kreativität und pluralismus

Werbung
SYMPOSION
DES ÖSTERREICHISCHEN MUSIKRATS
FREITAG 23. UND SAMSTAG 24. APRIL 2004
in Kooperation mit der Universität für Musik
und darstellende Kunst Wien
Anton von Webern Platz 1, 1030 Wien
(Linke Bahngasse/Beatrixgasse)
Clara Schumann Saal
KREATIVITÄT
UND PLURALISMUS
BEDINGUNGEN MUSIKBEZOGENER KREATIVER ARBEIT
IN ÖSTERREICH IM ZEITALTER MUSIKALISCHER VIELFALT
art
KLASSIK
JAZZ
WORLD
DANCE
ROCK
SCHLAGER
pop
2
INHALTSVERZEICHNIS
Das Symposion
Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Abstract, Kurzzusammenfassung, Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Begrüßung - Harald Ossberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Begrüßung - Werner Hasitschka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Einführung ins Stilfeldermodell - Harald Huber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Panel: Stilfeld „Pop & Rock” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Panel: Stilfeld „Volksmusik/Folk & World Music” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Panel: „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Zusammenfassung der Eröffnungsdiskussion und der Panels durch die Leiter . . . . . . 63
Schlussdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Referenten & Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3
PROGRAMM
KREATIVITÄT
UND PLURALISMUS
Freitag, 23. April
BEDINGUNGEN MUSIKBEZOGENER
KREATIVER ARBEIT IN
ÖSTERREICH IM ZEITALTER
MUSIKALISCHER VIELFALT
9.30 Begrüßung
Harald Ossberger (ÖMR Präsident)
Werner Hasitschka (Rektor)
Harald Huber: „Das Stilfelderkonzept
als Alternative zu E-Musik/U-Musik”
Herbert Lauermann: „Waves”
(Klavier: Johannes Marian)
Im Bereich der Reproduktion von
Musik besitzt Österreich Weltformat.
Die Nachwuchsförderung wird durch
zahlreiche Ausbildungsinstitutionen
und Interpretenwettbewerbe gestützt.
Im Bereich der Kreation und
Produktion von Musik gerät Österreich jedoch zunehmend in eine
internationale Randposition.
Das Symposion des ÖMR will einen
deutlichen Akzent zur öffentlichen
Beachtung kreativer Arbeit in allen
Sparten der Musik setzen.
Themen:
■ Die Entwicklung des Musiklebens
2000-2003 und Zukunftsperspektiven
aus der Sicht führender Institutionen
■ Bedingungen musikbezogener
kreativer Arbeit in sechs Stilfeldern
(jeweils mit Branchen-Insidern,
Künstlern, Wissenschaftlern und
Musikvermittlern):
Klassik / zeitgenössische Musik
Jazz / improvisierte Musik
Dance / HipHop / Elektronik
Pop & Rock
Volksmusik / Folk & World Music
Schlager & volkstümliche Musik /
Blasmusik
■ Präsentation notwendiger
Fördermaßnahmen, Diskussion mit
Vertretern der Parlamentsparteien
■ Musikalische Beiträge namhafter in
Österreich lebender Künstlerinnen
und Künstler
Idee & wissenschaftliche
Grundlagen: Harald Huber
Programmkonzeption: Harald Huber,
Harald Ossberger, Mario Rossori,
Günther Wildner
Organisation & Transkription:
Günther Wildner
Visuelle Gestaltung:
[email protected]
10.00-12.00 Podiumsdiskussion
Bedingungen & Veränderungen
des Musiklebens 2000-2003 sowie
Chancen & Perspektiven für die
ZukunftTeilnehmer:
Harald Ossberger (Moderation)
Franz Morak - Staatssekretär
Franz Medwenitsch - IFPI
Christian Rösner - Fabrique Records
Martin Traxl - ORF Kultur
Martin Zimper - Kronehit
Peter Paul Skrepek ÖMR, KMSfB, MKAG, AKM
Wilfried Lechner - AON
Peter Tschmuck - IKM
12.00-13.00 Mittagspause
13.00-14.30 Stilfeld
„Klassik / zeitgenössische Musik”
Chair: Paul Hertel - ÖMR, Komponist
Panel: Elisabeth Mayerhofer Mediacult
Christian Scheib - mica, ORF
Wolfgang Mitterer - Komponist
14.30 Performance:
Elfi Aichinger Trio
15.00-16.30 Stilfeld
„Jazz / improvisierte Musik”
Chair: Harald Huber - ÖMR,
Institut für Popularmusik
Panel: Christoph Huber - Porgy & Bess
Fritz Thom - Jazzfest Wien
Ines Reiger - Komponistin, Sängerin
16.30 Performance:
Franz Hautzinger: Gomberg für
Vierteltontrompete solo
17.00-18.30 Stilfeld
„Dance / HipHop / Elektronik”
Chair: Michael Huber Institut für Musiksoziologie
Panel: Mia Zabelka - Komponistin
Alexander Hirschenhauser Soul Seduction
Martin Schlager - Band „Texta”
19.00 „Get Together”
■ Musikszene-Fest mit Live-Acts
& Buffet:
Abado/Rosmanith
(Palästina/Österreich)
Kelomat (Young Lions-Preis 2003)
Team Legat (Club Grooves)
Samstag, 24. April
10.00-11.30 Stilfeld „Pop & Rock”
Chair: Mario Rossori - ÖMR, Pate
Records, Amadeus Music Award
Panel: Alexander Kahr - Produzent,
Komponist
Felicitas Hager - GoTV
Ludwig „Wickerl” Adam - Sänger
11.30 Performance:
Kollegium Kalksburg
12.00-13.30 Stilfeld:
„Volksmusik / Folk & World Music”
Chair: Birgit Huebener - IKM
Panel: Wolfgang Schlag - ORF
Horst Watzl - VIDC
Norbert Ehrlich - Veranstalter
Michael Krusche - Aniada a Noar
13.30-14.30 Mittagspause
14.30-16.00 Stilfeld
„Schlager & volkstümliche Musik /
Blasmusik”
Chair: Andy Zahradnik - Media
Control, Musikmarkt
Panel: August Viertbauer - Viertbauer
Promotion
Friedrich Weyermüller - Österreichischer Blasmusikverband
Kurt Elsasser - Sänger
16.00 Performance: Bruno Thiera
(Madagaskar/Österreich)
16.30-18.30 Schlussrunde
Notwendige Fördermaßnahmen für
Kreative in Österreich:
Zusammenfassung der
Arbeitsergebnisse,
Diskussion mit den Kultursprechern
der vier Parlamentsparteien
4
ZUSAMMENFASSUNG
Abstract
Ausgehend vom Befund, dass Österreich im Bereich der Reproduktion
von Musik Weltformat besitzt sowie
die Nachwuchsförderung durch
zahlreiche Ausbildungsinstitutionen
und Interpretenwettbewerbe gestützt
wird, legte das Symposion des
Österreichischen Musikrates seinen
Analyseschwerpunkt auf den Bereich
der Kreation und Produktion von
Musik in den Stilfeldern Klassik/
zeitgenössische Musik,
Jazz/Improvisierte Musik,
Dance/HipHop/Elektronik, Pop/Rock,
Volksmusik/Folk/World Music und
Schlager/volkstümliche Musik/
Blasmusik. Die Bearbeitung und
Diskussion der in den einzelnen
Panels erörterten Fragestellungen zu
Bedingungen und (inter)nationalen
Marktchancen heimischen
Kreativschaffens erbrachten neben
dem Wunsch nach größerer
Medienbeachtung und verbesserten
Exportchancen auch die kulturpolitische Forderung nach einer Förderung
der Musikproduktion und -distribution
(physischer und digitaler Vertrieb)
und der Unterstützung der LiveMusik-Veranstalter und der Konzert/
Tourneetätigkeit der Musikschaffenden
durch die öffentliche Hand.
Kurzzusammenfassung des
Symposions
PODIUMSDISKUSSION
1 Der Anteil des Wirtschaftssektors
„creative industries” steigt (Wien:
derzeit 15% der Beschäftigten). Der
Anteil des Kulturbudgets am österreichischen Gesamtbudget beträgt
0,78%. (Werner Hasitschka - Rektor
der Musikuniversität Wien).
2 Die Konzeption des Symposions
beruht auf einem Stilfeldermodell, das
die anachronistische Einteilung der
Musik in U- und E-Musik ersetzen soll.
Die sechs derzeit relevanten Stilfelder
werden in einem Kugelmodell veranschaulicht (Harald Huber - VizePräsident des ÖMR, Musikuniversität
Wien)
3 Entwicklung des österreichischen
Tonträgermarktes (Franz Medwenitsch
- IFPI Austria):
Jahr 2000:
Jahr 2003:
Gesamtvolumen (Umsatz)
314 Mio. Euro
251 Mio. Euro
Tonträgerkäufer
3,2 Mio.
2,8 Mio.
(Verlust der Reichweite vor allem bei
Jugendlichen)
Der Umsatz des österreichischen
Repertoires ist im Jahr 2003 jedoch
auf Grund von „Starmania” gestiegen
und lag höher als im Jahr 2000. Mit
jeweils 19 Mio. Stück hielten sich verkaufte Original-CDs und verkaufte CDRohlinge 2003 die Waage.
4 Neue Wege der Musikdistribution,
vor allem MP3-Download-Plattformen,
gewinnen an Bedeutung (Wilfried
Lechner - Telekom)
5 Kunststaatssekretär Franz Morak
sagt einen runden Tisch zum Anteil
österreichischer Musikproduktionen in
den Radio- und Fernsehprogrammen
des Landes zu: Der ORF, die Tonträgerindustrie, die Veranstalter sowie
Künstler sollten daran teilnehmen.
Franz Medwenitsch zeigte nach seinen
Ausführungen über Zahlen und Daten
des österreichischen Tonträgermarktes
der letzten Jahre die Bedeutung des
lokalen Repertoires für den österrei-
chischen Musikmarkt auf und trat für
eine fördertechnische und mediale
Beachtung des Gesamtkomplexes der
Kreativwirtschaft in Österreich ein.
Peter Paul Skrepek verortete den
Grund für das Abdriften heimischen
Musikschaffens in die zunehmende
Bedeutungslosigkeit ebenfalls in den
fehlenden medialen
Darstellungsmöglichkeiten, und sah
„Starmania” als Beweis für die
internationale Konkurrenzfähigkeit
österreichischer Musikschaffender.
Martin Traxl ortete einen Boom an
musikalischer Vielfalt in Österreich,
jedoch auch Probleme an der
Schnittstelle zwischen Kunst und
Wirtschaft, sodass sich ein Missverhältnis zwischen der Buntheit und
Kreativität der Musikszene und den
erreichbaren Tonträgerabsatzzahlen
ergebe.
Martin Zimper forderte die Musikschaffenden auf, sich dem internationalen Markt zu stellen, und lud die
Vertreter der Tonträgerfirmen zu
einem dichteren Dialog über die
Produktion von radiotauglichem
Musikcontent ein. Weiters trat er für
eine Quotenverpflichtung seitens der
Sender des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks ein.
Wilfried Lechner referierte die
Rahmenbedingungen und erreichten
Ergebnisse des von der Telekom
Austria betriebenen Services
„musicdownload.aon.at”.
Christian Rösner betonte als
Betreiber eines Independent Labels
die Notwendigkeit von Leidenschaft in
der Musikkreation sowie in der
Vermarktung und gab Beispiele für
neue Wege in der Musikverwertung.
Peter Tschmuck gab einen Abriss
über den Paradigmenwechsel in der
Tonträgerindustrie und konstatierte
eine Trägheit der Musikfirmen in der
Eroberung von neuen Technologien
beim Verkauf von Musik.
Staatssekretär Franz Morak versprach, noch in diesem Jahr einen
Runden Tisch zur Mediensituation
einzuberufen, wobei die Bedingung
für dessen Zustandekommen die
Teilnahme von Monika Lindner an
dieser Diskussionsveranstaltung sei.
Zusammenfassung
5
PANEL: STILFELD „KLASSIK/
ZEITGENÖSSISCHE MUSIK”
■ Reform der Einstufungskategorien
der AKM
Forderungen
■ Steigerung der Wertschöpfung in
Österreich über nationales Repertoire
■ Bessere Vernetzung der bestehenden Interessensverbände
Die Investitionen in den Ausbildungsund Veranstaltungsbereich sind in den
vergangenen Jahren fruchtbar geworden. Wir haben heute eine sehr lebendige Nachwuchsszene im Jazz, wir
haben eine gute Veranstalter- und
Festivalszene in Österreich.
Eine direkte Forderung besteht in
einer verbesserten Kooperation
zwischen der Veranstalterszene und
der Ausbildungsszene: Man vergab ja
bisher schon Preise für junge
Nachwuchsmusiker in Form von
Präsenz bei internationalen
Jazzfestivals.
Die Distribution von Ton/Bildträgern
ist in den letzten Jahren immer mehr
zu einem Problem geworden, daher
ist eine öffentliche Förderung des
Distributionsbereichs notwendig. Die
Förderrichtlinien der öffentlichen
Hand sollten weiters Personen und
Initiativen bevorzugen, die engagierte
Labels betreiben wollen, und die sich
im Veranstaltungsbereich positionieren wollen. Ein Sponsorgesetz ist
unabdingbar, das für potentielle
Sponsoren Kunst- und
Kulturinvestitionen attraktiv, d.h.
steuerlich absetzbar macht.
Weiters ist eine Überarbeitung des
Musikeinstufungsmodells der AKM,
das sich noch immer am E-Musik-UMusik-Modell orientiert, dringend
erwünscht.
Es geht den E-Musik-Komponisten nur
scheinbar gut, weil sie gefördert werden und weil sie organisiert sind. Das
sind sie jedoch deshalb, weil es seit
vielen Jahren Probleme gibt. Klassik
und zeitgenössische Musik sind offensichtlich Vorreiter dessen, was jetzt
offensichtlich allen passiert, nämlich
dass das österreichische Repertoire
zunehmend unter Druck gerät, wie es
jetzt auch in sogenannten kommerziellen Bereichen geschieht.
Wertschöpfung und die Erreichung
von Einkommen sind nunmehr wichtige Themen im Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”, das lange Zeit zu
abgehoben und elitär bezüglich finanzieller Situationen und Bedürfnisse
agiert hat. Das Bewusstsein, dass man
mit Musik auch Geld verdienen darf
und kann, muss gestärkt werden.
Österreich muss sich als Musikland in
allen Stilfeldern zusammenfinden, um
mit großem Selbstbewusstsein die
eigene Musik und die Musik an sich zu
vertreten - nach dem Motto „Musik ist
wichtig, Musik aus Österreich ist
besonders wichtig”. Ein Ergebnis der
Paneldiskussion ist die Notwendigkeit,
Netzwerke und Strukturen zu bilden
und diese nach und nach auszubauen.
Das ist auch über Stilfeld- und
Nationalstaatsgrenzen hinaus mit
einem toleranten Ansatz zu verwirklichen. Musiker aus allen Stilfeldern
sollten sich zusammensetzen und an
einem Strang ziehen. Selbstbewusstes
Auftreten aller an der Wertschöpfung
Beteiligten gegenüber der Politik ist
notwendig. Wir konnten ausrechnen,
dass bei einer adäquaten Beachtung
lokalen Repertoires in den elektronischen Medien pro Jahr eine zusätzliche Wertschöpfung von bis zu einer
Milliarde Euro in Österreich erzielt
werden könnte. Durch entsprechende
Netzwerke können wir mit unseren
Forderungen zukünftig mehr erreichen.
PANEL: STILFELD
„JAZZ/IMPROVISIERTE MUSIK”
Forderungen
■ Weiterer Ausbau der Kooperationen
von Ausbildungsinstitutionen und
Veranstaltern
■ Förderung der Distribution (Labels,
Veranstalter, ...) u.a. durch steuerliche
Vorteile für Sponsoren
PANEL: STILFELD
„DANCE/HIPHOP/ELEKTRONIK”
Forderungen
■ Schaffung einer Koordinationsstelle,
um die Interessen des Feldes zu
bündeln und zu vernetzen
Tonträgerverkäufe spielen in der
Regel kaum eine tragende Rolle für
die Frage, ob jemand in diesem
Bereich von seiner Kreativität leben
kann oder nicht. Der Tonträgerverkauf funktioniert ausschließlich über
Marketinginvestitionen, weil einerseits
zu viele Produkte zu wenig
Alleinstellungsmerkmale aufweisen,
und andererseits der Medienmarkt
andere Formen der Publikumsbearbeitung verunmöglicht.
Positiv war in den letzten 15 Jahren
die Entwicklung von Möglichkeiten
einer immer billigeren Musikproduktion
und immer einfacheren Kommunikation
künstlerischer Arbeiten über das
Internet. Das führte zu einer hohen
Produktivität, die wiederum nur sehr
schwer am Markt platzierbar war.
Negativ ist, dass die fetten Jahre zwi-
schen 1992 und 2000 vorbei sind. Es
geht sehr vielen Aktiven im Stilfeld
„Dance/HipHop/Elektronik” nicht so
gut, wie man aus Medienberichten
glauben würde. Den meisten
Musikschaffenden geht es zumindest
finanziell sehr schlecht. Dazu kommt
noch, dass in diesem Szenebereich
kein neuer Trend in Sicht ist, der neue
Aufmerksamkeit generieren könnte.
Das größte Problem ist das Fehlen
einer Institution, die das
Szenegeschehen koordiniert und kompetent nach außen vertritt und vermittelt. Eine Förderungsmöglichkeit
könnte die Unterstützung so einer mit
Kompetenz besetzten Koordinationsstelle im Elektronik-Bereich sein. Es
ist gerade in dieser Szene extrem
wichtig, dass diese Personen, die mit
dieser Koordination beraut sind, das
Vertrauen der Szene haben.
PANEL: STILFELD „POP & ROCK”
Forderungen
■ Mehr Präsenz des Feldes in TV und
Radio, Förderung privater Stationen,
die österreichische Produkte promoten
■ Marktstrategische Betreuung der
Sieger von Wettbewerben, u.a.
Performance-Training, weltweite
Vertriebsmöglichkeiten, ...
Der TV-Musiksender gotv hat in seiner bisherigen Tätigkeit die Szene im
Bereich Videoclips positiv stimuliert.
Die Zahl der Produktionen und deren
Qualität steigen stetig an. Die längerfristige Positionierung von Pop-Acts
auf dem Markt ist jedoch nur dann
möglich, wenn Medienkooperationen
zwischen Radio- und Fernsehstationen
sowie Printmedien zustande kommen.
Kern und Kristallisationspunkt ist
dabei erfahrungsgemäß die TV-Präsenz.
Aufgrund fehlender TV-Formate bzw.
Präsentationsmöglichkeiten wird der
Aufbau von neuen heimischen
Pop/Rock-Acts erschwert bis verunmöglicht. Aus diesem Manko heraus
speist sich die Forderung nach regelmäßigen Auftrittsmöglichkeiten im
TV, die von den Interessensvertretungen mit Fingerspitzengefühl - auch
bei Ablehnung - nach dem Motto des
steten Tropfens betrieben werden soll.
Als Grundvoraussetzungen für Erfolg
gelten einerseits gesangliches Talent
sowie Echtheit und Eigenständigkeit
in der Musik auf Künstlerseite, andererseits mittel- und langfristige
Businesspläne auf der Seite der
Verwerter. Für Künstler heißt das ein
weiteres Mehr an Eigeninitiative
sowie eine Verbesserung in den
Bereichen „Stimme„ und „Körperdarstellung”. Wirtschaftlich ist eine
Zusammenfassung
Produktionsförderung nötig und eine
Vergrößerung des Markts bzw.
Arbeitsraumes auf mindestens den
Bereich GSA (Germany, Switzerland,
Austria).
Der Sprung über die österreichische
Grenze gilt nach wie vor als Ziel und
Grundbedingung für künstlerischen
und kommerziellen Erfolg. Bei heimischen Bandwettbewerben sollte eine
weitere produktions- und musikbusinesstechnische Betreuung der prämierten Bands stattfinden, sonst bleiben als Ergebnis dieser Bemühungen
nur unzureichend produzierte
Sampler-CDs als Dokumentationsmaterial.
PANEL: STILFELD „VOLKSMUSIK/
FOLK & WORLD MUSIC”
Forderungen
■ Förderung des derzeit steigenden
Publikumsinteresses durch mehr
mediale Präsenz, Verbesserung internationaler Vertriebswege und bessere
Vernetzung der Interessenspartner
Begriffsdiskussionen prägen noch
immer ganz offensichtlich jede diskursive Beschäftigung mit dem Stilfeld
„Volksmusik/Folk & World Music”
(Volksmusik versus volkstümliche
Musik, österreichische Volks(x)musik
als Teil des Genres World Music etc.).
Die Worldmusik hat in Österreich
einen Zuwachs und Aufschwung
genommen (Publikumsinteresse,
Veranstalter, Festivals und Auftrittsmöglichkeiten), trotzdem profitieren
davon nicht notwendigerweise
österreichische Musikerschaffende.
Es wird eine Plattform als regelmäßiges Austauschforum gewünscht, wo
miteinander diskutiert werden kann,
auch über Begrifflichkeiten. Eine
Vernetzung im eigenen Stilfeld ist
nötig, in weiterer Folge natürlich auch
nach außen.
Es fehlen eigene Agenturen und
Labels für diesen Musikbereich
ebenso wie geeignete Medien zur
Darstellung des worldmusikalischen
Musikschaffens in Österreich.
Projekte im Überschneidungsbereich
Worldmusik und österreichischer
Volksmusik gelten als chancenreich.
Es gibt aber zu wenig Förderungen
für solche Projekte sowie für internationale Austauschprojekte, um
Vernetzungen und Verbindungen
herzustellen.
Die Universitäten haben Nachholbedarf in den Bereichen Worldmusik
und Volksmusik. Im Verhältnis zur
großen Nachfrage ist das Angebot zu
gering.
Musikschaffende müssen verstärkt
neben ihren künstlerischen
6
Tätigkeiten die Bereiche Management
und Marketing selbst abdecken.
PANEL: STILFELD „VOLKSTÜMLICHE
MUSIK & SCHLAGER/BLASMUSIK”
Forderungen
■ Wahrnehmung des Feldes als
umfangreicher Bereich kultureller
Kreativität (Wertschöpfung im Land)
■ Koordination der Netzwerke
Unter MOR - Middle of the Road - fällt
alles, was sich verschrieben hat, Geld
zu verdienen. Dem Kommerz wurde
Ohr und Stimme geliehen, und das ist
ein wichtiger Schritt in die richtige
Richtung. Man soll nicht ausgrenzen,
sondern begreifen, dass das Genre
„Volkstümliche Musik & Schlager/ Blasmusik” in Österreich omnipräsent ist.
Auch diesem Feld geht es bereits
schlechter, weil der Tonträgermarkt
aus den bekannten Gründen
geschrumpft ist, und weil die
Neuheitenquote im Radio beim
Stilfeld „Volkstümliche Musik &
Schlager/Blasmusik” rückläufig ist.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die
Kreativität austrocknet, das Gegenteil
ist der Fall. Die Zusammenarbeit bei
diesen Problemstellungen muss
Plattform-übergreifend stattfinden.
Das ist notwendig, weil sich die Zeiten
noch massiver verändern werden.
Institutionen, Verbände, Parteien etc.
sind mit handfesten Konzepten zu
überzeugen.
Es soll ein Modell und eine Plattform
der Musikwirtschaft erarbeitet werden, die sagt: „Werden wir als kein
Kernmarkt erkannt, hat das allerdings
auch den Vorteil, dass wir das tun
können, was wir wollen, wenn es uns
gelingt, initiativ zu sein.”
Es bringt nichts, hundert verschiedene kleine Labels zu haben, denn keines hat genug Geld. Die Information
an die Politik lautet: „Soviel Geld können wir damit verdienen, soviel
Tantiemenaufkommen bleibt in Österreich, wenn das Netzwerk funktioniert
und finanziell entsprechend von der
öffentlichen Hand gefördert wird.”
7
BEGRÜSSUNG
HARALD OSSBERGER: Meine
Damen und Herren, ich darf Sie herzlich zu unserer Veranstaltung, zum
Symposion „Kreativität und Pluralismus” begrüßen. Ich begrüße die
bereits eingetroffenen
PodiumsteilnehmerInnen, und bedanke mich bei allen Mitwirkenden. Ich
danke allen, die uns sehr stark finanziell unterstützt haben, ohne die dieses Symposion nicht hätte zustande
kommen können. Ich bedanke mich
sehr bei der Kunstsektion des
Bundeskanzleramtes, vertreten durch
Herrn MR Dr. Koll, wir freuen uns,
dass Sie da sind. Ich bedanke mich
sehr herzlich bei der MA7 der Stadt
Wien mit dem Schwerpunkt „Forschung
und Wissenschaft”. Herr Dr. Ehalt
kann heute nicht in Wien sein und
entschuldigt sich für seine
Abwesenheit, er wäre sehr gerne
gekommen. Ich bedanke mich beim
BMBWK für die wichtige
Unterstützung. Ich danke ebenfalls
der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, wo ich mich zu
Hause fühle. Ich bin sehr glücklich,
dass der Herr Rektor, Du lieber
Werner, heute anwesend bist und
begrüßen wirst. Ohne die Universität,
die uns in einer weitreichenden
Kooperation diese Räumlichkeiten
und alles, was dazu gehört, gratis zur
Verfügung gestellt hat, gäbe es dieses
Symposion nicht. Die Universität steht
auch für Inhalte, mit denen wir uns
identifizieren können. Das haben wir
auch noch als Geschenk dazu bekommen. Ich hoffe, es werden interessante
und wichtige zwei Tage, und ich darf
in diesem Sinn um die Begrüßung
durch unseren Rektor bitten.
WERNER HASITSCHKA: Sehr
geehrte Damen und Herren! Zunächst
einmal freue ich mich angesichts
der vielfältigen Qualifikationen vom
Kollegen Ossberger, dass ich beginnen
kann damit: Sehr geehrter Präsident,
vielen Dank für die einführenden
Worte. Meine Damen und Herren, ich
freue mich, dass Sie heute hier sind.
Ich kann mir die Wiederholung des
Dankes ersparen und die Ansprache
von konkreten Persönlichkeiten. Mir
liegt besonders am Herzen, mich zu
bedanken unter großer Freude, dass
wir Schweizer Kollegen hier haben
aus der Hochschule von Luzern,
Magnifizenz, herzlich willkommen, ich
freue mich, dass Sie bei uns sind mit
Ihren KollegInnen. Sie merken, diese
Veranstaltung ist auch international
interessant, nicht nur für nationale
Interessen. Ich bin sehr stolz, dass wir
diese Veranstaltung in Kooperation
mit dem Musikrat machen. Lassen Sie
mich ganz wenige Zahlen nur nennen,
die möglicherweise von Ihnen sofort
auch dann in der Diskussion relativiert
werden. Kreativität, Creative Industries
- das klingt irgendwie besser derzeit,
ist ein bisschen modern, auch
Staatssekretär Morak wird wahrscheinlich diesen Terminus verwenden - sind eigentlich die Hoffnungschance auch im wirtschaftlichen
Bereich zwischen Kunst und Wirtschaft.
Es gibt unmittelbar eine jüngste
Untersuchung zu diesen sogenannten
Creative Industries, wo gesagt wird,
dass allein im Wiener Bereich 14%
oder 15% der Beschäftigten in diesem
Bereich tätig sind, also 100.000 bis
120.000 Personen. Dieser Sektor
boomt um 6%, während wir ein
durchschnittliches wirtschaftliches
Gesamtwachstum von 2% haben.
Paradox dazu, parallel zu diesem
Boom des Sektors, gibt es einen großen
Rückschritt bei der Musikwirtschaft.
In der Musikwirtschaft gibt es einen
Rückgang von 11,4 % der Beschäftigten in Wien, was möglicherweise auch
Diskussionspunkt sein kann in diesem
Symposion. Dieser Bereich ist ein großer Hoffnungsmarkt, aber offenbar
für den Musikbereich problematisch.
Kreativität ist eine Frage, die sehr
stark von den Rahmenbedingungen
abhängt. Ich bin froh, dass auch die
Rahmenbedingungen diskutiert werden. Kreativität hängt natürlich in
hohem Ausmaß mit der Interaktion
zwischen öffentlichen Institutionen
und Institutionen des Kultur- und
Kunstbereichs zusammen. Hier möchte
ich eine zweite aktuelle Untersuchung
zitieren, die von unserem Institut für
Kulturmanagement hier im Hause
stammt und schon heftig diskutiert
wird, worüber ich mich sehr freue,
nämlich wo gefragt wird, wie sehen
die Rahmenbedingungen für
Kreativität aus? Dass der öffentliche
Sektor Kreativität fördern muss, ist
klar, damit dann diese Kreativität wieder die Kreativwirtschaft befördern
kann. Diese Rahmenbedingungen sind
einfach zusammengefasst in dem
Anteil der Kultur- und Kunstausgaben,
im wesentlichen Kunstausgaben am
Budget insgesamt. Wieviel Prozent
glauben Sie, kann man an Kulturbudget für österreichische Kunst und
Kultur gemessen am Gesamtbudget
definieren und festlegen? Würden Sie
sagen 10%, 20% oder 40% in der
österreichischen Kulturnation? Es
sind, und ich habe mir das in der Früh
noch einmal angesehen, weil ich es
nicht glauben kann, 0,78%. Das ist
weniger als die Hälfte des Budgets für
die Landesverteidigung. Frech gesagt,
stellen wir die geistige Landesverteidigung dar, und ich hoffe, dass wir
irgendwann einmal mit der militärischen
Landesverteidigung gleichziehen werden. Man kann ja ein Kompensationsgeschäft machen. Man hört immer
wieder, dass die militärische
Landesverteidigung reduziert wird,
vielleicht bekommen wir diese
Budgetanteile ins Kunstbudget. Das
wäre ein Bitte, die ich an den Herrn
Staatssekretär hätte. Das wird schon
verneint von den zuständigen Stellen,
merke ich, aber vielleicht bleibt eine
gewisse Hoffnung. Was ich damit
meine, ist, dass wir sehr froh sind,
hier an unserer Universität gemeinsam mit dem Musikrat dieses
Symposion veranstalten zu können,
einfach weil wir glauben, dass unsere
Musikuniversität ein wesentlicher
Quell der Kreativität ist, und das ist
für uns ganz wesentlich in unterschiedlichen Bereichen. Unser Leitbild
sagt, wir sind Zukunftsuniversität im
Sinne von Kreativität, aber auch eine
Universität, die auf Traditionen viel
Wert legt. Zwischen diesen beiden
Polen Zukunftsuniversität, Kreativität
und Tradition, Reproduktion pendeln
wir - fast möchte ich sagen in einem
Kugelmodell a la Harald Huber, er
wird dazu noch Stellung nehmen.
Damit danke, dass Sie mir so lange
zugehört haben, das ist ein Vorrecht
des Rektors, dass er das Begrüßen
ausnützen kann, um politische
Informationen weiterzutragen. Danke
für Ihr Verständnis dafür. Danke für
Ihre Teilnahme und allen jenen, die an
den Panels inhaltlich mitgearbeitet
haben. Ich möchte den Organisatoren
sehr herzlich danken, diese Großveranstaltung geplant, und sehr perfekt
organisiert zu haben. Danke an den
Musikrat und den geistigen Kopf dieser Veranstaltung Harald Huber für
die Konzeption. Ich könnte mir vorstellen, dass hier sehr viele kreative
und pluralistische Inputs kommen.
Mögen sie auch in die Kunst- und
Kulturpolitik einfließen. Danke.
Begrüßung
HARALD HUBER: „DAS STILFELDERKONZEPT ALS ALTERNATIVE ZU E-MUSIK/U-MUSIK”
Ich möchte beim Danke noch speziell
den Generalsekretär des österreichischen Musikrates erwähnen, Günther
Wildner, der die gesamte Veranstaltung
auf die Beine gebracht und organisiert
hat. Der internationale Musikrat als
Teilorganisation der Unesco hat bei seiner Konferenz 2001 in Tokio als Thema
für die inhaltliche Ausrichtung der
jeweiligen nationalen Musikräte die
musikalische Vielfalt, musical diversity,
vorgegeben und bei der jüngsten
Konferenz 2003 in Montevideo als
„Many Musics Project” bekräftigt. Die
Tatsache, dass in der gegenwärtigen
Gesellschaft gleichzeitig sehr viele
Musiken mit unterschiedlicher ästhetischer Ausrichtung gleichzeitig existieren, ist uns allen voll bewusst. Wie können und wollen wir mit dieser Pluralität
umgehen, und wie kann diese Vielfalt
so beschrieben werden, das die
Zündfunken von Kreativität, die oftmals
durch die Reibung unterschiedlicher
Stilrichtungen und Zugänge entstehen,
nicht auf der Stecke bleiben? Ich habe
dazu ein Modell entwickelt, das auf den
Begriff „Stilfeld” aufbaut und den
Anspruch hat, die gegenwärtige Lage
der Musik in Österreich besser abzubilden als das dem 19. Jahrhundert entstammende Zweiklassenmodell „Ernste
Musik - Unterhaltende Musik” es vermag. Ich behaupte: Die Unterscheidung
entlang der Begriffe „ernst” und
„unterhaltend” funktioniert für die
gegenwärtige musikalische Vielfalt definitiv überhaupt nicht mehr. Wir haben
es heute mit unterschiedlichsten musikalischen Traditionszusammenhängen
und Referenzsystemen zu tun, die sich
ihrerseits in höchst lebendigen Austauschprozessen befinden. Solche
Referenzrahmen nenne ich in
Anlehnung an den kulturwissenschaftlichen Ansatz des französischen
Soziologen Pierre Bourdieu „Stilfelder”.
Ein Stich des Karikaturisten William
Hogarth aus dem Jahr 1741 zeigt ein
Zweiklassensystem der Musik: die höfische elitäre Musik einerseits und die
populäre Musik der Straße andererseits.
Jene war zu dieser Zeit gekennzeichnet
durch den italienischen Stil, diese durch
englische Musizierformen. Ich möchte
nun nicht die Geschichte des Begriffspaars E-Musik und U-Musik vertiefen,
sondern sofort auf die Gegenwart zu
sprechen kommen. Heute ist die
Situation wesentlich komplexer.
Auf der Basis von Daten, die mir die
Austro Mechana in den neunziger
Jahren dankenswerterweise zur
Verfügung gestellt hat, ergaben sich
folgende derzeit in Österreich existie-
8
rende Stilfelder. Zunächst aber noch:
Was ist überhaupt ein Stilfeld?
Stilfelder der Musik sind erstens Bündel
von musikalischen Genres, Stilen und
Substilen, die einen Traditionszusammenhang, einen gemeinsamen
Referenzrahmen bilden. Zweitens:
Stilfelder der Musik sind Betätigungsfelder musikbezogener Kreativität.
Es existieren Musiker, Komponisten,
Improvisatoren, Interpreten, Literaten,
Tänzer, bildende Künstler etc., die sich
in diesem Referenzrahmen professionell
oder als Amateure betätigen. Stilfelder
der Musik sind drittens Produktions-,
Distributions- und Rezeptionszusammenhänge. Es existieren spezifische
Aufführungs- bzw. Veranstaltungsorte,
Festivals, Tonstudios, Labels und
Verlage, Funk- und Fernsehprogramme,
Printmedien, Internetplattformen,
Sammlungen, Archive, Ausbildungen,
Institute, Interessensvertretungen etc.
Stilfelder der Musik sind viertens
Kategorien von Rankings, Hitlisten,
Charts, öffentlichen Wettbewerben und
Preisverleihungen.
Die Daten, die mir die Austro Mechana
in den neunziger Jahren zur Verfügung
gestellt hat, wurden durch verschiedenste Beobachtungen weiterentwickelt,
und es ergab sich für Österreich in der
Gegenwart dieses Stilfeldermodell.
Wir haben sechs Stilfelder:
- Klassik/Zeitgenössische Musik,
- Jazz/Improvisierte Musik,
- Dance/HipHop/Elektronik,
- Pop/Rock, Volksmusik/Folk/World
Music und
- Schlager/Volkstümliche Musik/Blasmusik.
Sie sind als Pfeilmodell angeordnet, um
sowohl ihre Differenzen als auch ihre
Diffusionen diskutieren zu können. Die
Folie zeigt weiters einen Blick auf einzelne Stilbegriffe, die im Rahmen des
jeweiligen Feldes eine Rolle spielen.
Das kann man jetzt nicht im einzelnen
durchdiskutieren, sondern soll nur zur
Illustration dienen, wie sich das jeweilige
Feld in einzelne Stile auffächert. Beim
Versuch, die einzelnen Stilfelder im
Pfeilmodell nach ihrem gesellschaftlichen Status anzuordnen, zeigten sich
besonders bezüglich der Sparte
Volksmusik/Folk/World Music eine
Reihe von Widersprüchen. Traditionelle
regionale Musikkulturen unterschiedlicher Herkunft und deren aktuelle
Weiterentwicklung erlebten seit den
neunziger Jahren einen deutlichen
gesellschaftlichen Aufstieg. Das Modell
musste daher dieser Entwicklung angepasst werden. Das war nur durch die
Dreidimensionalität eines Kugelmodells
möglich. Am Äquator sind diejenigen
Stilfelder angeordnet, die sowohl elitäre
wie auch populäre Kulturmuster miteinander verbinden. Dabei spielt die welt-
weite Verbreitung afroamerikanischer
Musikformen im 20. Jahrhundert eine
wesentliche Rolle. An jedem Punkt der
Kugel ist für diejenigen Musiker und
Hörer, die sich mit dem jeweiligen
Stilbereich identifizieren, sozusagen
die Welt in Ordnung. Es ergibt sich das
Gefühl, sich auf sicherem Terrain zu
befinden und teilweise große Abstände
bis hin zum Gefühl vollkommener
Fremdheit anderen Positionen gegenüber zu erleben. Die Kugel müsste
eigentlich angefüllt sein mit verschiedensten Fäden und Drähten und
Verbindungen von hier nach dort, mit
Verknüpfungen und Kontaktstellen. Das
Pfeilmodell müsste in diese Kugel integriert werden. Die drei oberen Stilfelder
Klassik, Jazz und World bilden ein
Dreieck, das hier mit dem Wort „Art”
charakterisiert wird. Wir finden dieses
Dreieck derzeit etwa in der
Programmgestaltung des ehemaligen
Klassiksenders Ö1 oder in den CDVeröffentlichungen des MICA für das
österreichische Außenministerium, vier
CDs zum Bereich Klassik/Zeitgenössische
Musik, jeweils eine CD zu den Bereichen
Jazz und Volksmusik, oder auch bei der
Platzierung der Musikrichtungen der
internationalen Musikmesse MIDEM
in Cannes: Klassik, Jazz und World
befinden sich im Obergeschoss bei
Tageslicht. Dance, Rock und Schlager
zusammengefasst als Pop im
Untergeschoss. Unser Symposion geht
davon aus, dass musikalische und
musikbezogene Kreativität in allen
Stilfeldern förderungswürdig ist.
Zusätzlich zur Weiterentwicklung der
hochstehenden Interpretationskultur in
Österreich muss dringend ein Fokus auf
musikbezogene Kreativität in allen
Sparten hinzukommen. Die einzelnen
Panels mögen dazu Ansätze für
Förderrichtlinien erarbeiten, die wir als
Musikrat an die Politik herantragen
werden bzw. als Musikuniversität innerhalb des Ausbildungsbereichs kommunizieren wollen ganz im Sinne der
Kooperation der beiden Institutionen
für dieses Symposion. Alle Musikbeiträge
von Künstlern, die Sie im Lauf des
Symposions hören werden im FannyMendelssohn-Saal gegenüber illustrieren
die Vielfalt dieser Zugänge. Es gibt eine
musikalische Performance, die naturgemäß nun hier in diesem Saal stattfindet,
und ich habe an dieser Stelle die
Freude, als erste Performance das
Klavierstück „Waves” von Herbert
Lauermann, der dankenswerterweise
auch zu uns gekommen ist, anzukündigen. Am Klavier Johannes Marian. Ich
danke für die Aufmerksamkeit.
Herbert Lauermann: „Waves”
Klavier: Johannes Marian
9
PODIUMSDISKUSSION
Harald Ossberger: Herzlichen Dank
Johannes Marian und Herbert
Lauermann. Ich darf die Teilnehmer
an der nun folgenden Podiumsdiskussion sehr herzlich begrüßen und
bitten, an den Tisch zu ihren jeweiligen
Namensschildern zu kommen, dass
wir in ein paar Minuten mit dieser
Podiumsdiskussion beginnen dürfen.
Ich glaube, wir sind soeben vollständig geworden. Sie finden in Ihren
Unterlagen alle Informationen zu
Werdegang und Funktion der
Panelteilnehmer. Ich begrüße sehr
herzlich Franz Medwenitsch, Christian
Rösner, Martin Traxl, Martin Zimper,
Peter Paul Skrepek, Wilfried Lechner
und Peter Tschmuck. Herr Dr. Christian
Ehalt kann leider an der Podiumsdiskussion nicht teilnehmen, weil er nicht
in Wien ist. Es war leider nicht möglich,
einen Ersatz zu finden. Der Musikrat
unterhält jedoch vielfältige Kontakte
zur Stadt Wien auch im Sinne der in
diesem Podium verhandelten Inhalte.
Staatssekretär Franz Morak muss
noch eine andere Veranstaltung besuchen und wird um ca. 11.00 Uhr bei
uns eintreffen. Mit Ihrem Einverständnis
werden wir den Herrn Staatssekretär
bei seinem Eintreffen um ein
Statement bitten und dann je nach
dem Stand der Diskussion Fragen an
ihn ermöglichen bzw. richten. Ich
werde dann die einzelnen Teilnehmer
um ihre Statements von ca. fünf
Minuten bitten. Dann schlage ich eine
zweite Runde vor und im Anschluss
eine Erweiterung der Diskussion auf
das Publikum. Zunächst möchte ich
einige grundsätzliche Worte an Sie
richten. Eines der großen kulturellen
Phänomene unserer Menschheitsgeschichte ist im Titel unserer
Veranstaltung versteckt: Kreativität
und Pluralismus sowie Zeitalter musikalischer Vielfalt. Es geht darum,
Zusammenhänge und Wirkungsweisen
zwischen Kreativität und Pluralismus
zu beobachten. Zwei Konkretisierungen
möchte ich herausgreifen: Kreativität
und Pluralismus kann auch heißen
Kreativität durch Pluralismus, hierin
liegt für mich eine Zielsetzung. Es kann
aber auch heißen Kreativität trotz
Pluralismus in einem indirekten Sinn.
Mich haben immer gleichzeitig ablaufende Vorgänge quer durch die musikalischen Zeiten und Stile fasziniert,
wenn in diesem Zusammenwirken
Neues entsteht. Das findet man in
Alter Musik, in der Klassik, dort wird
es teilweise sogar zu einer Vorschrift
des Verständnisses gemacht, in der
Romantik, im Impressionismus bis
herauf in die Gegenwart wie z.B. in
Etüden von György Ligeti, wo das
geradezu das Programm darstellt.
Es entsteht Neues, Komplexes, in die
Tiefe hin Auslotbares aus dem
Zusammenwirken einzelner Faktoren,
die ihrerseits selbstverständlich
wiederum unterschiedliche Entwicklungslinien in sich tragen. Es dürfte
das ein grundsätzliches Phänomen
menschlichen Sich-Äußerns, überhaupt menschlichen Verhaltens sein.
Man sollte bedenken, dass alles, was
wir meinen, es gehöre uns selber an
Gedanken, Entschlüssen, an Dingen,
die wir tun, in Wirklichkeit in uns selber
eine Geschichte, eine Entwicklung
haben, eine Entwicklungsgeschichte
von ganz unterschiedlichen Bereichen
unserer Person. Eine weitere Ebene
ist das Sprechen. Mit jedem Wort, das
wir aussagen, stellen wir in Wirklichkeit
einen Jahrhunderte bzw. Jahrtausende
langen Kulturzusammenhang her.
Die Wörter haben ihre Geschichte, die
Inhalte haben sich unterschiedlich
entwickelt. Das, was wir sagen, ist in
Wirklichkeit der Stamm eines
Zusammenkommens von verschiedensten Strömen in der Kulturgeschichte.
Das führt z.B. zur Uneindeutigkeit der
Sprache, die Ludwig Wittgenstein in
der ersten Hälfte seines Philosophierens
so kritisiert hat, wo er gesagt hat:
„Worüber man nicht sprechen kann,
soll man schweigen”, weil er eben
zunächst einmal die Eindeutigkeit des
sprachlichen Begriffs postuliert hat.
Aber auch er musste davon abrücken,
als er gesehen hat, dass, wenn man
Sprache so gebraucht, nur irrelevante
Dinge gesagt werden, Tautologien, die
Dinge, die sich selber wiederholen.
So gesehen, stellt Pluralismus, stellt
Vielfalt eine Bedingung für Relevanz
dar, und wenn wir uns in weiterer
Folge die Entstehung dessen, was wir
heutzutage bis herauf in unsere Zeit
als kulturelle Zusammenhänge
betrachten, anschauen, dann sehen
wir, dass sie alle sich dann, wenn sie
sich als autochthon betrachtet haben,
immer in dem Zustand, in dem sie
betrachtbar sind, als ganz komplexe
Gebilde mit unterschiedlichsten
Herkünften verstehen lassen. Ich sage
es noch einmal: Die unterschiedlichsten Herkünfte selber sind wiederum
komplexe, aus Verschiedenem entstandene Dinge. Insofern kann es nur
heißen: Kreativität und Kreiertes, in
jedem Fall, durch Pluralismus. Nun
sagte ich aber, Dinge dieser Art entstehen auch mit Schmerzen teilweise,
weil Veränderungen das Andere
immer verunsichern, verstört machen
- aber es entsteht. Je näher wir den
kulturellen Phänomenen unserer
Gegenwart kommen, desto mehr
merken wir, dass es einen Hang der
einzelnen Gesellschaften gibt, diese
Vorgänge zu steuern. Das beginnt in
der europäischen Geschichte im 19.
Jahrhundert, nachgedacht hat man
natürlich schon Jahrhunderte vorher,
aber dass man plötzlich gesagt hat,
ich möchte eine Theorie deshalb konzipieren, um sie umsetzen zu können
und - jetzt ein bisschen pathetisch
und unter Anführungszeichen ausgedrückt - der Kultur-, Sozial- und
Wertungsgeschichte anzuzeigen, wo
sie hingehen muss, das scheint mir
doch ein Phänomen zu sein, welches
speziell im 19. Jahrhundert besonders
stark entwickelt wurde. Wir haben, je
näher wir der Gegenwart kommen,
einen Hang, Entwicklungszüge als
zwingend zu beschreiben und umzusetzen. Da beginnt das Problem und
auch die Sinnhaftigkeit der Fragestellung Kreativität trotz Pluralismus.
Der Begriff „Zeitalter musikalischer
Vielfalt” spielt hier herein. Man könnte
sagen, wenn das stimmt, was ich
zuerst gesagt habe, dann gab es
bisher ausschließlich Zeitalter musikalischer Vielfalt, und von außen betrachtet stimmt das auch. Die neue
Situation und auch das, was früher
an Neuem entstanden ist, postuliert,
dass diese Vielfältigkeiten miteinander
und zueinander in Beziehung treten
können. Da haben wir heutzutage
einen Stand erreicht, wie er bisher
nicht möglich war und im Moment
unüberbietbar erscheint. Es kann die
ganze Welt globale Verhaltensweisen
ständig und augenblicklich aufgrund
der neuen Medien auch zueinander in
Beziehung treten und daraus natürlich etwas entstehen lassen. Nun sind
aber Menschen Wesen, die in
Wettbewerb treten. Ich persönlich
halte das nicht für eine sehr gute
Eigenschaft der Menschen, aber wir
alle haben sie. Wenn man Dinge in
Beziehung bringen kann, und wenn
man sie von außen betrachten kann
und sie umsetzen will, dann setzen
jene Mechanismen ein, und das ist
gefährlich, die Strategien hervorbringen können und Macht und Dominanz
entstehen lassen, und damit die
Podiumsdiskussion
Vielfalt als produktives Etwas in Frage
stellen. Das ist die Gefahr, der wir
begegnen. Globalisierung, um das
Schlagwort zu gebrauchen, ist weder
an und für sich schlecht noch gut. Ich
glaube sogar, dass in Wirklichkeit die
Chancen, die wir haben, ungeheuer
sind. Es geht darum, wie wir damit
umgehen. Unser Thema muss die
Bestandsaufnahme dieses Zeitalters
der musikalischen Vielfalt sowie der
Rahmenbedingungen, Konsequenzen,
Chancen und Gefahren sein, damit wir
es schaffen, wieder zu diesem ersten
Begriff zu kommen: Kreativität durch
Pluralismus. Aber dazu muss die
Vielheit Vielheit bleiben, und das
stellt uns - so glaube ich - vor große
Probleme. Unser Symposion möge das hoffe ich sehr - dazu ein Beitrag
sein. Dankeschön.
Wer möchte als erster sein Statement
vortragen? Ich darf Sie, Herr Dr.
Medwenitsch, um Ihren Beitrag bitten.
Franz Medwenitsch: Sie haben mir
ein Stichwort gegeben, denn ich habe
das Ende Ihres Vortrags so verstanden,
das Sie gesagt haben, der Wettbewerb
und das Streben nach Vorteilen kann
eine Bedrohung für den Pluralismus
sein und kann dadurch auch eine
Bedrohung für die Kreativität sein.
Das möchte ich gar nicht ganz in
Abrede stellen, aber ich möchte
entgegensetzen, dass natürlich der
Wettbewerb auch ein Quell für
Kreativität sein kann und in vielen
Fällen natürlich auch ist. Das Streben
etwa in der Musikwirtschaft, die ich
hier vertrete, nach einem größeren
Marktanteil, nach einer besseren
Veröffentlichung, nach einer besseren
Chartsplatzierung, nach mehr
Künstlern unter Vertrag kann natürlich sehr wohl Quelle der Kreativität
sein. Ich glaube, dass das im Arbeitsalltag durchaus auch da und dort passiert.
Natürlich gibt es auch Gefahren: Die
Machtübernahme, das Zuviel können
zu dominanten Positionen führen.
Dominante Positionen sind eigentlich
nie gut für die Kreativität und für die
Kultur.
Ich möchte Sie kurz über die
Entwicklung des österreichischen
Musikmarktes im Zeitraum 2000 bis
2003 informieren. Alle, die diesen
Musikmarkt verfolgen, haben sicher
gesehen, dass es nicht nach oben
gegangen ist, sondern dass der
Musikmarkt zurückgegangen ist. Das
ist nicht gut, aber auch kein Grund,
den Kopf ganz hängen zu lassen.
Warum, das will ich Ihnen anhand
ganz weniger Charts zeigen. Das ist
die Entwicklung des Musikmarktes in
10
diesem Zeitraum: Im Jahr 2000
haben die Österreicher 314 Mio. Euro
für Tonträger in Österreich ausgegeben. Im Jahr 2003 waren es 251 Mio.
Euro. D.h. in all diesen Jahren ist der
Musikmarkt zurückgegangen. Die
Umsätze sind 2001 um knappe 10%,
im Jahr 2002 um knappe 8% und im
letzten Jahr um 3,6% gefallen. In
Summe macht das etwa 63 Mio. Euro
weniger Umsatz im Jahr 2003 verglichen mit 2000, das sind 850 Mio.
Schilling, die der Musikmarkt weniger
ausmacht, und das ist eine ganz
gewaltige Ziffer. Das macht den
Firmen, den Labels, den Managements,
den Künstlern, allen, die in diesem
Musikmarkt, der Verkäufe aufbaut
und keine Subventionen bekommt,
arbeiten, sehr, sehr zu schaffen.
Die 10% Personalabbau, die aus der
Wiener Studie für den Bereich der
Musikwirtschaft hervorgehen, halte
ich geradezu für eine sehr günstige
Ziffer. Wenn der Markt in dieser kurzen Zeit um 25-30% zurückgeht, dann
glaube ich, dass es auch durchaus
noch zu einem höheren Personalabbau
kommen muss, jedenfalls auch
zu höheren Kosteneinsparungen
kommen musste.
Allerdings hat sich auch der internationale Musikmarkt nicht viel anders
verhalten, auch dieser Markt ist in
diesen Jahren zurückgegangen. In
den Jahren 2001 und 2002 ist der
österreichische Musikmarkt geringfügig
schlechter gelegen als der internationale, im Jahr 2003 ist der österreichische Musikmarkt, wiewohl er gesunken
ist, besser gelegen: Minus 3,6% im
Verhältnis zu minus 7,6%. Das ist
doch ein deutlicher Unterschied. Das
ist es auch, was ein bisschen Anlass
zur Hoffnung gibt. Die Frage ist nun,
warum ist der Musikmarkt in dieser
Form zurückgegangen? Was sind
konkret die Ursachen?
Die Ursachen lassen sich an einer
Zahl klar ausmachen. Wir haben,
beginnend mit dem Jahr 2000, pro
Jahr etwa 100.000 Personen an
Käuferreichweite verloren. Das ist der
Punkt. Wir haben im Jahr 2000 3,2
Mio. Tonträgerkäufer gehabt, und wir
haben im Jahr 2003 nur mehr 2,8
Mio., das sind etwas mehr als 100.000
Käufer pro Jahr, die an Reichweite
verloren gehen. Die, die nach wie vor
Tonträger kaufen, halten aber dieselbe Intensität, d.h. im Durchschnitt
werden zwischen sechs und sieben
Tonträger im Jahr gekauft. Die
Ausgaben haben sich nicht wesentlich
verändert, sie sind gesunken aufgrund des Preisdruckes, aber es ist
nicht gravierend, und auch die
Intensität ist nicht gravierend. Es geht
um die Reichweite. Wir wissen, dass
wir die Reichweite speziell in der jüngeren Generation verlieren, also der
Tonträgerkäufer wird tendenziell älter,
er hat seinen Schwerpunkt von
29 Jahren aufwärts. Die 30 bis 39Jährigen sind derzeit die stärksten
Tonträgerkäufer. Ich bezweifle nur,
dass die Jugend, also die 19 bis
29-Jährigen, aufgehört haben, Musik
zu konsumieren. Sie konsumieren
natürlich Musik nach wie vor, auch in
derselben Intensität etwa, sie haben
nur Wege gefunden, diese Musik
außerhalb des Verkaufsmarktes zu
besorgen. Das ist einfach ein Problem
dieses Marktes, deswegen ist ein
Punkt, den ich bereits hier eingangs
erwähnen möchte, der Schutz des
geistigen Eigentums. Dieser ist eine
Existenzfrage für die Musikwirtschaft,
und ich glaube, auch für alle anderen
Segmente der Kreativwirtschaft.
Ich möchte im zweiten Teil meines
Statements auf die interessante
Entwicklung des österreichischen
Repertoires eingehen. Der Umsatz mit
österreichischem Repertoire ist 2001
und 2002 gesunken, im Jahr 2003
aber gestiegen. Der Umsatz ist um
fast 32% angestiegen und ist höher
als im Jahr 2000. In einem langfristigen
Vergleich ist er höher als in vielen,
vielen Jahren auch davor. Er kommt
geradezu an die Bereiche heran, als
man von der Hochblüte des Austro
Pop Mitte der achtziger Jahre gesprochen hat. Das kann einen freuen,
wenn man realistisch bleibt, realistisch
deswegen, weil diese Steigerung des
österreichischen Repertoires, eine
Verdreifachung der österreichischen
Single-Umsätze im übrigen und eine
glatte Verdoppelung der Albenumsätze,
nicht nur, aber schwerpunktmäßig
einen Grund hat, der da heißt
„Starmania.” Das muss ganz klar sein.
Das kann man kritisieren und man
kann über die Qualität dieser Dinge
streiten, aber ein Faktum bleibt
bestehen: Wenn es eine so breite
Medienkooperation gibt, und damit
meine ich Fernsehen, Radio und die
Printmedien plus die Musikfirmen,
dann sind hier Entwicklungen möglich, die auf einmal eine Steigerung
von knapp einem Drittel beim österreichischen Repertoire möglich
machen. Und diese Umsätze haben im
übrigen auch dazu geführt, dass der
österreichische Gesamtmarkt im
internationalen Vergleich einer der
besten sich entwickelnden Märkte im
Jahr 2003 war. Darüber liegen die
Engländer, die etwa auf dem gleichen
Ergebnis von 2002 abgeschlossen
haben, und die meisten anderen
Länder, vor allem die großen, liegen
Podiumsdiskussion
darunter, vor allem Deutschland hat
knapp minus 20%, die Amerikaner
sind bei minus 8%. Da liegen wir so
schlecht nicht.
Dass wir heute über das Thema
Kreativwirtschaft hier diskutieren und
darüber, was man für diese Segmente
tun kann, ist ein absolut positives
Zeichen. Ich meine, dass es diese
Möglichkeit vor 2000 nicht gegeben
hat bzw. sie sehr viel geringer war.
Es ist die Kreativwirtschaft ein fester
Bestandteil der politischen Diskussion
auf Bundesebene geworden. Der Herr
Staatssekretär wird das sicher selber
sagen. Er hat bereits ein Symposion
zum Thema Kreativwirtschaft vor seinem Eintritt in die Regierung
gemacht. Er ist sicher einer der
Träger dieser Diskussion. Die Stadt
Wien hat nun einen Bericht vorgelegt,
die Stadt Wien unterstützt auch mit
Geld. Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft
Kreativwirtschaft in der Wirtschaftskammer, es gibt einen Kreativwirtschaftsbericht auf Bundesebene und
auch in Wien, wo aus beiden hervorgeht: Die Kreativwirtschaft liegt besser
als die österreichische Gesamtwirtschaft, was sowohl Wertschöpfung als
auch Beschäftigung angeht. Hier ist
ein Potential gegeben. Das
sind Dinge, die Anlass zur Hoffnung
geben. Nur die Kreativwirtschaft,
auch wenn sie ein Modell ist, das nicht
unbedingt auf Förderungen aufbaut,
braucht dennoch marktflankierende
Maßnahmen. Die Kreativwirtschaft ist
ein sehr riskantes Geschäft im
Vergleich zu anderen Wirtschaftssegmenten. Welche Maßnahmen man
setzen kann, das wird sich aus der
Diskussion ergeben. Damit möchte ich
schließen.
Harald Ossberger: Danke sehr, Herr
Dr. Medwenitsch. Jetzt möchte ich
jemanden auffordern, der die
Musikschaffenden vertritt, und darf
Dich, Peter, um Deinen Beitrag bitten.
Peter Paul Skrepek: Danke, das
mache ich gerne. Zum letzen Satz von
Franz Medwenitsch, der viel Wahres
gesagt hat, möchte ich ergänzen:
Kreativwirtschaft heißt nicht notwendigerweise Kunst und Musik. Man
kann unter Kreativwirtschaft auch
etwas ganz Anderes verstehen, und
ich fürchte, dass unter Kreativität oft
etwas ganz Anderes verstanden wird
als wir uns ausdenken. Wenn zwei
Leute von einem Berg reden, versteht
der eine etwas Anderes darunter als
der andere. Harald Ossberger wird
vielleicht an den Alban Berg denken,
andere denken an den Phettberg oder
an den Kahlenberg, je nachdem, wo
11
man her ist, vielleicht an den
Großglockner. Das ist alles sehr
unscharf. Plural heißt, und ich habe
nicht nachgeschaut, sondern mich
erinnert, die Mehrzahl. Das hat noch
nichts mit Vielfalt zu tun, das kann
auch sehr eintönig sein. Das ist z.B.
eine pluralistische Runde - lauter
Männer. Es kommen heute noch
Frauen, darauf haben der österreichische Musikrat und die Musikuniversität schon geachtet, aber am Anfang
sollen schon die Männer reden, und
das tun wir jetzt auch. Hoffentlich
kommt etwas Sinnvolles dabei heraus.
Was Franz Medwenitsch richtig
bemerkt hat, ist, dass dieses vergangene Jahr für die österreichische
Musikwirtschaft wieder ein Lichtblick
war, für die Musikszene mit Einschränkungen. Wenn man die ganze Breite
der Musikszene betrachtet, war sie
nur für einen kleinen Teil ein Lichtblick, nämlich für diejenigen, die im
Studio für Starmania produziert
haben, weil es dem ORF zu teuer war,
eine Band auf die Bühne zu stellen,
was angeboten worden ist. Jetzt hat
man eben im Studio alles nachproduziert und hat zumindestens den
Beweis angetreten, dass, für diejenigen, die es nicht glauben und auch
nachher nicht glauben, die österreichischen Musikschaffenden das auch
können. Das sind keine dahergelaufenen Wappler, um es populär zu sagen,
die halt alles nachmachen, was aus
Amerika kommt, sondern die auch
sehr gut selber Dinge produzieren
können, die sich durch nichts unterscheiden. Die können ganz genauso
schlecht sein, wie das, was aus dem
gelobten Land der Popmusik kommt.
Sie können aber auch ganz genauso
gut sein. Der Effekt, den diese
Sendung auf einen Teil der Musikszene gehabt hat, war frappierend.
Trotzdem hat es der ORF weiterhin
verstanden, dem Kompliment, das ich
ihm gemacht habe, er habe etwas
getan für die österreichische
Musikszene, auszuweichen, er hat es
gar nicht angenommen. Das war
irgendwie ein Unglück. Das Ganze war
nicht so geplant scheinbar, dass es
auch ein gutes Geschäft wird, und
dass die Musikszene dadurch einen
Impuls bekommt. Aber es hat eines
gezeigt, und auch da hat Franz
Medwenitsch vollkommen richtig darauf hingewiesen, dass in Ländern, die
auf Pluralität in unserem Sinne, also
auf Vielfalt und die Möglichkeit, andere musikalische Wege zu beschreiten
und zu einem Publikum zu finden,
dass in Ländern, die das unterstützen
und das lokale Repertoire favorisieren
wie Frankreich oder England, wo auf-
grund der Krise sogar eine Quotenregelung diskutiert wird, das Ganze
floriert. Dort ist der Zugang zu den
Medien und damit der Zugang zum
breiten Publikum möglich, dort können alle gewinnen, auch die Schallplattenindustrie, die wir brauchen,
wenn wir unsere CDs nicht nur auf
Konzerten verkaufen wollen, was leider viele Musikschaffende aus den
oben genannten Gründen tun müssen.
In Österreich wird allein die Diskussion
über eine Quote in den Bereich des
Satanismus verwiesen. Dort, wo der
Krieg um den Markt einseitig von
dominanten Kräften für sich entschieden worden ist, dort stagniert der
Markt, der Umsatz, alles wird von
einem Strudel nach unten gezogen.
Solange es bei uns Leitfiguren gegeben hat, die man wahrgenommen hat,
deshalb waren sie auch Leitfiguren,
solange hatte Österreich eine lebendige, großartige Musikszene gehabt. Ich
rede dabei gar nicht von Falco oder
anderen, sondern von Zeiten vor 100
Jahren, wo Österreich gleichsam als
Weltmacht Musik in alle Welt exportiert hat, wo die AKM hauptsächlich
Gelder aus Aufführungen aus dem
Ausland kassiert hat. Das waren
Zustände, von denen wir heute nur
träumen können. Wir haben einen
unglaublichen Abfluss an Geld aus
Österreich, und dieses Geld fehlt uns,
um Musik zu produzieren, und zwar
Musik jeder Spielart. Wenn die
Musikuniversitäten aufgefordert werden, sich Sponsoren zu suchen, weil
man jetzt alles privatisiert, dann heißt
das nichts anderes, als dass man
ihnen Geld wegnimmt, denn wer soll
die Musikuniversitäten schon
unterstützen. Die Universität für
Bodenkultur hat es da besser, da stehen riesige Pharmakonzerne, die uns
Hybridpflanzen verkaufen wollen,
Schlange und unterstützen
Forschungsprojekte. Wer soll denn die
Universität für Musik unterstützen
außer ein paar Musikinstrumentenhersteller und Besitzern von
Distributionskanälen von Musik wie
z.B. Sony. Bekommt die Musikuniversität da Unterstützung? Stehen die
Leute Schlange, um der Musikuniversität Gelder zukommen zu lassen,
um junge Talente auszubilden, die
dann Konkurrenz am internationalen
Weltmarkt machen dürfen? Das ist
eine rein rhetorische Frage, wir wissen, dass sie nicht Schlange stehen.
Dort liegt der Hund begraben. Wenn
wir also versuchen, uns darauf zu
besinnen, dass wir es selber auch
können, und auch noch schaffen, alle
vom Gesetzgeber bis über die Medien
und die Verteilungskanäle mit unserem
Podiumsdiskussion
Können zu überzeugen, dass wir Geld
verdienen können, dann haben wir
gute Karten. Wenn wir das nicht
schaffen, dann werden wir als
Musikschaffende bald nur mehr ein
Anhängsel sein, das Endziel der
Musikausbildung wird dann die
Hervorbringung neuer Musiklehrer
sein. Das würde dann auslaufen, so
wie die österreichische Musikszene so
schön langsam aus dem Programm
ausgeblendet wird, sodass es am
Ende heißt: Österreichische Musik,
gibt es das überhaupt noch? Natürlich
gibt es diese Musik, sie blüht nur im
Verborgenen. Dass man mit Musik gut
verdienen kann, hat Franz Medwenitsch
eindrucksvoll gesagt, das ist eines der
stärksten Argumente, die wir im letzten Jahr bekommen haben: Eine breite Öffentlichkeit und schon geht es
bergauf. Schon können die Leute, die
hier arbeiten, zeigen, was sie drauf
haben, und die haben einiges drauf.
Das ist kein Land, wo sich die Musik
verflüssigt hat, durch den Abfluss
davon geronnen. Es ist alles da. Ich
unterrichte selber an einer
Musikschule in Wiener Neustadt, und
ich kann bestätigen aus eigenem
Erleben, das ist unglaublich, was es in
Österreich für musikalische Talente
gibt. Man kann den Talentiertesten
momentan leider nur einen Tipp
geben: Verlasse dieses Land, denn es
ist nicht das Land, in dem du mit deiner Musik Karriere machen kannst.
Wir sind momentan nicht in der Lage,
Förderungen gleich welcher Art zur
Verfügung zu stellen. Wir sind auf
dem Weg in die Bedeutungslosigkeit
und zwar die längste Zeit schon.
Wenn diese Veranstaltung einen
kleinen Beitrag leistet, um das
Bewusstsein zu schärfen, dass wir
etwas für die Kultur und die Kunst
insgesamt leisten können, dann hat
sie ihren Zweck schon erfüllt.
Harald Ossberger: Danke vielmals,
Peter Paul Skrepek. Du hast in Deinen
Ausführungen mehrmals die Medien
angesprochen, besonders den ORF.
Daraus ergibt sich für mich eine interessante Referentenabfolge. Zunächst
möchte ich Herrn Traxl und dann
anschließend Herrn Zimper um ihre
Ausführungen bitten.
Martin Traxl: Schönen guten Morgen.
Ich habe kein Statement mit großen
Zahlen vorbereitet, aber ich bin ein
interessierter Zuhörer. Interessant,
was man von Seiten der Wirtschaft
übermittelt bekommt, auch nicht sehr
überraschend. Es ist auf jeden Fall so:
Meine Beobachtungen der letzten
zwei Jahre gehen in zwei Richtungen.
12
Ich fange mit dem Positiven an. Ich
orte, und da gebe ich Herrn Skrepek
recht, eine enorme Vielfalt. Es hat in
den letzten Jahren einen neuerlichen
Boom gegeben, einen ersten so Mitte
der neunziger Jahre aus der Neuen
Volksmusik heraus in Verschränkung
mit Jazz, und einen zweiten jetzt mit
einer unheimlichen Vielfalt, die auf
den Zuzug von wirklich talentierten,
spannenden, interessanten Menschen
zurückzuführen ist nicht nur aus den
Ostländern, sondern auch aus dem
arabischen Raum und aus europäischen Ländern wie Italien und
Skandinavien. Die kommen hierher,
und man muss sich fragen, warum?
Ich weiß nicht, ob alles so furchtbar
ist, ob wir jetzt wirklich in die
Bedeutungslosigkeit verschwinden
müssen. Ich glaube, dass die Gefahr
besteht, dass das kreative Potential in
diesem Land zu wenig erkannt wird.
Es vermischen sich die Stile, die
Genres, die Menschen. Diese Leute,
die hierher kommen, gehen wunderbarerweise nicht ins Kämmerchen
und versuchen irgendetwas, sondern
sie gehen hinaus, sie treffen andere
Musiker, es entstehen ganz neue
Formen wie schon erwähnt: JazzEthno, aber auch die DJ-Szene findet
Eingang in die Klassiktempel bis hin
zur Volksoper. Das sind ganz interessante Entwicklungen, die da stattfinden. Ich bin, was das betrifft, sehr
zuversichtlich. Wir haben versucht,
dem ein bisschen Rechnung zu tragen.
Ich bin ja hier nicht als ORF-Sprecher,
sondern als Kulturjournalist und
Sendungsmacher und möchte mich
auch darauf konzentrieren. Wir in der
Kultur haben versucht, das aufzunehmen indem wir unser Flaggschiff
„Treffpunkt Kultur” noch mehr zum
Forum gemacht haben, d.h. es gibt im
Durchschnitt in jeder zweiten
Sendung Auftrittsmöglichkeiten für
österreichische und internationale
Künstler. Das ist zumeist mit einem
aktuellen Anlass wie einer
Plattenpräsentation und/oder einem
Konzert verbunden. Der Anteil an
österreichischen Künstlern und
Musikern bzw. solchen, die hierher
gekommen sind und hier leben, liegt
bei zwei Drittel bis drei Viertel, d.h.
wir haben keine Schwierigkeiten, tolle
Leute zu finden. Wir sind natürlich mit
Augenmaß dabei und haben für die
Auswahl gewisse Kriterien, das ist
ganz klar. Wir müssen schauen, dass
es zu Charakter und Dramaturgie der
Sendung passt, aber es gibt überhaupt
keine Schwierigkeiten, spannende
Leute zu finden. Wir haben praktisch
in jeder zweiten Sendung Gäste, und
diese Studio-Acts laufen auch sehr
gut, was die Publikumsakzeptanz
betrifft, und werden sehr gerne von
den Musikern genutzt. Wenn wir das
auch, zumeist aus dramaturgischen
Gründen, im letzten Drittel der
Sendung ansiedeln, haben wir noch
immer eine Publikumsgröße von
zweimal Praterstadion. Das ist nicht
wenig, und wir sind uns unserer
Verantwortung bewusst, wir tun das
gerne. Wie Herr Skrepek schon sehr
gut gesagt hat: Es können ja alle
etwas davon haben. Es ist ja nicht so,
dass wir das als Akt der Großzügigkeit
sehen, sondern wir bereichern mit der
Kreativität dieser Menschen unsere
Sendung, das ist ganz gewiss so.
Auf der anderen Seite mache ich mir
natürlich schon auch Sorgen. Die
Zahlen haben es schon aufgezeigt:
Ich orte keinen Mangel an Kreativität,
sondern gröbere Probleme an der
Schnittstelle zwischen Kunst und
Wirtschaft. Das kommt ja nicht von
ungefähr. Ich behaupte, und das kann
wahrscheinlich jeder hier nachvollziehen, dass die Szene immer vielfältiger
wird, immer stärker und interessanter,
trotzdem gehen die Absatzzahlen
zurück. Sie haben die Gründe schon
kurz angeführt. Junge Musiker erzählen, dass sie bei ihren Produktionen
ein fertiges Masterband abliefern
müssen, d.h. Technik, Studio, Studiomusiker selber finanzieren müssen,
und die Plattenfirma nur mehr
vervielfältigt. Die Künstler müssen
Sponsoren auftreiben. Ich glaube, so
kann es nicht gehen. Wenn es nur
mehr so geht, dann liegt ein größerer
Fehler im System. Man müsste die
Wirtschaft stärker davon überzeugen
können, dass Platten-Machen kein reines Geschäft mehr ist. Es ist noch
immer in den Köpfen der Wirtschaftstreibenden verankert, die teilweise im
Sponsoring für Kunst, Literatur und
Oper großzügig sind, dass die Schallplattenproduktion etwas Kommerzielles ist, und daher nicht gefördert
werden muss. Ich glaube, da herrscht
Nachholbedarf. Im Ausland leisten
sich größere Firmen bereits ihre eigenen Plattenlabels. So weit muss es bei
uns ja nicht kommen, aber eine
Bewusstmachung, dass Künstler bei
der Produktion eines Tonträgers ums
Überleben raufen, sollte stattfinden,
da muss man nachhaken. Auf der
anderen Seite hat man jahrelang
nicht darauf reagiert, dass der
Tonträger langsam stirbt bzw. dramatisch bergab geht. Ich finde es verblüffend, dass man keine anderen
Mittel gefunden hat, als junge
Menschen, die sich CDs brennen, zu
kriminalisieren und Kampagnen zu
starten. Es muss wieder eine andere
Podiumsdiskussion
Branche kommen, die sagt, warum
machen wir da nicht etwas daraus,
z.B. eine digitale Jukebox und wir alle
haben etwas davon, nämlich die
Kreativen, die Konsumenten und auch
ihr als Produzenten, logisch. Die
Dinge sind ja jetzt im Gange, ich glaube, es wird sich sehr in diese Richtung
verlagern, weil junge Menschen in der
Musikbeschaffung flexibler werden.
Ich glaube, man tut nicht gut daran,
zu sagen: „Das muss man verhindern.” Wir müssen schauen, wie wir
im klassischen Geschäftsbereich
weiterhin unsere Platten verkaufen,
sonst bleiben die Künstler wahrscheinlich auch noch auf der Strecke,
so weit sollte es meines Erachtens
nicht kommen. Ich glaube, die Medien
würden da schon mittun, das ist ja
auch angesprochen worden. Ich glaube, die Medien sind an vielem schuld,
ich ärgere mich selbst immer wieder
über vieles; daran glaube ich nicht,
nämlich dass sie Nachwuchspflege
und neue Talente nicht wahrnehmen
wollen - im Gegenteil, die sind überaus dankbar, wenn man über neue
Hypes, neue Stars berichten kann.
Das ist ein gefundenes Fressen auch
für die Medien, warum sollen sie es
also nicht tun. Ich glaube, das interessiert auch die Leute mehr als etwas
über ehemalige Austro Popper zu
lesen, außer sie lassen sich vielleicht
scheiden. Auch in den Medien hat sich
das sehr verändert. Da sollte es in der
Zusammenarbeit keine Probleme
geben. Mangel an Kreativen herrscht
wirklich nicht in diesem Land.
Franz Medwenitsch: Herr Traxl, Sie
haben auch die Musikwirtschaft angesprochen, daher möchte ich dazu
etwas sagen, weil einige Gemeinplätze
dabei waren. Das Produzieren von
Musik ist in Österreich extrem riskant,
ich kann Ihnen auch erklären, weshalb
das so ist. Die Produktionskosten sind
in Österreich genauso hoch wie in
England, Deutschland, Frankreich, wie
überall, da ist kein Unterschied. Der
Markt, der primär zur Refinanzierung
dieser Produktionskosten zur
Verfügung steht, ist ein verhältnismäßig kleiner. Wir bekommen keine
Subventionen und öffentliche
Gebühren, sondern es ist Risikokapital,
das man da einsetzt. Der Markterfolg
einer Produktion entscheidet sich in
Österreich an einer ganz, ganz zentralen Frage: Findet man mit dieser
Produktion Zugang zu den Medien
oder nicht? Da kann ich Sie nicht so
leicht entlassen als Sendungsmacher
und Kulturjournalist, sondern Sie sind
schon beim ORF, und der ORF hat
natürlich eine ganz entscheidende
13
Rolle, es haben auch die Radioprogramme des ORF eine entscheidende
Rolle. Ich möchte das nicht in die
einseitige Diskussionsecke drängen,
wo es zwangsläufig immer wieder hinführt, aber so leicht kann es sich der
ORF nicht machen, hinzuzeigen: Ihr
bösen Musikfirmen, Ihr produziert ja
eigentlich überhaupt nichts mehr. Da
sind einige aus der Musik, die können
dann erklären, was das kostet, und
wie schnell man das, was es gekostet
hat, nachher in den Abfallkübel werfen kann, weil es einfach überhaupt
keine Chance hat, zu den Hörern und
zum Käuferpublikum zu kommen.
Wenn sie eine Produktion machen,
dann kostet das nicht wenig, wenn sie
auch die Qualität haben soll, die sie
im internationalen Vergleich auch
haben muss. Man darf sich das nicht
so einfach machen. Zum zweiten
Stichwort „kriminalisieren”: Ich sage
Ihnen, ich habe noch nie jemanden
kriminalisiert, ganz im Gegenteil. Wir
informieren, wir klären auf, aber es ist
einfach so: Im Jahr 2003 wurden in
Österreich 19 Mio. Original-CDs
verkauft, und es wurden 19 Mio.
Musik-CD-Rohlinge gebrannt, netto
Musik-CD-Rohlinge, also eine echte
1:1-Relation, und das ist nicht das
Herstellen von Kopien fürs Auto, von
Sicherheitskopien für den Zweitwohnsitz, sondern das ist zu einem
wesentlichen Anteil eine Kaufsubstitution. Ich glaube, man sollte dieses
Thema nicht so leicht erledigen und
sagen, das ist kriminalisieren, und da
ist etwas versäumt worden, sondern
es ist ein echtes Problem.
Musikpiraterie gibt es, solange es die
Musikbranche gibt, nur war das
immer ein Loch im Boden des Fasses,
wo es rausgetröpfelt ist, mittlerweile
ist das Loch schon relativ groß geworden, es rinnt heraus, und tendenziell
wird es nicht kleiner, und ich glaube,
dass man dagegen etwas machen
muss. Ich setze mich gerne dem
Vorwurf der Kriminalisierung aus,
wenn jemand Urheberrecht verletzt,
dann verletzt er Urheberrecht, das
sage ich ganz offen. Ich lasse den
Vorwurf dann auf mir sitzen, denn es
ist so. Dass man neue Modelle finden
muss, ist schon klar, darüber können
wir lange reden.
Martin Traxl: Ich habe nicht der
Raubkopie das Wort geredet, sondern
den neuen Vertriebsmöglichkeiten,
die von der IT-Branche kommen,
davon können alle profitieren.
Franz Medwenitsch: Das ist völlig
richtig.
Harald Ossberger: Danke. Ich möchte
Sie bitten, die Diskussion auf die zweite Runde zu verlegen. Ich bitte Herrn
Zimper um seinen Beitrag.
Martin Zimper: Im Radio entstehen
durch Hörerorientierung Stilfelder
und aus diesen wiederum einzelne
Radiostationen. Durch die österreichweite Einführung des Privatradios
1998 haben wir 64 Radiolizenzen, und
die musikalische Landschaft begann
kreativer, pluralistischer und vielfältiger zu werden. Ich selbst habe in dieser Zeit drei Stationen aufgebaut
oder umgebaut, nämlich Energy,
Party FM in NÖ, ein kleiner Lokalsender, und Kronehit. Jeder hat sich
ein bis zwei Musikstilen gewidmet,
nicht aber allen Musikstilen, weil sie
können es auch im Radio nicht allen
recht machen und sagen, ich mache
ein Radio für alle, sondern man macht
eben Radio für bestimmt Zielgruppen.
Während Sie in Ihrem Modell vom
Künstler, vom Kreativen und von der
Produktion ausgehen, gehen wir eben
vom Hörer aus, aber es gibt vieles,
was sich eigentlich trifft in diesem
Modell. Ich habe mir überlegt, welche
Musikstile sind denn erfolgreich von
der Musikindustrie her, nämlich
österreichische Musik, die zumindest
europaweit erfolgreich ist? Das ist
sicher einmal die Klassik, da sind wir
uns sicher einig in dieser Runde. Und
wir sind uns sicher, dass das zuwenig
ist, denn sonst könnten wir ja sagen:
Ö1 ist der Sender, der die meiste
österreichische Musik spielt, wunderbar. Das ist nicht im Sinne dieser
Runde. Dann ist da die Elektronik und
die Kruder&Dorfmeister-Ecke, etwas,
das international erfolgreich ist. Ich
stelle auch fest wie Herr Traxl: Es
kommen doch jede Menge Kreative
nach Wien, um diese kreative Luft für
sich persönlich zu nutzen und hier
international zu produzieren, also das
finde ich etwas Positives. Und wenn
Sie sagen „geht hinaus, ihr habt nur
draußen die Chancen”: Ja stimmt, das
nennt sich nämlich Markt, und wir
sind in einem großen Markt, in der EU
und ab 1. Mai um zehn Länder größer.
Also man darf das nicht immer
wienerisch oder österreichisch sehen,
sondern auch die Musikschaffenden
sollten sich einem internationalen
Markt stellen, aber auch einem internationalen Klima, dass man nicht
immer nur in der eigenen Suppe
kocht. Die eigene Suppe ist vielleicht
gar nicht so schlecht, denn es kommen viele internationale Künstler, die
dann im Flex auflegen oder in den
U-Bahnbögen am Gürtel produzieren.
Wir sind durchaus in einer kreativen
Podiumsdiskussion
Szene. Dass die alle einen österreichischen Pass haben müssen, ist nicht
etwas, was jemand verlangt. Zurück
zur Radiolandschaft: Was ich feststelle, und das ist nichts Neues, ist folgendes, dazu ein Beispiel: Ich lade die
Musikindustrie ein, denn wir haben
wenige Leute, die auf uns zukommen.
Ich weiß schon, wir könnten auch auf
die zukommen, aber dafür haben wir
zu wenige Mitarbeiter, um mit jedem
einzelnen zu sprechen. Aber es gibt
wenige, die zu uns kommen, und uns
fragen: Was überlegt Euch Ihr über
Eure Musikstile? Wie und warum programmiert Ihr? Wen wollt Ihr eigentlich treffen? Was interessiert Euch
eigentlich stilmäßig, welche
Produktionen sind für Euch interessant? Dann könnten wir erklären kann ich in diesem Rahmen jetzt nicht
tun, denn dafür müsste man sich eine
Stunde Zeit nehmen - welche Musikstile etwa Kronehit durchaus sendet
und fördert, das ist sicher ein
Unterschied zu dem, was Energy
macht, zu dem was Antenne
Steiermark macht oder 88.6. Das
heißt, wir überlegen uns schon etwas,
es ist aber wechselseitig nicht so
bekannt, welche Strategien die einzelnen Radiostationen haben. Aber wenn
es zur Strategie passt, spielen wir
selbstverständlich auch Österreichisches bis hin zu Lokalem. Ein Sender
wie Party FM stellt zumindest die
lokale Band, die nicht einmal einen
Vertrieb braucht, auch einmal vor,
natürlich spielt man das dann nicht
70 Mal, aber man stellt es vor und
schafft eine Kommunikationsbasis
dafür und stellt es ins Internet, auf
die Website des Senders. Da passiert
einiges, das lokal ist. Natürlich kann
nicht jede lokale Band einen Auftritt
bei Vera und eine Doppelseite in der
Kronenzeitung bekommen, das kann
man nicht für jede lokale Band fordern. Was einen möglichen quotierten
Anteil heimischen Schaffens im Radio
betrifft, glaube ich, gibt es eine
Verpflichtung, jedenfalls des öffentlichrechtlichen Senders, der über Gebühren
finanziert ist, Österreichisches zu
spielen und zwar auch in Zeitzonen,
wo sie gehört werden und nicht nach
20.00 Uhr. Ich möchte das für alle
Musikstile ausführen und verlangen
und auch für jeden Sender. Ich habe
jahrelang für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet: Radio NÖ,
ORF Fernsehen. Ich glaube, dass FM4
sehr viel Gutes für einen bestimmten
Teil der aktuellen österreichischen
Musikszene tut, und sich auch die
Gebühren verdient. Bei Ö3 sind wir
uns sicher einig, dass das eine selbst
kommerzialisierte Radiostation ist, die
14
meiner Meinung nach eine der besten
kommerziellen Radiostationen des
deutschsprachigen Raums ist, nur
öffentlich-rechtlich ist daran wirklich
null. Bei Ö2 fällt mir im Zeitraum seit
dem Jahr 2000 auf, und es wird nicht
einmal geleugnet, dass man stolz
darauf ist, Formatradio zu sein, und
man wie in Salzburg aus einem
Interview mit dem Landesintendanten
Nowak hervorgeht, die urtümliche
Volksmusik, die man früher zwischen
10.00 uns 12.00 Uhr gespielt hat, aus
dem Programm gekippt hat. Das ist
etwas, das in einer kommerziellen
Landschaft durchaus so sein muss,
weil sich die Station letztlich selber
durch Werbeeinnahmen finanzieren
muss, wenn man ein privates Radio
ist. Beim ORF hat das mit Ö3 begonnen und wird in Ö2 fortgesetzt, wo
keine Volksmusik mehr gespielt wird.
Das ist nachweisbar, und es wäre sinnvoll, das im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit zu untersuchen,
was sich da in den letzten drei Jahren
getan hat. Ich sage Ihnen voraus, Sie
werden draufkommen, dass sich jede
Menge getan hat. Der AKM wird das
wahrscheinlich auch auffallen und den
Musikschaffenden, wenn man sich die
Playlists anschaut. Zusammenfassend
möchte ich mir mehr Dialog mit
Musikschaffenden und der Musikindustrie wünschen und zwar einen
professionellen Dialog. Es gab eine
Professionalisierung der Radiobranche,
die noch im Gang ist. Ich würde mir
eine gemeinsame Professionalisierung
dieses Dialogs erwarten, ich bin gerne
dazu bereit, das mitzugehen und
schlicht und einfach zu verbessern.
Ich ersuche aber auch um Berücksichtigung der Rahmenbedingungen
der Produktion privaten Radios im
Gegensatz zu den konkreten
Aufträgen des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks. Ich habe eine Idee, wie
der Herr Staatssekretär ohne Budget
und ohne einen Euro etwas für die
österreichische Musikindustrie tun
kann: Die Vorschreibung einer nationalen Quote für alle Sender des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Harald Ossberger: Ich danke für das
Statement und darf Herrn Staatssekretär Morak sehr herzlich begrüßen,
fein, dass Sie da sind. Ist es Ihnen
recht, wenn wir mit den Herren
Lechner, Rösner und Tschmuck fortsetzen, dann Sie zu uns sprechen, und
wir dann in einer zweiten Runde in die
Diskussion einsteigen?
Franz Morak: Entschuldigen Sie bitte,
dass ich zu spät bin, ich war gerade
auf einer Pressekonferenz vom
Klangforum. Ich möchte den Gang der
Diskussion nicht unterbrechen und
aufnehmen, was hier passiert, dann
sage ich etwas.
Harald Ossberger: Bitte, Herr
Lechner, um Ihren Beitrag.
Wilfried Lechner: Ich bedanke mich,
dass ich als Vertreter der Telekom
Austria an diesem heutigen Termin
dabei sein darf. Viele von Ihnen wissen
vielleicht nicht, was die Telekom
Austria mit Musik verbindet: Die
Telekom Austria hat zwei Plattformen
im Internet ins Leben gerufen, einerseits die MP3-Plattform „mp3.aon.at”,
eine Gratisplattform für junge
heimische aber auch internationale
Künstler, die diese Plattform als
Promotion nützen können. Sie können
dort Songs kostenfrei uploaden, und
User können dort Songs sowohl streamen als auch kostenlos downloaden
und dann für den privaten Gebrauch
verwenden. Wir haben Verträge mit
den Verwertungsgesellschaften, d.h.
die Künstler verdienen daran Geld, die
Telekom Austria verdient Geld im
Bereich Internetanschlüsse, d.h. über
die Bandbreite. Andererseits haben
wir seit Oktober 2003 die Plattform
„musicdownload.aon.at” gelauncht,
die durch die Medien gegangen ist.
Das ist die erste legale, kostenpflichtige
Musikdownloadplattform in Österreich,
wo wir derzeitig knapp 200.000
Veröffentlichungen aus allen verschiedenen Genres online haben. Wir
haben Kooperationen mit Universal
Music, mit EMI/Virgin und seit kurzem
auch mit Warner Music. Die Verhandlungen mit BMG als viertem Major
sind gerade im Laufen, mit Sony ist es
ein bisschen schwierig, denn Sony
möchte ein eigenes Digital Rights
Management System auf den Markt
bringen. Die wichtigste Voraussetzung
für so eine kostenpflichtige
Downloadplattform ist natürlich das,
was auch Dr. Medwenitsch angesprochen hat, die Sicherheit, d.h. der Song
soll nicht weitergegeben werden
können, nicht andauernd gebrannt
werden können und der Song soll
zumindest beim Erwerber bleiben.
Wir arbeiten hier mit Digital Rights
Management Schutz auf Windows
Media Basis, das bedeutet, der User
kann den Song gegen Gebühr zwischen 0,99.- Euro und 1,89.- Euro pro
Song downloaden, er kann sich den
Song einmal gratis 30 Sekunden lang
anhören, und er kann den Song für
einen Cent in voller Länge streamen.
Herr Traxl hat bereits das Thema
Digital Jukebox angesprochen, die
Möglichkeiten, die österreichische
Podiumsdiskussion
Künstler, aber auch internationale
Künstler durch das Internet haben.
Ich denke, dass das Internet nicht der
große Feind der Musik ist. Bislang war
ja Internet immer böse, MP3 war
böse, und die Künstler wurden
dadurch um sehr viel Geld betrogen.
Ich denke, dass gerade das Internet
eine riesengroße Promotionplattform
für alle möglichen Stilfelder ist. Man
sieht z.B. an unserer MP3-Plattform,
wir haben ca. 1000 Künstler oben mit
knapp 40.000 Songs, wo wirklich
alles vertreten ist von der klassischen
Volksmusik zum volkstümlichen
Schlager bis hin zu extremen
Spielarten des Heavy Metal und der
elektronischen Musik. Vor allem der
Anteil der elektronischen Musik ist
auf unserer Plattform sehr groß, denn
ich denke, es war nie günstiger und
einfacher, elektronische Musik zu produzieren. Man braucht nur einen PC,
ein Programm, und dann kann man
schon mixen und remixen. Ich denke
aber trotzdem, dass niemand Angst
haben muss vor dem Internet.
Das Internet ist eine riesengroße
Bibliothek, eine Spielwiese zum
Stöbern. Wir haben z.B. auf dem
kostenpflichtigen Portal Trude Herr
vertreten, und haben nicht gerechnet,
dass sie downgeloaded werden wird.
Wir haben mit Kylie Minogue etc.
gerechnet. Trude Herr scheint jede
Woche seit Oktober in den Top 50 der
Download-Charts auf, d.h. man kann
nicht sagen, dass nur die jüngere
Generation im Internet diese Songs
sucht, sondern scheinbar gibt es auch
Interesse von Menschen, die mit der
Trude Herr zumindest schon filmisch
irgendwie zu tun gehabt haben.
Ein Thema, das auch immer wieder
aufpoppt bei unseren Diskussionen
mit einzelnen Musiklabels, ist das
Problem, warum so wenig österreichische Künstler im aonMusicdownload
vertreten sind. Ich sehe den Andy
Baum, der ist z.B. leider nicht vertreten,
obwohl man ihn wahrscheinlich gerne
haben würde. Wahrscheinlich weiß er
gar nicht, wie es geht. Es gibt auch
sehr viele Useranfragen, warum habt
ihr keinen Ambros, keinen Fendrich
usw. Da muss man sagen, dass die
Schuld zum großen Teil bei der österreichischen Musikindustrie bzw. bei
der Plattenindustrie liegt. Ich weiß,
dass nur Universal Music alleine 160
Alben von österreichischen Künstlern,
die irgendwann produziert worden
sind wie alte Hirsch-Platten, Danzer,
Ambros usw., dass diese noch immer
nicht digitalisiert sind, weil es hier
Probleme mit den Rechten gibt, d.h.
die Verträge, die mit den Künstlern in
den siebziger Jahren abgeschlossen
15
worden sind, da war das Internet noch
eine Spielerei für das Militär, haben
das Internet noch nicht berücksichtigt. Wir hätten gerne den All-Time-Hit
„Slow Down” drinnen, müssten dafür
aber neu verhandeln. Das ist eine
Aufgabe, die wir nur bedingt machen
können und der Musikindustrie übergeben müssen. Die Telekom Austria
ist nicht Betreiber der Plattform,
Betreiber ist die Firma OD2 aus
England. Das ist eine Firma, die von
Peter Gabriel gegründet worden ist,
die Telekom Austria ist hier nur
Vermittler. Wir verdienen nicht eine
Menge Geld damit. Sie können sich
vorstellen, wenn ein Song nur 99.Cents kostet, verdienen einmal
die Plattenfirma, der Künstler,
Verwertungsgesellschaften und und
und, und irgendwann kommt dann die
Telekom Austria.
Peter Paul Skrepek: Verwertungsgesellschaften verdienen nicht,
Entschuldigung.
Wilfried Lechner: Es gibt Verträge
mit OD2 und mit Austro Mechana
oder AKM.
Peter Paul Skrepek: Das ist keine
Verwertungsgesellschaft, das ist der
Marionettenführer sozusagen in
Wirklichkeit.
Wilfried Lechner: Ich kann mich nur
an den Vertrag halten, den OD2 uns
gegeben hat. Ich denke, dass wir
trotzdem gemeinsam daran arbeiten
sollten, dass österreichische und
internationale Künstler vertreten sein
sollen. Da würde ich gerne den
Diskurs suchen, und nicht die Telekom
als bösen Nichtzahler hingestellt wissen. Internet als Vertriebsmöglichkeit:
Ja. Herr Dr. Medwenitsch hat es angesprochen: 100.000 CD-Käufer pro
Jahr gehen verloren. Wenn wir einen
Bruchteil von diesen auf unsere
kostenpflichtige Plattform lotsen
können, denke ich, ist Interesse und
Akzeptanz da. Derzeit haben wir
5000 registrierte Kunden nach einem
knappen halben Jahr, unser Plan war,
diesen Wert am Ende des Jahres zu
erreichen. Danke schön.
Harald Ossberger: Danke vielmals.
Ich darf Herrn Rösner bitten.
Christian Rösner: Guten Tag allerseits. Ich will wieder auf die Vielfalt
zurückkommen, weil die war der
Grund für die Gründung des Labels
Fabrique Records 2001. Es hatte viel
mit Leidenschaft für Musik zu tun,
und ohne diese Leidenschaft geht das
Ganze nicht, und man kann auch als
Label dem Wettbewerb nicht standhalten. Außerdem hatten wir den
Eindruck, dass Major Labels nur mehr
Gelegenheitshörer bedienen, sie
erzeugen Massenware, überspitzt
gesagt, Eintagsfliegen mit hohem
Marketingaufwand, um die Leute
anzusprechen, die Gelegenheitshörer
sind und nicht unbedingt Spezialisten
und Musikliebhaber. Wir finden viele
Musikliebhaber im Bereich 14 bis 30
Jahre. Das sind jene Menschen, die
momentan weniger CDs kaufen, und
sich gerne Dinge downloaden. Das hat
meiner Meinung nach mit einem fehlenden Bewusstsein zu tun, und das
hat wiederum damit zu tun, dass viel
Massenware produziert wurde.
Bei Starmania sieht es z.B. so aus,
dass ein Künstler zuerst über eine
Starschule, einen Wettbewerb,
Lizenzgeber, TV-Formate und
Werbeagenturen gehen muss, bevor
überhaupt erst eine CD erscheint.
Das geht auf Kosten der Identität des
Künstlers ganz zu schweigen von der
Verdienstmöglichkeit des Künstlers
und dem, was für ihn am Schluss
noch übrig bleibt. Im Prinzip wäre es
sehr einfach, nur haben die jungen
Leute ein Problem. In den achtziger
Jahren hat es Stars gegeben, die man
verfolgen konnte. Ich habe einen Star
gehabt, von dem ich mir jede Platte
gekauft habe. Das gibt es heute nicht
mehr. Es gibt viele Eintagsfliegen, es
gibt viele Leute, die Coverversionen
machen, und in einem halben Jahr
kräht kein Hahn mehr nach diesen
Leuten. Da ist kein Bewusstsein vorhanden. Bei mir ist das so, und dieses
Beispiel führe ich immer wieder gerne
an: Wenn mir ein Buch gefällt, dann
will ich das zu Hause in meinem Regal
stehen haben. Genauso ist es auch bei
Tonträgern, genauso ist es bei CDs.
Selbst wenn das bei CDs nicht der Fall
ist, dann muss man eben neue Wege
gehen. Das Bedürfnis nach Musik ist
ja größer denn je. Der Widerspruch
liegt nur in den Verkaufszahlen. Wir
reden die ganze Zeit von Tonträgern,
das sind mittlerweile nur mehr CDs.
Es gibt aber momentan neue
Möglichkeiten. Das war mit ein Grund,
warum Fabrique Records gleichzeitig
eine Edition, einen Verlag gegründet
hat, um neue Wege zu gehen. Wir sind
dahintergekommen, dass die
Verbindung zur Wirtschaft noch in
den Kinderschuhen steckt. Das
Potential der heimischen Musik wird
international hoch geachtet, ich
fokussiere da auf die elektronische
Szene, aber bei uns noch sehr
unterschätzt. Wir versuchen eine
Gratwanderung zu vollziehen, die sehr
Podiumsdiskussion
wohl die Wirtschaft einbindet, um uns
zu erlauben, den kreativen Output der
Künstler ungebremst in die Öffentlichkeit zu lassen wie z.B. bei Mauracher:
Viele Anwesende kennen sicher die
Schokobananen-Spots. Das war so
eine Lösung, wo beide erhobenen
Hauptes rausgehen konnten. Auf der
einen Seite war es für die Firma
Manner ein Kultmarketing, für uns
war es eine Möglichkeit, unsere Musik
zu verbreiten oder in Kanäle zu bringen, die wir vorher nie erschließen
hätten können. Der Lösungsansatz
liegt wahrscheinlich darin, dass in
der Musik alles zu unpersönlich wird.
Wenn ich Musikliebhaber bin, brauche
ich doch Musik, mit der ich mich
identifizieren kann, bzw. bin ich als
Musikliebhaber in eine bestimmte
Szene eingebunden. Da reden wir
jetzt von Popkultur, einer Szene, die
künstlerisch, ökonomisch und organisatorisch eine innovative Bewegung
darstellt. Das geht meiner Meinung
nach mit diesem McMusics verloren.
Damit möchte ich es als Eingangsstatement bewenden lassen.
Harald Ossberger: Danke vielmals.
Herr Kollege!
Peter Tschmuck: „Danke für die
Einladung!” möchte ich gleich vorweg
schicken. Ich bin vom Institut für
Kulturmanagement und Kulturwissenschaft der Musikuniversität Wien.
Mein Schwerpunkt ist die Forschung
über Musikwirtschaft, im speziellen
Musikindustrie, damit klar ist, warum
ich hier sitze. Es wurden sehr interessante Schlagworte bereits geliefert,
die ganz gut zu dem passen, was ich
vorbereitet habe. Die internationale
Perspektive wurde eingefordert, und
das ist ganz wichtig. Man sollte nicht
nur den österreichischen Kontext
diskutieren; wie gesagt der österreichische Markt ist klein, obwohl der
vierzehnt größte der Welt nach
Tonträgerumsätzen, muss man dazu
sagen, aber im Vergleich zu anderen
Märkten verschwindend klein. Eine
zweite Anregung kam von Herrn Traxl.
Der Tonträger ist im Aussterben, hat
er gesagt, und an dem möchte ich
mich jetzt orientieren. Warum kann
man das behaupten? Kann man das
z.B. auch wissenschaftlich fundieren?
Ich stelle einfach eine These auf, dass
nicht so sehr die Musikwirtschaft in
der Krise ist. Die Zahlen, die Herr Dr.
Medwenitsch präsentiert hat, sind
weniger die Musikwirtschaft, sondern
die Tonträgerindustrie, wenn ich das
richtig verstehe, d.h. die Umsätze der
Tonträgerindustrie, die sind eingebrochen. Ich gehe noch weiter und
16
behaupte, die Musikindustrie ist keineswegs in der Krise, sondern es wird
mehr Musik denn je produziert, distribuiert und konsumiert. Man braucht
nur zu diesem Teil der Tonträger die
verschiedenen Downloadservices, ob
illegal oder nicht, dazuzählen, dann
sieht man das Faktum, dass dort
Musik in breitester Form verteilt und
angehört wird. Das ist einmal ganz
wichtig zu erkennen. Jetzt stellt sich
die Frage, wo liegt das Problem der
etablierten Unternehmen der Tonträgerindustrie mit der gegenwärtigen Situation. Das Problem ist ganz
einfach: der Tonträger. Deswegen sind
sie ja Tonträgerunternehmen. Die
gesamte Wertschöpfungskette hat
sich Jahrzehnte über diesen
Tonträger aufgebaut. Es beginnt mit
den Musikverlagen, die den Tonträgerunternehmen als Partner die
Rechte als Basis für die Produktion
liefern, die Musikproduktion selbst,
die auf den Tonträger abstellt, das
geht dann weiter über die Herstellung
der Tonträger, führt dann zur
Distribution der Tonträger, was ein
sehr aufwendiger Teil der Musikindustrie ist, und führt letztendlich
auch zur Rezeption. Auch die Medien
sind in diesem Gebilde eingebunden,
sie sorgen mehr oder weniger für die
Öffentlichkeit, und dann können
Tonträger an den Mann und an die
Frau gebracht werden. Das war also
ein Modell, das hat sich seit den fünfziger Jahren eingespielt, wurde perfektioniert, und in diesem Modell sind
bestimmte Unternehmen sehr groß
geworden. Wir nennen sie heute die
Majors. Das sind fünf, mittlerweile
eigentlich nur mehr vier, die auch in
Österreich letztendlich dominant sind,
wenn man den Marktanteil an
Tonträgern betrachtet. Und diese
haben nun folgendes Problem, und
das ist meine zweite These: Wir befinden uns nicht in einer Situation, wo
eben vorübergehend der Markt einbricht, und dann wird es schon wieder
besser werden, so wie z.B. zu Ende
der siebziger Jahre als ebenfalls der
Markt eingebrochen ist, und dann
kam die CD als entsprechendes
innovatives Instrument. Man hat das
gesamte Repertoire noch einmal verdoppelt und zusätzliches Repertoire
geschaffen, und dann ist es steil bergauf gegangen. Wir befinden uns jetzt
in einem Paradigmenwechsel, das ist
ganz wichtig zu erkennen meiner
Meinung nach. Es findet ein Strukturbruch in der Musikindustrie statt, in
der gesamten Musikwirtschaft darüber hinaus gehend - nämlich in dem
Sinn, dass Musik nicht mehr in Form
eines Tonträgers verkauft wird, son-
dern dass die Musik zu einer Art
Dienstleistung wird. Die war es auch
in der Vergangenheit, nur haben wir
das bereits vergessen, dass das so
war. Jetzt kommt eben wieder als
Ökonom gesprochen der öffentliche
Charakter dieser Musik wieder in den
Vordergrund, d.h. derjenige, der in der
Lage ist, den Zugang zur Musik zu
kontrollieren, wird nach meiner These
in das Zentrum der Musikindustrie
kommen. Das werden nicht die
Tonträgerunternehmen sein. Warum?
Weil sie in ihrer Logik vollständig auf
den Tonträger konzentriert sind. Da
gibt es ein paar Indizien: Warum
waren die Tonträgerunternehmen
nicht bereit als Internet und MP3 aufkamen, sofort dort aufzuspringen und
zu sagen: Wunderbar, das ist das
Tollste, was wir jemals gesehen
haben, jetzt können wir wieder entsprechend mit Musik Umsatz machen.
Sie haben ganz genau das Gegenteil
davon gemacht, sie haben Argumente
gefunden, warum das Internet
schlecht ist, warum MP3 nicht
besonders gut ist. Sie haben die
Copyrightbestimmungen herangezogen und haben gesagt, dass damit
sehr viel Illegales getrieben wird,
das gehört unterbunden. Sie haben
sehr viel Kraft investiert, um diese
Entwicklung abzuwehren, und das das lässt sich auch an anderen
Industrien wunderbar zeigen - ist für
sie selbst völlig logisch, weil ihr
gesamtes Kapital natürlich in der
Wertschöpfungskette, die sich um den
Tonträger herum aufbaut, gebunden
ist. Würden sie auf eine andere
Technologie umsteigen, dann hätten
sie mit extrem hohen Opportunitätskosten zu rechnen, man spricht in diesem Zusammenhang von Stranded
Costs, und dieser Umstieg ist kurzfristig nicht sinnvoll, denn er bringt in
einem Markt der kurzfristigen
Gewinnmaximierung nichts. Also ist
es besser, Angreifer von außen abzuwehren. Das ist immer so, wenn man
versucht, einen Markt zu dominieren,
dass man Barrieren aufbaut, und das
hat man mit Copyrightbestimmungen
usw. gemacht, damit hat man frühe
Anbieter wie MP3.com und Napster in
den Griff bekommen. Aber es sind
dann immer wieder neue Downloadservices aufgetaucht, die meisten
davon durchaus illegal, und diese verkörpern jetzt von außen diese Art von
Kreativität, die die Musikindustrie
nicht mehr in dieser Form hat, denn
ihre Kreativität ist um den Tonträger
herum aufgebaut, aber nicht um
Musik als Dienstleistung in Form von
Musikdownloads. Jetzt bricht plötzlich
ein Standbein nach dem anderen der
Podiumsdiskussion
etablierten Tonträgerindustrie ein. Es
bricht die Distribution ein, weil plötzlich die Möglichkeit besteht, dass ich
Musik direkt zum Konsumenten bringen kann. Ein Musiker könnte im
Grunde hergehen und seine Musik ins
Netz stellen, das Problem ist, wie finden es die Leute, das ist dann eine
andere Frage. Das war das erste
Problem. Zweitens könnten sich die
Musiker selbständig machen, manche
haben es auch versucht, wurden dann
hart attackiert von der Musikindustrie.
Prince sei als Beispiel genannt, der
seine Musik zum Download freigeben
wollte, auch das ist eine Gefahr für
die Musikindustrie. Weiters ist die
Produktion, die früher kostenintensiv
in Studios hat stattfinden müssen,
über verschiedene Musikstile wie z.B.
HipHop und Elektronik in das
Schlafzimmer oder Wohnzimmer der
Künstler gewandert. Die Produktionskosten sind dramatisch gesunken, und
viele Künstler brauchen im Grunde
genommen für die Musikproduktion
an sich kein Tonträgerunternehmen
mehr. Sie können selber ein Label
gründen und kommen dann mit der
fertigen Produktion, die dann vermarktet werden soll. Die einzige
Macht, die den Tonträgerunternehmen
geblieben ist, ist die Marketingmacht,
sie können also Künstler am Markt
durchsetzen und immer noch Musikstile
am Markt durchsetzen, die Frage ist
nur, ob das ausreichen wird, weiterhin
im Zentrum der Musikindustrie zu
stehen. Ich behaupte, dass der Zug
mittlerweile abgefahren ist, sie haben
zu spät reagiert. Jetzt sind es vor
allem Unternehmen, die von außerhalb der Musikindustrie kommen, und
es ist kein Zufall, dass jemand von der
Telekom Austria hier sitzt, auch dort
wird mittlerweile Musik angeboten. Es
ist kein Zufall, dass vom IT-Sektor wie
Apple mit seinem iTunes unglaubliche
Erfolge mit dem Download erzielt
werden. Es gibt viele, viele Kleine, die
ebenfalls auf den Markt drängen, von
denen wir heute vielleicht noch gar
nicht wissen, dass sie in Zukunft eine
Rolle spielen werden. These drei ist
daher: Im Zentrum der Musikwirtschaft
und der Musikindustrie stehen in
Zukunft diejenigen Unternehmen, die
mit dieser neuen Technologie am
besten umgehen können, und das
sind entweder Unternehmen aus dem
Software/Computerbereich oder aus
dem Telekombereich, weil diese ja
nicht nur die Infrastruktur anbieten,
sondern mittlerweile auch Content,
also Inhalt brauchen für diese
Infrastruktur. Wir werden es in absehbarer Zeit mit anderen Unternehmen
zu tun haben. Jetzt möchte ich noch
17
drei Vorschläge unterbreiten, nämlich
an die IFPI, deren Vertreter Herr
Medwenitsch ist, vielleicht einmal zu
überlegen, ob man nicht nur Statistiken über Tonträgerverkauf auflegt,
sondern durch Musikdownloads
ergänzt, um zu zeigen, dass sich der
Markt entwickelt hat. An die AKM den
Vorschlag, sich Gedanken darüber zu
machen, was bedeutet es, Einkommensströme über Musikdownloads zu
generieren, und das ebenfalls im
Abrechnungssystem der Verwertungsgesellschaften zu berücksichtigen.
Weil der Herr Staatssekretär mittlerweile gekommen ist, an ihn auch eine
Bitte, und zwar, sich zu überlegen,
welche kulturpolitischen Maßnahmen
zu setzen sind, damit sich die neuen
Möglichkeiten durchsetzen, denn jetzt
ergibt sich wieder aufgrund von
neuen Verknüpfungen, neuen
Kombinationen von Akteuren der
Musikwirtschaft mit Akteuren von
außerhalb ungeheures Kreativitätspotential. Die Politik hat eine Chance,
Rahmenbedingungen zu setzen, die
das Neue ermöglichen und nicht
unterdrücken. Das gilt in Bezug auf
ein Urheberrecht, das möglicherweise
wesentlich stärker auf diese neuen
Formen der Musikdistribution abstellt
und diese nicht verhindert und verbietet oder illegal macht. Es geht auch
darum, entsprechende Förderstrukturen zu entwickeln wie z.B. eine
Labelförderung, die durchaus sinnvoll
ist, weil sehr viele Künstler erst darüber in den Musikbetrieb einsteigen
können und sich vermarkten können.
Bei den Förderstrukturen wäre zu
überlegen, ob sie nicht stark in traditionelle Formen der Musikverwertung
bislang gegangen sind, und nicht als
Maßnahme von kulturpolitischer Seite
in Richtung sogenannter, kommerzieller Stile gehen sollten, die am freien
Markt aber nicht existieren können.
Ich danke herzlichst.
Harald Ossberger: Danke schön. Herr
Staatssekretär, ich darf Sie bitten.
Franz Morak: Herr Vorsitzender, ich
würde dann ganz gerne noch Herrn
Medwenitsch zu dieser Wortmeldung
hören aus einem anderen Grund möglicherweise, als das hier erwartet
wird. Was ich immer bedaure, ist,
wenn man Industrie oder Kreativität
als Gegensatz sieht. Ich glaube, dass
das eine grundsätzliche Ergänzung ist
und in jedem Bereich, ob das nun im
Verlagsbereich, bei Print, ob das beim
Film ist oder in der Musik. Ich glaube,
das ist, ganz gleichgültig wie auch
immer ausgeformt, eine Einheit.
Richtig ist natürlich, dass Herr
Tschmuck gesagt hat, die Förderstrukturen sind natürlich Förderstrukturen, die wir bedienen, die ich koketterweise immer mit dem 19. Jahrhundert
umschreibe. Wir fördern all das, was
im Grunde traditionelle Ausformungen
der Kultur sind, also von Tanzen,
Gesang, Oper, all diese Sachen, die
auch von den Budgetrahmen quasi
einer Top-Down-Intervention auch
standhalten können, also sprich, wo
die Budgets so gering unter Anführungszeichen sein können, dass man damit
ein Opernhaus betreiben kann, so
teuer das jetzt auch im internationalen Vergleich sein mag, teuer in dem
Sinne, dass wir das investieren hier.
„Mit Recht!” sage ich auch gleich
dazu, damit hier keine Irrtümer entstehen. In all den Formen der modernen Kultur, dort wo es elektrisch
geworden ist, gibt es auf diesem
Gebiet, wenn wir jetzt von den
Ausbildungen absehen, natürlich
keine adäquaten Förderungsstrukturen.
Dort, wo das alles elektrisch geworden ist vom Radio begonnen, wurde
das irgendwie ausgelagert und muss
anders bedient werden, und ich stehe
auch dazu. Ich sage jetzt nur ein
Beispiel: Ich habe den Schwarzenegger
besucht, wie er seinen letzten Film
„Terminator” gedreht hat, das war
eine 180 Millionen Dollar-Produktion,
das ist von keiner Regierung zu verlangen - in ganz Mitteleuropa nicht
und in ganz Europa nicht. Das wird es
auch nicht spielen, sondern da sind
einfach internationale Kapitalströme
notwendig, demokratisch verfasste
Kapitalströme notwendig, d.h. dass
möglichst viele Zahnärzte ihr Geld
dorthin bringen. Was meine ich
damit? Wir haben hier zwei verschiedene Förderstrukturen, die anders in
Gang zu bringen sind, als wir das
gewohnt sind. D.h. der normale
Anspruch, das muss die Sektion Kunst
oder das muss das Bundeskanzleramt
oder das muss die Frau Gehrer auch
noch mitfördern, das ist eine verfehlte Förderung, weil das funktioniert
anders. Ich sage jetzt ein Beispiel
dazu: Nicht umsonst wurden die Mittel
des ORF quasi über demokratische
Vereinbarungen aufgebracht, nämlich
dass man Gebühren einhebt bei
jedem einzelnen und sagt, das ist
quasi der Gegenentwurf zur amerikanischen Welt, wo wir sagen, er erhält
sich sowieso von alleine aus Werbung.
Wir haben einen anderen Zugang
dazu und sagen, es sollte im Grunde
ein Teil einer Aufgabe des Staates
sein, Informationen zu bringen usw.
D.h. dort werden die Mittel schon über
solche Systeme aufgebracht. Jetzt
haben wir natürlich gerade in der
Podiumsdiskussion
Diskussion, die wir hier haben, die ist
natürlich nicht losgelöst von all der
Entwicklung zu sehen, die über die
Digitalisierung läuft. Ich durfte dabei
sein und auch den Standpunkt der
Bundesregierung vertreten über das
neue Digitalisierungsgesetz im
Parlament, wo es um Verschlüsselung
geht, d.h. dass wir endlich wissen,
wenn wir das Internet benutzen in der
Verwaltung, wer auf der einen Seite
sitzt und wer auf der anderen Seite
sitzt, wer den Antrag stellt und wer
quasi auf der anderen Seite den Staat
vertritt. Das bedeutet natürlich
genauso ursächliche Änderungen in
der Verwaltung wie das im Musikmarkt
der Fall ist, d.h. wir haben hier vollkommen neue Gegebenheiten, und
die letzte große Evolution seit
Gutenberg findet gerade jetzt statt,
und diese Diskussion, die wir heute
führen, so sie sich im Bereich Internet
und mit Downloads beschäftigt, ist ein
Teil dieser Diskussion, der viel tiefer
geht als wir uns das vorstellen und
der alles umdrehen wird. Es wird nicht
mehr Peripherie geben und es wird
nicht mehr Hauptstadt geben, so ist
auch mein Einwurf zu interpretieren,
dass heute die Hauptstadt zentrierte
Kulturpolitik ein Ende gefunden hat
spätestens mit der Digitalisierung.
Es wird neue Vertriebssysteme geben
auch im Filmbereich. Den Verleiher
wird es irgendwann einmal nicht mehr
geben, sondern es wird der Produzent
direkt distribuieren können an den
Letztverbraucher, an den Kunden, und
wir müssen sehen, wie schauen die
Systeme aus, die wir damit haben,
damit die Leute, die dafür ursächlich
verantwortlich sind - und das sage ich
nicht, damit der Herr Medwenitsch
oder die Majors leben können - nämlich die, die das Programm machen,
leben können. Im Endeffekt geht es
immer darum, wer stellt den Content
her, und wie kommt der zu seinem
Geld. Das wird die zentrale Frage sein
auch in einer geänderten Welt. Um es
jetzt auf die österreichische Realität
zu bringen, Herr Zimper hat mir am
Anfang so schön das Hölzerl geworfen, diese Auseinanderdividiererei!
Entweder findet das statt zwischen
den großen Firmen und den kleinen
Künstlern oder dem großen ORF und
der kleinen Popband usw. Glauben Sie
mir, ich habe auch eine Zeit lang in
diesem Geschäft gearbeitet und weiß,
wie man von Seiten der großen
Unternehmen mit den kleinen
Künstlern umgeht, ich weiß das, ich
meine das jetzt nicht zynisch, auch
wenn das so klingt. Ich glaube, wir
haben hier einen ursächlichen
Aufholbedarf, und ich möchte das an
18
Hand eines Beispieles aufführen, und
damit meine ich nicht diesen
Wettbewerb, wo wir Nummern nachgesungen haben und die gut aufbereitet waren. Ich meine, so sollte das
immer sein, ich sage das einmal so,
auch mit den Nummern, die eigenproduziert werden und die hier einen
Autor, eine Autorin haben. Was ich
meine, ist, wenn ich mir das Ende dieser Fahnenstange der Entwicklung in
Österreich gerade auf dem Sektor der
populären Musik anhöre, und ich habe
gehört, es muss Stars geben, quasi
Leute, denen man die Zuschreibungsprozesse nahe bringt, sprich, es muss
Stars geben, sagen wir einmal so,
damit man weiß, wer ist wer, wo singt
der, an was kann ich mich halten. Die
Falcos müssen her. Wenn ich mir dann
anschaue, wie schaut denn der letzte
Eurovisions-Song-Contest-Beitrag aus,
Freunde. Ich war so todtraurig. Ich
meine nicht damit, dass das der ORF
wäre, sondern ich war wirklich todtraurig, das alles in einem Lande, wo
unsäglich viel Geld in Ausbildungen
gesteckt wird, in dem sich viele
gescheite Leuten den Kopf darüber
zerbrechen, wie komme ich an die
Jugend heran. Ich sage jetzt nur mein
Sohn, der die Hochschule für Musik
gemacht hat, der Kontrabassspieler
ist, der im Grunde eine Ausbildung
hinter sich hatte, wie meine Musiker
alle nicht hatten, mit denen ich
gespielt habe. Und was kommt am
Ende dort raus von all diesem
Investment? Und das ist eine überhaupt nicht zynische, sondern eine
mich wirklich im Zentrum treffende
Angelegenheit, weil ich sage, es kann
nicht sein, dass ein musikalisches
Land wie Österreich, in dem jeden Tag
die Konzertsäle voll sind, in dem wir
die besten Beispiele ernsthafter Musik
von Jazz bis Pop haben, so etwas im
Endeffekt am Ende der Fahnenstange
steht. Ich sage ein zweites Beispiel.
Barbarella. Ich muss Ihnen ehrlich
sagen, ich habe meine erste
Schallplatte mit dem Pauli Fickl (Paul
Fields, Anm.d.Red.) gemacht, den wird
möglicherweise hier keiner kennen,
gut, der eine oder der andere. Dem
Pauli Fickl fallen zwischen 7.00 Uhr
Früh und 8.00 Uhr mehr Melodien ein,
als ich dort gehört habe. Und ich weiß
nicht, warum solche Leute nicht Teil
dieser Entwicklung sind, also Teil des
musikalischen Alltags in diesem
Lande. Wieso braucht man einen
Musikdesigner, der das geschrieben
hat, und dem zu dem Thema wirklich
nicht so viel eingefallen ist? Ich verstehe es nicht, warum wir so viel in
die Ausbildung geben, und dann
kommt eine Step-Nummer, und es
ist kein einziger Darsteller auf der
Bühne, der steppen kann. Das heißt:
Wir haben hier einen Unterschied
zwischen auf der einen Seite in dem
Anspruch, den wir haben, und auf der
anderen Seite in einer Wirklichkeit,
die für mich teilweise bedrückend ist.
Ich sage das ohne Häme, denn natürlich sind wir alle dafür verantwortlich
für das, was abgeht. Ich war im
Aufsichtsrat des ORF, wie damals
noch Politiker zugelassen waren, und
ich war der einzige zusammen mit
einem alten Herrn, der Landespolitiker
aus Tirol war, der gesagt hat, es
müsste mehr Österreichanteil im
Programm des ORF sein. Ich erinnere
mich, dass ich noch eine zweite
Politikerin überzeug habe, das war
die Petrovic, die damals noch im
Nationalrat saß. Ich weiß noch, wie sie
dann im Falter abgefeiert wurde als
Dolm der Woche, weil sie sich für die
österreichische Popmusik stark
gemacht hat. Wir müssen zu unseren
Leuen, die hier in diesem Land arbeiten, einen neuen Zugang bekommen,
wir müssen das neu bewerten. Ich
finde es eine riesen Sauerei, wie man
mit diesen Menschen in diesem Land
umgeht, und ich weiß, wovon ich rede.
Ich war einer von Ihnen, und ich habe
sehr lange mit sehr prominenten
Leuten verhandelt, die heute in der
Plattenindustrie sind, und ich habe
mir nie ein Blatt vor den Mund
genommen, weil ich es mir leisten
konnte, weil ich von etwas Anderem
gelebt habe, nicht von der Musik.
Aber es gibt viele Menschen, die nur
von der Musik leben, und wir sollten
glücklich darüber sein, dass die Leute
im Grunde dieses Risiko eingehen und
sich diesem Risiko auch aussetzen.
Wenn ich sagen darf, damit das nicht
nur in Larmoyanz ertrinkt, möchte
euch noch eines sagen. Wir haben in
Europa, dieses Wort sollten wir verwenden, einen 450 Millionen-Markt,
alle haben einen Plattenspieler, die
sind gut ausgerüstet. Das heißt, wir
haben einen sehr kompetitiven Markt
auf der einen Seite und einen sehr
finanzstarken Markt auf der anderen
Seite, und wir haben vor allem die
Chance, dass wir neue
Distributionssysteme erarbeiten
können auf Basis der Digitalisierung.
Alles, was bisher da war, ist nicht
mehr wahr. Er (Peter Tschmuck,
Anm.d.Red.) hat es gesagt,
Medwenitsch weiß es im Tiefsten seiner Seele. Das einzige, was wichtig ist,
meiner Meinung nach, wird sein, dass
wir ein Urheberrecht zusammenbringen, das diesem Leistungsgedanken
gerecht wird. Es kann nicht sein, dass
wir die Leute schutzlos im Grunde
Podiumsdiskussion
dieser unglaublichen Verwertungsmaschine ausliefern. Da muss es
Strukturen geben, die auf das zugehen, das ist das eine, und das andere:
Es hat noch nie so viele Leute gegeben, die lesen, die Musik hören usw.
Es ist ein informiertes Publikum vorhanden. Mein Sohn kann mir jede
HipHop-Nummer rauf und runter
erklären, warum das so geschrieben
wurde und warum das nicht so
geschrieben wurde. Es gibt auch
Leute, die wissen damit umzugehen
mit ihrer eigenen Kultur und mit der
heutigen Kultur. Wir haben jetzt die
Chance, diese Vertriebssysteme neu
zu organisieren, das betrifft einerseits
die öffentliche Verwaltung und genauso Film, Musik und Fernsehen usw.
Ich muss Ihnen sagen, es kann nicht
hingenommen werden, und ich meine
das als Entwurf an Europa, und wir
werden das ganz sicher abhandeln,
wenn wir den Vorsitz in der EU haben,
dass ein Chauffeur, der vorne ein
Display hat, in Wahrheit nicht mehr
nach Hause findet, weil die Amerikaner
ihm den Satelliten abdrehen, weil sie
gerade im Irak einen Krieg führen,
weil wir keinen Satelliten im Äther
haben. Das sind die neuen Distributionsmodelle, die es zu analysieren
gilt, und die Frage wird sein, wie ist
Europa dabei. Wie sind wir in den großen kulturpolitischen Themen, die es
hier neu zu organisieren gilt, dabei
nicht als kleines Acht-Millionen-Volk,
sondern als Kontinent. Wenn wir diese
Fragen, die wirklich zentral und relativ
schwierig sind, lösen, dann sind wir
dabei. Ich sage auch gleich: Wenn wir
dort nicht dabei sind, dann sind wir
einfach nicht dabei, und ich glaube,
das wird zu wenig sein, danke.
Harald Ossberger: Vielen herzlichen
Dank an alle Teilnehmer der Diskussion.
Wenn jemand aus dem Publikum
schon in der folgenden zweiten Runde
etwas sagen möchte, dann lassen wir
das zu, sonst fürchte ich, kommt es zu
keinen Publikumsbeiträgen mehr.
Waltraud Dennhardt-Herzog: Ich
wollte kurz etwas sagen, um die
Homogenität am Podium, die vorher
angesprochen worden ist, aufzumischen. Mein Name ist Waltraud
Dennhardt-Herzog. Ich bin im
Außenministerium für das
Musikreferat zuständig und u.a. für
dieses bereits angesprochene
Programm „The New Austrian Sound
of Music”. Mein Beitrag ist die Sicht
aus dem internationalen Kontext.
Wenn wir im Ausland sind, gibt es im
Prinzip zwei Dinge, auf die wir immer
angesprochen werden, und das ist
19
einerseits natürlich die Kultur, und
das andere ist das technische Knowhow Österreichs, also die große
Kompetenz, die aus der technischen
Universität dieses Landes kommt. Das
ist einfach hervorstechend. Für mich
im Inland war etwas befremdend, als
ich vor eineinhalb Jahren zurückgekommen bin, die Tatsache, dass sich
alle am österreichischen Markt tummeln wollen. Ich glaube, dass die
österreichische Musikwirtschaft,
Musikindustrie und Kreativwirtschaft
im internationalen Kontext als kleiner
Multi gesehen werden müsste, ein
Multi, der aber nicht so organisiert ist
wie die traditionellen Multis, sondern
ein Multi, der als Netzwerk von vielen
kreativen Köpfen organisiert ist.
Dieses Modell muss neu diskutiert
werden. Ich erkläre das den Musikern,
die zu mir kommen und um Unterstützung bei mir ansuchen immer damit,
dass ich sage, es würde auch einem
Schweizer Chemiekonzern nicht einfallen, all die Pillen nur in der Schweiz
zu verkaufen. Österreich muss sich
als Land, das über die Kultur und
Kreativität weltweit einen so einzigartigen Namen hat, und ich glaube die
größte kreative Dichte dieser Welt
aufweist, ein ganz eigenständiges
Modell überlegen, das nirgendwo auf
der Welt vorher vorgedacht wurde.
Wir dürfen also nicht darauf warten,
bis so ein Modell irgendwo in Amerika
entwickelt wird oder in Brüssel, sondern
Österreich, das ein so ursächliches
Interesse an der Distribution dieser
großen kreativen Kräfte dieses
Landes hat, muss ein eigenes System
entwickeln. Da möchte ich noch etwas
zu den Urheberrechtssachen sagen.
Ich habe im europäischen Kontext
auch einmal davon gesprochen, dass
sich Europa die neuen Musikabnehmermärkte anschauen muss wie Indien,
wie China, wie Russland, sich ansehen
soll, wie viel Urheberrechtstantiemen
aus diesen Ländern kommen. Ich
glaube aus Russland kommen, sie
werden das genauer wissen, 4000
Euro pro Jahr, aus China gar nichts.
Wir wissen aber gleichzeitig, dass
unglaublich viele österreichische
Gruppen, Orchester permanent in
China unterwegs sind. Der nächste
Schritt muss also sein, dass Österreich nicht darauf wartet, dass Europa
eine Vereinbarung mit China trifft
über Urheberrechtsabrechnungen,
Tantiemenfragen, sondern dann
müssen wir eben einmal Vorreiter in
Europa sein. Es würde auch nicht der
spanischen Fischereiindustrie einfallen, darauf zu warten, bis Österreich
einen Vorschlag zur Fischereiindustrie
macht, wie diese in Europa neu
geregelt werden sollte. Wir müssen
als Österreich die Federführung übernehmen, um diese Dinge, die unsere
eigenen Musiker dann langfristig am
Leben erhalten, anzugehen. Ich kann
nur den österreichischen Musikrat bitten, dazu auch Vorschläge zu machen
von Ihrer Seite, Modelle zu entwickeln.
Wir sind gerne bereit, das mit Ihnen
gemeinsam zu machen, aber ich glaube, es muss einfach ein österreichisches Modell entwickelt werden, weil
kein Land dieser Welt eine so große
kreative Dichte hat wie Österreich.
Dieses Land muss ein neues Modell
entsprechend dem neuen Umfeld
weltweit entwickeln, danke.
Harald Ossberger: Danke vielmals,
ich habe ein Ad-hoc von Peter
Skrepek und dann Franz Medwenitsch.
Peter Paul Skrepek: Es sind jetzt
noch zwei Sätze, aber sie sind ganz
kurz. Ich glaube, im Prinzip haben Sie
das Problem richtig beschrieben - mit
einer Einschränkung: Das Urheberrecht
ist international. Wie wollen sie denn
jemanden, der so weit weg ist, mit
unseren Kernwaffen bombardieren,
damit sie sich ergeben? Man braucht
zwei Leute, die miteinander reden.
Wir sind nicht die Vereinigten Staaten
von Amerika. Unsere Macht in dieser
Hinsicht ist äußerst beschränkt und
oft auf Vorschläge beschränkt. Das
Zweite: Sie haben gesagt, man muss
aus Österreich raus. Das ist wirklich
wahr, man muss. Weil man da in der
Regel nichts wird, muss man das Land
verlassen, und Sie können einmal
gemeinsam mit einer jungen talentierten Musikgruppe versuchen, einen
Plattenvertrag hier oder irgendwo
anders zu bekommen. Die Antwort
wird in der Regel lauten: Warum
haben Sie denn im eigenen Land
keinen Erfolg? D.h. es wird immer
zuerst vorausgesetzt, dass etwas, was
Qualität hat, im eigenen Land Erfolg
hat. Das ist in Österreich extrem
schwer, oft dauert es länger als man
lebt. Dort liegt das Problem begraben.
Muss man also die Bevölkerung austauschen, wie meinen Sie das jetzt?
Franz Medwenitsch: Ich bin versucht,
das Thema China und Russland aufzugreifen. Das ist in der Tat ein Problem,
weil Urheberrechtsausgleich kann nur
auf der Basis eines annähernd gleichen Urheberrechtsschutzes möglich
sein, und China ist das weltgrößte
Piraterieland mit einer Piraterierate
bei ca. 90%, und Russland ist das
zweitgrößte Piraterieland mit 85%.
Dort gibt es kein entwickeltes
Urheberrecht in der Form, und da
Podiumsdiskussion
wird im Moment - nicht alles, was die
Amerikaner machen, ist ganz schlecht
- auf Ebene der Welthandelsabkommen
und dieser Verhandlungen versucht,
auch hier ein annähernd gleiches
Schutzniveau einzuführen. Das wird
auch gelingen, die Gesetze werden
beschlossen werden, die Frage, die
sich dann natürlich stellt, ist: Sind sie
„on the paper” oder „on the streets”?
Da macht man die Erfahrungen, dass
sie alles hervorragend machen, weil
sie einfach in den Welthandel hinein
wollen, und weil sie keine Zollschranken
und Zölle haben wollen, sie schreiben
das auch gerne in das Gesetzbuch
hinein, aber sie tun dann nichts, das
ist das bei weitem größere Problem.
Dieses Problem wird uns möglicherweise mit der Erweiterung der EU
praktisch vor unserer Haustür demnächst auch irgendwie drohen, ohne
dass ich irgendwie auf diese Länder
mit dem Finger zeigen möchte, aber
die haben einfach eine andere
Situation. Österreich hat zu vielen
Ländern eine EU-Außengrenze
gehabt, die wir in Zusammenarbeit
mit dem Zoll relativ genau angesehen
haben. Das ist vorbei. Warenströme
sind ab 1. Mai nicht mehr kontrolliert,
nur mehr Personen so ferne nicht
Schengen, d.h. die EU-Außengrenze
ist dann eben an der ungarisch-rumänischen Grenze. Wie dort kontrolliert
wird, das weiß ich nicht genau, oder
sagen wir einmal, ich weiß es schon
annähernd genau, da ist, wie es so
schön heißt, „room for improvement”.
Es ist völlig richtig, was Sie sagen. Es
wäre notwendig, aber das ist ein
weiter Weg dorthin, und Österreich
alleine, muss ich ganz ehrlich sagen,
wird diesen Weg nicht gehen können,
sondern das ist eine internationale
Anstrengung. Was ich Ihnen allerdings
signalisieren wollte, ist, dass hier
etwas passiert. Es ist erstaunlicherweise mit China einfacher als mit
Russland. Ich wollte und ich muss
geradezu zum Herrn Tschmuck etwas
sagen, weil er ja nun hier die
Musikwirtschaft sehr scharf kritisiert
hat. Herr Tschmuck, Sie forschen über
die Musikindustrie, und das erstaunliche
ist, dass wir eigentlich noch nie ein
Gespräch miteinander geführt haben,
und ich mache den Job schon seit zehn
Jahren. Das ist etwas erstaunlich, weil
ich glaube, Sie unterliegen einem
ganz grundsätzlichen Irrtum. Sie
verwechseln uns mit CD-Presswerken.
Sie verwechseln die Sony Music
Entertainment mit dem Sony
DADC-Presswerk. Die Aufgabe des
Presswerks ist es, CDs herzustellen
und CDs zur Verfügung zu stellen. Die
Aufgabe von Sony Music Entertainment
20
ist es, Artist zu finden, Musik zu produzieren, Musik zu vermarkten und
sie auf verschiedenen Trägern und
auf verschiedenen Distributionswegen
an den Konsumenten zu bringen. Ich
gebe Ihnen in einem recht, aber nur
in einem: Es findet ein Paradigmenwechsel statt, und der ist lange noch
nicht abgeschlossen, der ist durch die
Digitalisierung entstanden, und der ist
durch die Möglichkeiten der digitalen
Übertragung, sprich über das Internet
entstanden. Auf diesen Wechsel müssen sich selbstverständlich alle in der
Musikbranche einstellen: die Musikwirtschaft, die Autoren, die Künstler,
die Managements, alle. Das heißt aber
nicht, dass die CD oder die DVD oder
die SA-CD oder die DVD-Audio tot
sind. Vor fünf Jahren hat es hochbezahlte Studien gegeben auf Hochglanzpapier, die haben gesagt, 2004
gibt es keinen einzigen Tonträger
mehr. Die Realität ist nicht so, man
muss dem Konsumenten, der diese
Produkte nach wie vor nachfragt, eine
immer breitere Palette an Angeboten
geben. Selbstverständlich muss man
ihm die CD geben, wenn 75% aller
Haushalte einen CD-Player haben,
selbstverständlich muss man ihm eine
DVD geben, wenn sich in den letzten
Jahren die Haushaltspenetration verdoppelt hat von 14% auf 24% heuer,
vor drei Jahren waren es nur 3%.
Also das steigt massiv an. Die DVD
wächst viel schneller als die CD in
ihrer Anfangsphase. Es gibt aber wieder Leute, die sagen, es ist überhitzt,
es wird die DVD auch wieder genauso
rasch oder viel schneller abflachen
als es bei der CD der Fall war. Es gibt
selbstverständlich das Nischensegment der Vinylschallplatte, die in
einem bestimmten Bereich, vor allem
Dance, einen großen Erfolg hat. Es
gibt auch noch die Mini-Disc, die im
Bereich der überspielbaren Medien
einen Erfolg hat, und natürlich gibt es
die digitale Distribution. Wenn Sie
sagen, hier ist etwas zu spät passiert,
dann kann ich Ihnen sagen, O.K. Man
soll auch selbstkritisch sein. Ich glaube, dass man da Asche auf das Haupt
streuen muss, nur so salopp über den
Tisch gesagt lasse ich das nicht
stehen, weil es nicht einfach ist, in
einen Markt mit Millionenbeträgen
hineinzuinvestieren, der einmal prinzipiell zu 100% piratisiert ist. Da ist es
gescheiter, man verbrennt das Geld,
das erzeugt wenigstens Wärme. Man
muss das Problem des Urheberrechtsschutzes einmal ansprechen, und man
muss diese Rahmenbedingungen einmal klären, um dann in diesen Markt
hineingehen und investieren zu können.
Diese urheberrechtlichen Rahmen-
bedingungen haben sehr, sehr lange
gedauert. Ende 1996 ist auf Ebene
der WIPO die Anpassung des
Urheberrechtes an die Informationsgesellschaft in einem internationalen
Dialog mit Konflikten Ost-West, NordSüd, Entwickungsländer-Industrieländer,
beschlossen worden. Die EU hat dann
von 1996 bis 2001 gebraucht, um die
sogenannte Copyright-Richtlinie zu
erlassen. Da ist alles diskutiert worden, und da sind alle zu Wort gekommen. Das ist dann passiert, und im
Jahr 2003 ist sehr, sehr rasch, Österreich als viertes Land in Europa, eine
Novellierung des österreichischen
Urheberrechtsgesetzes erfolgt.
Glauben Sie mir, erst dann ist eigentlich eine Rechtssicherheit in dem
Bereich da gewesen. Schon früher
wurde mit dem Aufbau legaler
Onlinedienste begonnen, aber es ist
einfacher, ein Auto zu stehlen als
eines zu konstruieren. Es ist nicht so
einfach. Es ist schon angesprochen
worden: die Digitalisierung des
Contents, der Erwerb der Rechte.
Wenn ich das legal aufsetze, kann ich
ja nicht sagen, ich habe mit dem Andy
Baum zwar einen Vertrag, der hat die
CD-Vervielfältigung beinhaltet, sei es
drum, das gilt auch für das Internet,
ich bin der Meinung, das lässt sich so
interpretieren. Ist es eben nicht. Es ist
nachzuverhandeln. Das ist eine
Menge Arbeit, und das kostet eine
Menge Geld. Im Moment sind 500.000
Tracks für den Internetvertrieb geklärt,
und es kommen laufend weitere
hinzu, aber das ist viel Arbeit, die ich
nicht machen muss, wenn ich es für
jeden zum Downloaden ins Netz stelle.
Außerdem die Fragen der Datensicherheit, also die legalen Dienste virenfrei,
keine Spyware usw., die Frage des
Billings und der Verrechnung, das
sind alles Investitionen, die sehr, sehr
hoch sind. Notabene die Frage der
Autorenrechte, das will ich jetzt nicht
vertiefen, aber das ist auch nicht so
einfach. Für den CD- und DVD-Vertrieb
gibt es seit Jahren festgelegt Lizenzbedingungen mit den Verlegern,
Komponisten und Textautoren, für
den Bereich des Online-Vertriebs ist
das in Europa noch nicht der Fall, in
Amerika schon. Daher ist es in
Amerika auch ein bisschen schneller
gegangen. Hier entscheiden meiner
Meinung nach, die nächsten Wochen
ohne Übertreibung, dass es hier neue
Rahmenbedingungen gibt. Glauben
Sie uns, wir stehen dem absolut nicht
entgegen, ganz im Gegenteil. Wir
sehen eine riesige Chance im digitalen Vertrieb. Es gibt doch in der
Handelsversorgung mit Tonträgern in
Österreich riesige weiße Flecken. Mit
Podiumsdiskussion
Grauen stelle ich mir manchmal vor,
wäre Libro tatsächlich den Bach hinunter gegangen, dann hätte es zwischen
Graz und Wien keine Tonträgergeschäfte mehr gegeben. Also da ist
das Internet eine riesige Chance. Es
gibt in Österreich den ersten Dienst
der aonMusicdownloads, mittlerweile
sind zwei weitere hinzugekommen. Es
wird erwartet, dass heuer noch der
iTunes Musicstore nach Europa
kommt, es kommt Rhapsodie, es gibt
in Europa etwa 50 Dienste, die legal
sind und legal natürlich gegen
Bezahlung anbieten. Es muss ja der
Kreative einen fairen Ausgleich
bekommen. Mein Hauptkritikpunkt ist,
dass Sie so lasziv das Legale und das
Illegale nebeneinander hinstellen und
sagen, das ist wunderbar, das ist ein
Wettbewerb. Diesen Wettbewerb will
niemand, und den kann es auch nicht
geben, denn gekauft kann nie in einen
Wettbewerb gegen gestohlen gehen,
verstehen Sie? Das ist eine ganz
grundsätzliche Sache und ich glaube,
dass Sie das vermischen. Wenn Ihre
Wortmeldung korrekt war, dann haben
Sie das eine gleichberechtigt gegen
das andere gestellt, und dagegen
habe ich wirklich etwas.
Martin Zimper: Ich habe eine tröstliche
Anmerkung für den Dr. Medwenitsch.
Auch die österreichischen Privatradios
haben als Piratenradios begonnen.
Franz Medwenitsch: Aber nicht
urheberrechtlich.
Martin Zimper: Sie haben aus
Ungarn und Bratislava gesendet. Ich
weiß nicht, ob die alle IFPI-Beiträge
und AKM bezahlt haben. Heute sind
wir aus meiner Sicht sogar zu viel
belastet durch Urheberrechtsbeiträge,
aber wir zahlen das brav.
Franz Medwenitsch: Du zahlst 10%
und hast dafür 80% Deines Programms.
Martin Zimper: Beim Herrn
Staatssekretär möchte ich noch einmal nachfragen. Es war natürlich eine
wunderbare Erkenntnis, als Sie im
Aufsichtsrat des ORF saßen und meinten, der ORF soll mehr österreichische
Musik spielen. Wie ist das jetzt als
Medienpolitiker, als Staatssekretär?
Könnte man das nicht ins ORF-Gesetz
schreiben, so eine Quote für die ORFSender?
Harald Ossberger: Danke schön.
Zuerst eine Replik vom Kollegen
Tschmuck und dann bitte, nehme ich
an, eine Antwort auf die Frage des
Herrn Zimper an den Staatssekretär
21
und dann Frau Diederichs-Lafite.
Peter Tschmuck: Ich möchte nicht
auf die Frage eingehen, mit wem ich
in der Musikindustrie Gespräche
führe, um zu meinen wissenschaftlichen Schlüssen zu kommen. Schön
ist, dass Sie meine Darstellung im
Grunde genommen bestätigt haben.
Sie haben gesagt, warum soll man so
blöd sein aus Sicht eines Tonträgerunternehmens, in einem Markt zu
investieren, der unglaublich riskant
und im Umbruch ist. Das bestätigt an
sich meine These, dass es nicht die
Tonträgerunternehmen sein werden,
die in Zukunft das Geschäft mit Musik
machen werden, sondern es werden
eben andere sein, die eben diese
Investitionskosten oder diese Stranded
Costs, ich möchte es nochmals
wiederholen, nicht haben werden, und
Ihre eigenen Informationen zeigen,
dass sich die Musik irgendwo anders
abspielt. Sie schreiben vom OnlineDiebstahl, 800 Millionen nicht autorisierte Musikfiles werden auf P2PDiensten ausgetauscht. Das heißt, da
passiert extrem viel. Jetzt können Sie
mir den Vorwurf machen, ich verteidige
hier jetzt etwas Illegales und mache
mich zum Helfershelfer der Piraterie.
Das weise ich absolut von mir, das
mache ich natürlich nicht. Als Forscher
und Wissenschafter interessiert mich
natürlich, was passiert alles in der
Musikwirtschaft, wo sind möglicherweise neue Geschäftsmodelle, die
eventuell in der Zukunft durchaus
dann auch legal mit Musik Geld verdienen können. Lassen Sie mich kurz
eine Geschichte erzählen. In den
zwanziger Jahren waren es in den
USA die Radiostationen, die, mit
Werbung finanziert, kommerziell aufgetaucht sind, gegen die plötzlich die
Tonträgerunternehmen gewettert
haben. Und wissen Sie, was die argumentiert haben? Die spielen Musik
und zahlen keine Urheberrechtsabgabe, das ist die böseste Piraterie
und muss bekämpft werden. Da hat
sich sogar in der ASCAP-BMIKontroverse niedergeschlagen, wo
dann zum Schluss zwei Verwertungsgesellschaften übrig geblieben sind.
Wissen Sie, was der Schluss der
Geschichte ist? Nicht die Tonträgerunternehmen haben damals letztendlich gewonnen, sondern die auch über
Musik groß gewordenen Rundfunkstationen wie CBS, NBC usw. haben
sich dann die immer stärker schwächelnden Tonträgerunternehmen
eingegliedert, und dann hat es eine
Phase in der Musikindustrie gegeben,
wo der Rundfunk im Zentrum stand
und diktiert hat, wie Musik verwertet
wird und rezipiert wird. Erst in den
fünfziger Jahren sind dann aus anderen
Gründen die Tonträgerunternehmen
wieder in das Zentrum gerückt.
Franz Medwenitsch: Gegenüber dem
Radio sind sie heute nicht im Zentrum,
weil - wie Sie ja sicher wissen - der
Tonträgerhersteller und der ausübende
Künstler gegenüber dem Radio einen
Vergütungsanspruch hat, d.h. er kann
nicht untersagen, ob ein Radio das
spielt oder nicht spielt, anders als die
Filmbranche gegenüber dem
Fernsehen, d.h. ein Radiounternehmer
kann sich jeden Tonträger aus dem
Handel holen, er muss ihn ja gar nicht
aus dem Handel holen, er wird ja
sowieso hundertprozentig bemustert,
und kann dann sein Format daraus
machen. Wo da der große Einfluss der
Musikbranche im Radio ist, das müssen
Sie erst zunächst erklären. Es ist mir
an sich schon recht, wenn Sie aus den
zwanziger Jahren in die Gegenwart
hinauf interpretieren, ich sage Ihnen
etwas von heute. Es sind die
Unternehmen wie Telekom, die
Unternehmen wie OD2, die Unternehmen,
die in der digitalen Distribution arbeiten, nicht anstatt der Musikfirmen,
sondern sind Kooperationspartner der
Musikfirmen, genauso wie der Handel
bei den körperlichen Tonträgern der
Kooperationspartner der Musikfirmen
ist. Das ist ja nicht ein Ersetzen, sondern es ist ein Paradigmenwechsel in
der Distribution. Nur dass die Musikfirmen die Contentinhaber sind, das
ist klar, und da verändert sich im
Wesentlichen nichts, weil der Content
ist auf einem Tonträger drauf, und der
Content ist auf einem digitalen File
drauf. Wenn dieser Content geschützt
ist, und das ist er, dann ist es eben
eine Partnerschaft, die einzugehen
ist, und die haben die Firmen längst
schon eingegangen mit Distributionsfirmen im digitalen Bereich, deswegen
ist auch der Herr Lechner hier, und
deswegen haben sie nach wie vor
Kooperationspartnerschaften mit dem
Handel, was den körperlichen
Tonträger angeht. So einfach ist das
eigentlich.
Franz Morak: Danke für die Erinnerung,
ich habe das im Eifer meiner Klage
etwas unter den Tisch fallen lassen.
Die Geschichte, wenn ich sie wiederholen darf, die ich seinerzeit als
Aufsichtsrat im ORF miterlebt habe,
war eine Initiative, die im Grunde
auch im Aufsichtsrat gescheitert ist
und zwar mit den Argumenten, dass
man gesagt hat, Ö3 bringt eine
Milliarde Schillinge, ist quasi ein
Programmlieferant für die Produktion,
Podiumsdiskussion
d.h. produziert anderes Programm
unter öffentlich-rechtlichen Inhalten.
Wir haben uns das ganz gut gemerkt,
weil wir natürlich im neuen ORFGesetz hier eine kleine Klausel
drinnen haben, die österreichische
Wertschöpfung dabei hat. Der öffentlich-rechtliche Auftrag für den ORF
wurde neu formuliert auch daraufhin
Rücksicht nehmend. Aber, und das
sage ich jetzt auch, natürlich mit der
grundsätzlichen Abstinenz der Politik,
einem Programmverantwortlichen
nicht das Programm vorschreiben zu
wollen. In der Diskussion der Quote
war mir immer ein Argument wesentlich, dass natürlich eine Quote die
Ästhetik einer Branche beeinflusst
und natürlich auch verändert.
Schauen wir uns die französische
Entwicklung an, und schauen wir uns
die Entwicklung in anderen Ländern
an, wo es keine Quote gibt. Ich weiß
nicht, ob ich das wirklich will. Ich habe
viel erlebt in dem Diskussionsprozess
um die Quote. Es hat begonnen damit,
dass man gesagt hat, der will die
Steffi Werger in Ö3. Das ging so
dahin, ich sage Euch, auf der tiefsten
Lade, aus der tiefsten Lade und auf
der tiefsten Lade. All das, der macht
eine Werbeveranstaltung für den
Ambros, und diese Geschichten: Ich
habe eine so unpolitische Haltung
einem Thema gegenüber überhaupt
noch nicht erlebt, wie wir mit dem,
was wir immer so groß vor uns hertragen, dem kreativen Potential in
unserem Land umgehen. Natürlich ist
es meine feste Überzeugung, dass es
nicht sein kann, dass wir Programme
liefern gegen die Programmveranstalter,
weil dafür gibt es u.a. auch einen liberalisierten Medienmarkt. Wir haben
aus diesem Grund den Medienmarkt
liberalisiert, und die Frage ist nicht
mehr nur zu führen mit dem ORF,
sondern die ist natürlich auch zu führen mit den anderen Anbietern auf
diesem Markt. Ich sage auch, spät
genug 18 Jahre nach Deutschland und
vier Jahre nach Albanien wurde der
Medienmarkt in diesem Land liberalisiert. Das hat offensichtlich in diesem
Land außer uns niemanden aufgeregt.
Das muss man ja auch einmal mitteilen. Ich würde darum bitten, dass wir
auf der einen Seite von der Diskussion
nicht heruntersteigen, aber es kann
nicht gegen die Programmverantwortlichen passieren, seien sie beim
Privatfernsehen oder beim ORF. Die
sind zu überzeugen. Aber es kann
nicht sein, dass man sagt, Freunde,
die Österreicher sind ununterbrochen
vertreten, die singen nur mehr englisch, und deshalb wissen sie das nicht
mehr. Dann bringt ein junger Mann
22
etwas Englisches hin, und der sagt:
Wenn ich einen Engländer habe, dann
nehme ich mir gleich einen Engländer
und nicht einen Österreicher, der so
tut, als wäre er ein Engländer. Ich
habe das ja alles zur Genüge erlebt.
Ich würde darum bitten, diese
Diskussion verstärkt zu führen, aber
nicht nur von politischer Seite, sie
wurde von politischer Seite geführt.
Schaut Euch die Kommentare in den
Zeitungen an, und zwar in den
Zeitungen, wo man sagt, dort erwarte
ich mir eine flächendeckende Kombatanz. Es war genau das Gegenteil.
Wenn Sie heute schauen, all diese
Menschen, die in Zeitungen über
österreichische Musik schreiben, die
sagen dann alle, die mussten auswandern. Der Leidensdruck des Herrn
Schwarzenegger hält sich in Grenzen.
Peter Paul Skrepek: Der kann auch
nicht gut Gitarre spielen.
Franz Morak: Er hat aber relativ
teure Filme gemacht. Ich will damit
sagen: Das ist kein Schicksal wie 1938,
das ist heute die Normalität, dass
Menschen ins Ausland gehen, und
heute sich auch im Ausland beweisen.
Natürlich hat es damit zu tun: Wenn
ich heute einen Schlager international
formuliere, dann ist das nichts anderes, als wenn ich bei einer Konferenz
bei der EU oder in Amerika auf englisch rede. Das ist eben so, das ist die
Lingua franca, so wie Mozart seinerzeit die erste deutschsprachige Oper
gemacht hat, heute ist es englisch.
Dieser schwere Nachteil des Schicksals,
in Österreich Popmusik oder Musik
machen zu wollen, kann auf der einen
Seite nicht sein, in der E-Musik ist es
etwas anders, das muss man jetzt
auch fairerweise dazu sagen. Auf der
anderen Seite würde ich darum bitten, dass man diese Diskussion, die
wir hier jetzt festmachen, wie geht
man mit den heimischen Talenten um,
nicht wieder zu einer ORF-Diskussion
macht, sondern, wie geht man grundsätzlich damit um, wie sehen wir uns.
Das hat ja mit einem österreichischen
Eigenverständnis und einer Eigenverantwortung zu tun, dass wir es aus
diesem Feld heraus sehen. Wieso sind
wir teilweise so hilflos dieser
Entwicklung gegenüber? Das ist nicht
nur das Alter auf der einen Seite,
dass man sagt, man kann sich
Digitalisierung nicht mehr vorstellen,
sondern aus der Tiefe unserer Seele
heraus sind wir und unsere Banken
durchaus bereit, ein Haus zu belehnen,
aber nicht den Inhalt eines Filmes.
Alles das, was im Grunde schöpferischer
Mehrwert ist, wird nicht bewertet.
Wilhelm Zimmerhackl: Ich habe mir
als Komponist alles selbst erarbeitet.
Ich bin Grafiker, Maler, Komponist,
Dichter und Videokünstler. Das ist
eine einmalige Sache. Auf der ganzen
Welt gibt es keinen Menschen, der so
viel macht, wie meine Person. Mir
fehlt die Zeit, dass ich Künstler und
Manager bin. Wir Künstler müssen
zusammenrücken und uns öffnen.
Franz Morak: Sie haben einen sehr
schönen Satz gesagt: Ich kann nicht
alles alleine machen. Es ist natürlich,
was alle hier im Grunde auf dem
Podium und im Publikum meinen, ein
arbeitsteiliges Verhältnis. Wie ich seinerzeit das gemacht habe, was ich für
Musik gehalten habe, wäre das nicht
möglich gewesen, wenn nicht eine
Majorfirma 100.000 oder 150.000
Euro in die Hand genommen und
gesagt hätte „Mach!,” oder die
Werbeveranstaltungen finanziert
hätte, oder ein Verlag, der sich eingeschaltet hat. Im Grunde ist es ein
arbeitsteiliges Verhältnis, und in
Wahrheit geht es darum, Strukturen
zu haben, dass die Künstler, das was
sie verlangen können, arbeiten, aber
davon auch leben können. Das ist
aber nur möglich, wenn die
Strukturen funktionieren. Ich kann
mich noch erinnern, in welche
Strukturen ich hineingeboren worden
bin, wie ich das getan habe. Ich war
bei einer Firma, die ist mit Ambros
und Opus am Höhepunkt Pleite
gegangen. Das ist eine Kunst gewesen, der Wahlspruch hieß, wo wir sind,
ist das Chaos, aber wir können nicht
überall sein. Wir haben keine
Managementstrukturen, weil keiner
davon leben kann, dass er einen
Künstler vertritt. Das sage ich jetzt
einmal, weil wir damals die Märkte
noch national und nicht international
wahrgenommen haben. Dasselbe
Problem haben wir heute auf wesentlich größerem Niveau. Ich erinnere
mich, dass Gerd Bacher seinerzeit
dem Kreisky gesagt hat, er würde
ganz gerne aus Deutschland senden,
d.h. den ORF ausweiten auf
Deutschland, was heute ein Segen
gewesen wäre, ich sage es nur einmal
nebenbei. Kreisky sagte damals goldfalsche Medienentscheidung du bleibst jetzt in Österreich, weil du
schimpfst so sehr in Österreich über
mich, ich lasse mich nicht noch aus
Deutschland auch von dir beschimpfen.
Das war der engere Zusammenhang.
Heute wissen wir, dass Medien international arbeiten müssen, weil sie
sonst gar nicht leben können, gar
nicht die Rechte bezahlen können,
d.h. wir haben ein riesiges Problem in
Podiumsdiskussion
der Distribution. Sie können an der
Peripherie wohnen, Sie sind in der
Hauptstadt, sobald Sie an einer
Telefonleitung sind. Wir sind in einer
Neuorganisation unserer Welt. Wenn
wir daran nicht teilnehmen wollen
oder teilnehmen werden, dann werden wir nicht dabei sein, und keiner
wird um uns weinen. Wir müssen uns
dort einschalten, und es ist notwendig, dass wir das nicht nur als kleines
Österreich machen, sondern dass wir
uns als Europäer dort einbringen. Ich
glaube, wir haben da theoretisch ein
ganz gutes Wörtchen mitzureden, wir
müssen es nur tun.
Marion Diederichs-Lafite: Ich könnte
aus dem sogenannten Stilfeld „Klassik”
kommend etwas beitragen, das für
diesen Bereich besonders relevant ist.
Ich bin in diesem Stilfeld als Printmedium tätig und als solches mit vielen
Kreativen von Hager und Androsch
bis Wysocki und Zykan in fruchtbarem
Austausch und beobachte im langjährigen Vergleich, wie die Anforderungen
an die Kreativen wachsen. Sie mussten
immer schon neben dem Komponieren
jobben, unterrichten usw., immer
mehr müssen sie die ganze Herausforderung der Technologie beherrschen.
Inzwischen schreiben die meisten ihre
Partituren und Stimmen selber, vermarkten sich selbst, jeder muss seine
Homepage pflegen und seine
Infomails versenden usw. Obwohl
immer noch sehr viel geschieht, am
Klassiksektor, Gott sei Dank, würde ich
sagen, noch etwas mehr, glaube ich,
dass das zu Vereinzelung und einer
Gefährdung von Kreativität führen
kann. Dieter Kaufmann, noch
Präsident des Komponistenbundes,
versucht immer das Bild des
Komponisten oder der Komponistin
als eigenständigem Selbständigen zu
entwickeln, das ist sicher sehr wichtig.
Diese Herausforderungen müssen von
allen geschafft werden. Ich glaube
nur, dass irgendwann der Punkt
kommt, wo dieser positive Stress, vor
dem viele stehen, auch umschlagen
kann. Es hat mich sehr beeindruckt
wie Otto Zykan mir ganz stolz seinen
Computer, der irrsinnig viel kann,
gezeigt hat. Er ist glücklich, sagt aber
auch, dass es die schwerste Herausforderung in seinem Komponistenleben war. Er ist fast daran zerbrochen.
Er ist nicht zerbrochen, aber viele
andere haben ähnliche Probleme, und
daher stelle ich die Überlegung in den
Raum, ob man einen Teil der Fördermaßnahmen im Gespräch mit den
Kreativen auch in solche
Infrastrukturen verlegen könnte, also
weiter Aufführungen und Kompositionen
23
fördern, aber auch Herstellungen von
Materialien und die Selbstvermarktung auf einer gemeinschaftlichen
Basis sowie die Herstellung einer
neuen Organisation dieser Anforderungen im Gespräch mit den
Komponistenverbänden?
Mario Weitzl: Ich möchte kurz etwas
aus dem Künstler-Radio-Bereich
berichten. Ich glaube, dass die österreichische Musikindustrie, vor allem
was den Popbereich betrifft, die
Verbreitung über elektronische
Medien, d.h. über Radio und Fernsehen,
durchführt. Immer wieder hört man
von Künstlern: Wir kommen nicht
mehr zu den Rundfunkstationen. Da
muss ich weiter ausholen und den Dr.
Zimper berichtigen. Privatradio hat in
Österreich über die sogenannten
Piratenradios nicht Anfang der neunziger Jahre begonnen, wie allgemein
geglaubt wird, sondern bereits 1979
mit sogenannten Privatradios in
Kärnten. Damals wurde der Grundstein
von Privatradio in Österreich gelegt
mit Radio Val Canale, Radio Carinthia
und Radio Uno. Damals gab es bereits
Privatradio für Österreich, nicht erst
Anfang der Neunziger mit Antenne
Austria und Radio CD, das am Rande.
Bei diesen Piratenprivatradios hatte
man damals sehr wohl viel österreichische Musik im Programm, und die
Verkaufszahlen waren in den achtziger Jahren hoch, obwohl es kein offizielles Privatradio gab. Ich arbeite seit
1976 für Rundfunkstationen und seit
1980 für private Stationen, mittlerweile
viel im Ausland, weil der Prophet im
eigenen Land nichts zählt, denn es ist
nun einmal so, dass österreichische
Privatradios ausländische Leute, die
in England oder Deutschland Privatradio machen, nach Österreich holen,
um hier Programmformate zu erstellen.
Dann wundert man sich, warum es
keine österreichischen Künstler mehr
im Radio gibt. Es ist nun einmal so,
dass die Musik sehr viel von ausländischen Leuten bestimmt wird im österreichischen Privatradiosegment. Ich
habe seit 1981 mit den österreichischen
Plattenfirmen zusammengearbeitet
und bin als Mitarbeiter im Piratenprivatradio teilweise sogar bemustert worden. Am Anfang musste man sich
diese Platten kaufen. Es war viel
österreichische Musik in den
Programmen der einzelnen Radiostationen vorhanden. Warum ist es so,
dass man nach fünf Jahren Privatradio
in Österreich noch immer über den
geringen Anteil österreichischer Musik
jammert? Warum muss man die Leute
in den Radio- und Fernsehstationen
überzeugen, die hervorragenden
österreichischen Produktionen ins
Programm aufzunehmen? Dazu
besteht überhaupt kein Grund. Wenn
ich nur ins benachbarte Ausland, z.B.
nach Italien schaue, und mir dort
Radio- und Fernsehprogramm ansehe,
da braucht niemand irgendwen davon
zu überzeugen, einen Titel von einem
jungen oder älteren Italiener zu spielen.
Wir müssen die Leute nach wie vor
überzeugen. Das ist etwas, was ich als
Radiomacher seit 1976 nie verstanden
habe. Ich habe für viele Rundfunkstationen Musik zusammengestellt
und Musikformate entworfen, auch
für sogenannte Formatradios, die jetzt
sehr eng geworden sind. Wenn man
90 bis 100 Titel innerhalb von 24
Stunden spielt und insgesamt ein
Musikarchiv von vielleicht 1000 oder
1500 Musiktiteln hat, und die Hörer
nach einem Monat sagen, jetzt kann
ich den Sender auch schon nicht
mehr hören, weil der immer dasselbe
spielt, dann muss ich ehrlich fragen,
wo kommen wir da in der Radiolandschaft hin? Wenn andererseits Ideen
kommen, wie man Formatradios breiter
formatieren kann, um wieder Platz für
österreichische Musik in den Radios
zu haben, blockt teilweise auch die
Industrie ab. Ein Grund dafür war die
Idee, einen Downloadserver für
Rundfunkstationen einzurichten, um
dort Musiktitel runterladen und gleiche ins Programm aufnehmen zu können. Wenn der Rundfunk diese Titel
spielt, werden sie gehört und werden
über CDs, Videos und DVDs gekauft
oder heruntergeladen. Dieser Idee
wird nicht Rechnung getragen,
sondern die Musiktitelanlieferungen
werden eingesellt. Die einzelnen
Plattenfirmen wollen oft alles selbst
machen. Hier fordere ich die österreichische Musikindustrie auf, mehr
Konsens und Miteinander als
Gegeneinander an den Tag zu legen.
Andy Baum: Ich bin Musiker, der das
Privileg genießt, von seiner Arbeit
auch leben zu können, obwohl ich
noch nicht digitalisiert bin. Vielen
Dank für die zum Teil sehr, sehr aufschlussreichen Beiträge. Ich möchte
kurz auf ein paar Dinge eingehen und
am Ende zu meiner subjektiven
Erkenntnis kommen. Solche Diskussionsforen sind immer sehr gefährdet, sich
nicht um das eigentliche Thema zu
drehen, sprich Kreativität und
Pluralismus, sondern sich im altbekannten Stammtischlamento zu ergehen,
um es ein bisschen polemisch auszudrücken. Ich glaube, dass es in diesem
Kreislauf weder Gute noch Böse gibt,
sondern nur ein Miteinander. Es geht
um das Erkennen von Schaltstellen
Podiumsdiskussion
und Übereinkünften und darum, wie
man mit diesen Übereinkünften
umgeht. Es ist das Stichwort gefallen:
Wettbewerb schafft Kreativität. Da bin
ich grundsätzlich nicht dagegen, allerdings definiert sich Wettbewerb heute
so, dass es darum geht, Vorgegebenes
besser zu bedienen und nicht eigenartiger zu sein. Wettbewerb heißt heute
nicht mehr, eine neue Zahnpasta zu
erfinden, sondern eine knalligere
Verpackung. Wenn Sie sagen,
Nachwuchspflege geht über neue Stars
und die Berichterstattung von Hypes,
dann hat das für mich nichts mit
Nachwuchspflege zu tun. Etwas, das
bereits ein Star oder Hype ist, ist
bereits am Wege des Arriviert-Seins,
und hat mit aktiver, vitaler Nachwuchspflege nichts zu tun, die wiederum
Bestandteil eines Wettbewerbs ist, so
wie ich ihn verstehe. Zu dieser Art von
Wettbewerb und Nachwuchspflege
gehören die Alten, ob man sie will oder
nicht, dazu, denn sie sind Reibebäume.
Ohne Reibebäume entwickle ich nicht
meine Eigenarten. Radio kann man
heute nicht mehr für alle machen, das
konnte man auch früher nicht, man
muss es für Zielgruppen machen. Ich
unterstelle dem Radio, heute nicht
mehr den Hörer, sondern die
Werbewirtschaft als Zielgruppe zu
haben, und es missbraucht den Hörer in
letzter Konsequenz, um diese Zielgruppe
zu bedienen. Nicht nur die Privatradios,
sondern in erster Linie der ORF mit Ö3
haben das unglaublich konsequent und
kompetent vorgelebt. Es wurde davon
geredet, dass der Content wesentlich
ist, egal ob MP3, CDs, Platten oder
DVDs. Ich glaube, da sind wir beim
Kern. Ich bin dem Christian Rösner
unheimlich dankbar, dass er so abgestaubte Begriffe wie Leidenschaft und
Identität in das Gespräch versucht hat
einzubringen, obwohl niemand drauf
eingegangen ist. Das, was die Musikund Tonträgerindustrie nach unten
drückt, ist meiner Meinung nach ihr
eigener Umgang mit den Werten, die
sie versucht zu verkaufen. Es geht
nicht darum, dass 19 Millionen Platten
verkauft werden und 19 Millionen CDRohlinge böser- und verbotenerweise
bedruckt werden, sondern dass seitens
der Industrie in den letzten 12 bis 16, 17
Jahren, sage ich einmal, ein massiver
Werteverlust im Inhaltlichen stattgefunden hat. Damit meine ich nicht
Tugenden wie Moral und Treue, sondern dass das, wofür ich Geld investiere, um es auf den Markt zu bringen,
dass ich das als wertvoll betrachte und
zwar inhaltlich, dass es nicht nur dazu
dient, etwas, was funktioniert hat, so
gut und so schnell wie möglich so
lange zu bedienen, solange ich noch
24
Geld herauspressen kann, sondern
dass ich etwas riskiere, etwas Neues
vorstelle und damit vermittle: Das ist
uns etwas wert. Ich glaube, dass das
der Industrie massiv verlustig gegangen
ist. Wenn ich mich als Jugendlicher, der
ich nicht mehr bin, entscheiden muss,
ob ich mir etwas bei Virgin kaufe, das
nichts mehr wert ist, weil es nur mehr
14 Tage hält, oder ob ich es mir herunterlade, dann lade ich es mir herunter. Ich glaube, dass die Diskussion
wirklich eine Wertediskussion sein soll,
eine Inhaltsdiskussion und nicht eine,
die sich an austauschbaren
Parametern anklammert. Danke.
Harald Quendler: Ich möchte kurz
Herrn Lechner etwas fragen. Habe ich
Sie richtig verstanden? Sie sind von
der Telekom und Sie haben einen
Partner, der in England sitzt, d.h. die
Verrechnung erfolgt auch über
England, d.h. das Mehrwertsteueraufkommen von der Wertschöpfung
her passiert nicht in Österreich, sondern in England. Warum machen Sie
das? Wegen der Mehrwertsteuerdifferenz, um niedrigere Preise zu
erzielen, oder was ist die Begründung?
Wilfried Lechner: Die Begründung,
warum wir OD2 als Partner gewählt
haben ist folgende: Es gibt im internationalen Bereich keinen Partner, der
diese Fülle an Angebot und Content
bietet wie OD2. Wir haben im
Zeitraum 2001 bis 2003 mit allen
potentiellen Partnerfirmen gesprochen, ob das Popfile oder Musicnet
war, keiner konnte uns dieses
Angebot bieten wie OD2.
Harald Quendler: Darf ich dazu zwei
Fragen nachschieben? Welche
Suchbegriffe gibt es?
Wilfried Lechner: Wir verwenden
bewusst den Begriff MP3 nicht, sondern Digital Download.
Harald Quendler: Ich möchte meine
Frage präzisieren. Kann ich hergehen
und sagen, ich möchte Musikstücke
finden, wo drei Maultrommeln solo
spielen?
Wilfried Lechner: Das gibt es bei uns
nicht, es gibt eine Künstler-, Genreund Titelsuche, aber es gibt keine
Suche nach zwei Kontrabässen mit
Schlagzeug.
Harald Quendler: Kostet jeder Song
gleich viel?
Wilfried Lechner: Es gibt drei
Preisstrukturen, die nicht von uns
vorgegeben werden, sondern von den
einzelnen Plattenlabels. Grundsätzlich
kann Elvis Presley, wenn BMG das will,
fünf Euro kosten. Es macht jedoch
Sinn, eine einheitliche Preisstruktur
zu haben, denn das schafft die nötige
Transparenz für den Kunden. Dieser
kommt zu uns und weiß, er bekommt
jeden Song für 0,99 Euro.
Harald Quendler: Vorstellbar wäre
eine B2B-Lösung, die dem Contentanbieter über die Vergabe von
Zugangscodes, die Möglichkeit
gibt, Partner wie Veranstalter und
Medienleute Musik downloaden zu
lassen, um den teuren Versand von
Finished Product-CDs zu umgehen.
Besteht diese Möglichkeit im Rahmen
Ihres Angebotes?
Wilfried Lechner: OD2 bietet das
jedem Label an, in Kontakt zu treten,
einen Vertrag abzuschließen und
dann nur auf unserer Plattform oder
auf allen 14 Plattformen in Europa
vertreten zu sein. So kann man
diesen Distributionsweg des Internets
europaweit wählen.
Erich Krapfenbacher: OD2 verhandelt momentan meines Wissens nicht
mit kleinen Labels, weil ihnen das zu
aufwendig ist. OD2 ist eine Art Gate
Keeper geworden, kleine Labels sollen
sich zu Verbänden zusammenschließen. Es scheint mir im Downloadbereich ohne OD2 nichts mehr zu
gehen.
Wilfried Lechner: Es ist kein
Monopol, das OD2 hat. Wir warten alle
ganz sehnsüchtig auf Apple iTunes,
wir weniger, aber die Konsumenten.
Wenn apple.com ein Angebot für
österreichische und deutsche
Konsumenten macht, wird es da
sicher ein massives Umdenken geben.
Ich gebe Ihnen recht, dass es bei OD2
gewisse Schwierigkeiten gibt bezüglich der Wünsche eines einzelnen
Partners wie wir es sind und der
Dinge, die sie erfüllen können. Wir
haben mit vielen kleinen österreichischen Labels gesprochen und gesagt,
wir würden euch gerne mit hineinnehmen. Aktuelles Beispiel sind die
Ausseer Hardbradler mit dem Album
„Cuba”. Wir wollten es im Shop
haben, weil wir als Hauptsponsor des
Amadeus jedem Nominierten die
Möglichkeiten, angeboten zu werden,
geben wollen. Es gab dann Gespräche
zwischen dem Label, mir und OD2, die
einen gewissen Titelpool verlangen,
damit es interessant ist. Natürlich ist
die Priorität, die Österreich bei OD2
genießt, nicht die höchste. Man muss
sich das wie eine Tankstelle mit 14
Podiumsdiskussion
verschiedenen Autos vorstellen. Eines
davon ist die Telekom und gleicht
einem Mini, Tiscali oder MTV fahren
einen Porsche. Wir versuchen alles zu
tun, um auch kleinen Labels Zugang
zu verschaffen.
Peter Paul Skrepek: Das, was hier
passiert, ist eine kulturelle Verengung,
das kann man beobachten. Hubert
von Goisern hat das einmal sehr
griffig formuliert: Auf der Autobahn
zischen sie dahin und scheffeln Geld,
und die österreichischen Musikschaffenden gleich welchen Stils es ist ja bekannt , dass nicht einmal
mehr die Wiener Philharmoniker
einen Plattenvertrag haben - dürfen
auf dem künstlerisch sehr interessanten Holzweg/Waldweg unterwegs
sein. Das unterstützt leider auch die
Telekom-Plattform, ich habe sie
besucht, bin dort Kunde und weltweit
im Internet präsent, nur leider heute
nicht, denn heute ist sie abgestürzt.
Ich habe mir angesehen, was Harald
Quendler gefragt hat, die Stilrichtungen, und da haben wir ein
unglaubliches Verhältnis von 52.000
Titeln internationalem Pop-Repertoire,
und dann gibt es eine Unterkategorie
„Schlager deutsch” oder so in der Art,
und da sind 1.000 drinnen. 52.000 zu
1.000 ist das Missverhältnis im
Angebot, d.h. schon vom Angebot her
existiert das praktisch nicht. Es ist nur
eine Ironie, ein Treppenwitz, dass der
Wolfgang Ambros, Falco und österreichische Künstler der Jetztzeit nicht
mehr angeboten werden. Die existieren einfach nicht. Der Satz, den der
Herr Staatssekretär gesagt hat, dass
man den Programmverantwortlichen
von der Politik nicht das Programm
vorschreiben kann, sagt ja alles, wenn
man den zweiten Satz noch dazu sagt.
Der Wirtschaft, der Werbewirtschaft
und den Beraterfirmen ist es mittlerweile gelungen, die Initiative an sich
zu reißen. Es ist eine unbestreitbare
Tatsache, dass das österreichische
Radioprogramm genauso wie das
deutsche und das anderer Länder von
Beraterfirmen formatiert vorgegeben
wird. Die Leute bei den Firmen dürfen
sich dann aus dem vorgegebenen
Programmangebot des Formates aussuchen: Heute mache ich meine
Fließbandarbeit mit dem grünen
Schraubenzieher, das ist die redaktionelle Freiheit. Auf einen Satz
gebracht: Die Politik darf es heute
nicht mehr, die Wirtschaft macht es
besser für sie, und das ist eine
Entwicklung, vor der kann man nicht
genug warnen. Deswegen müssen wir
als demokratisch verfasste Republik
den Primat der Politik wieder zurückge-
25
winnen. Ich lade daher den Herrn
Staatssekretär, Herrn Dr. Medwenitsch
und alle Interessierten ein, uns ein
Vorbild an anderen Ländern zu nehmen und endlich ein Dialogforum zu
eröffnen, einen runden Tisch, an dem
wir solche Debatten im Expertenmodus
führen und innerhalb kürzester Zeit,
sagen wir bis Weihnachten, einen
Lösungsvorschlag auf den Tisch
legen, wie wir aus diesem Dilemma
der Fremdbestimmtheit wieder herauskommen. Wir können nicht der
Telekom verbieten, dass sie einen
Vertrag mit einem Monopolisten, wie
OD2 ist, macht, das können wir nicht,
das ist in einer pluralistischen
Gesellschaft nicht möglich. Aber wir
können uns ausbedingen, dass wir in
Österreich auch den eigenen Kunstschaffenden ein Forum geben, und
wenn wir das nicht schaffen, dann
wird es bald solche Diskussionen nicht
mehr geben brauchen. Daher ist mein
Appell vollkommen ernst gemeint:
Setzen wir uns zusammen, das
Staatssekretariat könnte den
Einladungsschrieb machen, und
machen wir das, was andere Länder
schon vorgetanzt haben, ein Dialogforum mit einem schnellen Ergebnis,
wie die Politik die Handlungsfähigkeit
zurückgewinnt.
Martin Zimper: Da konnte ich jetzt
nicht mitapplaudieren als Vertreter
eines privatwirtschaftlichen Unternehmens, denn es ist schon ein anderes politisches System, wo uns die
Politik das Programm vorschreiben
würde.
Peter Paul Skrepek: Das nennt man
Demokratie.
Martin Zimper: Nein, das nennt man
Marktwirtschaft. In der DDR hat das
System gut funktioniert, das Sie einfordern.
Peter Paul Skrepek: Das ist jetzt ein
Untergriff.
Martin Zimper: Was wir heute haben,
ist Wettbewerb. Wir buhlen geradezu,
das ist zu Andy Baum gesagt, um die
Hörer. Ich sehe schon, Wettbewerb ist
ein schwieriges Thema. Am Radiosektor haben wir Wettbewerb. Wir
sollten gerade um jeden einzelnen
Hörer buhlen, weil letztlich ist der
Hörer das, was die Werbewirtschaft
will und sonst gar nichts, leider eingeschränkt in einer bestimmten Altersgruppe, das bedauere ich selbst. Ich
glaube, dass sich das auch ändern
wird, aber momentan ist es eher so,
dass 14 bis 49 von der Werbewirtschaft
gewollt wird, und wir uns als Private
daran orientieren müssen, d.h. aber
nicht, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch nur mehr daran
orientiert. Weil von Mario Weitzl kam,
dass die Privaten keine Österreicher
mehr spielen: Radio Arabella spielt
noch viel Austro Pop, auch wir spielen
Österreicher, aber wir haben zu wenige
Ansprechpartner in der Musikwirtschaft und Industrie, die sich professionell damit auseinandersetzen,
welche Musik wir oder einzelne
Sender spielen, ich habe ja schon einige unterschiedlichen Stile aufgebaut.
Im Wettbewerb ist es so, dass der eine
Sender nur Rockiges spielt, der nächste spielt Dance und der dritte spielt
Austro Pop und Schlager. Dann muss
man als Musikindustrie das
Entsprechende im Gespräch mit den
einzelnen Machern und Stationen
anbieten. Privatradio würde eine vorgeschriebene Österreicherquote für
alle nicht begrüßen. Privatradio
würde eine vorgeschriebene Österreicherquote für die Öffentlich-rechtlichen begrüßen.
Mario Weitzl: Wir müssen Ihnen eine
Quote auferlegen, damit wir überhaupt österreichische Musik haben.
Martin Zimper: Entschuldige, der
Hörer schafft an, was er hören will.
Peter Paul Skrepek: Das ist doch ein
Märchen, Martin Zimper.
Martin Zimper: Ich erzähle aus der
Praxis.
Mario Weitzl: Die Piratenprivatradios
haben stundenlang österreichische
Musik gespielt.
Martin Zimper: Die sind aber alle eingegangen. Mario Weitzl, der letzte
Sender, den er gemacht hat, ist in
Konkurs gegangen.
Mario Weitzl: Entschuldige, bist Du
noch bei Kronehit? Nein.
Harald Ossberger: Darf ich kurz
eingreifen. Ich unterbreche die
Gesprächssituation nur ungern, weil
sie sehr lebendig ist. Trotzdem darf
ich den Herrn Staatssekretär um sein
Worte bitten, weil er angesprochen
wurde.
Franz Morak: Ich bin ein gebranntes
Kind, was die Diskussion über
Programmschöpfung betrifft, in
welchem Medium auch immer, aber
ich bin gerne bereit, einen runden
Tisch zu machen, so die Frau General-
Podiumsdiskussion
direktor vom ORF dabei ist und die
österreichische Plattenindustrie oder
das, was von ihr übrig geblieben ist,
dass wir hier einmal Tacheles reden.
Ich bin in eine Industrie gekommen,
wo ich den lieben Herrn Duran kennen gelernt habe, der damals mit den
Verträgen von Bierzelt zu Bierzelt
gefahren ist. Das Geld, das er damit
verdient hat, hat er sich aufgehoben
und damit den Hirsch gemacht und
damit andere Leute produziert. In der
Zwischenzeit - glaube ich - gibt es das
Modell nicht mehr. Ich habe den
Duran irgendwann einmal bei guter
Gesundheit bei einer Verleihung gesehen. Die sind alle in der Rente. Ich
weiß nicht, was nachgekommen ist,
muss ich ehrlich sagen. Wenn ich mir
die Radio- und Fernsehprogramme
grundsätzlich anschaue, denke ich
mir, es gibt nichts. Möglicherweise
gibt es einen neuen Zugang zu dem
Thema, zu der Problematik. Ich bin
gerne bereit, das aufzuarbeiten mit
einem runden oder eckigen Tisch,
daran soll es nicht liegen. Gerne lade
ich diese Seite ein, aber es macht nur
Sinn, wenn auch die Veranstalter
dabei sind, die im Grunde aufgerufen
sind. Der Skrepek ist ja nicht arglos
von mir in den Publikumsrat geschickt
worden. Das war immerhin ich, der
das getan hat, um den Standpunkt zu
verbreiten. Noch einmal: Ich mache
das gerne. Ich hoffe, dass die
Erfahrungen, die ich mit diesem runden oder eckigen Tisch mache, andere sind als die, die ich bisher damit
gemacht habe. Ich kann gerne quer
durch alle Parteien einladen, ich habe
da keinen Schmerz dabei. Bewerten
wir die Situation neu und schauen wir,
was am Ende der Fahnenstange
davon übrig bleibt davon, weil auch
ich bin der Meinung, es kann nicht
sein, dass wir hier relativ viele Leute
haben, die angeblich Musik machen,
die wir nie hören. That's it.
Harald Ossberger: Ich bedanke mich
sehr herzlich bei allen Teilnehmern
und freue mich, dass so viele Inhalte
eingebracht wurden, und die
Diskussion so lebendig und engagiert
war. Ich bedanke mich sehr bei den
Damen und Herren aus dem
Publikum. Wir setzen nach 10 bis 15
Minuten Pause fort.
26
27
PANEL: STILFELD „KLASSIK/
ZEITGENÖSSISCHE MUSIK”
Paul Hertel: Ich begrüße sehr herzlich Elisabeth Mayerhofer, Wolfgang
Mitterer und Christian Scheib. Aus
Zeitgründen werde ich mit keiner
ausführlichen Vorstellung der
Panelteilnehmer beginnen, sondern
darf Sie auf die Lebensläufe in den
Handouts verweisen. Ich habe den
Fragenkatalog von Harald Huber für
mich weiterentwickelt und möchte
fragen: „Welche Veränderungen
haben Sie seit 2000 beobachtet?”
Unser Beobachtungsfeld erstreckt
sich von Klassik bis zur zeitgenössischen Musik, das ist ein sehr breites
und sehr widersprüchliches Spektrum.
Ich möchte bitten, die Diskussion auf
einer allgemeinen Ebene zu belassen
und nicht zu sehr in persönliche
Erlebniswelten einzudringen.
Vordringlich soll sein, was in Zukunft
zu machen ist, welche Visionen,
Möglichkeiten und Ideen da sind. An
einem Kontakt- und Ideenaustausch
zwischen Podium und Diskussionsteilnehmern ist mir sehr gelegen. Die
Möglichkeiten, sich professionell mit
zeitgenössischer Musik zu beschäftigen, sind in Österreich teilweise
vorhanden, teilweise nicht. Für das
plurale Stilfeldermodell von Harald
Huber bin ich dankbar. Der Pluralismus im Bereich „Klassik” hat manche
blinde Flecken, die man persönlich
mehr oder weniger so empfinden
kann. Ich möchte Elisabeth
Mayerhofer um ihren Beitrag bitten,
der sich u.a. auch mit der Situation
der Frauen in diesem Stilfeld beschäftigen wird.
Elisabeth Mayerhofer: Ich möchte
Ihnen eine Systematik präsentieren,
die auf Forschungsprojekten des
Instituts Mediacult bis zum letzten
Jahr basiert. Es geht um Karriereverläufe von vor allem Frauen im
Bereich der Musik. Diese Publikation
gebe ich sehr gerne zur Ansicht
durch, bzw. kann sie über das Institut
bezogen werden. Zur Zeit läuft eine
Folgestudie zum Thema „Businessmodelle”, in der solche tragfähigen
Konzepte für den Bereich der zeitgenössischen Musik untersucht werden.
Heute möchte ich über Arbeits- und
Produktionsbedingungen von Kreativen
in diesem Bereich sprechen. In der
ersten Betrachtung sehen die Rahmenbedingungen schlecht aus, bei näherer Betrachtung sehr schlecht. Dieser
Befund muss allerdings differenziert
werden. Dazu fächere ich meine
Betrachtungen in die Bereiche der
Produktion/Komposition und der
Interpretation auf, die sich u.a. durch
sehr verschiedene Arbeitsverhältnisse
auszeichnen. Den KomponistInnen
geht es in Österreich auffallend
schlecht. Das Musikland Österreich
gründet sich auf die Interpretation
eines sehr eingeschränkten Erbes,
wobei der Großteil der Ressourcen
verbraucht wird. Die Produktion bleibt
unterbelichtet sowie die Interpretation von wirklich zeitgenössischer
Musik. Die Arbeits- und Einkommensverhältnisse im Produktionssektor, da
liegen uns Untersuchungen seit den
achtziger Jahren vor, sehen trist aus.
Es gibt ein paar Stars, die immer als
Beispiel für Künstler hergezeigt werden, die sehr gut von ihrer Tätigkeit
leben können. Da gibt es sehr, sehr
wenige, praktisch niemanden.
Freischaffend vom Komponieren zu
leben, ist sehr schwierig. Der Ausweg
ist Multiple-Job-Holding. Wir haben
ein Durchschnittseinkommen von
900.- Euro bei hoher Qualifikation.
Überleben wird durch mehrere
Einkommen erreicht.
Kompositionsaufträge sind in Österreich vergleichsweise dünn gesät.
Kompositionsstipendien sind im internationalen Vergleich auch sehr wenig
vorhanden. Die Standbeine eines
Musikschaffenden sind daher
Unterricht, z.B. an Musikschulen, oder
wissenschaftliches Arbeiten bzw.
Vorträge an Universitäten. Es geht bis
zum Empfang von Sozialhilfe. Man
muss sich fragen, wie Österreich, das
sich über die Musikkultur definiert,
mit seinen Produzierenden umgeht,
und welche Wertigkeit diesem Bereich
zugestanden wird - eine sehr, sehr
geringe.
Den interpretierenden Künstlern geht
es vergleichsweise gut, wenn sie im
Bereich der extrem regulierten
Orchesterlandschaft unterkommen.
Aber auch hier wird es schlechter,
wenn es nicht einmal mehr den
Philharmonikern blendend geht.
„Auch Hausherren sterben” wurde in
einem Künstlerinterview genannt, das
kann man auf die Orchesterlandschaft
in Österreich umlegen. Gleichzeitig
drängt viel höchstqualifizierter
Nachwuchs heran.
Es kommt zu einer verschärften
Konkurrenzsituation, die bisher nicht
so brisant war. Verändert in den
letzten zehn Jahren hat sich die
Technologie. Komponieren am
Computer ist ungleich einfacher
geworden als früher. Vieles ist
dadurch möglich geworden. Aber es
gibt auch die Kehrseite der
Technologie. Die Distribution fällt
immer mehr auf die Produzierenden
zurück im Sinne eines All-in-OneModells: Jemand komponiert und ist
gleichzeitig für die Selbstorganisation,
das Marketing und die Distribution
zuständig. Steuerrechtlich muss man
auf dem Laufenden bleiben, gleichzeitig muss man künstlerisch auf dem
höchsten internationalen Niveau mithalten. Dieses Modell ist nicht wahnsinnig neu, denn KomponistInnen
waren traditionellerweise freiberuflich
tätig. Der Unterschied ist, dass wir
nun auf der politischen Ebene dieses
Modell befürworten. Es geht in
Richtung Kulturunternehmer, das wird
gewollt. Die öffentliche Kunstförderung zieht sich immer stärker von
Institutionen zurück, richtet sich
hingegen stärker an Projekt- und
Personenförderung aus und favorisiert
das Modell des Künstlers als Unternehmer, der alles selbst machen soll.
Wir haben in Österreich sehr wenige
Frauen, die komponieren, eine relativ
konstante Größe von sechs bis sieben
Prozent. Unter diesen Arbeitsbedingungen wird es immer schwieriger
werden, denn die Frauen bekommen
noch immer die Kinder.
Vereinbarkeiten sind dann nicht mehr
möglich. Frauen müssen sich eben
entscheiden für ein Leben ohne
Familie oder ein Leben ohne Beruf.
Beides wird sehr schwierig. Wie kann
man in diesem Bereich trotzdem
überleben? Welche Mechanismen gibt
es? Man kann sich als Kulturunternehmer/in positionieren, braucht
dafür aber unbedingt persönliche und
tragfähige Netzwerke. Das ist ein
informeller Bereich. An den Schaltstellen sitzen zumeist Männer, Frauen
haben hier wieder ein Problem, informelle Netzwerke aufzubauen. Frauen
verfügen nicht in dem Maße über
Netzwerke und informelle
Mentoringsysteme, die schon sehr
früh z.B. in der Ausbildung geknüpft
werden, wie Männer.
Es geht um Vernetzung mit Gatekeepern an Schlüsselpositionen wie
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”
Veranstaltern, Verlegern etc. Ein Teil
der kreativen Ressourcen fällt dann
heraus. Die kompositorischen Erfolge
der letzten Jahre sind eher auf ein
Trotz-Allem als ein Wegen zurückzuführen, was die öffentlichen
Förderungen und Arbeitsbedingungen
betrifft. Hiermit komme ich zu einem
ersten Abschluss.
Paul Hertel: Vielen Dank. Netzwerke
sind nicht nur Seilschaften aus der
Studienzeit oder Verbindungen von
Künstlern zu den Geldgebern, sondern, sehr wichtig, auch das Netzwerk
der Künstler untereinander. Das ist
der gewerkschaftliche Gedanke. Das
gibt es bei den Komponisten aber
nicht. Kurt Schwertsik hat mir einmal
gesagt: „Jeder Komponist ist natürlich der Meinung, er ist der Beste.”
Ich denke, dass der Beste mit dem
Zweitbesten durchaus eine Seilschaft
oder ein Netzwerk bilden könnte, um
gegenüber dem Subventionsgeber
aufzutreten. Das ist mein Beitrag zur
Vision. Ich möchte jetzt Wolfgang
Mitterer fragen, welche Veränderung
des Musiklebens Sie gespürt haben
seit 2000? Sie sind jemand, der viel
machen darf und machen kann, auch
international. Trotzdem müssen Sie
einen Lehrauftrag haben.
Wolfgang Mitterer: Jetzt nicht.
Paul Hertel: Welche Maßnahmen
wären aus Ihrer subjektiven Sicht
wünschenswert?
Wolfgang Mitterer: Aus meiner Sicht
ist schon alles gesagt. Es gibt zu wenige Veranstalter und Kulturinitiativen,
zu wenige Aufträge, zu wenige Jobs
für alle. Ein junger Mensch zwischen
20 und 30 hat es enorm schwer, vor
allem diese erste Hürde zu schaffen,
20.000 Euro zu erwirtschaften, um
dann von 11.000 Euro leben zu können.
Diese erste Hürde ist die schwierigste.
Ohne Unterstützung von zu Hause
geht es für die Jungen gar nicht. Die
Jungen schließen sich sehr wohl
zusammen, es gibt ja das große Feld
„New Electronics” in der zeitgenössischen Musik mit neuen Labels, da tut
sich sehr viel. Die machen die
Vernetzung.
Paul Hertel: Die Elektronikszene ist
hier ein Vorbild, weil sie sich
zusammenschließt und ein Stilfeld
innerhalb der zeitgenössischen Musik
bildet, das sich stark präsentiert.
Wolfgang Mitterer: Das Problem in
der klassischen Musik ist mit
Sicherheit, dass fünf Millionen
Musiker z.B. Bach interpretieren
können aber keine fünf Klänge in diesem Idiom improvisieren. Hier ist ein
Problem vorhanden. Nur weil ihre
Lehrer und deren Lehrer usw. die
Philosophie verbreitet haben, dass
nur diese Art der Aufführungspraktik
die richtige ist. Von Professoren hört
man andauernd Sätze wie „Improvisieren - das brauchen wir nicht” oder
„Improvisieren - das würde ich gerne
können, aber das kann ich leider
nicht”. Ich stelle folgende Utopie auf:
Würde man an allen Schulen und
Klassen verpflichtend Improvisation
unterrichten, d.h. in der Volksschule,
in der Musikschule, an Konservatorien
und an der obersten Stelle, den
Universitäten - also kein Geigenlehrer,
der nicht auch im Stile Bachs improvisieren kann, keine Solokadenz, die
nicht selbst erfunden ist, kein
Kompositionsstudent, der nicht in vielen musikalischen Stilen improvisieren
kann - entstünde eine gefestigtere
Technik der MusikerInnen, ein tieferes
Verständnis für die Musik, weniger
Berührungsängste, mehr Netzwerke,
viel mehr Gruppen und Bands. Es
würde sich sehr schnell alles ändern.
Die Leute würden miteinander improvisieren, und wir bräuchten kein
Symposion „Kreativität und Pluralismus” mehr. Hier liegt das ganze
Problem begraben, dass eben nicht
musiziert und improvisiert wird. So
wird sich nichts ändern. Man müsste
so etwas ändern, das ist natürlich
undurchführbar, Kollegen in den
Unterricht schicken etc. Es gäbe weniger frustrierte Orchestermusiker, es
ist ja bekannt, wie diese drauf sind:
Die meisten legen ihr Instrument in
der Pension zur Seite und spielen nie
wieder. Es würde keine Kunstminister
geben, die nicht mit ihrem Nachbarn
ein kleines Liedchen klopfen usw. Das
wäre eine Utopie in diese Richtung
aus meiner Sicht. Der Rest wurde
schon gesagt. Der Staat bietet
Berufsbilder in Hochschulstudiengängen an, für die es nach dem
Diplom keine Jobs gibt. Ich halte das
nicht für richtig. Entweder schaffen
wir das ab, oder wir schauen, dass
das funktioniert. Wenn ich 16 Semester
studiere, will ich nachher Jobs haben.
Wo sind wir hier?
Paul Hertel: Was sagen Sie Ihren
Studenten zu dieser Frage?
Wolfgang Mitterer: Ich habe schon
vorher gesagt: Ich könnte im Monat
zwei Interviews geben mit 20- bis
30-Jährigen, die mich unter dem
Vorwand, ein Interview für ihre
Seminararbeit in Musik, Soziologie
28
oder Kommunikationswissenschaften
führen zu wollen, anrufen, und wissen
wollen, wie geht es, wie kann ich mich
etablieren. Es gibt kein Rezept dafür.
Ich kann ihnen nur sagen, setze dich
hin für fünf Jahre, übe acht Stunden
täglich, und du wirst sehen, was
passiert. Man kann nicht wissen, wie
es geht, man muss schon etwas tun
dafür. Ich zitiere mich selbst aus meinen Aufzeichnungen, die ich für heute
vorbereitet habe: „Schulen, Theater
und Konzerthäuser als Stätten des
Wiederkauens alter Texte und
Philosophien und längst bekannter
Melodien - Inhalte einer Glaubensgemeinschaft von Vergangenheitsanbetern.” Es ist eine Glaubensgemeinschaft entstanden, die ihre
Wahrheiten massiv beansprucht.
Wir haben eine Menge Geld für diese
Häuser hier, es gibt aber kein Geld,
damit die Kompositionsklassen z.B.
zehn Konzerte im Jahr haben, die zu
den wenigen Veranstaltern hinführen.
Die Universität müsste noch ein bisschen mehr Kapital bekommen, um in
die Öffentlichkeit zu gehen und diese
Schnittpunkte herzustellen. Für die
Komponisten an der Schule wäre das
sehr wichtig. 100.000 Euro für jeden
Kompositionsprofessor für
Aufführungen.
Paul Hertel: Es ist ein Riesenproblem,
dass sich jeder Künstler auch noch
selber managen muss.
Wolfgang Mitterer: Es gibt keine politische Euphorie für Kunst, das ist ja
irgendwie logisch. Es ist gemütlicher,
im Stuhl zu sitzen als Musik zu
machen.
Paul Hertel: Ich habe das Qualitätskriterium für Musiker herausgehört,
dass sie improvisieren können sollen.
Wolfgang Mitterer: Das war immer so
bis vor hundert Jahren.
Paul Hertel: Gestern wurde zufällig
darüber diskutiert und dabei erwähnt,
dass Gustav Mahler angeblich einer
der erste Komponisten gewesen sei,
die nicht mehr improvisieren konnten.
Wolfgang Mitterer: Bartok konnte es
noch sehr gut.
Paul Hertel: Das ist eine Art
Qualitätskriterium für den Musiker
und dadurch auch für den
Komponisten.
Wolfgang Mitterer: Unbedingt. Ein
Komponist, der nicht zuerst auf einem
Instrument improvisiert, der muss
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”
gleich das Erste aufschreiben.
Paul Hertel: Haydn sagte, er improvisiere die ganze Zeit, und wenn dann
etwas seiner Kompositionstechnik
entsprechend in Richtung Harmonielehre gehe, dann schreibe er es auf.
Ich gehe jetzt direkt weiter zu Christian
Scheib, zum Qualitätskriterium habe
ich nämlich etwas Interessantes
gefunden. Herr Scheib ist Präsident
des MICA, und in dessen Vereinszweck
findet sich der Auftrag, ich zitiere:
„zur Förderung international bekannter,
in Österreich lebender KomponistInnen und die Förderung qualifizierter,
in Österreich lebender MusikerInnen.”
Es wird offenbar unterschieden zwischen Komponisten, die sowieso qualifiziert sind, und Musikern, die explizit
qualifiziert sein müssen. Gibt es
Qualitätskriterien für zeitgenössische
Musik?
Christian Scheib: Qualitätskriterien
gibt es selbstverständlich, denn man
kann sie schlicht und einfach aufstellen. Man braucht nur Kriterien dazu,
und kann dann definieren, was
Qualität ist und was nicht. Die Frage
ist also nicht, ob es so etwas gibt,
sondern, wer die Kriterien definiert.
Das ist der Punkt, wie auch immer die
Fachterminologie ist, z.B. Gate-KeepingPersons etc. Es gibt Qualität per se
nicht, es gibt nur einen definierten
Rahmen, innerhalb dessen dann
jemand entscheidet, ob Musik da
hineinfällt oder nicht. Das kann jetzt
wie bei einem MICA-Lexikon ein sehr
formalisierter Zugang sein. Es gibt
Dinge, die das Teilnehmen an einem
Musikleben beschreiben und eine
gewisse gesellschaftliche und soziale
Relevanz belegen, um in eine mit
notwendigen Kriterien versehene
Auswahl zu gelangen. Das hat überhaupt nichts mit Musikqualität zu tun.
Ich möchte das trennen. Wenn wir
jetzt über Kriterien und Qualitäten
reden, dann ist das nur eine Frage der
Absicht der definierten Kriterien, und
dann gibt es ein Ergebnis. Das ist
ganz einfach. Ich möchte bei dem
ansetzen, was Wolfgang Mitterer vorhin gesagt hat. Ich finde es wunderbar, dass es um Musik ging in diesem
Gespräch, auch im Zusammenhang
mit dem Vormittag, der mit
Distributions- und Technologiegesprächen vergangen ist. Wolfgang
Mitterers Kritik war eine an den akademischen Ausbildungsstellen neben
anderen Punkten. Es ist bezeichnend,
dass sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren neue Rollenbilder entwickelt haben und mit ihnen soziale
Mechanismen, die sich grundsätzlich
von früher unterscheiden. Es gibt
eine große Anzahl von Musikern und
Komponisten, die nicht aus dem akademischen Ausbildungsfeld kommen,
die in alltäglicher Weise improvisieren, Kooperationen eingehen. Das ist
ein neueres Komponistenbild, und das
Leben stellt sich für diese Künstler
anders dar als für die, die eher dem
althergebrachten, nur schreibenden
Komponistenbild entsprechen, wo
man zu 100 Prozent auf andere
Interpreten angewiesen ist. In gewissen
Bereichen wurde die Zusammenarbeit
zwischen Komponisten in den letzten
zehn bis fünfzehn Jahren schon ganz
anders gehandhabt als vor 25 Jahren.
Es gibt jetzt bei den jungen
Komponisten Versuche, sich gemeinsam
zu organisieren, z.B. haben sich
Studierende von Michael Jarrell vor
ein paar Jahren zu einer Gruppe formiert. Das hilft schon, denn man
organisiert Konzerte miteinander und
füreinander und wird besser wahrgenommen. Das gibt es in diesem
Bereich schon auch. Es ist klar, dass
nur ganz wenige Leute ausschließlich
von der Musik und dem Komponieren
leben können, sie sind die Ausnahme,
die die Regel bestätigen. Insofern
stimmt, was wir bereits gehört haben.
Als Szenebeobachter stelle ich fest,
dass es ein wenig paradox zugeht. Es
gibt gleichzeitig eine Vervielfachung
von Aufführungsmöglichkeiten und
tatsächlich stattfindenden Konzerten.
Damals konnte man sich noch aussuchen, wann man die Konzerte mit
experimenteller oder neuer oder zeitgenössischer Musik besuchen wollte,
und ging dann hin. Heute könnte man
in drei bis fünf Konzerte täglich
gehen, wenn man stilistisch halbwegs
offen ist. Es ist eine Vervielfachung
des Musiklebens in der Stadt und am
Land. Die Medien lasse ich einmal bei
Seite, bei denen stimmt das auch,
aber anders. Die Beobachtung dieser
Phase ist sehr widersprüchlich in sich,
weil auch regressive Elemente festzustellen sind, es mühsam ist etc.
Statistisch gesehen bleibt es z.B. bei
den sechs bis sieben Prozent Frauenanteil, obwohl viel aufgebaut wurde,
und viel wieder verloren gegangen ist.
Worauf ich hinaus möchte, ist: Der
Hauptauftrag an die Kulturpolitik ist
ein Aufrechterhalten von tragfähigen
Strukturen, innerhalb derer sich wieder diskutierbare Kriterien und
Mechanismen entwickeln. Die Netzwerke und selbstorganisierten
Gruppen sollten nicht als neoliberale
Einzelkämpfer begriffen und behandelt werden, sondern als Einheiten,
die auf einer strukturellen Ebene
unterstützt werden müssen. Das
29
Mühsame, Traurige und Niederschmetternde an der jetzigen
Situation ist, dass man diskutieren
muss, ob eine Struktur schon etwas
Böses ist. Staatssekretär Morak propagierte einerseits den Einzelkämpferkünstler, der mit dem nötigen Talent
ausgestattet überall hingelangt, und
erklärte Filmverleihe für tot, Chiffre
für alle Vermittlungsinstanzen. Eine
Stunde später sagte der Staatssekretär
andererseits, dass uns Distributionssysteme fehlten. Wie sich das gleichzeitig als kulturpolitisches Statement
vertragen soll, ist mir völlig unklar,
weil das eine die Opposition zum
anderen darstellt. Bei unserer
Bewusstseinsbildung, was man denn
fordern soll von der Kulturpolitik,
muss uns dieser Punkt sehr klar sein.
Da ist etwas zu arbeiten.
Paul Hertel: Empfinden wir es überhaupt als gewollt, dass Strukturen
und Netzwerke entstehen? Ist unsere
Subventionspolitik nicht eine, die den
Einzelkämpfer forciert?
Peter Paul Skrepek: Zunächst sagte
Staatssekretär Morak, dass es
Verteilungsstrukturen gibt, die nicht
unter unserer Kontrolle sind. Die
Filmverleiher sind z.B. hundertprozentig nicht unter der demokratischen
Kontrolle derer, die hier leben. Es
geht immer um die demokratische
Kontrolle. Der Kollege Zimper sagte,
dass er für den freien Wettbewerb
eintritt. Mir kommt das so vor wie der
kleine Fisch, der vor dem Hai
schwimmt, welcher sich schon auf
den Leckerbissen freut, und der kleine
Fisch hält die Fahne hoch: „Für den
freien Wettbewerb!” Und schon ist er
weg. So kommt mir das vor. Eine
Stunde später sagte Franz Morak,
und das ist - ohne ihn verteidigen zu
wollen - richtig: Wir brauchen unsere
eigenen Vertriebswege, jene, die
unter unserer Kontrolle sind. Weil
wenn wir nicht selbst kontrollieren,
sind wir endgültig weg vom Fenster.
Hollywood hat kein Interesse an z.B.
österreichischen Kurzfilmen, und
seien sie noch so erfolgreich. So war
das gemeint, und ich glaube, so
stimmt das auch. Wenn von Strukturen
die Rede ist, dann heißt das eigene,
selbstbestimmte Strukturen, nicht
oktroyierte. Wo dann die, die an den
Universitäten unterrichten, aus eigenem Antrieb sagen: Jetzt mache ich
eine Improvisation, weil das halte ich
für wichtig, und das propagiere ich
jetzt. Das Gegenteil ist ja leider der
Fall, wie du völlig richtig analysiert
hast - sehr treffend und humorvoll,
leider sehr wahr.
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”
Wolfgang Mitterer: Das wird so
sterben.
Peter Paul Skrepek: Das soll nicht
sterben. Die Strukturdebatte meint
nur, wir stellen uns auf die Füße und
geben uns selbstbestimmt in einem
demokratischen Prozess eine
Struktur, die uns passt. Sonst hat
niemand das Recht, das zu tun, nur
wir selbst.
Harald Huber: Ich möchte eine
Gegenthese in den Raum stellen. Ich
behaupte, dass es im Bereich der
zeitgenössischen Musik in Österreich
eigentlich sehr gut geht. Wir haben in
keinem anderen Stilbereich eine dermaßen große Dichte an Vernetzung
und Interessensvertretungen. Wir
haben die IGNM, den ÖKB, die IGZM,
die sich in vielfältigster Weise darum
bemühen, dass diese Aufführungsdichte zu Stande kommt, und die die
Drähte zu den Subventionsgebern
unterhalten. Wir haben auf der anderen Seite einen Sender wie Ö1, wo
viele Menschen beschäftigt sind, die
sich um diese österreichische zeitgenössische Musik bemühen und versuchen, einen großen Anteil heimischen
Repertoires zu erzielen. Wir haben im
Ausbildungsbereich gewisse
Aufbruchserscheinungen weg vom
Bild, dass ein Komponist seinen
strengen Satz, seine Choralsatz,
seine Orchesterinstrumentierung
nach Berlioz und die gesamte
Tradition gelernt hat und darauf
aufbauend noch Ferienkurse in
Donaueschingen besucht.
Paul Hertel: Bleiben wir bei der zeitgenössischen Musik in diesem Panel:
Es gibt teilweise Netzwerke in der
elektronischen Musik, bei den Frauen
gibt es sie wenig, denn sonst würde
sich etwas ändern. Gibt es Vernetzungen
analog des Kugelmodells nach außen,
also heraus aus dem eigenen Stilfeld
hinsichtlich des Musikbusiness?
Elisabeth Mayerhofer: Es gibt durchaus eine Offenheit und es gibt heute
breitere Kooperationen. Das vorher
erwähnte, traditionelle Komponistenbild ist aus der Sicht meiner Studien
rückläufig. Probleme bei Kooperationen
gibt es dann, wenn Institutionen ins
Spiel kommen, die auf ein traditionelleres Komponistenbild abstellen. Da
können Kooperationen zum Bumerang
werden. Es geht um Strategien, wo
sich jemand hinentwickeln will, und
welche Möglichkeiten offen stehen.
Christian Scheib: Ich sehe es anders
als dieses Stilfeldmodell, ich glaube
nämlich, dass diese Felder soziale sind
und keine stilistischen. Das überschneidet sich natürlich zum Teil.
Schon vor diesem ausdifferenzierten
Modell von Harald Huber habe ich
immer gesagt, dass es kein einziges
musikalisch definierbares Kriterium
gibt, das E- und U-Musikzuteilungen
möglich macht. Das ist völlig unmöglich. Peter Rehberg ('pita') spielt sieben Minuten lang weißes Rauschen
und glaubt, er ist Popmusiker. John
Adams macht zehn Minuten lang CDur und glaubt, er ist E-Musiker. Alle
Zuweisungen, wer in welchem Feld
unterwegs ist, sind ausschließlich
sozial: Wie organisiert man sich, wie
definiert man sich, wo kommt man
her, was für Erwartungshaltungen,
Berufsfelder, Perspektiven hat man?
Insofern tue ich mich immer ein
bisschen schwer mit Modellen, die
zwar unserer Wahrnehmung der
Wirklichkeit entsprechen, sich aber
immer noch an musikalisch gehörten
Kriterien orientieren und dort nach
Verbindungs- und Verknüpfungswegen suchen, die es natürlich gibt.
Natürlich gibt es unendlich viele
Verknüpfungen, Überschneidungen
und bewusste Partnerschaften über
das hinweg, was hier Stilfeld heißt.
Der gemeinsame Nenner für Partnerschaften kann bloße Neugier oder ein
Auftrag eines Festivalveranstalters
sein. Gründe können eigene
Motivation oder das Reagieren auf
Trends sein, aber das ist eigentlich
sekundär. Es passiert und in verschiedensten Formen mit verschiedensten
Ergebnissen welcher Qualität auch
immer. Das Spannendere ist, wie geht
welche soziale Gemeinschaft von
Musikschaffenden mit diesen neuen
Herausforderungen um, mit diesen
neuen Berufsbildern und den voneinander verschiedenen Selbstverständnissen. Die überschneiden und
vernetzen sich auch mittlerweile.
Ich glaube nicht, dass man es daran
erkennen kann, ob da mehr oder
weniger Samba dabei ist. Insofern
unterscheidet sich mein Bild, das ich
davon im Kopf habe.
Paul Hertel: Wir sind aus der Theorie
wieder in der Praxis, der Musik. Aber
es ist nicht so, wie Harald Huber
sagte, dass es der zeitgenössischen
Musik so gut geht, dass sich die
Rockmusiker anhängen.
Christian Scheib: Ich glaube schon,
dass es den E-Musik-Komponisten mit
allen sozialen Stilfeldern rundherum
mit Widerstandsstacheln in der
Musik medial besser geht als den
Rockmusikern.
30
Wolfgang Mitterer: Ja, medial, das
war es aber schon.
Christian Scheib: Nur medial.
Paul Hertel: Wie wird das subjektiv
empfunden, was Harald Huber gesagt
hat?
Wolfgang Mitterer: Die IGNM macht
ihre paar Künstler, der Komponistenbund macht seine paar Künstler, und
so ist es eben überall. Das ist aber
nicht mehr, es gibt da kein Netz. Das
sind Relikte von früher, und das steht
alles. Es sind keine Budgets da.
Musikschulen, Musikkapellen und die
Staatsoper werden gefördert, die
freie Szene wird nicht mehr vom
Staat gefördert, und das ist das
Problem. Wo kein Geld da ist, sind
keine Jobs, und ist nichts los. Das ist
nicht so schwierig zu verstehen.
Paul Hertel: Haben persönliche
Netzwerke und Kooperationen über
das Stilfeld hinaus geholfen, Musik
besser unter die Leute zu bringen und
gegenüber Medien oder Plattenfirmen
stärker aufzutreten?
Wolfgang Mitterer: Ich glaube schon,
nur in meinem Berufsfeld zählt das
fast nicht. In der zeitgenössischen
Musik zählen nur Bekanntschaften.
Dass jemand dich hört und dann
anruft, um eine Komposition zu
bekommen, das kommt nicht vor.
Wenn ich anrufe, will der sicher nichts
von mir. Man kann heute nicht sagen,
ich rufe 200 Festivals an und habe
dann 100 Jobs, das geht nicht. Das ist
das große Problem. Die Programmmacher sind mittlerweile Komponisten,
stellen ihr Programm künstlerisch
zusammen. Wenn der nicht auf die
Idee kommt, dich haben zu wollen,
dann passiert es nicht. Es ist viel
schwerer als früher. Noch in den achtziger und neunziger Jahren konnte
man bei Kulturinitiativen im ganzen
Land den einen oder anderen
Schilling verdienen. Die konnte man
anrufen, und dann kam es zu Jobs.
Das hat sich schon sehr verschoben.
Ich spreche nicht nur von Komponisten,
sondern auch von Musikern.
Christian Scheib: Der Grund, dass
Programmmacher eine innere Logik
oder künstlerische Wertigkeit ihres
Programms wollen, liegt nicht im
Anspruch Künstler sein zu wollen.
Vielmehr stehen Festivals wie z.B.
„Wien modern” aus Wahrnehmungsgründen unter Druck, müssen eine
eigene Identität auf dem Markt entwickeln. Der Titel „Festival für Neue
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”
Musik” reicht nicht mehr. Ein anderer
Mehrwert muss gefunden werden.
Diesen kann nur der Programmgestalter
kreieren: Heuer passt dies oder das
aus ganz bestimmten Gründen,
nächstes Jahr vielleicht schon wieder
nicht. Es geht nicht mehr um das
bloße Präsentieren von Musik,
sondern immer um das Erzeugen
von manchmal echten, manchmal nur
vorgetäuschten weiteren Sinnebenen
und Bedeutungseinheiten. Das ist
aber ein ökonomisches Problem.
Wolfgang Mitterer: Es gibt die
Netzwerke, sie hören genau dort auf,
wo sie sind. Für die Komponisten
spielt das keine Rolle mehr. Das ist
das Problem.
Paul Hertel: Außer sie organisieren
sich selber in einer größeren Gruppe.
Die Interessensvertretungen arbeiten
so. Ich glaube nicht, dass es kein kreativer Akt der Programmmacher ist,
natürlich besteht ein Sachzwang. In
der bildenden Kunst haben wir das
Phänomen, dass der Kurator oder
Ausstellungsmacher größer steht als
diejenigen, die ausgestellt werden. Ich
könnte mir vorstellen, dass das in der
Musik auch ein Trend werden wird. In
der Unterhaltungsmusik ist es schon
so weit, dass man nur mehr den
Interpreten und nicht mehr den
Komponisten kennt, in der E-Musik, in
der Klassik hat das Karajan begonnen,
dass am Plakat und am Tonträger
groß Karajan stand und irgendwo
klein Mozart und Beethoven.
Harald Huber: Ich empfinde die Frage
sehr interessant, wie welche soziale
Gemeinschaft mit neuen Herausforderungen umgeht. Den Vormittag
mitnehmend: Wenn herkömmliche
Distributionssysteme in die Krise
geraten, was kann an ihre Stelle treten? Mir ist es wichtig und wertvoll,
wenn jemand als Künstler eine klare
Positionierung trifft, z.B. in der
Tradition der postseriellen Musik
arbeiten möchte, neue Funktionsfelder
von Musik einbeziehend. Welche
Alternativen hat er zum Einzelkämpfertum, wenn ein Vertrag mit einer
Schallplattenfirma in weite Ferne
rückt, weil kein Interesse mehr
besteht? Wo haben wir da eine
Perspektive? Was könnten wir strukturell einem solchen Komponisten
anbieten?
Elisabeth Mayerhofer: Es gibt einerseits die informellen, persönlichen
Netzwerke und andererseits die formalisierten Netzwerke. Networking
braucht Ressourcen, Zeit und Geld.
Entweder verhungern Netzwerke oder
sie bekommen diese Ressourcen,
dann erst können sie eine gewisse
Schlagkraft entwickeln, um in weiterer
Folge für das ganze Feld etwas zu
bewirken. Sonst bleiben Netzwerke
individualisiert und für den individuellen Nutzen.
Paul Hertel: Jedes Netzwerk braucht
einen potenten Partner oder
Netzwerkteilnehmer, sonst verkommt
es zu einer Biertischlarmoyanz, wo
man sich gegenseitig anjammert, wie
schlimm alles ist. Ich bin froh, dass
die persönliche Larmoyanz draußen
geblieben ist. Als Schlussrunde möchte ich fragen, was Sie an persönlichen
Ideen und Visionen für Zusammenschlüsse in Netzwerken haben, um in
der tristen Situation überhaupt noch
etwas zu machen?
Elisabeth Mayerhofer: Es geht um
eine Stützung und Formalisierung der
vorhandenen Netzwerke, die einen
klaren kulturpolitischen Willen haben
weg von der Individualisierung. Nur
so wird es möglich sein, eine kritische
Masse auf die Waage zu bringen, um
etwas durchzubringen. Man muss
natürlich wissen, was.
Paul Hertel: Das machen Sie persönlich in Ihren Netzwerken auch so?
Elisabeth Mayerhofer: In den wissenschaftlichen Netzwerken, denen ich
angehöre, ja. Ein zweiter Knackpunkt
ist die Ausbildung. Da formiert sich
einerseits das soziale Umfeld, das
enorm wichtig ist für eine professionelle Laufbahn, und andererseits das
künstlerische Umfeld. Angesichts der
aktuellen Situation der Kunstuniversitäten bin ich relativ skeptisch, wie
es hier weitergehen wird, wie es hier
möglich sein wird, die Qualität zu
halten bzw. das Ganze innovativ aufzubrechen. Hier müssen Ressourcen
hinein in den institutionalisierten
Bereich der Ausbildung
Wolfgang Mitterer: Mehr Budgets für
Konzerte an den Schulen, das würde
schon einiges verändern. Mein persönlicher Beitrag: Ich habe gerade
zwei Jarrell-Kompositionsstudenten
das Geld für ihre Studiengebühren
geliehen. Die Realität ist nicht lustig
für die Leute zwischen 20 und 30.
Paul Hertel: Man müsste den Studenten
in der Ausbildung das Rüstwerk für
Netzwerke, Zusammenarbeit, Zusammenschlüsse und für die Vision geben.
Elisabeth Mayerhofer: Es geht nicht
31
darum, als Genius von der Musikuniversität abzugehen, sondern darum,
dass sich alles in einem sozialen Feld
abspielt. Es geht nicht um wunderbare Qualität und das anschließende
Groß- und Berühmt-Werden. Diese
Illusion gehört abgebaut, schwirrt
aber noch immer an den Musikuniversitäten umher.
Paul Hertel: Christian Scheib ist Teil
eines großen Netzwerkes. Was ist
die positive Vision, wie sich Dinge
verbessern könnten?
Christian Scheib: Anlehnungskontext,
eine Begriff den ich von Peter Tschmuck
habe, meint, dass Neue Musik dann
funktioniert, wenn sie eine Funktion
für einen bestimmten Teil der
Gesellschaft hat. Das muss nicht heißen, dass dieser Teil der Gesellschaft
täglich auf das neue Stück wartet,
muss aber heißen, dass die Musik für
eine kleine oder große Gruppe eine
Funktion hat. Das kann die nächste
Noise-Attacke im Rhiz sein, die das
Bedürfnis einer Gruppe stillt.
Wenn das RSO-Orchester das neue
Cerha-Requiem uraufführt, und der
Konzerthaussaal ist voll, dann zeigt
das, dass es einen Anlehnungskontext
für jede Art von neuen Musiken gibt,
in dem es funktioniert, was nicht
immer der Fall ist. Es geht auf jeden
Fall nur so.
Paul Hertel: Das ist das große
Spezialisieren. Wenn im Rundfunk
angerufen wird, und es gibt ein großes Bedürfnis für ein bestimmtes
Stück egal welchen Stils, dann wird
das auch befriedigt?
Christian Scheib: Dann wird es
zumindest die Aufmerksamkeit von
einigen Leuten im Rundfunk erregen,
was denn da los ist. Dann wird man
nachdenken oder nachforschen, und
dann wird es sicher irgendeine Art
von Effekt haben, ganz sicher.
Paul Hertel: Das ist schön, das möchte ich dann so dokumentiert haben.
Ich würde mich freuen, wenn das
wirklich so ist. Die Bedürfnisse des
Publikums müssen zukünftig in die
Programmgestaltung in Rundfunk und
Konzertbetrieb einfließen. Das Netzwerk muss auf das Publikum ausgedehnt werden, man muss auf das
Publikum zugehen. Aufgrund der
mangelnden Information gibt es
eine Publikumsproblematik in der
zeitgenössischen Musik.
Harald Huber: Eine Frage an
Christian Scheib als MICA-
Panel: Stilfeld „Klassik/zeitgenössische Musik”
Präsidenten: Was könnten alternative
Distributionsmöglichkeiten sein?
Kann man es so formulieren, dass wir
heute in einer Zeit leben, wo es einen
Konkurrenzkampf gibt, wer die durchschlagskräftigste Internetplattform
macht? Ist es die Politik des MICA,
sich in diesem Konkurrenzkampf für
heimische Musik zu positionieren?
Christian Scheib: Alles, was man tut,
ist ein Konkurrenzkampf, ob man will
oder nicht. Das MICA hat eine dienende (Service, Information, Promotion),
nicht kommerzielle Funktion und steht
mit seinem legalen Downloadservice
nicht in Konkurrenz zu den Angeboten
der Plattenfirmen, die Geld verdienen
wollen.
Paul Hertel: Das MICA könnte die
Lücke, die die Internetplattformen
beim österreichischen Repertoire
offen lassen, schließen!?
Christian Scheib: Das ist auch die
Idee dabei, über alle Stilgrenzen
hinweg. Das wird bereits vorgestellt.
Paul Hertel: Hier kann jeder Österreicher hineinladen, was er bereits
digitalisiert hat. Das klingt doch gut.
Ich bedanke mich, und wünsche Ihnen
noch einen schönen Nachmittag.
Jetzt um 14.30 Uhr folgt das Konzert
mit Elfi Aichinger.
Performance: Elfi Aichinger Trio
32
33
PANEL: STILFELD „JAZZ/
IMPROVISIERTE MUSIK”
Harald Huber: Herzlich willkommen
zum zweiten Panel des heutigen
Nachmittags, der sich mit Jazz und
improvisierter Musik in Österreich
beschäftigt. Wir haben kompetente
und initiative Persönlichkeiten aus
dem Veranstalter- und Kreativbereich
auf dem Podium. Ich darf Christoph
Huber vom Porgy & Bess begrüßen,
Fritz Thom, Organisator des Jazz Fest
Wien und Ines Reiger, Sängerin,
Komponistin, Pädagogin. Wolfgang
Puschnig, der sich für die heutige
Veranstaltung entschuldigen lässt, hat
für unser heutiges Gespräch einen
Beitrag übermittelt, nämlich eine
Analyse von Wulf Müller, Universal
Music London, dass es dem Jazz in
der Zeit vom Jahr 2000 bis zur
Gegenwart im Tonträgerbereich verhältnismäßig besser ergangen ist als
anderen Musikrichtungen. Jazz wäre
demnach ein Nischensegment, das
sich behauptet und in den
Tonträgerverkäufen nicht rückläufig
ist. Wulf Müller schreibt: „2001 in
einem Weltmusikmarkt, der um 10%
niedriger war als im Jahr davor, hatte
der Jazz innerhalb der Universal
Company einen Zuwachs von 10% in
den USA. Auch andere Labels wie
ECM oder ENJA hatten Zuwächse.
Im Jahr 2002 verzeichnete der
Jazz innerhalb unserer Firma einen
Zuwachs von 20% außerhalb der
USA. Auch andere Labels hatten
Zuwächse, jedoch geringere. Wir
verzeichneten unsere Verbesserung
durch gute Katalogarbeit und
Zuwächse beim europäischen Jazz.
2003 war ein kleiner Rückgang, der
mit der Veröffentlichungsverschiebung
der Diana Krall-Produktion ins Jahr
2004 begründet werden kann.
Ansonsten waren die Umsätze stabil
im Vergleich zum Vorjahr. Für 2004
ist der Ausblick positiv, wir erwarten
weitere Zuwächse. Weltweit hält die
Sparte Jazz ca. 3% (Schätzung) des
gesamten Musikmarktes. Genaue
Zahlen, wie groß der Jazzmarkt wirklich ist, gibt es nicht, da Jazz-Sales in
den meisten Märkten nicht gesondert
ausgewiesen werden.” Bitte um Ihre
vorbereiteten Statements und um
Stellungnahmen zu diesem Beitrag
von Wulf Müller.
Christoph Huber: Allgemein würde
ich sagen, dass es dem Jazz gut geht,
es keinen Grund zum Jammern gibt.
Jazz ist eine Musikform, die eine
spannende gesellschaftliche Akzeptanz
hat. Man kann mit dieser Begrifflichkeit ja mittlerweile Autos, Parfüms
und Unterhosen verkaufen. Das deutet auf eine breite Akzeptanz, was
den Imagefaktor betrifft. Ob diese 3%
von Wulf Müller stimmen, kann man
nicht sagen. Oft wurde auch der Wert
1% kommuniziert, Japan etwas höher.
Bezogen auf das Porgy & Bess
sprechen wir offensichtlich ein recht
großes Publikum an, wobei die Frage
ist, was denn alles unter Jazz firmiert.
Das ist eine Definitionsfrage, die wir
im Porgy & Bess sehr pluralistisch
beantworten, weil wir Jazz mehr als
Haltung denn als Stilform empfinden.
Wir dringen auch in Randbereiche wie
elektronische Musik, zeitgenössische
Musik und Weltmusik vor.
Kulturpolitisch schlägt sich die
Wertigkeit und Bedeutung des Jazz eine der großen Neuerungen im 20.
Jahrhundert - eher nicht nieder. Man
darf durchaus polemisch anmerken,
dass 90% des Kulturbudgets von
Haus aus fix vergeben sind, und sich
um den verbliebenen Anteil 90% der
Szene streiten. Da bleibt nicht viel
über. Was man diskutieren muss,
ist, in welcher Form man eine
Deklarierung der Kulturpolitik
einfordern kann, das ist etwas ganz
Wesentliches. Prozentsätze und
Zahlen interessieren mich normalerweise nicht, einen Wert wüsste ich
aber sehr gerne: „Mit wie viel öffentlichem Geld in unterschiedlichen
Institutionen wird eine Karte
gestützt?” Hier könnte man sehen,
dass es zu - meiner Meinung nach eklatanten Ungerechtigkeiten kommt.
Das Verteilungssystem stimmt nicht,
was wiederum am Fehlen eines
richtigen Konzeptes liegt.
Harald Huber: Das Porgy & Bess kann
als Beispiel gelten, wie öffentliche
Gelder gut angelegt werden und die
Veranstalterszene sehr bereichern
können. Das Porgy & Bess ist ein
Fixfaktor, wenn ich daran denke, wo
unsere Studierenden den Mittwoch
Abend verbringen. Kann man von
einer Erfolgsgeschichte sprechen,
die der österreichische Jazz in den
letzten Jahren zu verzeichnen hat?
Christoph Huber: Es hat sich einiges
bewegt und für die heimische Szene
verändert. Zu diesem Thema wäre es
besser, mit Vertretern der Szene zu
sprechen. MusikerInnen behaupten,
dass unser Club zu den besten in
Europa zählt, auch bezüglich der
Programmierung erhalten wir
Akzeptanz. Das ist nicht von heute
auf morgen gewachsen. Das Porgy &
Bess gibt es nun seit zehn Jahren. Es
hat lange gebraucht, bis es überhaupt
einmal wahrgenommen wurde. Zu
Beginn der Konzerte war nur eine
Hand voll Menschen im Publikum.
Den heutigen Status haben wir durch
kontinuierliches Arbeiten und durch
die Förderungen der öffentlichen
Hand erreichen können. Die Subventionsunterstützung würden wir uns
aber höher wünschen. Wir bekommen
9% unseres Gesamtbudgets vom
Bund und 9% von der Stadt Wien.
Wir müssen also 82% unseres
Budgets selber lukrieren (Eintrittsgelder, Sponsoren, externe Saalvermietungen). In den letzten zehn
Jahren wurde der kulturpolitische
Grundsatz verlassen, dass sich der
Staat um die Freiheit der Kunst zu
kümmern habe. Es geht daher jetzt
um die Frage, wie man sich das kulturpolitisch vorstellt. Es geht weiters um
die Schaffung von entsprechenden
Rahmenbedingungen, wenn sich nun
die Wirtschaft um die Freiheit der
Kunst kümmern soll, d.h. Adaptierungen im Sponsoringgesetz, wie wir
sie im Sportbereich haben, der bei
uns immer früher dran ist als die
Kultur, die seit den letzten 25 Jahren
nur diskutiert. Wenn die öffentliche
Hand aus der kulturpolitischen
Verantwortung genommen werden
soll, dann müssen entsprechende
Grundbedingungen geschaffen werden. Die steuerliche Absetzbarkeit
von Kultursponsoringgeldern ist
Finanzminister Grasser sicher nicht
recht. Darum kann sich Staatssekretär
Morak in dieser Frage auch nicht
durchsetzen. Insgesamt muss ein
Bewusstsein für Kultursposoring in
der Wirtschaft geschaffen werden.
Die Gefahr einer Vereinnahmung
bleibt natürlich immer bestehen.
Harald Huber: Ich bitte Fritz Thom
um sein einleitendes Statement.
Fritz Thom: Was Du, Christoph,
nicht so deutlich sagen wolltest bzw.
durftest: Das Porgy & Bess ist eine
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”
hervorragende Institution, ein Beispiel
für bestens angelegtes Geld und eine
Bereicherung des kulturellen Lebens
in Wien. Wichtig ist festzuhalten, dass
so ein Erfolg immer von Einzelpersonen
abhängt. Nicht nur das Programm,
sondern auch die Finanzierung des
Porgy & Bess sind eine Meisterleistung.
Ich habe vor 30 Jahren begonnen,
meine ersten Jazzkonzerte zu
veranstalten. 1976 war mein erstes
Jazzfestival in Wiesen, ich habe das
Format des Jazzfestivals nach
Österreich gebracht. Ich möchte
aus dieser Sicht eine Perspektive
eröffnen. Bis 1979 war keine mediale
Aufmerksamkeit gegeben, zu Beginn
nur Hardcore Fans in Wiesen. Ich habe
dann drei Jahre in Velden ein Jazzfestival veranstaltet. Mit dem dortigen
mondänen Flair wurde es auch für die
Medien und das Publikum interessant.
Wir mussten Schluss machen, weil das
Besucherinteresse zu groß geworden
ist. Von 1981, wieder in Wiesen und
umgetauft in „Jazzfest Wiesen”, ging
es bergauf. Ich habe auch verschiedene
andere Formate probiert, z.B. zwei
Jahre lang in Hollabrunn mit mehreren Bühnen auf einem kleinen
Messegelände. 1991 habe ich dann das
Jazz Fest Wien gestartet. Ich hatte
mir davor überlegt, mit besonderen
Schauplätzen dem Publikum einen
Mehrwert zu bieten. Bis dahin fand
ich, dass Publikum-Sein aufgrund der
schwierigen Verhältnisse bei den
Festivals (Eintrittspreis, Hitze,
Parkplatz, Anstellen) der härteste Job
war. Ich habe daher im Musikverein
begonnen, Jazzkonzerte zu veranstalten. Begonnen habe ich immer mit
Keith Jarrett, der in beiden Welten
Akzeptanz und Publikum hatte. 1991
spielte er dann erstmalig in der
Staatsoper, was ich über ein Jahr lang
vorbereitet hatte. In ganz Österreich
hat sich ab meinem Beginn 1976 eine
Festivalszene entwickelt. Mit den
Kollegen in Saalfelden war ich stets in
Kontakt, z.B. mit Peter Tschulnigg,
dem Festivalgünder (1978) in Saalfelden. Ihn habe ich bookingmäßig mit
z.B. Cecil Taylor und Leroy Jenkins
unterstützt. Wir haben eine breite
Palette von Jazzfestivals in Österreich: Nickelsdorf, Wiesen, Villach,
Saalfelden u.a. Ich habe in meiner
Programmierung immer eine breite
Angebotspalette verfolgt, musste mir
daher auch immer Kritik („Das ist ja
kein Jazz!”) anhören. Mit dem heutigen Status bin ich sehr zufrieden.
Das beispielgebende und federführende
Moers Festival unter Burkhard Henning
war einmal Avantgarde, hat aber auch
gemeinsam mit vielen Musikern einen
Schwenk in tanzbarere und stärker
rhythmusbezogene Gefilde vollzogen.
„Laufjazz” hieß das Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre.
Das Format der Jazzfestivals gibt es
seit 50 Jahren, das New Port Jazz
Festival feiert heuer sein 50-jähriges
Bestehen, früh gab es auch schon das
Monterey Jazz Festival in Kalifornien.
International hat sich mit den Festivals
ein Moloch im positivsten Sinne entwickelt. Eine Untersuchung zeigt, dass
es in Westeuropa um die 1.500 Jazzfestivals gibt, in Osteuropa rund 300.
Wir haben es mit einem maßgeblichen
Faktor im ganzen Kulturleben zu tun.
Internationales Networking ist für
mich wichtig. Bereits seit 1982 pflege
ich internationale Partnerschaften
und Informationsaustausch. Ende der
achtziger Jahre mündete das in die
Gründung der European Jazz Festival
Organisation (EJFO) und der International Jazz Festival Organisation
(IJFO), deren Vorsitz ich inne habe,
um uns international zu verknüpfen
und unseren Platz zu finden, auch
was den Jazz im riesigen Apparat der
weltweiten Tonträgerindustrie betrifft.
Abschließend möchte ich betonen,
dass ich mich freue, dass der Jazz
aus der engen Mainstreamschublade
befreit wurde und sich mit verwandten Genres verbindet. Jazz ist ein
Laboratorium für die Popmusik wie
schon Joachim-Ernst Behrendt gesagt
hat. Die neuen Strömungen, die jene
zweistelligen Zuwächse im
Jazztonträgerverkauf ausmachen
(Jamie Cullum, Peter Cincotti, Matt
Dusk, Stacy Kent, usw.) sind aus meiner Sicht mehr als nur ein psychologisches Moment.
Harald Huber: Wo bleiben die
österreichischen Musiker bei den
heimischen Jazzfestivals, wo gibt es
Nachwuchsförderung?
Fritz Thom: Unser Österreicheranteil
beim Jazz Fest Wien - und das ist
international beispielgebend - liegt
bei 22-25%. Heuer 2004 liegen wir
bei 56%, was durch einen großen
heimischen Gospelchor bedingt ist,
der so schätzungsweise 20% ausmacht. Wir wollten nie ein Ghetto für
heimische Musiker schaffen, sondern
präsentieren sie z.B. in Doppelkonzerten mit internationalen Kollegen.
Zusätzlich haben wir, weil wir fast
ausschließlich Männer im Programm
hatten, das Gewinnerensemble des
von der IAJE (International
Association for Jazz Education)
initiierten Wettbewerbs „Sisters in
Jazz” zwei Jahre lang im Rahmen des
Jazzfests und bei Aktionen (Konzerte,
Panels, Diskussionen im öffentlichen
34
Raum) mit unserem Sponsor
„Amadeus” präsentiert. Weiters
veranstalten wir seit fünf bis sechs
Jahren ein für das Publikum kostenloses Open Air Konzert bei der
Fernwärme, um Musik im öffentlichen
Raum zu präsentieren, das sind dann
nicht reine Jazzkonzerte. Wir wollen
damit neues Publikum mit dem Jazz
Fest Wien in Kontakt bringen. Für den
Sponsor Fernwärme ist es ein B2BProjekt. Seit drei Jahren verlangen
wir zwei Euro Eintritt, und speisen mit
dem Geld einen Fonds, der mit dem
MICA als Partner einen Wettbewerb
für österreichische Newcomer ausrichtet. Das Martin Reiter Trio konnte
als Gewinner dadurch in weiterer
Folge auf neun bis zehn internationalen
Festivals unserer Partnerorganisationen der IJFO auftreten. Heuer
gewann die Gruppe „Kelomat” den
Wettbewerb. Heuer machen wir mit
dem MICA zwei Abende im Reigen,
wo vier heimische Newcomerbands
präsentieren werden, und wir diese
dann in unser internationales
Netzwerk hineinbringen werden. Wir
probieren auf jeden Fall, möglichst
viele in das Festival integrierte
Plattformen bereit zu stellen. Diesen
Weg werden wir weiter gehen.
Harald Huber: Der Live-Sektor hat
über keinen Rückgang zu klagen im
Gegensatz zu Problemen im
Tonträgerbereich. Was könnten
Maßnahmen und Förderrichtlinien im
Stilfeld „Jazz, improvisierte Musik”
sein, die wir an die Kulturpolitik herantragen. Wie nimmt sich die
Situation aus der Sicht einer österreichischen Jazzmusikerin aus?
Ines Reiger: Ich spreche jetzt nicht
nur für mich, sondern auch für die ca.
500 MusikerInnen, die ich jährlich
betreue in der Ausbildung und bei
Workshops. MusikerInnen mittleren
Alters fallen in der Ausbildungs- bzw.
Förderungsstruktur oft durch den
Rost, weil in einer Zeit des Jugendwahns die Vorgabe des Jung-Seins
auch in unserem Genre nicht halt
macht. Die ersten Schritte für junge
MusikerInnen sind zumeist LiveAuftritte in Konzertcafes, wie es sie in
Wien gibt. Wenn der Freundeskreis
nicht aktiviert bzw. in weiterer Folge
kein neues Publikum erreicht werden
kann, dann sind diese Lokale leer, und
die jungen Künstler könnten genauso
gut zu Hause auftreten. Das mediale
Interesse einschließlich ORF ist
gering. Daneben haben wir eine
unglaublich große Fülle an Ausbildungsstätten und -möglichkeiten wie
Universitäten, Konservatorien,
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”
Musikschulen, Seminare und Workshops.
Man kann ausgehend von dieser
Tatsache hochrechnen, wie viele
talentierte MusikerInnen es gibt. Die
Spitze ist breiter geworden und das
gute Mittelfeld enorm angewachsen.
Zum Teil gibt es sehr innovative
Leute, die viel auszusagen haben. Was
macht also ein Musiker? Er kann als
Mehrfachinstrumentalist (Saxophone,
Flöte, Klarinette) ein Dasein bei den
Vereinigten Bühnen fristen und sich in
die Warteschleife bei angesehenen
Jazzclubs begeben wie z.B. dem
Porgy & Bess. Es ist ein mühsamer
Weg. Man müsste in der Ausbildung
vermehrt auf Kulturmanagement und
Vermarktung hinweisen, denn ohne
Vermarktung geht gar nichts mehr.
Das Publikum unterscheidet z.B. zwischen Jazz und Jazz nicht, sondern
das Publikum geht zu den Künstlern
hin, die in den Medien gut beschrieben
sind. Ich habe am Samstag
„Musikantenstadl” gesehen und die
Begeisterung des Publikums, auch mit
Karl Moik und Freddy Quinn im Bild zu
sein. Ich glaube, man könnte dort
alles präsentieren, solange es im
Rahmen des Stadls stattfindet.
Die Sendung ist jedenfalls eine der
wenigen verbliebenen Podien, wo
man Musik - zwar nicht live - präsentieren kann. Sonst fällt mit nicht viel
ein im ORF, außer zu Zeiten, wo keiner mehr wach ist, das drückt dann
natürlich die Quote und die Sendung
fällt aus dem Programm. Im Radio
gibt es natürlich Ö1. Dann sind da die
großen Festivals und zwischen diesen
und den kleinen Möglichkeiten eine
riesige Kluft. Die breite Masse der
Künstler weiß nicht, wie sie in eine
internationale Vernetzung hineinkommen, wie sie sich vermarkten können,
bzw. haben sie die Zeit dafür nicht,
und sind oft für Nachwuchsförderungen zu alt. Von diesen MusikerInnen gibt es sehr viele. Ich mache
jedes Jahr ca. 40 Workshops nur für
SängerInnen, daneben gibt es noch
die Instrumentalisten - ich weiß nicht,
wo sie alle hin sollen. Als Lehrer bin
ich froh, genug Arbeit zu haben. Als
Musiker ist man froh, konzertant in
einem kleinen Club spielen zu dürfen.
Da geht es dann nicht ums Geld,
sondern ums Image. Der Nachteil, als
heimischer Künstler nicht so viel wert
zu sein wie ausländische, ist vorhanden, gilt aber wahrscheinlich auch für
die Schweiz oder Deutschland. Daher
fahre ich als Künstlerin sehr viel ins
Ausland, denn dort bin ich ein Exot.
Das gilt umgekehrt für ausländische
MusikerInnen, die in Österreich auftreten. Das ist bereits ein anderes
Level, ich möchte auch gar nicht
jammern. Was kann man für diejenigen tun, die nicht die Möglichkeit
haben, im Porgy & Bess aufzutreten?
Bei Axel Melhardt haben viele
Gruppen schon aus stilistischen
Gründen keine Chance aufzutreten.
Ich habe unlängst in Eigeninitiative
meinen privaten Jazzclub gegründet,
mein heiß erspartes Geld in einen
kleinen Raum mit Bühne investiert.
Junge MusikerInnen müssen sich
über eine längere Zeit entwickeln
können, bei mir können sie auftreten
und erhalten die Möglichkeit zu
spielen. Das ist mein Beitrag an die
Jungen und Alten, die sich berufen
fühlen. Mein Wunsch wäre ein
Sponsorgesetz, durch das sich Private
es leisten könnten, jemanden zu
fördern - wenn schon nicht aus
Idealismus, dann aus Gründen steuerlicher Absetzbarkeit. In der Regel
finanzieren sich MusikerInnen eine
CD-Produktion selber. Das Produkt
fungiert als Status Quo der künstlerischen Entwicklung. Mit dieser
Visitkarte geht man dann hausieren.
Im Porgy & Bess habe ich es nicht
geschafft, einen Auftritt zu bekommen. Wie soll das dann meinen
Schülern gelingen? Herr Krassnitzer
hat mir auf eine Bewerbung geantwortet: „Warum soll ich Sie nehmen,
es gibt so viele in Österreich.” Das
kann frustrierend sein. Das soll man
als Lehrer den Schülern aber nicht
weitergeben. Der Anspruch an den
Lehrer besteht aber auch in der
Verpflichtung, konzertant tätig zu
sein. Wo bleibt die große Masse der
jungen und bereits etablierten
Musiker?
Harald Huber: Wir haben im Bereich
Jazz also viel in die Ausbildung investiert, Nachwuchsförderung betrieben. An jedem Landeskonservatorium
und in vielen Musikschulen gibt es
Jazzabteilungen, in Ostösterreich
noch besser als in Westösterreich.
Die vorhandenen Veranstalter und
Labelbetreiber können den Bedarf
dieser ausgebildeten MusikerInnen
aber nicht decken. Falls der Staat aus
seiner Pflicht entlassen werden soll,
welche Rahmenbedingungen müssen
dann für Veranstalter und
Labelbetreiber geschaffen werden?
Wie müssten die Eckpunkte für ein
dieser neuen Situation entsprechendes Sponsoringgesetz aussehen?
Christoph Huber: Es geht nicht
darum, den Staat aus seiner
Verantwortung zu entlassen, denn
diese Verantwortung besteht und
muss bestehen bleiben. In der Zeit
sinkender Budgets, die das Arbeiten
35
fast nicht mehr ermöglichen, muss
ein Alternativkonzept von der
Kulturpolitik präsentiert werden.
Bisher war nur zu hören, dass sich der
Kulturbereich Sponsoren suchen soll.
Das ist langweilig, denn das diskutieren wir seit fünf Jahren, gleichzeitig
bewegt sich nichts. Der Kulturbereich
findet heraus, wie extrem schwierig
es ist, Sponsoren zu finden und diese
auch zufrieden zu stellen, denn der
Sponsor ist nicht einfach ein Gönner,
sondern möchte etwas haben für seinen finanziellen Beitrag. Hätten wir
eine Kooperation mit einem Major
Label, dann will diese Firma, dass ihre
Künstler bei uns auftreten. Das führt
schnell zu einem Interessenskonflikt.
Für mich ist Sponsoring daher überhaupt kein Allheilmittel. Wenn aber
schon darüber diskutiert wird, dann
müssen wenigstens die Voraussetzungen geschaffen werden, dass
Sponsoring überhaupt möglich wird.
Momentan haben wir die absurde
Situation, dass man aufgefordert
wird, Sponsorships einzugehen, aber
niemand sagen kann, ob dieses
Engagement dann auch steuerlich
absetzbar ist. Es fehlt eine klare
Aussage der Kulturpolitik. Diese
muss eingefordert werden. Es muss
kommuniziert und Druck ausgeübt
werden. Die gemeinsame Stimme
fehlt, denn es gibt zwar unglaublich
viele Strukturen (IG Jazz, Austrian
Music Office, IG Kultur, MICA,
Arbeitsgemeinschaften und
Interessensverbände), die verzetteln
sich aber in ihren Einzelinteressen.
Wer koordiniert das? Mein Vorschlag
ist seit Jahren das MICA, denn das
hat Strukturen, wird aber finanziell
leider auch beschnitten. Dann muss
für breite Interessen, die sowohl
Musiker, Veranstalter, Festivalveranstalter, Lehrer, Schüler berücksichtigen, mit Hilfe eines Forderungskataloges Lobbying gemacht werden.
Ines Reiger: Das finde ich sehr gut.
Es muss eine Aufwertung des österreichischen Musikers erfolgen. Das
Ergebnis darf nicht darin bestehen,
dass plötzlich ausländische Musiker
statt der heimischen engagiert werden.
Christoph Huber: Das geht nicht nur
mit Geld, sondern hier ist auch die
Kreativität der Musiker gefordert,
auch beim Porgy & Bess. Dass es
schwierig ist, ein Konzert bei uns zu
bekommen, weiß ich. Doch es gibt
auch viel Freiräume, die interessanterweise besonders die Elektroniker
ausnützen. Wir fördern heimische
Talente, aber ich kann es nicht in der
notwendigen breiten Art und Weise
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”
bewerkstelligen. Ich fordere die Szene
auf, sich Dinge zu überlegen und
Ideen zu haben. Wenn sich schon die
15 wesentlichen Clubveranstalter in
Österreich nicht koordinieren, dann
können aber die Kreativen Packages
aus Gruppen anbieten, denn alleine
kommt eine junge Band aus ihrer
Heimatstadt nicht mehr hinaus, weil
sie als junge Band nur mehr dort
spielen kann, wo sie sich auch um das
Publikum kümmern kann. Das wäre
ein Projekt, für das man auch um
Förderungen ansuchen kann.
Die Koordination könnte über eine
Hochschule oder das MICA laufen.
Damit ließe sich auch ein Bewusstsein
verändern. Könnte man das über fünf
bis sechs Jahre durchziehen, gäbe es
eine neue Form von Aufmerksamkeit
gerade an den Plätzen, wo es gemeinhin wirklich schwierig ist. Ich weiß, wie
kompliziert es ist, einen Clubbetrieb
z.B. in Saalfelden aufzuziehen, wo es
schon in Wien schwierig genug ist. Es
muss jemanden geben, der sich dafür
verantwortlich fühlt und das koordiniert.
Harald Huber: Ich übernehme gerne
diese Idee der Künstlerpackages, weil
sie sich auch stark an die Ausbildungsinstitutionen richtet, ihre Talente an
die Veranstalter heranzutragen.
Es bestehen keine Kooperationen zwischen den Ausbildungsinstitutionen,
außer über informelle und persönliche
Kontakte und Überschneidungen. Ich
möchte hiermit die Publikumsdiskussion eröffnen.
Birgit Huebener: Im Sport schaffen
es auch nur die wenigsten Talente
ganz nach oben, d.h. in die österreichischen A-Kader. Koordination und
Kommunikation in Richtung Veranstalter müssen tatsächlich verbessert
werden.
Peter Paul Skrepek: Die Binsenweisheit lautet: Ohne Breite keine Spitze.
Bezüglich der steuerlichen Absetzbarkeit von Kunst war die Musikergilde
bereits beim Staatssekretär. Er meinte, von ihm aus gerne, aber wir sollen
uns das dann bitte mit den anderen
ausmachen. Die weitere Argumentation:
Steuerliche Absetzbarkeit von Kunst
ziehe Budgetbelastungen nach sich,
weil die Wirtschaft weniger Steuern
bezahlt. Er sieht diese potentielle
Neuerung völlig gleich einer Kulturdirektförderung, die ohnehin stattfindet. Wir leben in einer Zeit der künstlich
verknappten Geldmenge, wir sollen
uns unser Anliegen mit dem Rest
Österreichs ausmachen. Wie der Rest
Österreichs reagiert, sehen wir bei
der Forderung der Kabarettveranstalter
nach öffentlichen Subventionen, weil
sie nicht mehr wirtschaften können.
Der Gedanke ist daher richtig, die
politische Forderung wurde bereits
erhoben, die Antwort offensichtlich
nicht zur Kenntnis genommen.
Christoph Huber: Wir wissen das, und
hier liegt die Absurdität der Vorgangsweise. Einerseits wird verlangt, privatwirtschaftliche Subventionen zu
lukrieren, die steuerliche Absetzbarkeit
wird aber nicht ermöglicht. Das hat
System. Morak ist unser Ansprechpartner, statt ihm kann man genau so
gut den Finanzminister oder den
Bundeskanzler einsetzen.
Elfi Aichinger: Die Musik ist nicht mit
dem Sport vergleichbar. In der Kunst
kann man nicht z.B. mit einem Längenmaß messen, man kann Kunst nicht
werten. Ein Hochleistungskader in der
Musik ist nicht möglich. Die Frage
bleibt, wie ich als MusikerIn die Kluft
zum Veranstalter überwinden kann.
Fritz Thom: Das, was im Bereich
Sponsoring immer in Aussicht gestellt
wird, ist in Wirklichkeit gar keine
Perspektive, weil der österreichische
Markt so klein ist. Erschwerend
kommt hinzu, dass nicht nur uns in
der Musikszene gesagt wird, auf
Sponsorensuche zu gehen, sondern
auch den Bundestheatern, Museen
und allen Kulturinstitutionen. Ich
kenne seit Jahren die Leute, die im
Jazz internationale Sponsortöpfe
betreuen, z.B. JVC. Österreich ist ein
uninteressanter Markt, hier steckt
niemand etwas hinein. Maßgebliche
Sponsorships in Österreich waren
immer gleichsam zweite Subventionsebenen, traditionellerweise Bank
Austria, Wiener Städtische usw. Man
kann in unserem geografischen Raum
und kleinen Markt einem substanzvollen Großsponsor gar nicht die
gewünschten Gegenleistungen bieten,
es wäre fast schon Mäzenatentum.
Die öffentliche Hand kann daher
keinesfalls aus der Pflicht entlassen
werden. Wer zahlt, schafft an. Da ist
es besser die öffentliche Hand, die ein
breiteres Interesse an Kunst, Kultur
und ihren Rahmenbedingungen hat.
Harald Huber: Ein Kulturbudget von
0,78 % ist nicht hinzunehmen.
Stephan Maass: Es ist partiell auch
ein Imageproblem, das im deutschsprachigen Raum herrscht, d.h. das
Image eines Österreichers oder
Deutschen ist nicht mit dem Begriff
„Wirtschaftsfaktor” verknüpft. Da ist
es nicht wesentlich, ob wir vom Staat
36
oder von der Wirtschaft gefördert
werden. Wenn man es durchsetzen
kann, dass Musik als Wirtschaftsfaktor
begriffen wird, dann werden MusikerInnen nicht mehr belächelt. Ein
Geldgeber investiert dann, wenn er
riechen kann, dass etwas zurückkommen wird. Die Staaten in Nordeuropa
gehen mit dem Businessfaktor
vollkommen anders um als wir.
Zu Beginn müssen wir - wie bereits
gesagt - das Image verbessern.
Elfi Aichinger: Das Porgy & Bess hat
die jungen MusikerInnen massiv
gefördert, u.a. durch die von mir
kuratierte Reihe „The Spot is on”. Das
sollten Plattenfirmen und Veranstalter
auch tun. Nicht bei allen Veranstaltern
wird auf Österreichisches so Wert
gelegt wie im Porgy & Bess, z.B.
Frankreich und Schweden haben
viel für ihre heimische Szene getan.
Harald Huber: Die österreichischen
Labelbetreiber berichten ganz andere
Dinge als die internationale Universal
Jazz Division mit ihren zweistelligen
Umsätzen, nämlich dass sie mit vielen
Schwierigkeiten konfrontiert sind und
keine Zuwächse verzeichnen können.
Welche Fördermaßnahmen und
Rahmenbedingungen brauchen die
Labelbetreiber und Musiker? Bisher
gibt es auch kein Jazz-Spartenradio in
Österreich.
Christoph Huber: Wie die Frequenzen
ausgeschrieben wurden, haben wir
eingereicht, jedoch keine Frequenz
bekommen. Eine Begründung
bekamen wir nicht. Aus technischen
Gründen wurden nur zehn Frequenzen
vergeben, unser Konzept wurde nicht
berücksichtigt.
Harald Huber: Harald Quendler, was
braucht ein Label wie die „Extraplatte”,
um zukünftig überleben zu können?
Harald Quendler: Radio ist ein relativ
billiges und sehr gutes Medium. Es
wäre schön, wenn sich das Musikland
Österreich an Griechenland ein
Beispiel nehmen würde. Dort gibt es
470 Spartenradios, wo man vom
Musikantenstadl auf griechisch bis
Contemporary, von Rebetiko bis Jazz
alles hören kann, wenn man will.
Bei uns kann man das nur in einem
Sender, und der hat leider nur 24
Stunden tägliche Sendezeit. In diesen
Sender wird hineingepackt, was nur
geht, weil Ö3 und andere Sender
diese Musik ablehnen. Ich finde es als
Schande für dieses Land, dass es nur
ein Ö1 gibt. Das Problem ist, dass sich
Ö1-Leute, wenn ich das sage, immer
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”
angegriffen fühlen. Sie müssten
eigentlich verstehen, dass das kein
Angriff auf Personen ist, sondern auf
die Situation. Die Leute sind dieser
Situation ausgeliefert. Wenn jemand
in diesem Bereich arbeiten will, bleibt
ihm nur Ö1. Das ist keine gute
Situation. Was ich als Label sagen
kann: Die Produktion ist heute nicht
das Problem, sondern die Distribution.
Der Vertrieb ist deshalb ein Problem,
weil sich die Rahmenbedingungen in
den letzten Jahren sehr gravierend
geändert haben. Im Bereich des
Tonträgerhandels gibt es für Verkäufer
keine Ausbildung. Die Früchte dieser
Tatsache ernten wir heute. Es gibt
keine gute Beratung mehr. Ich gehöre
mit meiner Firma drei Gremien an,
das sind der Elektrogroßhandel, der
Elektrokleinhandel und Buch- und
Medienwirtschaft, weil ich auch ein
kleiner Verleger bin. Ein Gremialtreffen
von Elektrogroß- und Elektroeinzelhandel ist für einen Menschen wie
mich ein völliger Wahnsinn. Aus unserer Branche geht auch keiner hin, weil
es kaum mehr Leute gibt. Satellitenschüsseln, braune und weiße Ware
interessieren mich nicht so sehr.
Es gibt noch einen Nebeneffekt. Der
Buchhandel hat ein gutes Lobbying.
Er kann durchsetzen, dass ein breites
Angebot nur zu halten ist, wenn er in
einer mehr oder weniger geschützten
Werkstätte ist. In einem Land ohne
Buchpreisbindung wie in England
bekommt man die Top-Seller der
Buchhitparaden beinahe geschenkt,
für speziellere Bücher zahlt man sehr,
sehr viel, wenn man sie überhaupt
bekommt. Hier spielt auch die
Mehrwertsteuer hinein: Buch ist
Kulturgut, daher 10%, Tonträger ist
nicht Kulturgut, daher 20%. Das ist
widersinnig, da müssen wir nicht
diskutieren. Aber kein Finanzminister
der Welt lässt sich diese Steuer nehmen. Der Tonträgerhandel steht aus
diesen Gründen dort, wo er heute ist.
Noch dazu kommt, dass die Elektroketten den Tonträger jahrelang dazu
benützt haben, um mit Dumpingpreisen den Kunden ins Geschäft zu
locken und ihm eine billige CD und
einen teuren Fernseher zu verkaufen.
Heute ist die CD nicht mehr so
interessant, weil man sich die Musik
herunterladen kann. Daher wurden
die Sortimente von den großen
Märkten wie Media/Saturn radikal
hinunter gefahren, es gibt überhaupt
keine Auswahl mehr. Der Tonträger ist
kein relevantes Produkt mehr. Der
Tonträgerfachhandel ist eigentlich
nicht mehr vorhanden. Wesentlich für
uns als Label und Vertrieb war auch
der EU-Beitritt Österreichs. Wir haben
unsere Exklusivität verloren. Vor dem
Beitritt haben wir CDs nach Österreich
gebracht, die man sonst hier nicht
hätte kaufen können. Leider verlieren
wir jetzt auch teilweise nach Jahrzehnten der Zusammenarbeit immer
wieder Labels, weil Österreich von
Deutschland aus beliefert wird, damit
fällt der Österreichvertrieb weg.
Abschlagszahlungen können wir nicht
verlangen. Was Förderungen betrifft,
so sind jene für Tonträger nicht ideal
wie beim Bundeskanzleramt, da muss
es nämlich über den Umweg einer
Verbreitungsförderung passieren, weil
Tonträger dezidiert nach dem Gesetz
nicht gefördert werden dürfen. Bei
der Stadt Wien habe ich mit Tonträgerförderungen keine Erfahrungen. Bei
den Tonträgerförderungen des SKEFonds passiert viel, nur bin ich der
Meinung, die Förderung ist nicht vernünftig, denn sie fördert Pressewerke
und Lithografieanstalten. Die
Komponisten sitzen dann zu Hause
mit tausenden CDs, aber niemand
kennt diese. Der Umkehrschluss
würde bedeuten, ich möchte Geld.
Davor habe ich mich ziemlich lange
gesträubt, auch deshalb weil ich aus
dem Import- und Exportgeschäft
vernünftig verdienen konnte. Was in
letzter Zeit in z.B. den USA, Thailand
oder Japan zu Grunde ging, ist dem
Großteil der Verbraucher hier im
Lande verborgen geblieben. Es würde
Sinn machen, die Distribution zu fördern, weil der Vertrieb ein wesentlich
größeres Problem darstellt als die
Produktion. Ich möchte noch anfügen,
dass Ö1 für mich und meine KollegInnen
die einzige sinnvolle, national streuende elektronische Plattform darstellt
und gleichzeitig unser
größter Konkurrent ist, der seine
Marktmacht nicht nur uns gegenüber,
sondern auch den Urhebern und
Interpreten gegenüber entsprechend
ausübt - eine Vorgangsweise, die
sicher nicht dem EU-Recht entspricht.
Wenn ich klagen würde, und gewinnen
würde, was ich sicher bin, was käme
für mich heraus? Also da gibt es keine
schriftlichen, sondern mündliche
Weisungen, wie viele Extraplatten
gespielt werden dürfen. Ich bin
gezwungen, meinem größten
Konkurrenten Promotion-CDs zu
bringen, damit er sie vielleicht spielt,
weil ich das brauche, denn wo erreiche ich 350.000 Leute auf einen
Schlag, wie es Ö1 in einer guten Zeit
erreicht. Ö1 kann sich zurücklehnen
und kann sich überlegen, wird der
Künstler langsam für uns interessant?
Harald Huber: Es ist keinesfalls der
Staat aus seiner Verantwortung zu
37
entlassen. Ganz im Gegenteil: Man
muss das zynische Argument, sich
eben Sponsoren zu suchen, wahrnehmen, aber auf diese Weise kommen
wir nicht weiter. Die direkte Kooperation
zwischen den Ausbildungsinstitutionen,
den Veranstaltern und Labelbetreibern
soll sich intensivieren. Die Idee, die
Musikschulwettbewerbe für Jazz und
Popularmusik zu öffnen, muss weiter
verfolgt werden. Um die Frage der
dafür notwendigen Qualitätskritierien
jetzt zu behandeln, ist die Zeit schon
zu weit fortgeschritten.
Franz Hautzinger: Ich glaube nicht,
dass sich so viel ändern würde, wenn
wir genügend Geld und die Förderung
im Radio hätten. Die Situation wäre
komplett anders, wenn der Musiker
entscheiden könnte, was mit seiner
Musik passiert nach dem Motto:
„Diesen Ton verkaufe ich nicht
jedem.” Dieses Argument möchte ich
festgehalten wissen. Natürlich bin ich
der Meinung, dass der Staat nicht aus
seiner Verantwortung zur Förderung
entlassen werden soll.
Harald Quendler: Dieser Ansatz gilt
nicht für alle Musiker. Ich kann z.B. die
Herausgabe von Katalogen aus eigener Kraft nicht mehr schaffen. Ich
könnte einen vierfärbigen Katalog in
sieben Sprachen gut gebrauchen.
Buchverlage, ob sie gute oder schlechte
Bücher herstellen, können mit der
Verlagsförderung wunderbare
Kataloge drucken, von denen wir nur
träumen können.
Ines Reiger: Es geht nur darum, dass
ein Musiker, das, was er mitzuteilen
hat, auch mitteilen darf bei Konzerten
usw. Ob jemand nun den Ton seines
Lebens spielen oder Geld verdienen
will, hat dabei zunächst keine
Bedeutung.
Peter Paul Skrepek: Die Internetseite
www.musikergilde.at bietet eine
Vernetzung mit 52.000 österreichischen Veranstaltern, von denen sicher
auch einige Hundert für Jazz ein offenes Ohr haben. Wer sich hier einträgt,
kann gefunden werden und zu bezahlten Auftritten kommen. Bezüglich der
von Harald Quendler erwähnten
Klage: Wir haben beim Verfassungsgerichtshof geklagt - und das wirft
auch ein bezeichnendes Licht auf
unsere schöne demokratische
Republik - es war eine anlassbezogene Klage wegen der Absetzung der
Sendung „Kunststücke”. In Wirklichkeit
haben wir geklagt auf das Recht und
die Verpflichtung des österreichischen Rundfunks, zeitgenössisches
Panel: Stilfeld „Jazz/improvisierte Musik”
Musikschaffen, Kunstschaffen generell, aufzuführen, denn das gehört zu
seinen Pflichten, das steht so im
Rundfunkgesetz. Diese Klage wurde
abgewiesen. Der österreichische
Verfassungsgerichtshof hat nicht
zurecht erkannt, dass es dieses Recht
gibt in Österreich. Also was soll man
noch mehr machen an politischer
Tätigkeit, als das höchste Gericht in
diesem Land anzurufen und zu sagen:
„Erkläre mir die Gesetze.” Das Gesetz
heißt, der österreichische Rundfunk
ist verpflichtet. Der Verfassungsgerichtshof hat ihn von dieser Pflicht
entbunden. Das ist die Realität.
Es war eine teure Klage, sie hat fast
100.000 Schilling gekostet, damit wir
das jetzt schwarz auf weiß haben.
Harald Huber: Diejenigen Künstler,
die ihre ganzes Herzblut in einzelne
Trompetentöne einfließen lassen, die
werden natürlich auch immer Energie
aufbringen, um sich - unter welchen
Rahmenbedingungen auch immer einen Platz zu verschaffen. Aber nicht
allen gelingt das. Einer, dem es gelungen ist, ist Franz Hautzinger. Ihm wollen
wir jetzt zuhören. Ich danke allen für
die Diskussion und bitte alle hinüber
in den Fanny Mendelssohn Saal.
Performance: FranzHautzinger
Gomberg für Vierteltontrompete
solo
38
39
PANEL: STILFELD „DANCE/
HIPHOP/ELEKTRONIK”
Michael Huber: Ich begrüße die
Ausdauernden, die uns im letzten
Panel des Tages noch begleiten. DJ
Electric Indigo hat eine Verpflichtung
in Frankreich und kann daher diesen
Panel nicht moderieren, was sie selbst
am meisten bedauert. Ich werde
versuchen, sie gut zu vertreten. Zu
meiner Linken sitzt Martin Schlager,
besser bekannt als Skero von Österreichs bester HipHop-Gruppe „Texta”.
Zu meiner Rechten Mia Zabelka,
Musikerin, Kuratorin, MultimediaArtistin. Ganz rechts Alexander
Hirschenhauser, Clubbetreiber und
Vertrieb „Soul Seduction”, Betreiber
des Tonträger- und Bekleidungsgeschäfts
Black Market. Unser Themenbereich
lautet „Dance, HipHop, Elektronik”.
Es ist ein Kunstgriff, dies alles
zusammenzufassen, macht aber Sinn.
Zur Illustration habe ich eine schematische Darstellung dessen an die
Wand geworfen, was ich bei
Feldforschungen im Jahr 2000 in
Wien herausgefunden habe. Es gibt
einige, von einander abgrenzbare
Subgenres. Diese zeichnen sich durch
den Aufbau ganz bestimmter
Strukturen mit z.B. Shops und ganz
eigenen Events aus. Top-Stars und
Marken sind ebenfalls entstanden,
die weltweit ein Begriff sind und für
MusikerInnen und Gruppen stehen,
die elektronische Musik in Wien
machen. Die angeführten Beispiele
sind exemplarischer Natur, willkürlich
gewählt und können durch andere
ersetzt werden. Also: HipHop wird
nicht nur von DJ DSL gemacht und
nicht nur im Shop Bounce verkauft
usw. Meine Frage an die Experten in
einer ersten Runde: Was hat sich aus
Eurer Sicht seit 2000 in Eurem speziellen Bereich entwickelt, wie seht Ihr
die Entwicklungen, wie schätzt Ihr die
Situation heute ein? Bitte stets um
Beachtung dreier Punkte:
1 Was ist gut, womit seid Ihr
zufrieden?
2 Was ist schlecht, was könnte man
verbessern?
3 Was fehlt, was müsste man neu
installieren oder fördern?
Mia Zabelka: Ganz liebe Grüße von
DJ Electric Indigo, wir haben ja miteinander auch das Projekt
„Colophony Circuit” mit E-Geige und
elektronischer Musik. Die Vernetzung
der Musiker untereinander sehe ich
positiv, das funktioniert auch genreübergreifend sehr gut. DJs und
Elektronikmusiker vernetzen sich mit
Instrumentalmusikern und umgekehrt.
Diese Entwicklung ist verstärkt zu
bemerken, siehe auch die LiveSessions im Porgy & Bess. Ich habe
bereits in den achtziger Jahren
elektronische Musik gemacht, Kruder
& Dorfmeister gab es damals noch
gar nicht. In den neunziger Jahren
war der Hype der elektronischen
Musik sehr stark, da hat sie mich persönlich weniger interessiert, jetzt ist
das aber schon wieder im Schwinden.
Da müsste irgendetwas passieren von
der Szene selbst mit neuen Tendenzen.
Warum gibt es keine neuen Strömungen?
Mir fehlt eine Institution oder Einrichtung, die nach dem Hype für Nachhaltigkeit zuständig ist und elektronische Musik präsentiert. Wir haben
kein richtiges Festival für elektronische Musik im Moment.
Martin Schlager: Danke für die
Einladung in Vertretung meiner Band,
wir sind fünf Leute. Verändert haben
sich die technischen Möglichkeiten.
Die Leute machen heute schon sehr
professionell ihre Beats und
Alexander Hirschenhauser: Ich freue
mich über die Einladung. Bitte nehmt
eine vielleicht teilweise extreme
Ausdrucksweise meinerseits nicht als
Kränkung wahr. Sollte mir das
passieren, entschuldige ich mich im
Instrumentals. Mit einem guten
Computer und einem guten
Mikrophon kann man zu Hause für
sich alles aufnehmen. Dadurch sind
sehr viele neue Gruppen entstanden,
und viele Leute produzieren Musik.
Auf der anderen Seite haben wir
Labels, die nicht sehr risikobereit
sind, und sich nicht auf Acts einlassen, die möglicherweise nur eine kleine Auflage verkaufen. Wir haben uns
auch eine zeitlang mit Majors
beschäftigt und haben damit keine
guten Erfahrungen gemacht. Wir
haben unser eigenes Studio in Linz,
wo wir auch befreundete Acts kostenlos aufnehmen lassen, weil diese über
keine finanziellen Ressourcen verfügen. In Wien ist es vielleicht ein
Manko, dass man nur schwierig die
Möglichkeit des Aufnehmens für fast
kein Geld bekommt. Die meisten
Bands haben eben kein Geld.
Vornehinein. Ich bin gerne hier dabei,
aber über die Einteilung „Dance,
HipHop, Elektronic” bin ich nicht ganz
glücklich, sie spiegelt jedoch das
Dilemma wieder, in dem wir ganz
automatisch sind. Viele werden mir
zustimmen, dass das Genre-Einteilen
ein ganz großes Problem ist. Die meisten Künstler, die ich kenne, lehnen
es ja ab, sich kategorisieren zu lassen.
Trotzdem kommen wir um das
Hineinstecken in Schubladen nicht
herum, weil es enorm wichtig für die
Vermarktung, die Präsenz in Vertriebskanälen, Medien und der ganzen
Wertschöpfungskette bis hin zum
Publikum ist. Insofern stört mich
diese Liste an der Wand, seit ich sie
vor ein paar Jahren das erste Mal
gesehen habe. Sie ist ein Exzess an
Kästchendenken. Jeder, der sich in
so einem Kasten findet, wird meinen,
dass er viel mehr ist als nur HipHop,
Downbeat usw. Das ist vielleicht auch
eines der größten Probleme, welches
dieser Teil des Musikschaffens in den
letzten Jahren erfahren hat. Um
etwas aussagen zu können, kann ich
nicht nur bis ins Jahr 2000 zurückgehen, sondern muss zehn Jahre zurükkschauen bzw. noch besser bis in die
sechziger Jahre zurückblicken. Da
gab es Selbstläufer, eine selbstverständliche Identität aus sich heraus.
Daher war es in den sechziger und
siebziger Jahren nicht wichtig, wie
stark Musik vermarktet wurde. Der
Künstler produzierte Musik aus seinem Lebensgefühl heraus mit viel
Revolution, Protest und Drogen dabei.
Solche Elemente machen Marketing
unnötig. Dem Musikliebhaber muss
man nicht viel erklären. Der sieht z.B.
ein Cannabisblatt, und weiß: Das ist
meine Musik. Oder man kennt und
liebt den Sound und die Musik von
Woodstock und ähnlichen Festivals.
Wenn man dann etwas Entsprechendes
hört, dann kauft man es. Diese Welten
gibt es nicht mehr. In unseren kulturellen Gebieten gibt es keine Angriffsflächen für Revolution, Protest und
ähnliches. Daher betreiben wir
Marketing und sind in einem Markt
gelandet, weil hier nicht mehr
Künstler sind, die ihre ureigenste
Musik schaffen, und ihnen nicht mehr
Rezipienten gegenüber stehen, die
diese Musik als Verstärkung ihres
Lebensgefühls nützen. Wir stehen vor
einem großen Fragezeichen. Der
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik”
Bereich „Dance, HipHop, Electronic”
existiert seit 15 bis 20 Jahren, in den
letzten fünf bis zehn Jahren hat sich
jedoch so ziemlich alles geändert. Es
ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Anfang der neunziger Jahre gab
es eine Aufbruchstimmung in der
Electronic Scene, es gab die letzte
neue Errungenschaft in den musikalischen Welten: Electronic Dance Music,
Electronic Groovy Sound, härtere,
weichere, Fusionen mit ethnischen
Elementen usw. Seither haben wir
musikalisch nichts Neues. Hier stimme
ich der Einschätzung von Mia Zabelka
vollinhaltlich zu. Das ist vom Lebensgefühl und von der Marketingseite her
ein großes Problem. Das Grundübel
ist das Fehlen von Inhalten. Hätten
wir wirkliche Inhalte, müssten wir
nicht mit großen Marketingbemühungen
irgendetwas verkaufen. Es hat sich für
die Musiker in diesen Bereichen in
den letzten fünf bis zehn Jahren
kaum etwas verbessert. Positiv ist
anzumerken, dass wir auch global eine
verbesserte Kommunikation heute
haben. Es gibt neue Möglichkeiten und
Schienen der Präsentation durch das
Internet. Es entsteht folgendes
Paradox: Weil die Kommunikation so
leicht geworden ist, haben wir eine
Überkommunikation, wir werden
erschlagen, die Inhalte kommen nicht
mehr an, weil die Produktion in den
letzten zehn Jahren noch leichter
geworden ist. Die Technik ist billiger
geworden, das technische Know-how
der Produzenten hat sich erhöht. Der
entstandene Output ist gigantisch.
Wir haben zu viel vom Viel-zu-Ähnlichen, das steht den realen kulturellen
Neuerungen im Weg. Das Resultat
sind verwirrte Märkte. Leider muss
ich immer von Markt und Marketing
sprechen. Ohne Marketing lässt sich
keine Musik verkaufen, ohne den
Musikverkauf können die Musikschaffenden nicht leben. Ich bin kein Anhänger
der Forderung, dass der Staat zur
Leistung des Lebensunterhalts von
Kreativen zu verpflichten wäre. Die
Gesellschaft hat andere Aufgaben,
als solche Garantien zu liefern. Die
Gesellschaft hat aber die Verpflichtung, verschiedenartigste kulturelle
Produktionen, Äußerungen und
Welten zu ermöglichen. Das muss sich
im strukturellen Bereich abspielen
und nicht in der gezielten Förderung
einzelner Künstler, Gruppen oder
Zellen. Die Strukturen sind fürchterlich, und daher hat sich ziemlich Alles
für Musikschaffende in den letzten
fünf bis zehn Jahren verschlechtert.
Die strukturellen Bedingungen in der
Wertschöpfungskette vom Musikschaffenden, über die Labels zum
Vertrieb, Handel und den Konsumenten sind ein Graus, denn es ist alles
formatisiert. Da ist formatisierte
Musik, z.B. bei Starmania und anderen
Starsendungen. Das sind verzweifelte
Versuche, um Formate zu entwickeln,
sodass man noch irgendwie die
Verkaufseinheiten absetzen kann.
Kulturell originäre Musik ist wegen
der Situation in Vertrieb, Medien etc.
sehr selten geworden. Wir haben es
hauptsächlich mit formatierter Musik
zu tun, das beginnt im HipHop, das
geht weiter in der Electronic und in
verschiedenen übergreifenden
Genres. Mich persönlich interessieren
Vermischungen und Neuerungen zwischen Jazz, Electronic und grooviger
Musik, da ist jedoch auch alles formatiert. Vielleicht ist das provokativ
genug gewesen, um eine Diskussion
hervorzurufen.
Michael Huber: Skero, was ist das
Geheimnis Eures - wie ich meine ansehnlichen Erfolges im deutschsprachigen Raum? Wie seid Ihr mit
den Schwierigkeiten umgegangen, die
Alexander Hirschenhauser gerade
beschrieben hat?
Martin Schlager: Unser Plus war,
dass wir uns niemals auf derartige
Institutionen verlassen haben. In
Deutschland haben wir eine
Bookingagentur, in Österreich haben
wir keine Bookingagentur, alles läuft
persönlich über uns, wir spielen trotzdem ein- bis zweimal pro Woche. Im
HipHop ist es üblich, dass sich die
Leute untereinander vernetzen,
Erfahrungen austauschen und sich
gegenseitig helfen. Wir haben z.B.
versucht, andere Acts auf das Label
Hoanzl zu bringen mit der Empfehlung,
dass sie sehr cool wären. Christoph
Moser bei Hoanzl ist ein echter
Musikfreak und -fan, sonst sehe ich
eher wenige Leute im Business, die
auf Konzerte gehen und wirklich von
Musik begeistert sind. Die sehen eher
Strategien und Zahlen im Kopf. Bei
„Starmania” werden nur Marketingsklaven erschaffen, werden zunächst
gecastet, bekommen einen Hit, nachher werden sie bei der Iglo-Werbung
benutzt. Das hat für mich mit Musik
nicht sehr viel zu tun.
Es gibt einen Unterschied zwischen
Österreich und Deutschland. Wir
haben FM4, das ist ein Quantensprung
zu dem, was es in Deutschland an
Sendern gibt. Wenn wir in Deutschland
spielen und FM4 ins Spiel bringen,
hören wir ein großes Raunen. FM4 ist
in Deutschland sehr beliebt. In
Deutschland setzten nur sehr wenige
dem „Wir spielen die Hits”-Prinzip
40
etwas entgegen. Die Hits kommen
vorgefertigt aus Amerika, hier wird
nichts riskiert. Die Sender spielen
nichts, was nicht andere Sender
schon gespielt haben. Das ist eine
gefährliche Taktik, denn da geht ja
automatisch nichts weiter. FM4 hat
auch eigene Hits. Diesen Diskurs (Was
gefällt uns? Das kommt ins Programm.
Was gefällt uns nicht? Das spielen wir
nicht.) gibt es in Deutschland nicht.
Bei der Kunstförderung werden jene
gefördert, die die besten Beziehungen
haben, daher bin ich nicht so dafür.
Auch bringt die Förderung nicht so
viel. Ich glaube ganz im Gegenteil,
dass mehr Potential da ist, wenn man
um den Erfolg kämpfen muss. Die
Bevölkerung fragt immer gleich nach,
wo jemand das Geld herbekommen
hat. Bei Subventionen heißt es, dass
man das Geld hinten hineingeschoben
bekommen hat, siehe Hermann
Nitsch. Es entsteht schnell von Leuten
ein Hass gegen nicht kommerzielles
Kunstschaffen, weil Steuergeld
verbraucht wird.
Neu sind die Klingeltöne, und ich habe
gehört, dass bei manchen Titeln
schon mehr über den Verkauf der
Klingeltöne als den der Tonträger
verdient wird. Das ist eine eigenartige
Entwicklung. Das Internet hat viel
verändert. Nicht nur haben Labels
und Künstler durch das MP3Herunterladen Einbußen, sondern
Musikschaffende können ihre Werke
jetzt auf ihren Websites anbieten.
Einige Acts sind bereits aus dem
Internet heraus groß geworden wie in
Deutschland „Cool Savage” oder das
Label „Aggro Berlin”. Es kommen leider nur die tiefsten Gruppen aus dem
Internet heraus, weil die Leute eben
nur draufklicken, wenn der Typ „Prinz
Porno” heißt. Die Labels denken sich
dann, dass das viele Leute kaufen. Bei
der Künstlersuche im allgemeinen
schauen die meisten Labels mehr auf
die Bandfotos als auf die Inhalte, also
auf eine kommerzielle Verwertbarkeit.
Wir haben immer versucht, normal
und natürlich auf der Bühne zu sein,
keine Show zu machen, nichts einzustudieren, was wir dann jedes Mal
wiederholen müssen. Natürlichkeit
wollen die Leute sehen, ganz
besonders in Zeiten der Plastikmusik.
„Wir sind Helden” - da ist der Name
schon Programm. Die sind wirklich sie
selber. Kein Label hätte diese Bands
so zusammenstellen können. Die
Texte wird ihnen auch niemand so
schreiben können.
Alexander Hirschenhauser: Die
Veröffentlichungen, die als Konsequenz
des Erfolgs von „Wir sind Helden”
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik”
jetzt nachkommen, die sind das
Problem. Man setzt sich jetzt auf dieses neue Format drauf und produziert
genau so etwas, weil das jetzt geht.
Martin Schlager: Neue Deutsche
Welle Retro war der neue Trend für
die, die HipHop in Deutschland haben
fallen lassen.
Alexander Hirschhauser: Es gibt die
Szenen parallel, das ist die nächste
Ebene der Verwirrung, denn die ehemaligen Jugendkulturen leben real
weiter als kleine Splitterszenen. Alle
zwei Jahre kommt auch hier etwas
Neues hinzu. Diese Trends funktionieren nach Lebenszyklen mit Hype und
Abstieg. Es hat z.B. immer Punks
gegeben, nur gibt es jetzt wieder ein
bisschen mehr Öffentlichkeit und
Medieninteresse dafür.
Mia Zabelka: Ich sehe da eine gewisse Sättigung. Niemand ist heutzutage
noch aufgeregt, wenn Fennesz oder
Kruder & Dorfmeister auftreten.
Woran liegt das, und wie geht es weiter? Produzieren kann man sehr einfach, mir fehlen aber die kreativen
Ideen. Elektronische Musik ist nicht
mehr nur ein Medium oder ein Genre,
sondern ist ein Werkzeug geworden,
das man einsetzen kann. Das empfinde ich als positive Entwicklung.
Alexander Hirschenhauser: Elektronische Musik ist ein Ausdruck des
Lebensgefühls.
Mia Zabelka: Früher sprach man von
Videokunst oder Fotografie. Heute
spricht man von Kunst, und wenn das
Video ein notwendiges Medium für
den Ausdruck ist, dann wird Video
eingesetzt. Bei der elektronischen
Musik sehe ich das genauso.
Martin Schlager: Viva und MTV sind
ja heute gar keine Musiksender mehr.
Es geht um „DisMissed”, „Punk'd” und
Zeichentrickfilme. Ich verstehe nicht,
warum die Musiksender immer weniger Musikvideos spielen.
Alexander Hirschenhauser: Weil die
niemand sehen will.
Martin Schlager: Das glaube ich gar
nicht. Natürlich wenn jedes zweite
Video von Robbie Williams ist, dann
interessiert es mich auch nicht mehr.
Interessant wäre es, neue Sachen
sehen zu können. Auf GoTV kann man
öfter Sachen sehen, die man sonst nie
sehen würde - oder man sieht ein
Video nur einmal. Es muss ja nicht
immer dieser Rotation-Schwachsinn
sein, wo Britney Spears 4000 Mal
läuft. Das ist klar, dass das die Leute
dann nicht mehr interessiert. Man
weiß als Künstler gar nicht, ob das
eigene Video überhaupt die
Kommission zu Gesicht bekommt.
Alexander Hirschenhauser: Es bekommt
niemand zu Gesicht, solange du dir
nicht genügend Geld aufgehoben
hast, um dann noch Budget zu haben,
den Sender dafür zu bezahlen, dass
er dein Video spielt. Das Label muss
entsprechend Marketinggeld hineinstecken.
Martin Schlager: Dann kann ich nicht
mehr von einem freien Markt reden.
Alexander Hirschenhauser: Kannst
du auch nicht. Es ist diese paradoxe
Geschichte, dass der Bereich „Dance,
HipHop, Electronic” das große
Bedürfnis hat, sich von dem abzugrenzen, was man seit 30 Jahren Pop
nennt. Die Gründe für diese Abgrenzungstendenzen sind mir nicht im
vollen Ausmaß klar. Es hat viel mit
Selbstdefinitionen zu tun, in denen
Begriffe wie „Underground” enorm
wichtig sind. Ich persönlich bevorzuge
in diesem Zusammenhang Begriffe
wie „Off Mainstream” oder „Left
Field”. Man will in der Abgrenzung
klar stellen, dass man etwas
Credibiles zu bieten hat, das wünsche
ich mir auch, da macht die Arbeit
wieder Sinn. Gleichzeitig findet das
Liebäugeln mit dem Pop-Erfolg statt.
Beides zugleich funktioniert nicht. Ein
Künstler muss sich entscheiden, ob er
seinen Fankreis mit Glaubwürdigkeit
und Schärfe bedienen oder ganz breit
werden will. Bei allem ist die
Voraussetzung, dass der Künstler
bereit ist, sich als Markenartikel zu
verstehen.
41
Schwarze Musik mittels eines weißen
Acts verkaufen, und es hat funktioniert. Andere wie Busta Rhymes oder
Puff Daddy sind auch in den
Popmarkt gegangen, ohne allzu große
Abstriche zu machen und ohne sich
zu sehr anzubiedern. Die haben den
Musikmarkt ordentlich aufgemischt.
Alexander Hirschenhauser: Wozu
braucht man die Musiksender, Radios
und Burger King Magazine? Würde es
Dir etwas bringen, wenn Texta auf
MTV gespielt werden würde?
Martin Schlager: Natürlich, denn es
würden sich Leute für unsere Platte
interessieren oder überhaupt einmal
draufkommen, dass es unsere Gruppe
überhaupt gibt. Deswegen machen
wir auch ein Video, damit es zum
Einsatz kommt. Unsere Botschaft
möchten wir an eine breite Masse
bringen, das geht nur über Medien.
Alexander Hirschenhauser: Ich kann
mich an Zeiten ohne Musiksender und
Burger King Magazine erinnern. Es
war auch egal, ob auf ORF1 oder
ORF2 eine Musikformatsendung läuft,
denn das Wichtigste war, was innerhalb der Szene als gut, zeitgemäß und
trendig gehypet wurde.
Martin Schlager: Wie hat sich das
dann herumgesprochen?
Alexander Hirschenhauser: Es gab
eine dreistellige Zahl an Tonträgerfachhändlern mit persönlicher
Beratung in einem kleinen Land wie
Österreich.
Regina Sperlich: Worin bestehen die
inhaltlichen Probleme und die der
Distribution?
Alexander Hirschenhauser: Für Deine
Musik sollte es doch ein Schimpfwort
sein, wenn es auf MTV gespielt wird.
Mia Zabelka: Das Problem bei
elektronischer Musik ist, dass die
Software das Ergebnis bestimmt. Bis
auf wenige Ausnahmen werden somit
die Produkte austauschbar und beliebig. Hier liegt auch ein Grund für eine
zurückgegangene Nachfrage. Eine
persönliche Handschrift im E-Musikbereich hat Christian Fennesz, weil er
nicht nur Elektroniker, sondern auch
Instrumentalist (Gitarre) ist. Vor Jahren
waren die Laptop-Konzerte in, heute
nicht mehr, weil der Trend wieder
mehr zu den Live-MusikerInnen geht.
Martin Schlager: Nein, überhaupt
nicht, wieso? Eine Weiterentwicklung
des HipHop besteht darin, dass der
Poperfolg nicht mehr ein großes
Thema ist. Vanilla Ice wurde z.B. nach
dem Elvis Presley Prinzip aufgebaut:
Alexander Hirschenhauser: Der
Laptop ist ein Instrument, um die
eigene Musik dem Publikum zu
präsentieren. Man sollte Laptops in
Gitarrenform haben. In der
Distributionsproblematik geht es
Martin Schlager: Wenn Henry Rollins
plötzlich groß im Radio gespielt
würde, dann wäre er Pop und könnte
gar nichts dagegen machen, oder?
Ich mag das Schubladendenken auch
nicht, jedoch bin ich mit meiner Lade
durchaus zufrieden. Ich stehe dazu,
Rap zu machen und HipHop Kultur zu
schaffen.
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik”
Künstlern in Jazz, HipHop, Electronic,
Dance etc. gleich. Aus dem letzten
Jahr sind mir europaweit allein 15
Firmenkonkurse im Bereich Vertrieb
bekannt. Weitere werden folgen.
Der EFA Vertrieb hat möglicherweise
durch die Nichtbeachtung seiner jahrelangen Grundsätze sein Aus selbst
provoziert. Die Strukturen werden von
den potenteren Marktteilnehmern wie
den Handelsketten geschaffen. Diese
sind keine Händler, sondern Immobilienmakler, die sich von Labels und
Vertrieben ihre Regale befüllen lassen.
Es geht dann um eine Drehung, einen
Umsatz pro Quadratmeter. Wenn der
Umsatz nicht stimmt, wird der Laufmeter Regalfläche z.B. für EFA
reduziert. Der Künstler muss also im
heutigen Medienoverkill dem Publikum
selbst seine Musik erklären bzw.
näher bringen, weil der Handel das
nicht mehr tut.
Michael Huber: Es krankt offensichtlich an der Vermittlung durch die
Medien!? Die Irrationalität auf dem
Weg vom Produzenten zum
Konsumenten nimmt zu!
Alexander Hirschenhauser: Die
Entscheidung des Gefallens oder
Nicht-Gefallens von Musik muss
irrational, hoch emotional sein. Der
Fehler war die Verrationalisierung dieses Prozesses. Das äußert sich dann
in den Schienen und Schubladen wie
Lifestyle-Produkt, Dance-Produkt,
Electronic-Produkt, UndergroundProdukt. Wenn ich in Amerika eine
Produktion unterbringen will, die
Elemente aus all diesen Bereichen
hat, bekomme ich keine Chance. Man
muss sich entscheiden. Im selben
Regal findet sich dann aber trotzdem
Electronic Neo Punk neben härtestem
Industrial Drum&Bass sowie knarzender Hard Techno und experimentelle,
feinfühlige Elektronik.
Martin Schlager: Die Konsumenten
grenzen nicht so hart ab. Die Kids
hören Musik und stellen fest, ob sie
ihnen gefällt oder nicht, egal ob der
Künstler einen Irokesenschnitt oder
ein Sakko trägt oder nicht. Die
Gruppenzugehörigkeit gibt es nicht
mehr so.
Alexander Hirschenhauser: Du musst
dem Empfänger einmal klar machen,
dass es dich gibt, die Wahrnehmungsgrenze überschreiten. Die Werbewirtschaft kann sagen, wie oft es eingehämmert werden muss: „Es gibt
Texta” bis es auch in den Gehirnen ist.
Mario Weitzl: Ein großes Problem ist
der Radio-Research. Titel, egal ob alt
oder neu, werden bei Hörern getestet.
Je nach Abschneiden werden sie in
das Programm eines Rundfunksenders
aufgenommen. Der „falsche” Titel für
den Hörer ist der nicht so bekannte.
Früher wurde von Musikredakteuren
das Programm von Hand gemacht,
Platten wurden durchgesehen etc.
Heute geht alles mit dem Computer.
Dem Redakteur werden von gewissen
Zentralen Musiktitel vorgeschrieben.
Mit diesen kann er sein Programm
machen.
Martin Schlager: Haben Labels dabei
überhaupt irgendeinen Einfluss?
Mario Weitzl: Die Plattenfirmen
haben es schwer, weil sich bei
bestimmter Musik und auch beim
heimischen Repertoire der Rundfunk
einfach weigert. Die Musikindustrie
kann ohne Radios nicht sehr gut
leben, weil sie die Verbreitung
braucht. Die Radios brauchen auch
Künstler und Musikindustrie, es gibt
aber kein Miteinander. Früher, in den
siebziger und achtziger Jahren, war
Pop eine eigene Musikrichtung, heute
ist Pop ein Sammelbegriff für populäre Musik wie HipHop, R&B, Rock etc.
Alexander Hirschenhauser: Wir haben
einen Hypertrend der Individualisierung, eine gleichsam religiöse
Verehrung des Individuums in den
industriellen Gesellschaften. Aus dieser Überlegung heraus ist der Begriff
Pop unweigerlich im Schrumpfen
begriffen. Das wird noch extremer
werden und sich beschleunigen.
Es wird immer weniger Künstler und
Songs geben, auf die sich wirklich
viele Menschen einigen können. Ich
sehe keine Generation mit Wir-Gefühl
heranwachsen, die in der Masse aufgehen wollen, sondern Individuen, die
ganz spezielle Dinge wollen, ja nicht
das, was viele, viele andere auch
mögen. Gesellschaftlicher Mainstream
ist geworden, dass das, was vielen
anderen gefällt, nicht mehr interessant ist.
Michael Huber: Ich glaube, das verschränkt sich. Einerseits gibt es das
Bedürfnis nach Identifikation und ein
Nicht-Alleine-Sein-Wollen mit dem
eigenen Geschmack (Musik verkauft
ein Lebensgefühl), zweitens wollen
viele nicht Teil der riesigen Masse
sein. Diese Gratwanderung ist auch
ein Problem der elektronischen Musik.
Alexander Hirschenhauser:
„Paradox” ist der wichtigste Begriff
für die Zeit, in der wir leben.
42
Martin Schlager: Musik wird unbedeutender, weil der Output so groß
ist, der Fun-Faktor ist das Wichtigste
geworden. Leute definieren sich nicht
mehr so über Gruppen, die sie in
ihrem Walkman hören. Die Menschen
hören unterschiedlichste Musikrichtungen zugleich, u.a. aufgrund der
leichten Downloadbarkeit von Musik.
Harald Huber: Ich habe registriert,
dass Kulturförderung der öffentlichen
Hand im vielfältigen Genre „Dance,
HipHop, Elektronik” nicht gewünscht
wird. Kreativität entsteht bei der
Reibung von Dingen, die sich sonst
vielleicht nicht so nahe sind, siehe
dazu das diesem Symposion zugrundliegende Stilfelderkonzept. An der
Musikuniversität beobachte ich im
studentischen Bereich momentan ein
großes Interesse am Crossover von
Drum&Bass und Jazz. Die amerikanische HipHop Szene zeigt deutlich, wie
man mit Medien, Stichwort Fernsehen,
und Breitenwirkung, Stichwort
Distributionskanäle, umgehen kann,
um die eigenen Anliegen zu transportieren. Dass auch eine österreichische
HipHop Band in diese Richtung denkt,
ist für mich nicht verwunderlich.
Alexander Hirschenhauser schafft es
ohne Förderung, das Problem der
Distribution für sich und seine
Künstler zu lösen und diese am
Weltmarkt zu platzieren. Er ist so
beschäftigt, dass wir keinen Termin
auf der MIDEM 2004 machen konnten.
Alexander Hirschenhauser: Ich
danke Dir für die Rosen. Die Tage auf
den Musikmessen sind immer immens
zugepflastert mit Terminen, deswegen
habe ich ein Treffen in Wien vorgeschlagen. Meine Hyperaktivität
bedeutet aber nicht gleichzeitig viel
Schinken am Brot. Die letzten Jahre
sind in der ganzen Musikszene von
einer Hyperaktivität geprägt. Um
nicht einmal dasselbe wie früher zu
erwirtschaften, ist ein mindestens
doppelt so großer Energie-Input
notwendig. Wir haben ein gewisses
Export- und Vertriebsnetzwerk aufgebaut, das aber auch schon einmal
stärker war. Vor allem in den letzten
zwei Jahren brechen in den verschiedenen Ländern Strukturen weg, die
man eigentlich bräuchte.
Wolfgang Mitter: Kruder &
Dorfmeister sind das Cordoba der
Musikszene. Die österreichische
Elektronik ist von der NichtKooperation der einzelnen Akteure
geprägt. Das Selbstbewusstsein ist
unterentwickelt. In der Neuen Musik
sind wir eigentlich ein Kuhdorf, die
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik”
bekannteste Musik Österreichs
stammt noch immer aus den Zeiten
eines großen Reiches, aus der KuK
Monarchie. Der Rückgang wurde
neben der allgemeinen Krise der
Tonträgerindustrie auch durch das
Aufkommen des deutschen Schlagers,
der NNDW und des Rock'n'Roll verursacht. In Wien fangen jetzt die Leute
an, miteinander zu reden, während
die ganze Szene knapp vor dem
Konkurs steht.
Alexander Hirschenhauser: Kuhdorf
ist Österreich nicht. Das ist der
Kleinheitsreflex, ein bisschen
Selbstvertrauen täte schon gut. Der
internationale Stellenwert der heimischen Elektronik- und Danceszene ist
der Größe des Landes entsprechend.
Die Zeit des internationalen Hypes
vor fünf bis sieben Jahren ist vorbei.
Wir sind deshalb nicht auf Null zurückgefallen. Es haben alle, die heute
Electronic machen, sowohl die älteren
als auch die jüngeren KünstlerInnen,
eine bisschen offenere Türe.
Wolfgang Mitter: Das mit dem der
Größe des Landes angemessenen
Stellenwert glaube ich nicht. Von den
Ö3 Austria Top 40ty sind 25 Titel aus
den USA oder U.K., dann zehn deutsche Titel, dann gibt es noch fünf
Titel, die österreichische Volksmusik
betreffen. Das sind die Verkaufscharts.
Es kann doch naturgesetzlich nicht so
sein, dass wir monatlich einen gehypeten Act aus USA oder U.K. bekommen,
während unsere Künstler aus dem
Land nicht hinaus kommen. Da
schnellen Bands plötzlich von null auf
tausend Besucher, weil es im Interesse
bestimmter Firmen liegt, eine Gruppe
durchzusetzen wie z.B. The Darkness,
Franz Ferdinand u.v.a. Das geschieht
durch eine konzentrierte Zusammenarbeit und Geldmittel, die hineingesteckt werden. Wir in Österreich
arbeiten jahrelang daran, dass wir mit
wirklichen Ausnahmekünstlern die
400er Grenze im Ausland erreichen
wie mit Louie Austen oder den Sofa
Sufers. Wir arbeiten absolut unprofessionell insofern, als wir nur minimal
Zeit in diese Acts investieren können.
Wir bräuchten Stückzahlen in den
Plattenverkäufen, die ein Investment
in einen Act ermöglichen. Mit öffentlichen Förderungen könnte man die
interessantesten KünstlerInnen des
Landes aussuchen und sie im Team
über drei bis vier Monate intensiv
betreuen, d.h. ein Umfeld schaffen
und ein professionelles Konzept der
Vermittlung entwerfen, wie es für
internationale Acts zumeist
selbstverständlich ist.
Alexander Hirschenhauser: Du hast
vollkommen recht. Diese Wurst wird
sehr fett sein und sehr nahe hängen
müssen, damit es die Kollegen in Wien
schaffen, ihre diversen Schatten zu
überspringen.
Wolfgang Mitter: Da sind wir wieder
am Anfang der Diskussion. Es geht
um gewisse Einstellungen in Österreich, z.B. was Du, Martin, gesagt hast
zum Thema Booking und Agentur. Ihr
könnt nicht stolz darauf sein, das
Booking selber zu machen, denn eine
professionell arbeitende Bookingagentur, die von den Inhalten und
Zielen mit Euch übereinstimmt, wäre
für Euch von Vorteil.
Martin Schlager: Wir haben bisher
keine gefunden.
Wolfgang Mitter: Viele Künstler sind
der Meinung, dass sich qualitätvolle
Musik von selber durchsetzt.
Das ist meiner Meinung nach ein
weit verbreiteter Irrtum. Die meisten
Kreativen sind in Labelzusammenhängen plus möglicherweise
Grafikdepartment organisiert und
bauen sich weltweite Mininetzwerke
auf. Damit meine ich, dass diese zwar
oft eine weite Ausdehnung haben,
aber auch sehr weitmaschig gestrickt
sind. Cheap Records verschicken 20
Exemplare einer Produktion nach
Montreal, 20 nach Australien usw.,
das ist sehr arbeitsintensiv. Die einzelnen Labels glauben jedes für sich den
Stein der Weisen auf der musikalischen
Ebene gefunden zu haben, agieren
dabei völlig autark. Autarkie schwappt
aber leicht über in Eigenbrötlerei und
Einzelkämpfertum. Das ist die Strategie
der letzten Mohikaner. Nach diesem
Prinzip arbeiten die meisten Künstler
und Labels.
Alexander Hirschenhauser: Nicht
nur in Österreich muss man fairerweise dazu sagen. Kooperieren mit
der vermeintlichen Konkurrenz ist
wichtig, nicht nur am Abend nach
dem gemeinsamen Biertrinken, sondern auch im Tagesgeschäft. Nach
dem musikalischen Cordoba war die
heimische Szene leider nur damit
beschäftigt, sich abzugrenzen im
Sinne: „Die sind jetzt Kommerz, ich
will ganz anders sein.” Man sollte auf
die Vielfalt verweisen und sagen: „Wir
sind aus Wien, wir gehören zusammen, doch machen wir alle etwas
Anderes.” Das kann man sehr positiv
kommunizieren.
Wolfgang Mitter: G-Stone hat keine
neuen Künstler auf Tourneen gefeatured
43
oder mitgenommen und hat die
Releases nach Kruder & Dorfmeister,
außer die Soloprojekte der beiden,
auch nicht untergebracht und promotet. Die Releases sind untergegangen,
weil es nicht diese Zusammenarbeit
gegeben hat.
Martin Schlager: Kruder & Dorfmeister
sind der österreichischen Musikindustrie nicht zu Dank verpflichtet, denn
sie haben von Anfang an unabhängig
gearbeitet, und es besser gemacht als
jedes andere Label es hätte tun können. Ich glaube gar nicht, dass es so
viele tolle Booker in Österreich oder
Deutschland gibt. Insofern ist das
Selber-Booken nicht unbedingt unprofessionell. Wir haben uns von der
Zusammenarbeit mit Chris Kemmer,
der sowohl die FM4-Feste bookt als
auch eigene Künstler vertritt, viel
erwartet, doch es kam auch anders.
Heute spielen wir viel mehr als die
Bands, die bei ihm unter Vertrag sind.
Wolfgang Mitter: Das Sozialprestige
von Berufen wie Booker, Manager etc.
ist in Wien so etwas von am Boden,
und wird von Künstlern so wenig
geschätzt, dass sich das niemand
antut. Von Künstlerseite gibt es eine
sehr große Feindseligkeit gegen jede
Tätigkeit, die möglicherweise ihre
Musik groß machen könnte und nicht
direkt mit ihnen in Verbindung steht.
Es ist eine Angst der Künstler da,
dass etwas von ihrer Kreativität
weggenommen wird.
Mia Zabelka: Man muss möglichst
effizient arbeiten, gerade wenn man
internationale Tourneen macht, das
weiß ich aus eigener Erfahrung. Sich
auf jemanden zu verlassen, der dann
alles doch nicht macht, ist ineffizient.
Für mich war es der einfachere Weg,
meine internationalen Kontakte selber
zu knüpfen, und dann meine Konzerte
zu machen. Das ist bei Susanne (DJ
Electric Indigo, Anm. d. Red.) genauso.
Wolfgang Mitter: Bei einer anderen
Dienstleistung wie z.B. der eines
Frisörs würdest Du nicht auf die Idee
kommen, sie selber zu machen. Als
Künstler muss man Talent haben und
Beschäftigung mit der Materie investieren, wenn man buchen will.
Booking ist eine sehr spezialisierte
Arbeit. Nach Österreich Bands hineinzubuchen, das ist kein Problem. Aber
den Export zu machen, dazu braucht
man ziemlich viel Know-how.
Peter Paul Skrepek: Die von Alexander
Hirschenhauser angesprochene
Individualisierung bezweifle ich ein
Panel: Stilfeld „Dance/HipHop/Elektronik”
wenig. Eine formatiertere Gesellschaft
als unsere heutige technische hat es
wahrscheinlich noch nie gegeben. Wir
machen uns etwas vor, wenn wir uns
für unabhängig erklären. Die niedergehenden Plattenkonzerne werden
alle Register ziehen, um das Kunstschaffen unter Kontrolle zu bekommen
und auch den Vertrieb, indem sie z.B.
Kopien für illegal erklären, die bisher
unumstrittener Weise legal gemacht
werden. Das ist ein langes Thema.
Alexander Hirschenhauser: Hier ist
die Individualisierung und dort die
Kommunikationswissenschaft, die
immer wieder neue Wege findet, sich
doch noch ins Unterbewusstsein bei
uns hineinzuschleichen. Selbst die
aller Kritischsten von uns schaffen es
nicht, sich abzuschotten von dem
Bombardement an Kommunikation.
Peter Paul Skrepek: Das hieße ja
abschalten, aber Radio- und Fernsehgeräte darf man nur nicht abschalten.
Ich freue mich schon auf den Tag, an
dem der Ein/Ausschaltknopf nicht
mehr da ist, das wird dann der
Digitalisierungsknopf sein. Der große
Bruder schaut dann aus dem Apparat,
was ich mir gerade ansehe. Die
Digitalisierung des Fernsehens impliziert das, das ist gefährlich, wird aber
nicht mitgeteilt. Über die Rückkabel
wird man beim Verkaufsfernsehen
nicht nur irgendwas bestellen können,
sondern man wird auch beobachtet,
was man gerade anschaut. Die streiten das natürlich heftig ab. Wir finanzieren unsere eigene Beobachtung.
Die ganze Individualismusdiskussion
erinnert mich ein bisschen an den
Film „The Life of Brian”, wo Brian als
fiktiver Erlöser den schreienden
Menschenmassen in Jerusalem, die
ihn endlich sehen wollen, Ruhe gebietet und sagt: „Ihr seid doch alle
Individualisten.” Einer zeigt auf und
sagt: „Ich nicht.” Wesentlich ist es bei
diesem Symposion, über die Genregrenzen hinweg zu diskutieren, weil
wir als Musikrat und Musikergilde
drauf gekommen sind, dass es sinnlos
ist, sich auseinander zu teilen,
getrennt gegen etwas anzukämpfen,
das wir höchstwahrscheinlich nicht
einmal gemeinsam in den Griff
bekommen können. Es ist schön,
Euch zuzuhören, dass ihr die gleichen
Probleme wälzt wie wir am Vormittag,
nur in einer anderen Stimmlage. Es ist
ganz genau das Gleiche. Im
Publikumsrat hat der ORF sich kurz
eine Blöße gegeben, indem er festgestellt hat, wie viele Leute der jeweiligen Zielgruppe zuhören. FM4 hat
einen Österreicheranteil von knapp
unter 20% und erreicht in seiner
selbst angegebenen Zielgruppe der
jungen Leute 12%, d.h. 12% derer, für
die FM4 gemacht wird, hören FM4.
Bei Ö3 sind es fast 70%, und dort
liegt der Kern der Diskussion.
Während wir dieses wirklich große
Geschäft der formatierten Menschheit
überantworten, und es wird nur abgesahnt, gehen die Schafe zur
Schlachtbank, kaufen sich brav ihre
Madonna oder ihren Justin
Timberlake. Der singt ganz, ganz gut,
was er uns erzählt, ist vollkommen
nebensächlich. Er könnte „la, la, la”
singen, die Leute werden es trotzdem
kaufen, sie sind wie konditioniert darauf. Das bricht langsam zusammen, es
ist aber noch immer das große
Geschäft. Ich bin skeptisch, dass uns
ein Fortschritt gelingt, wenn wir uns
weiter segmentieren. Die Musikschaffenden müssen sich zusammentun über alle Stilgrenzen hinweg. Ein
Lagerdenken, dass z.B. ein New Wave
Musiker mit einem Popmusiker aus
Credibilitygründen nicht gesehen werden will, führt uns geradewegs in die
beschriebenen Konsumentenlager. Wir
sind heute und morgen hier, um dieser Schreckensvision etwas entgegenzusetzen, nämlich die Musik, die sich
vollkommen jeder intellektuellen
Erklärung entzieht, die reine Musik,
für die wir das machen. Die kleine
Minderheit hier ist vernetzt und fühlt
sich auf einmal stark, aber das sind
nicht einmal 10% auf der Welt. Ob das
genügt, um dem Treiben ein Ende zu
setzen, wird sich noch herausstellen.
Die Stärke, die durch die Vernetzung
erfolgt, ist möglicherweise ganz
schnell weg, wenn die Digitalisierung
kommt, und aus dem Fernseher sieht
dir einer zu und meldet weiter, was du
dir heute abends angesehen hast.
Dann ist es finster.
Michael Huber: Ist Kulturförderung
für elektronische Musik sinnvoll, ja
oder nein? Wenn ja, wie und warum?
Mia Zabelka: Ich kann verstehen,
dass Kollegen nicht in den Geruch des
Staatkünstlers kommen wollen, das
ist auch ein politisches Statement. Ich
denke nur, dass es wichtig ist, dem
Bund und der Stadt Wien gegenüber
ein Statement zu setzen. Klar ist, dass
Musik der Stadt Wien kein wirkliches
Anliegen ist. Die Kulturpolitiker gehen
auch nicht zu Produktionen im Porgy
& Bess, sondern maximal zu
„Barbarella” und in die Staatsoper. In
Clubs zu gehen, interessiert sie nicht.
Elektronische Musik ist keine Thema,
Opernproduktionen sehr wohl. Wenn
die Szene darauf sagt, wir wollen
44
eigentlich gar nicht, ist das das
falsche Verhalten.
Die freie Theater- und Tanzszene
machen sich auch bemerkbar und
fordern Finanzierungen. Das finde ich
sinnvoll. Dadurch wird das Kulturleben in Wien lebendiger, wenn auf
breiterer Ebene gefördert wird.
Michael Huber: Danke vielmals den
Panelteilnehmern und dem Publikum.
Das war es vorerst aus wissenschaftlicher und diskussionsartiger Sicht.
Harald Huber: Wir freuen uns, drei
Acts ab 19.00 Uhr beim Fest präsentieren zu dürfen. Zunächst spielt das
Duo Marwan Abado und Peter
Rosmanith, eine Zusammenarbeit
zwischen einem Musiker aus dem
Libanon und einem österreichischen
Perkussionisten. Dann folgt das von
drei an der Musikuniversität Wien
Studierenden gebildete Trio „Kelomat”,
das im Netzwerk der IJFO bereits
international aufgetreten ist.
Abschließend hören sie das neue
Projekt des „Count Basic”Masterminds Peter Legat „Team
Legat” mit tanzorientierter Musik, die
eine Verbindung von Live-Musik,
Electronic und DJing herstellt. Wir
wollen auf beachtenswertes
Musikschaffen aus Österreich aufmerksam machen. Viel Vergnügen.
45
PANEL: STILFELD
„POP & ROCK”
Mario Rossori: Ich bin schuld, dass
wir heute um 10.00 Uhr hier sind,
denn ich habe am kommenden
Mittwoch eine große Veranstaltung,
und habe um die frühe Beginnzeit
gebeten, um noch den Amadeus
Austrian Music Award fertig organisieren zu können. Harald Huber hat in
den Symposionsunterlagen zu unserem Panel geschrieben: „Vom Rock'n
Roll zum Computer gesteuerten
Video-Play”, zufälligerweise hat es
sich ergeben, dass wir TeilnehmerInnen in dieser ganzen Bandbreite auf
dem Podium sitzen haben. Ich darf
begrüßen Felicitas Hager von gotv,
Wickerl Adam, Hallucination Company,
Musiker, Produzent, und Alexander
Kahr, zur Zeit berühmt und berüchtigt
durch Christina Stürmer. Ich darf
heute moderieren, meine Aufgabe ist
es, die Diskussion zu fokussieren. Ich
darf, Ladies first, an Dich, Felicitas,
übergeben.
Felicitas Hager: Ich bin in meiner
Funktion als Programm- und Musikchefin von gotv eingeladen worden.
Gemeinsam mit Thomas Madersbacher, dem Geschäftsführer von
gotv, habe ich von 2001 bis zum
Sendestart den Sender gotv konzipiert und On Air gebracht. Jetzt führe
ich gemeinsam mit Thomas
Madersbacher gotv operativ. Zur
Gesellschaft: Die TIV Kabel-GesmbH
betreibt gotv. Die TIV setzt sich wie
folgt zusammen:
25,5% Thomas Madersbacher,
Felicitas Hager
25,5% Karl Psenechka (privater
Investor)
49% ET-Multimetia ZeitschriftenVerlag (Wirtschaftsblatt, Skip, die
Wienerin, Miss und andere)
gotv ist seit Oktober 2002 in Wien
und Niederösterreich im Kabel zu
empfangen. Ab 1. Mai 2004 ist gotv
europaweit über ASTRA-Digital verbreitet und empfangbar. gotv wird ab
1. Mai 2004 im Oberösterreichischen
Kabelnetz LIWEST (Linz Wels Steyr)
ausgestrahlt. Weitere Österreichische
Kabelnetze werden folgen. Wir sind da
gerade in Verhandlung mit den diversen Betreibern. Die bisherigen Erfolge
von gotv sehen folgendermaßen aus:
Bereits zwei Monate nach Sendestart
haben wir nach einer Umfrage von
Fessel-GFK eine Bekanntheit von 80%
in unserer Zielgruppe innerhalb unse-
rer Verbreitung erreicht. Im Frühjahr
2003 haben wir VIVA überholt und
MTV eingeholt. gotv ist in der TeletestMessung - unsere Werte sind also
keine Umfrageergebnisse oder
Schätzungen, sondern harte Messergebnisse.
Zum Programm von gotv - be part of it:
gotv definiert sich als Jugendsender,
beschäftigt sich aber vorwiegend mit
Musik. Das Programm setzt sich zum
Hauptteil aus Musikvideos zusammen.
gotv beschäftigt sich mit Events, Kino,
Videogames, Sport und Musik. gotv
spricht mit seinem Programm in der
Kerngruppe 14 bis 29-Jährige an. Der
weitere Seherkreis ist zwischen 12
und 39 Jahre alt.
Gemäß unserem Leitsatz „be part of
it” wollen wir, dass unsere Seher einerseits am Geschehen in der Stadt
teilhaben können und andererseits
mit uns gemeinsam gotv- Programm
machen können. Es gibt für Seher
viele Möglichkeiten, bei gotv mitzumachen: als gotv-scout, in der
gotvBox, bei Seheraktionen und
Testimonialkampagnen und bei
Wünsch-Dir-Was-Aktionen, bei denen
sich unsere Seher ihren Lieblingssong
wünschen können und diesen auch
gleich anmoderieren. Sonst gibt es in
voller Absicht keine Moderationen.
„Gotv - be part of it” gilt auch für
unsere Kooperationspartner wie das
Flex, WUK, Musicnet (Harry Jenner),
DJTop40 und Clubnet-Charts (Bingo
Boys) sowie FM4, Independent Club
Charts, Hit FM und ab nächster
Woche der Linzer Posthof. Wir hoffen,
demnächst in Kooperation mit Ö3 die
Austrian Top 40 auf gotv zu zeigen.
Jeder dieser Partner gestaltet
wöchentlich eine Stunde gotvProgramm. Zudem laden wir alle
Artists, über die gotv ein Feature
macht, ein, auf gotv Programm zu
machen.
Zum Musikmix von gotv:
Das Programm orientiert sich mehr
an Radios als an klassischen TVStationen. Genauso wie im Radiobereich haben wir daher auch für gotv
ein Musikformat definiert. Wir nennen
unser Format „Progressiv Hits”.
Unsere Positionierung liegt dabei
zwischen Ö3 und FM4. Der gotvMusikmix ist einerseits aktueller und
progressiver, als der Musikmix von Ö3,
andererseits ist gotv in der Musikauswahl breiter als FM4. Mit beiden
Sendern gibt es große Überschneidungen in der Titelauswahl.
Welche Kriterien bei der Musikauswahl eine Rolle spielen, sind so vielfältig, dass ich ein eigenes Seminar dazu
halten müsste. Darum werde ich
darauf jetzt nicht näher eingehen.
Wir werden aber sehr wohl später,
wenn es um Auswahl österreichischer
Videos für das Programm von gotv
geht, noch darüber sprechen. Denn
das Spielen österreichischer Titel
stellt für jedes elektronische Medium,
sei es Radio oder eben ein Musik-TVSender wie gotv, eine Ausnahmesituation dar. Leider - hoffentlich
ändert sich das noch. gotv hat ca. 90
Nummern in der Wochenrotation
ohne Pool für Handverlesung.
Unsere Rotationsstruktur:
A (25 Plays)
B (18 Plays)
C (16 Plays)
D (14 Plays)
F (8 Plays)
N (20 Plays)
R (2-5 Plays - Handverlesen)
Keyartists von gotv sind: gotv spielt
Musik von P!NK, Avril Lavigne,
Beyonce, Eminem und Sean Paul;
viele europäische Künstler wie The
Rasmus, HIM, Coldplay, Sportfreunde
Stiller, Wir sind Helden, Kid Alex, Air,
Placebo usw.
gotv und die österreichische
Musiklandschaft: Zum Sendestart von
gotv gab es kaum Videos von österreichischen Künstlern. gotv hat im
Wissen um diesen Mangel schon in
der Konzeptionsphase reagiert und
den „gotv Local Hero der Woche”
kreiert. gotv stellt in dieser Rubrik
jede Woche mindestens einen
österreichischen Künstler vor.
In einem Feature wird die Band und
deren Musik vorgestellt. Im gotvInterview haben die Bands Gelegenheit,
sich selbst vorzustellen und zu
präsentieren. Zudem wird auf Liveauftritte hingewiesen. Bands gestalten
auch eine Stunde Programm. Ziel des
„gotv Local Heros” ist es, vor allem zu
zeigen, wie vielfältig und groß die
österreichische Musiklandschaft ist,
und dass es sehr gute österreichische
Bands gibt - und natürlich die vorgestellte Band bekannt zu machen, auch
Teaser-Clips.
Schon nach etwa einem Jahr nach
Sendestart wurden immer mehr
österreichische Videos bei gotv einge-
Panel: Stilfeld „Rock&Pop”
reicht. Leider war die Qualität der
Produktionen, der Kompositionen und
auch der Videos nicht ausreichend
gut, um in Rotation genommen zu
werden. Inzwischen wird wöchentlich
mindestens ein gutes österreichisches
Video vorgelegt. Aus Qualitätsgründen
war es vor wenigen Wochen noch
undenkbar, österreichische Videos
ernsthaft ins Programm aufzunehmen. Das hatte nichts damit zu tun,
dass die österreichischen Bands nicht
ausreichend gut sind oder waren, sondern, dass es bis dato nicht notwendig war, Produktionen zu machen, die
sich neben internationalen und teuer
produzierten Songs spielen lassen
und bestehen. Es war als hätten die
Bands bis dahin nicht die Notwendigkeit
verspürt, einem internationalen
Standard zu genügen. Das scheint
sich jetzt zu ändern. Ich kann seit
2000 jedenfalls eine deutliche
Professionalisierung bei den Video
und Songproduktionen feststellen.
In der KW 17 2004 sind folgende
österreichischen Videos auf gotv
Rotation N (20 Plays/Woche):
Petsch Moser: Bastard
Anik Kadinsky: Another Goodbye (ist
dadurch in die Charts eingestiegen)
D (14 Plays/Woche):
Falschen Freunde: Alles ist Pop
Texta: So oder so
Jellybeat: Part Four
Verena: Addiction
F (10 Plays/Woche)
Zeronic: Thank You For Killing Me
Litterbox: Flight 21
Zudem zeigen wir:
The Seesaw: All The Same,
Funcalicious: Prophecy, Pacheco: Doin
Fine, Ben Martin: Television
Neu im Programm ab kommenden
Montag:
Jugendstil: Rivalen in der Sackgasse
Durch dieses Radio-Rotationsprinzip
bringt unser Sender z.B. in der
Mittagszeit ca. jede Viertelstunde ein
österreichisches Video. In der Show
„Neu auf gotv” am Freitag 19.00, So
14.00 Uhr (Wiederholung) wird mindestens ein österreichisches Video in
dieser Sendung vorgestellt.
Alexander Kahr: Ich produziere seit
1997 regelmäßig Popmusik. Mein
Konzept ist, Musik von jungen
Menschen für junge Menschen zu
machen. Damals war das ein in Österreich nicht berücksichtigtes Segment.
Studios in Österreich müssen auch
Werbung produzieren, um zu überle-
46
ben, und können sich daher nicht
hundertprozentig auf Popmusik
konzentrieren. Wir jedoch tun das! Ich
durfte zunächst fünf Jahre im Team
von Christian Kolonovits arbeiten und
lernen. In den letzten sieben Jahren
seit damals haben wir es auf 20 Top40ty-Hits gebracht. Ziel ist es, junge
Talente im Bereich Pop zu fördern,
denn im Bereich „Alternative Music”
gab es 1997 viele Künstler, denen
wiederum eine kleine, verpönte
Popszene gegenüberstand.
Die österreichische Popszene wirkt
nicht cool, man ist in der öffentlichen
Meinung immer irgendwie ein Klon
von irgendjemandem. Das finde ich
nicht richtig, denn Talente sollten einfach ihre Musik machen (dürfen).
International gesehen entstehen neue
Chancen, weil man mit 10.000-EuroEquipment professionell produzieren
kann, sofern man die Zeit dafür hat,
und weil Internetforen mit
Downloadmöglichkeiten entstehen,
die einen vorab hohen Geldeinsatz
immer weniger notwendig machen.
Es können daher heute bereits kleine
Labels und Künstler auf dieser Basis
für sie wichtige Umsätze machen.
Zu notwendigen Verbesserungen in
der österreichischen Popszene ist
folgendes zu sagen:
Ö3 und die Radios sind nicht alleine
schuld, sondern die fehlende
Möglichkeit, seit 1993 als Popkünstler
in einer heimischen Fernsehshow aufzutreten, obwohl mittlerweile weltweit
als Grundsatz gelten kann „TV makes
the Superstar”. Österreichische
Künstler dürfen nicht auftreten, sondern sich maximal in den
„Seitenblicken” zeigen. Ausnahme:
Confetti TV, wo junge Popkünstler
auftreten können. Ich hoffe auch,
dass man auf gotv bald Live-Künstler
spielen lässt. Die Gruppe „Whatever”
hatte z.B. 1.200 Radioeinsätze, aber
auf der Mariahilfer Straße kennt sie
kein Mensch. Das Publikum kennt die
Gesichter zu den Stimmen nicht. Hier
liegt auch der Grund für den Erfolg
von Christina Stürmer und Manuel
Ortega: Beide werden auf der Straße
erkannt. Dann kann man
Starqualitäten ausspielen. Insofern ist
die Anklage des Radios obsolet, denn
ohne Fernsehen wird ein Künstler
nicht bekannt, und die Situation dort
ist extrem trist. Genau das sollten wir
versuchen, positiv zu verändern.
In Sachen Video hatten wir das Glück,
von der Adi Mayer Filmproduktion ein
Video zu bekommen, nur liegt das
grundsätzliche Problem hier, dass niemand in Österreich 50.000 Euro für
ein Video hat, ein Standard, den
Deutschland vorgibt. Wichtig freilich
ist die Idee zum Video wie z.B. bei der
Band „Wir sind Helden”. Regelmäßige
Auftrittsmöglichkeiten im TV: Das
wird die Herausforderung für alle
Interessensvertretungen sein.
Man kann gewisse Arten progressiver
Musik, z.B. harten Rock, der filmisch
sehr kreativ umgesetzt werden kann
und gleichzeitig keine Radiochancen
hat, nur mit Bild übertragen. Aus
dem Chartsbuch und aus eigener
Anschauung weiß ich, dass 1990 zu Zeiten als es Sendungen wie „XLarge” und „Ohne Maulkorb” gab Wolfgang Ambros dreimal die
Stadthalle ausverkauft hatte. Selbiges
gilt für die EAV, deren erstes Video
man im ORF sehen konnte. Folgendes
ist für musikalische Newcomer
Voraussetzung: Musikalische Echtheit
und gesangliches Talent, der Sänger
bzw. die Sängerin sind extrem wichtig.
Musikbusinesstechnisch muss ein
Investmentplan für mehrere Jahre
gemacht werden und nicht nur für ein
oder zwei Singles. Finanzierungspläne
für längere Zeiträume, auch zur
Absicherung des Künstlers, sind wichtig. Beispiele aus unserem Haus sind
Manuel Ortega, Whatever, Two in One,
Crazy Orange und Christl Stürmer, die
uns von der Plattenfirma zugespielt
wurde. Eine Single ist zu wenig, der
Hit kann auch erst in zwei bis drei
Jahren kommen.
Als Produzent muss man immer Fan
des Künstlers sein, mit dem man
zusammenarbeitet.
Österreichische Interessensvertretungen müssen sich wieder stärker
ihrer Verantwortung bewusst werden:
Persönliche Denunzierungen von
Personen, die hohe Positionen in
Medienunternehmen innehaben, halte
ich für absolut kontraproduktiv. Die
Interessensvertreter müssen 120
Prozent Einsatz auf einer sehr diplomatischen Ebene geben. Der Dialog
muss immer stattfinden. Wenn man
wichtige Persönlichkeiten z.B. beim
Amadeus kritisiert, dann blocken
diese in Zukunft ab, und das bringt
den Künstlern nichts. Wir müssen den
Dialog - auch wenn es schwierig ist noch mehr suchen. Wenn 15 Mal Rückschläge kommen, beim 16. Mal haben
wir vielleicht genau das erreicht, was
wir wollen.
Mario Rossori: Viele der österreichischen Stars sind in der Hallucination
Company groß geworden. Bitte um
einen kleinen Rückblick und Einblick
in die österreichische Popmusikszene!
Was waren früher die Probleme und
Netzwerke, was hat sich seither verändert?
Panel: Stilfeld „Rock&Pop”
Wickerl Adam: Ich spreche von der
Entwicklung der Pop- und Rockmusik
in Österreich - 1959/60 hatte es ja
schon Mandy und die Bambis gegeben, auch Schlagersänger wie Jörg
Maria Berg aus Wieselburg und Lolita
aus St. Pölten. Daneben gab es die
Amerikaner. Ich war Little RichardFan, Elvis war mir zu weich, dann kam
schon James Brown mit seinem Soul.
Der Unterschied zwischen den
Musikern von damals und heute: 80
Prozent der Wiener Musiker waren
ganz schlimme Buben. Das wären
Einbrecher und Zuhälter geworden.
Heute kann mit 18 Jahren schon jeder
Musiker geschult spielen. Es gab ca.
200 Bands, und wir hatten die
Gelegenheit, jedes Wochenende zu
spielen, weil es in jedem Bezirk vier
bis zehn Spielorte gab. Es war eine
sehr kreative Zeit, denn es gab
Bandwettbewerbe, wo sich die
Musiker des 19. Bezirks mit denen des
21. Bezirks messen konnten usw.
Für mich persönlich waren es die
Zigeuner des 20. Bezirkes, die mein
Leben in musikalischer Hinsicht sehr
beeinflusst haben. Das heutige
Metropol hieß damals HVZ Hernalser Vergnügungszentrum.
Dort habe ich zwei Jahre lang jeden
Samstag und Sonntag gespielt, wobei
wir immer 1000 bis 1200 Leute
Publikum hatten. Wir konnten von
dem Geld, das wir an einem
Wochenende verdient haben, eine
ganze Woche leben. Ich habe daher
früh mit 18 Jahren die elterlichen
Betriebe verlassen und bin Musikprofi
geworden. Dann kam für mich die
harte Schule der GI-Clubs in
Deutschland, d.h. acht Stunden pro
Tag Coverversionen spielen vor
musikuninteressierten, betrunkenen
Amerikanern. Erstmalig hatte ich die
Grenze übersprungen nach
Deutschland, jene Grenze, die in
Sachen Musikbusiness bis heute noch
so schwierig zu überwinden ist. Auf
künstlerischer Ebene, d.h. der
Austausch mit deutschen MusikerInnen und Bands war nie ein Problem,
da hat auch stets die gegenseitige
Wertschätzung gestimmt. Bis Anfang
der 70er Jahre hatten wir nur Musik
nachgespielt, keine eigenen Sachen
gemacht. Zu dieser Zeit als bereits
Wolfgang Ambros die heimische
Popmusik eingeläutet hatte, begann
ich an der Musikakademie Pauke zu
studieren und hatte das Glück, jenem
letzten Jahrgang anzugehören, den
Professor Hochrainer noch persönlich
leitete. Von ihm habe ich sehr viel
gelernt. Dann habe ich Körpertheaterausbildung gemacht bei Jiri Krotovsky,
war Mitglied des „Dramatischen
47
Centrums” 1973.
Dann war ich in der Le Cock Schule in
Paris und habe die Ausbildung zum
Clown gemacht. Damals hat mich
bereits fasziniert, Darstellung,
Szenen und das Herausstreichen von
Persönlichkeiten mit Musik zu verknüpfen. Daraus wurde dann 1977
die Hallucination Company vor dem
Hintergrund einer lebendigen
Undergroundszene der 70er Jahre.
Firmenmäßig gab es nur die Amadeo,
die sich um Christian Kolonovits oder
Waterloo und Robinson gekümmert
haben, sonst war da nur sehr wenig.
Daneben gab es die Liedermacher,
aber eben niemanden im Rockbereich.
Ich stellt dieses Vakuum fest und wollte da hineinstechen. Meine selbstgetätigte Auflage an die Hallucination
Company war, dass ich stets die beste
Band im Rockgeschäft haben wollte,
weil ich überall spielen wollte. Hits zu
machen, war für mich nie relevant,
auch weil ich es nicht konnte. Thomas
Spitzer ist ein Hit nach dem anderen
aus der Feder geronnen, ich wiederum erkenne Menschen, spüre Sänger
und kann aus Menschen Dinge herausholen, von denen sie oft nicht einmal selber wissen, dass sie in ihnen
stecken. Die Hallucination Company
wurde - und das ist bereits die
Meinung der Medien - der Schmelztiegel der österreichischen Rockszene.
Damals kam dann auch die EAV auf,
und Stefan Weber reaktivierte die
Band „Drahdiwaberl”, die er bereits
zu Grabe getragen hatte. Die erste
Besetzung der Hallucination
Company: Hansi Hölzl - Bass, Peter
Kolbert -Schlagzeug, Thomas
Rabitsch - Keyboards, Harri Stojka Gitarre, Peter Lössl - Gitarre, Hansi
Lang - Gesang. Dann kam nach zwei
Jahren Mo dazu. Diese Band wäre
heute gar nicht mehr zu bezahlen. Wir
haben Wien erobert, aber waren nicht
nur eine heiße Band mit coolem
Styling, sondern wir haben es
geschafft, aus diesem Land hinauszugehen. Jeder Rock- und Popmusiker,
der aus unserem Land hinausgegangen ist und gewissenhaft gearbeitet
hat, hat es auf seine Art geschafft.
Georg Dum, der von 1989 bis 1993 in
der Hallucination Company gespielt
hat, lebt heute als vielbeschäftigter
Drummer mit Frau und Kind in Los
Angeles. Jeder, der den Mut hat, aus
Österreich hinauszugehen, kann es
schaffen, denn wir haben etwas
anzubieten: Eine unheimlich reiche
Vergangenheit, die in unseren Seelen
und Körpern und im Geist lebt, und
wir haben am Instrument etwas anzubieten. Wunderbare Beispiele sind
Karl Ratzer und Konrad Schrenk. An
diesen Musikern erfreut sich im
Ausland das Publikum. In Österreich
ist innerhalb der Szene noch immer
ein Neidgefühl zu beobachten. Wenn
man aus dem Land hinausspringt,
kommt plötzlich eine ungemeine
Öffnung entgegen. Wir machen es uns
selber gegenseitig schwer. Ich habe
diese österreichischen Neigungen
nicht, ich habe Freude am Erfolg des
anderen. Öfter wird mir die Frage
gestellt, wie ich damit umgehe, dass
ich Stars gemacht habe, selber aber
keiner geworden bin. Mir geht es
damit bestens, denn aus der dritten
Reihe sieht man mehr als aus der
ersten - und ich stehe gerne mit Hansi
Lang oder anderen auf der Bühne.
Wenn wir uns gegenseitig erfreuen,
können wir ganz anders überzeugen.
Wir haben eine unglaubliche musikalische Potenz in diesem Land anzubieten, die nicht gezeigt wird, weil die
Radio- und Fernsehszene eine
Schande ist. Ich muss deutsche
Sender konsumieren, um dort aus
Musikermund zu hören, dass in
Deutschland Bands wie Drahdiwaberl
oder Hallucination Company nicht
möglich wären - Anerkennungen kommen aus dem Ausland. Es freut mich
außerdem, dass Christl, die „es” hat,
gewonnen und einen sinnvollen
Produzenten gefunden hat, mit dem
sie in Symbiose geht. Dass Christina
Stürmer den österreichischen
Tonträgermarkt gerettet hat, kann
man nur als Albtraum empfinden. Die
Stagnation der Globalisierung beinhaltet diese große Chance, dass es
wieder Junge geben wird, die kleine
Labels machen, und ich hoffe, dass es
auf diese Art und Weise weiter geht.
Musiker zu sein in Österreich, ist
schwer, aber es ist wirklich toll. Ich
kann nur jedem empfehlen, springe
aber auch über die Grenze, dann
kommt man gerne wieder zurück, weil
leben kann man besser von draußen
als von hier.
Mario Rossori: Welche Netzwerke
gibt es in Österreich im Bereich
Urheber, Künstler, Produzent, Label?
Für wie wichtig erachtet Ihr diese
sogenannten „Band-Battles”, die es
früher als eine erste musikalische
Schulung in der Öffentlichkeit mehr
gab als heute?
Alexander Kahr: An Bandwettbewerben ist zu kritisieren, dass maximal
CD-Sampler herauskommen mit
schlecht produzierten Songs. Die
richtige Arbeit beginnt erst dann: ein
tragfähiges Konzept finden, den richtigen Song aussuchen bzw. schreiben
oder schreiben lassen und einen
Panel: Stilfeld „Rock&Pop”
Tonträger produzieren mit WowFaktor. Diese Schritte fehlen für die
jungen Künstler.
Wickerl Adam: Liegt es in Österreich
wirklich nur an den Persönlichkeiten,
die vorne stehen und daran, ob diese
etwas weiterbringen oder nicht? Das
Beispiel ORF zeigt, dass mit Werner
Holy etwas für Popmusik passiert ist,
seitdem er weg ist, nicht mehr. In den
80er Jahren gab es auch noch den
Zusammenschluss Künstler und
Plattenfirma, es hat diese Symbiose
gegeben. Der Effekt war eine Welle
österreichischer Musik in der Öffentlichkeit. Grund war Herr Friedberg,
der heimische Musik forciert hat.
Warum hat das wieder aufgehört?
Peter Skrepek: Nach dem Abgang
von Wolfgang Arming (Polygram),
schrieb der neue Geschäftsführer für
Österreich, Chris Wemcken, im
Musikmarkt: „Wir werden die österreichische Musikproduktion auf Schallplatte auf null reduzieren.” Genau das
ist passiert. Polygram war der
Marktführer.
Harald Huber: gotv ist ein interessantes Beispiel für folgenden Effekt:
Wenn man jungen Musikern eine
direkte Möglichkeit gibt, in die Medien
zu kommen, dann hat das positive
Effekte. Auch die „Hosted by”Initiative auf gotv finde ich eine hervorragende Idee. Sobald es ein mediales Angebot gibt, entstehen die entsprechenden Inhalte - siehe die aufkeimende heimische Videoproduktion
aufgrund von gotv.
Felicitas Hager: Fernsehauftritte sind
immens wichtig. Als Beispiel möchte
ich die Band „Julia” nennen, deren
Videos wir spielen. Über diese Plays
hinaus haben wir ein „Making Of”
eines ihrer Videos gedreht und gesendet, und somit die Promotion für die
Band noch weitergezogen. Seheraktionen, wo gotv-Fans bei Videodrehs
mitspielen können, haben wir auch
angedacht. Insgesamt hat man mir
vor unserem Sendestart von allen
Seiten prophezeit, dass es keine relevante heimische Musik gibt, und wir
uns mit unserem Konzept eine blutige
Nase holen werden. Genau das
Gegenteil ist eingetreten. Freilich
kann kein Medium alleine einen
Künstler groß machen! Das tut auch
niemand, weil das eine
Kamikatzeaktion ist. Je mehr Medien
z.B. gotv beim Künstleraufbau begleiten, desto besser. Im Fall „Julia” gab
es auch im ORF „25 - Das Magazin”
einen Beitrag über die Tournee und
48
eine Aktion, wo die Seher bei einem
Videodreh mitspielen konnten. Da
sich die Zeiten geändert haben, und
der ORF keine Jugendsendungen
mehr bringt, die ja früher Musik
bekannt gemacht haben, stoßen wir
mit den Mitteln der Zeit in dieses
Vakuum und bringen einen Sender
mit „Radioformat”, wo man zu jeder
Tages- und Nachtzeit bei jedem
Einschalten des Fernsehers jene
Musik sehen kann, die früher in speziellen Sendungen extra vorgestellt
wurde. Ich kenne viele österreichische
Bands, die enorm viele Konzerte
geben - auch im internationalen
Rahmen. Wir können das über die
Eintragungen in unserem akribisch
geführten Eventkalender verfolgen.
Peter Tschmuck: Vielfalt heißt,
dass möglichst viele Kreative etwas
machen, und das jeweils anders
machen. Gegenseitige Abgrenzung
und Wettbewerbe sind notwendig. Der
Schlüssel liegt immer im Ergreifen der
Eigeninitiative. Das bewusste Risiko
des Scheiterns muss eingegangen
werden. Mediale Rahmenbedingungen
sind wichtig. Unterscheidung und
Vielfalt sind auch in den Medien nötig,
aus diesem Grund ist gotv entstanden
auf der Basis der Rundfunkliberalisierung. Andere Sender, die sich
wiederum unterscheiden wollen,
wären nötig. Im Radiobereich stellen
wir zwar eine Vielzahl, aber keine
Vielfalt fest. Die Politik ist gefragt,
denn sie setzt die Rahmenbedingungen.
Eine Wettbewerbskontrolle ist erforderlich.
Mario Weitzl: Im Radio z.B. spricht
niemand mehr über die Interpreten,
sie werden oft nicht einmal angekündigt. Das ist ein weiterer Grund,
warum selbst Künstler, die Airplay
haben, ihren Bekanntheitsgrad nicht
steigern können.
ORF-Führung leidet tatsächlich unter
dem Abgang einiger Lichtgestalten
wie Werner Holy und hat keine
Ahnung, dass es präsentationswürdige Musik gibt. Wenn Musiksendungen
gemacht werden, dann in einer
Art und Weise, dass einem die
Krausbirnen aufsteigen, siehe die letzte Song Contest Vorausscheidung.
Mario Rossori: Fehlen uns die nationalen Netzwerke, Lobbying etc.?
Alexander Kahr: Österreich hat den
Nachteil der deutschen Sprache
insofern, dass der Import aus
Deutschland, z.B. was Musiksender
betrifft, ein Todschlagargument für
den Aufbau eigener heimischer
Strukturen ist. In Ungarn und anderen
vergleichbar kleinen Ländern wird
schon aufgrund der Sprache eine
andere Autarkie angestrebt. Zum
ORF: Schlager und volkstümliche
Musik werden mit regelmäßigen
Sendungen unterstützt, das hat
äußerst positive Effekte auf den LiveBereich. Hier gelingt es, Sendezeit im
Fernsehen in Bekanntheit umzumünzen. Die Sendung „Play Music” um
13.10 am Samstag ist völlig falsch
angesetzt. Daneben machen
Schifahrer und Schauspieler CDs, und
über die Seitenblickeschienen erfährt
es das Publikum. Für Musikkünstler ist
dann kein Platz mehr. Musiker müssen
heute Schauspieler werden (z.B.
Jeannette Biedermann, Yvonne
Catterfeld), damit ihre
Veröffentlichungen Beachtung finden.
Ab 1995 wurde „X-Large”, die letzte
ORF-Sonntags-Nachmittagssendung,
eingestellt. Hier können wir einen
deutlichen Bruch feststellen, was die
Präsentationsmöglichkeiten betrifft.
Harald Hanisch: Das Fernsehen
macht in der heutigen Zeit die Stars.
Das Radio spielt sie dann.
Mario Rossori: Pikanterweise liegt
genau darin auch der Grund, warum
der ORF keine StarmoderatorInnen
mehr hervorbringt, weil diese traditionellerweise in Musik/Kultursendungen
ihr Handwerk gelernt und sich ihre
erste Bekanntheit erarbeitet haben.
Peter Skrepek: Was nicht im
Fernsehen stattfindet, findet nicht
statt. Die Leute in den Entscheidungsetagen der relevanten Medien, haben
keinen Zugang zu dem, was wir
machen. „Musik spielt im Fernsehen
keine Rolle” war eine Aussage von
Andreas Rudas, als er ORF-Generalsekretär war. Ich vermute, dass er
niemals eine Musiksendung im
Fernsehen gesehen hat, und daher
jene Allgemeinaussage von der
Bedeutungslosigkeit der Musik im
Fernsehen propagierte. Die jetzige
Martin Sigmund: Ein interessantes
Medium ist das Internetradio, z.B.
www.lounge.com
Über laufende Bewertungen des
Hörenden wird ein individuell auf den
Geschmack abgestimmtes
Radioprogramm gesendet. Weiters
wird bei jedem Song das Cover der CD
eingeblendet sowie Links zu den
Lyrics, zum Künstler und zur
Bestellbarkeit von CD oder Download
in Internet. Das ist für mich eine
angenehme Art, während der Arbeit
Radio zu hören, und ich entdecke dar-
Panel: Stilfeld „Rock&Pop”
über auch viele „kleine” Künstler.
Dietmar Tinhof: Die reine
Medienausrichtung in der Diskussion
stört mich. Ich bin Musiker, verdiene
aber mein Geld als FreelanceSoundengineer und Produzent. Ich
komme sehr viel herum in den unterschiedlichsten Produktionseinheiten.
Was ich bemerke, ist folgendes: Uns
fehlt in diesem Land eine eigene
Lobby im Sinne eines gemeinsamen
Selbstbewusstseins. Die Szene existiert nicht, weil sie niemand transportiert. Man weiß in diesem Land
nicht, dass es uns gibt. Die Künstler
werden vielleicht mal ab und zu vorgestellt, aber alle, die dahinter arbeiten, nicht. Es gibt zwar Ansätze, eine
Musikförderung zu institutionalisieren,
ein Selbstbewusstsein gibt es aber
deshalb noch nicht. Informelle Foren
im Internet sollten mehr genützt
werden, Guerillamarketing muss
gemacht werden etc.
Manfred Wodara: Es geht um
Netzwerke. Gegeneinander kämpfen
bringt nichts. Im ORF kann man Musik
nur mit Geldmitteln zum Klingen
bringen, d.h. nicht mit Schmiergeld,
sondern mit dem Beibringen von
Sponsoren, die eine Sendung ermöglichen, die eine Musikplattform darstellt. Wir werden in Zukunft keine
österreichischen Künstler mit
Plattenfirma mehr haben. Das wird
ein großes Problem. Nur durch ein
Miteinander kann es wieder funktionieren. Der ORF würde den Amadeus
liebend gern um 23.00 Uhr ansetzen.
Mario Rossori: Zur Erklärung:
Der ORF empfindet einen späten
Sendeplatz für den Amadeus hervorragend, weil mit dieser Sendung die
normalen Quoten zu dieser Tagesbzw. Nachtzeit bei weitem übertroffen
werden.
Manfred Wodara: Den Amadeus hat
man heuer um 22.00 Uhr gegen die
ZiB2 gesetzt. Das hat etwas mit
Schwachsinn in Reinkultur zu tun.
„Dolce Vita”, das um 21.15 Uhr kam,
hätte man ja auch nachher spielen
können! Das Schlimmste, was uns in
diesem Land noch passieren konnte,
waren die Privatradios. Die haben uns
doch nicht um einen Schritt weiter
gebracht, die haben uns drei Schritte
zurückgebracht! Wir haben ein
Medienproblem. Ich wurde stets angefeindet, warum wir so wenige nationale Künstler produzieren, aber wenn
man diese nur für die Schublade
macht, dann hat das keinen Sinn. Hier
liegt das wesentliche Kernproblem.
49
Wenn Christina Stürmer 100.000
Platten in Österreich verkauft, und in
Deutschland nicht einmal veröffentlicht wird, zeigt das viel über den
Zustand der Plattenbranche, gibt aber
auch Aufschlüsse darüber, wie wir in
Zukunft arbeiten müssen. Wir müssen
aus Österreich ein größeres Land
machen, das dann Deutschland,
Österreich, Schweiz heißt. Mit einer
Österreich-spezifischen Philosophie
werden wir nicht weiterkommen, wir
brauchen eine größere. Der Hahn wird
zugedreht werden für österreichische
Veröffentlichungen vonseiten der
Plattenfirmen. Gute Kräfte müssen
jetzt Netzwerke bilden.
Mario Rossori: Es gibt kein generelles
Netzwerk, wo alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten drinnen sind. Es gibt
Interessensvertretungen und Projekte,
die durchaus versuchen zwischen den
einzelnen Playern Kooperationen
herzustellen und Plattformen zu
bilden - nur ist das zu klein und
insgesamt gesehen viel zu wenig. In
Bezug auf Förderungen gibt es kleine
Möglichkeiten auf Produktionsseite
und ab Herbst 2004 für die
Vermarktung die Förderstelle
„departure” des WWFF für in Wien
ansässige Unternehmen.
Felicitas Hager: Die Situation in der
Musikvideoproduktion wurde durch
digitale Schnittplätze für zu Hause
immens verbessert. Die Kosten- und
Honorargegebenheiten auf Seiten
der Videoproduzenten müssen nach
unten geschraubt werden, das
passiert bereits. Wir haben z.B. für
den Act „Platzgumer” mit Universal
gemeinsam das Video zum Song
„Convertible” produziert, das 1.300.Euro gekostet hat. Qualität ist dabei
immer unser oberstes Gebot, egal ob
nationale oder internationale Videos
für den Einsatz geprüft werden.
Die Spots wiederum, die bei uns von
Veranstaltern etc. eingehen, haben in
der letzten Zeit eine immer höhere
Qualität erreicht, sodass sie unverändert auf Sendung gehen können.
Manfred Wodara: Wenn allerdings
MTV und Viva ein Video, das
möglicherweise auf gotv läuft, aus
Qualitätsgründen ablehnen, rechnet
sich das Investment schon nicht mehr.
Wirtschaftlich gesehen macht nur der
GSA-Raum Sinn.
Mario Rossori: Bei Videos ist es nicht
ausschließlich die Qualitätsfrage, die
über den Einsatz entscheidet. Ein
Video der österreichischen Band
sPout, das übrigens Euro 1.400.-
gekostet hat, lief auf MTV Japan, die
Deutschen haben es aber nicht
gespielt, weil der Song in ihrem Land
nicht veröffentlicht war.
Manfred Wodara: Es wäre den
Versuch wert, eine Kooperation
zwischen gotv sowie Viva und MTV
zu erreichen, obwohl da natürlich
Konkurrenzverhältnisse bestehen.
Felicitas Hager: Für den Raum Österreich gilt, dass sich die angesprochene Konkurrenz entspannt darstellt,
weil gotv mit seinem Sendestart den
anderen Musiksendern kein Publikum
weggenommen hat, sondern die
Anzahl der Seher einfach vergrößert
hat. Auch die Programmausrichtung
(MTV in Richtung Vollprogramm, gotv
mit dezidiertem Musikvideofokus)
entspannt die Konkurrenzsituation.
Neugierig sind wir auf die Reaktion
von MTV, wenn gotv in Kürze über
Satellit von Gibraltar bis Moskau zu
empfangen ist!
Mario Rossori: Bitte um ein
Schlussstatement von allen
Podiumsdiskutanten!
Wickerl Adam: Ich möchte hinsichtlich der Bildung von Netzwerken auch
uns Musiker in die Pflicht nehmen,
denn wir sind schließlich das Futter
für diese Netzwerke. Man muss etwas
bieten, ein Typ sein und auf der
Medienorgel spielen können, siehe
Falco. Die Leute, die bei mir spielen,
müssen eine Körpertheaterausbildung
bei mir machen! Musiker sind in einem
Geschäft, das sich Showbusiness
nennt, dementsprechend müssen
wir aussehen, nicht wie Beamte und
Angestellte. Rock'n Roll ist „Go” und
nicht „Schach”. „Show-Business”
heißt erstens sich herzeigen und zweitens ein Geschäft damit machen. In
Österreich zeigen wir in der Regel
nichts her, sondern verstecken etwas
bzw. uns. Als Künstler im Entertainmentbereich muss man sich erkennbar machen und etwas anbieten, das
anderen die Augen und Ohren aus
dem Kopf treibt. Von nichts kommt
nichts. Stars wie Madonna haben
extrem hart an sich gearbeitet.
Wir sind Nutten, und gemma's uns
einfach!
Felicitas Hager: Musiker dürfen sich
nicht verstecken. Ein Interview mit
jemandem zu führen, der sich mehr
oder weniger dafür entschuldigt, hier
zu sein, ist mühsam.
Alexander Kahr: Popmusik besteht
aus Ecken und Kanten. Peter Hafele
Panel: Stilfeld „Rock&Pop”
mit seinem riesigen Hut aus der
Starmania-Staffel 2 ist ein gutes
Beispiel, er wurde z.B. wegen seiner
Extravaganz als anarchistisch und
böse denunziert, dabei braucht es
genau solche Typen.
Es wird in Zukunft noch mehr an den
Eigeninitiativen der Kreativen liegen!
Netzwerke werden immer wichtiger:
Wir Produzenten müssen uns mehr
mit Videoleuten zusammenschließen,
Teams rund um einen Künstler
zusammenstellen etc. Ich gebe nicht
auf, es werden sehr rosige und gute
Zeiten kommen.
Mario Rossori: Medien sind wichtig
für die Popmusik, daher kommt eine
Diskussion zu den Bedingungen kreativen Schaffens sehr schnell in das
Fahrwasser einer Mediendiskussion.
Auch diese haben wir geführt, weil sie
notwendig ist. Plattformen im
Rock/Pop-Bereich wie FM4 und gotv
mit seiner nationalen Ausstrahlung
verändern die Möglichkeiten von
heimischen Kreativen hoffentlich
nachhaltig. Mit der nötigen
Ausbildung in Sachen Stimme und
Körperdarstellung sollten sich Dinge
zum Besseren bewegen lassen. Danke
fürs Kommen!
Performance: Kollegium Kalksburg
50
51
PANEL: STILFELD
„VOLKSMUSIK/FOLK
& WORLD MUSIC”
Birgit Huebener: Ich möchte Sie sehr
herzlich zu diesem vorletzten Panel
des Symposions begrüßen und darf
mit einem Dankeschön für Ihr
Kommen die Teilnehmer vorstellen
und begrüßen: Horst Watzl, der spontan nun doch dabei sein kann, weil die
World Music Messe in Istanbul kurzfristig abgesagt wurde. Michael Krusche
von der Band Aniada a Noar. Norbert
Ehrlich, über viele Jahre künstlerischer und kaufmännischer Leiter der
Szene Wien. Wolfgang Schlag, seit
1987 ständiger Mitarbeiter bei Ö1,
Musiker, Komponist und Festivalkurator.
Wie geht es der Volksmusik/Folk &
Worldmusik-Szene in Österreich zur
Zeit, wie sehen sie die Entwicklung
der letzten Jahre?
Wolfgang Schlag: Die Begrifflichkeit
der Volksmusik führt für mich immer
zu Problemen der Vermittlung in meiner täglichen Arbeit. Ist „Glatt &
Verkehrt” ein Festival der Weltmusik,
der Volksmusik, der neuen Volksmusik,
der traditionellen Musik ...? Ich als
„neuer Sepp Forcher von Ö1”, so die
Bezeichnung eines Hörers, habe mit
dem Begriff Weltmusik weniger
Probleme als mit dem der Volksmusik,
der aufgrund der Verkommerzialisierung
von jungen Generationen ausschließlich als Musik von Hansi Hinterseer
und ähnlichen InterpretInnen rezipiert
wird. Auf der anderen Seite des
Volksmusikspektrums steht zum
Beispiel das Institut für Volksmusikforschung, das sich wissenschaftlich
mit Geschichte und Phänomenen der
Volksmusik auseinandersetzt. Der
Begriff des Volkes im Wort Volksmusik
gibt immer wieder zu Auseinandersetzungen Anlass, ob diese Begrifflichkeit in einem aufgeklärten, modernen
Europa noch verwendet werden kann
bzw. darf. Gleichzeitig öffnet sich die
Welt der Volksmusik, die heute
völlig akzeptiert in der Szene Wien
oder dem Konzerthaus Wien stattfindet. Die Weltmusik konnte ihren
Stellenwert in Österreich vergrößern
und findet schon seit nunmehr vielen
Jahren in den Programmen heimischer Veranstalter und in weiterer
Folge beim Publikum Beachtung.
Norbert Ehrlich: 1984 kam ich in die
Szene Wien. Davor hatte ich ausgefüllte Jahre in der AMA-Künstleragentur
verbracht, die damals mit dem Austro
Pop (Ambros, Danzer) viel Geld verdient hat. Ich komme somit aus dem
Bereich des Austro Pop, der heute
belächelt wird, wo es aber Lieder wie
„Tagwache” gab, das Sendeverbot im
ORF bekam. Damals entstand auch
das schönste Konzeptalbum der letzten Jahrzehnte „Es lebe der Zentralfriedhof”. Die Textzeile „Die Pfarrer
tanzen mit die Huren und Juden mit
Araber” hat heute noch Aktualität für
mich und spielt in der Programmierung
eines für heuer geplanten IsraelIslam-Festivals („Salam Orient”) eine
Rolle. Der in Wien lebende Amerikaner
Daniel Bradley brachte mich auf die
Idee, den „Mozart aus Indien” in
Österreich zu veranstalten: Nikla
Benerghee. In den folgenden 20
Jahren haben wir uns dann in Wien
an jenen 50% der World Music abgearbeitet, an die man als Veranstalter
herankommen kann. Wir kennen bei
weitem nicht alles, was es musikalisch
Spannendes auf dieser Welt gibt.
Festivals wie „Wean Hean” oder auch
das Akkordeon-Festival zeigen, dass
ein Publikum entstanden ist, das mit
diesen Musiken zu begeistern ist.
Wenn Mnozil Brass drei- oder viermal
hintereinander den Mozartsaal des
Konzerthauses füllen, dann bemerkt
man, dass sich in den letzen 20
Jahren etwas in unserem Land geändert hat. Die Zukunft ist freilich offen,
die Zeiten zugleich nicht die besten.
In diesem Sinne: „Wer keine Visionen
hat, braucht bald einen Arzt.”
Horst Watzl: Musik ist ein Mittel, politische und soziale Realitäten zu transportieren, das trifft besonders auf die
World Music zu, wie ich in meiner
Tätigkeit im VIDC (Vienna Institut for
Development and Cooperation), einer
entwicklungspolitischen Institution,
laufend bemerke. „Kulturen in
Bewegung/Moving Cultures” ist eine
Abteilung des VIDC, in der ich arbeite.
Wir realisieren Projekte mit
MusikerInnen aus Afrika, Asien und
Lateinamerika mit dem Fokus auf die
Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit.
Im Zuge unserer Tätigkeit konnten
wir in den letzten zehn Jahren viele
spannende Kooperationen durchführen,
das heißt, aktuelle Musik aus den
oben genannten Ländern in Österreich
präsentieren. Neben dem Anliegen,
dadurch Neugier und Emotionen in
der heimischen Bevölkerung zu wekken, besteht ein weiterer Aspekt in
der Aufklärung über soziale Hintergründe
in den Ländern der hier auftretenden
Künstler. Im Genre Weltmusik ist es
nach wie vor schwierig, Förderungen
an Land zu ziehen und die Akzeptanz
dieser Musik bei Geldgebern zu steigern. Schon mit einem kleinen
Experiment, der Eingabe der Begriffe
„Weltmusik” und „Österreich” in der
Suchmaschine „Google”, wird anhand
der Ergebnisse klar, wie diffus der
Bereich Weltmusik offensichtlich noch
immer ist. Anhand dieser Ergebnisse
zeigt sich, wie in Österreich diese
Szene - wenn sie sich überhaupt als
solche begreift - verfasst ist. Das
hängt auch mit der nach wie vor
schwierigen bzw. kontroversiellen
Begrifflichkeit zusammen. Es gibt
keine Plattform in Österreich für das
Genre „Weltmusik”, keine Möglichkeiten,
sich auszutauschen. Es wäre wünschenswert, eine solche Plattform zu
gründen für Künstler, Labels,
Veranstalter etc. mit dem Wunsch und
Angebot einer besseren Kommunikation. Wir vermitteln aktiv 50 Gruppen.
Michael Krusche: Österreichische
musikalische Identität kann nur mit
österreichischer Musik und österreichischer Sprache zu tun haben. Da
gibt es Akzeptanzprobleme, was
natürlich stark mit den Medien zu tun
hat, und das Problem eines fehlenden
Unterbaus, auf dem Künstler mit
heimischer musikalischer Identität
aufbauen könnten. Die Radios spielen
keine Musik unseres Genres, und
engagierte Redakteure bekommen
keine Möglichkeit, spannende Musik
abseits des Mainstream zu senden.
Kulturpolitisch kann das nur die
Forderung nach einer Quote für Musik
mit österreichischer Identität bedeuten und damit die Schaffung von
Sendeleisten, die sich diesen
Musikformen widmen. Vom Publikum
her gibt es Sehnsucht und Interesse
nach heimischer Musik, ein Interesse,
Panel: Stilfeld „Volksmusik, Folk&World Music”
das sonst keine Widerspiegelung findet.
Außerdem haben wir ein Nachwuchsproblem. Das Feld der Volksmusik
müssen wir Karl Moik überlassen, weil
niemand bereit ist, die Unterscheidung
zwischen Volksmusik und volkstümlicher
Unterhaltungsmusik zu erklären, und
in weiterer Folge beide Arten von
Musik in Medien präsentiert. Im direkten Erleben ist Volksmusik sehr interessant und erfolgreich. Viele junge
Menschen auf unseren Konzerten sind
von der Musik begeistert und müssen
gleichzeitig zugeben, dass sie bisher
nicht wussten, wie Volksmusik wirklich
klingt. Die Medien sind die Hauptschuldigen an der Misere, denn wer
sonst sollte Musik verbreiten. Printmedien berichten über volksmusikalische Ensembles nicht im großen Stil,
der notwendig wäre zur Publikumsgewinnung. Freilich kann man sich ein
Publikum durch Adressenlisten und
Aussendungen in winzigen Schritten
über Live-Auftritte aufbauen, das ist
äußerst mühsam, und vor allem dauert es zu lange. Wenn Aniada a Noar
20-jähriges Bestehen feiern, heißt es,
dass man darüber im Fernsehen nicht
berichten kann, weil dann müsste
man auch über andere Gruppen
berichten. Es kann sich meiner
Meinung nach nichts zum Besseren
verändern, weil die Situation zu verfahren ist. Es bleibt so mühsam wie es
immer war.
Huebener: Welche Rahmenbedingung
finden Musiker in Österreich vor, welche Möglichkeiten bestehen?
Michael Krusche: Die Rahmenbedingungen sind zum Sterben, wenn man
von Musik leben will. Soll sich aber
eine Musikrichtung weiterentwickeln,
so müssen das Musiker bewerkstelligen, die ihre Tätigkeit umfassend
leben und professionell arbeiten und
nicht in einem Existenzkampf stecken.
Solche Existenzen sind in unserem
Genre unmöglich, das ist das große
und eigentliche Problem. In den letzten Jahren hat es große Einbrüche
gegeben, und die Musiker von Aniad a
Noar können nach wie vor von der
Musik nicht leben. Trotzdem müssen
wir 70 Konzerte pro Jahr absolvieren
mit Proben und Reisetätigkeit, somit
bleibt nur Zeit für Teilzeitjobs oder
Gelegenheitsaufträge. Auch das
Thema „Selbstbewusstsein” wurde
bereits angesprochen. Ich wünsche
mir Selbstbewusstsein von denen, die
etwas aufkommen lassen können. In
diesem Zusammenhang muss der
Begriff der österreichischen Identität
positiv besetzt werden.
Huebener: Sie haben mit außereuropäischen Musikern zu tun. Wie sehen
sie die Identitätsproblematik und wie
die Möglichkeiten dieser Musiker?
Horst Watzl: Es gibt verschiedene
Identitäten, die man auseinander halten muss, jene von heimischen
Musikern, solche von ausländischen
Musikern, die in Österreich Konzerte
geben, und solche von Musikern aus
dem Ausland, die in Österreich bleiben, um zu leben und zu arbeiten.
Insgesamt konstatiere ich einen
Aufbruch in Sachen World Music und
Volksmusik in den letzten Jahren,
richtige Popularitätswellen bestimmter
Stile, sei das Musik aus Kuba, vom
Balkan oder von hier wie die Erneuerungsbewegung in der Wiener Musik
und im Wiener Lied. Wir brauchen in
diesen Feldern eine Plattform sowie
Labels und Agenturen, die sich intensiv um diese Musikformen kümmern
und internationale Märkte bedienen,
denn ich bemerke ein ansteigendes
Interesse bei Veranstaltern für z.B.
auch afrikanische Musik. Im international bedeutendsten Magazin für
World Music, dem englischen „Froots”
gelang einem österreichischen
Musiker oder Projekt noch keine
einzige Nennung. Auch österreichische
Musiker sollten die sich bietenden
Chancen nützen. Gute Ausbildungen,
besonders in Niederösterreich, sind
vielfach vorhanden. Herausragende
musikalische Leistungen nehmen wir
bei jenen Workshops wahr, die wir selber
organisieren. Die Schwierigkeiten
beginnen aber später bzw. anschließend, darüber sollten wir sprechen.
Birgit Huebener: Wie sieht die
Situation am Veranstaltungssektor aus?
Norbert Ehrlich: Ich kann vielem
zustimmen, was Michael Krusche
gesagt hat, und möchte die gegenwärtige Situation in Österreich und
die vorausgehenden Entwicklungen
am Beispiel dreier heimischer
Künstler aufzeigen. Roland Neuwirth
hat bereits vor 20 bis 25 Jahren mit
der Elektrifizierung, d.h. einer neuen
Energiezufuhr für die Wiener Musik
begonnen. Otto Lechner öffnet sich in
Kooperationen mit Musikern aus aller
Welt auf urösterreichische Weise dem
globalen World-Musik-Geschehen. Karl
Hodina wiederum, der seit Jahrzehnten an seiner Musik arbeitet, kann auf
Basis eines herausragenden Talentes
als Beislmusiker, Jazzer und Maler
sein Auskommen finden. Das sind drei
Beispiele, wie man heute als MusikerIn
anständig leben und überleben kann.
Die Medienproblematik besteht natür-
52
lich nach wie vor, doch einzelne
Künstler schaffen es doch immer wieder, sie in irgendeiner Weise zu umgehen. Weiters beobachte ich, dass sich
in den letzten Jahren neue
Möglichkeiten auftun. Das hat einen
Grund in der Ostöffnung, sodass wir
neue Musik durchaus mit Nachdruck
und Professionalität präsentiert
bekommen. Als österreichischer
Musiker muss man sich neue Möglichkeiten auftun und nicht auf der Alm
sitzen bleiben und die Vorgänge in
der Ebene bedauern. Wir Veranstalter
arbeiten ja für die Künstler, damit
deren Schaffen einer möglichst großen Öffentlichkeit präsentiert wird.
Erzwingen kann man die Durchsetzung eines Künstlers allerdings
nicht.
Michael Krusche: Wir haben im Sinne
einer Öffnung nach außen Kooperationen mit MusikerInnen aus England,
Griechenland und Italien durchgeführt, wir schauen über den Tellerrand
hinaus, jedoch mussten wir diese
Unternehmungen wegen Erfolglosigkeit wieder aufgeben. Ich frage mich,
wie heimische Volksmusik eine österreichische Identität erschaffen oder
haben kann, die trotz aller Einbeziehungen fremder Musiken aus aller Welt
noch als solche erkennbar bleibt und
einem Publikum vermittelt werden
kann. Ich sehe mich immer noch vor
dem Problem des Pauschalurteils
„Österreicher sagt: Österreichisch Scheiße!”
Wolfgang Schlag: Abschottung und
Identität führen uns zu den Begriffen
Volksmusik und volkstümliche Musik,
deren Verhältnis man gesondert
diskutieren müsste. Nur soviel: Volkstümliche Musik arbeitet beim
Publikum mit ausländerfeindlichen
Tönen und Ängsten um den Arbeitsplatz und findet ausführlich im
Fernsehen statt. Den Aufschwung der
volkstümlichen Musik kann man mit
dem Aufstieg der FPÖ gleichsetzen,
die bis zu 25 Prozent der Stimmen
bekommen hat - ein Viertel des
Fernsehpublikums ist nicht zu verachten, da steckt eine Menge Geld dahinter. Volksmusik wird von volkstümlicher Musik verändert, indem zum
Beispiel Kurt Elsasser mit dem Titel
„La Montanara”, als Heimatgesülze
inszeniert, Erfolge feierte, obwohl es
ein Anlass gebundenes Volkslied eines
Bergführers von der Jahrhundertwende
war, das den Tod eines Bergkameraden beschrieb. Für heimische Künstler
erscheinen mir internationale
Kooperationen essentiell, nur scheinen
mir diese in den letzten zehn Jahren
Panel: Stilfeld „Volksmusik, Folk&World Music”
eher verschlafen worden zu sein. Eine
immer wieder geforderte Quote im
Rundfunk würde einer Band wie
Aniada A Noar nichts bringen, denn
auch in Frankreich, wo es die Quote
gibt, wird solche Musik nicht gespielt.
Man könnte maximal vorschreiben,
dass ein bestimmtes Ensemble z.B.
0,03 Prozent der jährlichen Sendezeit
bekommt, aber davon halte ich nichts.
Die Medien müssen auf die eigenen
Künstler sensibilisiert werden. Bei
ausländischen Künstlern bemerke
ich in Sachen Management, Internet,
Homepage, Aussendungen und
internationalen Festivalbewerbungen
einen professionellen Vorsprung
gegenüber den heimischen
MusikerInnen.
Michael Krusche: So eine Professionalität muss man aber auch finanzieren
können, siehe Homepage.
Managements interessieren sich nur
für Künstler, die bereits Erfolg haben.
Wolfgang Schlag: Bezüglich der
Ausbildung gibt es sicher
Verbesserungsmöglichkeiten in Österreich. An der Sibelius Akademie
Helsinki werden Volksmusik, Klassik
und Jazz selbstverständlich nebeneinander unterrichtet und gespielt.
Finnische Gruppen wie Vertine oder
Künstler wie Maria Kalaniemi sind
international sehr präsent, kommen
jährlich mit einem neuen Projekt auf
die einschlägigen Festivals. Diese
Leute haben es aufgrund ihrer umfassenden Ausbildung gelernt, Qualität
zu liefern und gute Musik zu machen.
Harald Huber: Ich denke, dass die
Wiener Musikuniversität in diesen
Bereichen einen enormen Nach- und
Aufholbedarf hat. Das hier angesiedelte Institut für Volksmusikforschung
ist ein wissenschaftliches Institut. Die
praktisch ausgelegten Lehrveranstaltungen von Rudi Pietsch und
anderen Musikern finden großen
Anklang bei unseren Studierenden,
sind aber eindeutig zu wenig. Der
große Bereich der World Music kommt
nur marginal vor, was meiner Meinung
nach ein Skandal ist. Seit 10 bis 15
Jahren ist ein Aufschwung dieses
Stilfeldes festzustellen mit einem
Boom in den 90er Jahren, wo sich
einige Musiker am Markt durchsetzen
konnten, die auf regionale österreichische Volksmusik zurückgegriffen
haben und diese mit neuer Energie
versorgt haben. Jedoch haben die
Verbesserungen nicht in allen
Bereichen des Stilfeldes gleich zufriedenstellend stattgefunden wie das
Beispiel Aniada a Noar zeigt, die in
der Reihe heimischer Volksmusikgruppen
noch am meisten dem traditionellen
Bereich zuzuordnen sind. Im Bereich
der traditionellen Volksmusik scheint
mir eine gute Förderung durch die
Volksliedwerke der Länder gegeben.
Daneben gehen aber Unterstützungen
für neuere Auseinandersetzungen mit
Volksmusik ab. Wien scheint momentan aufgrund der Initiativen einiger
weniger Personen gute Bedingungen
für das Stielfeld zu bieten. Viele
Folkfestivals der 90er Jahre haben
nicht überlebt. Wie stellt sich die
Situation außerhalb Wiens dar?
Michael Krusche: Den Begriff „Folk”
kann man vergessen. Folk interessiert
nicht, damit kann niemand etwas
anfangen, und vor Volksmusik haben
alle Angst. Mir geht es in meiner
Kritik nicht um mich, sondern um den
Nachwuchs. Durch eine gute Ausbildung
kann viel bewirkt werden, nur findet
musikalische Entwicklung nicht auf
einer Hochschule statt, sondern draußen. Der Markt wiederum ist zu klein
in Österreich, wenn meiner Einschätzung nach 300 CDs monatlich
in Österreich in diesem Segment
verkauft werden.
Harald Quendler: Meiner Meinung
nach hängt der Erfolg mit den
Hörgewohnheiten zusammen, und
da haben Bands wie Landstreich,
Broadlahn, Attwenger oder auch
Hubert von Goisern Erfolg, weil sie
das Feld der Volksmusik stark verlassen und neue Einflüsse z.B. in der
Instrumentierung implementieren.
Attwenger waren in dieser Hinsicht
extrem und richtungsweisend, haben
aber gleichzeitig Kooperationen mit
anderen Ensembles aus Berührungsängsten heraus abgelehnt, nicht einmal Abende bestritten, wo auch noch
Broadlahn oder Die Knödel gespielt
hätten. Ein weiteres Phänomen:
Je attraktiver World Musik auf dem
Markt wird, umso geringer wird die
Berichterstattung in den Printmedien.
Ich sehe keinen Journalisten von der
Kompetenz eines Wolfgang Schlag in
Zeitungen oder Zeitschriften.
Martin Sigmund: Wir sollten uns
nicht nur mit dem Markt, sondern
auch stark mit dem Publikum
befassen. Begeisterte World MusikAnhänger sind ein junges, gebildetes,
weltoffenes, urbanes Publikum, das
sich für verwurzelte Originalmusik
interessiert, ob die aus Ghana kommt
oder aus den Alpen ist da egal.
Polemiken gegen das Stilfeld
„Schlager, volkstümliche Musik” sind
unnötig, weil sich das Publikum über-
53
haupt nicht überschneidet, auch ist
Respekt gegenüber anderen Menschen
mit eigenem soziokulturellen und bildungsmäßigen Hintergrund angebracht.
Wolfgang Schlag: Die Vermischung
von Volksmusik und volkstümlicher
Musik ist fatal, auch im Tonträgerhandel.
Eine mediale Aufklärung über die
Unterschiede wäre extrem wichtig.
Wenn ich jungen Menschen erzähle,
dass ich in meiner Sendung Volksmusik spiele, wundern sich die, dass
nun auf Ö1 auch schon Hansi
Hinterseer läuft. Die Schuldigen für
diese Situation sind die volkstümliche
Musikszene in Verbindung mit den
Medien.
Publikumsmeldung: Eine Homepage
mit Hörbeispielen ist meiner Erfahrung
nach eine Grundvoraussetzung für
Musikgruppen, um von einem
Veranstalter gebucht zu werden. Ein
Informationspaket mit CD ist in der
heutigen Zeit zu wenig. Als DJ afrikanischer Musik stelle ich immer wieder
fest, dass die Neuerscheinungen von
World Musik-Gruppen in Österreich
nicht erhältlich sind und Bestellungen
nicht funktionieren oder bis zu eineinhalb Jahre dauern. In den Elektrogroßmärkten gibt es keine Repertoiretiefe und keine Repertoirekenntnis
der Mitarbeiter im Bereich World
Musik.
Rainer Kalchhauser: Ich arbeite seit
25 Jahren beim ORF-Niederösterreich
vorwiegend in der Volksmusikabteilung. Der Begriff der Volksmusik ist
bei uns zu engstirnig besetzt. Leider
bevorzugen wir in der Reproduktion
heute primär die Gstanzeln aus der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Im 20. Jahrhundert hatten wir die
Nazi-Zeit, und dann ab 1950 entwikkelten Volksliedkomponisten wie
Mittergradnegger, Glawischnig und
Mulde in Kärnten eine neue Art der
Volksmusiktradition. Was davor war,
weiß heute niemand mehr. Seit ihrer
Entstehung vor 35 Jahren prägten die
Landesstudios das Bild der Volksmusik
in Österreich sowie Persönlichkeiten
wie Walter Deutsch, der im Fernsehen
mit der Sendung „Fein sein, beinander
bleiben” ein ganz bestimmtes Bild und
einen ganz bestimmten Klang von
Volksmusik transportiert hat. An
diesen Programmmachern ist leider
vorbei gegangen, was zum Beispiel
Aniada a Noar in den letzten 20
Jahren musikalisch gemacht hat.
Auch wir bei Radio Niederösterreich
haben es verabsäumt, die ständig
erscheinenden, neuen Entwicklungen
begleitend im Programm zu präsentieren.
Panel: Stilfeld „Volksmusik, Folk&World Music”
Ich arbeite dieser Entwicklung entgegen und versuche in verschiedenen
Sendereihen die Musik von Gruppen
wie Global Kryner, Aniada a Noar,
Attwenger oder Broadlahn zu senden.
In der Volksmusik spielen wir viel
Musik österreichischer und niederösterreichischer Komponisten, leider
haben wir nur eine Stunde Sendezeit
dafür pro Tag. Eine Gruppe wie die
Ausseer Hardbradler haben sich
schon so dem Publikumsgeschmack
angepasst oder dem Geschmack
unseres Programm verantwortlichen
Landesdirektors, dass sie 4x am Tag
gespielt werden, die Gruppe
„Mainstreet” 6x am Tag.
Wolfgang Schlag: Die amerikanische
Besatzungsmacht hat Ende der 40er
Jahre einen Sender in Salzburg
betrieben und programmatisch ein
echtes Weltmusikradio verwirklicht.
Da wurde ein Ausschnitt aus einer
Symphonie gespielt, dann ein Jodler,
dann ein Schlager und ein Lied von
Duke Ellington. Für Amerikaner ist die
Beachtung der heimischen Volksmusik etwas Selbstverständliches, das
haben sie auch in Österreich praktiziert. Leider hatte diese Vorgehensweise keinen Vorbildcharakter bei der
Gründung und beim Aufbau der österreichischen Landesstudios, denn da
wurden die Musikrichtungen wieder
auseinander geklaubt.
Rainer Kalchhauser: Volksmusik kam
ins Ghetto.
Birgit Huebener: Ich möchte bitten,
in den nächsten Wortmeldungen wieder auf die aktuelle Situation Bezug
zu nehmen.
Peter Paul Skrepek: Hubert von
Goisern hat sich nicht angebiedert, er
ist ein Sturschädel. Als Mitwirkender
an diesem Projekt kann ich sagen,
dass er keinerlei Ratschläge angenommen hat. Mit Wolfgang Staribacher gemeinsam war es ein fünfjähriger Kampf, den Stil von Hubert von
Goisern zu finden. Der Erfolg war ein
riesiger Zufall, denn alle Firmen
haben ihm gesagt, dass sie das nicht
brauchen. Das Grunddilemma ist:
Österreich öffnet sich der Welt, nur
der Welt ist das egal, weil sie nichts
davon erfährt. Ich habe eine Frage:
Wisst Ihr, dass in der IG Kultur, eines
dieser Österreich weiten Netzwerke,
wie sie immer verlangt werden und
deren Mitglieder Veranstaltungen
machen, dass da ernsthaft diskutiert
wird, ob der Begriff der Identität nicht
rassistisch sei? Ist Identität wirklich
rassistisch?
Harald Huber: Identität ist nicht rassistisch, das kann man ganz einfach
beantworten. Ich möchte eine weitere
Frage anschließen: Was kann von
Veranstalter- und Medienseite getan
werden, um den offensichtlichen
Aufwind, in dem sich das Genre
befindet, zu nützen? Was kann man
österreichischen Künstlern raten?
Was brauchen Veranstalter und
Medien für Hilfestellungen von Seiten
der Politik? Man kann die öffentliche
Hand und die Politik nicht aus ihrer
Verantwortung entlassen, sie sind
aufgerufen, Mittel zu investieren.
Norbert Ehrlich: Ich kann Medien
nicht zwingen, kompetente
Weltmusikjournalisten einzustellen.
Ich kann nur langfristig darauf vertrauen, dass der Trend irgendwann
einmal so stark wird, das auch der
Standard oder der Kurier gezwungen
sein werden, einen Journalisten zu
beschäftigen, der eine Sarot von einer
Sitar unterscheiden kann. Das kann
man kurzfristig aber nicht beeinflussen. Wir leiden immer wieder darunter, dass bei Gastspielen ganz hervorragender Künstler niemand z.B. in
Wien davon Notiz nimmt. Der Jazz
bekommt Aufmerksamkeit, nur ist er
angelangt auf der Bühne der Wiener
Staatsoper als innovative Kunstform
bereits erstarrt. Man kann nur beharrlich sein und die Dinge weiter betreiben, an die man ernsthaft glaubt, und
kann sich dadurch im Laufe der Jahre
eine gewisse Credibility erwerben.
Dem einzelnen Künstler muss man
sagen, dass er genauso fanatisch sein
muss wie ein Veranstalter, dass er
sich genauso durchbeißen muss,
immer wieder trachten muss aufzufallen. Das Leben muss ein Künstler auf
die Musik konzentrieren, er muss wissen, was er will und sich öffnen.
Weiters muss er alle sich bietenden
Möglichkeiten ausschöpfen, er muss
auch kommunikativer und initiativer
werden. Die Veranstalter sind
Serviceunternehmen für die Künstler,
diese müssen aber mitarbeiten mit
allen ihnen zur Verfügung stehenden
Mitteln. Wir sollten alle gemeinsam
lernen, dass sich die Präsentation von
z.B. indischen Künstlern nicht im
Dirigat der Wiener Philharmoniker
durch Zubin Metha erschöpfen kann.
Wolfgang Schlag: Zur Mediensituation:
Ich möchte den ORF gar nicht aus der
Kritik ausnehmen, denn im Fernsehen
existiert Weltmusik gar nicht. Ich habe
es versucht mit der Serie „Wunderland”
gemeinsam mit Harald Krassnitzer,
österreichische Volksmusik und
Weltmusik gleichberechtigt zu behan-
54
deln und ins Fernsehen zu holen. Das
ist daran gescheitert, dass 600.000
Zuschauer um 21.00 Uhr abends bei
z.B. Aniada a Noar als zu gering
erachtet wurden - das ist fatal.
Die niedrige Präsenz kritischen
Journalismus' betreffend Weltmusik
in allen Medien ist ein Ausdruck für
unsere gesellschaftspolitische
Situation. Wenn man von der „Zeit im
Bild” auf „Arte Info” umschaltet,
glaubt man zwei verschiedene Welten
zu sehen. In der Berichterstattung
scheint Europa hinter Ungarn aufzuhören, Kaukasus und Tschetschenien
existieren für uns nicht. Man darf die
Situation nicht einfach so hinnehmen,
sondern muss den Medien auf die
Zehen steigen, z.B. Gerfried Sperl,
dem Chefredakteur des Standard die
deutsche Ausgabe von „Le Monde
diplomatique” zum Lesen geben und
ihn dann für den Tag darauf zu einem
Konzert mit indischen Künstlern einladen. Ich verstehe es oft nicht, wenn
eine Grunge-Band aus Texas eine
ganze Seite im Standard bekommt,
während am gleichen Abend eine
Weltmusikgruppe im Konzerthaus vor
1000 Zuschauern konzertiert - traurig.
Norbert Ehrlich: Dummheit wird
bestraft durch Entzug von Glück.
Evelyn Fink: Ich bin Mitarbeiterin am
Institut für Volksmusikforschung. Die
Volksmusik, die wir als Forschungsgegenstand nehmen, hat nichts mit
dem Markt zu tun, diese Musik hat
eine ganz niedrige Struktur ganz im
Gegensatz zu Hansi Hinterseer. Als
Institution wollen wir keine Mainstream
Forschung betreiben, auch ist der
Begriff World Music nicht ausreichend
definiert, und die Diskussionen über
Volksmusik und volkstümliche Musik
hat Gerlinde Haid schon vor 20
Jahren beim Grand Prix der
Volksmusik geführt.
Emil Lubej: In der Wissenschaft soll
geforscht werden, und für die Medien
muss Volksmusik allgemein verständlich aufbereitet werden. Ich selbst
vereine beide Pole in meiner Person.
Als Medium agiere ich aus dem Bauch
und schaue auf eine durchgängige
Linie, damit das Publikum noch alles
versteht, sonst schaltet es ab. Als
Musikwissenschaftler kann ich mehrere
hundert Seiten einem Thema widmen.
Carina Sulzer: Ich bin Mitarbeiterin
am Institut Mediacult. Ich möchte
Herrn Ehrlich für seine umsichtige
Programmpolitik danken und dafür,
dass ich durch ihn in den letzten zehn
Jahren Musik erleben konnte, die ich
Panel: Stilfeld „Volksmusik, Folk&World Music”
sonst nicht gehört hätte. Erst
unlängst war wieder ein von ihm veranstaltetes Konzert, wo leider nur ein
paar Dutzend Zuschauer waren. Die
Musiker kamen in diesem Fall erst am
Vortag aus Melbourne und konnten
daher im Vorfeld vor Ort nicht arbeiten, hier ist natürlich die Industrie
gefordert.
Gerald Schwertberger: Es gibt die
traditionelle Volksmusik, die früher im
Alltag der MusikerInnen betrieben
wurde und von diesem gespeist
wurde. Diese Musik ist fast verschwunden, diese Musik wurde nie
betrieben, um von ihr zu leben. Das
davon abgeleitete Musikschaffen ist
volkstümliche Musik, wie sie z.B.
Aniada a Noar machen. Andererseits
entstand der volkstümliche Schlager,
der hier aber nicht Thema ist.
Publikumsbeitrag: Verwenden wir
doch auch den Begriff „Volxmusik”,
um im Bereich der Volksmusik und
volkstümlichen Musik besser navigieren zu können.
Britta Kettner: Drei Begriffe sind
noch nicht zur Sprache gekommen:
Globalisierung, Internet und
Spezialisierung. Das Zukunftsinstitut
von Matthias Horx hat in einer im
November 2003 veröffentlichten
Studie veröffentlicht, dass das
Formatradio am Ende ist, und dass die
Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten bringen wird. Warum macht die
Szene nicht ihren eigenen Radiokanal?
Das ist gar nicht mehr so teuer. Mit
Partnern muss man ein chancenreiches Konzept bei der RTR für die
Zuerkennung einer Frequenz erarbeiten. Man muss einen 60 Millionen
Markt im Auge haben, dann sollte
man auch irgendwann Profit machen
können. Ich möchte mehr Visionen
und weniger Nichts-geht-Diskussion.
noch sprechen, die in einigen
Bundesländern ihre Funktionen nicht
erfüllen. Es ginge dabei um ein
modernes Arbeiten, das Unterstützung
für die Musikgruppen bietet und nicht
um Selbstbefriedigung wie z.B. in Wien.
Norbert Ehrlich: Ich sehe trotz allem
die Zukunft positiv, nur ein anderer
Musiker- und Menschentyp sind
gefragt. Der Musiker kann sich nicht
mehr nur als hochgradiger Spezialist
empfinden, der ein Instrument
beherrscht und diese Tätigkeit bis zur
Perfektion betreibt, sondern er muss
sich selbst vermarkten und kommunikativer werden mit Hilfe aller technischen Möglichkeiten. Ich hatte in den
letzten Jahren so überwältigende
musikalische Erlebnisse durch
Künstler, die kein Mensch kennt,
sodass wir einen noch unendlichen
unentdeckten Kontinent an musikalischen Möglichkeiten vorfinden werden, den wir Schritt für Schritt kennenlernen werden. Das ist eine
Chance, nur brauchen wir einen langen Atem. Entweder wir kooperieren
alle, oder wir gehen miteinander unter.
Birgit Huebener: Bitte um ein kurzes
Schlussstatement der Panelteilnehmer.
Horst Watzl: Es sollte ein regelmäßiges Austauschforum geben bzw. eingerichtet werden, wo laufend genau
diese Fragen, die wir heute erörtern,
thematisiert und diskutiert werden auch, um die Kommunikation mit den
Medien voran zu treiben. Es gibt seit
2003 einen Weltmusikwettbewerb,
der 73 Einsendungen verzeichnen
konnte. Leider wurde keine österreichische Volksmusik eingereicht, hier
sollten Berührungsängste abgebaut
werden. Begegnungen zwischen
österreichischen Musikern und
Musikschaffenden aus aller Welt sollten intensiviert und aktiv gefördert
werden, hier gibt es in Österreich ein
brach liegendes Feld. Internationale
Kooperationen gehören ausgebaut.
Neue Orte für die Musik unseres
Stilfeldes sollten vermehrt erschlossen werden.
Wolfgang Schlag: Eine Vernetzung
und gegenseitige Unterstützung der
vielen in unserer Szene Arbeitenden
ist äußerst wichtig. Diese Netzwerke
sollen nicht abschotten, sondern
Kooperationen nach außen in Gang
bringen, so wie wir es von Glatt-undVerkehrt mit dem Sziget Festival und
mit Südtirol handhaben, auch EUFörderungen sollten durch internationale Projekte lukriert werden.
Genügend Know-how bezüglich des
Arbeitens in einem globalisierten
Kontext ist mittlerweile vorhanden.
Über die Volksliedwerke müsste man
Michael Krusche: Wir haben mit
Ensembles aus anderen Ländern
kooperiert und erfahren, dass dieses
gemeinsame Musizieren selbst unter
schwierigsten Umständen sehr interessante Ergebnisse hervorbringt und
sowohl bei den Beteiligten als auch
beim Publikum großen Anklang findet.
Ich würde mir noch viel mehr von diesen Zusammenarbeiten wünschen.
Leider ist es oft finanziell nicht möglich. Die Kulturpolitik ist hier gefordert und in die Pflicht zu nehmen. Es
war z.B. nicht möglich, Euro 1.500.vom Land Steiermark für Reisekosten
55
(gesamte Band) nach Birmingham zu
bekommen, um am dortigen
Konservatorium eine Woche zu spielen und zu kooperieren, wobei keine
Hotelkosten angefallen sind, weil wir
privat untergebracht wurden. Für so
etwas sollte - glaube ich - Geld da
sein. In Österreich gelten noch immer
die Kulturinitiativen als die Basis des
kulturellen Lebens und Veranstaltens.
Was diesen Kulturinitiativen, die meist
ehrenamtlich über ihre Tätigkeit ein
Publikum aufbauen und bilden, in den
letzten sieben bis acht Jahren angetan wurde, ist eine Katastrophe. Der
Szene wird so das Wasser abgegraben. Gute Voraussetzungen für neue
Künstler sind also nicht vorhanden.
Birgit Huebener: Vielen Dank für Ihre
Beiträge vom Panel und aus dem
Publikum.
56
PANEL: STILFELD
„SCHLAGER & VOLKSTÜMLICHE MUSIK/BLASMUSIK”
Andy Zahradnik: Mein Name ist Andy
Zahradnik, ich bin musikindustriell
tätig seit 30 Jahren und habe eines
immer wieder festgestellt: Österreich
ist Schlagerland, fühlt sich aber leider
abgebrannt, weil es selbst nicht dazu
steht. Heute denkt man beim Begriff
Schlager an eine ganz bestimmte
Form der Popularmusik, in den 50er
und 60er Jahren war mit „Schlager”
noch alles gemeint. Schlagerparaden
der 60er beinhalteten die Beatles,
Rolling Stones usw. Bis 1968 lief in
Deutschland beinahe keine englischsprachige Musik, der internationale
PopRock-Sound hielt über deutsche
Texte Einzug, auf Singles stand die
Bezeichnung „Die deutsche
Originalfassung”, d.h. der Schlager
von heute ist mit dem früherer Zeiten
also nicht mehr zu vergleichen. Die
heutige Form wurde aufgrund von
Medienbedingungen und Zielgruppenanalysen zu dem entwickelt, was wir
heute als Schlager hören. Der Begriff
„Schlager” kann das weite Spektrum
der zur Zeit unter diesem Signet laufenden Musik nicht hinreichend und
sinnvoll fassen (Schürzenjäger,
Al Bano Carrisi, DJ Ötzi, Patrick
Lindner Band usw.). Ich verwende
daher den in Amerika geprägten
Begriff „MOR”. „Middle of the Road”
bezeichnet Musik, die den größten
gemeinsamen Nenner sowohl medial
als auch verkaufstechnisch trifft, d.h.
am Besten ankommt und verkauft. Da
sind wir in Österreich mit Sicherheit
am Breitesten vertreten. In den
Kalenderwochen 1 bis 16 im Jahr
2004 sind 191 Alben gechartet, davon
32 im MOR-Bereich, obwohl die Saison
noch gar nicht begonnen hat. Diese
beginnt im Frühjahr bzw. im
Frühsommer mit den großen Open Air
Konzerten und den daran angebundenen Tonträgerveröffentlichungen.
In sämtlichen GfK-Studien wird dem
MOR-Bereich ein Marktanteil von 15%
ausgewiesen, obwohl hier z.B.
Instrumental- und Weihnachtsmusik
getrennt veranschlagt werden.
Ebenso spricht die Goldverleihungsstatistik der IFPI eine deutliche
Sprache: Österreich ist Schlagerland.
Leider geht es dem MOR-Genre ein
wenig wie der Pornografie: Viele tun
es, nur wenige stehen auch öffentlich
dazu. Abschottungstendenzen gegenüber diesem Genre sind überall zu
konstatieren, verstellen leider den
Blick aufs Wesentliche. Aus dem
Blickwinkel der Wertschöpfung haben
wir mit dem Schlager das erfolgreichste Exportgenre, mit dem wir den
dritt- bis viertgrößten Musikmarkt der
Welt bedienen, den deutschsprachigen
Markt. Auch in Sachen Kontinuität
haben österreichische Künstler im
Schlagerbereich Großes erreicht,
wenn man an Künstler wie Brunner &
Brunner, Monika Martin, das Nockalm
Quintett oder die Kastelruther
Spatzen denkt. Interessanter Weise ist
der Independentbereich in Österreich
sogar stärker als die Majors. Besonders
im Markt unter der Oberfläche, also
wo Musikkapellen wöchentlich aufspielen, direkt ihr Publikum erreichen
und direkt Tonträger verkaufen, liegt
noch weiteres Entwicklungspotential
für die Independents.
Ich kann nur empfehlen, sich im
Herbst nach Kastelruth zu begeben
zum Fest der Kastelruther Spatzen.
Dort ist die einzige freie Hochebene
in den Dolomiten, dort wird das größte Festzelt Europas aufgebaut mit
einem Fassungsvermögen von 15.000
Personen, nur eine Straße führt hinauf und hinunter. Die Kastelruther
Spatzen spielen dort an drei Tagen
vier Gigs vor jeweils 15.000 Menschen,
also vor 60.000 Zuhörern, das ist
gigantisch. Wer im Popbereich zieht
eine derartig große Menschenmasse
in ein gottverlassenes Gebiet? Das
zeigt, dass diese Musik eine Magie
aufweist. Woher kommt das
Publikum? Es sind Menschen, mit
denen wir vielleicht wenig in
Berührung kommen, aber fahren sie
einmal nach dem Winter, wenn alle
ihre Autos waschen, durch die
Einfamilienhaussiedlungen des 22.
Bezirk: Die Autoradios spielen „Ich
hab' dich tausendmal belogen”,
„Junischnee” oder Dinge dieser Art.
In der Wiener Radioszene hat es jahrelang gedauert, einen Sender zu etablieren, der sich genau dieser Musik
annimmt: Radio Arabella. Es werden
also im Tonträgerbereich und im
Radio latente Bedürfnisse befriedigt,
es gibt Erfolg, nur davon erfährt niemand. Wir wollen, ohne als Anwalt für
den MOR-Bereich aufzutreten, in diesem Panel auf diese Tatsachen und
auf die damit verknüpften wirtschaftliche Gegebenheiten und Chancen
hinweisen. Die in Deutschland erhobene Nicht-Käufer-Studie besagt, dass
überhaupt nur 50% aller Menschen
CDs kaufen. Vom Teil der Nicht-Käufer
seien 20% reaktivierbar. Daher wird
bezüglich der Musikpräferenzen dieser potentiellen Käufer intensiv
geforscht. Wie, Herr Viertbauer, funktioniert der Konzertbetrieb in unserem Genre, er unterscheidet sich ja
deutlich vom Livebetrieb z.B. der
Popszene?
August Viertbauer: Ich habe klassische Posaune studiert und bin schon
mein ganzes Leben mit Musik befasst.
Irgendwann habe ich mich für die
Vermarktung von Musik zu interessieren begonnen: Management, Promotion,
Umgang mit den Medien. Die erste
Gruppe, die ich unter Vertrag genommen habe, waren die jetzt sehr erfolgreichen Seer aus dem Ausseer Land.
Wir haben uns den Erfolg richtiggehend erspielt, also vom ersten Diskothekenauftritt vor 20 Personen bis
zum heutigen Open Air. Ich möchte
eine Lanze für die Interpreten in diesem
Genre brechen: Sie jammern nicht,
sondern gehen hinaus und spielen.
Andy Zahradnik: Funktioniert es
nicht auch deshalb, weil es in diesem
Stilfeld Strukturen gibt wie eine
Managementszene, die Booking,
Auftrittsberatung etc. leistet?
August Viertbauer: Ja, es ist vieles
professioneller geworden, nur das
entscheidende Medienproblem
besteht nach wie vor, dazu ein
Beispiel: Vor zwei Jahren gingen die
Seer in den Charts von Null auf Eins,
im „News” standen darüber vier
Zeilen, eine Woche später gingen die
No Angels von Null auf Drei, im
„News” kam eine Doppelseite. Ich
frage mich, welche Wertschätzung
man erfährt, wenn eine österreichische Gruppe, die in Mundart singt,
eine CD produziert und erfolgreich
verkauft? Damit habe ich ein echtes
Problem. Es konnte mir dort auch niemand eine Antwort geben. Die Gruppe
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
„Last Exit” aus Bad Aussee singt in
ihrer Muttersprache, scheinbar ist das
der einzige Fehler dieser Band, dass
sie von manchen Medien negiert wird.
Manfred Wodara: Das Wertschätzungproblem beim Schlager beginnt doch
schon bei den Kreativen, die Wertschätzung ist nicht gegeben. Warum
ist das so? Auch Herr Morak ist
gestern über die Sieger der Song
Contest Vorausscheidung hergezogen,
obwohl das Publikum für diese votiert
hat. Sobald etwas Schlager heißt, was
ja nichts anderes als populär bedeutet, gibt es ein „Na ja”.
Wolfgang Schlag: Wenn Sie beginnen,
hier über den Eurovisions Song
Contest zu reden, von Wertschätzung
und letztlich von Qualität zu reden,
und wir sitzen hier in einer Musikuniversität, dann wird es schwierig für
mich, weil der Song Contest hat ja
nichts mehr mit der Musikrealität zu
tun. Er ist ein hybrides Ereignis, das
konterkariert wird von Musikern, die
sich darüber lustig machen und trotzdem dort auftreten dürfen. Ich weiß
nicht, was das mit Qualität oder
Wertschätzung zu tun hat, es ist ein
Medienereignis.
Manfred Wodara: Hinter den Gewinnern
steht ein Produzent aus Vorarlberg,
der das auf eigene Faust ohne
Unterstützung von Plattenfirmen
gemacht hat, wo die Medien sich nur
darüber ereifert haben, dass das wohl
gestohlen wäre von Yvonne Catterfeld.
Es ist ein österreichisches Produkt,
80.000 Menschen haben für diesen
Titel votiert. Es geht mir nicht um
Inhalt und Qualität der Vorausscheidungssendung, zumindest war es eine
Musiksendung. Wenn wir es in diesem
Land nicht schaffen, etwas Besseres
auf die Bühne zu stellen, dann müssen wir uns mit dem zufrieden geben,
was dabei rauskommt. Warum schaffen wir es nicht, dort einen besseren
Beitrag auf die Bühne zu stellen?
Peter Paul Skrepek: Der ORF lässt es
nicht anders zu.
Wolfgang Schlag: Warum?
Peter Paul Skrepek: Die IFPI hat sich
bereit erklärt, neun Titel zu bringen.
Tim Lange, der Sendungsverantwortliche, hat davon sechs Titel
ausgewählt, das war aber nicht ausgemacht. Wenn man unter solchen
Bedingungen arbeitet, sei es als
Tonträgerhersteller oder Musikschaffender, mit Leuten arbeiten
muss, die von der Materie nur im
Minusbereich Ahnung haben, dann
haut man irgendwann einmal den Hut
drauf. Ich weiß nicht, warum Tim
Lange, der von der Materie nichts
versteht, Sendungen im Musikbereich
machen darf. Es ist zum Verzweifeln!
Wolfgang Schlag: Aber warum steht
niemand auf und sagt etwas?
Peter Paul Skrepek: Das haben wir
gesagt! Das sagen alle. Nur wenn dir
dort niemand zuhört! Wenn du eine
Kritik anbringst, heißt es: Das ist zu
allgemein oder das ist zu persönlich.
Einmal ist es zu allgemein, einmal zu
persönlich: Du kannst dir aussuchen,
welches Argument kommt, damit du
abgedreht wirst. Es ist einfach die
Inkompetenz bei dem größten österreichischen Medienunternehmen, wo
man mittlerweile über Jahrzehnte
Musiker und Musikerinnen aus dem
Unternehmen rausdrängt und Leute
hineinsetzt, die keine Ahnung haben
von diesem speziellen Bereich. Da
braucht man sich nicht wundern,
wenn es so ausschaut.
Harald Huber: Ich möchte, um der
Diskussion eine gute Grundlage zu
geben, bitten, zunächst alle
Panelteilnehmer einleitend gut zu
Wort kommen zu lassen.
Andy Zahradnik: Gerne. Was mir sehr
am Herzen liegt: Weil wir heute in
einer Musikuniversität sitzen, sollten
wir das Fähnchen der Toleranz hoch
halten, und nicht diskutieren über
gute und schlechte Musik, die subjektiv ist. Ich wünsche mir, dass wir am
Abend hier alle mit roten Ohren hinausgehen und zumindest einer den
anderen versteht und jeder seinen
Standpunkt dargestellt hat. Herr
Weyermüller, die Blasmusik ist ein
urösterreichisches Genre, man hat
aber auch das Gefühl, dass sich bei
der Blasmusik seit Jahrzehnten nichts
mehr verändert hat. Ist das auch tatsächlich so?
Friedrich Weyermüller: Diese Einschätzung ist auf ein Informationsdefizit zurückzuführen. Ich glaube,
dass in der Blasmusik sogar mehr
passiert als in anderen Bereichen.
Die Ausstattung und Besetzung der
Orchester hat sich entwickelt, sie finden in der mittleren Leistungsstufe
Orchester mit vier bis sechs Flöten,
mit Oboen und Fagotten. Eine riesige
Entwicklung hat in der Jugendarbeit
stattgefunden. Bis zu 10.000 Jungmusiker-Leistungsabzeichen vergeben
wir jährlich, das sind Leistungsprüfungen in verschiedenen Stufen:
57
Bronze, Silber und Gold, wobei die
goldenen Abzeichen in Zusammenarbeit mit den Konservatorien und in
den Konservatorien gemacht werden.
Wir können eine objektive Ebene
vorweisen. Die jungen Leute wollen
zeigen, dass sie auf ihrem Instrument
etwas können. Alle zwei Jahre haben
wir anlässlich des Nationalfeiertages
einen Bundeswettbewerb „Musik in
Gruppen” für vor allem Jugendliche.
Da können sie alte Meister hören.
Schein, Nörbiger oder Heinrich Isaak,
aber auch ganz moderne Komponisten
werden aufgeführt. Wir haben die
ganze musikalische Palette. Es boomt
unwahrscheinlich. Wir haben einen
großen Zustrom an Perkussionsgruppen
in vielfältigster Form. Weiters entwikkelt sich die Aus- und Fortbildung der
Dirigenten. Ein Orchester kann immer
nur so gut sein wie der, der vorne
steht. Es wird auf Bezirks- und
Landesebene gearbeitet, weiters gibt
es Meisterkurse mit den besten
Dozenten, wo unsere Dirigenten neue
Musik lernen. Wir schreiben Kompositionsaufträge und Kompositionswettbewerbe aus für jedes einzelne
Instrument, um neue Literatur zu
bekommen. In den hohen Leistungsstufen haben wir genügend Literatur,
wir haben zu wenige Komponisten für
Orchester, die einfacher ausgestattet
sind.
Andy Zahradnik: Der Österreicher
verbindet mit Blasmusik die
Aufmärsche im Musikantenstadl. Ist
das nur der folkloristische Teil, und
dahinter passiert wesentlich mehr?
Friedrich Weyermüller: Das ist ein
minimaler Teil. Es ist nicht normal,
dass eine Musikkapelle immer im
Gänsemarsch einmarscht, drei
Runden dreht, der Dirigent mit dem
Rücken zum Orchester dirigiert, damit
ihn das Publikum sieht: Das ist eine
Spielwiese, die sich der Herr Moik
zurechtgerichtet hat. Wenn 10.000
Fliegen auf einem Misthaufen sitzen,
heißt das noch nicht, dass der
Misthaufen gut ist. Es gibt einen
großen Teil von Blasmusik abseits von
Marschmusik und Gebrauchsmusik im
Bierzelt. Was wäre eine Ortschaft
ohne Musikkapelle, sie wäre wie eine
Kirche ohne Glocke.
Publikumsfrage: Haben Sie Zahlen
für den Bereich Blasmusik?
Friedrich Weyermüller: Wir haben ca.
2150 Musikkapellen in Österreich, in
denen rund 100.000 aktive Musiker
und Musikerinnen spielen. Der Anteil
der Jugendlichen beträgt 42%, der
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
Frauenanteil 27%. Millionen von Euros
werden mit Trachten, Uniformen,
Instrumenten, Noten, Ausrückungen
und Probelokalen umgesetzt. Das ist
ein großer Wirtschaftsfaktor.
Andy Zahradnik: Gibt es internationalen Austausch?
Friedrich Weyermüller: Natürlich.
Viele Organisationen sind fest in
österreichischer Hand. Ich war zwölf
Jahre Präsident des internationalen
Dachverbandes „Confédération
Internationale des Sociétés musicales” (CISM), heute bin ich deren
Ehrenpräsident. In der „Internationalen Gesellschaft zur Erforschung
und Förderung der Blasmusik” (IGEB)
gibt es ebenfalls einen österreichischen Präsidenten, Herrn Dr. Bernhard
Habla. In der „World Association for
Symphonic Bands and Ensembles”
(WASBE) war Professor Wolfgang
Suppan Präsident. Unser gerade auf
Schloss Zeillern abgehaltenes
Symposion unter Beteiligung der
Länder Slowakei, Tschechien, Ungarn
und Slowenien soll die Initialzündung
für eine mitteleuropäische Blasmusikakademie sein. Wir möchten den
Kreativstandort Mitteleuropa
besonders hinsichtlich der
Komposition von Blasmusikwerken
ganz bewusst im Vergleich zu den
starken Produktionsländer USA und
Holland aufwerten und stärken.
Paul Hertel: Wie hoch ist der Anteil
österreichischer Kompositionen in
den Blasmusikkonzerten?
Friedrich Weyermüller: Schön wäre
es, hätten wir diese Zahlen von der
AKM, dort müssten sie gemeldet sein.
Es gibt Extrembeispiele, wo wir fast
keine österreichischen Komponisten
mehr in den Programmen finden.
Paul Hertel: Ich weiß von einem
Verleger, dass österreichische
Komponisten ihren Werken englischsprachige Titel geben, weil sie sonst
von den Kapellmeistern nicht beachtet werden.
Friedrich Weyermüller: Ich muss
Ihnen leider recht geben. Es heißt
nicht „Ein schöner Tag”, sondern „A
joyful day”. Da haben wir eine große
Parallele mit dem Schlager. Wenn der
heute in einer anderen Sprache ist,
wird der gesungen. Unter unseren
Komponisten gibt es nur ganz wenige,
die so viel Selbstbewusstsein und
Kraft haben, deutschsprachig zu
schreiben. Die MID Europe, die zu
Wolfgang Suppans Zeit in Schladming
stattfand, hat deshalb eine englische
Bezeichnung, weil sie aus der MID
West in Chicago hervorgegangen ist.
Dann haben wir noch die Internationalen Musiktage Vöcklabruck. Hier
wird auf die Präsentation neuer Musik
geachtet. Allerdings soll man das
Publikum nicht überfordern, wir
müssen es erziehen.
Rainer Kalchhauser: In Radio
Niederösterreich hatten wir früher
sieben Mal in der Woche eine halbe
Stunde Sendezeit für die Blasmusik.
Leider hat sich das reduziert auf
Mittwoch und Donnerstag jeweils eine
halbe Stunde und den sonntäglichen
Frühschoppen von 11.00 bis 12.00 Uhr.
Wir arbeiten ganz eng mit dem österreichischen und dem niederösterreichischen Blasmusikverband zusammen. Wir senden sicher über 50%
österreichische Komponisten bei der
Blasmusik, auch junge Musiker wie
Otto Martin Schwarz oder Herbert
König.
Friedrich Weyermüller: Wir haben
leider auch die Erfahrung gemacht,
dass bei Programmen mit ausschließlich neuer Musik, sich viele Zuhörer
abwenden, so geschehen bei einer
hervorragenden Blasmusikkonzertübertragung aus Linz auf Ö1 mit einer
Ausschaltquote von 70 Prozent.
Andy Zahradnik: Neben mir sitzt
Kurti Elsasser. Er war in den 80er
Jahren ein Kinderstar mit einem
Standing, das ein Heintje in den 60er
und 70er Jahren hatte. Nach dem
Stimmbruch war es mit dem Startum
vorbei. Ich bin sehr froh, dass er hier
sitzt, denn er müsste wissen, wie sich
die Bedingungen für einen Künstler
im hier zu diskutierenden Genre verändert haben. War es früher leichter,
ist es heute schwerer? Hat Dir die
mediale Umwälzung bei Deinem
Comeback geholfen?
Kurt Elsasser: Ich war damals elf
Jahre alt, das ist 25 Jahre her, und
ich habe vieles damals natürlich mit
Kinderaugen gesehen. Ich hatte einen
großen Erfolg in Österreich und
damals auch gute Plattenverkäufe. Ich
hatte damals ein älteres Publikum von
25 bis 70 Jahren. Die älteren Leute,
die heute die CDs meiner zweiten
Karriere kaufen wollen, trauen sich in
einen Media/Saturn-Markt gar nicht
hinein, finden sich da auch nicht
zurecht, früher konnte man überall
Schallplatten kaufen. Die Zentralisierung im Handel benachteiligt ältere
CD-KäuferInnen.
58
Andy Zahradnik: Was hat sich medial
verändert? Was passiert, wenn Du
heute mit einer CD zum Rundfunk
gehst?
Kurt Elsasser: Bei meinem
Comeback hatte ich einen Bonus bei
den Redakteuren, weil ich schon von
früher bekannt bin. Ich sehe aber bei
heimischen Newcomern, die hervorragende Produktionen machen, dass
sie keine Chance im Rundfunk bekommen. Leider werden im Radio die
Interpreten nicht genannt, sodass
man im Plattenladen das Lied vorsingen muss, um den Titel ausfindig
machen und kaufen zu können.
Andy Zahradnik: Hat sich, August
Viertbauer, etwas verändert, was die
Wahrnehmung des Produkts in den
Medien betrifft?
August Viertbauer: Das Schlimmste,
was uns passiert ist, ist das Wort
„Format”. Formatradio: Was soll das
heißen? Gibt es demnächst auch den
formatierten Hörer? Alles was nicht in
die Kiste passt, wird nicht gespielt. Ich
habe zu Beginn meiner Tätigkeit
Jazzproduktionen von z.B. Rudi Josel
oder Claude Boling promotet und verkauft. Jeder im Rundfunk hat zu mir
gesagt: „Das ist großartig, aber das
können wir nicht spielen.” Was soll
das heißen? In Schönheit sterben.
Andy Zahradnik: Du gehst ja mit
klassischem MOR-Repertoire an
Sender heran, die darauf ausgerichtet
sind, so etwas zu spielen.
August Viertbauer: Nicht immer. Bei
den Seer war es so: Das wollte
zunächst überhaupt niemand, bis der
Druck von der Öffentlichkeit kam, d.h.
viele Leute haben bei den Sendern
angerufen, dass sie diese Musik hören
wollen. Plötzlich haben alle gewusst,
dass das super ist. Vor 15 Jahren hat
es noch Fachhändler gegeben, da
habe ich als Vertreter Klinken
geputzt. Man konnte bei qualifiziertem Personal Tonträger bestellen und
hat sie bekommen. Geh' heute in
einen Mediamarkt und versuche, die
letzte Produktion von Peter
Herbolzheimer zu bekommen: Du
wirst scheitern. Die sogenannte
Nischenmusik ist keine, denn es gibt
genügend Menschen, die diese
Produkte wollen. Man müsste wieder
dringend Strukturen aufbauen, wo
geschultes Fachpersonal vielfältige
Musik anbietet. Früher gab es in Steyr
bei Hartlauer einen Herrn Petz, der
ein wandelndes Lexikon war und
jeden Tonträger besorgen konnte. Das
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
gibt es heute nicht mehr.
Leonhard Leeb: Können sie das
Verhältnis sagen, wie viel Tonträger
die Seer im Handel und bei LiveKonzerten absetzen?
August Viertbauer: Vom Album
„Junischnee” haben die Seer 58.000
Stück in Österreich abgesetzt, davon
wurden 10.000 bei Liveveranstaltungen verkauft. Bei Rudi Josel, der
Posaunist der Wiener Philharmoniker
war und dessen Leidenschaft der
Jazz war, haben wir damals in Österreich 1.000 Stück verkauft, aus Japan
jedoch Bestellungen über 10.000
Stück bekommen, das ist bezeichnend.
Publikumsmeldung: Ich bin DJ. Vor
fünf Jahren haben wir Jean Paul
gespielt, da war die Tanzfläche leer,
das hat niemanden interessiert, weil
es neu war. Heute ist es der Renner,
nachdem es Nummer eins in Amerika
war, jedes Kind pfeift es jetzt auf der
Straße. Als DJ geht es dir wie den
Künstlern, erst wenn Musik im Radio
gepusht wird, gefällt sie den Leuten,
und sie wird gekauft.
August Viertbauer: Es liegt auch ein
großes Manko vor, was die Plattenindustrie betrifft. Früher hat man
Künstler aufgebaut, drei bis fünf
Jahre an ihnen gearbeitet. Wenn
heute das erste Album nicht in die
Charts geht, kann man alles wieder
vergessen. Das An-einem-ThemaDranbleiben sehe ich nicht mehr.
Andy Zahradnik: Wir haben - das
wissen wir von der Chartsauswertung
- eine statistische Entwicklungszeit
von fünf bis acht Jahren, bis es tatsächlich wirklich knallt in unserem
Genre. Diese Zeit bekommt man
heute industrieseitig nicht mehr, nicht
von den großen Firmen, die sich bei
ihren Umstrukturierungen nur mehr
auf die Kernmärkte beschränken, und
das ist Österreich nicht. Österreich
muss sich um sich selbst kümmern.
Wir müssen uns gerade in unserem
Genre auf die eigenen Beine stellen,
wir haben nämlich einen riesigen
Markt vor der Haustüre. Folgendes
Phänomen halte ich für interessant:
Jahrzehntelang war Popularmusik
immer mir Gesellschaftspolitik und
Zeitgeist verbunden, siehe Woody
Guthrie, Bob Dylan usw. Seit einigen
Jahren findet das nicht mehr statt mit
Popmusik, die Situation wird getopt
mit Starmania, DSDS etc. Musik wurde
aus ihren eigentlichen Kerninteressen
herausgelöst, nämlich Emotionen zu
schüren, die latent in einem vorhanden sind, weil man von außen geprägt
wird. Popularmusik ist zu Konsumationsmusik geworden. Das Loch, das
sich auftut, wird interessanterweise
vermehrt durch den Schlager gefüllt.
Das Pariaproblem bleibt bestehen.
Wenn sich jemand Texte von Andrea
Berg anhört, und die Dame hat bis vor
kurzem fünf Alben in den deutschen
Charts gehabt, oder von Monika
Martin oder von den Seern, da werden Dinge, Probleme abgehandelt, die
den einzelnen Menschen betreffen.
Also es geht nicht um rote, grüne
oder gelbe Sakkos, die auf der Bühne
stehen und hundertmal „Liebe” singen, sondern diese Künstler treffen
den emotionalen Faktor voll. Das ist
der Grund, warum hier Verkaufsziffern erreicht werden, die unglaublich sind.
Wolfgang Schlag: Ich bin ein Kritiker
der volkstümlichen Szene, das möchte
ich nicht abstreiten. Eine Untersuchung belegt, dass das Schlagerpublikum und jenes der volkstümlichen Musik dieses Genre hört, weil
es nicht so gut englisch kann und darüber Identifikation bekommt. Bei z.B.
Konzerten der Schürzenjäger habe
ich thematisch festgestellt, dass mit
Ängsten gearbeitet wird, d.h. dem
Zuzug von Ausländern, Verlust des
Arbeitsplatzes und der Liebe. Kurt
Elsasser würde ich gerne nach seiner
Meinung zu diesem Sachverhalt
fragen. Eine Frage an dich, Andy:
Was heißt „es knallt” in Zahlen?
Andy Zahradnik: Umsatzzahlen
hängen immer vom Markt ab. Der
österreichische Markt verhält sich
zum deutschen mit dem Wert 1:10
oder 1:11. „Knallen„ bedeutet kommerziellen Erfolg und heißt, dass ein
Projekt alle seine Unkosten und
Marketingspendings einspielt und profitabel wird, und zwar so profitabel,
dass es die anderen, nicht profitablen
Projekte eines Unternehmens aufwiegt. Ich gebe Dir recht, was die
textlichen Inhalte betrifft. Textliche
Intensität wird mit Emotionen
erreicht, in denen Ängste stecken
können. Bob Dylan hat es nie anders
gemacht, eben auf englisch und auf
einer wesentlich intellektuelleren
Ebene. Hört Euch wertungsfrei Texte
von einer Andrea Berg an, und Ihr
wisst, warum das meistens Frauen
kaufen bei einer Scheidungsrate von
knapp über 50 Prozent.
Manfred Wodara: Ich höre eine Kritik
heraus, Schlager wäre etwas für
Unterbelichtete. Warum ist der
59
Schlager bei den Musikern, den
Kreativen so verpönt? Ein Beispiel
dazu: Beim Titel „Ab in den Süden” im
letzten Jahren glaubten alle, der wäre
von der Gruppe „Seeed”, und sie fanden das toll, weil es deutscher HipHop
ist. Dann hat sich herausgestellt, dass
es nichts mit Seeed zu tun hat, sondern ein ehemaliger Klempner dieses
Lied gesungen hat, und das Interesse
in den Medien verschwand sofort,
plötzlich war es auch nicht mehr gut,
sondern Schlager. Da ist in unseren
Köpfen etwas falsch.
Andy Zarahdnik: Das liegt daran,
dass zwei Welten parallel nebeneinander existieren, die nichts miteinander
zu tun haben und nichts zu tun haben
wollen. Meine Musikbusinesserfahrung
zeigt auch: Wenn du in einem Unternehmen im Bereich Schlager tätig
warst, wurdest du nicht ernst genommen, du warst der Schlagerheini,
selbst bei persönlich ganz anderen
musikalischen Interessen. Die
Punzierung des Schlagers beginnt
schon bei uns. Es geht um eine wertfreie Betrachtung und Wahrnehmung
des Phänomens, dass eine Musik aus
österreichischen Wurzeln in unserem
Land soviel umsetzt wie keine andere.
Wir sollten versuchen, diesem Genre
eine wirtschaftliche Lebensbasis zu
geben, und an einer Bewusstmachung
dieses Phänomens arbeiten.
Michael Huber: Ich arbeite gelegentlich als DJ, lege primär Techno auf,
und stelle dabei fest: Sobald die
Hemmschwelle durch den fortgeschrittenen Abend und den
Alkoholkonsum bei den Tanzenden
sinkt, je weniger sich Menschen
benehmen müssen, wie es von ihnen
erwartet wird, umso leichter feiere ich
riesige Erfolge mit Peter Alexander,
Cindy & Bert, Caterina Valente u.a.
Mario Weitzl: Zum Formatradio
grundsätzlich ein „Ja”. Es kommt nur
darauf an, wie sehe ich mein Format.
Es kann durchaus sehr breit konzipiert sein von Niki bis Kylie Minogue
und funktionieren. Es kommt nur darauf an, welche Titel zu welcher Zeit
kommen und wie sie abgemischt werden, das ist das Geheimnis. Weiters:
Viele Musikredakteure im Radio kennen zu wenig Musik, haben keine
Repertoirekenntnis mehr, weil die
Musik vorgegeben wird.
Andy Zahradnik: Dazu kommt: Wenn
das Programm aus dem Ausland angeliefert wird, dann können lokale Musiken
und Künstler ganz automatisch keinen
Eingang ins Programm finden.
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
August Viertbauer: Es gibt ja diese
Beraterfirmen, die zu den Landesstudios
kommen, damit hat Ö3 begonnen.
Rainer Kalchhauser: Die kommen
nicht mehr.
August Viertbauer: Das Werk ist
schon erledigt. Ein Freund von mir
aus Hamburg war nach zehn Jahren
wieder in Österreich und hat festgestellt, dass unsere Radios genauso
klingen wie in Hamburg, er fragt mich:
„Wo ist denn Eure Eigenart? Wo höre
ich, dass ich in Österreich bin?” Es
wird alles so eingeengt. Warum gibt
es in einem Landesstudio keine
Spartensendung für Country? Weil ein
paar glauben, das ist nichts. Warum
enthält man Leuten etwas vor und
sagt: „Unsere Hörer wollen das nicht
hören.” Genau das höre ich oft, wenn
ich als Promoter bei Radios bin.
Andy Zahradnik: Wenn wir eine
Radiodiskussion führen wollen, dann
vielleicht eingeengt auf die Thematik,
welche Probleme das MOR-Repertoire
vorfindet. Werden einem kommerziell
funktionierenden Genre Prügel vor
die Füße geworfen?
Manfred Wodara: Wir haben in diesem Land ein Medienproblem, das
zieht sich durch alle Musikbereiche
und Genres. Einhergehend mit der
Radioliberalisierung ist nichts passiert. Wir haben auf Ö2 - Radio Wien
ist abgekoppelt zu sehen - viel zu
wenig Möglichkeiten, Neues zu spielen. Da müssen wir etwas tun! Es gibt
eine Ignoranz im Bereich Schlager
und MOR gegenüber neuem
Kreativschaffen.
Wolfgang Schlag: Drehen wir doch
alle beim Heimfahren Radio
Burgenland oder Niederösterreich
auf. Da hören wir zu achtzig Prozent
diese Musik, was wollen Sie noch?
Manfred Wodara: Von Helmut Lotti
hört man nur Musik von vor fünf
Jahren.
Wolfgang Schlag: Das reicht doch!
Manfred Wodara: Für Sie, aber nicht
für Leute, die Newcomer in diesem
Genre hervorbringen wollen und für
das Publikum, das diese Musik hören
will. Das Akzeptanzproblem ist noch
immer da.
Wolfgang Schlag: Es gibt keine
Ignoranz, Schlager wird ja soviel
gespielt.
Andy Zahradnik: Ich vertrete hier
u.a. das Unternehmen Music Control,
wir machen Radiovollbeobachtung
rund um die Uhr. Wir haben jeden
relevanten Sender, der in Österreich
sendet, am Schirm. Ich bin der einzige
in diesem Land, der ganz genau weiß,
was die österreichischen Radios in
den letzten z.B. 24 Stunden gespielt
haben. Aktuelles Repertoire bedeutet
dabei einen Zeitumfang bis zu acht
Monaten. Der Anteil an aktuellem
Repertoire im Bereich MOR, und das
spielen die ORF-Landesstudios, ist
dramatisch zurückgegangen in den
letzten 12 bis 20 Monaten, das betrifft
gleichermaßen internationales und
österreichisches Repertoire. Das
Landesstudio Wien spielt vielleicht
drei bis sechs neue Produktionen
innerhalb von 24 Stunden, das ist ein
Faktum. Das war früher definitiv
anders. Der Grund dafür ist eine
Bewusstseinsmachung, dass es einen
Bereich geben muss innerhalb der
elektronischen Medien, wo
Konkurrenzdenken nichts verloren
hat. Wir haben Regionalradios, die
sich um Niederösterreich, Burgenland,
Steiermark etc. kümmern. Diese sollten ihre Kernmärkte entsprechend
beliefern. Es schieben sich mit der
Zeit Katalysatoren zwischen den
Programmierer und das, was tatsächlich on air geht. Das ist die Beratertätigkeit. Als ich meine Firma 1998
mit dem Start der Privatradios eröffnet habe, bin ich zur Kundengewinnung quer durch Österreich
gefahren, und war erstaunt, wie viele
deutsche Berater, die teilweise schon
Sender in ihrer Heimat niedergefahren hatten, in Österreich tätig waren.
Alles ist nur eine Frage der Zeit, bis
sich der Markt wieder von selbst
regulieren wird. Radio Arabella oder
Radio Harmony in Kärnten spielen
immerhin das Format, das in ihrem
Sendergebiet gefragt ist, die Musik
geht bei Radio Harmony vom
Nockalm Quintett bis zu den
Paldauern.
Wolfgang Schlag: Was ist der Anteil
des MOR-Bereichs im gesamten
Radio?
Andy Zahradnik: Im Privatradiobereich
gibt es fast keine MOR-Stationen bis
auf Radio Arabella und Radio Harmony
in Kärnten. Dort wurde aus bewusstem Kalkül ein Format entwickelt,
weil im Landesstudio Kärnten der
Grenzlandchor Arnoldstein und
„I am sailing” von Rod Stewart nicht
zusammenpasst. Also wurde ein
Format entworfen, das sich um
Paldauer, Michelle etc. kümmert. Sie
60
konnten ihre paar Prozent erreichen.
Arabella ist explodiert. Wenn man es
auf Hörer hochrechnet, sich die
Airplay Top 100 ansieht, beginnt ab
Platz Nummer 50 bzw. 51 sich der
Schlager auszuwirken, d.h. auf Platz
51 steht eine veritable Anzahl Österreicher, die das gehört hat, und die
man ernst nehmen muss - vor dem
Hintergrund, dass Ö3 mehr als den
doppelten Marktanteil hat als alle privaten Stationen zusammen. Platz 51
hat also eine bestimmte Wertigkeit,
das sind Menschen, die man nicht
übersehen darf, und das passiert aber
in vielen Fällen. Ich will den Radiostationen jetzt nichts vorwerfen, weil sie
natürlich gewissen Entwicklungen
unterliegen, und mit der Zeit auf vieles draufkommen. Die Antenne Wien
musste die Erfahrung machen, dass
man sich auf zwei Prozent hinunterspielen kann.
Rainer Kalchhauser: Die geschickten
Hörer, die im Mediamarkt keine
Fachberatung bei Tonträgern bekommen, rufen mich an und fragen mich
zu den sie interessierenden Titeln aus
dem Programm von Radio Niederösterreich.
Andy Zahradnik: Das ist bei mir ähnlich. Früher gab es eine Radioweisheit,
die besagte: „Play it and say it”, das
findet nicht mehr statt.
Rainer Kalchhauser: Seit März 2004
haben wir wieder eine Direktive, dass
die Moderatoren angehalten werden,
Interpret und Titel nach zwei Songs
an- oder abzusagen. Es gibt also
wieder eine Vorgabe von unserem
Direktor, bei Radio Niederösterreich
die Musik wieder anzusagen.
Die Moderatoren bekommen als
Programmzeile im Radiomax
vorgeschrieben „Music Selling und
Musikmoderation”. Wir bemühen uns,
aktuelle Produktionen aus dem
Schlagerbereich zu spielen, wir
bringen die Seer, Kurt Elsasser, die
Ausseer Hardbradler etc.
Andy Zahradnik: Tatsache ist, dass
in letzter Zeit aktuelles Repertoire
zurückgegangen ist. Früher hatten
wir mehr.
Rainer Kalchhauser: Wenn wir unsere beiden Musikredakteure verdonnern könnten, fünf Tage in der Woche
im Haus zu sein, dann hätten wir das.
Wolfgang Schlag: Gibt es Märkte
für volkstümliche Musik und den
deutschen Schlager in den neuen
EU-Ländern?
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
August Viertbauer: Wir spielen mit
dem Nockalm Quintett ein Konzert
z.B. im November in Prag. Wir haben
auch sehr viele ungarische Fans, die
CDs bestellen. Die neuen Märkte darf
man also nicht unterschätzen.
Andy Zahradnik: Musik hat sich nie
um politische Grenzen gekümmert.
Südtirol gilt als eingemeindet, wir
empfinden die Kastelruther Spatzen
als Österreicher, die Wertschöpfung
wird dem österreichischen Markt
zugerechnet, so findet es auch in
Slowenien statt. Kommerziell gesehen
darf man sich einen Push aus diesen
neuen Märkten erwarten, auch die
neuen musikalischen Einflüsse aus
diesen Gebieten sind extrem wichtig.
Ich habe es selber miterlebt, wie der
volkstümliche Schlager entstanden
ist. Es gab die Original fidelen
Mölltaler, die erste Band, die über eine
Million Tonträger im eigenen Markt
verkauft hat. Die Band stand jeden
Tag mit einem volkstümlichen
Programm auf der Bühne, und das
über Jahre. Mit der Zeit teilten sie
ihre Show, weil sie von 20.00 bis 4.00
Uhr morgens nicht nur Oberkrainer
Musik spielen wollten. So machten sie
um 24.00 Uhr eine halbe Stunde
Pause, zogen sich die roten SatinHemden an und die weißen Anzüge,
und standen dann als personell idente
Band als „The Shakers” mit Schlagermusik auf der Bühne. Das hat dem
Publikum sehr gefallen. Die Mölltaler
haben Pionierarbeit geleistet, jährlich
zwei LPs veröffentlicht, eine mit
volkstümlicher Musik, eine mit
Schlagern. Sie waren die Vorbilder
eines Nockalm Quintetts, der Paldauer
und wie sie alle heißen.
Rainer Kalchhauser: Die Pionierarbeit
haben schon fünf Jahre davor die
Gebrüder Slavko und Vilko Avsenik
geleistet. Hubert Mayer ist als erster
in Österreich darauf aufgesprungen.
Andy Zahradnik: Den ersten großen
kommerziellen Erfolg haben die
Mölltaler eingefahren. Der volkstümliche Schlager hat sich also nicht aus
sich selbst heraus entwickelt, sondern
weil jemand auf die Idee gekommen
ist, das Publikum anders und besser
zu befriedigen. Das Ausziehen der
Lederhose und Fortsetzen mit Schlager
ist bis heute erfolgreich. Die Bereiche
sind mit der Zeit immer mehr
zusammengewachsen. Volkstümlicher
Schlager produziert eindeutige
Schlagertitel, der volkstümliche
Musikanteil besteht in Spurenelementen ab und zu in der Verwendung
der Ziehharmonika. Hier begann auch
erst der Erfolg in Deutschland, denn
die zunächst volkstümlichen
Musikgruppen waren in Deutschland
nicht wirklich erfolgreich. Erst mit
dem deutschen Schlager hat es da
richtig funktioniert und funktioniert
es bis heute.
Friedrich Weyermüller: Bei unserem
Symposion konnten wir herausarbeiten, dass viele Komponisten unserer
östlichen Nachbarstaaten in Österreich verlegen, weil es teilweise in
diesen Ländern Probleme mit dem
Notendruck gibt. Hier besteht ein
Markt in und für Österreich.
Die CD-Produktion in den östlichen
Nachbarländern funktioniert
hingegen ausgezeichnet.
Peter Paul Skrepek: Ich verteidige
jetzt öffentlich die ORF-Redakteure,
intern mache ich das ohnehin immer.
Sämtliche Landesdirektoren des ORF
wurden während der letzten eineinhalb Jahre in den Publikumsrat eingeladen, und allen habe ich die gleiche
Frage gestellt: „Wie halten Sie es mit
den Österreichern?” Rückblickend
kann man sagen, dass es ein bisschen
etwas genützt hat. Die Antwort war
immer: Wir spielen ein Musikformat
mit Oldies und Schlagern, das ist das
Musikformat aller Landesstudios mit
Ausnahme von Wien, das als
Stadtradio ein bisschen eine andere
Funktion hat. Radio Wien ist übrigens
das einzige Landesstudio, das keine
Volkskultur sendet.
Rainer Kalchhauser: Am Sonntag
Abend gibt es „Wiener Lied und
Operette”.
Peter Paul Skrepek: In der französischen und deutschen Quotenregelung
ist verlangt, dass man Neuheiten eine
gewisse Sendezeit reserviert, damit
eine Entwicklung auch öffentlich
stattfinden kann. Jetzt etwas Erfreuliches: Radio Niederösterreich hat
18,4% österreichische Kompositionen
gesendet, das ist nicht schlecht. Der
Durchschnitt in Österreich liegt bei
ca. 15%. Komponisten aus dem MORBereich versichern mir immer wieder,
dass sie nur Sendeplatz bekommen,
wenn sie verheimlichen, dass sie eine
österreichische Produktion vorlegen.
Diese Komponisten fahren nach
Deutschland, vorzugsweise Ostdeutschland, suchen sich eine hübsche junge
Sängerin, und verkaufen das Ergebnis
als deutsches Schlagerprodukt. Dann
kommen sie bei Radio Niederösterreich
auch ins Format, so ist die Realität
analog den englischsprachigen
Blasmusiktiteln. Radio Burgenland
61
sendet fasst 24%. Es ist nicht einzusehen, warum man sich nicht an diesen Stationen, die auch viele Zuhörer
haben, orientiert.
Andy Zahradnik: Können wir die
Schranken auch in den eigenen
Köpfen bezüglich des MOR-Bereichs
einmal abbauen? Können wir soweit
kommen, dass wir dem Genre auch
philosophisch und wirtschaftlich die
gleiche Chance geben wie anderen
Musikformen? Das sollte der eigentliche Sinn des Panels sein. Alle anderen Stilfelder arbeiten ja mit einem
gewissen elitären Grundfundament,
und wir sitzen als Schlagerfuzis hier.
Manfred Wodara: Wir müssen in
Österreich eine Offenheit zelebrieren.
Klassik darf z.B. den Schlager nicht
gering schätzen, sonst schlagen wir
ein Loch ins eigene Schiff. Wir haben
Musik, da gibt es keine Unterschiede.
Ein Gitarrist muss auf einer Schlagerproduktion genauso gut spielen wie
auf einer Klassikproduktion. Wenn
aktuelles Repertoire im Radio nicht
läuft, und ein Käufer versucht, diese
Musik im CD-Fachhandel zu bekommen, scheitert er oft, weil die Titel
bereits aufgelassen sind und nicht
einmal mehr bestellt werden können.
Publikumsbeitrag: Die Wertschöpfungskette funktioniert oder eben
nicht, egal ob da vorne Klassik oder
Schlager oder etwas Anderes steht.
Könnte man die neuen Schlagerprodukte nicht über den TeleshoppingKanal QVC vertreiben, wenn der
Rundfunk ausfällt? Warum jammert
eine Branche, der es doch ganz gut
geht?
Andy Zahradnik: Es geht nur um eine
Bewusstseinsmachung, dass es da
etwas gibt. Es wird in absehbarer Zeit
keine österreichische Tonträgerindustrie mehr geben, so wie wir sie
kennen. Hier spreche ich in erster
Linie von Major-Companies. Es wird
sich ein Spalt auftun, und der muss
geschlossen werden. Es liegt an
jedem einzelnen hier, sich Gedanken
zu machen, auch ob das sich mit dem
Genre Schlager schließen lässt.
Rainer Kalchhauser: Die IFPI wird
vielleicht niemanden mehr in Österreich produzieren, aber es kommen
doch 3000-4000 CDs in Österreich
pro Jahr neu heraus. Die Demokratisierung der Produktionsmittel - mit
einem Computer um 3000 Euro kann
man professionell CDs produzieren
bis hin zur Grafik - erleichtert die
Musikproduktion. Als Musikredakteur
Panel: Stilfeld „Schlager & volkstümliche Musik/Blasmusik”
kann ich sagen: Von den Majors
bekomme ich so gut wie nichts. Karl
Bogner und Tyrolis schicken mir CDs
mit Volksmusik, der Rest, der an
Blasmusik bei uns hereinkommt,
kommt aus Eigenproduktion. Wir
haben 400 Blasmusikkapellen in
Niederösterreich, und jede hat ihren
Tonträger. Wir spielen diese CDs.
Diesen Trend beobachte ich auch
beim Schlager. Insgesamt bekommen
wir wöchentlich 40-60 CDs in den
Sender, die bereits nach Formatkriterien vorselektiert sind. Das
wenigste davon kommt von MajorFirmen, sondern verstärkt von den
Interpreten selbst.
Peter Paul Skrepek: Vor zwei Jahren
hätte ich mir nichtgedacht, dass ich
den Manfred Wodara verteidige. Ich
habe viel dazugelernt. Es ist nur möglich, Musik zu exportieren, wenn man
zuerst im eigenen Land gehört wird
und erfolgreich ist. Wir sind eine
Lachnummer, wenn wir im eigenen
Land nicht drankommen und uns bei
einem großen deutschen Tonträgerhersteller vorstellen - in der Regel.
Ausnahmen bestätigen diese Regel:
DJ Ötzi kommt aus Belgien und
Holland, wo die Schihüttenbesucher
herkommen. Dort hat er es zuerst
geschafft. In der Regel ist die Basis im
eigenen Land notwendig.
Andy Zahradnik: Gehört wurde DJ
Ötzi in Österreich.
Friedrich Weyermüller: Ich würde mir
wünschen, dass mein Auftritt hier
eine Bewusstwerdung bewirkt hat,
dass wir nicht nur im Fahrwasser von
Karl Moik leben, sondern dass die
Vielfalt der bläserischen Musik
erkannt wird. Ein weiterer Wunsch ist
die höhere Einstufung von Blasmusik
bei der AKM, weil sonst Blasmusik für
die Komponisten zu wenig attraktiv
ist. Blasmusik - tausende Konzerte
pro Jahr, 2150 Musikkapellen in
Österreich - braucht mehr mediale
Beachtung und Berichterstattung,
nicht nur wie unlängst, wenn ein Auto
in eine Kapelle rast, und Menschen zu
Tode kommen. Viele der berühmten
Bläser der Symphoniker und Philharmoniker kommen von der Blasmusik.
Hier wünsche ich mir mehr Wertschätzung. Ich danke für die Einladung.
August Viertbauer: Ich danke ebenfalls für die Einladung und möchte
Ihnen noch zwei Gedanken auf den
Weg mitgeben: In der Musikindustrie
wird sich einiges verändern. Die
kleinen kreativen Zellen werden in
Zukunft die großen Plattenfirmen
ersetzen. Wichtig ist, dass diese
Zellen zusammenarbeiten. Eine
spezielle Bitte an den Musikrat: Viele
junge volkstümliche Interpreten werden von Plattenfirmen vorwiegend
aus dem Westen Österreichs mit
Knebelverträgen bis zu vier, fünf
Jahre gebunden und haben keinerlei
Beratung. Diese jungen Künstler
brauchen eine Anlaufstelle für
Informationen.
Kurt Elsasser: Ich wünsche mir, dass
man sich in Österreich vorrangig um
unsere Komponisten und Künstler
kümmert und sie fördert.
Andy Zahradnik: Es hat mir sehr viel
Spaß gemacht, ich habe mich auch als
Moderator aktiv in die Diskussion
eingebunden. Ich hoffe, dass wir so
etwas wie heute auf einer weiteren
Ebene fortsetzen können. Vielleicht
haben wir da die Chance, uns so
etwas wie ein Ziel zu erarbeiten
in dem Sinne „Wir haben alle das gleiche Problem - egal wie qualitätvoll die
Musik dahinter aussieht”, also finden
wir ein gemeinsames Ziel. Dann kann
man sich um die Dinge kümmern, die
uns blockieren.
Rainer Kalchhauser: Geben wir uns
jetzt eine Zielvorgabe und schauen
wir in sechs Monaten, ob wir sie
erreicht haben.
Andy Zahradnik: Pflegen wir das
heutige Gespräch weiter zu einer
Plattform, die eine Bewegung auf
breitester Ebene initiiert, um so lange
den jeweiligen Adressaten auf die
Nerven zu gehen, bis sich vielleicht
etwas bewegt. Wir sollten die stürmischen Zeiten des Umbruchs in Medien
und Musikindustrie nützen, denn sie
haben ein durchaus positives Moment
in sich.
Rainer Kalchhauser: Das war vor 50
Jahren auch so.
Harald Huber: In der kommenden
Schlussrunde wollen wir die Essenzen
des Symposions formulieren, nachdem alle Genres nun Gelegenheit hatten, ihre Situation und ihre Wünsche
bzw. Forderungen darzulegen. Der
Musikrat möchte weiters Förderrichtlinien entwickeln, die wir an die
Kulturpolitik herantragen wollen.
Insofern wird dieses Symposion nicht
die letzte Veranstaltung dieser Art
gewesen sein. Ich lade Sie jetzt zum
Konzert von Bruno Thiera aus
Madagaskar ein.
Performance. Bruno Thiera
62
63
ZUSAMMENFASSUNG DER
ERÖFFNUNGSDISKUSSION
UND DER PANELS DURCH
DIE LEITER
Harald Huber: Es stellte sich im Zuge
des Symposions heraus, dass es - wie
in anderen Kunst- und Kulturbereichen
- auch in der Musik ein elitäres
(Künstler im Mittelpunkt, Avantgardeansatz, Publikumserziehung), mittleres (elitäre und populäre Elemente im
Kunstschaffen) und populäres Muster
(Alltag und Bedürfnisse des Publikums
im Vordergrund) gibt. Neben der
Aufgabe, Qualitätskriterien für
Wettbewerbe zu entwickeln, war eine
zweite zu bearbeitende Fragestellung
in den einzelnen Panels die nach den
Interessensvertretungen. Hier ist der
Bereich „Klassik, zeitgenössische
Musik” am besten organisiert mit
dem ÖKB, der IGNM, der IGZM. Der
Organisationsgrad in Bezug auf politisches Lobbying und Interessenvertretung ist in den anderen Stilfeldern
geringer. Networking findet hier eher
produktbezogen statt.
Der österreichische Musikrat hat alle
vier Bundeskultursprecher der österreichischen Parlamentsparteien zu
diesem Abschlusspanel eingeladen,
um ihnen die Ergebnisse der sechs
Diskussionen in den einzelnen
Stilfeldern zu präsentieren. Leider
kann keine der eingeladenen Personen
den heutigen Termin wahrnehmen.
Christine Muttonen, Kultursprecherin
der SPÖ, hat Pressetexte zu einem im
Februar vorgestellten Maßnahmenpaket
im Bereich Popmusik übermittelt und
einen Termin mit dem österreichischen
Musikrat im Parlament vereinbart. Sie
entschuldigt sich für ihre NichtTeilnahme so wie die VertreterInnen
der ÖVP und der Grünen. Die FPÖ hat
auch nach mehrmaligem Nachhaken
auf die Einladung zu diesem Symposionsabschlusspanel nicht reagiert.
Der Musikrat wird den Kultursprechern
einzeln die Ergebnisse des Symposions
übermitteln. Wir freuen uns, Herrn Dr.
Koll vom Bundeskanzleramt und Andy
Baum, Peter Paul Skrepek und Dr.
Paul Hertel, alle Vorstandsmitglieder
der AKM, begrüßen zu dürfen.
Ich möchte die Panelleiter ersuchen,
jetzt kurz zu referieren, welche
Maßnahmen in ihrem Stilfeld
wünschenswert und notwendig sind.
ERÖFFNUNGSDISKUSSION
Harald Ossberger: Die einleitende
Diskussionsveranstaltung hatte die
Funktion einer Darstellung der
momentanen Situation und der
Auseinandersetzungen der einzelnen
Organisationen und Personen im
Musikbereich. Die IFPI verteidigte ihre
Rolle und Funktion, die Interessenvertretung der Musikschaffenden
brachte ihre Argumente vor, die
Diskussion war von Respekt getragen,
mit durchaus scharfen Klingen in einzelnen Gesprächen. Diese Einleitungsveranstaltung brachte keine völlig
neuen Positionen und Erkenntnisse,
das war aber auch gar nicht beabsichtigt, sondern die Definition grundsätzlicher Selbstverständlichkeiten gab
uns die Möglichkeit, in den nachfolgenden Panels qualifiziert in die Tiefe
zu gehen. Diskussionsbeiträge
beschäftigten sich mit der Mediensituation, dem ORF und den Privatradios, dem Internet und wissenschaftlichen Fragestellungen. Eine
eingehendere Diskussion zwischen
Peter Tschmuck und Franz Medwenitsch
wäre sehr interessant gewesen, hätte
den Rahmen jedoch gesprengt.
Kunststaatssekretär Franz Morak
Beiträge interpretiere ich als erbitterte Ratlosigkeit. Antworten auf die
drängenden Fragen in einem sich
dramatisch verändernden Musikmarkt
blieben nicht nur von ihm, sondern
von der Gesamtheit der Diskutierenden aus. Man blieb ratlos. Die
Aufforderung Peter Paul Skrepeks
nach der Einberufung eines runden
Tisches zum Thema ORF nahm
Franz Morak an und versprach, die
Einladung zu übernehmen.
Unser Symposion hat mehrere
Zielsetzungen: Die Bestandsaufnahme
in den einzelnen Stilfeldern sowie der
Gesamtsituation und die Erarbeitung
einer zukünftigen gemeinsamen
Vorgehensweise bei den brennenden
Problemen und Fragestellungen. Ich
habe im respektvollen Umgang und in
den geäußerten Absichten der
TeilnehmerInnen ein Zusammenrücken
und den Wunsch zu einem gemeinsamen Vorgehen feststellen können. Es
geht darum, den zukünftigen Weg
abzustecken und eine
Zusammenarbeit zu realisieren.
KLASSIK/ZEITGENÖSSISCHE MUSIK
Paul Hertel: Wir haben über das
gesamte Panel kein Jammern aufkommen lassen, somit den größten
Fehler solcher einschlägiger
Diskussionen vermieden. Es geht den
E-Musik-Komponisten nur scheinbar
gut, weil sie gefördert werden und
weil sie organisiert sind. Das sind sie
jedoch deshalb, weil es seit vielen
Jahren Probleme gibt. Wir in der
Klassik und zeitgenössischen Musik
sind offensichtlich die Vorreiter dessen, was jetzt offensichtlich allen
passiert, nämlich dass das österreichische Repertoire zunehmend unter
Druck gerät, wie es jetzt auch in sogenannten kommerziellen Bereichen
geschieht. Diesen Bogen zu spannen,
ist mir wichtig. Wertschöpfung und
die Erreichung von Einkommen sind
nunmehr wichtige Themen in unserem Stilfeld, das lange Zeit zu abgehoben und elitär bezüglich finanzieller Situationen und Bedürfnisse agiert
hat. Das Bewusstsein, dass man mit
Musik auch Geld verdienen darf und
kann, muss gestärkt werden. Österreich muss sich als Musikland in allen
Stilfeldern zusammen finden, um mit
großem Selbstbewusstsein die eigene
Musik und die Musik an sich zu
vertreten nach dem Motto „Musik ist
wichtig, Musik aus Österreich ist
besonders wichtig”. Ein Ergebnis
unserer Paneldiskussion ist die
Notwendigkeit, Netzwerke und
Strukturen zu bilden und diese nach
und nach auszubauen. Das ist auch
über Stilfeld- und Nationalstaatsgrenzen
hinaus mit einem toleranten Ansatz
zu verwirklichen. Musiker aus allen
Stilfeldern sollten sich zusammensetzen und an einem Strang ziehen.
Selbstbewusstes Auftreten aller an
der Wertschöpfung Beteiligten
gegenüber der Politik ist notwendig.
Wir konnten ausrechnen, dass bei
einer adäquaten Beachtung lokalen
Repertoires in den elektronischen
Medien pro Jahr eine zusätzliche
Zusammenfassung: Eröffnungsdiskussion & Panel
Wertschöpfung von bis zu einer
Milliarde Euro in Österreich erzielt
werden könnte. Dabei entstehen relevante Steuereinnahmen für den Staat.
Dieses Symposion initiiert einen
Dialog zwischen den Stilfeldern und
steigert damit eine geschlossenere
Wahrnehmung des Musikbereichs
nach außen. Durch entsprechende
Netzwerke können wir mit unseren
Forderungen zukünftig mehr erreichen.
JAZZ/IMPROVISIERTE MUSIK
Harald Huber: Im Bereich
„Jazz/improvisierte Musik” stellt sich
die Situation folgendermaßen dar.
Erstens: Die Investitionen in den
Ausbildungs- und Veranstaltungsbereich
sind in den vergangenen Jahren
fruchtbar geworden. Wir haben heute
eine sehr lebendige Nachwuchsszene
im Jazz, wir haben eine gute
Veranstalter- und Festivalszene in
Österreich, da ist also etwas geglückt.
Eine direkte Maßnahme muss sein,
dass die Veranstalterszene und die
Ausbildungsszene noch mehr kooperieren als bisher. Es gibt mittlerweile
einige Modelle, wo das gut funktioniert, dass man als Preis für junge
Nachwuchsmusiker die Präsenz bei
internationalen Jazzfestivals vergibt.
Das ist ein sehr vielversprechendes
Modell, setzt aber voraus, dass diejenigen, die im Distributionsbereich
tätig sind, die Distributoren, mehr
Aufmerksamkeit von der öffentlichen
Hand bekommen, als sie das vielleicht
bisher bekommen haben. Das
Problem scheint vielfach darin zu
liegen, dass Distribution immer mehr
zu einem Problem geworden ist. Wir
müssen daher bei Förderrichtlinien
verstärkt darüber nachdenken, dass
wir in Österreich Personen und
Initiativen, die engagierte Labels
betreiben wollen, die sich im
Veranstaltungsbereich positionieren
wollen, auch seitens der öffentlichen
Hand fördern. Wir haben auch
diskutiert, dass es notwendig wäre,
ein Sponsorgesetz zu haben, das
Sponsoren überhaupt die Möglichkeit
gibt, von sich aus Geldmittel zur
Verfügung zu stellen, haben aber
gleichzeitig gemeint, dass die
derzeitige Politik, Initiativen auf
Sponsorensuche zu schicken, einen
Engpass hervorruft. Diese Strategie
dürfte sich in Österreich sehr rasch
erschöpfen, daher darf die öffentliche
Hand keinesfalls aus der Pflicht entlassen werden. Eine Conclusio ist die
verstärkte öffentliche Förderung des
Distributionsbereichs, zweitens ist das
Musikeinstufungsmodell der AKM, das
sich noch immer am E-Musik-U-MusikModell orientiert, dringend durch
andere Modelle zu ersetzen. Die
Entwicklung in der Schweiz zeigt ein
interessantes Vorbild, nämlich eine
hohe Tantiemenausschüttung bei der
Erstaufführung und dann eine in einer
Kurve geringer werdende Ausschüttung,
sodass sich ein Modell ergibt, das
nicht an Stilen oder Genres festgemacht ist, sondern an der Anzahl der
Aufführungen, wo jemand, der sehr
viel geistige Kraft in ein Orchesterwerk
investiert, durch wenige Aufführungen
auch viel Geld ausgeschüttet
bekommt, und jemand, der einen
erfolgreichen Schlager schreibt, eben
dann auch durch Menge und Masse zu
seinem Geld kommen kann. Da gibt es
direkten Bedarf in Richtung AKM.
DANCE/HIPHOP/ELEKTRONIK
Michael Huber: Mein Resümee für
den Bereich „Dance/HipHop/
Elektronik” ist für mich nicht überraschend. Für mich hat sich bestätigt,
dass die Tonträgerverkäufe in der
Regel kaum eine tragende Rolle für
die Frage spielen, ob jemand in diesem Bereich von seiner Kreativität
leben kann oder nicht, zumindest
nicht direkt, höchstens indirekt als
Visitenkarte, um für Live-Auftritte
gebucht zu werden oder für DJ-Jobs,
wo man eher noch Geld verdienen
könnte. Die zweite Schiene wäre, dass
für Tonträger, die für den Clubgebrauch
produziert werden, eigentlich auch
Tantiemen bezahlt werden sollten,
was natürlich sehr schwierig ist, weil
kaum jemand in die Clubs geht und
sich anhört, was dort gespielt wird,
auch nicht identifizieren kann, ob das
ein Stück von Pulsinger oder von
einem Amerikaner ist. Von dieser
Seite ist kaum etwas zu erwarten.
Positiv ist in den letzten Jahren folgende Entwicklung gewesen, das
bezieht sich auf die letzten 15 Jahre:
Es ist die Möglichkeit zum Produzieren
und Kommunizieren künstlerischer
Arbeiten immer leichter und billiger
geworden, was auch dazu geführt hat,
dass es ein hohe Produktivität gibt. Es
gibt sehr viel junge Kreative in diesem
Bereich, die zum Teil auch sehr gut in
der Szene vernetzt sind.
Negativ ist, dass die fetten Jahre, die
sieben fetten Jahre zwischen 1992
und 2000, eindeutig vorbei sind. Es
geht sehr vielen in dieser Szene nicht
so gut, wie wir heute glauben würden.
Man sieht ja meistens nur diejenigen,
die Erfolg haben, z.B. die KruderDorfmeister-Ecke, wobei wir immer
vergessen, dass Kruder & Dorfmeister
das Cordoba der Elektronik-Szene
sind, wie Wolfgang Mitter gesagt hat,
eine einmalige Erfolgsausnahme. Den
meisten geht es zumindest finanziell
64
sehr schlecht. Dazu kommt noch, dass
in diesem Szenebereich kein neuer
Trend in Sicht ist, der neue
Aufmerksamkeit generieren könnte.
Es tut sich in der Elektronik-Szene
seit mindestens fünf Jahren nichts
mehr, was nicht schon ein alter Hut
ist, d.h. die Aufmerksamkeit für
diesen Bereich ist auch ständig im
Schwinden. Das größte Problem, das
sich durch alle Panels gezogen hat
und auch in der Elektronik-Szene
nicht anders aussieht, ist das Fehlen
einer Institution, die das Szenegeschehen koordiniert und kompetent
nach außen vertritt oder vermittelt.
Es ist auch hier so, dass das in der
Elektronik-Szene sehr lange nicht als
Mangel wahrgenommen wurde, und
jetzt, wo vielen das Wasser bis zum
Hals steht, kommen sie langsam
drauf, dass es nötig wäre, sich in der
Elektronikszene zu koordinieren und
mit einer Stimme zu sprechen.
Förderungsmöglichkeit könnte die
Unterstützung so einer mit Kompetenz
besetzten Koordinationsstelle sein sowohl einerseits im ElektronikBereich als andererseits durch alle
Bereiche durch. Ich persönlich könnte
mir vorstellen, dass man es auf diesem Weg schafft, eine Radiolizenz zu
bekommen, und dann auch wirklich
ein österreichisches Radio macht,
aber nur, wenn sich alle koordinieren
und mit einer Stimme sprechen und
alle sagen, wir wollen das und wir
üben Druck auf die Politik aus.
Das ist das Einzige, was ich mir als
Förderungsmöglichkeit für diese
Szene denken kann. Aber noch einmal: Es ist gerade in dieser Szene
extrem wichtig, dass die Personen, die
mit dieser Koordination betraut sind,
das Vertrauen der Szene haben,
und dass einerseits anerkannte
Kompetenz da ist, und andererseits es
jemand ist, der weiß, wovon er/sie
spricht. Es hat überhaupt keinen Sinn,
wenn man da einen Politiker oder
Bürokraten hinsetzt, der keine
Ahnung hat, worum es geht, der
nicht unterscheiden kann zwischen
Pulsinger, Kruder und anderen.
ROCK & POP
Harald Huber: Mario Rossori, der das
Pop-Panel geleitet hat, kann leider
nicht dabei sein. In diesem Pop-Panel
hat sich durch die Anwesenheit von
gotv eine sehr interessante Diskussion
entwickelt und sich ein sehr interessantes Phänomen gezeigt, nämlich
dass, wenn jemand in ein Vakuum
hineinstößt, nämlich in das NichtVorhanden-Sein eines Videoclipprogrammes in Österreich, dass es
sofort eine Menge an positiven
Zusammenfassung: Eröffnungsdiskussion & Panel
Folgeerscheinungen, Interesse und
Anregung von Produktion gibt. Diese
Situation haben wir im Moment im
Pop-Bereich. Es ist sehr deutlich
geworden, dass die Positionierung
von Pop-Acts auf dem Markt nur dann
möglich ist, wenn Medienkooperationen
zustande kommen können zwischen
Radio- und Fernsehstationen sowie
Printmedien, auch solche, die sich
am Markt konkurrenzieren. Nur dann
kann ein Künstler längerfristig
positioniert werden.
VOLKSMUSIK/FOLK & WORLD MUSIC
Birgit Huebener: Die Diskussion war
sicherlich durch die Diskrepanz des
Titels zwischen Volksmusik und
Worldmusik geprägt. Es hat sich
eine Diskussion um Begrifflichkeiten
und die Definition von Begriffen
entwickelt. Es hat den Anschein, dass
die Worldmusik in Österreich einen
Zuwachs in den letzten Jahren erfahren hat durch Publikumsinteresse,
Veranstalter, Festivals und Auftrittsmöglichkeiten. Es ist nicht gesagt,
dass hier österreichische WorldmusikerInnen zum Zug kommen. Die
Volksmusik kämpft mit den Vorurteilen,
die sich aus der geschichtlichen
Entwicklung begründen lassen bzw.
mit der gewollten oder nicht möglichen Abgrenzung zur volkstümlichen
Musik. Es wird eine Plattform als
regelmäßiges Austauschforum
gewünscht, wo miteinander diskutiert
werden kann, auch über Begrifflichkeiten. Es fehlen eigene Agenturen
und Labels für diesen Musikbereich.
Projekte im Überschneidungsbereich
Worldmusik und österreichischer
Volksmusik gelten als chancenreich
und funktionieren teilweise recht gut.
Es gibt aber zu wenig Förderungen
für solche Projekte sowie für internationale Austauschprojekte, um
Vernetzungen und Verbindungen
herzustellen. Die Universitäten haben
Nachholbedarf in den Bereichen
Worldmusik und Volksmusik, die zu
schwach vertreten sind. Im Verhältnis
zur großen Nachfrage ist das Angebot
zu gering, obwohl es ein eigenes
Institut z.B. an der Musikuniversität
Wien gibt. Die Musiker müssen verstärkt neben ihren künstlerischen
Tätigkeiten die Bereiche Management
und Marketing selbst abdecken.
Unterstützung wurde für Equipment
(Computer etc.) gefordert. Ich denke,
es könnten auch Stellen bzw.
Kulturmanager gefördert werden, die
diese Arbeiten für Künstler übernehmen. Es wurde von einem österreichischen Weltmusikwettbewerb berichtet, an dem aber keine österreichi-
schen Volksmusiker teilgenommen
haben, daher ist eine Vernetzung im
eigenen Stilfeld nötig, natürlich auch
nach außen.
VOLKSTÜMLICHE MUSIK &
SCHLAGER/BLASMUSIK
Andy Zahradnik: Ich danke sehr. Ich
habe bereits im Panel das Genre MOR
- Middle of the Road genannt, weil mir
das besser gefällt. Darunter fällt alles,
was sich verschrieben hat, Geld zu
verdienen. Ich stehe dazu, ich geniere
mich nicht dafür, ich lebe auch davon.
Dem Kommerz wurde hier ein Ohr
geliehen, und das ist der erste Schritt
in die richtige Richtung. Man soll nicht
ausgrenzen, sondern das Genre gibt
es in Österreich omnipräsent. Auch
diesem Feld wird es schlechter gehen,
es beginnt bereits. Das hat aber damit
zu tun, dass es durch den Rückzug
der Konzerne, weil wir ja nicht zu
einem Kernmarkt gehören, zu einer
Ausdünnung des Kapitalflusses führen
wird, der nötig ist, um entsprechend
Repertoire in diesem Segment zu
generieren. Das bedeutet nicht, dass
die Kreativität austrocknet. Ganz im
Gegenteil: Wer einmal bei einer
Jurysitzung des Grand Prix der
Volksmusik dabei war, weiß, dass hunderte Titel eingereicht werden. Ich
hatte schon mehrere Jahre das
Vergnügen teilzunehmen. Es wird in
jedem Dorf und jedem Tal komponiert, das muss uns klar sein. Ich finde
es schön, dass dieses Thema auch
hier in den hohen Hallen der
Universität nicht mit der Kneifzange
angefasst wurde, das ehrt Euch.
Vollinhaltlich möchte ich mich auch
dem Vorschlag des Kollegen Hertel
anschließen. Er hat gesagt, dass die
Zusammenarbeit Plattform übergreifend stattfinden muss. Das ist notwendig, weil sich die Zeiten noch massiver verändern werden. Diese
Veränderungen bedeuten nicht ausschließlich, dass es uns allen schlechter gehen wird, sondern es sind auch
Chancen darin zu finden. Ich würde
diesen Vorschlag der Zusammenarbeit
sogar noch gerne weiter spinnen. Man
kann Institutionen, Verbände,
Parteien oder wen auch immer, der
Kraft hat auf einen Knopf zu drücken
und zu sagen, hier ist das Kapital, am
ehesten mit handfesten Konzepten
überzeugen. Wenn wir die Möglichkeit
haben, diese Konzepte plattformübergreifend zu erarbeiten, sollten wir
relativ bald Menschen einbinden, die
Ihre Manpower und ihr Know-how aus
der Plattenindustrie einbringen, auch
wenn sie nicht mehr bei der Company
XY arbeiten. Diese Leute sind nicht
65
der Feind, sondern jemand, der versucht, mit Musik Geld zu lukrieren.
Es soll ein Modell und eine Plattform
der Musikwirtschaft erarbeitet
werden, die sagt: Werden wir als kein
Kernmarkt erkannt, hat das allerdings
auch den Vorteil, dass wir das tun
können, was wir wollen, wenn es uns
gelingt, initiativ zu sein. Wenn wir es
vernünftig machen, erreichen wir
einen Endzweck. Das Land ist zu klein
für Befindlichkeiten auch innerhalb
der Stilfelder. Das Land könnte zu
einer Musikcompany werden. Wir sind
ein Musikland, mussten uns aber jahrelang von Marketingdirektoren, die
in New York, Tokio oder London sitzen, vorschreiben lassen, wie wir hier
Musik zu vermarkten haben. Es gibt
aber die Kastelruther Spatzen, die in
diesem Land 100.000 Tonträger über
Nacht verkaufen. Das könnte eine
Aufgabe des Musikrats sein, nämlich
diese Bindeglieder herzustellen und
uns in die Wertschöpfungskette
zurückzubringen unter Einbeziehung
der Stärken von World Music, Jazz,
Klassik usw. Das ist die einzige
Möglichkeit. Es bringt uns nichts, 100
verschiedene kleine Labels hier zu
haben. Jeder arbeitet in seine
Richtung, aber keiner hat genug Geld.
Man könnte zu Staatssekretär Morak
sagen: Soviel Geld können Sie damit
verdienen, wenn Sie es vernünftig
machen, so und soviel Tantiemen bleiben in Österreich, wenn das Netzwerk
funktioniert. Das kann auch eine
Genossenschaft sein, die Bauerngenossenschaften haben vor vielen
Jahren ganz genauso angefangen, ein
Modell zu entwickeln und darauf
einen Wirtschaftskreislauf aufzubauen. Da braucht sich keiner dafür
genieren. Das ist das, was ich persönlich aus dem Symposion herausgezogen habe, und würde mich freuen,
wenn die Diskussion so weiter geht.
Wir müssen uns Ziele setzen und versuchen, diese Ziele zu erreichen. Wir
dürfen nicht den österreichischen
Weg gehen und in drei Jahren wieder
da sitzen und überlegen, was machen
wir jetzt.
SCHLUSSDISKUSSION
Harald Huber: Ist es denkbar, das
Verteilungssystem grundsätzlich neu
zu überdenken und auf gegenwärtige
Verhältnisse umzumodeln? Diese
Frage stelle ich zunächst an Herrn
Dr. Koll.
Alfred Koll: Ich denke, es sollte nicht
verboten sein. Ebenfalls sollte das
Nachdenken nicht verboten sein, wie
Schlussdiskussion
sich das Urheberrecht oder
Verwertungsgesellschaftenrecht
weiterentwickeln könnten. Es wird
darüber nachgedacht, es ist in der
Vergangenheit schon über eine solche
Frage nachgedacht worden. Man hat
mit den Urheberrechtsgesetznovellen
1981, insbesondere 1986 Leerkassettenmittel bestimmt, die von den Urhebern
und ihren Verlegern in ihrer Verwendung
selbst bestimmbar sind. Mehrere
Verwertungsgesellschaften, Austro
Mechana, LSG u.a. hatten den Auftrag,
Grundzüge und Richtlinien zur
Verteilung sozialer und kultureller
Mittel für soziale und kulturelle Mittel
zu schaffen. Ich war längere Zeit
Staatskommissär bei der Austro
Mechana, wusste um die Funktion
und die Möglichkeiten eines Staatskommissärs ausreichend Bescheid.
Aus der Frage nach einer anderen als
der praktizierten Möglichkeit hat sich
keine für mich befriedigende Antwort
ergeben. Für mich dreht sich manches
im Kreis. Einerseits gibt es die
Forderung, dass sich Künstler selbst
verwalten sollen, ihre eigenen
Plattformen schaffen, auf der anderen
Seite kommt immer die Aufforderung,
egal welcher Politiker, ob Wittmann,
Scholten oder Morak, das soll doch
der Staat machen. Man hat mit den
Leervergütungsfördermitteln volle
Möglichkeiten bei Verwertungsgesellschaften auf mehr als 51%, nämlich
99% nach dem Gesetz für kreative
und soziale Zwecke aufzuwenden. Ein
Kritikpunkt, dass soziale Mittel nicht
nach sozialer Bedürftigkeit vergeben
werden, verhallte. Die kreativen
Möglichkeiten werden durchaus
vernünftig auch im Interesse der
Kunstschaffenden ausgenützt, indem
es sogenannte Ausschüsse gibt, die
Tonträgerproduktionen unterstützen,
auch den Vertrieb unterstützen.
Es ist eine Frage der Selbstfindung
von Urhebern und ihren Verwertern ein Spiel, das nicht immer zum Vorteil
der Urheber selbst ausgeht und
ausgegangen ist. Es ist für mich eine
ausreichende Plattform mit Hilfe auch
der kulturpolitischen Kommission
oder allen möglichen
Präsidentenkonferenzen. Eine
Selbstfindung braucht nicht unbedingt eine Entscheidung eines politischen Funktionärs, sondern den
gemeinsamen Willen jener, die tatsächlich die Möglichkeit haben, z.B.
99% statt 51% aus der Leerkassettenvergütung nach guten Regeln und
Förderungsrichtlinien, wie sie der
Herr Huber verlangt, tatsächlich
anzuwenden. Es hat in der Vergangenheit Schwerpunkte zur Begünstigung
der Volksmusik gegeben, wie im
66
Bericht zur Verwendung sozialer und
kultureller Mittel der Austro Mechana
aus dem Jahr 2000 zu entnehmen
ist. Es lassen sich all diese Dinge
durchaus überprüfen auch an den
Tonträgern, die in der Musikuniversität tatsächlich zum Bereich Pop produziert worden sind. Man soll sich nur
nicht immer wieder von Plattform zu
Plattform oder von einer Idee einer
Plattform zu einer anderen Idee
weiterhanteln, denn dann kommt
schließlich so etwas heraus wie bei
der sogenannten E-Musik, dass der
Versuch, mehrere Komponistenverbände zusammenzuschließen, schon
vor vielen Jahren gescheitert ist.
Woran, das ist jetzt vielleicht nicht zu
erörtern. Es ist für mich nur bemerkenswert, dass eine Komponistenvereinigung einen Vorstand hat, der
nicht unbedingt von Komponisten
besetzt ist. Das ist hier wie bei
Verwertungsgesellschaften immer
eine Frage der Bildung von Mehrheiten. Die Entscheidung liegt für
mich nach meinem Dafürhalten bei
Urhebern und den Kreativen selbst,
ausreichend kreativ sein in der
Fähigkeit, sich zusammenzuschließen.
Wenn dieses Symposion ein Steigbügel
dafür ist, dass Leute, die nicht nur
mehrere Funktionen vertreten, sondern
auch solche, die einzelne Funktionen
vertreten haben, zusammenfinden,
finde ich das ein gutes Ergebnis.
Sind Sie mit der Antwort zufrieden?
Förderungsrichtlinien sind immer
wieder dazu da, überdacht zu werden,
das natürlich vor dem Hintergrund
der Finanzierbarkeit dieser
Richtlinien.
Andy Baum: Bitte um Verständnis,
wenn ich vor meiner Funktionärsantwort
noch eine als Musiker gebe, der ich ja
nach wie vor mit Leidenschaft bin.
Zu dem, was Du gesagt hast, Andy:
Tausend Rosen. Ich denke mir, dass
eine vitale Musikszene nicht auf
Standesdünkel angewiesen ist weder
von einem Lager ins andere noch
umgekehrt. Da ist das Modell, das
Harald gemacht hat, hervorragend,
um das auch zu veranschaulichen.
Bei den Panels, wo ich anwesend war,
ist durch die Bank immer wieder
das Argument des kleinen Marktes
gekommen. Das müssen sich die
Amerikaner auch irgendwann einmal
gedacht haben, dass ihr Markt zu
klein ist. Die haben vorgezeigt, wie
man das macht. Ich glaube, dass dieser kleine Markt schlicht eine Ausrede
ist, sonst dürften Irland, Schweden
und Dänemark musikalisch nicht
existieren usw. Den Grenzen, denen
wir uns gegenübergestellt sehen, die
existieren nur in unserem Kopf, weil
wir keine Strategien und Visionen entwickeln. Die Elektronik hat es auch
vorgemacht. In dem Moment, wo ich
nicht daran denke, dass ich um die
Ecke zu jemandem gehen muss, der
von sich behauptet kompetent zu
sein, sondern einfach das mache, was
mir einfällt, und es probiere, breche
ich Strukturen auf. Nicht, dass es
ihnen jetzt auf ewig gut geht, aber es
ist etwas passiert, weil Dinge verlassen wurden, und der Kopf aufgemacht
wurde. Wenn es eine Vernetzung gibt,
die ich sehr begrüßen würde, dann
soll man sich auch von den Parametern
lösen, unter denen solche Vernetzungsversuche bisher stattgefunden haben.
Zu den Verteilungsbestimmungen und
-möglichkeiten sowie neuen Schwerpunkten: Es ist Bestandteil des österreichischen Urheberrechtsgesetzes,
kulturell Höherwertiges auch höher
zu bewerten und auch höher zu entlohnen. Seitens der AKM hat man sich
darauf geeinigt, eine solche Unterscheidung zwischen E und U zu
machen. Ich persönlich halte diese
Entscheidung sowohl damals als auch
heute für äußerst unglücklich. Ich
halte jede Entscheidung, die versucht,
etwas besser oder schlechter, unterhaltender oder ernsthafter zu werten
für äußerst unglücklich, kann mich
mit einem Modell, das eine Erstaufführung höher bewertet und logarithmisch abnimmt durchaus anfreunden,
würde aber nur davor warnen,
Wertungsparameter einzuziehen,
die da lauten, jemand, der länger an
etwas schreibt, macht automatisch
etwas, das mehr wert ist. Er wendet
mehr Arbeit an. Wenn ein Tischler
einen schiefen Kasten macht, und er
braucht dafür 200 Stunden, dann ist
der Kasten immer noch schief und
unbrauchbar. Abgesehen davon kann
ich jetzt schon zusagen, dass es fix
mit Herbst eine große Diskussionsrunde innerhalb des AKM-Vorstandes
zum Thema Verteilung gibt. Das ist
bereits veranschlagt und wird von
denen, die das betreiben, wohl nicht
mehr ausgelassen. Verteilung soll
dort, wo sie als sinnvoll erkannt wird,
nachjustiert werden, so etwas schadet
nie, und dort, wo es Grundsätzliches
zu überdenken gibt, werden wir uns
nicht scheuen, das zu tun.
Harald Huber: Vielen Dank, das Wort
an Sie alle und die Gelegenheit, zum
Symposion bzw. den einzelnen
Ergebnissen und Stellungsnahmen
eine Meinung zu äußern.
Peter Paul Skrepek: Ich erkenne vier
Punkte, und ich war bei fast allen
Schlussdiskussion
Diskussionen entweder am Podium
oder im Publikum anwesend, habe mir
viele Notizen gemacht, und das wird
in mindestens einen, wenn nicht mehrere Berichte fließen. Das kann man
dann nachlesen unter www.musikergilde.at
Der erste Erfolg ist, dass der Staatssekretär da war. Das ist etwas, was
nicht allen Organisationen gelingt,
dem Österreichischen Musikrat ist es
gelungen. Denjenigen, die das betrieben haben, ist zu gratulieren. Der
Staatssekretär hat versprochen, in
zwei Dingen aktiv zu werden. Er hat
wörtlich gesagt: „Die Quotenfrage ist
auch mit den Teilnehmern am liberalisierten Radiomarkt zu diskutieren.”
D.h. auch die Privatradios sind eingeladen, sich an Quoten zu halten, wenn
sie erlassen werden müssen, was wir
nicht wünschen. Wir wünschen uns ja
im Baumschen Sinne mehr Haltung,
dass sie selber erkennen, dass das
gut ist. Dann hat er noch etwas
versprochen mit einer einzigen Einschränkung, die das ganze wieder zu
Fall bringen kann. Er wird zu einem
runden Tisch einladen, Voraussetzung
ist allerdings, dass die Frau Generaldirektor Dr. Lindner daran teilnimmt.
Es ist jetzt also unsere Aufgabe, ihr
Argumente zu liefern, denen sie sich
nicht verschließen kann, dass sie an
diesem runden Tisch teilnehmen wird.
Dr. Medwenitsch wird sicher gerne
daran teilnehmen, und es gibt noch
einige andere: Die von Andy
Zahradnik angesprochenen, emeritierten Direktoren der Schallplattenfirmen
werden natürlich auch eingeladen
werden, weil es vernünftig ist. Auf
dieses Wissen und diese Fähigkeiten
kann man nicht verzichten. Da gibt
es unbedingt ein paar Leute, die man
einladen muss, das hat Herr Morak
gesagt. Er hat aber noch etwas
gesagt, was unterzugehen droht, Dr.
Koll hat es wiederholt in seiner feinsinnigen Art hoffend, dass es auf offene Ohren stößt. Das ist die Reform
des Urheberrechts. Wenn es uns nicht
gelingt, die Reform des
Urheberrechtes in Österreich in unserem Interesse voranzutreiben, dann
hat die ganze Debatte überhaupt
keinen Sinn gehabt. Wenn es uns
nicht gelingt, die Privatkopie als
Recht aufrecht zu erhalten und sie zu
trennen von ihrem Missbrauch, indem
man Dinge weiterkopiert, für die man
hätte bezahlen müssen. Die
Privatkopie erlaubt so unter der Hand
sieben Stück. Es gibt kein Schriftstück
darüber, nur eine Aussage. Wenn es
700 werden, ist es ein Missbrauch. Es
ist ein Missbrauch mit etwas getrieben worden, was ein Grundrecht ist.
67
Hier muss man aufpassen, und das
digitale Rechtemanagement ist auch
eine Gefahr, ist eine Hoffnung für uns,
aber auch eine Gefahr.
Jetzt komme ich zu meiner persönlichen Schlussfolgerung, das habe ich
auch mehrmals gesagt, weil wir unter
dem Stichwort Pluralismus reden. Der
Pluralismus ist nicht nur viel, sondern
auch vielfältig. Wir erleben aus verschiedensten Gründen genau das
Gegenteil. Während sich auf der einen
Seite viele Leute zu Musik berufen
fühlen und mit immer billiger werdenden Produktionsmitteln Musik produzieren und auf den Markt bringen
oder auf den Markt bringen wollen,
also Vielfalt im Sinne des Wortes
Pluralismus erzeugen, stehen dem
andere Kräfte gegenüber, die an einer
Verengung des Musikalischen, wenn
nicht des Kunstschaffens arbeiten.
Das waren im wesentlichen die
Tonträgerhersteller, die großen
Konzerne und die Massenmedien.
Diese beiden haben das aus wirtschaftlichen Überlegungen betrieben.
Dieser Verengungspolitik ist gemeinsam entschlossen entgegenzutreten.
Es ist ein großer Erfolg des Symposions,
dass wir uns zusammensetzen, jeden
Standesdünkel vergessen und miteinander reden, weil es uns dreckig geht.
Es wäre schön, wir würden auch so
miteinander reden, wenn viele österreichische KünstlerInnen Welterfolge
haben. Es wurde eine Organisation
verlangt, die sich um Lobbyingarbeit
bemüht, eine Agentur, die sich um
Vermittlung bemüht, eine Schallplattenfirma. Ganz Österreich soll
eine Schallplattenfirma werden. Das
unterschreibe ich sofort, ich will sie
nur nicht leiten müssen. Die Agenturthese ist leider an vielen Dingen
gescheitert, das hat nicht funktioniert, aber die Basis für die Lobby
könnte funktionieren. Deutschland ist
immer unser Vorbild, denn sie haben
Dinge geschafft, die vor drei Jahren
noch nicht möglich waren, nicht denkbar. In Deutschland gibt es eine
Dialogplattform für die Musikwirtschaft.
Wir machen es nicht 1:1, wir nennen
sie „Musik und Wirtschaft”, dadurch
unterscheiden wir uns von Deutschland,
machen aber trotzdem das gleiche.
Eine solche Dialogplattform sollten
wir uns antun, das betrifft die vielen
Multifunktionäre, lieber Herr Dr. Koll,
und die vielen Einzelfunktionäre und
die vielen Expert/innen, die es gibt.
Das ist aber wirklich Knochenarbeit,
weil da werden wieder alte Feindschaften
und Kriege aufbrechen, weil sich der
eine mit dem anderen nicht an den
Tisch setzen will und umgekehrt.
Wenn es uns gelingt, Leute zu finden,
die diese Glaubwürdigkeit haben und
in ihrer Gruppe unumstritten sind,
und an einen Tisch zu bekommen,
dann machen wir etwas Besseres als
die Präsidentenkonferenz, wo wir uns
gleichberechtigt an einen Tisch setzen, und dann passiert erst leider wieder nichts. Wenn die Dialogplattform
das Ergebnis dieser beiden Tage ist,
und wenn wir uns innerhalb eines
Jahres wieder finden und verschiedene Projekte realisiert haben wie die
Generalreform der Abrechnungsregeln
der AKM, die wir in der letzten
Sitzung vorgeschlagen haben, und
wie den Druck auf die Öffentlichkeit
und die Politik, dann haben wir einen
Schritt gemacht, der weit über das
hinausgeht, was wir uns vorgenommen haben. Dieser Schritt möge
uns gelingen.
Rainer Kalchhauser: Ich möchte §4
des ORF-Gesetzes in Erinnerung
rufen, das ist der Paragraf, der den
Programmauftrag genau regelt. In
Punkt 5 steht dort: „Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner Programme zu sorgen für:
die Vermittlung und Förderung von
Kunst, Kultur und Wissenschaft.”
Punkt 6: „Die angemessene
Berücksichtigung und Förderung der
österreichischen künstlerischen und
kreativen Produktion.” Punkt 7:
„Die Vermittlung eines vielfältigen
kulturellen Angebots.” Punkt 8 heißt
dann noch: „Die Darbietung von
Unterhaltung.” Jetzt bin ich seit
einem Vierteljahrhundert bei einem
Radioprogramm des ORF beschäftigt,
und wir machen genau das. Wir
versuchen, österreichische Künstler
zu vermitteln, wir versuchen aber
auch, über den Tellerrand hinauszusehen, d.h. der Kulturauftrag des ORFGesetzes verpflichtet uns dazu, kulturelle Gegebenheiten aus anderen
Weltgegenden zu bringen, d.h. eine
Quotenlösung halte ich persönlich für
nicht gut. Ich halte es für gut, dass
wir uns darauf besinnen, was können
wir in Österreich machen, was haben
wir an Potential und wie präsentieren
wir das. Ich behaupte von uns, Radio
Niederösterreich, dass wir das gut
machen. Wir versuchen es wirklich,
wir spielen Österreicher, wir spielen
österreichische Schlager und
Blasmusik, wir spielen sogar österreichische klassische Musik, leider nur
eine Stunde pro Woche, Donnerstag
21.00 bis 22.00 Uhr. Wir tun das noch. Ich weiß nicht, wie lange das
bei unserem jetzigen Direktorium mit
Norbert Gollinger noch hält.
Andy Zahradnik: Es ist diese Unwäg-
Schlussdiskussion
barkeit, dass sich diese Dinge über
Nacht ändern können, weil irgendwo
an den Marionettenfäden gezogen
wird.
Rainer Kalchhauser: Dass Twaroch in
Pension geht, das war Jahrzehnte
vorauszusehen. Dass die Frau Lindner
unsere Intendantin wird und ein paar
Umstellungen macht, das war ein
bisschen plötzlich. Dass Norbert
Gollinger neuer Landesdirektor
geworden ist, das war nicht so plötzlich, das konnten wir voraussehen.
In der Programmabteilung haben wir
Mitarbeiter, die seit 37 Jahren am
Landesstudio tätig sind, ich selber bin
es erst seit 27 Jahren seit 1977. Ich
tue dort meine Arbeit, versuche sie
so redlich wie möglich zu machen
mit österreichischer Volksmusik,
Blasmusik und Schlagermusik. Ich
unterstütze das, obwohl ich da nicht
der Hauptverantwortliche bin. Das
macht der Mario (Felice, Anm.d.Red.),
und er macht das auch gut. 18%,
danke, dass Du das erwähnt hast.
Dass die Burgenländer schon weiter
sind, gut, aber wir arbeiten daran,
dass wir die österreichischen
Schlager und volkstümlichen
Produktionen in unserem Programm
verankern. Wir tun auch in der
Volksmusik viel und arbeiten eng
mit der Volkskultur NÖ zusammen. Es
gibt eine Sendung am Dienstag am
Abend, die von der Volkskultur NÖ
und dem NÖ Volksliedwerk gestaltet
wird. Wir versenken das Ding ja nicht.
Es gibt viele KollegInnen auch in den
anderen Landesstudios, die das mit
der gleichen Ernsthaftigkeit betreiben
wie wir. Die Burgenländer sind die
Winner mit 24%. Wir werden darum
kämpfen, dass wir auch die 20%Marke überschreiten. Wir sagen die
österreichischen Interpreten im
Radioprogramm extra an. Unsere
Moderatoren sind mittlerweile sogar
per Erlass angewiesen, österreichische Produktionen anzusagen, dass
die Hörer wieder wissen, sie hören
etwas Österreichisches. Wenn der
Erwin Bros bei uns am Programm ist,
sagt der Gotthard Rieger: Und jetzt
ein Niederösterreicher für Sie. Wir
spielen das Neueste, wir spielen auch
Sachen, die jünger sind als acht
Monate. Wir müssen Zielvorgaben
machen, und treffen wir uns in einem
halben Jahr und sagen, was haben
wir erreicht von diesen Zielvorgaben.
Sagt uns ORF-Redakteuren genau,
was ist der Punkt, was können wir
machen im ganz normalen Operate
Life. Reden wir dann noch einmal drüber, sind wir am Weg oder nicht.
68
Andy Baum: Was Du jetzt aus dem
Rundfunkgesetz zitiert hast, ist nicht
zu diskutieren, da brauchen wir nicht
darüber zu streiten, das steht so drinnen und ist ganz klar. Das Einzige was
unscharf drinnen steht, ist das Wort
„angemessen”. Das hat der Gesetzgeber natürlich genauso hinein
geschrieben, weil er sich daran
abputzen kann. Wir sollten den
Succus dieser zwei Tage nicht in einer
Diskussion ersticken, die wir schon
seit 12 bis 15 Jahren führen, dass es
den bösen ORF gibt und die armen
österreichischen Musiker, dem ist
so nicht, zumindest nicht in dieser
Plakativität. Ich glaube, wenn es einen
runden Tisch gibt, dass natürlich auch
der ORF an diesem runden Tisch
sitzen muss, weil er Partner ist und
nicht Gegner.
Harald Huber: Gibt es noch Wortmeldungen aus dem Publikum für
eine Schlussrunde?
Emil Lubej: Ich bitte darum, die
neuen Medien zu unterstützen, ich
betreibe selber ein Internetradio. Es
gibt größte Probleme, keine Kriterien
von Seiten der Werbung. Das ist alles
im Werden, und da wäre es ganz
wichtig, dass diese Medien die entsprechende Unterstützung von der
öffentlichen Hand bekommen, dass
sie überleben können. Ich bitte
dahingehend um Unterstützung durch
dieses Plenum.
Alfred Koll: Manche nationalen
Interessen haben sich in der Vergangenheit schon am internationalen
Rahmen erhängt. Wenn in der
Vergangenheit manche Urheberinteressen diskutiert worden sind,
kam dann prompt der Hinweis, dass
das nicht zur Berner Konvention
passe. Wenn von Dienstleistung die
Rede ist, dann wissen wir genau, dass
wir mit dem Problem des Welthandels
und sonstiger internationaler
Verbindlichkeiten ein Problem haben
können, wenn die Schritte in Österreich zu auffällig werden für einen
internationalen Markt.
Harald Huber: Das führt uns jetzt zu
einer neuen Diskussion, die wir nicht
mehr beginnen wollen, die wir auch in
der Präsidentenkonferenz angeregt
haben, nämlich GATS als Thema dringend auf die Tagesordnung zu setzen.
Paul Hertel: Ich wollte den Beitrag
von Dr. Koll noch kurz ergänzen. Ich
glaube, die Forderungen sind immer
nur innerhalb der EU-Richtlinien zu
stellen und zwar in Hinsicht auf einen
europäischen Durchschnitt. Das
trauen sich auch die Deutschen, alle
Parteien derzeit auf höchster Ebene.
Zweitens geht es um eine Regionalförderung und keine Nationalförderung. Drittens geht es nicht um die
national hier Ansässigen, sondern um
die Wertschöpfung. Da ist uns ein türkischer Rapper genauso willkommen
wie ein afghanischer zeitgenössischer
Komponist.
Harald Ossberger: Ich hatte die Ehre,
Sie gestern am Vormittag zu begrüßen, und ich habe die Ehre, Sie wieder
zu entlassen mit ebenso großer
Herzlichkeit. Das Symposion ist das
Ergebnis einer Arbeitsgruppe des
Vorstands des Österreichischen
Musikrates. Dieser Arbeitsgruppe
haben Harald Huber, Günther Wildner
und Mario Rossori angehört, herzlichen Dank an diese Arbeitsgruppe.
Die Hauptarbeit haben einerseits
als Konzeptor und inhaltlicher
Programmierer Harald Huber und als
Realisator und in der Organisation
Günther Wildner geleistet. Herzlichen
Dank, man erlebt selten ein so ausgeglichenes Verhältnis zwischen enormem Zeit- und Energieaufwand und
dem, was dabei herauskommt.
Wir erwarten etwas von einander. Man
kann das nur tun, wenn ein gewisses
Mindestmaß an Vertrauen untereinander da ist. Die Tatsache, dass Sie
etwas von uns, dem Österreichischen
Musikrat, erwarten, heißt für mich
zumindest auch eine Investition
ihrerseits, nämlich dieses Mindestvertrauen. Ich möchte Ihnen im
Namen des Österreichischen
Musikrates etwas versprechen, natürlich noch keine konkreten Ergebnisse.
Es gibt eine Grundlinie, die mir bei
diesem Symposion noch besser aufgegangen ist als bisher. Ich möchte
Ihnen versprechen, diese Grundlinie
weiterzugehen. Wir haben gesehen
und gehört, was Realität war und ist,
und erfahren, wie sehr diese Realität
in der Vergangenheit nicht immer
sinnvoll genutzt wurde. Es gab nicht
nur gute reale Erfahrungen. Wenn wir
das akzeptieren, brauchen wir so ein
Symposion nicht. Die Situation liegt
anders. Man kann die Realität nur
dann kreativ und innovativ nützen,
wenn wir einen Angriff wagen auf
die bisherige reale Erfahrung. Das ist
Utopie, aber in Gemeinschaft mit dem
Einbeziehen der Realität ist es ein
Weg. Diesen Weg wollen und sollen
wir gehen, und ich hoffe, es kommt
etwas dabei heraus. Ich danke Ihnen
allen.
69
REFERENTEN & KÜNSTLER
Abado/Rosmanith - MARAKEB
Marwan Abado & Peter Rosmanith
Geographisch gesehen wohnen die
zwei Herren im westlichen Teil Wiens.
Ihren ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt bestritten sie allerdings
weit von Wien entfernt in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dort
beschlossen sie, mit Rosmaniths
Klangkiste und dem erzählerischen
Oud Abados im Gepäck auf eine
längere musikalische Reise mit dem
Titel „Marakeb“ zu gehen.
Auf ihrem Weg begegneten sie einem
Wiener Kamel, besuchten den Mufti,
genossen Wasserpfeife mit Apfeltabak,
hörten Regengesänge und die Lieder
des Kaffeemörsers einer Beduinenfamilie, der sich nach einer alpenländischen Spieluhr sehnt -Reiseansichten
von mondbeschienenen Dünen bis zu
tropfenden Gletscherspalten. Lange
feilschten die zwei um die Anzahl der
ungeraden Rhythmen, letztendlich
aber vermischten sich Sand und
Schnee zu einer untrennbaren
Einheit.
Ludwig „Wickerl“ Adam
Geboren 1949. 1971-1973: Klassisches
Studium von Pauke und Klavier an der
Musikakademie Wien. Davor bereits
1200 Auftritte als Sänger/Musiker im
GSA-Raum. 1973-1977: Leitung von
Workshops im Theaterbereich, später
auch Seminarleiter für Körpertheater,
Stimme, Staging und Mikrofontechnik.
1977 Gründung des Rocktheaters
„Hallucination Company“. Bis 1984
über 1300 internationale Auftritte
und TV-Shows mit diesem Ensemble.
Als „Zappa“ von Wien bezeichnet,
weil er unzählige Talente entdeckte
und förderte (Falco, Hansi Lang, Mo,
Andy Baum, Helmut Bibl, Thomas
Rabitsch usw.). Nach einer dreijährigen Pause Reunion der Hallucination
Company in neuer Besetzung. 1995
Gründung der Kulturinitiative
Oberndorf sowie künstlerische
Leitung und Geschäftsführung der
Kulturwerkstätte „Altes Kino“.
Zahlreiche Engagements als Bühnenund Filmschauspieler.
Elfi Aichinger Trio
Elfi Aichinger - vocals, piano,
composition
Geboren 1961. Gilt als eine der herausragenden Stimmen der zeitgenössischen Musikszene. Mit dem Trio
„JUBILO ELF“ und dem Ensemble
„AMES“ hat sie sich bereits in den
80er und 90er Jahren international
versteht sich als Crossover-Musikerin.
Ihre Stimme verwendet Aichinger als
Instrument mit und ohne Text, mit
entsprechenden Freiräumen für
Improvisationen und Zwiegespräche
mit ihren Mitmusikern.
„Früher war ich eher Stimmakrobatin
mit wenig Text. Jetzt habe ich lange
nach Texten gesucht und kleine
Juwele gefunden.” (Elfi Aichinger)
Zusammenarbeit mit: Meredith Monk,
Bobby McFerrin, Beat Furrer, Nali
Gruber, Mathias Rüegg, Joseph
Jarman, Brandon Ross, Don Byron,
Tuck&Patti, Urszula Dudziak, VAO, Pro
Brass, Klangforum, Nouvelle Cuisine.
Lehraufträge am Brucknerkonservatorium Linz und an der Universität
für Musik Wien.
Alexander Machacek - guitar
Geboren 1972 in Tulln.
Zusammenarbeit mit: Terry Bozzio,
Wayne Horvitz, Patrick O'Hearn,
Michael Riessler, Don Freeman, Ingrid
Jensen, Natalie Cole, Wolfgang
Puschnig, Hubert Tubbs (Tower of
Power), Wr. Symphoniker, Klangforum
Wien, Nouvelle Cuisine usw.
Stephan Maass - percussion
Geboren 1967 in Bad Homburg (BRD).
Zusammenarbeit mit Beat4Feet,
Wiener Sängerknaben, Bob Mintzer,
Hubert Tubbs, Peter Wolf, EAV, Randy
Brecker, Jiri Stivin, Harold
Faltermayer, Count Basic, Wolfgang
Ambros, Unique II, Claudio Roditti,
George Nussbaumer, Michael Langer,
Kruder & Dorfmeister, Raoul de
Souza, Idris Muhammad, NDRBigband, Sandra Pires, Georg Danzer,
Konrad Schrenk's Extravaganza, Kurt
Ostbahn & die Kombo, Strauss, Mimi,
Stephen Ferguson, Harry Sokal,
Hubertus v. Hohenlohe, Nina Proll, DJ
Megablast, Gerald Veasley, Jimmy
Woody, Jim Pepper, Alex Acuna, Billy
Cobham, Rainhard Fendrich, NDRBigband, Etta Scollo, Ray Anderson,
Don Freeman, Austria 3, Bluatschink,
Wolfgang Haffner, Doretta Carter,
Vienna Scientists, Wolfgang Puschnig usw.
Norbert Ehrlich
Jusstudium an der Uni Wien.
Sekretariat des Konzertpianisten Jörg
Demus. Zehn Jahre lang Mitarbeiter
in der ama-Künstleragentur 19751984. 1984-2003 Leiter der Szene
Wien. Musik- und Kulturveranstalter.
Festivals ab den 90ern: „Moscow
Express”, „Behind the Ural”, „Focus
on Israel” (2001), „Salam.Islam”
(2002/2003).
Kulturaustausch-Aktivitäten mit
Osteuropa, Mexiko. Neben der
Beschäftigung mit alternativer
Popmusik, Jazz, modernem Tanz und
punktuell auch Theater schon seit
Ende der 70er Jahre Präsentation
von Weltmusik, in den letzten Jahren
regelmäßig und besonders gerne aus
Afrika.
Kurt Elsasser
Geboren 1967 in der Steiermark. Bei
einer Rundfunksendung erschließt
sich Kurt Elsasser als zwölfjährige
Bub mit ,,La Montanara” und „Leise
rieselt der Schnee” sein erstes
Publikum. Bis zum Erreichen des
Stimmbruchs veröffentlicht er - unter
Mithilfe seines Mentors Karl Moik acht Alben und sechzig Singles.
Nach dem Abitur Studium am
Salzburger Mozarteum: Gesang,
Schauspiel und Tanz. Nach
Engagements im Musicalbereich
Durchbruch 1992 als Schlagersänger
mit „Allein die Liebe zählt im Leben”.
Aktuelles Album: „Hallo wie geht's”,
Veröffentlichung September 2003.
Felictas Hager
Geboren 1962. Ausbildung zur
Druckformenherstellerin.
Diverse Filmarbeiten (16 mm).
Messegestalterin und Schaufenster
Dekorateurin. Werbegrafikerin bei
Hofbauer & Partner.
Freie Werbegrafikerin. Mitarbeit
Confetti-TV ORF. Gründung
TIV-Fernsehgesellschaft 1998.
1. Mai 1999 bis Ende 2001: Gestaltung
und Umsetzung eines einstündigen
und ab April 2001 zweistündigen
täglichen Programmfensters am
Info-Kanal der UPC-Telekabel.
Ab Herbst 2001 Konzeption SmartCityTV (wurde für die Wiener terrestrische Frequenz eingereicht).
Jänner bis April 2002 Konzeption und
Planung des Wirtschaftsblatt-TV
(wurde nicht umgesetzt).
Mai bis Oktober 2002 Konzeption,
Planung und Umsetzung des ersten
österreichischen Jugendfernsehens
gotv. Seit August 2002
Referenten & Künstler
70
Programmdirektorin von gotv.
Werner Hasitschka
Geboren 1953 in Wien. 1972 bis 1976
Studium an der Wirtschaftsuniversität
Wien.
1976 Sponsion zum Magister der Sozialund Wirtschaftswissenschaften.
Ausbildung zum Kommunikationstrainer. 1980 Promotion zum Doktor
der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. 1986 Verleihung der
Lehrbefugnis (venia docendi) für das
Fach Betriebswirtschaftslehre. 1977
bis 1991 Universitätsassistent bzw. dozent an der Wirtschaftsuniversität
Wien. 1988 bis 1991 Assistenzprofessor
an der Wirtschaftsuniversität Wien.
1989 bis 1991 Leiter des Außeninstituts
der Wirtschaftsuniversität Wien.
Seit 1991 Ordinarius für Kulturbetriebslehre und Leiter des Instituts für
Kulturmanagement.
Seit 1992 Leiter des Lehrgangs für
Kulturmanagement, Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien.
1999 bis 2001 Vorsitzender des
Universitätskollegiums.
Rektor der Universität für Musik und
darstellende Kunst Wien seit 2002.
Forschungsschwerpunkte in den
Bereichen theoretische Grundlagen
der Kulturbetriebslehre, Kulturmanagement, Werteforschung.
Franz Hautzinger
Geboren 1963. Studierte Trompete
und Komposition an der Universität
für Musik und darstellende Kunst in
Graz und am Konservatorium der
Stadt Wien.
Seit 1989 Lehrauftrag für
Ensembleleitung, Komposition und
Arrangement an der Universität für
Musik und darstellende Kunst in Wien.
Als (Gast-)Solist zahlreicher Ensembles
sowie Komponist und Interpret zeitgenössischer und improvisierter Musik
ist er Kooperationspartner international renommierter Künstler (u.a. Elliott
Sharp, Gil Evans, Sainkho Namtchylak,
John Cale, Yoshihide Ohotomo, Butch
Morris, Phil Niblock, Klaus Öhring, Lou
Reed, Derek Bailey, The Temptations,
John Tilbury, Tony Oxley, Joachim
Kühn). Als Leiter eigener Projekte
(„Franz Hautzinger Speakers Corner”,
„Dachte Musik”, „Regenorchester”,
Gomberg) ist er eine der profiliertesten österreichischen Musikerpersönlichkeiten. Veröffentlichung des
Buches „Gomberg”, graphische
Partituren. Österreichisches
Staatsstipendium 2001. Zahlreiche
Auszeichnungen und Stipendien.
Kinderprojekte, Performance,
Theater- und Kunstprojekte.
Paul Hertel
Geboren 1953 in Wien. Er lebt seit
1982 als freischaffender Komponist in
Wien und Zürich. Schwerpunkte seines Wirkens sind Arbeiten für verschiedene Theater im deutschsprachigen Raum sowie für internationale
Filmgesellschaften und Fernsehanstalten. Für eine seiner Filmkompositionen wurde der Künstler 1987 als
Mitglied in die „Freie Akademie der
Künste Mannheim“ gewählt. Neben
seinen Arbeiten für Theater, Film und
Fernsehen widmet sich Paul Hertel
aber auch der ‘freien’ Komposition:
Seine Werke auf dem Gebiet zeitgenössischer „E-Musik” stehen häufig
auf den Programmen von Konzerten
in aller Welt sowie von einschlägigen
internationalen Festivals.
Seit Juni 2000 Vorstandsmitglied der
AKM als Vertreter der E-Musik
Komponisten.
Seit 2001 Geschäftsführer der
Gesellschaft für Österreichische Musik
(GFÖM).
Seit 2002 Vorstandsmitglied der
Musikergilde sowie Kuratoriumsmitglied
des Österreichischen Musikrats.
Alexander Hirschenhauser
1985-1991 Day & Night Kalender-Verlag
(mit Timetable 24 Stunden/7 Tage)
1986-1993 Club Soul
Seduction/Volksgarten/Wien
1990 Eröffnung des Black Market
Retail Stores in Wien
Seit 1992 Soul Seduction Distribution
(Vertrieb internationaler Labels in
Österreich)
Seit 1993 Soul Seduction Distribution
Worldwide (weltweiter Vertrieb österreichischer Labels) beginnend mit
dem ersten Release von Kruder &
Dorfmeister
2004 Preisträger/Gewinner beim „.ataward” for outstanding and innovative
web-sites mit www.soulseduction.com
Alexander Hirschenhauser ist
Geschäftsführer der SSD TRADING
GMBH
Christoph Huber
Geboren 1968 in Baden/CH. 1989-93
Studium der Sportwissenschaften und
Management in Wien. Von 1991 bis
1998 Mitorganisator des Internationalen Jazzfestival Saalfelden. 1993
Organisation des Symposiums „Zur
Situation der Zeitgenössischen Musik
am Beispiel des Jazz” in Saalfelden.
Seit Herbst 1993 künstlerischer Leiter
(zusammen mit Renald Deppe und
Mathias Rüegg) des Jazz & Music
Clubs Porgy&Bess in Wien. Von 19951998 künstlerische Co-Leitung der
„Short Cuts“ in Saalfelden. 1998
Festival „Good News From Russia” in
Wien. 1998 und 1999 zusammen mit
Christoph Cech musikalisches
Konzept der „GrabenFestTage“. 1999
Programmierung der Reihe „The
Great American Songbook“ anlässlich
der Ausstellung „Amerika“ im Oberen
Belvedere.
Seit 1999 Konzeption der Serie
„Invoice“ auf der Summerstage. 1999
Festival „Behind The Ural“ im Wiener
Konzerthaus und in der Szene Wien.
September 1998 bis Mai 2000 künstlerische und organisatorische Leitung
der Serie „30A“ im Großen Sendesaal
des Radiokulturhauses.
Sommer 2000: Konzeption eines
Jazzclubs in der Kunsthalle Wien im
Museumsquartier.
Ab Herbst 1998 verantwortlich für
Konzept und Umbau des ehemaligen
Rondell-Kinos zum Jazz & Musicclub
„Porgy & Bess“. Eröffnung am 28.
Dezember 2000.
Harald Huber
Geboren 1954. Studien: Lehramt für
Musikerziehung und Philosophie /
Psychologie / Pädagogik (Mag. phil.
an der Universität Wien), Tonsatz und
Elektroakustische Musik (an der
Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien), PostgraduateStudium Soziologie am IHS Wien
(Institut für Höhere Studien), Doktorat
(Dr. phil.): Dissertation „Stilanalyse.
Stile der Popularmusik im letzten
Viertel des 20. Jahrhunderts”.
Habilitationsschrift „Der Song und die
Stilfelder der Musik”.
Leiter des wissenschaftlichen
Bereichs des Instituts für
Popularmusik der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien,
Vizepräsident des ÖMR (Österreichischer Musikrat), künstlerische
Tätigkeiten als Komponist und
Pianist/Keyboarder mit eigener
Formation „BLOX”, beim „wiener
u.r.theater” (Theaterimprovisation)
etc., Kooperation mit „Projekt!Pop"
der AKM / GFÖM: „Songwriting
Workshop”, „FeedBack - demo listening session” u.a.
Michael Huber
Geboren 1969 in Wels. 1991-1998:
Studium der Soziologie und der
Pädagogik an der Grund- und integrativwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Wien. 1998: Abschluss des
Soziologiestudiums mit Auszeichnung
(Diplomarbeit über „Hubert von
Goisern und die Musikindustrie“).
1997-2001: Betreuung der
Institutsbibliothek am Institut für
Referenten & Künstler
Musiksoziologie.
2000-2003: Freier Mitarbeiter am
Institut für Musiksoziologie.
Seit Oktober 2001: Lehrbeauftragter
am Institut für Musiksoziologie der
Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien. Seit der Gründung mit
Sommersemester 2002: Freier
Mitarbeiter am Institut für
Popularmusik der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien.
Seit Oktober 2003:
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Institut für Musiksoziologie der
Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien. Publikationen zur Neuen
Volksmusik und in den Bereichen
HipHop, Soul, Electronic & Jazz.
Immer wieder als DJ tätig.
Birgit Huebener
Studium der vergleichend-systematischen Musikwissenschaft, Ethnologie
und Philosophie. Nach dreimonatiger
Feldforschung in Ghana Abfassung
der Diplomarbeit „ ‚Soglo - Exercise
Patience’. Bericht einer ethnomusikologischen Feldforschung bei den
Dagbamba - Northern Region Ghana
unter besonderer Berücksichtigung
genderspezifischer Fragestellungen“.
Danach für mehrere Jahre in der
Jugendarbeit tätig. Nach Geburt einer
Tochter und einjährigem Karenzurlaub
seit Dezember 2002 am Institut für
Kulturmanagement und Kulturwissenschaft der Universität für Musik und
darstellende Kunst Wien beschäftigt.
Zur Zeit Vorbereitungen zur
Dissertation über den Themenbereich:
Urheberrecht, Intellectual Property
und außereuropäische Musik.
Alexander Kahr
Alexander Kahr arbeitete fünf Jahre
lang im Produktionsteam bei Christian
Kolonovits als Keyborder und Soundprogrammierer. Danach als freischaffender Produzent und Komponist
brachte er es in den letzten sieben
Jahren auf 20 Charthits, zusätzlich 10
Airplayhits, 7 Top-Ten (2x Nr.1)
Verkaufs-Hits und 13 weitere Verkaufhits (Austria Top 40) und mehrere
Album- und Compaliationchartserfolge. Die meisten Titel hat er
dabei selbst geschrieben.
Ziel & Motto: „Junge Musik von jungen Menschen für junge Menschen“
Zusammenarbeit mit: Christina,
Cedric, Count Basic, Crazy Orange,
JOB, Manuel Ortega, Two in One,
Whatever usw.
Kelomat
Kelomat sind mit ihrer dynamischen
Musik, die sich im Grenzbereich zwi-
71
schen Auskomponiertem und
Improvisation, zwischen Jazz und
Avantgarde, Kunst und Zynismus,
bewegt, eigenständig und bereits klar
profiliert. 1. Preis beim Austrian Young
Lions Jazzwettbewerb 2003.
Wolfgang Schiftner - sax
Geboren 1982. Ab zehn Jahren
Saxophonunterricht. Seit 2002
Studium bei Klaus Dickbauer an der
Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien. Weiters Unterricht bei
Wolfgang Puschnig und Michael Erian.
Zusammenarbeit mit: U. Scherer, K.
Marktl, S. Gfrerrer, S. Thaler, debas,
ska-lite allstars, Klaus Kuchling,
Katharina Kaufmann, M. Vavti.
Bernd Satzinger - bass
Seit 1998 Studium für Kontrabass und
E-Bass bei Willi Langer und Albert
Kreuzer an der Universität für Musik
und darstellende Kunst in Wien.
Weiters Unterricht bei Peter Herbert,
Georg Breinschmid, Helene La
Barriere, Jamaaladeen Tacuma.
Zusammenarbeit mit Kelomat,
groundlift, debas, Sylvain Deslandes,
Maja Osojnik trio, Herbie Smith
Department.
Herbert Pirker - drums
Mit sechs Jahren erster
Schlagzeugunterricht. Seit 1999
Studium am Konservatorium bei
Walter Grassmann. Ferner Unterricht
bei Christian Salfellner, Alex Deutsch,
Allen Purves, Guido May.
Zusammenarbeit mit Ostbahn Kurt,
Karl Ritter, Harry Sokal, Abdel Jalil
Koddsi, Akemi Takajena, the bad
powells, Flip Philipp, Martin Reiter,
Oliver Mochmann.
Kollegium Kalksburg
„Kollegium Kalksburg ist so etwas wie
das Wienerlied-Ensemble für Leute,
die keine Wienerlieder hören. Die werden die Liedauswahl des Kollegiums
vielleicht für besonders schräg und
entlegen halten. Wir sind
Berufstrinker: Wenn die B’soffenen
unten wackeln und wir b’soffn sind,
stimmt die Spannung nicht. Wir saufen, das Publikum muss nüchtern
sein!” (Heinz Ditsch)
Heinz Ditsch
Geboren 1963 in Wien.
Klavierunterricht. Saxophonstudium
am Schubert-Konservatorium Wien.
Fagottstudium am Konservatorium
der Stadt Wien. Als Instrumentalist
verschiedener Ensembles und
Komponist zahlreiche internationale
Gastspiele und Tonträgeraufnahmen.
Wolfgang Vincenz Wizlsperger
Geboren 1963 in Wien, aufgewachsen
im Waldviertel. 1981-1987:
Kontrabassstudium am Franz
Schubert Konservatorium Wien. Als
Texter, Komponist und Wienerliedsänger tätig. Gründungsmitglied des
Kollegium Kalksburg. Zahlreiche
Auftritte und Tonträgereinspielungen.
Paul Skrepek - Kontragitarre
Geboren 1963. Schlagzeuger bei
diversen Ensembles im Bereich improvisierte Musik. Kontragitarrist,
Interpret und Komponist von
Wienerliedern mit dem Kollegium
Kalksburg. Konzerte unter anderen
beim Jazzfest Salzburg, Jazzfestival
Saalfelden, Konstanzer Jazzherbst,
Jazzfestival Wien, Nickelsdorfer
Konfrontationen, Jazzfestival Sibiu,
Jazz aux Oudayas (Rabat), V:NM
Festival usw.
Michael Krusche
Geboren 1957 in Graz. Volks- und
Hauptschule, danach Koch- und
Kellnerlehre, nach einem Jahr abgebrochen. Anschließen Lehre als KFZ
Mechaniker beendet. Von 1969 bis
1972 als LKW-Fahrer zwischen
Antwerpen und Bagdad unterwegs.
Danach eigene KFZ Werkstätte in
Graz, nebenbei bereits erste musikalische Projekte: Soloprogramm als
Sänger-Gitarrist, Literatur- und
Musikprogramm mit Martin Krusche.
Seit 1985 nur mehr als Musiker und
Tontechniker tätig. Aufbau eines
Tonanlagenverleihs und Tonstudios.
Betreuung diverser Festivals
(Folkfestivals Bärnbach, Retzhof, San
Daniele, Jazzfest Leibnitz), für
Gamsbart jahrelange tontechnische
Zusammenarbeit mit der Weltklasse
des Jazz.
Mit eigenem Label (Garage Klang ,
später KHoM) diverse Produktionen
im bereich Folk, Blues und Jazz. 2003
Aufgabe aller tontechnischen
Tätigkeiten sowie sonstiger Projekte
wegen wirtschaftlicher Erfolglosigkeit.
Seit 1983 mit „Aniada a Noar” tätig.
Bisher 10 CDs veröffentlicht, Projekte
mit Gastmusikern aus anderen
Ländern. Seit 2003 Projekt:
Noangroove, mit Rhythmusgruppe
(Reinhard Ziegerhofer, Gabriel
Froihofer)
Wilfried Lechner
Geboren 1974. Studium der Publizistik
& Kommunikationswissenschaft &
Geschichte (Diplomarbeit zum Thema:
„Austropop - Entwicklung einer
Jugendkultur zwischen 1987 und
1992“). Redakteur NÖ Rundschau
Referenten & Künstler
(1992-2000). Parlamentarischer
Mitarbeiter (1994-2000).
Redaktionsleiter Vienna Online &
austria.com (2000-2001). Channel
Manager Music jet2web.net (20012003), Leiter Portalmanagement
Aon.at (seit 2003). Aufbau von
mp3.aon.at (größte heimische mp3Nachwuchsmusiker-Plattform, 2002)
und Start von AonMusicdownload
(musicdownload.aon.at; erste legale,
heimische Musicdownload-Plattform,
2003).
Johannes Marian
Der Pianist Johannes Marian hat
sich sowohl als Solist als auch als
Kammermusiker international vor
allem auf den Gebieten der Musik des
20. Jahrhunderts und der zeitgenössischen Musik profiliert.
Festivalteilnahmen und Konzerte:
Salzburger Festspiele, Wiener
Festwochen, Wien Modern, Hörgänge
und Steirischer Herbst, Konzerthaus
und Musikverein Wien, Kölner
Philharmonie, Radio France Paris,
Auditorio Nacional Madrid usw.
Schwerpunkte seiner Arbeit sind die
Wiener Schule und ihr Umfeld sowie
die persönliche Zusammenarbeit mit
Komponisten, darunter John Cage,
Friedrich Cerha, Helmut Lachenmann,
Herbert Lauermann, Georg
Nussbaumer, Christian Ofenbauer,
Dieter Schnebel, René Staar, Christian
Wolff und Hans Zender.
Seit 1992 ist Johannes Marian als
Pianist des Ensembles Wiener Collage
tätig; ebenso ist er Mitglied von
Symphoid, einem Ensemble für Musik
und ihre Derivate.
Als Klavierpädagoge unterrichtet er
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (auch als Dozent
der „Wiener Tage für zeitgenössische
Klaviermusik“) und an der Anton
Bruckner Privatuniversität Linz.
Internationale Meisterkurse gibt er im
Rahmen der europäischen
Ferienakademie Montepulciano.
Elisabeth Mayerhofer
Geboren 1971. Freiberufliche
Wissenschafterin, Universitätslektorin
in Wien.
Schwerpunkte: empirische Forschung
zu Kunst- und Kulturarbeitsmärkten,
Kulturwissenschaft, Gender Studies,
Kulturpolitik. Gründungs- und
Vorstandsmitglied der
Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien
(FOKUS).
Redaktion von Kurswechsel 04/03:
Bedeutung als Ware: Kultur und Ökonomie. Wien, 2003.
72
Mitarbeit an folgenden Projekten
(Auswahl): „Creative Industries in
Wien. Definition, mögliche Rolle der
Stadt und politische Handlungsempfehlungen“, FOKUS in Kooperation
mit der Arbeitsgemeinschaft für
wissenschaftliche Wirtschaftspolitik
(WIWIPOL); 2003/04.
„ARTWORKS - Künstlerische
Dienstleistung im Dritten Sektor“ im
Rahmen des EQUAL-Programms in
Kooperation mit Joanneum Research,
NPO/WU und Österreichischem
KulturService (ÖKS); 2002/03.
„Culture-gates“ über die
Wirkungsmechanismen von Gate-keepern im Kulturbereich, MEDIACULT;
2002/03. „Frauen in Kunst- und
Medienberufen in Österreich“, 19992001, Wien/Bonn, MEDIACULT;
1999/2001.
Franz Medwenitsch
Geboren 1958. Studium der
Rechtswissenschaften an der
Universität Wien. Ab 1980 Assistent
am Institut für Staats- und
Verwaltungsrecht (Univ. Wien). Nach
Gerichtspraxis und Bankausbildung in
der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen Tätigkeiten
beim ORF 1985-1992: Redaktion und
Produktion, Mitarbeiter Recht- und
Auslandsbeziehungen (Spezialgebiet
Urheber- und Medienrecht), Leiter
Produktions- und Auslandswirtschaft.
Seit 1993 Geschäftsführung des
Verbandes der österreichischen
Musikwirtschaft - IFPI Austria, der
Verwertungsgesellschaften LSG und
VBT, der Hitparadengesellschaft
Austria Top 40 und des EDVDienstleistungsunternehmens
PhonoNet (Austria) Ges.m.b.H.
Funktionen und Projekte:
Vertreter Österreichs in der
International Federation of the
Phonographic Industry (IFPI).
Ständiges Mitglied des Performance
Rights Committee der IFPI,
Kooperationspartner der LSGSchwestergesellschaften in
Slowenien, Kroatien und Serbien.
Mitarbeit an zahlreichen fachspezifischen Projekten, wie etwa „e-business
in a new economy“ (BMWA), „Digitale
Plattform Austria“ (RTR), Beirat
Informationsgesellschaft (BKA).
Mitbegründer und Veranstalter des
„Amadeus Austrian Music Awards“
und der „Anti-Piracy Awards“ der IFPI
Austria.
Initiator der Studie „Die Musikwirtschaft Österreichs - Strukturen,
Chancen und wirtschaftliche
Bedeutung“.
Fachvorträge und Publikationen zu
den Themenschwerpunkten Urheberrecht, Verwertungsgesellschaften,
Musik- und Kreativwirtschaft.
Wolfgang Mitterer
Studien an der Universität für Musik
und darstellende Kunst Wien (Orgel,
Komposition) und am Studio für
elektronische Musik (EMS) in
Stockholm.
Preise (Auswahl): Prix Ars Electronica,
Publicity, Deutscher
Schallplattenkritik, Prix Futura, Tiroler
Landespreis für Kunst, Max Brand
Preis, Elektronikpreis Musikforum
Viktring, Daad Berlin, Emil Berlanda
Preis, Würdigungs- und Förderungspreise sowie Staatstipendien.
Diskographie (Auswahl): Fractals3,
Grand Jeu, Violettes Gras, Turmbau
zu Babel, Mimemata, Obsoderso, Pat
Brothers, Call Boys Inc, Matador,
Amusie, Carbon Copy,
Yamamoto/Mitterer.
Projekte (Auswahl) in/bei
Donaueschingen, Klangspuren,
Transart Bozen, Zuericher
Theaterspektakel, Odeon Wien, Wien
Modern, Zeitfluss-Festival Salzburg,
Tiroler Festspiele Erl, Burg Ottenstein,
Philharmonie Köln, Sophienkirche
Berlin, Steirischer herbst, Musikfest
Hamburg, Inventionen Berlin, Oper
Darmstadt, Fluctuations Los Angeles,
Stiftskirche Stuttgart, Oris
Jazzfestival London, Klangspuren
Schwaz, Kulturwiese Innervillgraten,
Jazzfestival Wien.
Franz Morak
Geboren 1946 in Graz, Schauspielund Regiestudium an der Universität
für Musik und darstellende Kunst in
Graz und am Reinhardtseminar in
Wien. Singer/Songwriter, ab 1980
Produktion von vier LPs/CDs.
Tätigkeit als Schauspieler und
Regisseur an mehreren Theatern u.a.
seit 1974 am Burgtheater, sowie in TV-,
Hörfunk-, und Filmproduktionen;
zahlreiche Auszeichnungen.
Oktober 1994 bis Februar 2000
Abgeordneter zum Nationalrat und
Kultursprecher der Österreichischen
Volkspartei sowie ORF-Kurator. 1999
Herausgeber des Sammelbandes „Die
organisierte Kreativität. Kulturpolitik
an der Wende zum 21. Jahrhundert“
zum gleichnamigen Symposion 1999
in Wien. Seit 4. Februar 2000
Staatssekretär für Kunst und Medien
im Bundeskanzleramt. Am 28. Februar
2003 mit dieser Funktion neuerlich
betraut.
Arbeitsschwerpunkte:
Medien: Medienliberalisierung und
Stärkung des Medienstandorts Öster-
Referenten & Künstler
reich (ORF-Reform, Privat TV Gesetz,
KommAustria); Kultur: Ausbau der
Beziehungen zu den südosteuropäischen Ländern, soziale Absicherung
der Kunstschaffenden und Präsentation
österreichischer Künstlerinnen und
Künstler im Ausland
Harald Ossberger
Geboren 1948 in Graz. Studium an der
Hochschule für Musik in Wien.
Mehrfacher Preisträger bei internationalen Klavierwettbewerben. Intensive
Konzerttätigkeit, neben solistischer
Tätigkeit auch rege Auseinandersetzung mit Kammermusik: u. a.
Gründung des Klavierduos mit
Michael Lipp. Partner verschiedener
Instrumentalisten (Milan Turkovic,
Josef Sivo, Florian Kitt, Roger
Salander, Dieter Flury, René Staar),
regelmäßige Zusammenarbeit mit
Henryk Szeryng von 1978 bis zum Tod
des Geigers 1998, Mitglied im
„Ensemble 20. Jahrhundert“.
Seit 1976 Lehrtätigkeit an der
Universität für Musik und darstellende
Kunst in Wien.
Vizestudiendekan ebenda seit 2002.
Unterrichtstätigkeit bei internationalen Meisterkursen in Japan, Europa
und den USA.
Präsident des österreichischen
Musikrates (ÖMR) seit dem Jahr
2000.
Ines Reiger
Geboren 1961 in Wien.
Abgeschlossene Studien: MusicalOperette-Schauspiel, Jazztheorie und
Arrangement, IGP für Jazzgesang und
Klavier, Theaterwissenschaft,
Musikwissenschaft.
Als Komponistin, Texterin, Arrangeurin
Zusammenarbeit mit: WDR- Bigband,
Peter Herbolzheimer, Bill Dobbins,
Heinz von Hermann, Wayne Darling,
Richard Österreicher, Teddy
Ehrenreich, Mainstreet, Europlane
Orchestra, Ellis Marsalis, Harry
Belafonte, Tony Christie, The Real
Group usw.
Unterrichtstätigkeit: Musikuniversität
Graz, Musikuniversität Wien,
Musikhochschule Weimar, Franz
Schubert Konservatorium, Vienna
Konservatorium, scuola 55 Triest,
Polycollege Wien
Christian Rösner
Geboren 1974. Nach der Reifeprüfung
ab Dezember 1992 freier Mitarbeiter
bei der Wiener Zeitung, seit 1996
angestellter Redakteur für die
Bereiche Chronik/Inland und Kultur.
Gitarrist bei „Whiches Stew“,
„Endfragment“ und „Waterscales“.
73
Start des musikalischen Projektes
„Superuser-FR“ zusammen mit Georg
Friesenbichler. Auftritte u.a. im
Wiener Rhiz, im WUK zusammen mit
dem Vienna Gospel Chor sowie für
einen privaten Fernsehsender.
Remixaufträge für Sigi Finkel und
Defunkt-Chef Joseph Bowie.
Gemeinsames Projekt mit Mike Ottis
„Inner Soul“ (A Tribute to Falco). 1998
Mitakteur beim Sechstagespiel von
Hermann Nitsch. Fünf Jahre JazzKolumnist für das wöchentlich
erscheinende „Jazzignal“. Ab dem
Jahr 2000 journalistische
Spezialisierung auf elektronische
Musik mit dem neuen Kolumnen-Titel
“Soundsurfer“ (Wiener Zeitung).
Einjährige Mitarbeit beim privaten TVSender TIV als Sales-Manager.
Mitbegründer und -Organisator der
regierungskritischen Plattform „volkstanz.net“ und Initiator sowie
Produzent der „ElectronicResistance“-Reihe in Zusammenarbeit
mit der heimischen Elektronikmusikszene. Auftritte mit dem
„volkstanz.net-Soundsystem“ u.a. in
Stuttgart und Berlin.
2001 Gründung von fabrique records
und edition fabrique zusammen mit
Michael Martinek. Seither mit dem
Aufbau der fabrique-Artists wie z.B.
Mauracher, Kava, KonsortenTM,
Paloma, Basssman, TNT-Jackson, u.a.
beschäftigt - mit dem ständigen
Bestreben, den Export anzukurbeln
und den Arbeitsschwerpunkt auf
internationale Agitation als Label
und als Musikverlag zu legen.
Mario Rossori
Geboren 1959. Nach dem Abschluss
des Studiums der Betriebswirtschaftslehre (1984) Gründung der
Konzertagentur JOHNNY Concerts
mit Georg Leitner. Neben Konzerten
in Österreich auch Europatourneen
mit James Brown, Kool & the Gang
oder Commdores. Zwischen 1989 und
1990 Kontakter bei der Werbeagentur
Betke für Amnesty International und
die Libro Ticket Line.
1991 Selbständigkeit: Musikverlag und
Eventagentur. ARGE gemeinsam mit
Spray Records (Alexander
Spritzendorfer): Erfolge mit ALKBOTTLE, COUNT BASIC, PAPERMOON
oder UNIQUE II. Zwischen 1996 und
1999 Konsulent für das mica (music
information center austria), wo
Rossori Veranstaltungen zur
Promotion österreichischer Musik im
In- und Ausland durchführte (z.B.
Heimspiel, Musikinformationstage).
Seit 2000 Organisation des österreichischen Musikpreises AMADEUS für
den Verband der österreichischen
Musikwirtschaft (IFPI) sowie
Organisation der Gemeinschaftsstände der österreichischen
Musikindustrie auf internationalen
Musikmessen wie POP.KOMM in Köln
oder MIDEM in Cannes für die
GFÖM/AKM. Seit 2001 betreibt Mario
Rossori ein eigenes Indie-Plattenlabel
mit dem Namen PATE RECORDS
(Künstler aus dem Alternative
Bereich). Weitere Tätigkeiten als
Musikverleger, Journalist und
Referent im Bereich Eventmanagement.
Als Experte im Bereich Popmusik ist
Mario Rossori im Vorstand des Österreichischen Musikrates, im Fachverbandsausschuss der Audiovisionsund Filmindustrie und im Vorstand
des SR-Archivs tätig.
Christian Scheib
Geboren 1961, lebt in Wien.
Musikredakteur in ORF / Österreich 1,
Producer der Ö1-Sendereihe Zeit-Ton
und seit 1995 Programmdirektor des
Musikprotokoll im „steirischen herbst.”
1993-96 Musik-Kurator im Auftrag des
österreichischen Bundesministers für
Kunst. Seit 1994 mica-Vorstand.
1998 Gastdozent am Critical Studies
Department des California Institute of
the Arts. Lehrauftrag am Institut für
Elektroakustik, experimentelle und
angewandte Musik der Universität für
Musik Wien. Ausgewählte
Publikationen:
Herausgeber (mit Sabine Sanio) der
Sammelbände das rauschen (Wolke
1995), Form – Luxus, Kalkül und
Abstinenz (Pfau 1999), Bilder - Verbot
und Verlangen in Kunst und Musik
(Pfau 2000), Autor (mit Susanna
Niedermayr) von European Meridians
/ In The East - New Music Territories.
Reports from Changing Countries
(Pfau 2002/2004).
Wolfgang Schlag
Geboren in Waidhofen/Ybbs. Studium
der Betriebswirtschaft. Ständiger
Mitarbeiter von Ö1 seit 1987. Vier
Jahre Fernseharbeit für die
Kulturredaktion. Entwicklung des
Kulturmagazins 10_. Gründer des
Weltmusik-Festivals „Glatt und verkehrt“ in Krems 1995. Kurator für
Musik und Musiktheater des
Donaufestivals 1999 bis 2002. Kurator
und Gründer des Festivals „Xong“ in
Südtirol. Beratende Tätigkeiten für
Konzerthaus Wien, Minoritenkirche
Krems. Produzent von CDs mit
Schwerpunkt „traditionelle Musik“ für
Ocora/Paris und Network/London.
Künstlerische Tätigkeit als Musiker,
Komponist für Burgtheater,
Referenten & Künstler
Volkstheater, Kunstradio, Marstall
München. Leitet derzeit das Festival21
in Floridsdorf und arbeitet an einer
CD-Reihe mit dem Arbeitstitel „Musik
von Migranten in Wien“.
Martin Schlager (alias „skero“)
Geboren 1975. HTL für Grafik-Design
in Linz: 5 Jahre mit Meisterklasse.
Ein Jahr bei Saatchi und Saatchi in
Wien. Zwei Jahre Freelancer in
diversen Agenturen.
1993 Mitbegründung der Hip Hop
Gruppe „Texta“.
1994 Veröffentlichung der EP
„Geschmeidig“, Konzerte in
Österreich.
1996 LP „Gediegen“, Konzerte in
Österreich, Deutschland und Cuba.
1998 LP „Gegenüber“. 2001 LP
„Blickwinkel“. 2004 LP „So oder so“
Tätigkeit als freier Grafiker, u.a. auch
für Texta, Beschäftigung als Maler
und Graffitikünstler
Seit 1995 Herausgeber eines ca. alle
zwei Jahre erscheinenden
Graffitimagazins
Peter Paul Skrepek
Komponist, Textautor, Arrangeur,
Produzent, Musiker, Kabarettist,
Journalist, Interessenvertreter.
Zusammenarbeit mit: Peter Wolf,
André Heller, Friedrich Gulda,
Rainhard Fendrich, Wolfgang Ambros,
Christian Kolonovits, Hansi Dujmic,
Andrew Powell, Maria Bill, EAV, STS,
Peter Müller, Sigi Maron, Roland
Neuwirth, Hubert von Goisern &
Alpinkatzen, Christine Jones, Peter
Janda, Roland Baumgartner, Franz
Morak, Michael Mantler, Thomas
Rabitsch, Falco, Michael Schottenberg,
Karlheinz Hackl, Harald Posch,
Thomas Gratzer, Hubsi Kramar, Peter
Gruber, Erhard Pauer u.a.
Vorsitzender der Gewerkschaft Kunst,
Medien, Sport, freie Berufe [KMSfB]
Präsident der Musikergewerkschaft
[Sektion Musik in der Gewerkschaft
KMSfB], der Musiker-KomponistenAutorenGilde und der Österreichischen Note
Vorstandsmitglied & Finanzreferent
der AKM
Vorstandsmitglied der OESTIG/LSG,
des Österreichischen Musikrats, des
Österreichischen Kulturrats, der
Vereinigung österreichischer
Kurorchester und des Vereins der
Freunde der Musikuniversität Wien
Kuratoriumsmitglied des
Künstlersozialversicherungsfonds
Mitglied des ORF-Publikumsrats
[Vertreter der Kunst]
Lehrauftrag für Gitarre am Josef
Matthias Hauer-Konservatorium
74
[NÖ-Landeskonservatorium] in Wiener
Neustadt
Team Legat
So nennt sich das aktuelle Trio des
„Count Basic“ Masterminds Peter
Legat. Clubtaugliche Grooves und programmierte Beats treffen auf funkige
Keyboards und improvisierte
Gitarrenlicks.
Dieter Kolbeck (Keyboards) und „the
funky Accountant“ Michi Dörfler
(Laptop und Beats) unterstützen
Peter Legat (Guitars) bei seinem
neuen, grooveorientierten Projekt.
Bruno Thiera
Bruno Thiera lebt in Madagaskar und
Österreich. Als Sänger, Gitarrist und
Komponist hat er sich einen klingenden Namen in der Musikszene seiner
Heimat gemacht. Zahlreiche CDVeröffentlichungen auf verschiedenen
Labels.
Fritz Thom
Veranstaltet Jazzkonzerte seit 1972
Gründer des Jazz Festivals Wiesen
1976
Organisator des Jazz Festivals Wiesen
1976-1981
Gründer der Veranstaltungsfirma
„Live Performance Service”
Veranstalter des Jazzfestival Velden
1979-1981
Veranstalter des Festivals „Wiener
Jazzfrühling” 1980-1982
Veranstalter des Jazz Fest Wiesen
1982-1990
Veranstalter des Jazzsummit
Hollabrunn 1985-1986
Gründer und Veranstalter des Jazz
Fest Wien seit 1991
Präsident der International Jazz
Festivals Organization IJFO seit 2003
Martin Traxl
Geboren in Kärnten. Studierte
Publizistik und Theaterwissenschaft
und ist seit 1985 für den ORF tätig.
Seine ersten journalistischen
Erfahrungen sammelte er im
Aktuellen Dienst des Landesstudios
Kärnten. Weiters war er Redakteur im
Kulturressort der Kärntner
Kronenzeitung. Danach gestaltete er
hauptsächlich Kulturbeiträge für das
Landesstudio und arbeitete an den
Bachmannpreis-Dokumentationen mit.
Seit 1987 ist Martin Traxl ständiges
Mitglied der Kulturredaktion im
Hörfunk in Wien. Beiträge für das
„Morgen-” und „Mittagsjourna”,
„Kultur aktuell” und „Ö1-Danach”.
Darüber hinaus baute er das
Kulturressort von Ö3 auf, moderierte
und gestaltete das Theatermagazin
„Im Rampenlicht”, und war Chef vom
Dienst in der Kulturredaktion. 1993
war er für die Entwicklung des täglichen Alltagskultur-Magazins
„Leporello” verantwortlich.
Als Korrespondent für SFB, NDR, BR
und RIAS Berlin hat sich Traxl auch in
Deutschland einen Namen gemacht.
Von März 1995 bis 1997 war Traxl
Kultur-Präsentator der „ZiB 1” und
gestaltete TV-Reportagen für
„Treffpunkt Kultur” und „Am
Schauplatz”.
Von Jänner 1998 bis Oktober 2002
moderierte Martin Traxl die „ZiB 1”.
Im Jänner 1999 wurde er zum Leiter
der Kulturinformation in der FernsehHauptabteilung Kultur bestellt. Im
Sommer 2003 lud er zu den „KulturSommergesprächen” ein. Derzeit:
Leitung der Abteilung
Kulturmagazine.
Peter Tschmuck
Geboren 1971 in Graz, studierte an
der Universität Innsbruck
Betriebswirtschaftslehre und
Volkswirtschaftslehre und promovierte mit einer Dissertation über den
„Wandel der Musikkultur als
Phänomen des gesellschaftlichen
Wandels am Beispiel der Innsbrucker
Fürstenhöfe zwischen 1560 und
1650”.
Seit Juni 2000 ist Peter Tschmuck am
Institut für Kulturmanagement und
Kulturwissenschaft der Universität für
Musik und darstellende Kunst in Wien
tätig, wo ihm im Juni 2003 die
Lehrbefugnis im Fach
„Kulturbetriebslehre” nach Vorlage
der Habilitationsschrift über
„Kreativität und Innovation in der
Musikindustrie” verliehen wurde.
August Viertbauer
Geboren 1965. Ausbildung als Tenorist
und Posaunist, auch als Gitarrist und
Sänger tätig. Mit der
Unterhaltungsband „Gschwandtner“
18 Jahre auf der Bühne: Blasmusik,
Jazz, Swing, Klassik usw. Nebenbei
jobt er als Tonträgerverkäufer und
Promoter. Wechselt später vom aktiven Musiker zum Musikmanager.
Hauptbetätigungsfelder:
Künstlermanagement, Promotion ,
Verlag, Booking, Marketing.
Künstler von Viertbauer Promotion:
SEER, Francine Jordi, Nockalm
Quintett. Die LEI DREI GmbR (3 Stars
des Villacher Faschings) touren mit
ihrem Kabarettprogramm „Hurra wir
ferblöden“ aktuell durch das
Bundesgebiet. Im PR-Bereich arbeiten
folgende Künstler seit Jahren mit
Viertbauer Promotion (Auswahl):
Referenten & Künstler
75
Arnulf Prasch , Schürzenjäger, Hansi
Hinterseer, Die Jungen Tenöre,
Edlseer.
internationalen Bewerben (u.a. in Le
Havre, Trier, Füssen, Lörrach,
Friedrichshafen).
mit Pauline Oliveros, Alvin Curran,
Andres Bosshard und Malcolm
Goldstein.
Horst Watzl
Studium der Publizistik und
Politikwissenschaft. Studienaufenthalt
Philippinen - Schwerpunkt:
Basiskulturbewegung. Tournee mit
der philippinischen
Musiktheatergruppe „Peta“ Philippinen Komitee. Tournee mit dem
Musiktheater „Cry of Asia” –
Philippinen Komitee.
Aufbau eines multikulturellen
Zentrums in Wien, Geschäftsführung
des Vereins Information Solidarität
Dritte Welt. Seit 1995 Tätigkeit im
Wiener Institut für Entwicklungsfragen
und Zusammenarbeit (VIDC):
Programm & Kommunikation.
Aufbau eines Kompetenzzentrums für
entwicklungspolitische
Kulturarbeit/Kulturen in Bewegung
Beratung, Vermittlung für
Veranstalter & NGOs; Kooperation mit
MusikerInnen (Schwerpunkt: Afrika,
Asien, Lateinamerika).
Projekte: Sura Za Afrika 96,
Kulturaustauschprojekte mit
Schwerpunkt Afrika, Asien,
Südamerika (z.B. Sur Sudha: Musik
vom Dach der Welt - Nepal; Batimbo:
Burundi; Azmaris: Äthiopien; Mablulu:
Mosambik; Groovinol: Nikaragua u.a.).
Aktuell: Moving Cultures Favoriten global/lokal im 10. Bezirk/Wien.
Günther Wildner
Geboren 1971 in Wien. Studium:
Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft, Soziologie, Kulturmanagement. Lebt als Kulturmanager,
Verleger, Musikwissenschaftler und
Musiker in Wien. Gründer und Inhaber
der Musikagentur „Wildner Music“
und des Verlags „Wildner Music
Publishing“, Generalsekretär des
Österreichischen Musikrates (ÖMR),
Vorstandsmitglied der Musikergilde
(MKAG) und des Kulturrat Österreich
(KRÖ), wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Popularmusik an der
Universität für Musik und darstellende
Kunst in Wien.
Andy Zahradnik
Geboren 1958. Seit 1973 in den
verschiedensten Positionen im
österreichischen und deutschen
Musikgeschäft tätig, kehrte er 1997
aus Frankfurt/Main nach Wien zurück
und stieg aus dem klassischen MajorBereich aus, machte sich als Unternehmer selbständig und vertritt
seither als Subunternehmer die
deutschen Chartspezialisten media
control bzw. music control.
Im Mai 2001 wurde Andy Zahradnik
für sein Engagement um die Charts
(Ö3 Austria Top 40) mit dem
Amadeus Austrian Music Award als
„Musikpartner des Jahres”
ausgezeichnet. Der langjährige
Branchenkenner ist in weiterer
Funktion als Österreich-Redakteur für
das deutsche Branchenmagazin „Der
Musikmarkt“ tätig, schreibt Bücher
für Bühnenshows, Moderationstexte
(u.a. Musikantenstadl) und Künstlerbiografien.
Friedrich Weyermüller
Geboren 1936. Ausbildung in
Innsbruck in Violine (Prof. Hippmann),
Klavier (Prof. Jellinek), Orgel
(Prof. Vogl) und Trompete (Prof. Ulf).
Lehrtätigkeit an diversen Grund-,
Mittel und Berufsschulen, Akademien
und an der Universität Innsbruck.
Gastvorlesungen im In- und Ausland.
28 Jahre Trompeter bei der
Stadtmusikkapelle Wilten
(Prof. Tanzer) und weiterer Orchester.
Promotion zum Dr. phil. (Philosophie,
Psychologie und Psychopathologie),
Leopold Franzens Universität
Innsbruck 1964. Habilitation zum
Univ.-Doz. für das Fachgebiet
Schulpädagogik mit besonderer
Berücksichtigung der Sonderschulen,
Leopold Franzens Universität
Innsbruck 1980. Lt. UOG Univ. Prof.
seit 1989.
Präsident des Internationalen
Musikbundes (CISM) 1980-1992.
Ehrenpräsident des Internationalen
Musikbundes (CISM) seit 1992.
Präsident des Österreichischen
Blasmusikverbandes (ÖBV) seit 1980.
Juryvorsitzender bei nationalen und
Mia Zabelka
E-Violinistin, Multimedia-Künstlerin
und Kuratorin, lebt und arbeitet in
Wien. Studierte Violine, Komposition,
elektroakustische Musik, Musikwissenschaft und Publizistik in Wien, Köln,
Berlin und New York. Zahlreiche
Konzerte und intermediale Performances im In- und im Ausland, sowie
CD-, Video-, Radio- und TVProduktionen. „Composer in
Residence“ an der Kunststation St.
Peter in Köln. Gast des Internationalen Künstlerprogramms des DAAD,
Berlin. Stipendiatin (Bundesministerium für Unterricht und Kunst,
Fulbright Commission). Dreifache Ars
Electronica-Preisträgerin (1988, 1993
& 1994). Preisträgerin des WDRKompositionswettbewerbs.
Auftragswerke für Ars Electronica,
steirischen herbst, Wiener Festwochen,
Bonner Tage für Neue Musik, Alte
Oper Frankfurt, Inventionen Berlin,
Stiftung Akademie der Künste Berlin,
New Music America, The Kitchen New
York, Wiener Konzerthausgesellschaft,
Salzburger Festspiele/Zeitfluss,
ORF Kunstradio, Kulturhauptstadt
Graz 2003.
Von 1996 bis 2000 künstlerische
Leiterin des Klangturm St. Pölten.
1998 bis 2001 Initiatorin des
Engelspfads Wien gemeinsam mit
Karin Schorm/cbb-projects.
Zusammenarbeit mit: John Zorn,
David Moss, Peter Kowald, Shelley
Hirsch, Zeena Parkins, Max Nagl,
Sainkho, Phil Minton, Joelle Leandre,
Fernando Grillo, Eliott Sharp,
Wolfgang Mitterer, Fred Frith und Joe
Zawinul, Gerhard Potuznig, Robin
Rimbaud Electric Indigo.
Ihre Arbeit erhielt wesentliche
Anregungen durch die Bekanntschaft
Martin Zimper
Geboren 1963 in Wien. Publizist und
Medienberater, Dr. phil. (Publizistik
und Kommunikationswissenschaft),
Promotion 1989. Absolvent des
Hochschullehrganges für „Werbung
und Verkauf“ an der
Wirtschaftsuniversität Wien (1983).
Arbeitet seit 1995 freiberuflich als
Autor und Medienberater in Wien. Zu
seinen Kunden zählen u.a. Antenne
Bayern, MDG Mediendienstleistungen
München, NÖ Pressehaus, ON AIR
Berlin, ICAN, Wiener Dom Verlag,
EUROCAST Rundfunk GmbH Berlin,
Mediaprint Wien.
Drehbuch zum TV-Movie „Das
Mädchen Olivia“ (1,1 Mio. Zuseher in
Österreich; 5 Mio. in Deutschland,
RTL-Hauptabend, 1996). 1998
Geschäftsführer und Mitgesellschafter
Energy 104,2.
2000-2002 Programmchef/
Geschäftsführer des CHR-Senders
106,7 PARTY FM (Wiener Neustadt),
dessen Hauptgesellschafter er heute
noch ist.
Seit Ende 2002 Geschäftsführer und
Programmchef von Österreichs größtem Privatradioprogramm, KRONEHIT
(Donauwelle Radio Privat NÖ GmbH)
sowie GF von 11 weiteren damit verbundenen Radiogesellschaften.
Lehrtätigkeit am Studiengang
„MultiMediaArt“ an der
Fachhochschule Techno-Z in Salzburg
(„Scriptwriting“, 1996-2002).
Referenten & Künstler
Bücher: Das Mädchen Olivia, Herbig
Verlag 1996. Paterno - Vom Sinn des
Lebens, Amalthea Verlag 1998.
Preise: 1991 Verleihung des LudwigErhard-Förderpreises für
Wirtschaftspublizistik, Bonn
76
Herunterladen