Assoziation mit dem Tod und unserer mangelnden Ewigkeit ist unvermeidlich. Des Weiteren folgt auf jeden philosophischen Gedanken, der ausgesprochen wird, auf jede Reflektion der Menschheit auch die stumme Forderung zur Handlung. Ein Beispiel wäre die Ethik. Die Moralphilosophie ist eine sehr wichtige, macht uns das Leben allerdings häufig schwer. So ist es zum Beispiel einfacher, immer die billigere Milch zu kaufen, die günstigere Kleidung und das billigere Paket an Grillfleisch. Doch wenn wir einmal aus dem gewohnten Alltagsgedanken heraussteigen, bemerken wir, dass unsere Handlungen nicht unserem ethischen Prinzip entsprechen. Zwar ist die Milch billiger, doch die Kühe werden in Massen gehalten und mit genetisch veränderter Nahrung gefüttert. Die Kleidung ist günstiger, doch wer muss dafür arbeiten? Haben die Schweine, dessen Fleisch wir verzehren, jemals ein Leben außerhalb des Züchtungslagers gehabt? Denkt man über all diese Dinge einmal genau nach, so merkt man, dass doch einige Ereignisse geschehen, die unseren Moralvorstellungen nicht entsprechen und wir fühlen uns zum Handeln angeregt. Das Philosophieren zeigt uns daher Eigenschaften unserer selbst und unseres Lebens, die wir unter Umständen gar nicht sehen wollen. Wäre es demnach denn nicht leichter, einfach nicht nachzudenken? Einfach Dinge zu belassen, wie sie sind? Man stelle sich nur eine Welt vor, die vollkommen simpel wäre. Vielleicht würden wir Menschen gar keine Städte erbaut haben. Wir würden in Kleingruppen leben zum Beispiel, in warmen Ländern, in Höhlen und nichts würde uns in unserem Leben stören können. Wir hätten erkannt, dass es Ursache und Wirkung gäbe, würden diese aber nur in dem Maße gebrauchen, dass sie für uns nützlich sind. Zum Beispiel um wilden Tieren Fallen zu stellen, um sie zu essen, oder für den Winter die Beeren aufzubewahren, weil wir wüssten, dass es dann nicht viel zu essen gäbe. Das wäre ein einfaches Leben, ein leichtes Leben, welches uns nicht dazu zwingen würde, über den Sinn nachzudenken. Weshalb also verfolgen wir nicht diesen einfachen Lebensweg? Eine Entwicklung ist meistens ein Fortschritt; der Weg jedoch, den man gehen muss, um diesen Fortschritt zu erlangen, führt uns aus unseren Gewohnheiten heraus—und diese Tatsache kann es uns schwermachen, erstmals philosophische, innovative Ideen anzunehmen. Entwicklungen sind wichtig für uns, doch sie sind ein Schritt aus dem gemütlichen Gewohnten heraus. Weshalb philosophieren und hinterfragen wir dann, obwohl es häufig zu dem Fordern von Veränderung führt? Nicht alles, was einfach ist, ist auch gut. Selbst wenn es schwierig ist, sich immer in seinem Wesen weiterzuentwickeln, haben wir Menschen die Fähigkeit dazu und nutzen diese auch. Ich möchte allerdings nicht bestreiten, dass eine Entwicklung zu einer Verbesserung führen kann. Ganz im Gegenteil, die meisten Entwicklungen, die insbesondere aus philosophischen Gedanken entspringen, bringen uns langfristig eine Erleichterung des Lebens. Ein Beispiel wäre das Laufen. Ich habe mich dazu entschlossen, um meinen Körper fit zu halten, laufen zu gehen. Natürlich ist es erstmals schwer, mich am Wochenende von der Couch zu erheben, die Sportschuhe anzuziehen und loszulaufen, denn es ist ein Schritt aus der gewohnten Verhaltensweise und somit aus dem gemütlichen Zustand heraus. Auf Dauer jedoch werde ich merken, dass mit der zusätzlichen Fitness, die mein Körper bekommt, mir auch andere Dinge in meinem Leben leichter fallen. Vielleicht verbessere ich meine Note beim Schulsport und habe bessere Laune nach der sportlichen Betätigung. Der erste Schritt also, die erstmalige Umsetzung meines Gedanken, ist schwer und erschwert mir mein Leben so. Die langfristige Konsequenz meiner Entscheidung ist allerdings eine Verbesserung und somit eine Erleichterung. Genauso ist es mit dem Philosophieren. Ein philosophischer Gedanke entsteht meist aus einer Situation heraus, die nicht unseren Vorstellungen entspricht; durch das philosophische Nachdenken wird man zum Handeln angeregt. Dieser Schritt aus dem Gewohnten heraus ist schwer, die langfristige Verbesserung allerdings erleichternd. Das Philosophieren erleichtert uns das Leben demnach nicht direkt—es erschwert es uns erstmals sogar. Die Entwicklung allerdings, die notgedrungen auf das Philosophieren folgt, kann hingegen eine Erleichterung des Lebens mit sich bringen. Daher erleichtert die Philosophie unser Leben auf kurze Sicht nicht, langfristig jedoch führt sie zu einer Verbesserung, die ebenfalls eine Erleichterung darstellen kann. Sobald wir also beginnen, über unser Leben tiefgründiger nachzudenken, erkennen wir erst, wie unaufhörlich Verbesserungspotential in unserer Welt eigentlich ist. Die Philosophie offenbart uns Dinge, die wir teilweise nicht erkennen wollen, und philosophische Fragen lassen sich wahrscheinlich niemals vollständig beantworten. Es wird stets unendlich viele verschiedene Theorien darüber geben, weshalb wir Menschen leben und wie wir leben sollen. Doch es wird mit der gegenwärtigen Entwicklungsstufe unserer Kognition voraussichtlich zu keiner Antwort kommen. Das Philosophieren ist ein ewiger Prozess, der sich mit der Menschheit erhoben hat und mit ihr wieder gehen wird, nicht zu einem Ende kommend. Die Philosophie ist demnach sozusagen ein Weg ohne Ziel, ein Studium ohne Abschluss; doch jeder einzelne Schritt, jedes einzelne Argument der Menschen, die philosophieren, bringen die Menschheit ein Stück näher an die Antwort. Der Mensch hat von Natur aus die Gabe, nachdenken und hinterfragen zu können, und genau das tut er auch. Es existiert in ihm eine unendliche Neugierde, die ihn immer wieder dazu bringt, wissen und verstehen zu wollen. Sie ist ein grundlegendes Bedürfnis, das er hegt, um die Welt zu verstehen und nach seinen Vorstellungen gestalten zu können. Abschließend und all diese Punkte in Augenschein nehmend lässt sich sagen, dass die Philosophie keineswegs eine direkte Erleichterung des Lebens ist, sondern eine auf Entwicklung basierende Verbesserung unseres Lebens und unserer kognitiven Fähigkeiten. Je mehr wir nachdenken, desto mehr können wir erreichen mit den naturgegebenen Fähigkeiten, die wir besitzen. Doch ist es schwer, aus unseren gewohnten Gedankenbildern herauszufinden und uns neuen, aus philosophischen Gedanken entstammenden Ideen zu öffnen, denn es werden immer lediglich Verbesserungen bleiben, die zu keiner endgültigen Perfektion führen. Diese menschliche Entwicklung ist essentiell für unser Wesen. Denn die Philosophie ist seit dem Beginn unserer Existenz ein Teil von uns und wird es immer bleiben, denn, um es mit den Worten Immanuel Kants auszudrücken, die „menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigt alles Vermögen der menschlichen Vernunft“. (Immanuel KANT: KrV A, VII). Ich versichere, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt habe und alle Entlehnungen als solche gekennzeichnet habe.