Alltag von Muslimen in Niedersachsen

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SACHL CH
Schriftenreihe
der Ausländerbeauftragten
des Landes
Niedersachsen
Alltag von Muslimen
in Niedersachsen
Alltag von Muslimen
in Niedersachsen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
von Gabriele Erpenbeck
4
Toleranz und Glauben – ein Überblick
von Konrad Baer
6
Der Zentralrat der Muslime ist ein Partner
von Dr. Nadeem Elyas
8
Eine Frage der Ehre
von Dr. Dursun Tan
10
Junge muslimische Männer in Deutschland
von Nikolas Kaye
12
Die Balance zwischen Tradition und Moderne
von Katharina Ayroud-Peter
14
Die Vielfalt der Lebenswege muslimischer Frauen
von Daniela Schulz
16
Eine offene Moschee und ihre
nichtmuslimische Nachbarschaft
von Halima Krausen
19
Christentum und Islam –
Facetten einer spannungsvollen Beziehung
von Dr. Ralf Geisler
21
Das Wagnis Toleranz
von Rena Bürger
24
Alevitischer Islam – Hand in Hand mit dem Dede
von Dany Schrader
26
Besuch in einer unbekannten Welt:
Die Moschee in Hannovers Stiftstraße
von Solveig Vogel
27
Grundbegriffe, Literatur und Adressen
zusammengestellt von Dr. Ralf Geisler
30
Autorenverzeichnis und Impressum
34
Vorwort
von Gabriele Erpenbeck
4
Die erste Woche der Muslime in Niedersachsen 2000 war ein Experiment.
Nach allen Rückmeldungen, die mich
erreicht haben, war es ein gelungenes
Experiment. Neu daran war, dass die Initiative von verschiedenen Kommunen
in Niedersachsen ausging. Inzwischen
ist von mehreren Seiten angeregt worden, das Projekt weiter zu verfolgen.
Mit dieser neuen Ausgabe in der Reihe
„Sachlich“ wird die Dokumentation
der Auftaktveranstaltung der ersten
Woche der Muslime vorgelegt.
Während der hier dokumentierten Veranstaltung konnten natürlich nicht alle
wichtigen Einzelthemen behandelt
werden. Weitere Fragen wurden bei
Diskussionen, Fortbildungen und Informationsveranstaltungen unterschiedlichster Art in Braunschweig, Diepholz,
Gifhorn, Hannover, Osnabrück, Wilhelmshaven oder Wolfsburg angesprochen.
Im Mittelpunkt standen überall die Fragen, die im Alltag und vor Ort im Zusammenleben von Muslimen und
Nichtmuslimen eine Rolle spielen, Fragen, die durch Missverständnisse, mangelnde Informationen oder festsitzende
Vorurteile zu Problemen führen können. Modelle islamischen Religionsunterrichts, die bisher existieren, wurden
vorgestellt, Erziehungsstile in türkischstämmigen Familien sowie die Situation der jungen Frauen und Männer aus
diesen Familien diskutiert, nach Möglichkeiten der interreligiösen Erziehung
gefragt, historische und kulturgeschichtliche Fragestellungen bearbeitet, Malwettbewerbe für Kinder und Jugendliche durchgeführt oder im Rahmen einer Fachtagung die Situation
von Muslimen im Gesundheitswesen
untersucht. Zusätzlich fanden viele Begegnungen in den Moscheen statt, die
sich aus Anlass der Woche geöffnet
hatten. Kultur- und Musikveranstaltungen rundeten das Angebot ab.
Die Vorbereitung haben Verantwortliche aus den Städten und Gemeinden
gemeinsam mit Fachleuten – Muslimen
und Nichtmuslimen – aus verschiedenen Bereichen geleistet. Dass auch
nicht organisierte Muslime einbezogen
waren, hat neue Impulse für die weitere Arbeit vor Ort gebracht.
Ziel war es, Menschen aus dem islamisch geprägten Kulturkreis, die z. T.
schon seit vielen Jahren in Deutschland
leben, Möglichkeiten zu eröffnen, in
einer interessierten und auch Fachöffentlichkeit gleichberechtigt über Probleme und Lösungsansätze zu diskutieren in Fragen, die im Schul- und Bildungsbereich, in der Kinder- und Jugendarbeit, im Gesundheitswesen, in
Behörden und Verwaltungen, im Stadtviertel und in vielen anderen Bereichen
des Alltags immer wieder auftauchen.
Wichtig ist, dass im gesamten Bildungsbereich, in den verschiedenen
Diensten, in der Verwaltung, in den
Medien und in der konkreten Alltagsgestaltung interkulturelle und damit
auch multireligiöse Aspekte berücksichtigt werden. Das bedeutet nicht,
dass allen in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz oder wo sonst immer alles
über den Islam bekannt sein muss. Der
Islam und die Muslime sind nicht monolithisch. Alles wissen zu sollen oder
zu wollen, wäre eine Überforderung.
Für die Mehrheit ist es nach meiner
Überzeugung am wichtigsten, das eigene Fundament und die eigenen Wurzeln zu kennen, sie immer wieder neu
zu akzeptieren und sich neu zu eigen
zu machen. Wer weiß, woher er selbst
kommt und auf welchem Fundament
er steht, kann selbstbewusster, toleranter und vorurteilsfreier mit Menschen
anderer Herkunft umgehen und zusammenleben. Auch dann können
durchaus kulturell bedingte Konflikte
entstehen. Aber: Lösungswege sind
leichter von einer sicheren Basis aus zu
finden. Dann gibt auch eine bessere
Chance der im wahrsten Sinne des
Wortes tödlichen Falle zu entgehen,
nämlich der Versuchung, gesellschaftliche oder soziale Konflikte an den
Grenzlinien von Religionen, Kulturen
oder Ethnien zu eskalieren.
Es bleibt keine Wahl, als zu akzeptieren, dass wir nicht in einer homogenen
Gesellschaft leben. Die kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt wird eher
zu- als abnehmen. Die Fähigkeit damit
umzugehen kann gelernt werden. In
den Niederlanden gibt es gute Erfahrungen mit Trainingskursen, die die
kulturübergreifende Verständigung, interkulturelle Konfliktfähigkeit und Toleranz fördern. In dieser Hinsicht können
wir von den Nachbarländern in Europa
lernen; denn entscheidend ist, dass die
einheimische Bevölkerung sich ihrerseits einem beiderseitigen Integrationsprozess öffnen will.
Dazu gehört, dass auch den Menschen
aus dem islamisch geprägten Kulturkreis, die in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, ein deutliches Signal zu geben, dass sie zu dieser Gesellschaft gehören. Es sind nicht
allein die fremdenfeindlichen und rassistischen Übergriffe auf Menschen anderer Herkunft und ihre Gotteshäuser
oder Friedhöfe, die zu verfolgen und zu
ächten sind. Es sind auch die Diskriminierungen unterschiedlicher Art, die sie
immer wieder im Alltag erfahren. Diese
Diskriminierungen müssen abgebaut
werden. Sie brauchen wie alle anderen
eine Perspektive in dieser Gesellschaft.
Dazu sollten die hier dokumentierte
und alle anderen Veranstaltungen im
Rahmen der ersten Woche der Muslime
in Niedersachsen dienen.
5
Toleranz und Glauben –
ein Überblick
von Konrad Baer
Durch die Arbeitsmigration der 60er
und 70er Jahre sind die Muslime nach
Deutschland gekommen. Mittlerweile
ist der Islam hier die drittgrößte Religionsgemeinschaft nach den christlichen
Konfessionen mit rund drei Millionen
Anhängern. Die vieldiskutierte „multikulturelle“ Gesellschaft ist vor allem
auch eine „multireligiöse“ Gemeinschaft. Und das ist schwierig in einem
Land, in dem selbst die Akzeptanz und
Zusammenarbeit von christlichen Konfessionen untereinander noch immer
nicht selbstverständlich ist. In vielen
ländlichen Gebieten meint das Wort
„Mischehe“ noch heute die Heirat eines katholischen und eines evangelischen Partners.
Die notwendige „Einbürgerung des Islam“, von der die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen
spricht, trifft oft auf Vorurteile und
Ängste. Der Islam wird als einheitlicher
Block wahrgenommen. Aleviten, Sunniten und Schiiten unterscheiden sich
aber in vielen Punkten grundlegend.
Die folgenden Texte sollen unter anderem auch dazu beitragen, den Blick zu
schärfen. Die multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft ist mehr, als ein
bloßes Nebeneinander. Vielfalt fordern
von allen Seiten Veränderungen. Allein
das ständige Bewußtsein von der Möglichkeit des Anders-Seins und die Notwendigkeit von Toleranz kann Konflikte mit engen festgefügten Weltbildern
auslösen.
6
Ein besonders heikler Bereich ist das
Verhältnis der Geschlechter. Der Islam
wird häufig mit Patriarchalismus und
der Unterdrückung der Frau gleichgesetzt. Die auch in unserer Gesellschaft
bis vor kurzem noch sehr deutlichen
patriarchalen Tendenzen werden dagegen oft verdrängt. Streng moslemische
Familien wären mit dem geschlechtertrennendem Schulsystem der 50er Jahre in der Bundesrepublik gut zurechtgekommen. Die Paradoxie vieler Diskussionen zeigt sich darin, dass es zum
großen Teil die sozialen Milieus sind,
die sich für die Gleichberechtigung der
Geschlechter eingesetzt haben und
einsetzen, die sich auch um die Integration von Migranten in die bundesrepublikanische Gesellschaft bemühen.
Die vorliegenden Texte gehen auf Referate und Diskussionen während der
„Woche der Muslime“ zurück. Unter
dem Motto „Halbmond zwischen Ems
und Elbe“ hatten die Niedersächsische
Landeszentrale für Politische Bildung
und die Ausländerbeauftragte des Landes Niedersachsen im November 2000
zum Gespräch eingeladen. Nicht alle
aktuellen Fragen werden hier behandelt. Religiös vorgeschriebene
Schlachttechniken, das Problem, eine
Baugenehmigung für eine Moschee zu
bekommen oder das Verhältnis des Islam zu Kunst und Kultur sind an anderer Stelle zu vertiefen.
Nadeem Elyas stellt den Zentralrat der
Muslime dar, eine Dachorganisation,
die die Mehrheit der in Deutschland lebenden „Konfessionen“ des Islam in
ihren Interessen vertritt. Dursun Tan
und Nicolas Kaye beschäftigen sich in
ihren Beiträgen mit dem Gewaltpotential, dass in der Öffentlichkeit männlichen muslimischen Jugendlichen zugeschrieben wird. Dabei wird insbesondere die Frage behandelt, zu welchem
Anteil die Religion und zu welchem
Anteil andere gesellschaftliche Einflüsse zu auffälligem Verhalten führen.
Katharina Ayround-Peter beschreibt,
wie sich traditionelle Familienverhältnisse von moslemischen Migranten in
Deutschland verändern. Die Religion ist
dabei ein wichtiger Faktor, eine Identität auszubilden, aber sie ist nicht die allein prägende Kraft. Daniela Schulz beschäftigt sich mit den Lebenswegen
muslimischer Frauen in Deutschland.
Dabei wird klar, dass für muslimische
Frauen die Kenntnis des Koran zum Teile eine Hilfe sein kann, sich gegen
männliche Unterdrückung in der Familie zu wehren. Andere muslimische Verhaltens-Vorschriften für Frauen erscheinen, zumindest aus aufgeklärter europäischer Sichtweise, repressiv. Halima
Krausen berichtet von den Erfahrungen
einer schiitischen Hamburger Moschee.
Gespräche miteinander statt übereinander haben geholfen, viele Konflikte
mit Nicht-Muslimen zu lösen oder aber
zumindest zu entschärfen.
Pastor Ralf Geisler plädiert für die
Wahrnehmung von religiösen Gemeinsamkeiten von Islam und Christentum.
Denn dadurch entstehen nach seiner
Meinung Gefühle von familienartiger
Zusammengehörigkeit, die auch die
Unterschiede im jeweiligen Glauben
aushalten lassen. Wer Religionen nur
mit der weltlichen säkularen Brille betrachtet, meint der Theologe, werde
dem „Kern“ und Selbstverständnis der
jeweiligen Glaubensrichtung nicht gerecht. Toleranz setzt den Mut voraus,
sich auf das jeweils Andere und Fremde einzulassen, ist das Fazit des Textes
von Rena Bürger. Nicht jede Kommunikationsversuch zwischen Christen und
Muslimen gelingt. Die Diskussion, über
die Rena Bürger berichtet, ist dafür ein
anschauliches Beispiel. Konflikte kann
man erst dann überwinden, wenn es
beiden Seiten gelingt, Toleranz zu entwickeln und Andersartigkeit nicht als
Bedrohung für die eigene Identität zu
sehen.
Dany Schrader berichtet über den Alevismus. Sie hat Professor Ali Ucar in einer Diskussionsrunde mit Moslems und
Christen begleitet. Der Text gibt erste
Einblicke in den wenig bekannten alevitischen Islam und er macht Konflikte
dieses Bekenntnisses mit den anderen
großen moslemischen Glaubensrichtungen deutlich. Solveig Vogel hat einen Besuch von Christen in der Moschee in Hannovers Stiftstraße beobachtet. Die Gastfreundschaft und das
offene Gespräch waren für die Besucher beeindruckend. Durch Begegnungen wandelt sich Misstrauen in gegenseitiges Verständnis, ohne Unterschiede und Konflikte zuzudecken. Ralf
Geisler hat am Ende dieses Heftes
Grundbegriffe des Islam stichwortartig
zusammengefasst und Literatur und
Adressen zusammengestellt.
Die gesellschaftliche und individuelle
Auseinandersetzung mit Religion ist
eine wichtige Voraussetzung für die Integration von Migranten. Der absolute
Wahrheitsanspruch von Religion kann
sicher konfliktverschärfend wirken, das
gilt auch für andere umfassende Weltdeutungen. Wichtig ist die Erinnerung,
dass das Christentum in seiner Geschichte fundamentalistische Ausprägungen gehabt hat (und in Teilen noch
immer hat). Echte Begegnung kann
nicht in der Atmosphäre gegenseitiger
Missionierung, sondern nur im Klima
von Toleranz und Akzeptanz gelingen.
Die „Woche der Muslime“ war dafür
ein Beispiel. Auch die neue Ausgabe
von „Sachlich“ will mit dazu beitragen,
ein solches Klima zu fördern.
7
Der Zentralrat der Muslime ist
ein Partner
von Dr. Nadeem Elyas
Die Muslime sind Teil der deutschen
Gesellschaft. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist Partner im gesellschaftlichen Leben und der Politik. Der
Zentralrat geht den Weg des Miteinanders mit anderen Gruppen und Personen der Gesellschaft und lehnt sowohl
Abgrenzung als auch Ausgrenzung ab.
Für islamische Belange ist er: Gesprächspartner, Anlaufstelle und ein
einheitlicher Ansprechpartner in
Deutschland. Er nimmt Stellung zu wesentlichen Fragen der Gesellschaft im
Allgemeinen und der Muslime im Besonderen.
Das deutsche Wirtschaftswunder zog
viele ausländische Arbeitskräfte an. Mit
den sogenannten Gastarbeitern kamen
auch viele Muslime ins Land. Spätestens seit den sechziger Jahren ist der
Islam in Deutschland nicht mehr wegzudenken. So, wie die meisten Muslime in Deutschland eine neue Heimat
gefunden haben, ist auch der Islam
hier heimisch geworden. Mit einem
Anteil von ungefähr drei Prozent an
der Gesamtbevölkerung sind wir zwar
nur wenige. Hinter den Christen bilden
wir aber die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland.
Aus den anfänglichen islamischen Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen
bildeten sich islamische Gemeinden.
Der rasche Wandel der Anforderungen
stellte sowohl für die inneren Strukturen der Gemeinden als auch für die
Gesellschaft, die Politiker und die Verwaltung unüberschaubare Herausfor-
8
derungen dar. Aus den Bedürfnissen
von „Hinterhof-Moschee-Gemeinden“, die zunächst nur lokaler Natur
waren, wuchsen gemeinschaftliche islamische Belange, die die Grenzen der
Kommunen und der Bundesländer
überschritten. Fragen, wie beispielsweise die Einführung eines islamischen
Religionsunterrichts an öffentlichen
Schulen, die Einrichtung eines geregelten, veterinärmedizinisch überwachten
Schlachtbetriebes nach islamischem Ritus oder die Probleme der Muslime der
zweiten und dritten Generation können nur noch gemeinsam von den
Muslimen angepackt werden.
Unterdessen gibt es schätzungsweise
mehr als hunderttausend deutschstämmige Muslime. Immer mehr ausländische Muslime streben die deutsche
Staatsbürgerschaft an. Auch den Muslimen ist mit der Zeit bewusst geworden, dass der Islam eine dauerhafte
Religion in Deutschland geworden ist.
Diese rasche Entwicklung bringt für
alle Beteiligten Probleme mit sich.
Im Jahr 1986 trafen sich deswegen die
Vertreter der großen islamischen Dachverbände, Organisationen und Kulturzentren, um sich dieser gemeinsamen
Aufgaben zustellen. Aus unverbindlichen Koordinierungs- und Gesprächskreisen entwickelte sich der Islamische
Arbeitskreis, aus dem im Dezember
1994 der „Zentralrat der Muslime in
Deutschland“ hervorging.
Es ist sein Ziel, „den islamischen Gemeinschaften in Deutschland zu dienen, den kulturellen und interreligiösen Dialog zu pflegen und sich für eine
konstruktive Kooperation zum Wohle
der islamischen Gemeinschaft und der
ganzen Gesellschaft einzusetzen“. (Aus
der Präambel des Zentralrates der Muslime in Deutschland).
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland versteht sich somit als integraler
Bestandteil der pluralistischen Gesellschaft Deutschlands. Er geht den Weg
des Miteinanders mit den anderen Teilen unseres Landes und lehnt deswegen Abgrenzungen und Ausgrenzungen ab. Dies gilt sowohl für das Verhältnis des Zentralrates zu nichtmuslimischen Gruppen, wie auch für islamische Gemeinden und Organisationen,
die nicht dem Zentralrat angehören. In
seiner breiten Vielfalt tritt der Zentralrat
dem häufig den Muslimen gegenüber
erhobenen Vorwurf entgegen, dass sie
keinen Ansprechpartner unter den
Muslimen finden und zu stark zersplittert seien.
Ein Zusammenwirken mit den anderen
Gruppen und Institutionen der Gesellschaft ist aber nur auf der Basis gegenseitigen Vertrauens und Achtung und
mit beiderseitigem Willen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit möglich.
Der Zentralrat ist hierzu bereit.
Um diese Basis zu schaffen, ist es erforderlich, dass sich beide Seiten besser
verstehen lernen. Der Zentralrat leistet
deswegen Aufklärungsarbeit über den
Islam und die Muslime in der Öffentlichkeit – aber auch im Innenverhältnis
gegenüber den Mitgliedern über die
deutsche Gesellschaft. Feindbilder
müssen auf beiden Seiten abgebaut
werden.
In diesem Rahmen ist es ein Anliegen
des Zentralrates der Muslime in
Deutschland mit allen Gruppen – insbesondere aber mit den Juden und
Christen – in unserem Land einen konstruktiven Beitrag zu leisten und am
Aufbau einer neuen ethischen Kultur
und eines moralischen Grundgerüstes
mitzuwirken. Wir denken konkret aber
auch an die Probleme der Jugend, der
Arbeitswelt, der sozial Benachteiligten,
der alten Menschen oder die Bewahrung der Schöpfung; und es gilt ganz
im Sinne unserer Religion, Frieden zu
stiften.
Der Zentralrat ist den ethischen Forderungen des Islams und seiner Lehre verpflichtet. Zur Erfüllung seiner Aufgaben bemüht er sich nach besten Kräften, sich an die Regeln seiner Religion
und Glaubensüberzeugung zu halten.
Darüber hinaus sind sich alle dem Zentralrat angeschlossenen Vereinigungen
auch darin einig, ihre Religion auf dem
Boden und im Rahmen der bundesdeutschen Verfassung und im Einklang
mit den deutschen Gesetzen zu praktizieren.
9
Eine Frage der Ehre
von Dr. Dursun Tan
Angehörige der islamischen Religion
bilden in Deutschland eine ethnische
und religiöse Minderheit. Der Umgang
mit dem Thema „Gewalt, Ehre und Religion“ ist daher anders zu führen als in
den Ländern, in denen der Islam „religiös“ und „kulturell“ dominant ist.
Das ist der Tatsache geschuldet, dass
die Erklärungen von Phänomenen und
Handlungen immer auch davon abhängen, welcher „Diskursrahmen“ gewählt wird. Jeder Diskursrahmen blendet bestimmte Tatsachen aus und rückt
andere in den Mittelpunkt und wirkt
damit auf die Inhalte ein.
Die folgenden Ausführungen folgen
dem Grundsatz, dass die Funktion von
Erklärungen und das Erschließen von
Zusammenhängen, sich einerseits nicht
der Verantwortung ihrer Nebenfolgen
entziehen kann, andererseits aber die
Resultate nicht beschönigen und entschuldigen sollten.
Die Thematisierung von muslimischen
Jugendlichen erfolgt in der Regel einseitig, unter dem Aspekt von Gewalt,
Kriminalität, Fundamentalismus und
Fanatismus.
Die meisten Analysen zeugen von Distanz und Abwehr. Man sieht in muslimischen, männlichen Jugendlichen die
zukünftigen Machos oder Patriarchen,
die die Frauen an ihrer Entwicklung
hindern oder diskriminieren und ihre
Schwestern und Ehefrauen unterdrükken.
Ehrvorstellungen von männlichen Jugendlichen werden unwissentlich und
einseitig dem Islam zugeordnet. Tatsache ist aber, dass die Ehrvorstellungen
im Koran andere sind, als die aus einer
männlich geprägten Kultur.
10
Entwicklungspotentiale, die Vielfältigkeit innerhalb der muslimischen Jugendkultur, die sozialen und schichtspezifischen Differenzen innerhalb der
Jungendlichen sowie der Unterschied
von „frommen“ und „nichtfrommen“
Formen des Islams werden kaum wahrgenommen.
Die Analysen (wie z.B. die von Wilhelm
Heitmeyer u.a. oder Christian Pfeiffer)
zum Gewaltpotential männlicher, muslimischer Jugendlicher vernachlässigen
aus meiner Sicht auch den Aspekt, dass
es sich bei den Jugendlichen zunächst
um Jugendliche handelt, mit all den
Problemen, Wünschen, Vorstellungen
und Eigenschaften, die typisch für eine
bestimmte Altersgruppe sind.
Auch gehen sie zuwenig auf die Bedingungen des Aufnahmelandes und die
Rolle der Mehrheitsgesellschaft bei der
Produktion des Gewaltpotentials von
männlichen, muslimischen Jugendlichen ein. Dagegen messen sie den aus
der Herkunftskultur „mitgebrachten“
Gewaltpotentialen zuviel Bedeutung
bei. Tradierte Gewaltpotentiale vermischen sich aber unter Bedingungen des
Ziellands mit den vorgefundenen Bedingen und Struktureigentümlichkeiten zu neuen Formen von Gewalt. Sie
können daher nicht mehr allein dem
Mitbringen tradierter Rollen aus dem
Heimatland zugeschrieben werden
(z.B. Pfeiffer). Sie oszilieren mit subjektiv empfundener Diskriminierung und
Marginalisierung sowie der Erosion
ehemals tradierter familiärer Rollen
und damit einhergehender Wert- und
Normenvorstellungen (vgl. Heitmeyer)
zu neuen Formen.
Der Islam soll in seiner Prägekraft nicht
verleugnet werden, jedoch handelt es
sich bei den Problemen, die die männlichen, muslimischen Jugendlichen haben, auch und in erster Linie um typische Probleme von männlichen Jugendlichen bzw. Heranwachsenden.
Diese sind:
• Probleme, unter Bedingungen kultureller Widersprüchlichkeiten, Individualisierung und divergierender
Wertvorstellungen, eine stabile Geschlechtsidentität auszubilden.
• Probleme, über Sexualität zu sprechen (statt dessen Protzen sie darüber und werten das weibliche Geschlecht ab).
• Probleme, unter Bedingungen von
„Freizügigkeit“, „Erotisierung des
Alltags“, „Erosion traditioneller Rollenvorstellungen“, ein partnerschaftliches Verhältnis zu Mädchen
bzw. Frauen aufzubauen.
• Probleme, von Erwachsenen angenommen, akzeptiert, respektiert und
geliebt zu werden.
• Schulstress, Stress mit Eltern, Geldnöte, Versagungsängste, Sorge kein
Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz
zu bekommen, Angst, von Mädchen
nicht für attraktiv befunden zu werden.
• Angst, für schwach und für nicht
männlich gehalten zu werden.
• Angst, den (widersprüchlichen) gesellschaftlichen Erwartungen nicht
gerecht werden zu können.
• Angst, von der Aufnahmegesellschaft diskriminiert zu werden und
kein Heimatgefühl ausbilden zu
können.
Bei vielen, durchaus kritisierbaren bzw.
nicht hinnehmbaren Einstellungen und
Handlungen handelt es sich auch um
Kompensation. Diese erfolgt durch unterschiedliche Ansätze:
• Selbstethnisierung (markante Devisen: „Alle Deutschen hassen die Türken“, „weil wir Türken sind“, „einem Türken wird nur ein anderer
Türke Freund sein können“ etc).
• Religiöser Übereifer (markante Devisen: „Sie, die Deutschen bzw. Europäer sind technisch überlegen, aber
moralisch bzw. kulturell verkrüppelt“, „sie glauben an Geld, wir an
Gott“, „Sie werden von Gott bestraft, ich belohnt werden“ u.ä.).
• Ablehnung des deutschen Umfelds;
z.B. Sprachverweigerung (Bewusstes
provokatives Ausländerdeutsch).
• Selbstviktimisierung und Pariabewusstsein (Zelebrieren von Leiden
und Entwicklung einer Leidkultur,
mit dem Bedürfnis, getröstet oder eines Tages erlöst oder errettet zu werden, teilweise erfolgt daraus auch
„Gewaltlegitimation“).
• psychische Auffälligkeiten, mit Neigung zu „Wahnvorstellungen“ (Verfolgungs- und/oder Größenwahn).
• Abrutschen ins kriminelle Milieu:
(Glückspiel, Hehlerei, Dealerei, Jungenstrich, Rotlichtgewerbe).
Öffentlich bekannt ist bisher, dass es
seit dem Jahr 1978 in Berlin in
Deutschland zu keinem Gewaltakt gegenüber Andersdenkenden bzw. Andersgläubigen gekommen ist, der sich
explizit auf den Islam bezieht.
Gleichwohl wird immer wieder davon
berichtet, dass „einige fundamentalistische Gruppen“ in Deutschland muslimische Jugendliche indoktrinieren und
als „Kämpfer für den Jihat“ zu rekrutieren versuchen.
Gleichzeitig wird darüber berichtet,
dass politische Funktionäre (z.B. aus
der Türkei oder Algerien) islamische
Gemeinden in Deutschland als Rückzugsfeld für ihren Kampf in den Heimatländern nutzen und die Gemeinden als zusätzliche politische Masse für
ihre Ziele ansehen.
11
Junge muslimische Männer in
Deutschland
von Nicolas Kaye
Haben männliche muslimische Jugendliche in Deutschland eine erhöhte Gewaltbereitschaft? Haben sie trotz ihres
Andersseins faire Möglichkeiten sich zu
entwickeln?
Ann-Christin Jürgensen erzählt von ihren Erfahrungen. Die deutsch-dänische
Doppelpass-Besitzerin arbeitet seit
sechs Jahren als Streetworkerin mit
männlichen deutschen und ausländischen Jugendlichen im BrennpunktStadtteil Vahrenheide (Hannover). Sie
ist außerdem Vorsitzende des „Vereins
für Straßensozialarbeit in Niedersachsen und Schleswig-Holstein“.
Nach anfänglichen Kontaktschwierigkeiten der Streetworker zu den Jugendlichen in Vahrenheide, „da hatte ich
auch mal einen Messer am Hals“,
konnte sie durch „erlebnispädagogisches Klettern im Ith“, Vertrauen zu
den Jugendlichen aufbauen. „Nach der
Fahrt war es uns möglich, mit denen
eng zusammen zu arbeiten“. Bald darauf hieß es unter den Jugendlichen,
„da kannst du hingehen, da helfen sie
dir“.
In den sechs Jahren hat Jürgensen viele
Jugendliche im Stadtteil kennen gelernt und in dem schwierigen Altersabschnitt begleitet. Die meisten ihrer ausländischen muslimischen Jugendlichen
sind türkischer oder kurdischer Herkunft, einige kommen aus dem Libanon und Marokko.
Die Erfahrungen der Streetworkerin
zeigen, dass männliche muslimische Jugendliche in Deutschland mit massiven
Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Von einer gelungenen Integration
kann nicht die Rede sein. Zu den
Schwierigkeiten der Jugendphase gesellen sich die Probleme von Migranten
in einer fremden deutschen Kultur.
Havva Mermertas, (Ausländerbeirat
Hannover, Mitglied im Stadtelternrat
und Vorsitzende des Vereins „Eltern
türkischer Kinder“) stellt fest, „dass die
JVA Hameln voll ist mit ausländischen
muslimischen Jugendlichen“. Verschiedene Untersuchungen lassen vermuten, dass bei männlichen muslimischen
Jugendlichen ein erhöhtes Gewaltpotential vorhanden ist. Die Gründe für
Gewalt und Kriminalität sind aber unklar und umstritten.
In der Religion wurden keine direkten
Ursachen für erhöhte Gewaltbereitschaft gesehen. Verschiedene Teilnehmer der Woche der Muslime betonten
12
den friedlichen Wesenskern des Koran.
Ein türkischer Moslem bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Dass Gewalt religiös motiviert ist, das kann
man so nicht stehen lassen. An sich ist
der Koran friedlich und legitimiert keine Gewalt. Religion kann aber missbraucht und benutzt werden, um Gewalt zu legitimieren“.
Hassan Dehne (Muslimische Jugend
Deutschlands) meint, dass in der öffentlichen Diskussion die Religion mit
der traditionellen Kultur verwechselt
wird“. Unwissentlich werden von den
meisten Deutschen tradierte Ehrenvorstellungen einer männlich geprägten
Kultur dem Islam zugeordnet. In den
traditionellen Kulturen werden dagegen Gründe vermutet, die das Gewaltpotential der Jugendlichen verstärken.
Jose Torrejon (Katholische Sozialarbeit
für zugewanderte Jugendliche) fragt:
„Wie ist das Verhältnis der jeweiligen
muslimischen Bürger zu einer demokratischen Kultur und inwieweit wird
Gewalt in den Familien oder in der Politik toleriert?
Der Begriff der „Ehre“ wird der traditionellen Kultur zugeordnet. „Ehre ist
kein theologische Begriff“ (Dr. Obeidullah Mogaddedi). Der Begriff der
Ehre blieb in der Diskussion nebulös.
Im Kern geht es den Jugendlichen mit
dem Begriff der Ehre um ihre Selbstbehauptung und um Anerkennung durch
die Gesellschaft in der sie aufwachsen.
Die „Ehre“ kann aber außerdem vortrefflich als Entschuldigung für eigenes
(Fehl-)Verhalten dienen. „Ehre, Ehre
immer nur diese Ehre, die wird vorgeschoben als Ausrede für alles Mögliche“, meinte ein Teilnehmer nach dem
Ende der Gesprächsrunde.
In Bezug auf die Kulturen wurde von
verschiedenen Teilnehmern angemahnt
zu differenzieren und nicht alle muslimisch geprägten Kulturen gleichzusetzen. Beispielsweise leben indonesische
Muslime andere Traditionen, als türkische. „Die Muslime gibt es nicht“ (Mermetas).
In der Diskussion nahm das Themenfeld Ausgrenzung, Diskriminierung
und Rassismus gegenüber muslimischen Jugendlichen breiten Raum ein.
Jürgensen hält die „Ausgrenzung für
alltäglich“ und sieht keinen Erfolg bei
der Integration der ausländischen Moslems: „Integration findet nicht statt“.
Insbesondere Jugendliche reagieren
empfindlich, wenn sie sich nicht von
der Gesellschaft akzeptiert fühlen und
offensichtlich benachteiligt werden. Sie
reagieren schnell mit Gewalt. Das ist
bei deutschen Jugendlichen nicht anders.
Die Liste der Mängel bei den Bemühungen um Integration ist lang: Das
reicht von der Schule und die Betriebe
über die Polizei bis zur Justiz. An den
Schulen kritisiert die Streetworkerin Jürgensen, dass viele Lehrer in Bezug auf
muslimische Jugendliche voller Vorurteile sind. In den Gesamtschulen ist es
auch nicht besser als in den anderen
Schulen. Noch schlimmer sieht es in
den Lehrbetrieben aus, „dort geht es
häufig rassistisch zu“. Die in der schulischen Elternmitarbeit aktive Türkin
Mermentas stellt fest: „Die Klischees
werden hochgehalten. Besonders
schwer haben es die türkischen Jungs.
Sie werden über ein Kamm geschoren
und alle für Machos gehalten, die ihre
eigenen Schwestern an Ihrer Entwicklung hindern“. Ein Fehltritt werde dramatisiert und dadurch würden Vorurteile zementiert. Die Jungs werden auf
der Basis dieser Vorurteile vermehrt auf
die Sonderschule geschickt.
Auch in der Justiz haben männliche
muslimische Jugendliche mit Diskriminierung zu kämpfen, so der pensionierte Uelzener Jugendrichter Peter Brandler, der im Landespräventionsrat tätig
ist. „Schwierig ist für die Richter, sich in
die Situation der Jugendlichen einzuarbeiten“. Sie haben zuerst mal Sprachschwierigkeiten, dazu fehlt das Wissen
über die andere Kultur. Es bleibt ein
Dunkelfeld, und Dunkelfelder werden
mit Angst ausgefüllt. Das führt zu Strafen. Angemerkt wurde auch, das im Justizbereich keine Weiterbildungsmöglichkeiten in Bezug auf muslimische
Kulturen bekannt sind.
Die Ausgrenzung der Jugendlichen gegenüber dem Arbeitsmarkt führt auch
zu Unzufriedenheit bei den Jugendlichen. Ein Türke schilderte, wie er früher
als Jugendlicher sich um Arbeit bemühte. Die Arbeitsvermittlerin sagte ihm, er
könnte nur Arbeit erhalten, wenn die
Deutschen und die EG-Bürger die jeweilige Arbeitsstelle nicht beanspruchen. Er drohte daraufhin, dass er eine
Bank überfallen würde, wenn er keine
Arbeit bekäme. Nur aufgrund des
Drucks, sagte er, wäre ihm doch noch
eine Arbeitsstelle vermittelt worden.
Frau Jürgensen betont dazu, dass die
mangelnde Integration im Arbeitsmarkt nicht als alleiniger Grund anzu-
sehen ist für die Kriminalität bei den
Jugendlichen. „Jeder Einzelfall ist unterschiedlich“. Nur zwei von 18 türkischen Jugendlichen in Vahrenheide
hätten eine Lehre absolviert und trotzdem sei keiner kriminell geworden.
Es wurden nicht nur die mangelnden
Integrationsbemühungen der Deutschen und ihrer Institutionen bemängelt. Kritik äußerten muslimische Frauen auch an den muslimischen Gemeinden in Deutschland.
Havva Mermetas fragt sich, warum so
viele Jugendliche hier kriminell werden? Sie sieht, neben der Kritik an den
deutschen Integrationsbemühungen,
auch Gründe in den Familien. „Viele
der Eltern verstehen ihre Kinder nicht
mehr. Die Eltern sind verzweifelt und
haben das Gefühl, sie können nichts
machen“. Es bestehe eine Beziehungskrise zwischen den Kindern, die in der
modernen westlichen Welt aufwachsen, und den Eltern, die von den religiösen und kulturellen Traditionen ihres Heimatlandes geprägt sind. Weiterhin sieht sie einen Mangel an selbstkritischem Denken: „Die Eltern sollten
sich weiterbilden, wir stagnieren, wir
sind verpflichtet, uns mit der aktuellen
und der zukünftigen Situation auseinander zu setzen“. Eine türkische Studentin der Sozialarbeit beklagt mangelnde Offenheit: „Die muslimisch-türkische Gesellschaft öffnet zu wenig die
Türen für die deutsche Gesellschaft.“
Sie schlägt Tage der offenen Türen vor,
wo die Nicht-Muslime den Islam kennen lernen können und ihre Fragen beantwortet werden.
Jugendlichen vor Gericht zu betreuen.
Sie nahm die Rolle einer Vermittlerin
zwischen Gericht und Jugendlichen
ein, die versucht Licht ins „Dunkelfeld“
zu bekommen.
Viele loben die präventive Sozialarbeit
und ein Modellprojekt zur Unterstützung der straffälligen Jugendlichen in
der JVA Hameln. Es wird eine Ausweitung der Präventionsarbeit gewünscht.
Als wichtig wird die Kontinuität solcher
Arbeit erachtet, damit Beziehungen
entstehen können zwischen Jugendlichen und Sozialarbeitern. Gewünscht
werden mehr Migranten, die in der Sozialarbeit mitwirken.
Insgesamt sind mehr Integrationsbemühungen von allen Seiten zu verlangen. Fortbildungsmöglichkeiten sollten
mehr genutzt werden. Jürgensen verlangt von der Polizei, Justiz und Schule,
dass sie sich informieren. Nicht nur die
Institutionen sind gefordert. „Jeder
muss an sich arbeiten, die Ausgrenzung ist alltäglich“.
Auch patriarchische Muster werden beklagt. Auf die Forderung eines türkischen Mannes nach türkischen Sozialarbeitern in Deutschland, frage sie zurück: „Welcher türkische Mann würde
eine türkische Frau unterstützen, die
Sozialarbeit studieren möchte“.
Neben den Anforderungen an die muslimische Gemeinden hat die Arbeitsgruppe über weitere Lösungsansätze
nachgedacht, wie die Integration von
muslimischen Migranten verbessert
werden kann.
Jugendrichter Brandler möchte auf den
jährlichen Richtertagungen in Trier den
Mangel an Weiterbildung in Bezug auf
muslimische Migranten ansprechen.
Vorgeschlagen wurde, muslimische
Schöffen an den Jugendgerichten zu
fördern. Jürgensen macht gute Erfahrungen damit, als Streetworkerin ihre
13
Die Balance zwischen Tradition
und Moderne
von Katharina Ayroud-Peter
14
„Die Grenzen, an die wir im zwischenmenschlichen Umgang, in der Verständigung und in der Zusammenarbeit,
zwischen deutschen und türkisch – islamischen Mitmenschen stoßen, sind
häufig durch mangelnde Kenntnis über
die jeweils andere Kultur entstanden.“
Doris Bonkowski, Koordinatorin für
Ausländerfragen bei der Stadt Braunschweig, sieht mangelnde Integration
als Herausforderung für Pädagoginnen
und Pädagogen. Aus einer Verbindung
von sachlicher Information mit Empa-
Sag „dass die Familie der zentrale Bezugspunkt in der türkisch – islamischen
Gesellschaft ist.
Die Funktionen dieser Gemeinschaft
gehen weit über eine bloße physiologische Versorgungs- und Reproduktionsfunktion hinaus. Vielmehr gibt es innerhalb der Familie klare Positions- und
Funktionszuschreibungen, die in der
dörflichen Gemeinschaft um die Sippenzugehörigkeit ergänzt werden. Der
persönliche Status innerhalb dieser Gemeinschaft ist hierbei weniger von der
thie und Sympathie scheint es ihr jedoch möglich, die Bewältigung gegenwärtiger Konflikte zu realisieren.
Ein Vortrag von Emir Ali Sag, Geschäftsführer des Ausländerbeirats der
Stadt Bielefeld, zu Ursprung, Entwicklung und Veränderungsprozessen türkisch – islamischer Familien in Deutschland soll notwendige Sachkenntnisse
liefern. Als Ausgangspunkt wählt Sag
die Bedeutungen, der türkischen Worte
„aile“ und „hane“, die zur Bezeichnung einer familiären Gemeinschaft
benutzt werden. „Aile“ steht auch für
Frau und „hane“ für Haus (-gemeinschaft). „Das macht deutlich“, betont
wirtschaftlichen Situation, als vielmehr
von der Ehrenhaftigkeit im Sinne des
islamischen Glaubens abhängig. Sag
erläutert: Wenn ein Familienmitglied
etwas tut, was gegen die Regeln der islamischen Gemeinschaft verstößt, z.B.
kriminell wird, so muss die Familie alles
tun, um die Ehre wieder herzustellen.
Dabei kommt es schon mal zu einer
Zwangsheirat mit einer jungen Frau aus
der Heimat, die noch unberührt ist und
den moralischen Wertvorstellungen
entspricht“.
Um die Situation türkisch – islamischer
Familien in Deutschland verstehen zu
können, bedarf es neben dem Ver-
ständnis für kulturelle und religiöse
Unterschiede auch der Betrachtung der
Entstehung dieser Familien in Deutschland. Sag erinnert an den historischen
Zusammenhang: „Türken kamen als
Gastarbeiter nach Deutschland, sie hatten zu diesem Zeitpunkt kein Interesse,
hier mit ihren Familien sesshaft zu werden“. Zunächst waren es ohnehin nur
die Männer, die von der deutschen
Wirtschaft angeworben wurden. „Sie
hatten nur ein Ziel. Hart arbeiten und
viel Geld für die Familien in der Heimat
verdienen“. Die Zukunft lag in der Heimat, nicht in Deutschland, wo sie sich
vielfach nur geduldet, nicht erwünscht
fühlten. Viel anders war es von bundesdeutscher Seite auch nicht vorgesehen.
Sag macht an dieser Stelle deutlich:
„Oft hat es über zehn Jahre gedauert,
bis die Familienzusammenführung ermöglicht wurde“.
Das blieb natürlich nicht ohne Folgen
für die Familien. Es kam zum Verlust
der Sicherungs- und Fürsorgefunktion
der Väter für die Familien. Sie können
ihre Erziehungsfunktion wegen der
überwiegenden Abwesenheit nicht
mehr ausfüllen. „Die Kinder nehmen
ihre Väter nicht mehr ernst, achten deren Autorität nicht mehr“. Für viele
Männer bedeutet das nicht nur die Verschiebung der Positionen innerhalb der
Familie, sondern einen weitreichenden
kulturellen Funktionsverlust. „Du
kannst arbeitslos oder auch Alkoholiker sein, aber du musst in der Öffentlichkeit dein Gesicht wahren“ weist
Sag nochmals den Bedeutungszusammenhang von familiärem und öffentlichem Leben hin. Die Situation in der
türkisch – islamischen Familie in
Deutschland nach der Zusammenführung sieht nicht viel besser aus.
Die Vorstellungen, die man vom Wohlfahrtsstaat Deutschland hatte, lassen
sich nicht lange aufrechterhalten. „Viele Familien müssen auf engstem Raum
zusammenleben. Manchmal bis zu
zehn Personen in einer Zwei-Zimmerwohnung“ beschreibt Sag die Wohnsituation. Daraus entstanden nicht nur
zahlreiche Konflikte zwischen den Generationen. Diese Verhältnisse verhinderten auch die Umsetzung religiöser
Werte und Normen. Hierzu zählt die
Trennung der Geschlechter ab dem 6.
Lebensjahr. „Es war nicht immer möglich, dass Brüder und Schwestern in getrennten Räumen schlafen“. Auch das
gewohnte Zusammenleben mit mehreren Generationen konnte nicht immer
realisiert werden. „Man war froh, wenn
man Frau und Kinder nach Deutschland holen konnte. An unsere Eltern
durften wir nicht denken, das war zu
schmerzhaft, sie in der Heimat allein zu
lassen“.
Die türkischen Familien sahen sich vor
die Aufgabe gestellt, ihre Familien neu
zu strukturieren und zu organisieren.
Hierzu gehörte auch, sich in die Infrastruktur der „neuen Heimat“ zu integrieren. Doch daraus erwuchsen neue
Probleme. Die Kinder kamen mit einer
freiheitlich – demokratischen und an
christlichen Werten orientierten Erziehung in Kontakt, die in zahlreichen
Punkten in Widerspruch zu den Erziehungsinhalten in der eignen Familie
stand. Eine Erzieherin bringt dies so
zum Ausdruck: „Wir haben in unserer
Kindertagesstätte immer wieder Konflikte mit türkischen Eltern, wenn wir
die Kinder im Sommer nackt im Garten
spielen lassen“. Das Unverständnis ist
hier auf beiden Seiten. Die Erzieherin
beruft sich darauf, dass die Eltern bei
der Aufnahme über die Regeln der Einrichtung informiert wurden und sich
auch damit einverstanden erklären
müssen. „Wenn sie das nicht wollen,
dann müssen sie ihr Kind in eine andere Einrichtung geben, oder zu Hause
behalten“, so die Schlussfolgerung der
Pädagogin.
Auch andere Teilnehmerinnen berichten über ähnliche Konfliktsituationen.
Es ist der verzweifelte Versuch, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Einen „Ausweg“ oder kurzzeitige Rückzugsmöglichkeiten sehen viele nur noch im Aufbau einer „ethnischen Infrastruktur“. Sie schließen sich
mehrheitlich in bestimmten Wohngebieten zusammen, eröffnen türkische
Geschäfte mit landesüblichen Speisen,
gründen Kultur- und Begegnungszentren und bemühen sich um die Erhaltung und Weitergabe ihrer Glaubensgrundsätze. Doch die zweite und besonders die dritte Generation teilen immer seltener die Vorstellungen der Eltern und Großeltern. „Wir sind hier geboren, die deutsche Kultur ist uns näher, als die türkische. Dem Vater gehorchen wir zu Hause, damit es nicht dauernd Stress gibt“, zitiert Sag die vielfachen Aussagen türkischer Jugendlicher
heute.
Das Autoritätsverhältnis in der Familie
wird auch an anderer Stelle umgekehrt.
Im Gegensatz zur sprachlichen und sozialen Integration türkischer Kinder
und Jugendlicher, die durch schulische
und berufliche Ausbildung gefördert
wird, können die Eltern häufig – auch
nach langjährigem Aufenthalt in
Deutschland – die Sprache nur teilweise sprechen und verstehen. „Ich habe
dann auch schon mal meine Entschuldigung für die Schule selbst geschrieben. Meine Mutter musste mir glauben, was sie da unterschrieb, verstehen
konnte sie es nicht“ erzählt eine türkische Teilnehmerin.
Der Versuch die traditionellen Werte zu
erhalten gipfelt heute in der „Passfamilie“. Sag erklärt: „Der Ehepartner wird
aus der Heimat importiert. Die Söhne
werden mit jungen Mädchen von 15
oder 16 Jahren verheiratet. Diese haben, wie man bei uns sagt: Die Augen
noch geschlossen. Sie entsprechen
dem Bild einer treuen und fleißigen
Ehefrau“. Weitere Motivationen eine
Familie in dieser Form zu gründen beruhen auf dem Bestreben, die Volkszugehörigkeit zu stärken und das erworbene ökonomische Kapital nicht in
„fremde“ Hände gelangen zu lassen.
Sag selbst sieht dieses Verhalten eher
kritisch: „Dadurch wird das weitere
Heranwachsen einer Parallelgesellschaft gefördert“.
Auch Bonkowski ist der Ansicht, dass
ein Zusammenwachsen der Kulturen
sich nur im gegenseitigen Austausch
entwickeln kann: „Beide Seiten müssen sich verstärkt mit den institutionellen Aufträgen von Bildungs- und Erziehungseinrichtungen auseinandersetzen“. Sag sieht die momentanen Entwicklungen und Strömungen als
„Übergangssituation“. „Die jüngere
Generation hat begonnen sich zu fragen, wie sie ihren Kindern hier die
Möglichkeit geben kann, zufrieden zu
leben“. Damit ein Dialog statt finden
kann, muss jedoch die Bereitschaft aller
beteiligten Parteien geklärt werden.
„Gibt es ein übergeordnetes gesellschaftliches oder politisches Interesse
für einen solchen Dialog?“ lautet hierzu die Frage einer Teilnehmerin. Sag
bestätigt, dass es dringend notwendig
ist, gleiche Bedingungen für deutsche
und ausländische MitbürgerInnen zu
schaffen. „Wir brauchen ein Antidiskriminierungsgesetz, ein Zuwanderungsgesetz und interkulturelle Konzepte für
pädagogische Institutionen“. Die Diskussion macht deutlich, dass eine
deutsch – türkische Zukunft im gemeinsamen Dialog entwickelt und mit
gestärkt werden muss.
15
Die Vielfalt der Lebenswege
muslimischer Frauen
von Daniela Schulz
Ein Film über drei junge Frauen um die
Zwanzig: Sie lachen zusammen, tuscheln, lachen wieder. Die Kamera begleitet die drei, wie sie Hand in Hand
durch Berlin schlendern. Zwei von ihnen haben ihre Seidenkopftücher tief
ins Gesicht gezogen und tragen lange,
den Körper verhüllende Gewänder. Die
dritte im Bunde ist eine attraktive Dunkelhaarige in modisch-knappem Top
gen muslimischen Familie aufwuchs,
beachtet sie sorgsam die Regeln des
Koran. Die Familie, das bedeutet „bei
uns nicht nur, dass die Eltern etwas zu
einem sagen, wie bei den Deutschen,
sondern auch Onkel, Tanten, Großeltern“, weiß Gülcin. Seit ihrem elften
Lebensjahr tragen sie und ihre Schwester Gülcem Kopftücher. Zunächst weil
die Eltern es so wollten, später aus eigener Überzeugung.
Gülcem, die in dem Film gerade ihr Abitur macht, studiert mittlerweile Bauingenieurwesen. Ihre ältere Schwester
Gülcin bereitet sich auf ihr Medizinexamen vor. „Ich bin hierher gekommen,
um einiges aus dem Film richtig zu stellen“, erklärte Gülcin. Ihrer Meinung
nach sind die Filmemacherinnen nicht
sorgsam genug mit ihrer Privatsphäre
umgegangen. „Ich wollte zeigen, dass
es machbar ist, religiös zu leben, das
Kopftuch zu tragen und dennoch selbständig zu sein und sich zu bilden,
ohne dass der Bruder mit der Keule
hinter einem her rennt“, erklärt die
Medizinstudentin ihre Motivation zu
dem Filmprojekt.
und Jeans. Äußerlich so verschieden
wie nur möglich sind Gülcem, Gülcin
und Meyrem trotzdem Freundinnen.
Die westlich gekleidete Meyrem versorgte schon als Kind ihre jüngeren
Geschwister. „Mit sieben konnte ich
schon Windeln wechseln und Babybrei
kochen“, erinnert sie sich in dem Dokumentarfilm von Jana Matthes und
Andrea Schramm „Kopftuch und Minirock – Junge Türkinnen zwischen Koran und Karriere“ aus dem Jahr 1998.
„Ihre Mutter arbeitet täglich zwölf
Stunden in einem Gemüseladen und
hat keine Zeit, sich um die jüngeren
Geschwister zu kümmern“, erklärt
dazu Gülcin Yilmiz. So kam es auch,
dass Meyrem in relativer Freiheit von
der fest geregelten Welt einer islamischen Familie aufwuchs. Äußerlich
führt sie einen westeuropäischen Lebensstil. Käme sie mit einem deutschen
Freund nach Hause, „würde meine
Mutter mich umbringen“, sagt sie.
„Wozu auch“, kontert ihre Freundin
Gülcin, „wenn es hier über zwei Millionen Türken gibt?“.
Für Gülcin käme ein deutscher Mann
niemals in frage: Da sie in der allgegenwärtigen Obhut einer strenggläubi16
Und das will sie sich und anderen nicht
zuletzt durch ihr Studium beweisen.
Zwölf Stunden am Tag zu büffeln oder
in der Pathologievorlesung Leichen zu
sezieren kann der ehrgeizigen jungen
Frau nichts anhaben. Unangenehm ist
ihr dagegen die hierzulande übliche
Begrüßung durch Hände schütteln.
„Das ist haram“, sagt sie. (Im Arabischen bedeutet haram soviel wie „verboten“). Islamische Frauen dürfen
Männern nicht die Hand geben, denn
dadurch könnten „in dem Mann bestimmte Gefühle entstehen“, erklärt
Gülcin. Und das soll gemäß dem Koran
auf alle Fälle vermieden werden. Die
bei Deutschen als völlig unverfänglich
geltende Höflichkeitsgeste ist für sie
deshalb verboten. Außerdem, fügt die
künftige Ärztin hinzu, finde sie Händeschütteln unhygienisch.
Gülcins jüngere Schwester Gülcem
wollte nach ihrem überdurchschnittlichen Abitur zunächst nicht zum AbiBall gehen. Mit Männern zu tanzen ist
muslimischen Frauen ebenfalls nicht erlaubt; außer mit dem eigenen, versteht
sich. Meyrem zuliebe ist sie dann doch
mit gegangen. Der Dokumentar-Film
zeigt Gülcem mit ihrer Freundin Meyrem auf dem Fest. Hier sitzt die gläubige Muslimin mit Kopftuch verschleiert
am Tisch, die Tanzaufforderungen ihrer
Klassenkameraden muss sie ablehnen.
Die Freundin hingegen kommt im super-kleinen Schwarzen und genießt
ausgelassen das Fest. Allerdings ist
auch sie im Film nicht mit Männern zu
sehen.
Die Ausstrahlung des Films im Zweiten
Deutschen Fernsehen (ZDF) vor zwei
Jahren hatte für Meyrem trotzdem unangenehme Folgen. Gülcin berichtete,
dass ihre Freundin seither auf der Straße sowohl von türkischen als auch von
deutschen Männern als „Schlampe“ tituliert werde. Mit ihrer eigenen Familie
bekam sie wegen ihrer Kleidung auf
dem Abi-Ball ernste Schwierigkeiten.
Gülcin: „Seit dem Film kann sich Meyrem nicht mehr so anziehen, wie sie es
zuvor tat, und sie kann sich nicht mehr
so frei bewegen“. Entgegen vorheriger
Absprachen, so Gülcin, hätten die Filmemacherinnen auch Szenen benutzt,
die die jungen Frauen nicht gesendet
haben wollten. Die Türkinnen wollen
nun anwaltlich gegen die weitere Vermarktung des Films vorgehen.
Die Folgen der Dokumentation für
Meyrem werfen in drastischer Weise
ein Schlaglicht auf die Problematik der
Kleiderordnung für Musliminnen. „Die
Frau soll ihre Reize verstecken und sich
verhüllen, so steht es im Koran“, erklärt
Gülcins und Gülcems Bruder. So dürften von einer Frau lediglich Gesicht,
Hände und Füße zu sehen sein. Der Vater, der in der Türkei am Schwarzen
Meer lebt, sieht es so: „Es gibt hier
Männer, die ihre Grenzen nicht kennen, und sich deshalb europäisch gekleideten Frauen gegenüber schlecht
benehmen“. Gülcin sagt: „Ich bin für
Männer haram..., darum will ich vermeiden, dass ich Männer reize“. Im engeren Familienkreis jedoch sei es ihr
gestattet mit offenem Haar und kurzen
Kleidern herumzulaufen.
Nach den Regeln des Islam sei es Frauen außerdem verboten, sich zu schminken, sagt Gülcin. Viele Musliminnen
hielten sich zwar nicht daran, man könne sich aber nicht nur an das halten
was einem passe. Ob Studium oder Religion, für die Studentin gilt in beiden
Bereichen „ganz oder gar nicht“. Man
könne, so sagt sie, auch nicht Medizin
studieren, wenn man nicht bereit sei,
zwölf Stunden täglich zu lernen. Ähnlich verhalte es sich mit dem Glauben.
Meyrem erzählt in dem Film, dass ihre
Brüder ihr vor einigen Jahren den
Schminkkasten zertreten hätten. Sie
brachte genügend Mut und Kraft auf,
sich über die strengen Vorschriften hin-
wegzusetzen und gewann den Machtkampf. Die Familie musste akzeptieren,
dass sie sich schminkte und alleine –
ohne brüderliche Bewachung – ausging. „Heute bin ich stolz darauf, dass
ich mich durchgesetzt habe“, sagt sie
in dem Film.
Inwieweit darf eine Frau sich zeigen?
Diese Frage bestimmte völlig die sich
an den Film anschließende Diskussion.
Manch eine der älteren Teilnehmerinnen wunderte sich, dass nach Jahrzehnten des Kampfes für die Rechte
der Frauen solch eine Frage überhaupt
noch gestellt werde. In den Ländern, in
denen der Islam die vorherrschende Religion ist, wird die Auseinandersetzung
um das Erscheinungsbild der Frau inzwischen zum Kulturkampf. Eine aus
Ägypten stammende Muslimin berichtete vom extremen Auseinanderdriften
der ägyptischen Gesellschaft: „Entweder man ist völlig religiös oder gar
nicht“. Diese Teilung der Gesellschaft
in traditionell-religiös und modernatheistisch spiegele sich im Aussehen
der Frauen wider: So trügen die Ägypterinnen „entweder das Kopftuch und
ein langes Kleid oder Minirock – und
den sehr, sehr kurz“.
Ähnliches spiele sich in Syrien ab, sagte
eine mit einem syrischen Arzt verheiratete Deutsche. Die jungen Frauen gingen dort zwar im langen Mantel aus
dem Haus, darunter aber trügen sie ihren Minirock. Der Mantel werde ausgezogen, sobald man sich in sicherer Entfernung vom Elternhaus befinde. Eine
aus Tunesien stammende Teilnehmerin
plädierte dafür, „sich so anzuziehen,
wie man möchte“. Akshed Tash, aus einer deutschen Familie stammend, entschied sich für die andere Richtung. Sie
legte vor acht Jahren die traditionellen
islamischen Frauengewänder an. „Ich
habe eine türkische Familie geheiratet,
bin konvertiert und bereue es nicht“,
erzählte sie: „Ich finde Freude, Friede
und Ruhe in der Religion“. Der in der
Türkei lebende Teil der Familie sei allerdings nicht gerade begeistert gewesen
von ihrer Entscheidung, das Kopftuch
zutragen: „Die verbanden mit der Heirat mit einer Deutschen die Hoffnung
auf eine westlich eingestellte Frau...“.
Während erwachsene Frauen sich mehr
oder weniger selbst für oder gegen das
Kopftuch entscheiden können, unterliegen junge Mädchen dem Machtwort
der Eltern. Die Leiterin eines Flüchtlingswohnheimes in Neustadt berichte-
te von einem Mädchen, das seit seinem
elften Geburtstag dazu gezwungen
werde, das Kopftuch zu tragen. Das
Kind wehre sich mit aller Kraft dagegen. Es könne nicht verstehen, warum
es sich nun verschleiern muss. „Ich
habe damit Probleme, wenn ein Kind
zu mir kommt und weinend erzählt, es
dürfe nicht mehr schwimmen gehen,
und es dürfe nicht auf Klassenfahrt mitfahren“, gesteht die Asylheimleiterin
erschüttert. An die anderen Diskussionsteilnehmerinnen gewandt, fragte
sie: „Wie kann man Kindern etwas verbieten, was sie gerne tun?“
Aus dem Forum kam der als „Hilfestellung“ gedachte Kommentar, „Druck
auf die Eltern auszuüben, dass sie das
Kind in den islamischen Religionsunterricht schicken sollen“. Dort solle ihm
die Entscheidung der Eltern erklärt werden, sofern die selbst dazu nicht in der
Lage seien. Dem Kind und seinem
Wunsch nach Freiheit solle niemand
beistehen. Kinder aus Migrantenfamilien seien in der Religion einem sehr
großen Druck ausgesetzt, so die Erfahrung mehrerer Sozialarbeiterinnen.
Grund hierfür sei das Gefühl der Entwurzelung, das die Eltern hätten: „Man
hat fast alles verloren, und so klammert
man sich an den Glauben, der noch
mit zu Hause verbindet.“
Auch für Gülcin Yilmiz und ihre Familie
bietet die Religion eine Heimat, die sie
in Deutschland nicht gefunden haben.
Die junge Frau spielt mit dem Gedanken in die Türkei zurückzukehren,
wenn auch „nur mit einem Beruf“.
Dennoch weiß sie: „In der Türkei hätte
ich nicht ein Zehntel der Rechte, die ich
hier habe“. Dort ist das Kopftuch in
Schulen und Universitäten verboten.
Zwar ist das Kopftuch in der Universität
hierzulande erlaubt, trotzdem machte
Gülcin die Erfahrung, dass das Kopftuch eine Hürde darstellt. Als sie sich in
einem Supermarkt als Kassiererin vorstellen wollte, bot man ihr ungefragt
die ebenfalls freie Stelle als Putzfrau
an, obwohl sie Abitur hatte. „Den Job
als Kassiererin bekam eine geschminkte und gestylte Frau angeboten“, erinnert sie sich.
Als Gülcin einen Ferienjob im Krankenhaus suchte, musste sie ebenfalls eine
Menge Absagen hinnehmen. Schließlich bekam sie doch eine Zusage von
einer Klinik im vornehmen Berliner
Stadtteil Wannsee. „Der Leiter sah
mich an und schmunzelte“, erzählt sie.
17
„Als er mich fragte, ob ich Blut abnehmen könnte, antwortete ich mit ja –
und da hatte ich den Job“.
Die Patienten hätten auf sie in der
Mehrzahl sehr höflich und freundlich
reagiert, berichtet sie. Der Dokumentarfilm ließe allerdings nur einen älteren
Patienten zu Wort kommen, der sich an
ihrem Kopftuch störte, kritisiert Gülcin
die Filmemacherinnen. Äußerlich gelassen ertrug die Medizinstudentin die
penetranten Frotzeleien des Mannes.
„Allerdings kotzt es mich an, jedes Mal
für die Putzfrau gehalten zu werden“,
beschwert sie sich in Hannover entnervt.
„Das Kopftuch gilt als Sinnbild der
dummen, unterdrückten muslimischen
Frau“, brachte es eine Teilnehmerin auf
den Punkt. Monika Gödecke, die Diskussionsleiterin, sah daher einen hohen Aufklärungsbedarf. Damit sei auch
das Arbeitsamt gefordert, wandte sie
sich an den Ausländerreferenten des
Arbeitsamtes Hannover, Dieter Reinhard.
Der bezweifelte, dass die Aufklärung,
die das Arbeitsamt leisten könne, ausreichend sei. Vielmehr müssten die Medien aktiv werden. Ein Firmenleiter stehe auf dem Standpunkt: „Der, den ich
einstelle, muss für uns attraktiv sein“.
Eine neue Studie der Ruhruniversität
Bochum belege zudem, „dass die
Chancen für Mädchen mit Kopftuch
äußerst begrenzt sind... Da geht sehr
viel Potential verloren“, bedauerte der
Ausländerreferent. „Die Vorurteile sind
da und eben auch sehr groß“. Die Frage stelle sich daher „was machen Mädchen mit Abitur und guten Noten, die
das Kopftuch tragen?“. „Gibt es da
Kompromisse?“, wollte Reinhard von
der Diskussionsrunde wissen. Gülcin erklärt überzeugt: „Auf keinen Fall“.
Dennoch wusste der Arbeitsamtsvertreter auch von vielen Mädchen, die sagen, „ich trage das Kopftuch, aber die
Eltern haben nichts dagegen, wenn ich
im Beruf kein Kopftuch trage“.
In der Tat wünschen sich viele türkische
Eltern für ihre Kinder eine bessere
Schulbildung, als sie selbst sie bekommen hatten. So erlaubte Gülcins und
Gülcems Vater den Mädchen zu studieren. „Die Eltern wollen, dass ihre Töchter was lernen, damit sie nicht als Putzfrauen enden“, so Gülcin. Jobs im Reinigungsgewerbe seien typisch für die
erste Generation der Migranten und
18
Migrantinnen, wirft eine Teilnehmerin
ein. Jetzt, wo die zweite und mittlerweile dritte Generation in Deutschland
lebe, solle diese es besser haben.
Außer einer guten Schulbildung sei
auch das Vertrauen wichtig, so Gülcin.
Obwohl ihr Vater vor einigen Jahren in
die Türkei zurückgekehrt sei, dürfen
die Schwestern hier allein in einer eigenen Wohnung leben. Keine Selbstverständlichkeit. Auch beim Thema Klassenfahrt zeigt sich der Vater tolerant.
Zwar war er zunächst dagegen, dass
Gülcin im Gymnasium mit Lehrern und
Mitschülern – ohne Eltern – wegfahren
wollte, doch die Tochter konnte den
Vater umstimmen. Heute sagt die junge Frau jedoch selbst: „Ich würde meine Töchter da nicht mitfahren lassen“.
Es habe dort zu viele alkoholische Exzesse der Jungen gegeben, außerdem
hätten Jungs im Mädchenschlafzimmer
geschlafen und umgekehrt. Ihr persönlich habe das alles nicht gefallen.
„Wenn ich möchte, dass meine Tochter
nach der Religion lebt, muss ich dafür
sorgen, dass mein Sohn auch nach der
Religion lebt“, bemerkte dazu eine aus
Ägypten stammende Bauingenieurin.
In der Tat würden viele Eltern – egal ob
türkische oder deutsche – ihren Söhnen mehr Freiheiten gestatten als ihren
Töchtern. Ihrer Meinung nach werde
die Religion oft instrumentalisiert, um
die Töchter in Schach zu halten. Auch
Gülcin gibt zu: „Bei islamischen Jugendlichen hüpfen die Jungs durch
zehn Betten, aber geheiratet wird eine
Jungfrau“. Ihre Freundin Meyrem, die
sich das Recht erkämpft hatte, alleine
ausgehen zu dürfen, hätte von ihrer Familie zu hören bekommen: „Geh wie
ein Mann und komme wieder wie ein
Mann“. Dieser zunächst unverständlich
klingende Satz solle heißen, das die
junge Frau körperlich genau so „unversehrt“ nach Hause kommen solle, wie
ihre Brüder – als Jungfrau. Nur könne
bei Männern keiner deren Jungfräulichkeit nachprüfen, im Gegensatz zu
Frauen.
„Es ist nicht nur der Islam, es gibt auch
frauenunterdrückende Tendenzen in
christlichen Religionen“, berichtete
eine aus einer spanischen Familie stammende Sozialarbeiterin von ihren Erfahrungen. So seien beispielsweise ihre
Verwandten nicht damit einverstanden
gewesen, dass sie alleine ohne familiäre Aufsicht in Deutschland studierte.
Sie seien sehr um ihren Ruf besorgt gewesen, erinnerte sie sich.
Oft seien Musliminnen nicht über ihre
Rechte informiert, fügte Gülcin hinzu.
So sei der Ehemann nach den islamischen Vorschriften verpflichtet, materiell für die Familie zu sorgen. Er müsse
der Ehefrau genügend finanzielle Mittel an die Hand geben, um den Haushalt führen können. „Oft erfahre ich
solche Dinge von deutschen muslimischen Frauen“, erzählte die mittlerweile mit einem Türken verheiratete Frau
kopfschüttelnd.
Eine andere Teilnehmerin, die früher
mit einem Muslim verheiratet war, berichtete ebenfalls von ihrer Unwissenheit hinsichtlich ihrer Rechte. „Dieser
Mann sorgte überhaupt nicht für
mich“, stellte sie fest. Gülcin forderte
daher eine stärkere Aufklärung der islamischen Mädchen. Die soll jedoch im
Religionsunterricht stattfinden. Sie
selbst habe nie solchen Unterricht genossen und entdecke nun immer mehr
Defizite. Diese Wissenslücken bezögen
sich sowohl auf ihre rechtliche Situation als auch auf ihre Kenntnis des Koran.
Die Suche nach dem Glauben beschäftigte auch die männlichen Diskussionsteilnehmer. So berichtete einer: „Ich
habe meine Religion erst in Deutschland kennen gelernt und bin diesem
Land sehr dankbar dafür“. Aus der Türkei stammend habe er erst im Alter von
15 Jahren angefangen nach dem Islam
zu leben. Auch er sieht einen hohen
Aufklärungsbedarf: „Die Gesellschaft
fordert, dass wir ihr erklären, was wir
machen“.
Als Resümee der Diskussion könnte
schließlich das Plädoyer einer jungen
Frau aus marokkanischem Elternhause
stehen: „Man muss die Nationen mehr
zusammenbringen, damit sie sich verstehen“. So habe sie auf der Weltausstellung EXPO 2000 beobachtet, dass
es dort „völlig normal war, mit der
Djellabah herumzulaufen“. Die Djellabah ist ein marokkanischer Mantel mit
Kapuze. Während der EXPO hätten
ihre Eltern nicht mehr „diese überraschten, komischen Blicke“ geerntet,
wie in der Zeit davor. Die junge Frau
hofft, „das der Weltausstellungs-Effekt
anhält“.
Eine offene Moschee und ihre
nichtmuslimische Nachbarschaft
von Halima Krausen
Als vor ein paar Jahren der 3. Oktober
zum „Tag der offenen Moschee“ erklärt wurde, haben wir im Islamischen
Zentrum Hamburg leicht das Gesicht
verzogen: Noch ein Termin? Bei uns ist
doch jeder Tag ein „Tag der offenen
Moschee“! Oder?
Die Moschee liegt direkt am Alsterufer
in einer Straße namens „Schöne Aussicht“. Das ist durchaus wörtlich gemeint. Vom Anlegesteg aus sieht man
nicht nur den See, manchmal mit Segelboten, und eine wunderschöne
Parklandschaft, sondern auch das gesamte Panorama von Hamburg. Folgerichtig hält dort im Sommer alle paar
Minuten ein Rundfahrtbus und nach
einem kurzen Blick auf das Hamburger
Panorama, oft durch eine Kameralinse,
kommen die Touristen auch zu uns herüber. Manchmal in Shorts und Top und
mit Eis und Zigaretten und nicht immer
nett und höflich, aber sie sind neugierig. Inzwischen haben wir es so eingerichtet, dass sie vom Vortragsraum aus
einen Blick in den Gebetsraum werfen
können, ohne die Schuhe ausziehen zu
müssen, wenn sie keine Zeit haben
„richtig“ herein zu kommen.
Das Islamische Zentrum ist die älteste
Moschee in Hamburg und bislang die
einzige, die von Anfang an als solche
gebaut wurde. Die Idee stammte aus
den 50er Jahren, als es im Hamburg
nur wenige muslimische Kaufleute und
Studenten gab – die Kaufleute hatten
das Geld, die Studenten Ideen und
kreative Initiative, und das Zentrum
wurde als das gebaut, was es bis heute
ist: Ein internationales Begegungszentrum für Muslime aller islamischen
Richtungen aus dem Großraum Hamburg und weit darüber hinaus. Erst
nach der Grundsteinlegung 1961 begann die Welle der Arbeitsmigration
mit dem Ergebnis, dass die Moschee,
als sie fertig wurde, auch schon zu
klein war. Heute gibt es in Hamburg
rund 120.000 Muslime mit ca. 40 Moscheen und Gebetsräumen, meist umfunktionierte Wohnungen, Häuser
oder Lagerhallen mit vor allem stadtteilbezogener Bedeutung, wo man sich
in der Nachbarschaft überwiegend mit
Menschen derselben Muttersprache
zum Gebet trifft, die Kinder den Koranunterricht besuchen, man die Feste in
der Ausprägung feiert, mit der man aus
dem Herkunftsland vertraut ist.
Was tun wir nun in unserem Alltag?
Bei uns gibt es in deutscher Sprache
und unabhängig von der kulturellen
Prägung und Rechtsschulenzugehörigkeit ein weitreichendes Angebot. Da ist
einmal der Bereich Seelsorge und Beratung. Da gibt es Unterrichtsangebote
für Kinder und für Erwachsene, die bis
hin zur theologischen Weiterbildung
für alle ungeachtet der Religionszugehörigkeit offen sind. Da gibt es Gesprächskreise, öffentliche Vorträge, kulturelle Veranstaltungen, und dann natürlich die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Praxis: Muslime im
Krankenhaus, im Kindergarten, in der
Schule, Begräbnisplätze, Schächten,
Diskriminierung am Arbeitsplatz und in
der Ausbildung. Dabei sind wir Ansprechpartner im ganzen norddeutschen Raum und darüber hinaus, für
Muslime aus verschiedenen Herkunftsländern mit verschiedenen Problemen,
viele von ihnen aus bikulturellen und
bireligiösen Familien. Da ist „multikulturell“ gar kein Ausdruck!
Ja, selbstverständlich gibt es Spannungen und Konflikte. Das gibt es ja sonst
auch überall da, wo Menschen zu verschiedenen gesellschaftlichen Berufsund Interessengruppen gehören. Es
gibt Spannungen zwischen Ehepartnern, zwischen den Generationen, im
Zusammenhang mit verschiedenen Nationalitäten und oft genug sprachliche
Missverständnisse. Da ist zunächst geduldiges Zuhören erforderlich um festzustellen, worum es eigentlich geht.
Mancher Konflikt ist symptomatisch.
Bei der Diskussion beispielsweise um
das Kopftuch geht es nicht um das
Stückchen Stoff, sondern um grundlegende Ängste um die eigene Identität,
und zwar auf beiden Seiten.
Wenn man da Brücken bauen will, gibt
es verschiedene Ansätze. Manchmal ist
es schon damit getan, Missverständnisse zu klären. So redet man oft aneinander vorbei, wenn etwa in Verbindung
mit dem Begriff „Islam“ ein Muslim
versucht, seine ethischen Prinzipien
und Ideale zu erläutern, während sein
nichtmuslimischer Gesprächspartner
mit demselben Wort als Betrachter von
außen einen Missstand in einem Krisengebiet der Welt ansprechen möchte, an dem Muslime beteiligt sind: Beide haben ein berechtigtes Anliegen,
reden aber aneinander vorbei.
Oft ist es bei Spannungen und Konflikten notwendig, das Selbstvertrauen
und Identitätsgefühl zu stärken und
damit Ängste abzubauen. Dies kann
nur von innen her und auf der Grundlage der jeweils eigenen Werte gesche19
hen, nicht durch Abgrenzung oder gar
Feindbilder. Es ist auch wichtig, gemeinsame Perspektiven aufzuzeigen:
Ein gemeinsames Anliegen kann zur
Grundlage einer punktuellen Zusammenarbeit werden, bei der man Unterschiede nebeneinander stehen lassen,
tolerieren oder sogar verstehen lernen
kann. Und schließlich ist es manchmal
sogar möglich, gegenseitiges Vertrauen
aufzubauen, das allerdings wie ein Gefäß ist, das Liebe und Sorgfalt bei der
Herstellung erfordert, aber leicht zerbrechen kann.
Unsere Nachbarschaft in der Schönen
Aussicht ist nicht ein Industriegebiet
oder ein Wohnviertel mit einem hohen
muslimischen Bevölkerungsanteil, wie
bei den meisten Moscheen im Stadtzentrum. Beim Dialog mit den Nachbarn ging es also zunächst schlicht und
einfach um Lärm – sei es der, der bei
uns zustande kommt wenn Veranstaltungen spätabends zu Ende gehen (vor
allem im Ramadan), sei es der, der aus
Nachbars Stereoanlage oder vom Segelclub herüberschallt, während bei
uns eine Trauerfeier stattfindet.
An einem „Tag der offenen Tür für
Nachbarn“ bei Kaffee und Kuchen
konnten wir uns darüber aussprechen,
und seitdem klappt es mit der Verständigung. Inzwischen haben sich auch
Kontakte mit der benachbarten Kirchengemeinde ergeben, die sich in gegenseitigen Besuchen und gelegentlichen gemeinsamen Veranstaltungen
äußern. Da unsere Moschee eine lange
Tradition der deutschsprachigen Arbeit
hat, gibt es regelmäßig Besuche von
Schulklassen, Studentengruppen, Bundeswehr oder Vereinen, oft in Verbindung mit der Arbeit an speziellen Themen.
Abgesehen davon, dass unsere theologischen MitarbeiterInnen oft als Referenten zu Informationsveranstaltungen
über den Islam eingeladen werden, finden auch bei uns immer wieder auch
interreligiöse Gespräche statt. Darüber
hinaus sind wir an verschiedenen Projekten beteiligt wie dem christlich-islamischen Arbeitskreis der Evangelischen
Kirche Deutschlands, der jüdisch-christlich-muslimischen Konferenz, wo es
darum geht, längere Tagungen zu organisieren, bei denen Juden, Christen
und Muslime sich bei Vorträgen, Diskussionen, Projektgruppen und Gottesdiensten näherkommen, und dem Arbeitskreis Interreligiöser Dialog an der
Universität Hamburg, der seit nunmehr
fast 18 Jahren jedes Semester themenbezogen in die tatsächliche Begeg20
nung von Buddhismus, Judentum,
Christentum und Islam einführt und
aus dem eine Reihe von anderen Projekten hervorgegangen sind.
Andere Moscheen in Hamburg hatten
eine zeitlang in den 70ern und frühe
80ern eine Zeit der Verschlossenheit
und Selbstbesinnung. Bei der ersten
Generation der Arbeitsmigranten hatte
man meist die Vorstellung, dass man
nach einigen Jahren in die Heimat zurückkehren würde. Und als es sich erwies, dass es wohl um einen dauernden Aufenthalt gehen würde, hatte
man mit Anfragen an das Selbstverständnis, mangelnden Sprachkenntnissen und dem Aufbau einer Infrastruktur zu ringen. Mit der jüngeren Generation, die über einen besseren Bildungsstand gute Deutschkenntnisse
hat und mit der deutschen Kultur vertraut ist, kam es zu einer allmählichen
Öffnung sowohl für den innerislamischen als auch für den interreligiösen
Dialog, der zu vielen neuen Ansätzen
führte.
Im Laufe der Zeit entstand aus der
spontanen Selbsthilfe eine effektivere
Struktur, die bei allen Muslimen auch
sehr viel mehr Selbstsicherheit bewirkt
hat. Zur gemeinsamen Interessenvertretung nach außen wurden Foren und
später die bereits erwähnten Dachverbände gebildet, die der internen Vielfalt Rechnung tragen. In der unmittelbaren Nachbarschaft kam es vor allem
in Krisenzeiten (2. Golfkrieg, Bosnienkrieg) spontan zu einer Verständigung
mit benachbarten Kirchengemeinden
mit abwechselnden Gesprächsveranstaltungen und multireligiöse Gebetsund Meditationsveranstaltungen für
den Frieden.
Sicherlich haben diese Erfahrungen
dazu beigetragen, dass außer dem
bundesweiten „Tag der offenen Moschee“ Initiativen zustande kommen
konnten wie die gegenseitigen Einladungen im Ramadan/Advent im vergangenen Dezember, die sicher vielen
Christen und Muslimen ganz neue Erfahrungen nicht nur der Unterschiede,
sondern auch der Gemeinsamkeiten ermöglicht haben und die dieses Jahr
fortgesetzt werden sollen.
Die Öffnung geschieht durchaus von
zwei Seiten her. Gleichzeitig geschah
nämlich auch eine Öffnung des traditionell evangelischen Religionsunterricht in Richtung auf einen dialogischen „Religionsunterricht für alle“,
bei dem es darauf ankommt, mehr authentische Beiträge aus nichtchristli-
chen Religionen mit einzubeziehen, sei
es in Form von Unterrichtsmaterial, bei
dessen Erstellung wir inzwischen mitarbeiten, sei es durch Besuche von Moscheen und Gespräche mit denen, die
da lehren.
Nun gibt es so ein geflügeltes Wort,
das besagt: „Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein“. Ja,
da gibt es auch Dinge, die wir nicht
wollen. Das ist nämlich eine „Gleichschaltung“. Ich benutze mit Absicht
diesen Ausdruck für eine starke Vereinheitlichung der Gesellschaft. Kreative
Dynamik in der menschlichen Gemeinschaft entsteht immer durch die Verschiedenheit, in der Menschen einander ergänzen und bereichern und eine
organische Einheit bilden, eine Einheit
in der Vielfalt.
Soweit unsere Aktivitäten aus meiner
Sicht. Wenn ich allerdings die Berichterstattung in der Presse oder im Fernsehen betrachte, erkenne ich mich oft
selbst nicht mehr wieder. Sie konzentriert sich nämlich eher auf die Spannungen und Konflikte, die auch vorkommen, aber nicht unser Alltag sind.
Ich würde mir wünschen, dass die gelungenen Ansätze zu Gesprächen und
Zusammenarbeit mehr in den Vordergrund gerückt würden, und dass wir
mehr miteinander reden als übereinander.
Christentum und Islam –
Facetten einer spannungsvollen
Beziehung
von Dr. Ralf Geisler
Sich als christlicher Theologe über einige Facetten der spannungsvollen Beziehung zwischen Christentum und Islam zu äußern, kann nur heißen, einen
ersten Überblick über die religiöse Verhältnisbestimmung beider Religionen
zueinander zu vermitteln! Zwei Dinge
sind damit von vornherein ausgeschlossen:
• Ich kann keine Aufarbeitung der
spannungsvollen gemeinsamen Geschichte zwischen Christentum und
Islam leisten, auch wenn daraus
Licht auf viele aktuelle Spannungen
fiele.
• Bei allem Bemühen um Objektivität
ist meine Darstellung natürlich nicht
religionswissenschaftlich neutral,
falls es so etwas in Reinform überhaupt gibt, sondern ich spreche als
Christ. Ein Muslim bzw. eine Muslimin würde möglicherweise andere
Facetten betonen.
• Mein Ziel wäre erreicht, wenn es mir
gelingen würde, eine Perspektive zu
eröffnen für die friedliche Koexistenz von Christen und Muslimen
bei uns.
Ich setze ein mit einer Merkwürdigkeit,
ja geradezu einer paradoxen Situation
hinsichtlich unserer Wahrnehmung des
Islams: Einerseits rechnet man den Islam ganz selbstverständlich zu den fünf
großen „klassischen“ Weltreligionen,
als da sind Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus. Das
lernt man schon in der Schule. Andererseits: Beobachtet man, wo und wie
der Islam bei uns zum Thema wird,
etwa in den Medien, so kann man vom
Islam als Religion so gut wie nichts entdecken! Denn thematisiert wird der Islam vornehmlich als machtpolitischer
Faktor in bestimmten Krisensituationen
oder auch unter sozialpolitischer Perspektive als Gegenstand von Integrationsbemühungen in eine herrschende
Leitkultur, stets also aus einem politischen Blickwinkel.
Oder aber man wendet sich dem Phänomen „Islam“ unter ökonomischen
Gesichtspunkten zu: Da geht es dann
um die Erdölvorräte am Persischen
Golf, um Tourismus in islamische Länder und um die Eigenart von „Islamic
Banking“. Großer Beliebtheit erfreut
sich ferner eine kulturhistorische Betrachtungsweise, die sehr viele schöne
Bücher über islamische Architektur und
Ornamentik hervorgebracht hat.
Längst hat auch der politische Feminismus den Islam als Gegner von Fraueninteressen ausgemacht. Westliche Feministinnen haben den Islam als ein
atavistisch-patriarchalisches Herrschaftssystem entlarvt, das seine Züge
von repressiver Intoleranz vor allem gegenüber dem weiblichen Teil der
Menschheit entfaltet.
Sie sehen: Der Islam wird bei uns vornehmlich durch die säkulare Brille betrachtet! Man meint, dem kulturell
fremdartigen Phänomen „Islam“, wie
gewohnt, mit dem geläufigen Arsenal
säkularer Sezierwerkzeuge zu Leibe
21
rücken zu können. Aber bis zum
„Kern“, also bis zum Wesen des Islams
dringt man damit leider nicht vor! Das,
was den Islam von seinem Selbstverständnis her prägt und was die Gläubigen in ihm sehen und an ihm haben,
dessen wird man mit der säkularen Brille auf der Nase gerade nicht gewahr:
Dass uns nämlich mit dem Islam neben
dem, was er alles sonst noch ist, zunächst und vor allem eine andere Religion begegnet!. Muslime repräsentieren eine von der jüdischen und christlichen Version spezifisch unterschiedene, aber eben auch eine Form des Gottesglaubens.
Erst wenn wir die säkulare gegen die
religiöse Brille getauscht haben, werden wir erstaunt erkennen können, wie
viel – neben allen Eigenheiten und
bleibenden Unterschieden – den Islam
mit dem jüdischen und dem christlichen Glauben verbindet. Erst eine
sachgemäße religiöse Betrachtungsweise eröffnet die Möglichkeit, vordergründige kulturelle Differenzen zwischen westlicher und orientalisch geprägter Lebensweise als sekundär einzuordnen und dahinter die zahlreichen
Gemeinsamkeiten zu entdecken, die
den Islam an die biblische Tradition anknüpfen lässt und ihn mit ihr verbindet.
Wir müssen uns bewusst machten, dass
Judentum, Christentum und Islam geschichtlich in ein und denselben Traditionsstrang gehören. Sie sind nach einander – allerdings in großem zeitlichen
Abstand – in ein und demselben geographischen Raum entstanden. Das ergibt bereits eine Nähe und aufeinanderfolgende Beeinflussungen. Für das
Verhältnis von Christentum und Judentum ist uns das relativ deutlich: Jesus
war Jude und seine Jünger ebenfalls.
Für Christen ist er der verheißene Messias – das sehen Juden anders! Christen
und Juden haben die hebräische Bibel,
von den Christen Altes Testament genannt, mit den 10 Geboten sowie den
Psalmen gemeinsam. Der Gott, zu dem
Jesus die Menschen führt und den
Christen als seinen Vater bekennen,
dieser Gott ist auch der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Viel ferner liegt meist schon die Einsicht, dass auch der Islam in diesen Traditionsstrang gehört. Bekanntlich aber
ist der Islam auf der arabischen Halbinsel durch Offenbarungen an Moham-
22
med im 7. Jh. nach Chr. entstanden. Zu
jener Zeit lebten in diesem Gebiet sowohl Juden als auch Christen verschiedener Prägungen. Mohammed hatte
intensiven Kontakt gehabt zu Juden
und Christen. Von daher lässt sich jüdischer und christlicher Einfluss im Koran
ohne weiteres belegen.
Diese historische Sichtweise der drei
Religionen ist die eine Sache. Sie
nimmt aber unmittelbaren Einfluss auf
das Selbstverständnis der einen Religion im Verhältnis zu den beiden anderen. Das Judentum kann sich als die älteste der drei Traditionen verstehen,
und von daher ist leicht einsehbar,
wenn es in seinen Nachfolgern, Christentum und Islam, Fehlentwicklungen
des eigenen richtigen Weges sieht. Das
Christentum steht in der Mitte, erkennt
seine Wurzeln und bleibende besondere Verbundenheit mit dem Judentum
an, hat jedoch dem Islam eine geschwisterliche Anerkennung aufgrund seines
eigenen Absolutheitsanspruches bisher
im Großen und Ganzen verweigert.
Der Islam andererseits als jüngste Entwicklung verweist oft auf den gesunden Menschenverstand, der doch stets
die neuesten Entwicklungen und Erfindungen als das Modernste und Fortschrittlichste und damit Gültige akzeptiert. In diesem Sinn will sich der Islam
als die modernste Ausformung des
Glaubens an den einen Gott verstanden wissen, während Judentum und
Christentum entsprechend zurückgeblieben und überwunden seien. Dieses
Selbstverständnis unterstreicht der Islam damit, dass er behauptet, Judentum und Christentum hätten die Offenbarung Gottes verändert und erst er Islam habe wieder zu dem ursprünglichen Gottesglauben zurückgeführt.
Das ist das besondere Offenbarungsverständnis im Islam, wie es bereits im
Koran niedergelegt ist. Denn dort begegnen uns eine ganze Reihe von Gestalten, die schon aus der jüdischchristlichen Bibel bekannt sind: Adam,
Noah, Abraham, Isaak, Ismael, Moses
und Jesus (Mit Jungfrauengeburt und
Wundern!). Dahinter verbirgt sich die
Vorstellung, Gott habe im Laufe der
Menschheitsgeschichte, also seit der
Schöpfung, immer wieder einzelnen
Propheten und als solchem auch Jesus
eine Offenbarung seines göttlichen
Willens zukommen lassen. Die Menschen aber hätten diese Offenbarung
im Laufe der Zeit verändert und verfälscht, so dass nicht mehr auseinander
zu halten gewesen sei, was Offenbarung war und was menschliche Zutat.
Darum sei die Offenbarung schließlich
an Mohammed ergangen und – das ist
wichtig – sofort unverfälscht im Koran
aufgeschrieben worden. Da Gott zu
seinen früheren Offenbarungen unverändert stehe, sei es doch einsichtig,
dass früher ergangene Offenbarungen
nun in der authentischen Form auch an
Mohammed übermittelt worden seien.
Ähnliche Inhalte wie im Judentum und
Christentum seien also nicht auf irdisch-geschichtliche Abhängigkeit zurückzuführen, sondern sie erklärten
sich aus der gnädigen Offenbarung
Gottes. Der Koran aber sei ohne jedes
Zutun von Menschen geoffenbart worden – Mohammed habe im Übrigen
gar nicht ein so göttlich schönes Arabisch schreiben können, und von daher
sei der Koran wortwörtlich Gottes eigenes Wort. Die Botschaft des Koran
zeichnet sich also auch nach dem
Selbstverständnis der Muslime nicht
durch ihre besondere Originalität aus,
sondern durch ihre Authentizität; das
heißt Mohammed offenbarte nur, was
Moses und Jesus auch schon offenbart
hatten, nur eben unverfälscht und authentisch!
Lassen Sie uns als bisheriges Zwischenfazit festhalten: Der gemeinsame historische Traditionsstrang weist Judentum,
Christentum und Islam als monotheistische Religionen aus, in denen jeweils
nur der eine höchste Gott verehrt wird.
Gemeinsam ist den drei Religionen der
Glaube an diesen Gott als Schöpfer,
der seine Schöpfung auch heute noch
durch „Rechtleitung“, also die Kundgabe seines Willens erhält. Gemeinsam
ist der Glaube an ein letztes Gericht,
vor dem sich jeder persönlich für sein
Leben verantworten muss. Gemeinsam
ist schließlich die Kenntnis bestimmter
Propheten als Verkünder des göttlichen
Willens.
Die große Anfrage des Islam an das
Christentum bezieht sich auf die Einhaltung des monotheistischen Prinzips
in der Gottesvorstellung. Der religiöse
Grundgedanke des Islam ist die Hingabe an den einen Gott, in der der
Mensch Frieden findet. Alles dreht sich
letztlich um die TAVHID, um die Einzigkeit Gottes. Er ist der EINE im Sinne:
Gott ist der EINZIGE wie auch der EINHEITLICHE und EINZIGARTIGE Gott.
Von dem strikten Bekenntnis des Islam
zu dem einen Gott aus erscheint die
christliche Trinitätslehre als ein Glaube
an drei Götter. Und selbst wenn hier
gröbste Missverständnisse inzwischen
überwunden sein sollten – auch Muslime erkennen in der Regel an, dass
Christen wohl immer nur den einen
Gott meinen, wenn sie von dem dreieinigen Gott sprechen – das christliche
Bekenntnis zu Jesus Christus als Sohn
Gottes ist für Muslime unannehmbar.
Zwar wird Jesus als ein großer Prophet
verehrt; zwar spricht auch der Koran
von Jesus als dem WORT GOTTES und
er wird GEIST GOTTES genannt. Von
seinen Taten wird rühmend berichtet.
Aber bei aller Verehrung kann der Islam in Jesus keine wirkliche Heilsbedeutung sehen. Die christliche Bezeichnung Jesu als Gottessohn wird von daher als Gotteslästerung empfunden:
Hier werde Gott mit menschlichen Kategorien beschrieben und damit werde
eine Göttlichkeit angetastet!
Wenn der Islam die Gottessohnschaft
Jesu verwerfen muss, weil sie seinem
Verständnis von Gott widerspricht, so
ist nun genauso der Bericht von der
Kreuzigung Jesu aus islamischer Sicht
eine gotteslästerliche Angelegenheit.
Gott in seiner Macht kann es einfach
nicht zulassen, dass sein großer Prophet Jesus, der nach dem Koran so
stark über alle anderen Propheten herausgehoben ist, von den Menschen
misshandelt und gar noch gekreuzigt
wird: Sie töteten an seiner Stelle einen
anderen, heißt es darum im Koran
(Sure 4, 156ff). Man kann den Unterschied zwischen dem christlichen und
dem islamischen Gottesglauben in Bezug auf Jesus am besten so auf den
Punkt bringen: Nicht Gott offenbart
sich (wie die Christen glauben, in dem
Juden Jesus aus Nazareth), sondern
Gott teilt den Menschen seine Offenbarungen mit – unter anderem durch
Jesus!
Dieser Unterschied im Gottesglauben
lässt die Frage aufkommen, ob Christen und Muslime überhaupt an denselben Gott glauben. Zunächst wird
man feststellen, dass jede der beiden
Religionen einen anderen Zugang zu
Gott hat, dass man sich jeweils von einer anderen Seite her Gott nähert und
darum auch eine jeweils verschiedene
Ansicht von Gottes Wesen gewinnt.
Das Bild, das Christen sich von Gott
machen, ist dabei nicht abzulösen von
Jesus Christus. Das bedeutet: Man
kann christlicherseits nicht unterscheiden zwischen einem allgemeinen Gottesbild und einem speziellen, in das
nachträglich erst die spezifisch christlichen Züge eingezeichnet werden.
Dazu kann der Islam eigentlich nur sagen: Das ist nicht der wahre Gott. Und
umgekehrt müssten Christen den Muslimen sagen: Ihr glaubt nicht an den
ganzen Gott. Und doch beziehen sich
beide, Christen wie Muslime, auf den
einen selben Gott, beten nur ihn an
dienen ihm allein.
Ich lasse dieses Paradox so stehen, vielleicht reizt es ja zum Weiterdenken. Sie
haben sich für eine Weile die religiöse
Brille aufsetzen lassen und einen ersten, zugegebenermaßen recht oberflächlichen Blick auf die spannungsvolle religiös-theologische Beziehung zwischen Christentum und Islam geworfen. Diese stete Spannung resultiert aus
der einmaligen Mischung von Nähe
und Verwandtschaft einerseits sowie
von charakteristischer Distanz und Unterschiedenheit zwischen beiden Religionen andererseits.
Ich bin der festen Überzeugung: Die
Rückbesinnung auf die religiöse Ebene
ist von ausschlaggebender Bedeutung
für eine friedliche Nachbarschaft beider
Religionen in Deutschland und dem
künftig erweiterten Europa. Auch die
Republik Türkei genießt ja seit dem
10.12.99 den offiziellen Beitrittskandidatenstatus zur EU. Der Karlsruher Soziologe Fuad Kandil hat vor einigen
Jahren richtig gesehen, dass für jedes
interkulturelle Lernen ein gewisses
Maß an Empathie und Sympathie Voraussetzung ist. Beides aber würde „im
Falle des Islam hierzulande noch weitgehend fehlen.“ Kandil spielt damit
auf die andauernde kulturelle Fremdheit islamischer Lebensäußerungen in
der Öffentlichkeit an, die stets erneut
für Irritationen und lebhafte Mediendebatten sorgen (Kopftuch, Moscheebau,
Muezzin-Ruf usw.). Von dieser kulturellen Fremdheit ist besonders die türkischstämmige Bevölkerung betroffen,
die häufig schon äußerlich sichtbar kulturelle Andersartigkeit repräsentiert
und damit immer wieder zur Zielscheibe von rassistischen Übergriffen wird.
So mussten wir am Beginn dieser ersten niedersächsischen Islamwoche mit
Entsetzen erfahren, dass deutsche Jugendliche grundlos eine türkische Familie im Kreis Uelzen überfallen hatten.
Und plötzlich werden die Erinnerungen
an die grauenvollen Morde von Mölln
und Solingen bei vielen wieder wach.
Die Wiederentdeckung der religiösen
Ebene und der Umgang miteinander
auf dieser Ebene, also das, was man interreligiöser Dialog nennt zwischen
Christen und Muslimen und auch Juden, ist ein gangbarer Weg, um die
Mauer kultureller Fremdheit zu durchbrechen und eben jene erforderliche
Empathie und Sympathie füreinander
wachsen zu lassen. Wo religiöse Gemeinsamkeiten entdeckt werden, entstehen Gefühle von familiärer Zusammengehörigkeit, die auch die Unterschiede im jeweiligen Glauben aushalten lassen. Auf diese Weise können
sich gegenseitige Achtung und ein
wechselseitiger Respekt entwickeln, die
zu echter Toleranz führen. An dieser
Stelle, um diesen Prozess der religiösen
Umgangs miteinander zu fördern, haben die christlichen Kirchen, aber
ebenso die religiösen Organisationen
der Muslime eine gemeinsame wichtige Aufgabe. Mit Freude konnte ich in
den letzten Jahren beobachten, dass
sich die Einsicht in die Wahrnehmung
dieser Verantwortung sowohl auf
christlicher wie auf islamischer Seite
immer stärker durchsetzt. Auf allen
Ebenen gibt es so mittlerweile viele erfreuliche Beispiele für gelungene Kommunikation und Kooperation, auch
hier bei uns zwischen Ems und Elbe.
23
Das Wagnis Toleranz
von Rena Bürger
Wer einen beschaulichen Austausch
über Weltanschauungen und unterschiedliche Standpunkte erwartet hatte, der sollte in der Diskussion „Begegnung zwischen Muslimen und Christen“ eine Überraschung erleben.
Pastor Hermann Bremer beginnt seine
Ausführungen zunächst mit zwei Texten, die die Einstellung des Christentums zum Islam verdeutlichten sollen.
In einem Text aus dem Jahre 1913 wird
der Islam als Erbfeind des Christentums
bezeichnet. Die „tiefstehende Sittenlehre“ und der Fanatismus, die kennzeichnend für diese Religion seien, hätten zu den schlimmsten Greueltaten
geführt. Allein durch den Monotheismus und seine „Bildungselemente“
führte der Islam „viele orientalische
Völkerschaften aus den niedrigsten religiösen Anschauungen zu einer höheren Stufe empor und bildete für sie auf
diese Weise eine entfernte Vorbereitung, ein Übergangsstadium für das
Christentum“.
Im II. Vatikanischen Konzil von 1965
zeigt sich bereit seine ganz andere Einstellung der katholischen Kirche zum
Islam. Hier werden die Gemeinsamkeiten beider Religionen hervorgehoben.
Man betrachte, so heißt es, die Muslime mit Hochachtung und sei um ein
gegenseitiges Verstehen bemüht.
„Hier wird sehr gut deutlich, wie sich
die Einstellung von Christen gegenüber dem Islam im Laufe eines halben
Jahrhunderts grundlegend gewandelt
hat“ so Bremer. Während er in seinem
Vortrag fortfährt, werden die Zuhöre-
24
rInnen zunehmend unruhiger und äußern schließlich offen ihren Unmut.
Herrmann Bremer wird vorgeworfen, er
würde zu theoretisch an die Problematik herangehen. Er selbst vertritt dagegen die Ansicht, dass es vorab notwendig sei, bestimmte Begriffe und Standpunkte zu erklären, die immer wieder
im Dialog zwischen Muslimen und
Christen zu Missverständnissen führten.
Er hat große Schwierigkeiten, den Teilnehmern die Notwendigkeit seiner Einführung zu vermitteln und nach wiederholten Unterbrechungen, in denen
immer wieder gefordert wird, nun doch
endlich mit dem Dialog zu beginnen,
gibt er schließlich das Wort an Kemal
Schahin. Schon seit vielen Jahren ver-
sucht dieser gemeinsam mit Pastor Bremer Christen und Muslime an einen
Tisch zu bringen und das Gespräch
zwischen den beiden Gruppen zu fördern. Er betont, dass die meisten Muslime diesen Kontakt wünschen und
auch offen sind für gemeinsame Veranstaltungen. So hat Pastor Bremer schon
mehrmals eine muslimische Gemeinde
zum gemeinsamen Fastenbrechen in
seine Kirche eingeladen. „Die Angst
vor dem Anderen muss überwunden
werden“, so Schahin, und das geht am
besten, wenn man die Gelegenheit
hat, die Anderen und einen Teil ihrer
Kultur im persönlichen Austausch kennen zu lernen.
„Aber was ist denn nun mit dem Dialog?“ Die Teilnehmer werden erneut
unruhig und es ist offensichtlich, dass
sie nicht mehr zuhören, sondern selbst
von ihren eigenen Erfahrungen berichten wollen.
Es geht kreuz und quer, alle reden
gleichzeitig und ein roter Faden ist
nicht zu erkennen. Auf der einen Seite
des Raumes fragt gerade jemand, ob es
denn nun eigentlich der gleiche Gott
sei, an den Muslime und Christen glauben. Die Gemüter erhitzen sich an der
dieser Frage, bis jemand einwendet,
dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt
sei, theologische Fragen zu diskutieren
und dass man sich lieber auf die alltäglichen Probleme konzentrieren sollte.
Eine Frau berichtet daraufhin über die
Schwierigkeiten in ihrer täglichen Arbeit an der Schule. Sie ist selbst Muslima und wird immer wieder mit dem
Problem konfrontiert, dass muslimische Mädchen nicht am
Schwimmunterricht teilnehmen
dürfen. „Ich akzeptiere ja, dass die
Eltern nicht wollen, dass sie sich
im Badeanzug zeigen, aber es
müsste eine Spezialkleidung geben, die mehr vom Körper verdeckt. Sie nicht am Unterricht teilnehmen zu lassen ist unverantwortlich, denn im Zweifelsfall setzen sie damit ihr eigenes Leben
oder das eines anderen Menschen
aufs Spiel. Warum wird den Mädchen so vieles verwehrt und Jungen dürfen alles?“.
An der Reaktion auf dieses Beispiel wird die Vielfalt der Meinungen deutlich. Eine muslimische
Frau ist empört über den Vorschlag ihrer Vorrednerin und vertritt die Ansicht, Jungen und Mädchen sollten am besten auf verschiedene Schulen gehen, um nicht
„voneinander in Versuchung geführt
zu werden“. Zwei deutsche Frauen erheben sich und wollen den Raum verlassen. „Das hören wir uns nicht länger
an. Davon bekommt man ja Magenschmerzen“. Ein muslimischer Mann
wirft ein, dass die Ansichten der Muslima schon längst nicht mehr zeitgemäß
seien und man den Glauben nicht an
Äußerlichkeiten festmachen sollte:
„Glauben findet im Herzen statt“, beendet er seinen Kommentar. Ein anderer muslimischer Mann versucht zu vermitteln und schlägt vor, Jungen und
Mädchen zumindest getrennten
Schwimmunterricht zu geben. So wür-
de den Regeln des Korans genügt und
gleichzeitig den Mädchen die Möglichkeit eröffnet, das Schwimmen zu lernen. „Aber wie soll das praktisch funktionieren?“, wendet jemand ein. „Man
kann doch nicht für eine Handvoll
Mädchen ein ganzes Schwimmbad
schließen“. Eine deutsche Frau fragt,
was denn die Muslime befürchteten,
was den jungen Mädchen zustoßen
würde, wenn sie sich im Badeanzug
zeigten. „Unsere Kinder, Jungen wie
Mädchen, sind so erzogen, dass sie
recht gut damit umgehen können einander so zu sehen, ohne sich sofort
aufeinander zu stürzen. Sie sind es seit
jeher gewohnt und es ist deshalb
nichts Besonderes für sie“.
Die Uneinigkeit besteht nicht nur zwi-
schen Muslimen und Christen, sondern
auch innerhalb der beiden Gruppen. Es
wird deutlich, dass weder die einen
noch die anderen eine homogene Einheit darstellen. Die meisten scheinen
sehr überrascht zu sein, bei der jeweils
anderen Gruppe auf eine solche Vielschichtigkeit von Ansichten zu treffen.
Man kann nicht von den Muslimen
oder den Christen sprechen. Dies klar
zu erkennen bedeutet, von einer ganzen Reihe von Vorurteilen und Stereotypen Abschied nehmen zu müssen.
Was dann übrig bleibt ist der Mensch
als solcher, mit seinen ganz individuel-
len Bedürfnissen, Beweggründen und
Anschauungen.
Kemal Schahin betonte, dass eine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben die Nächstenliebe sei. Aus
der Sympathie füreinander entsteht Respekt und Achtung vor den Dingen,
die für den Anderen von Bedeutung
sind. Erst das Wissen über andere Religionen und Kulturen kann dazu beitragen, die nötige Toleranz zu schaffen.
Um dieses Wissen zu erlangen, müssen
wir lernen einander zuzuhören. Kommunikationskonflikte, die oftmals unüberbrückbar erscheinen, können wir
überwinden, wenn es uns gelingt die
Sorge um den Verlust der eigenen
Identität sowie der vertrauten Werte
und Normen zu verlieren.
Wie schwierig das sein kann wurde in
dieser Diskussion nur allzu deutlich. Toleranz setzt jedoch den Mut voraus,
sich auf das Fremde einzulassen. Wenn
wir der Verschiedenartigkeit der Menschen nicht mit Angst begegnen, sondern offen für das Andere, das Fremde
sind, können sich daraus Perspektiven
für eine friedliche Koexistenz entwikkeln, lautet ein Fazit der Diskussion.
25
Alevitischer Islam – Hand in
Hand mit dem Dede
von Dany Schrader
Zahlreiche Muslime gehören dem Alevitentum an – einer Glaubensrichtung,
die bisher wenig Aufmerksamkeit findet. Ali Ucar, Professor für Erziehungswissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin, versuchte in der „Woche
der Muslime“ diese Form des Islam bekannter zu machen.
Auf dem Bildschirm ist ein anatolisches
Dorf in de Nähe von Antalya zu sehen.
„Jetzt wird es ernst“, sagt Ali Ucar, als
er den Film in den Videorecorder einlegt. Während die Teilnehmer aufmerksam zusehen, erklärt der Erziehungswissenschaftler die einzelnen Rituale
des Cem, der religiösen Versammlung
alevitischer Islamisten. Männer, Frauen
und Kinder jeden Alters bekennen ihren Glauben an den monotheistischen
Gott Allah dabei gemeinsam.
Begleitet wird das Cem auch in dem
kleinen anatolischen Dorf von Musik,
Gesang und Tanz. Im Film, der bei einem Besuch Ucars mit einer Berliner
Schulklasse in der Türkei entstanden
ist, heben die Aleviten gerade beim
Tanz im Wechsel zunächst die rechte
Hand und halten sie einem Spiegel
gleich vor das Gesicht, während sie mit
der Linken symbolisch das eigene Herz
berühren.
Auch bei einem späteren Filmausschnitt, der die Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft wieder nach Deutschland
führt, wird deutlich, wie sehr die Ausübung des Glaubens von Symbolen geprägt ist: Beim El-ele-el-Hakka, fassen
sich die Mitglieder einer Gemeinde an
der Hand und bilden so eine Kette vom
einfachen Mitglied bis hin zu ihrem religiösen Führer, der in Verbindung mit
Gott steht. Eng ist der Kontakt zwischen den Menschen selbst beim Massen-Cem im Kölner Stadion, wo Mikrofone und Lautsprecher die Musik der
Saiteninstrumente und den Gesang in
die Menge transportieren. In der Mitte
steht ein schamanengleicher alter
Mann, dessen Kappe und Gewand
reich mit Ornamenten verziert sind.
„Das“, sagt Ali Ucar und deutet auf
den Alten, „das ist der Dede, der religiöse Führer“.
Anders als Schiiten, Sunniten und Kadschiten verehren die Aleviten nicht Mohammed. Ihre Heiligen sind die zwölf
Imame, die Söhne des Religionsbegründers Ali, mit denen der Dede, der
weise Führer einer Religionsgemeinde,
geistig in Verbindung steht. „Die Aleviten gehen davon aus, dass Allah in ihnen und ihren Herzen Ist“, erklärt Ucar.
26
Pilgerfahrten nach Mekka unternehmen sie nicht und auch die Versammlungen werden anstatt in einer Moschee in unregelmäßigen Abständen
im Haus eines Gemeindemitgliedes abgehalten. Überhaupt sei das Alevitentum durch eine enge Gemeinschaft der
Angehörigen geprägt. „In den kleinen
Dörfern in der Türkeit gibt es keine Familie, die nicht mit einer anderen eine
spirituelle Brüderschaft geschlossen hat
und sich daraufhin gegenseitig unterstützt“, berichtet Ucar.
Dass der Alevismus nicht auf die fünf
Säulen des Islams aufgebaut ist, sei
hingegen der Grund, weshalb diese
Glaubensrichtung von Muslimen nur
schwer akzeptiert würde. Dennoch gehören immerhin 30 Prozent der türkischen Bevölkerung dieser Konfession
an, in Deutschland leben derzeit etwa
600.000 Aleviten, die sich seit Beginn
der Neunziger Jahre auch in eigenen
Gemeindezentren organisieren. Verbreitet ist der Glaube jedoch weit über
die Türkei hinaus, bisher fehlen jedoch
Untersuchungen zu Zahlen und Verbreitungsgebieten der Anhänger, die
unter anderem auch im ehemaligen Jugoslawien leben.
„Dieser Bereich des Islam ist einfach
noch viel zu wenig erforscht“, sagt
Ucar. Erst seit 1990 gäbe es nach und
nach Bestrebungen, Literatur über das
Alevitentum zu veröffentlichen. Einen
Vergleich mit den übrigen islamischen
Konfessionen will der Professor, der
1960 als erster türkischer Lehrer an einer deutschen Schule in Berlin unterrichtete, innerhalb der Arbeitsgruppe
nicht anstellen. Auch die Versuche einiger Teilnehmer in der anschließenden
Fragerunde, das Alevitentum in Konfessionen einzuordnen, lehnt er ab.
Vielmehr will er einen Einblick geben
in das sensible Thema, dem seiner Ansicht nach noch viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Zu Beginn hatte
Ucar daher alle Teilnehmer gebeten, eigenes Wissen und eigene Vorstellungen über den Alevismus in Stichpunkten auf einem Zettel zu notieren. Und
ebenso vielfältig wie die Antworten
darauf, ist laut Ucar auch die Religion
selbst.
Bereits bei der Ernennung von Mohammeds Schwiegersohn Ali um 650 fand
das Alevitentum seinen Ursprung.
Schon nach Mohammeds Tod hatte
dieser dessen Nachfolge als Kalif antreten wollen, Osman und Omar waren
ihm jedoch zuvor gekommen. Obwohl
auch mit Alis Antritt der Koran weiter-
hin die Glaubensgrundlage für die Aleviten bildete, entwickelte sich dieser
Teil des Islams stetig in eine andere
Richtung als die Schiiten, Kadschiten
und Sunniten. Anstelle der drei Fastenmonate des Ramadan, üben die Aleviten nur zwölf Tage im Jahr Verzicht,
auch das tägliche Gebet wird durch die
unregelmäßig veranstalteten Cems ersetzt. Darüber hinaus finden sich in
den Regionen und Gruppen der Aleviten zahlreiche Bräuche und Riten aus
Naturreligionen wie Zaratustra, Mazdeismus und Buddhismus. „Der Dede ist
beispielsweise eine Art Schamane“,
sagt Ucar. Und auch die Reinkarnation
ist fester Bestandteil des Glaubens,
auch Ali soll nach seinem Tode wieder
auferstanden sein.
„Trotz seiner mystischen Interpretation
des Korans zählen sich die Aleviten
zum Islam“, sagt Ucar am Ende seines
Vortrags. Die zum Teil widersprechenden Teilnehmer verweist der Professor
auf eine Aussage des Theologen Ralf
Geisler von der Evangelischen Landeskirche: „Warum reicht es den Aleviten
nicht, ihrer eigenen Religion anzugehören und warum widersprechen die
Islamisten, wenn die Aleviten zu ihnen
gehören? Können diese Glaubensrichtungen nicht zusammenarbeiten?“ Die
Grundlage aller sei schließlich noch immer der Koran, sagt Ali Ucar.
Besuch in einer unbekannten
Welt: Die Moschee in Hannovers
Stiftstraße
von Solveig Vogel
Vor mehr als dreißig Jahren ist der Islam mit den Arbeitsmigranten nach
Deutschland gekommen. Viele der jetzt
Dreißig- bis Vierzigjährigen sind schon
mit den Kindern dieser ersten Einwanderergenerationen zur Schule gegangen. Doch selbst solche einstigen Klassenkameraden sind sich mit ihren verschiedenen Kulturen und Religionen
oftmals bis heute fremd geblieben.
Christentum und Islam hatten in
Deutschland bisher nur wenige Berührungspunkte. In Hannover gab es Islamkunde zum Anfassen. Fulya Kurun,
Mittlerin für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Polizeidirektion Hannover, begleitet eine Gruppe
zu einer Führung durch die Moschee in
der Stiftstraße im Zentrum von Hannover.
Zum Islam gehört unbedingt die Gastfreundschaft. Das war die erste Erfahrung, die die knapp 20 Männer und
Frauen bei ihrer Exkursion in die Moschee machten. Denn die hannoverschen Mitglieder der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion
(DITIB) bereiteten ihnen einen herzlichen Empfang in ihrem Versammlungsraum. Ergin Okan und Huseyin Dumlu,
die beiden Vorsitzenden von DITIB in
Hannover, servierten höchstpersönlich
Tee und Börek, während der Referent
Abdullah Güldogan den interessierten
Gästen derweil schon Rede und Antwort zum Verein wie auch zur islamischen Religion stand. Anfangs stellten
die Besucher, trotz der warmherzigen
Begrüßung, noch eher formelle Fragen,
etwa nach der Rolle der Imame, ihrer
Ausbildung oder ihrer Position innerhalb der türkischen Gesellschaft.
Der Imam, der Vorbeter einer muslimischen Gemeinde, sorgt dafür, dass der
Koran richtig verstanden wird. Er übersetzt die Botschaft Allahs aus dem arabischen Original in die Alltagssprache
der Gläubigen. „Das ist vor allem für
die Kinder wichtig“, erklärte Güldogan. Die benötigten in den ersten Jahren unbedingt diese religiöse Führung.
Erst später, wenn sie reifer seien, dürften sie sich ihre eigenen Gedanken
über das Wort Allahs machen – immer
unterstützt jedoch durch den Imam.
Damit Gläubige aus nicht arabischen
Ländern den Koran ebenfalls lesen
können, ist er inzwischen zwar auch in
zahlreichen anderen Sprachen zu haben. „Doch da sich Arabisch nicht exakt übersetzten lässt, sind das alles
schon Interpretationen, die vom Origi-
27
überzeugt. Gebetet wird deshalb
grundsätzlich in Arabisch: Die kleinen
Muslime lernen in der Koranschule die
Suren, die Gebetsverse, auswendig,
ohne eigentlich deren Sinngehalt zu
verstehen. Die Aufgabe des Imams ist
es, ihnen die Bedeutung der Verse zu
vermitteln. Wer sich darüber hinaus
noch mit den Texten befassen will,
kann zusätzlich in einer Übersetzung
nachlesen.
Im Laufe des Nachmittags wagten sich
die Moscheebesucher allmählich zu kritischeren Fragen vor. „Warum sind die
Imame Beamte, wenn die Türkei doch
ein weltlicher Staat ist“, wollte einer
wissen. Ein anderer fragte, ob das Gehalt des muslimischen Vorbeters in
Deutschland wesentlich höher liege als
das eines Amtskollegen im Heimatland.
Kurun, selber in der Bundesrepublik
aufgewachsene Türkin, wusste solche
Fragen anschaulich zu beantworten. So
verwies sie beispielsweise auf die geographische Lage der von muslimischen
Nachbarstaaten umgebenen Türkei.
„In dieser Situation will der türkische
Staat der Religion einen festen Rahmen
geben“, erklärte sie. Weil die Türkei
trotz der Stärke des Islams ein säkularer
Staat sein und bleiben wolle, setze sie
auf verbeamtete Imame. So sichere sich
die Politik die Vormachtstellung vor der
Religion und verhindere, dass diese aus
dem Ruder laufe – selbst im fernen
Deutschland. Dort falle die monatliche
Bezahlung eines muslimischen Vorbeters übrigens im Vergleich zwar wesentlich höher aus als das des Kollegen
naltext abweichen“, ist der Referent
28
in der Türkei. „Aber in der Bundesrepublik entspricht es lediglich der untersten Besoldungsgruppe von Beamten“,
berichtet Kurun.
300 Mitglieder zählt DITIB in der niedersächsischen Landeshauptstadt.
„Aber wir sind bestimmt vielmehr Muslime hier, denn es lassen sich längst
nicht alle bei uns registrieren“, ist sich
Güldogan sicher. Deutlich werde das
manchmal, wenn zu den Freitagsgottesdiensten der Platz in der Moschee
nicht ausreiche. An Spitzentagen müssten sie auf dem ganzen Innenhof des
Gebäudekomplexes von DITIB Gebetsteppiche auslegen, damit alle Gläubigen an der Feier teilhaben können, beschreibt der Referent. Angesichts der
Vielzahl muslimischer Mitbürger in
Hannover hat DITIB es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, auch Deutsche über die islamische Religion zu informieren und heißt Gäste in der Moschee grundsätzlich herzlich willkommen. „Ich sage immer: kommt nur alle
rein mit euren Käsefüßen“, berichtet
Güldogan schmunzelnd in Anspielung
darauf, dass ein muslimisches Gotteshaus nur ohne Schuhe betreten werden darf.
Die Gäste entledigten sich folglich
ebenfalls ihrer Stiefel und Schuhe um
danach bestrumpft in die vollständig
mit Gebetsteppichen ausgelegte Moschee zu gehen. Und als hätten sie mit
ihrem Schuhwerk auch den letzten Rest
distanzierte Förmlichkeit abgelegt, kam
nun ihr Wissensdrang viel unvermittelter zum Vorschein. Was stellt das Mu-
einer Gemeinde an ihren Vorbeter
neigte sich der Nachmittag in der Moschee dem Ende zu. Pfarrer Andreas
Probst aus Oldenburg haben die Stunden bei DITIB gefallen. „Das war sehr
viel konkreter als nur ein Vortrag über
den Islam“, lobte er. Da er als Seelsorger in der Flüchtlingshilfe arbeite, hatte
er sich einen Einblick in das islamische
Denken verschaffen wollen. Seine Kollegin Gitta Schmidt zeigt sich zudem
davon beeindruckt, dass nicht Frauen,
sondern Männer die Gäste bedient hatten.
ster auf den Teppichen dar, wollten sie
etwa wissen. Oder: Wie viele Perlen hat
eine Gebetskette und welche Bedeutung haben diese? Während die Teilnehmer im Halbkreis auf dem Boden
saßen, machte Güldogan ihnen die
Moschee begreifbar – und das oft genug im Wortsinn. So durfte etwa jeder
eine Gebetskette in die Hand nehmen,
sie betasten und mit ihr spielen. „Die
haben in der Regel 33 Perlen, zu jeder
von ihr spricht der Gläubige einen anderen Namen für Gott, damit lobpreist
er ihn“, erklärte der Muslim.
Der weiche, aus der Türkei stammende
Teppich, ist in viele kleine Rechtecke
aufgeteilt, die alle das gleiche Motiv
zeigen: Die Konturen einer Moschee,
deren Spitze gen Osten in Richtung
Mekka zeigt – und auf den Platz des
Immans. Der wartete an diesem Nachmittag schon, mit weißer Kappe und
weißem Gewand bekleidet, auf seinen
Vorführ-Einsatz für die Gäste. „Von seinem erhöhten Platz aus verkündet er
aber nicht nur die Botschaft des Koran,
sondern nimmt auch Stellung zu gesellschaftlichen Problemen oder gibt
unsere Präventionsveranstaltungen bekannt“, berichtete Mittlerin Kurun lächelnd.
Nicht nur das Gotteshaus und seine
Einrichtung konnten die Besucher
hautnah und zum Anfassen erleben.
Während sie noch fragend religiöse Rituale und deren Bedeutung erkundeten, kamen immer wieder gläubige
Muslime zum Gebet in die Moschee.
Einige von ihnen setzten sich nur für
die innere Zwiesprache mit Gott, wohingegen andere ein wenig verweilten
und zuhörten, wie Güldogan den Wissensdurst seiner Zuhörer stillte. Jeder
dieser eintretenden Gläubigen bereicherte die Führung mit Lebendigkeit
und Wärme. Das klingelnde Handy des
DITIP-Vorsitzenden Okan ermittelte zudem einen Eindruck davon, dass selbst
nicht religiöser Alltag Einzug in die
Moschee halten kann. Und der allgegenwärtige Geruch nach Rasier- und
Duftwasser erzählte den Anwesenden
leise Geschichten von den Männern,
die sonst zu Gebet und Gottesdienst
dorthin kommen. Wohlgemerkt: Es
handelte sich um Herrendüfte. Denn
die Frauen haben normalerweise in der
Stiftstraße keinen Zutritt zur Moschee.
Sie kommen stattdessen in einem eigenen Raum in der oberen Etage des
Hauses zusammen und verfolgen den
Gottesdienst von dort aus über Lautsprecher.
In diesem Raum unterrichtet der Imam
auch die Koranschüler. Wo die Kinder
zur Religionsstunde an kleinen hölzernen Pulten hocken und etwa arabische
Laute sprechen lernen, ließen sich an
diesem Nachmittag die Gäste aus dem
Dasein eines Vorbeters erzählen. Der
sollte mitten im Leben stehen und
nicht anders leben als andere Menschen, erklärte Güldogan. „Ein Zölibat
wie in der katholischen Kirche kennen
wir nicht“. Vielmehr sei es sogar erwünscht, dass der Imam verheiratet sei
und Kinder habe. So könne er der Gemeinde am ehesten seine menschlichen Qualitäten zeigen, unterstrich der
Referent.
Mit dem Einblick in die Erwartungen
29
Grundbegriffe, Literatur und
Adressen
zusammengestellt von Dr. Ralf
Geisler
Islam in Deutschland – ein Überblick
Islamisch-türkische Organisationen
Der Islam ist nach den beiden christlichen
Konfessionen die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland. Nach neueren
Schätzungen leben gegenwärtig etwa 2,9
Millionen Muslime in der Bundesrepublik.
Rund 75% kommen aus der Türkei, die anderen aus dem Nahen Osten, Iran, Südostasien, Nordafrika und, bedingt durch den
Krieg im ehemaligen Jugoslawien, aus Bosnien. Die Zahl der deutschen Muslime wird,
je nach Interesse, mit 48000 bis 100000 angegeben. Obwohl die Geschichte der Anfänge des Islams ins 18. Jahrhundert zurückgeht, hat sich die islamische Gemeinde
in Deutschland in ihrer heutigen Form vor
allem durch Arbeitsimmigranten, aber auch
durch den Zustrom von Asylsuchenden entwickelt. Die ersten repräsentativen Moscheen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg in Aachen und München, Hamburg
wurde das Zentrum des schiitischen Islam in
Deutschland.
Die drei großen Dachverbände des türkischen Islams haben ihren Sitz in Köln:
Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ)/Islam Kültür Merkezieri Birligi e.V.,
der bereits in den sechziger Jahren gegründet und später umbenannt wurde. Diese
Organisation wird von der SüleymancilarBewegung bestimmt, deren Gründer Süleyman Hilmi Tunahan (1881 – 1959) dem
Nakschibendi-Orden angehörte. Seine Anhänger vertreten eine sunnitisch-hanefitische Erneuerungsbewegung hierarchischer
Struktur mit teils fundamentalistischen,
überwiegend traditionsorientierten Zügen,
mit der Zielsetzung, Koranunterweisungen
überall sicherzustellen und das Kalifat wiederzuerrichten (vgl.: Christoph Elsas, Identität – Veränderungen kultureller Eigenarten
im Zusammenleben von Türken und Deutschen, Hamburg 1983, S. 88).
Herkunftsländer der in Deutschland
lebenden Muslime
Türkei
2.049.060
Bosnien
340.526
Iran
111.084
Nahost/Arab. Länder
115.000
(Syrien, Irak, Jordanien, Libanon)
Nordafrika
150.000
(Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko,
Somalia, Sudan, Tunesien)
Zentral- und Südostasien
95.000
(Afghanistan, Bangladesh, Indonesien,
Malaysia, Pakistan)
30
Zusammen mit der Nurculuk-Bewegung,
eine Erweckungsbruderschaft zur Wiedergewinnung des Glaubens (Gründer war
Said Nursi, 1873 – 1960) stellt sie den konservativen Flügel des türkischen Islam
Deutschlands dar. Ende der siebziger Jahre
wurde heftige Kritik an den Koranschulen
geübt, insbesondere von linksorientierten
und säkularen Gruppen. Der VIKZ e.V. betreut etwa 250 Gemeinden. Seit 1999 ist
der VIKZ in Landesverbänden organisiert
(LVIKZ).
Türkisch-Islamische Union der Anstalt für
Religion (DITIB)/Diyanet Isleri Türk-Islam
Birligi
Im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung 1980 wurde die DITIB in Deutschland als religiöse Instanz aktiv, ihr Zentrum
in Köln wurde 1985 eröffnet. Sie betreut
etwa 700 Gemeinden mit insgesamt
110.000 Mitgliedern. Konservative türkische
Muslime sehen in der Existenz dieser obersten staatlichen Religionsbehörde einen Widerspruch zur laizistischen Staatsidee, die
Trennung zwischen Staat und Religion beinhaltet.
Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa
(IGMG)/Islamische Gemeinschaft Milli Görüs
Diese Vereinigung bestand bereits seit Mitte
der siebziger Jahre als Union national-religiöser Gruppierungen. 1985 hat sie sich in
ihrer jetzigen Form konstituiert und ist mit
etwa 70.000 Mitgliedern in 300 Gemeinden der größte nichtstaatliche Dachverband.
Erst in den achtziger Jahren ist eine Differenzierung des Islam und der mit ihm zusammenhängenden Gruppierungen sowie
auch der nichtmuslimischen Gruppen, die
unter den Arbeitnehmern aus der Türkei leben, eingetreten. Mehr als 500.000 muslimische Kinder besuchen die deutschen
Schulen. Für die Lehrer war es mitunter
schwierig, bestimmte durch die Religion geprägte Verhaltensweisen der Kinder zu verstehen. So nehmen nach einer Repräsentativumfrage nur 40% der Mädchen am
Schulsport teil. Schüler aus strenggläubigen
Elternhäusern empfinden auch den Musikund Kunstunterricht als unislamisch. Verehrung oder Anbetung von Bildnissen sind im
Islam verboten.
In Hamburg befindet sich das schiitische
Zentrum mit der Imam-Ali-Moschee. Als Folge der islamischen Revolution im Iran leben
bei uns fast 80.000 Iraner, die meisten sind
Flüchtlinge vor dem Mullah-Regime. Andere
Schiitengruppen stammen aus dem Libanon
und dem Irak. Gelegentlich kommt es zu
Spannungen unter den hier lebenden Muslimen und auch zwischen ihnen und der übrigen Bevölkerung, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem gegen den muslimischen
Schriftsteller Salman Rushdi verhängten Todesurteil wegen seines Buches Die Satanischen Verse. Auch der Golfkrieg bekam
durch die Ausrufung des Heiligen Krieges
von Seiten des irakischen Präsidenten eine
religiöse Dimension.
Erst kürzlich hat der Vertreter des Islamischen Pressedienstes Berlin, H. Mohammed
Herzog, die Anerkennung des Islam als
gleichwertige Religionsgemeinschaft in
Deutschland gefordert. Toleranz im Sinne
einer Duldung sei nicht ausreichend, die
Muslime in Deutschland wünschten sich die
Anerkennung islamischer Wertvorstellungen
in Bezug auf Familie und Gesellschaft. Dazu
gehörte nach ihrer Meinung auch die Mög-
lichkeit des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen.
Ausdrücklich wurde betont, dass Muslime,
die in Deutschland leben, nicht für alle Vorfälle in der islamischen Welt mitverantwortlich gemacht werden sollten.
(Gekürzte und aktualisierte Fassung aus Einheit in der Vielheit. Weltreligionen in Berlin,
Berlin 1993)
Kontakte zu Moscheen
Moscheen (Gebetsräume), die mehrheitlich
türkisch geprägt sind, finden sich mittlerweile auch in vielen kleineren Städten. Allein 68 Moscheen in Niedersachsen und Bremen gehören dem Dachverband der DITIB
an, des staatsoffiziellen türkischen Islam.
Anschriften/Kontakte können über das für
die Bundesländer Niedersachsen und Bremen zuständige Generalkonsulat vermittelt
werden:
Generalkonsulat der Republik Türkei
Attaché für Religiöse Angelegenheiten
An der Christuskriche 3, 30167 Hannover
Tel.: (0511) 14330
In Hannover befindet sich die Hauptmoschee der DITIB in der Stiftstraße 11, Tel.:
(0511) 1318568.
Der Religionsattaché kennt in der Regel
auch die Moscheen, die zu den beiden anderen Dachverbänden des türkischen Islams
in der Bundesrepublik gehören. Deren
Hauptmoscheen in Hannover sind:
IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görüs)
Aya Sofya Moschee
Weidendamm 9, 30167 Hannover
Tel.: (0511) 7011323
LVIKZ (Landesverband der Islamischen Kulturzentren Niedersachsen e.V.)
Alte Stöckener Str. 42, 30419 Hannover
Tel.: (0511) 2715569; Fax: (0511) 2718472
Daneben gibt es unabhängige Moscheen,
die aufgrund des Konkurrenzkampfes der
islamischen Dachverbände entschieden haben, sich von politischen Festlegungen freizuhalten.
Vertreter aller genannten Moscheevereine
sind nach Absprache gern zu Führungen
durch die Räumlichkeiten und zu Gesprächen über den islamischen Glauben bereit.
31
Literatur zum Islam
Einführungen
Begegnung mit dem Islam
Eckhart von Vietinghoff, Hans May (Hrsg.)
(Protestantische Beiträge zu Fragen der Zeit,
Bd. 1)
Hannover: Lutherisches Verlagshaus 1997
Der Islam. Ein Lesebuch
Maria Haarmann (Hrsg.in), (Beck’sche Reihe,
Bd. 479) München: Beck 1992
Der Islam. Religion – Ethik – Politik
Peter Antes u.a., Stuttgart/Berlin/Köln:
Kohlhammer 1991
Islam verstehen
Hrg. vom Studienkreis für Tourismus e.V.,
Starnberg 1992/1993 (Sympathie Magazin
Nr. 26)
Die Welten des Islam. Neunundzwanzig Vorschläge, das Unvertraute zu verstehen
Gernot Rotter (Hrsg.), Frankfurt a.M.:
Fischer 1993
(Fischer TB 11480)
Was jeder vom Islam wissen muss
Hrsg. vom Lutherischen Kirchenamt der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche
Deutschlands und vom Kirchenamt der
Evangelischen Kirche in Deutschland,
(Gütersloher Taschenbücher Bd. 786),
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, Gerd
Mohn 51996
Mohammed und der Koran
Der Koran. Einführung – Texte – Erläuterungen
Tilman Nagel, München: Beck 1983
Der Koran
Übersetzt von Max Hennig. Mit einem Vorwort von
Annemarie Schimmel,
Stuttgart: Reclams Universal-Bibliothek
Die Religion des Islam - Eine Einführung
Richard Hartmann, mit einem Nachwort zur
Neuausgabe von Annemarie Schimmel,
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1992
Der Koran
Übersetzung von Adel Theodor Khoury. Unter Mitwirkung von Muhammad Salim Abdullah. Mit einem Geleitwort von Inamullah
Khan, Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses,
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn 1987
Geschichte der islamischen Theologie
Von Mohammed bis zur Gegenwart
Tilman Nagel, München: Beck 1994
Der Koran
Übersetzung von Rudi Paret,
Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Kohlhammer
²1980
Nachrichten von Taten und Aussprüchen
des Propheten Muhammad
Sahih al-Buhari, Stuttgart: Reclams Universal-Bibliothek 1991
So sprach der Prophet. Worte aus der islamischen Überlieferung
Ausgewählt und übersetzt von Adel Theodor Khoury
(Gütersloher Taschenbücher, Bd. 785),
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn 1988
Geschichte des Islams
Der Islam I. Vom Ursprung bis zu den Anfängen des Osmanenreiches
Claude Cahen, Frankfurt a.M.: Fischer Weltgeschichte, Bd. 14
Mohammed
Maxime Rodinson, Luzern/Frankfurt a.M.
1997
Mohammed und der Koran
Rudi Paret, (Urban-Taschenbücher Bd. 32),
Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Kohlhammer
5
1980
Die Schia
Heinz Halm,
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988
Deutsche Koranübersetzungen
Geschichte der arabischen Welt
Ulrich Haarmann (Hrsg.), München: Beck
²1991
Religiöse Grundlagen
Die Glaubenslehren des Islam
Hermann Stieglecker, Paderborn: Schöningh
1983 (1962)
32
Der politische Harem. Mohammed und die
Frauen
Fatema Mernissi, Frankfurt a.M.: Dagyeli
1989
Die Frau in der türkischen Gesellschaft
Nermin Abadan-Unat (Hrsg.in), Frankfurt
a.M. 1985
Texte der Überlieferung (Sunna)
Der Islam II. Die islamischen Reiche nach
dem Fall von Konstantinopel
G.E. von Grunebaum (Hrsg.),
Frankfurt a.M.: Fischer Weltgeschichte, Bd.
15
Al-Quran Al-Karim und seine ungefähre Bedeutung in deutscher Sprache
Hrsg. von M.A. Rassoul,
Köln: IB Verlag Islamische Bibliothek ³1988
Frauen im Islam
Ich bin eine Frau aus Ägypten
Jehan Sadat, München: Heyne 1991
O ihr Musliminnen ... Frauen in islamischen
Gesellschaften
Ina und Peter Heine, Freiburg 1993
Schwestern unterm Halbmond. Muslimische
Frauen zwischen Tradition und Emanzipation
Naila Minai, Stuttgart: Klett 41991
Gegenwärtiger Islam
Der Islam als Alternative
Murad Wilfried Hofmann, mit einem Vorwort von Annemarie Schimmel, München:
Diederichs 1992
Der Islam als politischer Faktor
Peter Antes, herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung, Hannover
1997
Der Islam im Aufbruch? Perspektiven der
arabischen Welt
Michael Lüders (Hrsg.), München/Zürich:
Piper ²1993
Der Islam in der Gegenwart
Werner Ende, Udo Steinbach (Hrsg.), München: Beck 41994
Der Islam und das Problem der kulturellen
Bewältigung sozialen Wandels
Bassam Tibi, Frankfurt a.M.: Suhrkamp
²1991
(Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Bd.
531)
Der politische Auftrag des Islam, Programme und Kritik zwischen Fundamentalismus
und Reformen. Originalstimmen aus der islamischen Welt
Andreas Meier, Wuppertal: Peter Hammer
1994
Die Krise des Modernen Islams. Eine vorindustrielle Kultur im wissenschaftlichen-technischen Zeitalter
Bassam Tibi, München: Beck 1981,
(Beck’sche Reihe Bd. 228)
Islam in Deutschland
Geschichte des Islams in Deutschland
Muhammad Salim Abdullah,
(Islam und westliche Welt, Bd. 5),
Graz/Wien/Köln: Styria 1981
In fremder Erde. Zur Geschichte und Gegenwart der islamischen Bestattung in
Deutschland
Gerhard Hopp, Gerdien Jonker (Hrsg.), Berlin: Das Arabische Buch 1996 (Arbeitshefte
Bd. 11)
Islamischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland
Praxis-Konzepte-Perspektiven, Dokumentation eines Fachgespräches, Nr. 8
Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen,
11017 Berlin, Sept. 2000
Islamische Organisationen in Deutschland
Dr. des. Thomas Lemmen, Sankt Augustin,
herausgegeben vom Wirtschafts- und sozialpolitischen Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abt.
Arbeit und Sozialpolitik, Juli 2000
Muslime in Deutschland
Nebeneinander oder Miteinander?
Ursula Spuler-Stegemann, (Herder Spektrum Bd. 4419) Freiburg/Basel/Wien: Herder
1998
Das Schwert des Experten. Peter Scholl-Latours verzerrtes Araber- und Islambild
Verena Klemm, Karin Hörner (Hrsg’in.), Vorwort von Heinz Halm,
Heidelberg: Palmyra 1993
Allahs Plagiator. Die publizistischen Raubzüge des Nahostexperten Gerhard Konzelmann
Gernot Rotter, Heidelberg: Palmyra 1992
Christlich-islamische Begegnung
Das Eigene als Fremdes. Chancen und Bedingungen des christlich-islamischen Dialogs
Ralf Geisler, Hannover: Lutherisches Verlagshaus 1997 (Mensch – Natur – Technik Bd. 1)
Zusammenleben mit Muslimen in Deutschland
Eine Handreichung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, hg. vom Kirchenamt der EKD, Gütersloh: Mohn 22000
Zwischen Kirche und Moschee. Muslime in
der kirchlichen Arbeit
Hans-Christoph Goßmann (Hrsg.), Rissen:
E.B.V. 1994
Nachschlagewerke und Medien
Der Islam. Einführung in Glaube, Gesetz
und Geschichte
Barbara Huber, mit 81 Farbfolien und Erläuterungen,
Frankfurt a.M.: CIBEDO 1993
(Bezug: CIBEDO, Postfach 170427, 60078
Frankfurt/M.,
Tel.: 069/726491
Islam-Lexikon. Geschichte – Ideen – Gestalten
Adel Theodor Khoury, Ludwig Hagemann,
Peter Heine,
drei Bände,
Freiburg/Basel/Wien: Herder 1991
Türkisch-islamische Vereinigungen in der
Bundesrepublik Deutschland
Metin Gür, Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel
1993
Was will der Islam in Deutschland?
Muhammad Salim Abdullah,
(Gütersloher Taschenbücher Bd. 797),
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn 1993
Zum Islambild in den deutschen Medien
33
Autorinnen- und
Autorenverzeichnis
Impressum
Ayroud-Peter, Katharina
Baer, Konrad
Bürger, Rena
Elyas, Nadeem
Erpenbeck, Gabriele
Geisler, Dr. Ralf
Kaye, Nicolas
Krausen, Halima
Schrader, Dany
Schulz, Daniela
Tan, Dr. Dursun
Vogel, Solveig
Sozialpsychologin
Journalist und Autor
Sozialwissenschaftlerin
Zentralrat der Muslime
Ausländerbeauftragte des Landes Niedersachsen
Theologe, Evangelische Landeskirche
Landespfleger
Imam Ali Moschee
Journalistin
Journalistin
Univeristät Hildesheim
Journalistin
Herausgeberin und Redaktionsanschrift (ViSdP):
Niedersächsisches Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales
– Ausländerbeauftragte –
Postfach 141
30001 Hannover
Telefon (0511) 120 30 24
Redaktion und Produktion:
M. Katerina Agsten, Konrad Baer, Antonio Bilbao (verantwortlich)
Satz & Gestaltung
Angel and Co.
Druck:
Sponholtz, Hannover
Erscheinungsweise
unregelmäßig
Erscheinungsdatum:
für die vorliegende Nr. 6, Dezember 2000
Bereits erschienen:
Nr. 1, Oktober 1996
Nr. 2, Mai 1997
„Fremd – Na und? – Medien und interkultureller Alltag“
„35 Jahre Arbeitsmigartion zwischen der Republik Türkei und der
Bundesrepublik Deutschland“
Nr. 3, November 1997 „Interkulturelles Lernen mit Kindern“
Nr. 4, Dezember 1997 „Jugendliche in Niedersachsen“
Nr. 5, Dezember 1998 „25 Jahre Anwerbestopp“
Bezugpreis:
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