Leseprobe - beck

Werbung
Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie
von
Herbert Hof, Rüdiger Dörries
erweitert, überarbeitet
Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie – Hof / Dörries
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Thieme 2004
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 13 125313 2
56
B 2 Strukturelemente des Immunsystems
2.1.2 Sekundäre lymphatische Organe
2.1.2 Sekundäre lymphatische Organe
n Synonym
n Synonym: Periphere lymphatische Organe.
n Definition
n Definition: Unter sekundären lymphatischen Organen werden alle lymphatischen Organe zusammengefasst, in denen die adaptive Immunantwort organisiert wird. Dazu zählen Milz, Lymphknoten und Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT).
Aufbau: Prinzipiell gibt es in allen sekundären lymphatischen Organen morphologisch abgrenzbare Bereiche, die bevorzugt B- oder T-Lymphozyten beherbergen.
In den peripheren lymphatischen Organen
wird die spezifische Immunantwort durch
Lymphozyten ausgelöst (Abb. B-2.2).
Funktion: Funktionell entsprechen die sekundären lymphatischen Organe
einem großen Marktplatz, auf dem Antigene aus Organen und dem Blutkreislauf präsentiert werden. Bei Erkennen dieser Antigene durch rezirkulierende
Lymphozyten wird in mehreren Schritten die spezifische Immunantwort ausgelöst (Abb. B-2.2):
B-2.2
B-2.2
Rezirkulation von Lymphozyten
afferente Lymphbahn
2
1
peripherer
Lmyphknoten
3
4
efferente
Lymphbahn
6
Organ
Milz
Schleimhaut
MALT
Blutkreislauf
Antigen
naiver Lymphozyt
Effektorzelle
5
Bei Eindringen eines Infektionserregers (Antigen) in ein Organ werden Bruchstücke
davon über afferente Lymphbahnen in die nächsten regionalen Lymphknoten verbracht
(1). Im Lymphknoten treten rezirkulierende naive Lymphozyten aus dem Blutkreislauf
aus und durchwandern das lymphatische Gewebe (2). Erkennen sie erregerspezifische
Strukturen, werden sie aktiviert und differenzieren zu Effektorzellen, die das lymphatische Gewebe in der efferenten Lymphbahn verlassen (3) und über den Ductus thoracicus in den Blutkreislauf eintreten. An aktivierten Endothelzellen verlassen Effektorlymphozyten wieder den Blutkreislauf, treten in das Gewebe ein und vernichten den
eingedrungenen Infektionserreger (4). Antigene, die in den Schleimhäuten lokalisiert
sind, werden im Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) den extravasierten naiven Lymphozyten präsentiert (5). Auch hier fließen differenzierte Effektorzellen
über efferente Bahnen ab und treten wieder in den Blutkreislauf ein. In der Milz treffen
naive Lymphozyten auf Antigene, die sich im Blutkreislauf befinden und in die periarteriellen Ansammlungen von Lymphozyten verbracht werden (6). Antigenspezifische
Lymphozyten werden zu Effektorzellen differenziert, die über die abführende Vene
wieder in den Blutkreislauf eintreten.
Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag
57
B 2.1 Organe des Immunsystems
Extravasation naiver Lymphozyten: Naive Lymphozyten (s. o.) verlassen in
den sekundären lymphatischen Organen den Blutkreislauf.
Differenzierung zu Effektorzellen: Erkennt ihr Antigenrezeptor das angebotene Antigen, kommt es zu einer Phase massiver Zellteilung mit nachfolgender Differenzierung zu Effektorzellen.
adaptive Immunantwort: Diese Effektorzellen verlassen die Organe über die
abführenden Gefäßbahnen und erreichen über den Blutkreislauf die Orte, an
denen das Antigen in den Organismus eingedrungen ist. Hier üben sie die
während ihrer antigenabhängigen Differenzierungsphase erworbenen Effektorfunktionen aus.
n Definition: Effektorzellen der adaptiven Immunreaktion sind differenzierte
Lymphozyten, die ihre Fähigkeit zur Abwehr von Infektionserregern und zur
Eliminierung von Antigenen ausüben, ohne dass eine weitere Stimulierung
notwendig ist.
n Merke: Die sekundären lymphatischen Organe sind die Orte der Präsentation von Antigenen und deren Erkennung durch naive Lymphozyten. Dieses
löst die Differenzierung der Lymphozyten zu Effektorzellen und somit die
spezifische Immunantwort aus.
m Definition
m Merke
Lymphozyten, die keinen passenden Antigenrezeptor besitzen und daher nicht
in eine Immunantwort verwickelt sind, erhalten Signale zum weiteren Überleben und zum Rezirkulieren, damit ihre Chancen auf ein Zusammentreffen mit
„ihrem“ Antigen erhöht werden.
Die Milz
Die Milz
Anatomie: Die Milz liegt als größtes sekundäres lymphatisches Organ unterhalb des Zwerchfells mit Kontakt zu Niere und Magen. Von ihrer Bindegewebskapsel ausgehende Trabekel bilden das Gerüst für das dazwischenliegende
retikuläre Bindegewebe. Dessen größter Anteil wird von der roten Pulpa gebildet. Innerhalb der roten Pulpa lassen sich helle Punkte ausmachen, die durch
Leukozyten gebildete weiße Pulpa.
Äste der A. lienalis verlaufen nach Durchtritt durch die Milzkapsel zunächst
entlang der Trabekel. Auf ihrem weiteren Weg zweigen sie sich auf und treten
in die Pulpa ein. Dort werden sie von Lymphozyten umgeben, die sich in Form
einer länglichen oder kugeligen Hülle anordnen. In dieser periarteriolen Hülle
teilt sich die zentrale Arterie pinselartig in Arteriolen auf, die nachfolgend im
Gewebe Kapillaren ausbilden. Der venöse Abfluss erfolgt über venöse Sinus
und Pulpa- bzw. Trabekelvenen in die V. lienalis.
Feinbau: In den periarteriolen Hüllen findet sich eine sehr charakteristische
Anordnung der T- und B-Lymphozyten (Abb. B-2.3). Während die T-Zellen
die zentrale Arteriole direkt umgeben (periarteriolar lymphoid sheath, PALS),
bilden B-Zellen Follikel aus, die auf der PALS angeordnet sind. PALS und B-ZellFollikel werden von einer Rand- oder Mantelzone umgeben, die T- und B-Lymphozyten enthält. An den Kontaktstellen zwischen PALS und B-Zell-Follikeln
lassen sich Zonen aufgelockerter Zelldichte mit großen Lymphozyten erkennen
(Keimzentrum).
In der weißen Pulpa der Milz bilden
T-Lymphozyten eine periarterielle Hülle
(PALS) aus, auf der B-Lymphozyten in
Follikeln angeordnet sind (Abb. B-2.3).
Funktion: Da die Milz keine afferenten Lymphbahnen hat, werden die Antigene
über die zuführende Arterie von dendritischen Zellen herangebracht und den
Lymphozyten präsentiert.
n Exkurs: Nach Verlust der Milz (Splenektomie) besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit, die zu einer oft tödlichen Sepsis führen kann („overwhelming
post splenectomy infection“, OPSI; s. S. 316).
m Exkurs
Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag
58
B 2 Strukturelemente des Immunsystems
Struktur und Funktion der Milz
B-2.3
venöse Sinus
Kapsel
Weiße Pulpa: Follikel und PALS
lymphatisches Follikel
(überwiegend B-Lymphozyten)
Rote Pulpa
3
5
Trabekel
zentrale Arterie
periarteriole Scheide (PALS)
(überwiegend T-Lymphozyten)
2
6
Vene
Randzone
1
Arterie
4
Keimzentrum
(B-Lymphozyten 70 - 90%
T-Lymphozyten 10 - 30%)
Die Milz wird von einer Bindegewebskapsel umgeben, die durch Fortsätze (Trabekel) in das Organ ein Gerüst für das retikuläre
Bindegewebe ausbildet. Der größte Anteil dieses Bindegewebes stellt die rote Pulpa dar, in der sich Ansammlungen von Leukozyten in Form der weißen Pulpa befinden. Lymphozyten treten über die zuführende Arterie in die Milz ein (1). T-Lymphozyten
lagern sich als periarteriole Scheide (PALS) um fein verästelte Arteriolen ab (2), B-Lymphozyten sind als lymphatische Follikel auf
der PALS angeordnet (3) und stellen einen großen Teil der Lymphozyten dar, die sich in der Randzone der weißen Pulpa befinden.
Bei Erkennung eines Antigens in der PALS bildet sich in den Follikeln ein Keimzentrum aus, in dem B-Lymphozyten mit der Hilfe
von T-Lymphozyten in antikörperproduzierende Plasmazellen differenzieren (4). Effektor-Lymphozyten werden über venöse Sinus
(5) der abführenden Vene zugeführt und verlassen so die Milz (6).
Histologisches Bild: Ein Gefrierschnitt von der Milz einer Ratte wurde mit einem spezifischen Antikörper für B-Lymphozyten
gefärbt. Der rote Farbniederschlag kennzeichnet die Lokalisation der B-Zellen.
Neben ihrer Rolle als Organ des Immunsystems hat die Milz auch die Funktion,
in der roten Pulpa gealterte rote Blutkörperchen abzubauen.
Die Lymphknoten
Die Lymphknoten
Anatomie: Der Aufbau der Lymphknoten ähnelt mit Kapsel und Trabekeln dem
der Milz. Zwischen retikulärem Gewebe und der Bindegewebskapsel liegt der
Randsinus, über welchen die Lymphe aus den afferenten Lymphbahnen den
Lymphknoten erreicht.
In den Lymphknoten (Abb. B-2.4) siedeln
sich T-Lymphozyten unterhalb der Rindenregion (parakortikal) an. Follikel von
B-Lymphozyten finden sich in der Rindenregion (kortikal).
Feinbau: Das retikuläre Bindegewebe ist mit Lymphozyten durchsetzt, welche
typischerweise in den Randbereichen (Kortex) eine höhere Dichte als im Zentrum (Medulla) aufweisen (Abb. B-2.4). Kortikal finden sich überwiegend
B-Lymphozyten, die sich in Follikeln organisieren. Hier liegen – ähnlich wie
in den B-Zellfollikeln der Milz – Keimzentren (S. 57). Von den kortikalen
B-Zellbereichen werden Markstränge in die Medulla fortgesetzt. T-Lymphozyten halten sich gemeinsam mit antigenpräsentierenden dendritischen Zellen
parakortikal Richtung Medulla auf.
Funktion: Mit der Lymphe werden Antigene aus den Geweben bzw. antigenpräsentierende dendritische Zellen oder Makrophagen herangeführt (S. 107).
Die dendritischen Zellen lokalisieren sich in den parakortikalen T-Zellbereichen.
Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag
59
B 2.1 Organe des Immunsystems
B-2.4
Struktur und Funktion eines Lymphknotens
B-2.4
efferente
Lymphbahn
afferente Lymphbahn
Vene
Arterie
5
Randsinus
Marksinus
Bindgewebshülle
1
4
Keimzentrum
Markstränge
(Plasmazellen,
Makrophagen)
afferente Lymphbahn
2
3
kortikale lymphatische Follikel
(B-Lymphozyten)
Parakortex
(T-Lymphozyten)
afferente
Lymphbahn
Ähnlich der Milz wird auch ein Lymphknoten von einer Bindegewebshülle umgeben, die
Trabekel in das Organ vortreibt. Zwischen dem retikulären Gewebe und der Kapsel liegt
der Randsinus, in den die afferenten Lymphbahnen aus den Organen münden. Rezirkulierende Lymphozyten treten über die zuführende Arterie in den Lymphknoten ein
(1) und verlassen an besonderen venösen Epithelien den Blutkreislauf (2). T-Lymphozyten wandern in die parakortikalen Bereiche, während B-Lymphozyten sich in den
kortikalen lymphatischen Follikeln ansiedeln. Über die afferenten Lymphbahnen werden Antigene aus den Organen herangeführt (3) und nachfolgend den extravasierten
Lymphozyten präsentiert. Bei Erkennung eines Antigens wird eine spezifische Immunantwort ausgelöst, in deren Verlauf es zur Ausbildung eines Keimzentrums kommt, in
dem B-Lymphozyten mit Hilfe von T-Lymphozyten differenzieren (4). Differenzierte
Effektorlymphozyten werden über den Marksinus und die efferente Lymphbahn wieder
dem Blutkreislauf zugeführt (5).
Das schleimhautassoziierte lymphatische Gewebe
Das schleimhautassoziierte
lymphatische Gewebe
n Synonym: mucosa-associated lymphoid tissue (MALT).
m Synonym
n Definition: Zum schleimhautassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT)
zählen das bronchienassoziierte (BALT) und das darmassoziierte (gut-associated, GALT) lymphatische Gewebe mit Tonsillen, Blinddarm und den PeyerPlaques des Dünndarms.
m Definition
Anatomie und Feinbau: Da die Gesamtheit der Schleimhäute eine riesige Oberfläche darstellt, die von Infektionserregern überwunden werden kann, enthält
das MALT so viele Lymphozyten wie alle anderen lymphatischen Gewebe des
Körpers zusammen.
Das MALT zeigt, wenn auch in abgewandelter Form, den typischen Aufbau
eines sekundären lymphatischen Organs. Am Beispiel der Peyer-Plaques des
Dünndarms wird dies deutlich (Abb. B-2.5):
Ein großer B-Zellfollikel liegt innerhalb der Darmwand und wird zur luminalen
Seite des Darms durch eine Schicht von speziellen Epithelzellen abgegrenzt.
Diesen fehlt im Gegensatz zu anderen Darmepithelzellen der typische Bürstensaum. Sie bilden eine Kuppel über dem lymphatischen Gewebe (Dome) und
sind in der Lage, Antigene aus dem Darmlumen transzellulär zu den PeyerPlaques zu transportieren.
Im lymphatischen Gewebe des Darmes
bilden B-Lymphozyten große Follikel in der
Darmwand, zwischen denen kleinere
Ansiedlungen von T-Lymphozyten angeordnet sind (Abb. B-2.5).
Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag
Herunterladen