Max-Planck-Institut für Psychiatrie Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Marcus Ising Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - 1) Stress und Stresshormone 2) Depression als Stresserkrankung 3) Behandlungsansätze bei gestörter Stresshormonregulation 4) Zukünftige Entwicklungen: Personalisierte Medizin Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Stress und Stresshormone Die Stressreaktion • Hans Selye (1936) beschrieb die Stressreaktion als ein universelles mehrphasiges Geschehen beobachtbar bei Mensch, Tier und sogar Pflanze: Nolen-Hoeksema Abnormal Psychology Online Edition Alarmreaktion • Die erste Phase der Stressreaktion ist durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems gekennzeichnet. Schmidt & Thews, 1995 Widerstandsphase • Schwerer oder lang andauernder Stress leitet die Widerstandsphase ein und aktiviert zusätzlich das Stresshormonsystem, das in der Fachsprache als HPA-Achse bezeichnet wird. Funktionen des Stresshormons Cortisol (akut): • Gluconeogenese • Lipolyse • Immunsuppression • Antiinflammatorische Wirkung Ising & Holsboer (2006) Erschöpfungsphase • Chronischer oder intensiver Stress kann zu einer Störung der Stresshormonregulation verursachen. Dies ist das Hauptkennzeichen der Erschöpfungsphase und führt zu Krankheit. Ising & Holsboer (2006) Stresskrankheiten • Stresskrankheiten sind definiert als Erkrankungen, bei denen Entwicklung Ausbruch Verlauf in besonderem Maße durch Stress und dessen neurobiologische Folgen verursacht sind. • Stresskrankheiten sind insbesondere: Psychophysiologische (Psychosomatische) Störungen Herz/Kreislauferkrankungen Erkrankungen des Immunsystems Psychische Störungen Angsterkrankungen Depression Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Depression als Stresserkrankung Gestörte Stresshormonregulation Ising & Holsboer (2006) Plasma Cortisolspiegel und Circadiane Rhythmik • Die Blutspiegel des Stresshormons Cortisol sind bei Depression erhöht und die typischen Tageschwankungen sind abgeflacht (Sachar, 1976). Dex/CRH Test zur Bestimmung einer gestörten Stresshormonregulation Cortisol (ng/ml) 60 40 100 µg hCRH Recurrent depression (N = 209) Single episode (N = 77) Chronic depression (N = 37) Controls (N = 81) 20 Ising & Holsboer (2006) 0 15.00 15.30 15.45 16.00 16.15 Stresshormonregulation bei gesunden Familienangehörigen Bei gesunden Erstgradangehörigen depressiver Patienten zeigen sich ebenfalls Anzeichen einer gestörten Stresshormonregulation – vermutlich ein Hinweis auf eine genetische oder erworbene “Vulnerabilität”. 200 Depression Unaffected HRP Unaffected HRP 4 years later Healthy Controls 160 Cortisol (nmol/l) • 120 100 µg hCRH 80 40 Holsboer et al. (1995), Modell et al. (1998) 0 14.30 14.45 15.00 15.15 15.30 15.45 16.00 16.15 16.30 Vulnerabilität für Depression – Einfluss von Genetik und Umweltfaktoren • Es verdichten sich Hinweise, dass das sog. FKBP5 Gen eine besondere Rolle für die Depressionsvulnerabilität spielt, jedoch nur in Kombination mit dem Auftreten schwerer Traumen in Kindheit oder Jugend. Zimmermann et al. (subm.) Welche Funktion hat FKBP5? • FKBP5 ist ein „Hilfs“-Protein für den sog. Glukokortikoidrezeptor (GR), dem wichtigsten Regulator der Stresshormonachse. Für die korrekte Ausübung seiner Funktion benötigt der GR eine Reihe von “Hilfs-” Proteinen, die in der richtigen Balance zueinander stehen müssen. After Binder et al. (2004) FKBP5 beeinflusst die Stresshormonregulation • Für eine optimale Steuerung der Stresshormonregulation benötigt der GR eine niedrige FKBP5 Aktivität. Ist FKBP5 erhöht, vermindert sich die Sensitivität des GR und es kommt zur Regulationsstörung des Stresshormonsystems. FKBP5↓ FKBP5↑ Ising & Holsboer (2006) Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Behandlungsansätze bei gestörte Stresshormonregulation Wie wirken klassische Antidepressiva auf die Stresshormoneregulation? 80 TCA (N = 22) SSRI (N = 30) MIRTA (N = 25) 70 Cortisol ng/ml 60 50 100 µg CRH 40 100 µg CRH Time: p = .002 Med: p = .782 Time x Med: p = .391 30 20 10 Admission Discharge 0 3.00 3.30 3.45 4.00 4.15 3.00 3.45 4.00 4.15 PAR (N = 17) TIA (N = 21) 80 70 Cortisol ng/ml 3.30 hours 90 60 50 100 µg CRH 40 100 µg CRH Time: p < .001 Med: p = .320 Time x Med: p = .560 30 20 10 Baseline After 6 weeks 0 3.00 3.30 3.45 4.00 4.15 3.00 hours 3.30 3.45 4.00 4.15 Ising & Holsboer (2006) Antidepressiva führen zu einer Normalisierung der Stresshormonregulation Gemeinsame Endstrecke der Depressionsbehandlung Holsboer, 2007 Neue Wirkmechanismen zur Behandlung der Stresshormonregulationsstörung Holsboer, 2007 Erste klinische CRH1 Antagonistenstudie bei Depression: NBI-30775 / R121919 Zobel et al., 2000 Wirkungsprofil von NBI-30775 / R121919 Holsboer & Ising, 2008 Wirkung von NBI-30775 / R121919 auf gestörten Nachtschlaf Holsboer & Ising, 2008 Gestörter Schlaf und Wirksamkeit von NBI-30775 / R121919 A B Holsboer & Ising (2010) REM-Schlaf und Depression • Mäuse, die aufgrund einer genetischen Veränderung vermehrt CRH produzieren (het, hom), zeigen eine vermehrt REM-Schlaf im Vergleich zu Mäusen mit normalem CRH (con) (Kimura et al., 2009). Kimura et al. (2009) • Erhöhte REM-Dichte bei Depression könnte daher ebenfalls auf einer erhöhte CRH-Aktivität hinweisen. Dies erklärt die bessere Wirksamkeit des CRH1 Antagonisten mit steigender REM-Dichte bei Baseline. Holsboer & Ising (2010) Nebenwirkungen von NBI-30775 / R121919 Entwicklung gestoppt! Künzel et al., 2003 Medikamente in der „Drug Pipeline“ • CRH1 - Antagonisten http://www.neurotransmitter.net • Glukokortikoidrezeptor (GR) Antagonisten http://www.neurotransmitter.net DeBattista & Belanoff, 2006 Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Zukünftige Entwicklungen: Personalisierte Medizin Personalisierte Medizin • Unter “Personalisierter Medizin” versteht man die Abkehr von der bisherigen Strategie der “Breitbandmedikation” hin zu einer gezielten Behandlung der im Vordergrund stehenden Symptomatik unter Berücksichtigung der individuellen Genetik des Patienten. Piquette-Miller & Grant (2007) Für die Personalisierte Depressionsbehandlung reicht Genetik allein nicht aus! • Personalized diagnostics Individual Genotype • Personalized treatment targets Biomarkers • Personalized treatments Cortisol (ng/ml) 60 40 100 µg hCRH Recurrent depression (N = 209) Single episode (N = 77) Chronic depression (N = 37) Controls (N = 81) 20 0 15.00 15.30 15.45 16.00 16.15 Stress, Stresshormone und Depression - Bedeutung für Krankheitsentstehung und deren Behandlung - Study Coordinators Lab & Genotyping Statistical Genetics Group Director