Expression von Minichromosome Maintenance

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Aus der
Klinik für Dermatologie und Allergologie
des St. Josef-Hospital Bochum
-Universitätsklinikder Ruhr-Universität Bochum
Direktor: Prof. Dr. med. P. Altmeyer
Expression von
Minichromosome Maintenance-Proteinen im Merkelzellkarzinom
und deren Verwendung als Proliferationsmarker
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Annika Breininger
aus Zweibrücken
2010
Dekan:
Referent:
Koreferent:
Prof. Dr. med. Klaus Überla
PD Dr. med. Thilo Gambichler
PD Dr. med. Christian Teschendorf
Tag der mündlichen Prüfung: 30.06.2011
Abstract
Breininger, Annika
Expression von Minichromosome Maintenance-Proteinen im Merkelzellkarzinom und deren
Verwendung als Proliferationsmarker
Problem: Das Merkelzellkarzinom ist ein aggressiver Hauttumor und gewinnt in den letzten Jahren
wegen seiner steigenden Inzidenz an klinischer Bedeutung. Seine eindeutige Diagnose ist noch immer
nicht in allen Fällen gewährleistet und histologische Überschneidungen mit anderen kleinzelligen
Hauttumoren sind häufig. Minichromosome maintenance (MCM)-Proteine sind in anderen Tumoren
schon als proliferative Marker beschrieben, fanden jedoch bisher in der Diagnostik von Hauttumoren
kaum Beachtung. Die Untersuchung von MCM-Proteinen im Merkelzellkarzinom war Gegenstand
dieser Arbeit und stellt eine wichtige Neuerung in der immunhistochemischen Tumordiagnostik und
dar.
Methode: Es wurden Proben aus läsionaler Haut von acht Merkelzellkarzinom-Patienten mittels
immunhistochemischer Färbungen untersucht. Als Vergleichsgruppe wurden Proben von neun
Melanompatienten eingeschlossen. Es wurden immunhistochemische Färbungen mit den Markern
CK20, Ki-67, p53, p21 und MCM4, MCM6 und MCM7 hergestellt und die Fluoreszenzsignale der
beiden Tumorgruppen verglichen.
Ergebnis: Die mikroskopische Auswertung der fluoreszenzmarkierten Schnittpräparate ergab für das
Merkelzellkarzinom im Vergleich zum Malignen Melanom eine signifikante Erhöhung von MCM4
(66,0 ± 26,5% vs. 33,9 ± 22,4%; P = 0,017), MCM6 (70,9 ± 11,9% vs. 31,7 ± 22,7%; P = 0,0031) und
MCM7 (76,5 ± 16,4% vs. 34,9 ± 25,5%; P = 0,0013). Auch die Ki-67-Positivität war im
Merkelzellkarzinom gegenüber dem Melanom deutlich erhöht (28,7 ± 7,9% vs. 11,0 ± 9,2%; P =
0,0012). Die Rate positiver Zellen in der Färbung mit p53 und p21 war im Vergleich zu gesunder Haut
relativ hoch, jedoch bestand kein signifikanter Unterschied zwischen Merkelzellkarzinom und
Melanom.
Diskussion: Die Arbeit zeigt, dass die immunhistochemische MCM-Färbung als Proliferationsmarker
im Merkelzellkarzinom angewandt werden kann. Die Markierung von MCM4, MCM6 und MCM7
könnte eine Abgrenzung des klinisch unspezifischen Merkelzellkarzinoms gegenüber dem Malignen
Melanom ermöglichen. Des Weiteren erbringt sie Vorteile gegenüber der gängigen Ki-67-Färbung, da
die MCM-Färbung die Gesamtheit der teilungsfähigen Zellen darstellt und somit eine genauere
Beurteilung der Proliferationsfraktion ermöglicht. Hierdurch kann über die Form und Intensität der
Therapie beim einzelnen Patienten genauer entschieden werden. Die Evaluation der Expression von
MCM-Proteinen im Merkelzellkarzinom stellt eine Erweiterung der differentialdiagnostischen
Verfahren dar und ermöglicht neue Einblicke in zelluläre Abläufe um MCM-Proteine.
1
Inhaltsverzeichnis
Seite
I.
Einleitung
6
1.1
Das Merkelzellkarzinom (Merkel cell carcinoma, MCC)
6
1.2
Ätiologie des Merkelzellkarzinoms
7
1.3
Epidemiologie des Merkelzellkarzinoms
9
1.4
Diagnostik des Merkelzellkarzinoms
10
1.4.1 Klinik des Merkelzellkarzinoms
10
1.4.2 Histologie des Merkelzellkarzinoms
13
1.4.3 Differentialdiagnose des Merkelzellkarzinoms
14
Immunhistochemische Marker im Merkelzellkarzinom
16
1.5.1 Minichromosome maintenance Proteine
16
1.5.2 p21
18
1.5.3 p53
18
1.5.4 CK 20
20
1.5.5 Ki-67
21
1.5.6 Differentialdiagnostische Marker des Merkelzellkarzinoms
21
1.6
Ausbreitungsdiagnostik (Staging) des Merkelzellkarzinoms
23
1.7
Stadieneinteilung und Prognose des Merkelzellkarzinoms
23
1.8
Therapie des Merkelzellkarzinoms
24
1.8.1 Operative Therapie des Merkelzellkarzinoms
24
1.8.2 Strahlentherapie des Merkelzellkarzinoms
25
1.8.3 Chemotherapie des Merkelzellkarzinoms
25
1.8.4 Nachsorge des Merkelzellkarzinoms
26
1.5
2
Seite
1.9
Das Maligne Melanom
27
1.10
Klassifikation des Malignen Melanoms
27
1.11
Ätiologie und Risikofaktoren des Malignen Melanoms
27
1.12
Diagnostik des Malignen Melanoms
28
1.12.1 Klinik und Histologie des Malignen Melanoms
28
1.12.2 Immunhistochemie des Malignen Melanoms
30
1.12.3 Differentialdiagnose des Malignen Melanoms
30
1.12.4 Ausbreitungsdiagnostik des Malignen Melanoms
31
1.13
Prognose und Stadieneinteilung des Malignen Melanoms
31
1.14
Fragestellung
33
II.
Material und Methoden
34
2.1
Gewebeproben
34
2.2
Herstellung von Paraffinschnitten
35
2.3
Entparaffinierung und Gewebevorbehandlung
36
2.4
Immunhistochemische Färbung der Schnitte
37
2.5
Auswertung der histologischen Schnitte
38
2.6
Statistik
38
III.
Ergebnisse
40
3.1
Patienten
40
3.2
Zytokeratin 20
41
3.3
p21 und p53
42
3.4
Ki-67
43
3.5
Minichromosome Maintenance Proteine: MCM4, MCM6, MCM7
44
3
Seite
IV.
Diskussion
46
4.1
Onkogenese des MCCs
46
4.1.1 Merkelzellkarzinom und MCV
46
4.2
Histologie der Merkelzelle und des Merkelzellkarzinoms
49
4.3
Immunhistochemische Marker des Merkelzellkarzinoms
49
4.4
Perspektiven
55
V.
Zusammenfassung
57
VI.
Literaturverzeichnis
58
Danksagung
Lebenslauf
4
Tabellenverzeichnis
Seite
Tabelle 1: Stadieneinteilung von Merkelzellkarzinomen nach Yiengpruksawan 24
Tabelle 2: Tumordicke nach Breslow und empfohlener Sicherheitsabstand für
31
die chirurgische Exzision des Malignen Melanoms
Tabelle 3: Invasionslevel des Malignen Melanoms nach Clark
32
Tabelle 4: Patientengruppe Merkelzellkarzinom
34
Tabelle 5: Patientengruppe Malignes Melanom
35
Tabelle 6: Verwendete Marker, deren Herkunft und Verdünnung
37
Tabelle 7: Expressionsunterschiede verschiedener fluoreszenzmarkierter
40
Zellzyklusproteine und CK20 zwischen Merkelzellkarzinom und
Malignem Melanom
5
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abbildung 1: Schematische Darstellung einer Merkelzelle
7
Abbildung 2: Klinisches Bild eines Merkelzellkarzinom-Rezidivs im Gesicht
11
Abbildung 3: Klinisches Bild eines Merkelzellkarzinoms im Gesicht.
11
Abbildung 4: Detailaufnahme eines Merkelzellkarzinoms
12
Abbildung 5: HE-Färbung eines Merkelzellkarzinoms in 100facher
13
Vergrößerung
Abbildung 6: Adenom-Karzinom-Sequenz
19
Abbildung 7: Klinisches Bild eines primär nodulären Melanoms
29
Abbildung 8: CK20-Färbung im MCC-Präparat in 20-facher und 40-facher
41
Vergrößerung
Abbildung 9: Immunhistochemische Färbung mit den Markern p21 und
42
p53 bei MCC und MM in 200facher Vergrößerung
Abbildung 10: Expressionsunterschiede von Ki-67 zwischen MCC und MM
43
Abbildung 11: Mikroskopische Aufnahmen immunhistochemischer Färbungen 45
in läsionaler Haut von Patienten mit Merkelzellkarzinom und
Malignem Melanom in 200facher Vergrößerung
6
I. Einleitung
1.1
Das Merkelzellkarzinom (Merkel cell carcinoma, MCC)
Das Merkelzellkarzinom (Merkel cell carcinoma = MCC) ist ein seltenes, aggressives
Malignom der Haut mit neuroendokriner Differenzierung. Es wurde erstmalig von Cyril
Toker im Jahre 1972 als „trabekuläres Karzinom“ der Haut beschrieben (Toker, 1972).
Das auch als kutanes neuroendokrines Karzinom bezeichnete Malignom tritt ca. doppelt
so oft bei Männern wie bei Frauen auf und entsteht vorwiegend im höheren Lebensalter
aus der Merkelzelle der Haut (Pectasides et al., 2006). Der Krankheitsverlauf ist in ca.
30% der Fälle letal. Lokalrezidive sind sehr häufig und lokale oder regionäre
Metastasen treten bei 50% der Patienten innerhalb eines Jahres auf (Fritsch, 2008). Die
von den meisten Autoren als Ursprung des MCCs angesehene Merkelzelle wurde nach
dem Göttinger Anatomen Friedrich Merkel (1845–1919) benannt (Merkel, 1875). Der
histologische Fachterminus der Merkelzelle ist Epitheliocytus tactilis, im Englischen
bezeichnet man sie als „sensory epithelial cell“ oder „Merkel cell“. Merkelzellen sind in
der
Basalschicht
der
Epidermis
ansässige,
neuroendokrine
Zellen
mit
Mechanorezeptorfunktion. Lichtmikroskopisch erscheinen sie als runde, etwas größere
und hellere Zellen mit gelapptem Kern und sind nur schwer von Basalzellen und
Langerhans-Zellen zu unterscheiden. Im Elektronenmikroskop finden sich typische
membranständige, elektronendichte Granula (Camisa and Weissmann, 1982). Man
findet Merkelzellen einzeln in der unbehaarten Haut oder in Gruppen in der behaarten
Haut, wo sie auch als Pinkus-Iggo-Tastscheiben bezeichnet werden (Iggo and Muir,
1962). Sie sind zwischen den Basalzellen von mehrschichtigem Epithel der Haut oder
Schleimhaut und im basalen Epithel von Haarzwiebeln lokalisiert. Von dort reichen sie
mit kurzen fingerförmigen Ausläufern nach oben ins Epithel hinein. Merkelzellen
entstammen der Neuralleiste und enthalten neuropeptidhaltige Granula sowie
Zytokeratine. Sie werden im Allgemeinen dem APUD-System („Amine Precursor
Uptake and Decarboxylation System“) zugeordnet, das auch neuroendokrin wirksame
Zellen des gastrointestinalen und bronchopulmonalen Trakts umfasst.
In ihrer Funktion als sekundäre Sinneszellen leiten Merkelzellen sensorische Reize über
Synapsen an die zugehörigen weit entfernten pseudounipolaren Spinalganglienzellen
weiter, wo die Tastempfindungen zentralnervös verarbeitet werden. Die dendritischen
7
Abb. 1: Schematische Darstellung einer Merkelzelle (aus: Iggo, 1977). Die Zelle sitzt
direkt der Basallamina (BM) auf, Desmosomen (D) verbinden sie mit den benachbarten
Basalzellen und am unteren Pol befinden sich sekretorische Granula (G). Unter der
Merkel-Zelle ist die Nervenendplatte (NP) erkennbar, die aus einem ummarkten Axon
(A) hervorgeht. GY = Glykogen, GO = Golgi-Apparat, E = Keratinozyt, N = Zellkern.
Endigungen dieser Spinalganglienzellen befinden sich in der Dermis und bilden
gemeinsam mit der Merkelzelle einen als Merkel-Scheibe bezeichneten Komplex.
Merkelzellen zählen zu den langsam adaptierenden Mechanorezeptoren und reagieren
auf statische und dynamische Reize sowie Vibration, wobei sie hauptsächlich als
Druckrezeptoren dienen. Ein adäquater Reiz ist das Eindrücken der Haut.
1.2
Ätiologie des Merkelzellkarzinoms
Obwohl die Ätiologie des MCCs bisher nicht vollständig geklärt ist, kennt man bereits
mehrere Risikofaktoren, die zur Pathogenese beitragen. Diese umfassen hauptsächlich
Immunsuppression,
UV-Licht
Plattenepithelkarzinome,
und
UV-Licht-assoziierte
Basalzellkarzinome
oder
deren
Hauttumore
Vorläufer.
Die
wie
UV-
Karzinogenese wird besonders deutlich durch die hauptsächliche Tumorlokalisation in
sonnenexponierten Hautarealen (Medina-Franco et al., 2001) und den regionalen
Inzidenzunterschieden, die mit dem UV-B-Index korrelieren (Miller and Rabkin, 1999).
8
Bei Psoriasis-Patienten, die mit Methoxsalen und UV-A behandelt wurden, trat eine
100fache Steigerung der MCC-Inzidenz auf (Lunder and Stern, 1998). Der Risikofaktor
Immunsuppression spielt beim MCC anscheinend eine entscheidende Rolle. So
kommen MCC beispielsweise bei organtransplantierten Patienten oder HIV-Infizierten
viel häufiger und in deutlich jüngerem Alter vor (Engels et al., 2002; Buell et al., 2002).
Das Verhältnis von MM zu MCC beträgt nach Transplantation 6:1 verglichen mit 65:1
in der Allgemeinbevölkerung. Beachtlich ist, dass die Hälfte der organtransplantierten
Patienten mit MCC jünger als 50 Jahre sind (Buell et al., 2002). Bei HIV-Patienten oder
Patienten mit erworbener Immundefizienz ist das relative MCC-Risiko 13,4 im
Vergleich
zur
Allgemeinbevölkerung
(Engels
et
al.,
2002).
Ebenso
haben
medikamentös immunsupprimierte Patienten ein erhöhtes Risiko, an MCC zu erkranken
(Goessling et al., 2002). In einer retrospektiven Analyse von über 1000 Fällen wurden
14,5% der MCC-Patienten während oder vor der MCC-Therapie immunsuppressiv
behandelt (Medina-Franco et al., 2001). Auch bei Patienten mit Multiplem Myelom,
Chronisch Lymphatischer Leukämie, Non Hodgkin-Lymphom und Malignem Melanom
wurde ein erhöhtes Risiko für die Erkrankung an MCC festgestellt (Vlad and
Woodlock, 2003). Ionisierende Strahlung als MCC-Auslöser wird gelegentlich in der
Literatur diskutiert (Lardy et al., 1996).
Erste Hinweise auf genetische Faktoren lassen einen Zusammenhang mit der
Entstehung des MCC vermuten. Auf dem kurzen Arm von Chromosom 1 (1p) wurde in
40% der untersuchten MCC-Fälle eine Aberration gefunden, was eine Rolle von
Tumorsuppressorgenen auf 1p im Prozess der Tumorgenese wahrscheinlich macht. Ein
ähnlicher Zusammenhang ist schon bei anderen der Neuralleiste entstammenden
Tumoren wie Neuroblastomen und Melanomen belegt (Bichakjian et al., 2007).
Mehrere andere Mutationen wurden von Houben et al. in MCC-Zellen beschrieben. So
fand sich in 33% der Proben der heterozygote Austausch einer Base in dem für den
Platelet-derived growth factor (PDGF)-Rezeptor kodierenden Gen, was zur Expression
einer anderen Aminosäure in dem Rezeptor führt. Die Relevanz der Mutation ist noch
nicht geklärt, jedoch wird PDGF als Wachstumsfaktor mit Onkogenese in
Zusammenhang gebracht. Für diverse Wachstumsfaktoren ist der Phosphatidylinositol
3,4,5-Triphosphat (PIP3)-Weg ein wichtiger Signalweg. Das PIP3-dephosphorylierende
Phosphatase and Tensin Homolog (PTEN) konnte in MCC-Gewebe kaum
nachgewiesen werden. Da es normalerweise den Übertragungsweg hemmt, muss von
einer gesteigerten Übertragung im MCC ausgegangen werden. Zwar konnte in vielen
9
Fällen der Verlust der für PTEN kodierenden Region (Chromosom 10q) nachgewiesen
werden, jedoch nur für ein Allel. Die Inaktivierung des zweiten Allels scheint durch
verschiedene andere Mechanismen statt zu finden, z. B. durch epigenetisches silencing
(Houben et al., 2009).
Des Weiteren beschrieben Houben et al. in drei Vierteln der untersuchten MCC-Fälle
eine Überexpression der anti-apoptotisch wirkenden Bcl-2-Proteine. Die Apoptose ist
ein wichtiger Faktor in der Tumorgenese und wird sowohl extrinsisch als auch
intrinsisch reguliert. Die intrinsische Regulation geschieht hauptsächlich durch Proteine
der Bcl-2-Familie. In Versuchen an Mäusen in vivo bewirkte die Inhibition der Bcl-2Expression einen Rückgang der Tumormasse. Im Versuch an Menschen konnte diese
Wirkung jedoch nicht bestätigt werden. Auch das anti-apoptotische Survivin, das in
differenziertem Gewebe normalerweise nicht nachweisbar ist, konnte in allen 19
untersuchten MCCs gefunden werden. Dabei konnte, anders als bei der Bcl-2Expression, ein Zusammenhang zwischen der Survivin-Verteilung innerhalb der Zellen
und einem aggressiven klinischen Verlauf nachgewiesen werden (Houben et al., 2009).
Interessanterweise wurde kürzlich ein bislang noch nicht beschriebenes Polyomavirus in
MCC gefunden (Merkel cell polyomavirus = MCV), dessen klonale Integration in die
DNA der Tumorzellen einen kausalen Zusammenhang mit der Entstehung des MCC
sehr wahrscheinlich werden lässt (Feng et al., 2008).
1.3
Epidemiologie des Merkelzellkarzinoms
Das MCC ist ein Karzinom des höheren Alters mit einem mittleren Lebensalter der
Patienten bei Erstdiagnose von 69 Jahren (mit einer Spanne von 7-104 Jahren). Bei über
65-jährigen ist das MCC 24mal häufiger zu finden als bei unter 65-jährigen, und nur 5%
der Fälle treten vor dem 50. Lebensjahr auf (Pectasides et al., 2006; Bichakjian et al.,
2007).
Laut dem „U.S. Surveillance, Epidemiology, and End Results Program“ des
amerikanischen „National Cancer Institute“ hat sich die altersstandardisierte MCCInzidenz von 0,15 pro 100.000 im Jahre 1986 auf 0,44 pro 100.000 im Jahr 2001
verdreifacht (Bichakjian et al., 2007). Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von 8%
für MCC im Vergleich zum 3%igen Zuwachs beim Melanom während dieser Zeit
10
(Hodgson, 2005). Die Mehrzahl (94%) der Patienten mit MCC-Diagnose gehört zum
hellen Hauttyp (Bichakjian et al., 2007).
Die Inzidenz ist aus bislang ungeklärten Gründen insgesamt stark steigend. Der Tumor
tritt bei beiden Geschlechtern auf, scheint aber häufiger bei Männern aufzutreten. Die
männliche Prädominanz wird mit 2,3:1 (Pectasides et al., 2006) bzw. 1,4:1 (MedinaFranco et al., 2001) beschrieben.
1.4
Diagnostik des Merkelzellkarzinoms
1.4.1 Klinik des Merkelzellkarzinoms
MCCs erscheinen in der Regel als rötliche oder livide, solide, indolente, intrakutane
Tumoren mit meist glatter und glänzender Oberfläche. Neben den häufigen
halbkugeligen oder knotigen Formen kommen insbesondere am Stamm auch
plaqueartige Varianten vor. Ulzerationen sind sehr selten und werden erst im
Spätstadium beobachtet. Die Mehrheit der MCCs ist im Kopf- und Halsbereich und an
den Extremitäten lokalisiert (je ca. 40%), seltener tritt das Karzinom am Körperstamm
auf (ca. 10%) (Pectasides et al., 2006). Im Gesicht sind oft die Augenlider betroffen,
wobei der Durchmesser der Läsion bei ärztlicher Vorstellung meist weniger als 2 cm
beträgt (Goessling et al., 2002). Trotzdem weisen bereits bis zu einem Drittel der
Betroffenen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine lokoregionäre Lymphknotenbeteiligung auf; im Verlauf der Erkrankung erhöht sich dieser Anteil auf über 60%
(Mehrany et al., 2002).
11
Abb. 2.: Klinisches Bild eines Merkelzellkarzinom-Rezidivs im Gesicht. Man sieht die
typische glatte Oberfläche und den rötlich-lividen Aspekt.
Abb. 3: Klinisches Bild eines Merkelzellkarzinoms im Gesicht.
12
Auffällig ist das sehr rasche Wachstum des MCCs. Fernmetastasen manifestieren sich
in absteigender Häufigkeit vorwiegend in Lymphknoten (27-60%), Haut (9-30%),
Lunge (10-23%), zentralem Nervensystem (18%), Skelett (10-15%) und Leber (13%)
(Bichakjian et al., 2007). Von knapp 900 ausgewerteten Fällen in der Literatur
entwickelten insgesamt 30% der Patienten Fernmetastasen, und nach chirurgischer
Exzision des Primärtumors kam es bei 30% der Patienten im Stadium I und II zu
Lokalrezidiven (Medina-Franco et al., 2001). Seltene Fälle von inguinalen
Lymphknotenmetastasen ohne auffindbaren kutanen Primärtumor sind bekannt (Kim et
al., 2009). Da die Klinik des MCCs nicht eindeutig ist, muss die Diagnose immer
immunhistologisch bestätigt werden.
Abb. 4: Detailaufnahme eines Merkelzellkarzinoms. Deutlich zu sehen ist die
halbkugelige Form und die glatte, glänzende Oberfläche.
13
1.4.2 Histologie des Merkelzellkarzinoms
Die klinischen Merkmale lassen oft bereits die Malignität der Läsion vermuten, die
genaue Diagnose wird jedoch in den meisten Fällen erst anhand einer Exzisionsbiopsie
und des nachfolgenden feingeweblichen Befundes gestellt. Histologisch breitet sich das
MCC meistens in der retikulären Dermis und Subkutis aus, die papilläre Dermis,
Epidermis und Adnexen sind selten betroffen. In Einzelfällen wächst das MCC bis in
das subkutane Fettgewebe ein. In der Routinefärbung mit Hämatoxylin-Eosin (HE)
erscheinen die Zellen typischerweise klein, blau, rund und monomorph, mit schmalem
Zytoplasmasaum und einer sogenannten „salt and pepper“-Anordnung des Chromatins
(Calder et al., 2007). Man sieht verwaschen-basophile Tumorstränge mit vielen Mitosen
in trabekulärer bis solid-kleinzelliger Anordnung; letzteres gilt als prognostisch
ungünstig. (Fritsch, 2008).
Abb. 5: HE-Färbung eines Merkelzellkarzinoms in 100facher Vergrößerung. Man sieht
die monomorphen, kleinen, runden Zellen im gelappten Tumorgewebe. E=Epidermis,
D=Dermis, MCC=Merkelzellkarzinom-Gewebe.
14
Es werden im Allgemeinen drei histologische Typen unterschieden, wobei der
intermediäre Typ am häufigsten (ca. 80%) vorkommt. Die Tumorzellen sind hier
mittelgroß, zeigen große, gelappte Zellkerne und einen schmalen, schwach gefärbten
Zytoplasmasaum. Die Mitoserate ist meist hoch, Nekrosen sind selten. Beim seltenen,
klassischen, ursprünglich trabekulären Typ (ca. 10%) sind die großen, monomorphen
Zellen trabekulär in der Dermis angeordnet. Der kleinzellige Typ mit kleinen Zellen,
stark hyperchromatischen Zellkernen und gelegentlich vorkommenden Nekrosen macht
ebenfalls ca. 10% aus. Misch- und Übergangsformen zwischen den drei Typen sind
häufig. Wegen der großen Ähnlichkeit zu anderen malignen kleinzelligen Tumoren der
Haut bzw. Metastasen innerer Malignome erfolgt zur Differentialdiagnose die
immunhistochemische Aufarbeitung der Präparate.
1.4.3 Differentialdiagnose des Merkelzellkarzinoms
Klinisch erscheint das MCC recht unspezifisch und ist leicht zu verwechseln mit
zahlreichen anderen benignen und malignen Hautläsionen wie Basalzellkarzinomen,
Plattenepithelkarzinomen, Zysten, Granuloma pyogenicum, Melanomen, Lymphomen
oder
Lipomen.
Selbst
nach
der
histologischen
Untersuchung
kann
die
Differentialdiagnose zwischen MCC und anderen kleinzelligen Neoplasien wie
Basalzellkarzinomen, Plattenepithelkarzinomen, Lymphomen, manchen MelanomTypen
und
primär
extrakutanen
kleinen
rundzelligen
Tumoren
wegen
der
morphologischen Ähnlichkeit schwierig sein. Für eine definitive Diagnose ist in diesen
Fällen die immunhistochemische Analyse der Präparate notwendig. Wie auch normale,
nicht maligne veränderte Merkelzellen exprimieren Merkelzell-Karzinome sowohl
epitheliale als auch neuroendokrine Antigene. Eine Identifizierung von MCC ist durch
den immunhistochemischen Nachweis der Proteine Neurofilament, Zytokeratin (CK) -8,
-18, -19 und -20, Synaptophysin, Chromogranin, „epithelial membrane antigen“
(EMA/MUC1) und neuronenspezifische Enolase (NSE) möglich (Fritsch, 2008; Calder
et al., 2007). Die derzeit benutzten Marker in der dermatohistopathologischen Praxis
sind Zytokeratin 20 (CK20) und Neurofilament. Neurofilamente und Zytokeratine
gehören, wie auch (die in 1.5.6 beschriebenen Marker) Desmin, Vimentin und saures
Gliafaser-Protein, zu den Intermediärfilamenten. Intermediärfilamente werden in fast
allen epithelialen Zellen exprimiert und bilden gemeinsam mit vielen anderen Proteinen
15
das Zytoskelett. Dieses komplexe Zellgerüst spannt sich zwischen Nukleusoberfläche
und Zellmembran aus und hat Auswirkungen auf Kommunikationsmechanismen,
Bewegung, Differenzierung, Adhäsion und Stabilität der Zelle. Intermediärfilamente
besitzen eine Länge von 10 nm und liegen somit in der Größenordnung zwischen den
ebenso an der Bildung des Zytoskeletts beteiligten Aktinfilamenten und den
Mikrotubuli.
Synaptophysin ist ein membranständiges Glykoprotein, das in der Synapse von
Neuronen vorkommt und an der Übertragung am synaptischen Spalt beteiligt, aber
scheinbar nicht essentiell ist (McMahon et al., 1996). Synaptophysin wird als Marker
für neuroendokrine Zellen verwendet und kann zur Quantifizierung von Synapsen
eingesetzt werden (Calhoun et al., 1996).
Chromogranin ist ein typischer und spezifischer neuroendokriner Marker, der jedoch
stark variiert und deshalb in der pathologischen Praxis selten verwendet wird (Weiler et
al., 1988).
Das „epithelial membrane antigen“ (EMA/MUC1) ist ein stark glycosyliertes
Transmembranprotein, dass in sekretorischem Epithel, den meisten Adenokarzinomen,
Plattenepithelkarzinomen und anderen Geweben nachweisbar ist.
Die neuronenspezifische Enolase (NSE) ist ein Enzym des Glucosestoffwechsels in
Nervenzellen und neuroendokrinen Zellen, besonders den APUD-Zellen. Es wird, wie
S100, im Serum als Marker für neuronale Zellschädigung beispielsweise im Rahmen
von Schädel-Hirn-Traumata eingesetzt (Berger et al., 2006). Als Tumormarker wird
NSE beim Neuroblastom und kleinzelligem Bronchialkarzinom eingesetzt und findet
auch Verwendung bei der Färbung von Merkelzellen und MCC (Drijkoningen et al.,
1986).
Ein weiterer relevanter Marker ist Tenascin-C (Tn-C), dessen Expression in vielen
Tumoren mit der Prognose korreliert, z. B. bei Tumoren der Brust, des Magens und des
Gehirns. Tn-C ist ein großes Glykoprotein der extrazellulären Matrix und wird während
vieler benigner und maligner Prozesse exprimiert. Koljonen et al zeigten im Jahre 2005,
dass die Tn-C-Expression in MCCs mit der Tumorgröße, dem malignen Charakter und
der Proliferation steigt. Die Expression war am höchsten in Gebieten mit invasivem
Wachstum und ähnelt so dem Verhalten bei anderen Tumoren (Koljonen et al., 2005).
CD56 („neural cell adhesion molecule“ = NCAM) ist ein neuroendokriner Marker und
kann zur Markierung kleinzelliger Bronchialkarzinome, MCCs und natürlicher
16
Killerzellen im Lymphom verwendet werden. Die Spezifität dieses Markers wird
allerdings kontrovers diskutiert (Kurokawa et al., 2003; McNiff et al., 2005).
1.5
Immunhistochemische Marker des Merkelzellkarzinoms
In der Tumorgenese ist die aus einer Fehlregulation des Zellzyklus resultierende
anormale Zellproliferation grundlegend. Die für die Regulation der korrekten DNAReplikation und Zellteilung verantwortlichen Mechanismen sind somit höchst wichtig
im neoplastischen Prozess. Am sehr komplexen Vorgang von Proliferation und
Regulation des Zellzyklus sind viele Gene und Proteine beteiligt, unter anderem auch
Ki-67, p21, p53 und die „minichromosome maintenance“ (MCM) Kernproteine (Quinn
and Wright, 1990; Tachibana et al., 2005). CK20 ist ein meistens in MCC exprimiertes
Protein und dient in der dermatopathologischen Routine zur Identifizierung des Tumors.
Im Folgenden werden die in dieser Studie untersuchten Markerproteine näher
beschrieben.
1.5.1 Minichromosome Maintenance Proteine (MCM4, MCM6, MCM7)
Erstmalig in den Hefezellen Saccharomyces cerevisiae beschrieben, wurden MCMProteine als Tumormarker in der Humanmedizin seit dem Jahre 1998 verwendet
(Todorov et al., 1998). Wie in zahlreichen Arbeiten gezeigt werden konnte, sind MCMProteine eng mit dem hochgradig koordinierten Prozess der Zellproliferation verknüpft
(Ha et al., 2004; Freeman et al., 1999; Padmanabhan et al., 2004; Schrader et al., 2005).
Aufgrund ihrer Schlüsselrolle in der Zellproliferation könnten MCMs eventuell in der
Diagnostik von Hauttumoren von großem Nutzen sein, jedoch werden sie bisher kaum
als Marker genutzt (Gambichler et al., 2008; Boyd et al., 2008; Winnepenninckx et al.,
2006). Die hoch konservierte MCM Protein-Familie besteht aus den sechs großen,
durch alternatives Spleißen entstehenden Isoformen MCM2-7, die ihrerseits wieder in
Isoformen vorliegen. Alle MCMs haben sehr ähnliche biochemische Funktionen und
sind essenziell für die Kontinuität der Chromosomen-Replikation nach der Aktivierung
der Origins (Replikationsursprünge). Die 6 MCM-Proteine bilden einen Teil des
hexamerischen Prä-Replikationskomplexes, welcher nach erfolgter Replikation am
17
Ende der Mitose, also beim Eintritt der Zelle in einen neuen Replikationszyklus, an
Origins bindet und damit die Replikation zulässt (Prasanth et al., 2004). Nachdem dies
durch eine Reihe anderer Proteine vorbereitet worden ist, binden MCM-Proteine in der
G1-Phase in einer ringförmigen Formation an das Chromatin. Im Verlauf der S-Phase
leiten sie dann sehr präzise die Öffnung der Replikationsgabel ein, was zur
Verdoppelung der DNA führt (Prasanth et al., 2004; Alexandrow et al., 2002).
Komponenten der Prä-Replikationskomplexe werden daraufhin inaktiviert und
degradiert. Somit wirken MCM-Proteine als DNA-Replikationsregulatoren, welche die
Replikation auf nur einmal pro Zellzyklus limitieren (Prasanth et al., 2004). Die
Regulation der MCM-Proteine geschieht durch E2F Transkriptionsfaktoren, welche die
MCM-Expression induzieren, und Proteinkinasen („cyclin dependent kinases“ = CDK),
welche die MCM-Proteine phosphorylieren, um den postreplikativen Zustand der Zelle
zu erhalten (Arata et al., 2000). In menschlichen Zellen reguliert das Protein Geminin
die Bindung der MCM-Proteine an die DNA (Gonzalez et al., 2004). Eine ATPBindungsstelle scheint für die Funktion der sechs MCM-Proteine essentiell zu sein,
denn auf jedem der MCM-Gene ist eine für sie kodierende Region mit 240
Aminosäuren vorhanden (Nishitani and Lygerou, 2002). MCM2/MCM4-Komplexe
fungieren in vitro als Substrate für Cdc2/Cyclin B („maturation promoting factor“)
(Hendrickson et al., 1996). MCM2 ist außerdem am Mechanismus der Transkription
beteiligt. MCM5 wird für die RNA-Polymerase II-vermittelte Transkription und
Elongation benötigt (Snyder et al., 2009). Während der Apoptose bewirkt die Caspaseabhängige Spaltung von MCM3 (91 kDa) die Inaktivierung des MCM-Komplexes,
welcher mindestens die MCM-Proteine 2-6 umfasst (Schwab et al., 1998). Ein aus
MCM4, MCM6 und MCM7 bestehender Komplex ist an der Aktivität der DNAHelikase, also dem Entwinden der DNA, beteiligt (Lee and Hurwitz, 2001). Die
Phosphorylierung durch die CDC2-Kinase mindert die Helikase-Aktivität und
Chromatinaffinität der MCM-Proteine (Hendrickson et al., 1996). Die für die
verschiedenen MCM-Proteine kodierenden Gene liegen auf unterschiedlichen
Chromosomen. Zum Beispiel liegt das kodierende Gen für das 97 kDa große MCM4
beim Menschen auf Chromosom 8q11.2, dagegen befindet sich das MCM6-Gen auf
dem Chromosom 2q21. Das stark exprimierte MCM6-Gen enthält 18 Introns und 2
alternative letzte Exons. Durch alternatives Spleißen entstehen drei MCM6-Isoformen
(93 kDa). Zwei MCM6-Introns beinhalten jeweils eine Laktase-regulierende Region,
deren Mutationen mit einer Form der Laktoseintoleranz des Erwachsenenalters
18
assoziiert sind (Enattah et al., 2002). Das für das 81 kDa schwere MCM7 kodierende
Gen hat die Lokalisation 7q21.3-q22.1 im menschlichen Genom.
1.5.2 p21
p21, auch bekannt als „cyclin-dependent kinase (CDK)-interacting protein 1“, ist ein 21
kDa schweres Protein, das zur Cip/Kip-Familie der Inhibitoren der Cyclin-Abhängigen
Kinase (CDK) gehört. Cyclin-/CDK-Komplexe erleichtern über unterschiedliche Stufen
hinweg den Übergang des Zellzyklus von der G1-auf die S-Phase, während p21 in der
Lage ist, den Zellzyklus durch eine Interaktion mit Cyclin-/CDK-Komplexen zu
regulieren und anzuhalten. Zusätzlich kann p21 durch Bindung des nukleären Antigens
proliferierender Zellen („proliferating cell nuclear antigen“, PCNA) die DNAReplikation hemmen. Auch an einer Reihe weiterer spezifischer Protein-ProteinInteraktionen ist p21 beteiligt, von denen einige mit der Steuerung des Zellzyklus in
Verbindung stehen. Die Expression von p21 wird durch den p53-Wildtyp induziert,
kann jedoch auch unabhängig von p53 auftreten. Eine erhöhte Expression von p21 steht
nicht notwendigerweise mit einem Wachstumsstopp in Verbindung, da dieses Protein
eine doppelte Funktion besitzt: es ist Inhibitor der Cyclin-/CDK-Aktivität und
gleichzeitig positiver Modulator der Bildung des Cyclin-/CDK-Komplexes und der
nukleären Lokalisation. Mutationen von p21 kommen, anders als die von p53, auch in
Tumoren extrem selten vor (Shiohara et al., 1997). Versuche an p21-knockout-Mäusen
zeigten aber, dass die Tiere zwar zunächst normal erschienen, doch im Alter von
durchschnittlich 16 Monaten eine Vielzahl verschiedener Neoplasien entwickelten
(Martín-Caballero et al., 2001).
1.5.3 p53
p53 erhielt seinen Namen aufgrund der apparenten Molekularmasse von 53 kDa in der
Elektrophorese. Das in der Literatur auch als „Wächter des Genoms“ bezeichnete
Tumorsuppressor-Protein p53 (Lane, 1992) reguliert als Transkriptionsfaktor nach
DNA-Schädigung die Expression von Genen, die an der Kontrolle des Zellzyklus, an
der Apoptoseinduktion oder an der DNA-Reparatur beteiligt sind. Im für p53
19
kodierenden
TP53-Tumorsuppressor-Gen
(Chromosom
17p13)
treten
jedoch
regelmäßig Punktmutationen auf, was zur posttranslationalen Stabilisierung und
Akkumulation von mutiertem p53-Protein führt. Die Akkumulation von p53 setzt DNAReparatur-Mechanismen in Gang und stoppt gleichzeitig den Zellzyklus, indem die
Expression des Proteins p21 induziert wird. p21 hemmt Cyclin/CDK-Komplexe, welche
normalerweise den Transkriptionsfaktor E2F freisetzen, der zur Fortführung des
Zellzyklus nötig ist. Die Zelle bekommt also durch p53 Zeit zur Reparatur ihrer DNA,
bevor sie sich teilt. Ist die DNA wieder in Ordnung, so sinkt der p53-Spiegel, p21 wird
nicht mehr transkribiert und nach einer Weile wird der Zellzyklus fortgesetzt. Kommt es
zu einer zu starken Akkumulation von p53 und kommen weitere Faktoren hinzu, so
werden von p53 Gene der Bcl2-Familie (insbesondere der Apoptose-Regulator BAX)
aktiviert und führen durch Aktivierung der Caspase-Signalkaskade zur Apoptose. Die
p53-Mutation ist nur eine Komponente im multifaktoriellen Mechanismus der
Tumorgenese, allerdings entwickeln Menschen mit einer heterozygoten Mutation des
p53-Gens meist frühzeitig und in mehreren verschiedenen Geweben kanzerogene
Entartungen (Li-Fraumeni-Syndrom). Da das p53-Protein von Natur aus instabil ist,
liegt die Konzentration des nativen Proteins in der gesunden Zelle meist unterhalb der
Nachweisgrenze immunhistochemischer Methoden. In der Hälfte aller menschlichen
Tumoren liegt p53 in veränderter Form vor (Pietsch et al., 2008). Im Kolonkarzinom ist
in der Entwicklung vom Adenom zum Karzinom eine Adenom-Karzinom-Sequenz
belegt, in der die Mutation von p53 einer von vier Faktoren ist (Abb. 7).
Mutation/Verlust des
Mutation
Mutation/Verlust
Mutation/Verlust
APC-Tumor-
des K-ras-
des DCC-
des p53-
suppressorgens
Onkogens
Tumorsuppressorgens
Tumorsuppressorgens
Normalepithel
Adenom I,
Adenom II,
Adenom III,
geringgradige
mäßiggradige
hochgradige
Dysplasie
Dysplasie
Dysplasie
Karzinom
Abb. 6: Adenom-Karzinom-Sequenz. Die p53-Mutation ist einer von vier notwendigen
Schritten auf dem Weg zur malignen Entartung der Darmzelle.
20
Des Weiteren ist p53 an der Regulation von ca. 100 Proteinen beteiligt. Auch der
Pigmentierungsprozess geschieht p53-vermittelt (Benjamin et al., 2008). Erst kürzlich
wurde eine in fast der Hälfte der untersuchten MCC-Fälle vorliegende epigenetische
Suppression des Tumorsuppressors p14ARF beschrieben. Da p14ARF normalerweise den
Abbau von p53 verhindert, hat dies eine verminderte Funktion von p53 zur Folge
(Houben et al., 2009).
1.5.4 CK20
Zytokeratin 20 (CK20) gehört zu den an der Bildung des Zytoskeletts beteiligten
intermediären Filamentproteinen, die in unterschiedlicher Zusammensetzung in fast
allen epithelialen Zellen vorkommen. Jeweils vier Zytokeratingruppen lagern sich zu
einem Tetramer zusammen; diese Tetramere bilden durch Kopf-zu-Schwanz-Bindung
Protofilamente, die wiederum in 4er-Gruppen zu einem Zytokeratin-Filament werden.
Die stark Wasser-unlöslichen Zytokeratine (CKs) bestehen aus einer hoch komplexen
Multigenfamilie von Polypeptiden mit Molekülmassen von 40 bis 68 kDa. Man teilt die
20 bisher gefundenen CK-Polypeptide, die sich deutlich voneinander unterscheiden, in
zwei Unterfamilien ein. Die leichteren CKs vom Typ I (CK 9-20) sind azidisch,
während die schwereren CKs (CK1-8) vom Typ II neutral oder basisch sind. CK20, ein
46 kDa Protein, ist weniger azidisch als die anderen Zytokeratine vom Typ I. In
unterschiedlicher Zusammensetzung je nach epithelialem Zelltyp liegen jeweils ein Typ
I und ein Typ II CK als Heterodimer vor, sodass mit einem Antikörpernachweis gegen
die Subtypen CK1–CK20 ein Tumor differentialdiagnostisch beurteilt oder die Herkunft
metastatischer Zellen eingegrenzt werden kann. CK20 wird hauptsächlich im
Gastrointestinaltrakt, in Urothel und in Merkelzellen exprimiert. So wurde eine CK20Positivität (≥ 5% CK20-positive Tumorzellen) bei der großen Mehrheit von
Adenokarzinomen des Kolons und bei MCCs, häufig auch bei Adenokarzinomen des
Magens, des Gallensystems und des Pankreas, muzinösen Ovarialtumoren und
Übergangszelltumoren beschrieben (Moll et al., 1992). Die Analyse von knapp 200
MCC-Fällen zeigte eine CK20-Positivität bei 87% der Tumore (Bobos et al., 2006). In
CK20-gefärbten Gewebepräparaten zeigt sich typischer Weise eine punktförmige
paranukleäre Positivität („dot-like“).
21
1.5.5
Ki-67
Das Ki-67-Antigen ist ein Kernprotein, welches mit 395 kDa eine enorme Größe
aufweist. Das für die Proliferation der Zelle essentielle Protein ist in seiner Lokalisation
abhängig vom Zellzyklus. In der Interphase (=G1-, S-, G2-Phase) befindet es sich
ausschließlich innerhalb des Nucleolus, während sich im Verlauf der Mitose der
Hauptanteil des Proteins zur Chromosomen-Oberfläche bewegt. Ki-67 wird in seiner
Expression durch Phosphorylierung und Dephosphorylierung exakt reguliert und
schnell degradiert, sobald die Zelle den nicht-proliferativen Status erreicht. Wenngleich
man viel über Struktur, Regulation und Lokalisation von Ki-67 weiß, konnte dessen
genaue Funktion noch nicht beschrieben werden (Brown and Gatter, 2002). Das Ki-67Antigen wird während aller Phasen des Zellzyklus (G1, S, G2 und M-Phase) exprimiert,
in ruhenden Zellen (G0-Phase) ist es jedoch nicht vorhanden. Auch während DNAReparaturprozessen scheint keine Ki-67-Expression statt zu finden. Somit ist es ein
Proliferationsmarker und zeigt die sogenannte Wachstumsfraktion eines Gewebes. Es
besteht eine Korrelation der Ki-67-Expression mit dem klinischen Verlauf von
Krebserkrankungen, welche am besten für das Mammakarzinom belegt ist (Brown and
Gatter, 2002).
1.5.6 Differentialdiagnostische Marker des Merkelzellkarzinoms
Im MCC negativ und zur Abgrenzung des Karzinoms zu anderen Tumoren geeignet
sind der thyroidale Transkriptionsfaktor 1 (TTF-1), HMB 45, S100, Vimentin, saures
Gliafaser-Protein und Desmin. Im Folgenden werden diese zur Differentialdiagnose
wichtigen Marker jeweils näher beschrieben.
TTF-1 ist essenziell für die Entwicklung und Differenzierung von Schilddrüse, Lunge
und ZNS. In der Lunge kontrolliert TTF-1 die Expression von Surfactantprotein, das für
die pulmonale Stabilität und Keimabwehr wichtig ist. TTF-1 wird wegen seiner
Positivität im kleinzelligen Lungenkarzinomen zur Differenzierung zwischen deren
Hautmetastasen und MCC eingesetzt.
HMB 45 („Human Melanoma Black“) ist ein Antigen, das in melanozytären Tumoren
wie dem Malignen Melanom vorkommt und deren Abgrenzung vom MCC dient.
22
Die 19 verschiedenen Proteine der Multigen-Familie S100 sind multifunktionale
Calcium-bindende Proteine mit niedriger Molekülmasse (9-13 kDa) und kommen in
vielen Zellen vor. Verschiedene S100-Formen findet man in Gliazellen, Adipozyten,
Melanozyten und Chondrozyten, in Speicheldrüse und Niere, in Kardiomyozyten,
Nervenzellen, Muskel- und Bindegewebe. S-100-Antikörper können, zum Teil in
Unterformen differenziert, im Blut, Liquor oder Gewebe diagnostisch eingesetzt
werden. So kann das S100-negative MCC von S100-positiven Tumoren wie
Melanomen, chondroidalen Tumoren, Gliomen und Nervenscheidentumoren abgegrenzt
werden. Des Weiteren wird S100 als Marker neuronaler Schädigungen nach SchädelHirn-Traumata (Berger et al., 2006) und S100A9 als Screeningparameter für den
Prostatakrebs sowie S100B zur Verlaufskontrolle des Melanoms genutzt (Garbe et al.,
2003).
Humanes Vimentin gehört zu den Intermediärfilamenten (s.o.) und kommt mit einer
Molekülmasse von 54 kDa im Zytoplasma und teilweise auch im Nucleus aller Zellen
mesenchymaler Herkunft vor, beispielsweise in Fibroblasten, Endothelzellen und
glatten
Muskelzellen.
Die
genaue
Funktion
von
Vimentin
ist
unbekannt.
Immunhistochemisch gelingt mit Hilfe von Vimentin die Unterscheidung zwischen
MCCs und Weichgewebstumoren.
Das Intermediärfilament Desmin kommt im Zytoplasma von Skelett-, Herz- und glatter
Muskulatur vor und fasst in der quergestreiften Muskulatur die einzelnen Myofibrillen
zu Fibrillenbündeln zusammen. Rhabdomyosarkome und Leiomyosarkome sind
Desmin-positive Tumore und können somit immunhistochemisch von anderen
Weichteiltumoren und vom MCC abgegrenzt werden.
Das saure Gliafaser-Protein („Glial fibrillary acidic protein“, GFAP) kommt als
Intermediärfilament im Zytoplasma von Gliazellen des Zentralnervensystems sowie in
Schwannzellen des peripheren Nervensystems vor. Vermutlich ist das etwa 50 kDa
schwere Protein wichtig für Zellform und Beweglichkeit der Astrozyten. GFAP ist
immunhistochemisch positiv im Astrozytom, Glioblastom, Ependymom und anderen
glialen Tumoren und erlaubt deren Abgrenzung vom MCC.
23
1.6
Ausbreitungsdiagnostik (Staging) des Merkelzellkarzinoms
Um die Ausbreitung der Erkrankung zu erfassen, sollte nach der Erstdiagnose des
Primärtumors eine radiologische Diagnostik gemäß den aktuellen Leitlinien erfolgen
(AWMF, 2007). Dazu gehören eine Abdomen-Sonographie und eine Röntgen-ThoraxUntersuchung sowie die Sonographie der drainierenden Lymphknotenstation, d.h. der
ersten Gruppe von Lymphknoten auf dem Lymphabflussweg des Tumors. Bei ungefähr
einem Drittel der Patienten liegt zum Zeitpunkt der Erstdiagnose schon eine
makroskopische Lymphknotenmetastasierung vor. Die Zahl der Mikrometastasierungen
scheint jedoch weit höher zu liegen, da im weiteren Verlauf der Erkrankung ein
weiteres Drittel der Patienten eine lymphogene Metastasierung entwickelt (Mehrany et
al., 2002). Deshalb wird in der Regel eine Wächterlymphknotenbiopsie durchgeführt
(Wächterlymphknoten oder Sentinel = erster Lymphknoten im Lymphabflussgebiet des
Tumors). Systematische Auswertungen bezüglich dieses diagnostischen Eingriffes beim
MCC liegen bislang nicht vor. Erfahrungen mit dieser Methode beim MM, Fallberichte
und Studien mit kleinen Fallzahlen deuten jedoch darauf hin, dass die Präsenz von
Mikrometastasen
im
Wächterlymphknoten
hinsichtlich
Lokalrezidiven
und
Metastasierung prognostisch ungünstig ist (Mehrany et al., 2002). Anders als beim MM
gibt es beim MCC keine klinischen Hinweise auf eine schlechte Prognose, die die für
eine Sentinelbiopsie in Frage kommende Patientengruppe eingrenzen kann, und auch
der therapeutische Nutzen des Eingriffs ist umstritten. Bei klinischem Verdacht auf
Fernmetastasierung sind zusätzlich die entsprechenden bildgebenden Verfahren der
Organe durchzuführen, wie beispielsweise eine Magnetresonanztomographie des
Gehirns, eine Computertomographie des Thorax bzw. des Abdomens oder eine
Positronenemissionstomographie
mit
dem
radioaktiven
Isotop
18
FDG
(Fluordesoxyglucose).
1.7
Stadieneinteilung und Prognose des Merkelzellkarzinoms
Obwohl ein allgemein gültiger Konsensus zur Stadieneinteilung des MerkelzellKarzinoms bisher fehlt, wird meist die Einteilung nach Yiengpruksawan et al.
verwendet (Yiengpruksawan et al., 1991).
24
Tab. 1: Stadieneinteilung von Merkelzellkarzinomen nach Yiengpruksawan
a) größer als 2 cm
Stadium I
Primärtumor allein
b) kleiner als 2 cm
Stadium II
lokoregionäre Metastasen
Stadium III
Fernmetastasen
Die durchschnittliche Fünfjahresüberlebensrate von Patienten mit MCC beträgt 81%
bzw. 67% für Primärtumore (Stadium Ia/b), 52% bei zusätzlich vorliegenden
Lymphknotenmetastasen und/oder Lokalrezidiven (Stadium II) (Bichakjian et al.,
2007). Im Stadium III ist die Prognose mit einer mittleren Überlebenszeit von 8
Monaten ausgesprochen schlecht (Medina-Francoet al., 2001). Die meisten Rezidive
treten während der ersten 2 Jahre auf (Bichakjian et al., 2007). Laut retrospektiver
Studien beträgt die mittlere lokalrezidivfreie Zeit 7,4 Monate (von 4-10 Monaten)
(Medina-Franco et al., 2001). Retrospektive Studien zeigten folgende ungünstige
prognostische Faktoren auf: fortgeschrittenes Tumorstadium, männliches Geschlecht,
Immunsuppression (Medina-Franco et al., 2001) und Lokalisation des Primärtumors in
der Kopf-Hals-Region oder am Rumpf (Bichakjian et al., 2007).
1.8
Therapie des Merkelzellkarzinoms
1.8.1 Operative Therapie des Merkelzellkarzinoms
Bei Primärtumoren ohne Hinweise auf das Vorliegen von Organmetastasen ist die
vollständige chirurgische Exzision als Basistherapie anzusehen und in jedem Fall
unerlässlich. Wegen der hohen Rate von Lokalrezidiven, die in der Regel auf
subklinische Satellitenmetastasen zurückzuführen sind, sollte ein Sicherheitsabstand
von 3 cm eingehalten werden. Dies wird empfohlen, um eine R0-Resektion, d.h. die
Entfernung des Tumors ohne mikroskopische Residuen, zu garantieren und zusätzlich
eventuell verstreute einzelne entartete Zellen zu entfernen. In besonderer Lokalisation,
wo in Abwägung der Gesamtsituation nur ein geringerer Sicherheitsabstand möglich ist,
25
sollte
eine
lückenlose
histologische
Aufarbeitung
der
Exzidatschnittränder
einschließlich einer Immunhistologie zur Darstellung von Zytokeratin 20 angestrebt und
gegebenenfalls eine Strahlentherapie durchgeführt werden. Beim Nachweis einer
Mikrometastasierung
im
Wächterlymphknoten
und
bei
makroskopischem
Lymphknotenbefall sollte eine radikale Lymphadenektomie erfolgen. Auch bei
Lokalrezidiven ist die chirurgische Sanierung mit kurativer Intention nach wie vor die
Therapie der Wahl (AWMF, 2007).
1.8.2 Strahlentherapie des Merkelzellkarzinoms
MCCs sind in aller Regel radiosensitiv. Retrospektive Analysen zeigen, dass die lokale
Rezidivrate nach alleiniger R0-Operation des Primärtumors durch eine kombinierte
lokoregionäre adjuvante Strahlenbehandlung deutlich gesenkt wird. Eine Verlängerung
der Gesamtüberlebenszeit ist in der Literatur nicht belegt (Medina-Franco et al., 2001).
Die Radiatio sollte die Haut 3 cm um die Exzisionsnarbe und die regionäre
Lymphknotenstation mit einschließen. Daten aus prospektiven Studien liegen allerdings
nicht vor. Für Primärtumoren, lokoregionäre Rezidive und Lymphknoten-metastasen
wird daher die adjuvante Strahlentherapie der Tumorregion und der regionären
Lymphknotenstationen empfohlen. Als erforderliche Gesamtdosis werden in der
adjuvanten Situation 50 Gray (Gy) mit einer Einzeldosis von 2 Gy fünf Mal
wöchentlich betrachtet. Bei metastasierendem MCC wird die Bestrahlung häufig im
Rahmen multimodaler Therapiekonzepte neben der chirurgischen Exzision und/oder
einer systemischen Chemotherapie eingesetzt.
1.8.3 Chemotherapie des Merkelzellkarzinoms
Zwar ist das MCC ein chemosensitiver Tumor, jedoch bestehen bislang keine StandardChemotherapie-Schemata. Wegen der morphologischen Ähnlichkeiten wurden oft
Schemata gewählt, die bei kleinzelligen Lungenkarzinomen etabliert sind. Zu diesen
gehören u.a. Anthrazykline, Antimetabolite, Bleomycin, Cyclophosphamid, Etoposid,
Platinderivate allein oder in Kombination. Bei Einsatz dieser zum Teil hochtoxischen
Schemata werden zwar relativ hohe Remissionsraten von bis zu 70% erzielt, wegen der
26
im Allgemeinen kurzen Remissionsdauer führt dies aber zu keiner wesentlichen
Verlängerung des Überlebens (Bichakjian et al., 2007). Eine Korrelation zwischen
Therapieintensität und Ansprechen der Therapie findet sich nicht und es wurde eine
therapiegebundene Mortalität von 7,7% beobachtet. Prospektive Studien zur
Chemotherapie des MCC fehlen bisher. Deshalb ist eine systemische Chemotherapie als
Palliativmaßnahme bei Vorliegen von Fernmetastasen zwar indiziert, sollte aber wegen
der hohen Toxizität der meisten Chemotherapeutika an den individuellen Fall angepasst
werden. Dies gilt insbesondere für alte Patienten aufgrund der eingeschränkten Funktion
von Leber, Niere und Hämatopoese. Als gut verträgliche Monotherapeutika gelten
Etoposid oder Anthrazykline, z. B. liposomal verkapseltes Doxorubicin.
Die Therapie mit neuen Immuntherapeutika (z. B. monoklonalen Antikörpern gegen
Ep-CAM
oder
MUC-1),
Signaltransduktionsinhibitoren
oder
epigenetischen
Modulatoren befindet sich in der Entwicklung, kann aufgrund der geringen Fallzahlen
derzeit jedoch noch nicht beurteilt werden (Kurzen et al., 2003).
1.8.4 Nachsorge des Merkelzellkarzinoms
Bisher liegen keine wissenschaftlich abgesicherten Studien zur Nachsorge des MCCs
vor. An den meisten deutschen dermatologischen Kliniken erfolgt wegen der großen
Gefahr von Lokalrezidiven oder regionären Lymphknotenmetastasen insbesondere
während der ersten zwei Jahre eine engmaschige Kontrolle. Innerhalb des ersten Jahres
nach Entfernung des Primärtumors findet diese in sechswöchigen Abständen statt,
danach wird auf eine Nachsorge in vierteljährlichen und später halbjährlichen
Abständen übergegangen. Im Rahmen dieser Nachsorgeuntersuchung erfolgt neben der
klinischen Untersuchung mit Lymphknotenpalpation eine Lymphknotensonographie mit
Schwerpunkt auf den regionären Lymphknotenstationen. Einmal jährlich werden eine
Oberbauchsonographie und eine Röntgen-Thorax-Untersuchung vorgenommen. Der
Nachsorgezeitraum umfasst insgesamt mindestens 5 Jahre.
27
1.9
Das Maligne Melanom
Für unsere immunhistochemischen Untersuchungen des MCCs wählten wir als
Vergleichsgruppe Gewebeproben des Malignen Melanoms. Das Maligne Melanom
(MM) ist ein von den Melanozyten der Haut, seltener der Schleimhaut, der Aderhaut
und den Leptomeningen ausgehender neuroektodermaler Tumor. Melanozyten sind
Zellen der epidermalen Basalschicht, die das dunkle Hautpigment Melanin bilden. So
erscheint der Tumor in der Regel stark pigmentiert, selten finden sich jedoch auch
amelanotische Melanome. Im Verhältnis zur Tumormasse besteht beim Melanom eine
frühe Tendenz zur Metastasierung und damit eine ungünstige Prognose. Im
Gesundheitssystem nimmt der dritthäufigste Tumor der Haut einen wichtigen
Stellenwert ein, denn er ist an 90% der Todesfälle aufgrund von Hautkrebs
verantwortlich. Die Inzidenz des Melanoms verdoppelt sich weltweit etwa alle 10 Jahre.
1.10
Klassifikation des Malignen Melanoms
Entsprechend der klinischen und histologischen Morphologie wird das MM im
Hautbereich üblicher Weise in fünf Typen eingeteilt: superfiziell spreitendes MM
(SSM), noduläres MM (NMM), akrolentiginöses MM (ALM), Lentigo-maligna-MM
(LMM) und nicht klassifizierbares MM (siehe Punkt 1.12.1 Klinik und Histologie).
Sonderformen wie Schleimhaut- und Aderhautmelanome oder amelanotische Melanome
machen etwa 5% aller MMs aus.
1.11
Ätiologie und Risikofaktoren des Malignen Melanoms
Besonders gefährdet für die Entwicklung eines MMs sind Individuen mit hellem
Hauttyp, hoher Nävus-Zahl oder Melanomvorläufern (sog. dysplastischen Nävi)
(Tucker, 2009). Auch große kongenitale melanozytäre Nävi erhöhen das Risiko (Watt et
al., 2004). Bis zu 10% der Melanome treten in erblich belasteten Familien auf, wofür
polygene Erbfaktoren verantwortlich gemacht werden (Tucker, 2009). Unter den
exogenen Einflussgrößen spielt die UV-Belastung eine zentrale Rolle, und zwar
scheinbar eher die Zahl der durchgemachten schweren Sonnenbrände als die kumulative
28
UV-Dosis (Tucker, 2009). Zahlreiche Beispiele von Spontanremissionen oder
aggressiven Verläufen bei Immunsupprimierten belegen außerdem die Bedeutung
immunologischer Faktoren im Verlauf der Tumorprogression Über die Bedeutung
toxischer, medikamentöser, traumatischer oder endokriner Einflüsse (z.B. Gravidität,
Kontrazeptiva) wird noch kontrovers diskutiert (Rockley et al., 1994; Lens and Bataille,
2008).
1.12
Diagnostik des Malignen Melanoms
1.12.1 Klinik und Histologie des Malignen Melanoms
Die vier klassifizierbaren Wuchstypen sind morphologisch gut unterscheidbar und im
Wesentlichen Ausdruck der unterschiedlichen Aggressivität der ursächlichen Klone.
Alle Melanomtypen haben morphologisch einen „chaotischen Aspekt“ gemein, eine
charakteristische Unregelmäßigkeit und eine Heterogenität in Aufbau und Farbe
(Fritsch,
2008).
Zur
klinischen
Beurteilung
der
Pigmentierung
ist
die
Auflichtmikroskopie gut geeignet. Klinisch-histologisch unterscheidet man die fünf
Haupttypen SSM, NMM, ALM, LMM und nicht klassifizierbares Melanom. Außerdem
bestehen zahlreiche seltene Sonderformen, u. a. das amelanotische Melanom, Melanom
der Uvea oder der Schleimhäute und der Animaltyp.
Das SSM beginnt fleckförmig mit einer intraepidermalen horizontalen Ausbreitung, ist
zunächst flach mit leicht erhabenem Rand, scharf begrenzt, häufig vielfarbig und mit
hellen Regressionszonen. Mit fortschreitender Krankheitsdauer treten sekundäre knotige
Anteile auf und das Wachstum wird invasiv. Histologisch charakteristisch ist ein
pagetoides Muster der intraepidermalen Tumorkomponente im Randbereich.
Das NMM imponiert als primär knotiger, exophytischer, überwiegend schwarzbrauner,
häufig erosiv-blutiger Tumor. Es findet keine initiale horizontale Wachstumsphase statt,
wodurch eine frühe Diagnose selten ist. Histologisch zeigen sich spindelige, epitheloide
und polymorphe Melanmonzellen in der Epidermis und der Dermis, die bis ins
subkutane Fettgewebe hineinreichen.
Das ALM ist vorwiegend palmoplantar, aber auch an den Phalangen, sub- oder
periungual lokalisiert. In der intraepidermalen Frühphase liegen meist unscharf
begrenzte, inkohärente Pigmentierungen vor, bevor die knotigen Anteile das invasive
29
Wachstum signalisieren. Histologisch fallen zahlreiche atypische, die Epidermis
nestförmig durchsetzende, in die Tiefe vordringende Melanozyten auf.
Das Lentigo-maligna-Melanom entsteht oft erst nach vielen Jahren aus einer Lentigo
maligna (in-situ Melanom) und tritt nahezu ausschließlich im Gesichtsbereich älterer
Patienten auf. In der Histologie sieht man nestförmige Aggregate atypischer,
pigmentierter Melanozyten, die die Basalmembran durchbrochen und die Dermis
infiltriert haben.
Abb. 7: Klinisches Bild eines primär nodulären Melanoms. Erkennbar ist die
unregelmäßige Pigmentierung und Begrenzung sowie die zentrale Erosion.
Das Melanom vom Animaltyp, das erstmals bei Pferden beschrieben wurde, ist eine
seltene histologisch abzugrenzende Variante des MM. Es ist tiefschwarz und besteht aus
konfluierenden Proliferationen von Melanozyten, die eine starke Melaninsynthese
aufweisen.
Melanome
mit
horizontaler
Ausbreitungsrichtung
zeigen
eine
geringere
Wachstumstendenz als solche mit vorwiegend vertikaler Ausbreitung. Innerhalb des
Krankheitsverlaufs kann jedoch die horizontale Wachstumsphase in vertikales invasives
30
Wachstum übergehen. Metastasen treten meist innerhalb von zwei Jahren nach
Entfernung des Primärtumors auf, doch wurden auch Latenzzeiten von weit über 20
Jahren beobachtet (Fritsch, 2008). Das Melanom metastasiert in der Regel lymphogen,
nur in 10% ist die Verbreitung primär hämatogen. Hauptsächliche Organe der
Metastasierung sind Haut, Lunge, zentrales Nervensystem und Skelett. (Fritsch, 2008)
Die durch Melanome verursachte starke Immunreaktion zeigt sich durch eine
histologisch sichtbare ausgeprägte entzündliche Reaktion, die häufig beobachtete
partielle Regression, sowie die gelegentlich vorkommende völlige Rückbildung des
Primärtumors bei schon bestehender Metastasierung. (Fritsch, 2008).
1.12.2 Immunhistologie des Malignen Melanoms
Die histopathologische Diagnose primärer Melanome und Melanommetastasen ist für
gewöhnlich ohne große Probleme möglich. Jedoch erfordern die variable histologische
Erscheinung dieses Malignoms und Situationen, in denen undifferenzierte maligne
Tumore vorhanden sind, oft die Anwendung immunhistologischer Färbungen, um
Melanome genau zu diagnostizieren oder auszuschließen. Die zu diesem Zweck
meistgenutzten Antikörper sind HMB-45 und anti-S100 (siehe Kapitel 1.5.6). Weiterhin
kommen die Antikörper T311, A103, anti-MAGE1 und ANTI-MAGE-3 zur
Anwendung.
1.12.3 Differentialdiagnose des Malignen Melanoms
Prinzipiell
kann
Hautveränderungen
sich
ein
hinter
allen
malignes
pigmentierten
Melanom
benignen
verbergen.
Zu
und
den
malignen
häufigsten
Differentialdiagnosen gehören nävoide, melanozytische, vaskuläre und dermale
Veränderungen. Ein AMM kann klinisch einem Spinaliom, mesenchymalen Tumoren
und Hautmetastasen eines Karzinoms gleichen (Herz, 2005).
31
1.12.4 Ausbreitungsdiagnostik des Malignen Melanoms
Nach der histologisch gestellten Melanomdiagnose sollte immer eine eingehende
klinische Untersuchung des gesamten Integuments sowie der ableitenden Lymphwege
durchgeführt werden. Bei Melanomen mit einer Dicke von ≥ 1mm nach Breslow
(Breslow, 1970), bei Vorliegen weiterer ungünstiger Prognoseparameter eventuell auch
bei geringeren Tumordicken, sollte immer eine Lymphknotensonographie sowie eine
Biopsie des Wächterlymphknotens zur Prognoseeinschätzung erfolgen. Bei Lokalisation
des Tumors im Kopf/Halsbereich kann alternativ auch eine selektive „Neck dissection“
und/oder Parotidektomie erwogen werden.
Des Weiteren sollten bei Melanomen mit einer Dicke von ≥ 1mm eine laborchemische
Untersuchung inklusive BSG, Blutbild, LDH, alkalische Phosphatase und dem
Tumormarker
Protein
S100
angefordert
werden.
Zur
Erfassung
eventueller
Fernmetastasen sind eine Röntgen-Thoraxaufnahme in zwei Ebenen, sowie eine
Sonographie des Abdomens einschließlich Becken und Retroperitoneum unverzichtbar.
Im Einzelfall kann ein hochauflösender Ultraschall zur Dickenabschätzung des Tumors,
CT, MRT oder Positronenemissionstomografie-Diagnostik als Alternative oder
zusätzlich zu den obengenannten Untersuchungen von Nutzen sein.
1.13
Prognose und Stadieneinteilung des Malignen Melanoms
Die wichtigsten prognostischen Faktoren beim primären malignen Melanom ohne
Metastasen sind die vertikale Tumordicke nach Breslow (Tab. 2) am histologischen
Präparat, das Vorhandensein einer histologisch erkennbaren Ulzeration und das
Invasionslevel nach Clark (Tab. 3).
Tab. 2: Tumordicke nach Breslow und empfohlener Sicherheitsabstand für die
chirurgische Exzision des Malignen Melanoms
Tumordicke nach Breslow
Sicherheitsabstand
in situ
0,5 cm
≤ 2 mm
1 cm
< 2 mm
2 cm
32
Tab. 3: Invasionslevel des Malignen Melanoms nach Clark
Level I
Tumorzellen ausschließlich in der Epidermis
Level II
Tumorzellen durch Basalmembran bis in das Stratum papillare
Level III
Tumorzellen im oberen Korium (gesamtes Stratum papillare) bis zur
Grenzzone vom Stratum reticulare
Level IV
Tumorzellen im mittleren und unteren Korium
Level V
Tumorzellen im subkutanen Fettgewebe
Die tumorspezifische 10-Jahres-Überlebensrate beträgt ca. 75-80%. Etwa 90% aller
Patienten mit malignem Melanom weisen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose keine
erkennbare Metastasierung auf. Das maligne Melanom kann sowohl primär lymphogen
als auch primär hämatogen metastasieren, wobei etwa 2/3 aller Erstmetastasierungen im
regionären Lymphabflußgebiet auftreten. Als regionäre Metastasierung gelten
Satelliten-Metastasen (bis 2 cm um den Primärtumor) und lokale Rezidive nach
Entfernung des Primärtumors, In-transit-Metastasen (in der Haut bis zur ersten
Lymphknoten-Station) und regionäre Lymphknotenmetastasen. Für die Klassifikation
des malignen Melanoms wird die im Jahre 2001 vom AJCC (American Joint Committee
on Cancer) vorgeschlagene und von der UICC (Union Internationale Contre le Cancer)
akzeptierte TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung zugrundegelegt.
33
1.14
Die
Fragestellung
histologische
Differentialdiagnose
zwischen
verschiedenen
kleinzelligen
Hauttumoren bzw. Hautmetastasen ist immer noch ein schwieriges Feld und gelingt
manchmal nicht eindeutig. Für eine eindeutige Diagnose ist es hilfreich und oft
notwendig, spezifische Marker für die einzelnen Tumorentitäten zu nutzen. Die
Diagnose des MCCs basiert bisher hauptsächlich auf der histologischen Morphologie
und der charakteristischen CK20-Färbung. 10-15% der MCCs sind jedoch CK20negativ und ungefähr weitere 10-20% der Präparate weisen nur eine fokale CK20Positivität auf (Calder et al., 2007; Beer, 2009). Die Evaluierung neuer Tumormarker
zur sicheren Differentialdiagnostik des MCCs steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.
Aufgrund der Seltenheit des Tumors konnte zu diesem Zweck nur ein recht kleines
Kollektiv von acht MCC-Biopsien untersucht werden. Es wurde die Regulation und
Proliferation in MCCs analysiert, wobei die immunhistologischen Marker MCM4,
MCM6 und MCM7 (MCM = minichromosome maintenance proteins), CK20, Ki-67,
p53 und p21 Verwendung fanden. Es liegen bislang keine Daten zu MCM-Proteinen
und ihrer Expression im MCC vor. Da MCM-Proteine jedoch als limitierender Faktor
der DNA-Replikation eine tragende Rolle in der Regulation des Zellzyklus spielen,
könnten sie in der Tumorgenese des MCC von Bedeutung sein. Als Vergleichsgruppe
wählten wir das ebenfalls kleinzellige Maligne Melanom. Klinisch und histologisch
ähnelt dieses in einigen Fällen dem MCC und stellt eine wichtige Differentialdiagnose
mit deutlich höherer Inzidenz als dem MCC dar. Ziel dieser kleinen explorativen Studie
war es, das Expressionsmuster von MCM-Proteinen im MCC zu untersuchen, um
Informationen über die Tauglichkeit dieser Proteine allein oder in Verbindung mit
anderen Proliferationsmarkern bei der immunhistologischen Differentialdiagnostik des
MCCs zu erhalten.
34
II. Material und Methoden
2.1
Gewebeproben
Wir untersuchten Hautproben von acht Patienten mit MCC, welche zwischen 1998 und
2007 im St. Josef-Hospital Bochum behandelt wurden. Die Patientengruppe MCC
bestand aus fünf Männern und drei Frauen im Alter zwischen 59 und 86 Jahren. Alle
Patienten waren immunkompetent und von hellem Hauttyp. Zum Zeitpunkt der
Tumorresektion bestand die Erkrankung bei allen Patienten nicht länger als ein halbes
Jahr. Die Kategorisierung der Patienten erfolgte gemäß des von Yiengpruksawan et al.
(Yiengpruksawan et al., 1991) beschriebenen Staging-Systems in drei Stadien (Tab. 1).
Das Patientenkollektiv MCC ist in Tabelle 4 aufgeführt.
Tab. 4: Patientengruppe Merkelzellkarzinom
Patient
Alter/
Geschlecht
Tumordurchmesser
(cm)
Stadium
Lokalisation
1
2
3
4
5
6
7
8
86/m
85/m
83/f
61/f
81/f
74/m
83/m
59/m
1,5
0,7
2
3
3
2
6
4
II
II
I
I
I
I
II
II
Handgelenk
Wange
Handgelenk
Unterarm
Kapillitium
Oberarm
Schläfe
Wange
Als Vergleichsgruppe wurden neun Hautproben aus läsionaler Haut von Patienten mit
MM (minimale Tumordicke nach Breslow 1,5 mm) in die Studie eingeschlossen, davon
fünf Männer und vier Frauen im Alter zwischen 20 und 85 Jahren (Breslow, 1970). Es
waren jeweils drei Melanome vom nodulären und vom superfiziell spreitenden Typ
vertreten, außerdem zwei superfiziell spreitende Melanome mit sekundär nodulären
Anteilen und ein Animaltyp-Melanom. Tabelle 5 zeigt die Daten der Patientengruppe
MM.
Bei
allen
Patienten
Dermatohistopathologen
klinischer,
wurde
die
Diagnose
durch
zwei
erfahrene
nach den aktuellen Standards gestellt, einschließlich
histopathologischer,
immunhistochemischer
(z.B.
Cytokeration
20,
35
Cytokeratin 7, S100, Melan-A/MART-1), Ultraschall- und computertomographischer
Untersuchungen. Bei allen Patienten wurde ein Staging gemäß Leitlinien durchgeführt,
d.h. Röntgen des Thorax, Sonographie der Bauchorgane und CT.
Diese Studie entsprach der Deklaration von Helsinki, den vom Weltärztebund
verabschiedeten ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen.
Die Studie erfolgte mit Zustimmung der Ethikkomission der Ruhr-Universität Bochum.
Von allen in die Studie eingeschlossenen Patienten wurde ein Einwilligungsformular
unterschrieben.
Tab. 5: Patientengruppe Malignes Melanom
Patient
Alter/
Geschlecht
1
2
3
4
5
6
7
8
9
67/w
68/m
62/m
85/w
81/m
61/m
20/w
30/m
32/w
2.2
Tu-Dicke
nach
Breslow
(mm)
1,75
1,7
2
10
3
3
4
4
2,2
Histologischer
Typ
SSM
SSM/NMM
SSM
NMM
SSM/NMM
SSM
NMM
Animaltyp
NMM
AJCCStadium
IV
IV
Ib/IIIa
IV
IIb
IIa
IIIc
IIb
IIIb
Clark
Level
Lokalisation
IV
IV
IV
IV
IV
IV
IV
IV
IV
Schläfe
Schulter
Oberbauch
Schläfe
Fußrücken
Rücken
Vertex
Kinn
Unterarm
Herstellung von Paraffinschnitten
Um Gewebe färben und mikroskopisch beurteilen zu können, muss man es in dünnen
Schnitten auf Objektträger aufbringen. Zur Herstellung von Schnittpräparaten werden
die Gewebeproben in ein Medium eingebettet, das dem Gewebe die für den
Schnittvorgang notwendige Festigkeit gibt, ohne jedoch die Struktur wesentlich zu
verändern. Dabei soll das Gewebe möglichst gut konserviert werden. Hierzu wurden die
in der pathologischen Praxis bewährten Paraffinpräparate hergestellt. Nach der
routinemäßigen Fixierung der Proben in Formalin wurde das Gewebe in einer
aufsteigenden Alkoholreihe (70%, 96%, 100% Ethanol) entwässert, mit Hilfe von Xylol
von Alkohol befreit und anschließend in einer Gießform in warmes Paraffin eingebettet.
36
Nach der Erkaltung und Aushärtung wurden mittels eines Mikrotoms 4 µm dünne
Paraffinschnitte hergestellt, im warmen Wasserbad auf silanisierte Objektträger
aufgebracht und für 20 min im Brutschrank bei 60°C inkubiert (Heitz et al., 2008).
2.3
Entparaffinierung und Gewebevorbehandlung
Vor dem Färbevorgang ist die vollständige Entfernung des Einbettungsmediums zur
Vermeidung von Hintergrundfärbung und Überdeckung positiv gefärbter Zellen
wichtig. Die Schnitte wurden deshalb in Xylol zweimal 10 Minuten entparaffiniert, für
jeweils 5 Minuten mit 99%, 96%, 70% und 50% Ethanol gewaschen und mit
destilliertem Wasser abgespült.
2.4
Immunhistochemische Färbung der Schnitte
Die Methoden der Immunhistochemie, auch Immunhistologie genannt, haben in den
letzten Jahren in Diagnostik und Forschung eine wesentliche Verbesserung bezüglich
der Genauigkeit und Effizienz der Differentialdiagnose von Tumoren ermöglicht.
Die Immunhistologie macht sich immunologische Reaktionen zur präzisen Lokalisation
von Antigenen zunutze. Dafür werden Antikörper eingesetzt, die gegen eine Sequenz
von 5-10 Aminosäuren (Epitop) des gesuchten Antigens gerichtet sind. Immunhistound -zytochemische Techniken basieren prinzipiell auf zwei Schritten. Im ersten Schritt
werden die Zellen bzw. das Gewebe mit einem Primärantikörper behandelt, der sich
spezifisch an das Epitop eines gesuchten Antigens bindet. Die entstandenen AntigenAntikörper-Bindungen werden dann in einem zweiten Schritt mit einer direkten oder
indirekten Markierung detektiert (Heitz et al., 2008).
Das für die immunhistochemischen Färbungen der von uns untersuchten Präparate
verwendete indirekte Streptavidin-Biotin-Verfahren weist im Vergleich zu analogen
Färbemethoden durch eine Signalverstärkung eine höhere Empfindlichkeit auf. An den
primären Antikörper bindet der mit Biotin markierte sekundäre Antikörper. Jedes
biotinylierte Antikörper-Molekül kann mit mehreren Streptavidin-Molekülen reagieren.
Diese Streptavidin-Moleküle sind jeweils mit alkalischer Phosphatase konjugiert,
37
welche die Reaktion mit dem Farbstoff Chromogen Red vermittelt. Somit wird die
Intensität des Fluoreszenzsignals erhöht.
Für die Färbung der Schnitte wurde das REAL Detection System (Alkaline
Phosphatase/Chromogen RED, rabbit/mouse, DAKO, Hamburg) verwendet, ein System
zur Färbung im indirekten Streptavidin-Biotin-Verfahren. Nachdem die Schnitte für 20
Minuten mit der Demaskierungslösung „Target Retrieval Solution“ gespült worden
waren, wurden sie 20 Minuten lang in einem Wasserbad bei 96°C inkubiert (sogenannte
hitzeinduzierte Epitopdemaskierung). Die Schnitte wurden für 30 Minuten bei 25°C in
einem DAKO Autostainer mit 200 µl Biotin-markiertem Kaninchen-Antikörper
bedeckt. Die an die jeweiligen Marker angepassten optimalen Verdünnungen betrugen
1:100 für MCM4, MCM6 und MCM7 (Cytomed, Berlin), 1:50 für p53 und Ki67, 1:25
für
p21
und
1:10
für
CK20
(DAKO,
Hamburg).
Der
biotingekoppelte
Sekundärantikörper war ein Maus-anti-Kaninchen-Antikörper der Firma DAKO. Nach
dem zweiminütigen Waschen mit Waschpuffer (DAKO) wurden die Präparate mit
Streptavidin-alkalische
Phosphatase
(DAKO)
für
30
Minuten
markiert.
Zur
Visualisierung wurde Chromogen Red (Red permanent, DAKO) verwendet. Dann
wurden die Schnitte mit Hämatoxylin gegengefärbt (nukleäre Blaufärbung) und
schließlich in Mowiol (Polyvinylalkohol, Roche Molecular Biochemicals, Mannheim)
eingebettet.
Tab. 6: Verwendete Marker, deren Herkunft und Verdünnung
Marker
Herkunft
Verdünnung
MCM4
Cytomed, Berlin
1:100
MCM6
Cytomed, Berlin
1:100
MCM7
Cytomed, Berlin
1:100
Ki-67
DAKO, Hamburg
1:50
CK20
DAKO, Hamburg
1:10
P21
DAKO, Hamburg
1:25
P53
DAKO, Hamburg
1:50
38
2.5
Auswertung der histologischen Schnitte
Alle immunhistochemischen Färbungen wurden von derselben Person (A.B.) bezüglich
der Ausprägung der Fluoreszenzmarkierung ausgewertet. Die mikroskopische
Auswertung bei 400facher Vergrößerung wurde als verblindete Analyse in einer
zufälligen Reihenfolge der verschiedenen Tumorgewebspräparate durchgeführt. Hierzu
wurden innerhalb der geschädigten Dermis willkürlich drei Gesichtsfelder der Präparate
ausgewählt und die positiven sowie negativen Zellen gezählt. Bei einer unregelmäßigen
Verteilung der Positivität wurden drei repräsentative Felder ausgewählt. Mit einer
mäanderförmigen Durchmusterung der Zellen wurde das gesamte Gesichtsfeld
ausgewertet. Um alle positiven Zellen zu erfassen, wurde jeweils in zwei Focusebenen
gezählt. Die quantitativen Ergebnisse der drei Zählungen wurden gemittelt und als
Prozentsatz der positiv gefärbten Zellen bzw. Nuclei in Bezug auf die Gesamtheit der
Zellen innerhalb des Gesichtsfeldes angegeben. Für MCM4, MCM6, MCM7, Ki-67,
p53 und p21 wurde nur eine deutliche Färbung des Nucleus als positiv gewertet, in der
CK20-Färbung nur eine deutliche punktförmige perinukleäre Färbung. In der
immunhistochemischen
MCM-Färbung
sieht
man
typischerweise
eine
starke
Kernfärbung mit gelegentlich schwach positivem Zytoplasma (Boyd et al., 2008).
Die Färbungssensitivität wurde durch Auszählung von je drei Ausschnitten aus
gesunder Haut verifiziert.
2.6
Statistik
Die Datenanalyse wurde mit Hilfe des Statistikprogramms MedCalc Software
(Mariakerke, Belgien) durchgeführt. Normal verteilte Werte wurden als Mittelwerte ±
Standardabweichung (SD) ausgedrückt. Für parametrisch gepaarte Werte wurde der
zweiseitige Student´s t-Test verwendet. Ebenso wurde eine Analyse des Pearson´s
Korrelationskoeffizienten (r) durchgeführt. Ein P-Wert < 0,05 wurde als statistisch
signifikant angesehen.
Die Verteilung der Werte wurde mit dem D‘Agostino-Pearson-Test untersucht. Dieser
Test prüft die Normalverteilung der Residuen, indem er zunächst die Schiefe und
Wölbung der Gauss‘schen Kurve berechnet, um die Abweichung der Verteilung von der
Kurve bezüglich Asymmetrie und Form zu quantifizieren. Mit diesem Test wird
39
berechnet, wie stark jeder dieser Werte von dem Wert abweicht, welchen man bei einer
Gauss‘schen Normalverteilung erwarten würde. Aus der Summe dieser Abweichungen
wird ein einzelner P-Wert berechnet. Kleine P-Werte zeigen an, dass die Annahme der
Normalverteilung nicht korrekt ist.
40
III. Ergebnisse
3.1
Patienten
Die MCC-Gruppe der acht Patienten im Alter zwischen 59 und 86 Jahre (Mittel
76,5±10,8 Jahre) wiesen einen mittleren Tumordurchmesser bei Erstdiagnose von 2,8
cm mit einer Standardabweichung von 1,7 cm auf (bei einer Spanne von 0,7 bis 5,1 cm).
Vier Patienten befanden sich im Stadium I, die anderen vier im Stadium II. Die
Ergebnisse wurden verglichen mit der MM-Gruppe aus neun Patienten mit fünf
Männern und vier Frauen im Alter zwischen 20 und 85 Jahren, Mittel 56,2±23,3 Jahre,
die eine mittlere Tumordicke von 3,6 mm nach Breslow mit einer Standardabweichung
von 2,6 mm (Spanne von 1,7 bis 10 mm) aufwiesen (Breslow, 1970). Alle MMs
gehörten dem Clark Level IV an. Bezüglich der AJCC-Klassifikation von 2002 wies ein
Patient das Stadium IIa auf, zwei Patienten das Stadium IIb, jeweils ein Patient die
Stadien IIIa, IIIb, und IIIc und drei Patienten befanden sich im Stadium IV.
Tab. 7: Expressionsunterschiede verschiedener fluoreszenzmarkierter Zellzyklusproteine und CK20 zwischen Merkelzellkarzinom (MCC) und Melanom (MM). Die
Ergebnisse sind angegeben als Mittelwerte± Standardabweichung in Prozent. Zur
Signifikanztestung wurde der Student‘s t-Test verwendet, P-Werte < 0,05 wurden als
signifikant angesehen (*).
Marker
MCC
CK20
P53
P21
Ki-67
MCM4
MCM6
MCM7
15,2±22,7 68,6±26,2 40,1±38,8
28,7±7,9
66,0±26,5 70,9±11,9 76,5±16,4
58,4±28,8 25,8±16,1
11,0±9,2
33,9±22,4 31,7±22,7 34,9±25,5
MM
0±0
P-Wert
0,061
0,46
0,35
0,0012*
0,017*
0,0031*
0,0013*
41
3.2
Zytokeratin 20
Die Markierung mit CK20 zeigten in allen MM-Präparate einen negativen Befund,
während in den Färbungen des MCC eine deutliche Positivität mit 15,2+-22,7% zu
messen war (Abb. 8). Da im Allgemeinen nur P-Werte < 0,05 als signifikant gewertet
werden, war die CK20-Expression zwischen den beiden Tumoren aufgrund des hohen
Fehlers jedoch nicht signifikant verschieden.
Abb. 8: CK20-Färbung im MCC-Präparat in 20-facher (A) und 40-facher Vergrößerung
(B). Man sieht die deutliche charakteristische perinukleäre punktförmige Positivität der
Zellen.
42
3.3
p21 und p53
Die Ergebnisse der Auszählung von p21 und p53 ergaben, dass die Präparate zwar
gegenüber gesunder Haut relativ stark positiv für beide Marker waren, jedoch kein
signifikanter Unterschied zwischen den Werten der zwei Tumorentitäten bestand. In der
p21-Färbung stellte sich eine verstreute Expression der Keratinozyten in der Epidermis
dar, die allerdings mehrheitlich auf die suprabasale Schicht beschränkt blieb (Abb. 9 A,
B). Die Fluoreszenzmarkierung von p53 zeigte 68,6±26,2% positive Zellen bei MCC
und 58,4±28,8% bei MM bei einem P-Wert von 0,46 (Abb. 9 C, D). Ebenso waren in
den Färbungen mit p21 die Werte sowohl bei MCC mit 40,1±38,8% als auch bei MM
mit 25,8±16,1% erhöht, aber dennoch nicht signifikant unterschiedlich (P = 0,35).
MCC
MM
p21
p53
Abb. 9: Immunhistochemische Färbung mit den Markern p21 (A, B) und p53 (C, D) bei
MCC (A, C) und MM (B, D) in 200facher Vergrößerung. Man sieht eine deutliche rote
Kernfärbung im Tumorgewebe und eine verstreute suprabasale Positivität der
Keratinozyten innerhalb der Epidermis. Besonders gut sichtbar ist dies im p21-gefärbten
MM (B).
43
3.4
Ki-67
In der Färbung mit Ki-67-Antikörpern ergab sich ein signifikanter Unterschied
zwischen MCC und MM (Abb. 10). Die Ki-67-Immunreaktivität war mit 28,7±7,9%
mehr als doppelt so hoch in MCC wie in MM mit 11,0±9,2%. Der P-Wert betrug
0,0012. Im Präparat fiel eine sehr deutliche und klar abgegrenzte rote Färbung der
regelmäßig im Tumorgewebe verteilten positiven Nuclei auf. Wie bei den MCMPräparaten bestand eine suprabasale vereinzelte Positivität der gesunden Epidermis.
MCC
MM
Ki-67
Abb. 10: Expressionsunterschiede von Ki-67 zwischen MCC (links) und MM (rechts).
Man sieht die deutliche rote Kernfärbung und ein signifikantes Überwiegen der
Positivität im MCC-Präparat.
44
3.5
Minichromosome Maintenance Proteine: MCM4, MCM6, MCM7
In den MCM-Färbungen war die Kernfärbung der Tumorzellen deutlich unter dem
Mikroskop sichtbar. Auch hier zeigte die periläsionale gesunde Haut eine milde
Positivität, die jedoch im Wesentlichen auf die Nuclei der basalen und peribasalen
Zellen beschränkt war. Die Expression aller untersuchten MCM-Proteine im
Tumorgewebe war im MCC im Vergleich zum MM signifikant erhöht. Die
mikroskopische Zählung ergab für MCM4 66,0±26,5% Positivität der MCCTumorzellen und 33,9±22,4% der MM-Tumorzellen (P = 0,017). Für MCM6 betrug die
Anzahl positiv gezählter Zellen 70,9±11,9% bei MCC und 31,7±22,7% bei MM (P =
0,0031). Die MCM7-Positivität belief sich auf 76,5±16,4% bei MCC und 34,9±25,5%
bei MM (P = 0,0013). Damit waren alle untersuchten MCM-Marker in Zellen des MCC
mehr
als
doppelt
so
stark
positiv
wie
in
MM-Zellen.
Repräsentative
immunhistochemische Bilder von MCM4, MCM6 und MCM7 in läsionaler Haut von
MCC und MM sind in Abb. 11 im Vergleich dargestellt.
Es bestand keine signifikante Korrelation zwischen der Expression der untersuchten
Marker (Spanne der r-Werte: 0,03 – 0,15; P > 0,05).
45
MCC
MM
MCM4
MCM6
MCM7
Abb. 11: Mikroskopische Aufnahmen immunhistochemischer Färbungen in läsionaler
Haut von Patienten mit Merkelzellkarzinom und Malignem Melanom in 200facher
Vergrößerung. Die Epidermis ist im Bild oben zu sehen (bzw. bei (A) und (B) nach
oben ausgerichtet). Färbungen von MCM4, MCM6 und MCM7 an Präparaten von MCC
und MM sind jeweils gegenübergestellt. Die Expression in MCC von MCM4 (A),
MCM6 (C) und MCM7 (E) war signifikant höher als die in MM von MCM4 (B),
MCM6 (D) und MCM7 (F). Es ist die deutliche Rotfärbung der Zellkerne innerhalb des
Tumorgewebes zu sehen. In der Epidermis fällt eine vereinzelte Expression auch
suprabasal auf, was bei MCM6 besonders stark ausgeprägt ist.
46
IV. Diskussion
In der vorliegenden Arbeit wurden repräsentative Marker des Zellzyklus und der
Zellproliferation ausgewählt, um die Mechanismen der Tumorgenese und die
Expression verschiedener Proteine im MCC näher zu untersuchen. Im besonderen
Interesse stand hierbei die Untersuchung der MCM-Proteine sowie deren Vergleich mit
bekannten Markern und der MCM-Expression im MM. Als ein seltener Tumor ist das
MCC noch nicht grundlegend erforscht, gewinnt aber in letzter Zeit zunehmend an
Bedeutung. Besonders aufgrund der stetig steigenden Tumorinzidenz und der kürzlich
von Feng et al. publizierten Studie über die klonale Integration des Merkel cell
polyomavirus (MCV) in die DNA von MCC-Zellen rückt das MCC mehr und mehr in
den Fokus der Wissenschaft (Feng et al., 2008).
4.1
Onkogenese des Merkelzellkarzinoms
Warum die Inzidenz des MCC seit Jahren steigt, ist noch unklar und wahrscheinlich
Folge eines multifaktoriellen Prozesses. Die Ursachen sind unter Anderem das
wachsende
Durchschnittsalter
der
Bevölkerung,
eine
steigende
Anzahl
immunsupprimierter Patienten und die vermehrte Sonnenexposition. Ob es weitere
Faktoren für die steigende Inzidenz gibt und inwieweit das MCV eine Rolle in der
Tumorgenese spielt, bedarf noch weiterer Untersuchungen.
4.1.1 Merkelzellkarzinom und MCV
Die mögliche virale Genese des MCC durch MCV ist ein Schwerpunkt der aktuellen
Forschung am MCC. Im Tiermodell ist die kanzerogene Wirkung einiger Polyomaviren
bereits beschrieben (Houben et al., 2009). Epidemiologische Daten sprechen für eine
infektiöse Genese des MCC. Das MCC betrifft vor allem ältere und immunsupprimierte
Patienten, und bei Immunsupprimierten ist die krankheitsspezifische Letalität auf bis zu
56% erhöht. Auch die Mortalität anderer viral induzierter Tumore ist unter
47
Immunsuppression stark erhöht. Bei nicht viral bedingten Tumorentitäten hingegen tritt
nur ein moderater Anstieg der Mortalität auf (Houben et al., 2009).
Feng et al. wiesen in 80% der MCC-Präparate integrierte MCV-DNA nach. Auch in
gesunder Haut konnte man MCV finden, jedoch mit deutlich seltenerem Auftreten
(10:1) (Feng et al., 2008). Da das MCV in der Bevölkerung stark verbreitet scheint, ist
die weitere Forschung an dem Virus als ein Risikofaktor für die Entstehung des MCC
von Bedeutung. Tolstov et al. untersuchten die Prävalenz und Altersabhängigkeit von
MCV in den USA anhand von IgG-Antikörper (IgG-Ak) gegen MCV im Blut der
Probanden. Säuglinge unter einem Jahr wiesen keine IgG-Ak gegen MCV auf, bei
Kindern zwischen zwei und fünf Jahren fanden sich dagegen bei 45% MCV-IgG. Bei
Erwachsenen lag die Positivität für MCV-IgG bei 70%. IgM-Ak konnten nicht
nachgewiesen werden. Auch bei der Hälfte der Patienten mit MCV-negativem MCC
konnte im Blut IgG-Ak gefunden werden, sodass selbst in diesen Fällen eine
Verbindung mit einer MCV-Infektion möglich erscheint (Tostov et al., 2009). Die
Tatsache jedoch, dass es auch MCV-negative MCCs gibt, lässt zwei oder mehrere
Ätiologien des MCCs vermuten.
Der Zusammenhang zwischen integrierender Virus-DNA und einer nachfolgenden
Tumorgenese ist seit der Entdeckung des Epstein-Barr-Virus in Burkitt-LymphomZellen bekannt, aber erst bei wenigen Tumoren belegt (Epstein et al., 1964). Im Jahre
2008 wurde dem Heidelberger Wissenschaftler Harald zur Hausen für die erstmalige
Beschreibung dieses Mechanismus bei Zervixkarzinom und Papillomaviren (human
papilloma virus = HPV) der Nobelpreis für Medizin verliehen. Genau wie HPV sind
auch die DNA-Viren EBV (Epstein-Barr-Virus, Herpesvirus 4) HHV8 (Herpesvirus 8),
und HBV (Hepatitis B-Virus) durch verschiedene Mechanismen an der Genese
verschiedener Tumore beteiligt (Elgui de Oliveira, 2007). So ist das EBV mit dem
endemischen Burkitt-Lymphom assoziiert, das HHV8 mit dem Kaposi-Sarkom und eine
chronische Hepatitis B-Infektion kann zu Leberkarzinomen führen (Elgui de Oliveira,
2007). Alle diese Viren integrieren zumindest zum Teil in die Wirts-DNA. Eine
erregerbedingte Tumorgenese wird mit verschiedenen Pathomechanismen auch für
andere Keime diskutiert. Meist scheint allerdings eine chronische Entzündung des
Gewebes ein indirekter kanzerogener Faktor zu sein und somit die Tumorgenese keine
direkte Folge der Infektion. Gut belegt ist dies z. B. beim humanpathogenen Bakterium
Helicobacter pylori, das durch die Abgabe von bakteriellen Toxinen eine chronische
48
Gastritis induziert und mit der Entstehung maligner MALT-Lymphome assoziiert ist
(Stolte, 1992).
Shuda et al. zeigten in sechs von acht untersuchten MCV-infizierten MCCs eine
Mutation der integrierten Virus-DNA (Shuda et al., 2008). Das von der Mutation
betroffene sogenannte „large T antigen“ (LTA) ist ein von MCV exprimiertes
multifunktionales Protein, das normalerweise sowohl den Replikationszyklus der Viren
reguliert als auch an Wirtsproteine binden kann. So wird die Wirtszelle nach der
Infektion in die S-Phase des Zellzyklus gezwungen und das Virus kann sich mit Hilfe
des zellulären Replikationsapparates replizieren. Durch die beschriebene Mutation ist
die in Wildtyp-LTA-Proteinen vorhandene Helikase-Funktion nicht mehr vorhanden
und damit keine autonome Virusreplikation möglich. In MCV-Isolaten aus gesundem
Gewebe sind diese Mutationen nicht zu finden. Man nimmt an, dass die Integration des
MCV-Genoms mit intaktem LTA inkompatibel mit der Proliferation der infizierten
Zelle ist. Entweder würde sich das Virus fortwährend replizieren und eine Lyse der
Zelle verursachen, oder es käme zu einer Kollision der Replikationsgabeln und somit zu
einer DNA-Fragmentierung mit einer darauf folgenden Apoptoseinduktion. Durch die
LTA-Mutation wird die Wirtszelle erhalten und das Virus kann sich zusammen mit ihr
replizieren. Das Vorliegen dieser Mutation und die Monoklonalität des Virus weisen
darauf hin, dass dessen Integration ins Genom vor der Tumorgenese und der klonalen
Replikation der Merkelzelle stattgefunden haben muss. Das wiederum macht eine
Beteiligung des Virus an der Tumorgenese wahrscheinlich (Feng et al., 2008). Die
Autoren nehmen an, dass sich der Nachweis der von ihnen gefundenen LTA-Mutation
eventuell zur Differenzierung zwischen kanzerogenen und nicht-kanzerogenen MCVStämmen nutzen lässt.
Zusätzlich kann LTA an p53 binden und dieses inaktivieren, sodass im Falle einer
DNA-Schädigung
ein
Anhalten
des
Zellzyklus,
die
Einleitung
von
DNA-
Reparaturvorgängen und die Apoptose verhindert werden. Damit wird die ungehinderte
Proliferation entarteter Zellen induziert (Houben et al., 2009). Ebenso ist das
Retinoblastoma Tumorsuppressorprotein, das einen Übergang beschädigter Zellen von
der G1- in die S-Phase verhindert, eine Zielstruktur des LTA (Shuda et al., 2008)
Eine Zellzyklus-Induktion findet man somit über verschiedene Mechanismen in allen
MCV-positiven MCCs. Interessanterweise finden sich in unseren Daten die
Zellzyklusmarker MCM4, MCM6 und MCM7 erhöht, was für weitere Untersuchungen
der molekularen Onkogenese des MCCs von Bedeutung sein könnte.
49
4.2
Histogenese der Merkelzelle und des Merkelzellkarzinoms
Über die Histogenese des MCC wird in der Literatur noch kontrovers diskutiert.
Obwohl die meisten Autoren einen Ursprung des MCC aus der Merkelzelle annehmen,
gibt es berechtigte Zweifel an dieser Theorie. Das MCC ist zumeist in der Dermis
lokalisiert, die Merkelzelle dagegen findet man in der Epidermis. Die Lokalisation der
Tumore ist hauptsächlich an Kopf, Hals, und Extremitäten. Die Dichte der Merkelzellen
ist jedoch am höchsten an Hand- und Fußinnenflächen sowie an den Fingerbeeren.
Auch werden einige Antigene wie beispielsweise Neurofilamente zwar in MCC-Zellen,
aber nicht in gesunden Merkelzellen exprimiert (Merot, 1990). Wegen dieser
Unstimmigkeiten sind einige Autoren der Meinung, dass das MCC sich nicht aus
Merkelzellen, sondern aus derselben Vorläuferzelle wie Keratinozyten entwickelt
(Dancey et al., 2006; Merot, 1990). Auch die Merkelzelle selbst wird teilweise in ihrer
Herkunft angezweifelt und ihr Ursprung statt der Neuralleiste einer Vorläuferzelle von
Keratinozyten zugeordnet (Camisa and Weissmann, 1982). Möglicher Weise kann eine
weitere Evaluation der Proteinexpression in MCC-Zellen zum Verständnis der
Histogenese dieses Tumors beitragen. Auch die Homogenität des MCC wird in der
Literatur diskutiert. So gibt es Merkelzellpopulationen, die in vitro Suspensionen bilden
und solche, die zusammenhängend wachsen (Feng et al., 2008). Außerdem gibt es
starke Schwankungen in der Proteinexpression, z. B. in der CK20-Positivität (Calder et
al., 2007). Die Vermutung, dass die Diagnose MCC verschiedene Erkrankungen mit
einer ähnlichen klinischen und biologischen Erscheinungsform subsummiert, kann nur
durch weitere molekulare Untersuchungen näher beleuchtet werden.
4.3
Immunhistochemische Marker des Merkelzellkarzinoms
Die Differentialdiagnose zwischen MCC und anderen kleinzelligen Hauttumoren bzw.
Hautmetastasen ist immer noch ein schwieriges Feld und gelingt manchmal nicht
eindeutig. Deshalb sind die Etablierung und der Einsatz zusätzlicher Marker, die eine
eindeutige Diagnose des MCCs ermöglichen, von großer klinischer Bedeutung. Bisher
stützt sich die Diagnose von MCC hauptsächlich auf Zytokeratin 20 und
Neurofilamente, jedoch sind diese Marker nicht in jedem Fall verlässlich. Daneben
existieren eine Vielzahl weiterer Marker (siehe Einleitung), die aber entweder für die
50
pathologische Routine nicht geeignet sind oder eine zu geringe Sensitivität und
Spezifität aufweisen. Bei der Auswahl der untersuchten Marker ging es darum, für das
MCC validierte (CK20, Ki67, p53, p21) mit noch nicht untersuchten Markern (MCM4,
MCM6, MCM7) zu kombinieren, um einerseits die Relevanz der neuen Marker für die
Diagnostik des MCCs zu prüfen, aber auch deren Vergleichbarkeit und Beziehung mit
anderen bereits etablierten Markern zu untersuchen. Des Weiteren sollte der
Unterschied des Protein-Expressionsmusters zu der Vergleichsgruppe Melanom
herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigten, dass die
Expression von MCM-Proteinen eine Abgrenzung des MCCs vom Malignen Melanom
ermöglicht. Dies ist insbesondere wichtig, da sich die Therapie der beiden Tumore
unterscheidet. Falls MCM-Proteine einen prognostischen Wert für das MCC haben,
kann dies eine Hilfestellung zur Entscheidung über die Aggressivität der Therapie, also
die Intensität der Radiatio oder die Anwendung einer Chemotherapie sein.
Ki-67 ist als ein Maß für die Proliferationsfraktion ein wichtiger Marker in der
Tumordiagnostik. Da Ki-67 während aller Phasen des Zellzyklus außer in der G0-Phase
exprimiert wird, besitzt dieser Marker unabhängigen prognostischen Wert für viele
Tumore wie Brustkrebs, Weichteilsarkom, Meningiom, Prostatakarzinom und NonHodgkin-Lymphom (Endl et al., 2001). Die Daten in der Literatur belegen, dass die von
Ki-67 in MCC gemessene Positivität zwischen 5% und 70% liegt (Mittelwert 52,8%)
und dass die Überexpression von Ki-67 signifikant mit der Tumorprogression korreliert
ist (Llombart et al., 2005; Fernández-Figueras et al., 2007; Bickle et al., 2004). Auch für
das MCC wurde eine prognostische Bedeutung gezeigt (Koljonen et al., 2006). Die von
uns beobachtete moderate mittlere Expression von Ki-67 in MCC liegt im Mittelfeld
dieser weiten Spanne und ist nicht überraschend. Als ein schnell wachsender Tumor
besitzt das MCC eine relativ hohe Wachstumsfraktion. Das im Vergleich zum MCC
nicht so rasch proliferierende MM wies demzufolge eine weniger als halb so hohe Ki67-Expression auf. Da sich die Basalzellen ständig teilen, um eine intakte Epidermis zu
gewährleisten, war die in den Präparaten suprabasal auffallende Positivität der
Proliferationsmarker Ki-67 und auch MCM in gesunder Epidermis zu erwarten.
Eine Verfeinerung der Diagnostik würde hinsichtlich der prognostischen Genauigkeit
eine Verbesserung der Therapie und Patientenversorgung ermöglichen. Da durch die
Färbung von MCM-Proteinen, anders als bei Ki-67 und anderen Proliferationsmarkern,
auch teilungsfähige Zellen in der Ruhephase (G0) markiert werden, spiegelt die MCMFärbung die Proliferationskraft des Tumors besser wider als die gängige Ki-67-Färbung.
51
In diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen wurde beispielsweise gezeigt, dass die
Bestimmung der MCM6-Expression genutzt werden kann, um die Tumorproliferation
abzuschätzen (Schrader et al., 2005). Somit könnte MCM6 als zusätzlicher
prognostischer Marker nützlich sein, um die Voraussage des Verlaufs in diffusen
großzelligen B-Zell-Lymphomen zu verfeinern (Schrader et al., 2005). Wahrscheinlich
ist dies auch beim MCC möglich. Da allgemein aufgrund der geringen Inzidenz wenig
klinische Erfahrung vorliegt und sich die evidenzbasierte Therapie der Erkrankung noch
in der Entwicklung befindet, hängt vieles von der richtigen Einschätzung des
behandelnden Arztes ab. Die Höhe der Wachstumsfraktion kann in der Therapieplanung
einen wesentlichen Entscheidungsvorteil bieten. So kann z.B. ein Patient mit hoher
Proliferationsfraktion von einer aggressiven therapeutischen Intervention wie einer
Chemotherapie profitieren. Einen Patienten mit niedriger Proliferationsfraktion würde
man hingegen, unter Erhaltung der höchstmöglichen Lebensqualität, eher konservativ
behandeln. Vermutlich können auf lange Sicht durch eine genauere Kenntnis der
regulatorischen Vorgänge in der MCC-Zelle neue Therapieansätze entwickelt und damit
Lebensqualität und Überlebenszeit der MCC-Patienten erhöht werden.
CK20 ist der gängigste Marker zur Identifizierung von MCCs und deren Abgrenzung
von anderen kleinzelligen Karzinomen wie beispielsweise dem MM. In der Sensitivität
der Detektion von Mikrometastasierung in Sentinel-Lymphknoten konnte mit Hilfe von
CK20 eine maßgebliche Verbesserung im Vergleich zur reinen HE-Färbung erreicht
werden (Su et al., 2002). In dieser Arbeit bildete CK20 die Grundlage der eindeutigen
Diagnose der untersuchten Präparate. Erwartungsgemäß war CK20 in den MMPräparaten durchgehend negativ und zeigte eine mäßige Positivität in den MCCFärbungen.
Unsere Daten ergaben, dass sowohl die Proteinexpression von p53 als auch die von p21
in beiden untersuchten Tumorentitäten stark gesteigert waren. Allerdings bestand kein
signifikanter Unterschied zwischen MCC und MM im Hinblick auf deren p53- und p21Expressionslevels. Der Tumorsuppressor p53 spielt eine zentrale Rolle in zellulären
Antworten auf Stressstimuli, indem er den Zellzyklus anhalten oder die Apoptose
einleiten kann. In menschlichen Krebszellen ist p53 oft mutiert, was zu genetischer
Instabilität und einer Apoptosedefizienz der Tumorzellen führt (Benjamin et al., 2008;
Nigro et al., 1989). Die Zellen beginnen sich auch mit Schäden in der DNA
unkontrolliert zu teilen und es kommt zur Tumorbildung.
52
Einige Viren beeinflussen p53 über verschiedene Mechanismen und fördern so die
Onkogenese. Das Hepatitis-B-Virus (HBV) fördert die Lebertumorgenese u.a. dadurch,
dass sein Kernprotein das p53-Level erniedrigt. Mehrere Viren sind in der Lage, p53
direkt zu binden und zu degradieren, z. B. der HBV-Virustyp NS5A (Majumder et al.,
2001), der Humane Papillomavirus Typ E6 (Münger et al., 2004) und das oben
erwähnte MCV-LTA. Aktuelle Studien lassen eine verminderte Funktionalität von p53
in MM-Zellen vermuten, da deren Überexpression von p53 keine Apoptose induzierte
(Benjamin et al., 2008). Eine Bestrahlung der veränderten Zellen führte zwar zu einer
p53-Akkumulation, jedoch nicht zu Apoptoseinduktion (Benjamin et al., 2008). Da das
nicht mutierte p53-Protein, der sogenannte Wildtyp, eine kurze Halbwertszeit hat und
immunhistochemisch normalerweise nicht nachweisbar ist, spiegelt die von uns
gemessene recht hohe Positivität wahrscheinlich die Anwesenheit mutierten p53Proteins (Benjamin et al., 2008). Auch das oben erwähnte LTA-Protein des MC-Virus
hat die Fähigkeit, an p53 zu binden und es zu inaktivieren, was ebenso eine hohe p53Akkumulation ohne Hemmung der Proliferation erklären könnte.
Das Kernprotein p21 ist maßgeblich in die Mechanismen von Differenzierung,
Apoptose und Anhalten des Zellzyklus eingebunden (Gartel and Radhakrishnan, 2005).
Damit besitzt p21 eine Schlüsselrolle in der Tumorgenese, da normalerweise durch das
Protein die DNA geschädigter Zellen entweder vor der Vollendung ihres
Teilungsvorganges repariert werden kann oder bei unzureichender Funktion der Zelle
deren Apoptose eingeleitet wird. Das Protein ist in seiner Expression stark von der
Anwesenheit von p53 abhängig. Alle Mechanismen, die die Funktion von p53-Spiegel
mindern, senken auch die p21-Bildung (Gartel and Radhakrishnan, 2005). Die in der
Literatur vorliegenden Daten bezüglich der Expression von p53 und p21 im MCC sind
variabel. Zum Beispiel fanden Feinmesser et al. 25% der Fälle positiv für p53Antikörper (Feinmesser et al., 1999), während Tucci et al. p53-Immunoreaktivität in ca.
36% der Fälle ohne prognostischen Wert fanden (Tucci et al., 2006). Llombart et al.
fanden eine moderate bis starke Immunreaktivität für p53 von 75% in MCC (Llombart
et al., 2005). Fernández-Figueras et al. beobachteten eine Überexpression von p53 in
MCC. Der Prozentsatz der positiven Zellen für p21 lag zwischen 5% und 50%, wobei in
den meisten Fällen 25% der Zellen p21-positiv waren (Fernández-Figueras et al., 2007).
Anders als die p53-Expression scheint das Ausmaß der p21-Expression im MCC mit
einer schlechten Prognose assoziiert zu sein (Fernández-Figueras et al., 2007). Die
Ergebnisse der vorliegenden Arbeit für die Expression von p53 und p21 in MCC decken
53
sich mit denen von Llombart et al. und Fernández-Figueras et al., was die Auswertung
unserer Daten validiert (Llombart et al., 2005; Fernández-Figueras et al., 2007). Durch
eine Korrelation der einzelnen p21-Werte mit dem klinischen Verlauf könnte man die
von Fernandez-Figueras et al. gefundene prognostische Aussage weiter auf ihre
Gültigkeit untersuchen.
Wenngleich die meisten der vorliegenden MCM-Studien an Hauttumoren mit antiMCM2, MCM5 und MCM6-Antikörpern durchgeführt wurden, scheinen alle MCMProteine eine ähnliche Verteilung zu haben (Ha et al., 2004; Lei, 2005). Bisherige
Publikationen
zeigen,
dass
diese
Proteingruppe
auf
zahlreichen
Gebieten
vielversprechende Ergebnisse liefert. Die klinische Relevanz verschiedener MCMProteine
als
Proliferationsmarker
ist
bereits
für
viele
maligne
Tumore
immunhistochemisch belegt (Freeman et al., 1999), z. B. im nicht-kleinzelligen
Lungenkarzinom (Ramnath et al., 2001), Prostatakarzinom (Meng et al., 2001;
Padmanabhan et al., 2004), oralen Plattenepithelkarzinom (Kodani et al., 2003),
Chondrosarkom (Helfenstein et al., 2004), Brustkrebs (Gonzalez et al., 2004),
endometrialen Karzinom (Li et al., 2005), Schilddrüsenkarzinom (Guida et al., 2005), in
oligodendroglialen Tumoren (Wharton et al., 2001) und ösophagealen Tumoren (Going
et al., 2002). Die meisten dieser Studien untersuchten MCM2, einige wenige Studien
betrachten auch die MCM6-Expression, wie z.B. beim Hodgkin‘s-Lymphom (Karimi et
al.,
2008).
MCM7
als
unabhängiger
prognostischer
Marker
scheint
beim
Adenokarzinom der Lunge im Stadium I verlässlicher als Ki-67 zu sein (Fujioka et al.,
2009). Auch im kolorektalem Karzinom ist MCM7 ein unabhängiger prognostischer
Faktor
und
MCM7-positive
aber
Ki-67-negative
Tumorzellen
sind
mit
Tumormetastasen korreliert (Nishihara et al., 2008). In einer Studie über kutane
lymphoproliferative Erkrankungen zeigten Mycosis fungoides im Stadium I-IIA und
Parapsoriasis
en
Plaques
signifikant
erhöhte
MCM7-Positivät
in
der
immunhistochemischen Färbung im Vergleich zu der MCM7-Expression von Mycosis
fungoides im Stadium IIB-IV und Lymphomatoider Papulose (Gambichler et al., 2008).
In diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen wurde gezeigt, dass die Bestimmung der
MCM6-Expression zur Abschätzung der Tumorproliferation genutzt werden kann
(Schrader et al., 2005). Somit könnte MCM6 als zusätzlicher prognostischer Marker
nützlich sein, um die Voraussage des Verlaufs in diffusen großzelligen B-ZellLymphomen zu verfeinern (Schrader et al., 2005). Da MCM scheinbar als Folge einer
Infektion mit HPV erhöht sind, wurde ihr Einsatz zum spezifischen Nachweis von
54
High-grade Zervixneoplasien angeregt (Malinowski, 2005). In der Melanomforschung
liegen eine Reihe von Arbeiten zu MCM-Proteinen vor. Aktuelle Daten zeigten, dass
MCM2, MCM3 und MCM4 in melanozytären Neoplasien abhängig von deren Dignität
unterschiedlich exprimiert werden und eventuell ein zusätzliches Mittel zur
Unterscheidung zwischen benignen und malignen melanozytären Läsionen bieten
(Boyd et al., 2008; Gambichler et al., 2009). Ähnlich unserer Resultate für die MCM4-,
MCM6- und MCM7-Proteinexpression in MM, haben Boyd et al. eine signifikante
Erhöhung der MCM2-Proteinlevel in MM beobachtet (Boyd et al., 2008). Auch MCM3
und MCM4 zeigten eine signifikant erhöhte Positivität in superfiziell spreitenden
Melanomen im Vergleich zu benignen melanozytären und dysplastischen Nävi
(Gambichler et al., 2009). MCM7 hingegen wies keinen Unterschied bezüglich der
Dignität der Präparate, sondern lediglich eine Korrelation mit der Tumordicke nach
Breslow und dem Clark Level auf (Gambichler et al., 2009). MCM3, MCM4 und
MCM6 wurden signifikant stärker in den Tumoren von MM-Patienten mit
Fernmetastasen exprimiert (Winnepenninckx et al., 2006).
In der vorliegenden Arbeit wurde in den untersuchten MCC-Präparaten eine im
Vergleich zum MM mehr als doppelt so hohe Zahl MCM-positiver Zellen gefunden. Im
Gegensatz zu Ki-67 ist die MCM-Proteinexpression während des gesamten Zellzyklus
stabil und deshalb ein exzellenter Indikator für die Phase des Zellzyklus und der
Proliferation (Ha et al., 2004; Gambichler et al., 2008). Der Unterschied von MCMProteinen zu anderen Proliferationsmarkern ist, dass man durch MCM auch solche
Zellen identifizieren kann, die sich zwar im Ruhezustand (G0) befinden, aber noch
teilungsfähig sind (Ha et al., 2004; Lei, 2005). Damit ist eine Aussage über das
Proliferationspotential des Tumors und den erwarteten Tumorprogress viel genauer
möglich. Dies hat Auswirkungen auf individuelle Therapieentscheidungen und die
weitere medizinische Betreuung des Patienten.
55
4.4
Perspektiven
Diese Studie ist die erste immunhistochemische Untersuchung der Expression von
MCM-Proteinen in MCC und liefert damit wichtige Daten im Bereich der
pathologischen Differentialdiagnostik kleinzelliger Hauttumore. Wie zahlreiche Studien
belegen, ist MCM bei anderen Tumoren ein sehr guter Proliferationsmarker und hat
oftmals prognostischen Wert. Das bietet die Aussicht auf eine zukünftige Etablierung
dieser Proteinfamilie in der Routinediagnostik. Auch bei Tieren wurden Fälle von MCC
beschrieben (Bagnasco et al., 2003; Konno et al., 1998; Nickoloff et al., 1985). Die
Forschung am MCC kann daher ebenfalls für die Veterinärmedizin von Bedeutung sein.
Die Untersuchung einer größeren Patientengruppe, auch im Zusammenhang mit
anderen klinisch-pathologischen Parametern und weiteren Tumormarkern, wäre von
Vorteil, um die prognostische Bedeutung sowie Sensitivität und Spezifität der MCMProteine im MCC zu validieren.
Trotz der relativen Genauigkeit und Aussagekraft, die man bei der Streptavidin-BiotinFärbung erwarten kann, sollte diese Methode durch alternative biochemische Verfahren
zur weiteren Validierung ergänzt werden. Seltene Kreuzreaktionen können z.B. mit dem
Western Blot-Verfahren ausgeschlossen werden. Die mikroskopischen Auszählung an
Immunfärbungen, wie sie in dieser Arbeit gezeigt wurde, erlaubt allerdings eine
sofortige valide Interpretation der Ergebnisse. Dies legt den Grundstein für eine
mögliche Weiterentwicklung der diagnostischen Nutzung der untersuchten Marker.
Das Immunsystem stellt sowohl beim MCC als auch beim MM einen wichtigen Faktor
in der Tumorgenese und –progression dar. In den 16 bis zum Jahr 2008 bekannten
Fällen von Spontanremission trat diese immer nach der histologischen Sicherung auf.
Einige Autoren gehen davon aus, dass mit dem chirurgischen Eingriff das
Immunsystem angeregt wird und so der Körper in der Lage ist, den Tumor zu
bekämpfen (Richetta et al., 2008; Karkos et al., 2010). In der Melanomtherapie ist die
Stärkung des Immunsystems bereits anfänglich erforscht und mit bisher guten Erfolgen
in klinischer Erprobung, wie beispielsweise die Vakzination durch mit spezifischen
Melanomantigenen gepulste dendritische Zellen (Aarntzen et al., 2008). Wahrscheinlich
können in der Zukunft auf diesem Gebiet neue therapeutische Angriffspunkte für das
MCC entwickelt werden. Aufgrund der Erkenntnisse bezüglich des MCV könnten
zukünftig auch virale Antigene als Ziele molekularer Medikamente in Frage kommen.
56
Durch diese Arbeit wurde ein Beitrag zum Verständnis grundlegender Prozesse im
MCC geleistet und damit eine Erweiterung des medizinischen Wissensstandes
ermöglicht. Darüber hinaus können aus dieser Studie wichtige Erkenntnisse in Bezug
auf Tumorgenese und MCM-vermittelte Zellproliferationsregulation abgeleitet werden.
Es wurde gezeigt, dass die MCM-Immunhistochemie ein nützliches Instrument für die
Bestimmung der Tumorproliferation in MCC ist. Die weitere Forschung am MCC kann
mit einem größeren Patientenkollektiv an diese Ergebnisse anknüpfen, neue Daten zur
Verbesserung der Diagnostik sammeln und eventuell zum Verständnis der molekularen
Mechanismen der Onkogenese des MCCs beitragen.
57
V.
Zusammenfassung
Das Merkelzellkarzinom (MCC) ist ein aggressiver Hauttumor und gewinnt in den
letzten Jahren wegen seiner steigenden Inzidenz an klinischer Bedeutung. Seine
eindeutige Diagnose ist noch immer nicht in allen Fällen gewährleistet und
histologische Überschneidungen mit anderen kleinzelligen Hauttumoren sind häufig.
Minichromosome Maintenance (MCM)-Proteine sind in anderen Tumoren schon als
proliferative Marker beschrieben, fanden jedoch bisher in der Diagnostik von
Hauttumoren kaum Beachtung. Die Untersuchung von MCM-Proteinen im MCC war
Gegenstand
dieser
Arbeit
und
stellt
eine
wichtige
Neuerung
in
der
immunhistochemischen Tumordiagnostik und dar. Es wurden Proben aus läsionaler
Haut von acht MCC-Patienten mittels immunhistochemischer Färbungen untersucht.
Als Vergleichsgruppe wurden Proben von neun Patienten mit Malignem Melanom
(MM) eingeschlossen. Es wurden immunhistochemische Färbungen mit den Markern
CK20, Ki-67, p53, p21 und MCM4, MCM6 und MCM7 hergestellt und die
Fluoreszenzsignale der beiden Tumorgruppen verglichen. Die mikroskopische
Auswertung der fluoreszenzmarkierten Schnittpräparate ergab für das MCC im
Vergleich zum MM eine signifikante Erhöhung von MCM4 (66,0 ± 26,5% vs. 33,9 ±
22,4%; P = 0,017), MCM6 (70,9 ± 11,9% vs. 31,7 ± 22,7%; P = 0,0031) und MCM7
(76,5 ± 16,4% vs. 34,9 ± 25,5%; P = 0,0013). Auch die Ki-67-Positivität war im MCC
gegenüber dem MM deutlich erhöht (28,7 ± 7,9% vs. 11,0 ± 9,2%; P = 0,0012). Die
Rate positiver Zellen in der Färbung mit p53 und p21 war im Vergleich zu gesunder
Haut relativ hoch, jedoch bestand kein signifikanter Unterschied zwischen MCC und
MM.
Die
Arbeit
zeigt,
dass
die
immunhistochemische
MCM-Färbung
als
Proliferationsmarker im MCC angewandt werden kann. Die Markierung von MCM4,
MCM6 und MCM7 könnte eine Abgrenzung des klinisch unspezifischen MCCs
gegenüber dem MM ermöglichen. Des Weiteren erbringt sie Vorteile gegenüber der
gängigen Ki-67-Färbung, da die MCM-Färbung die Gesamtheit der teilungsfähigen
Zellen darstellt und somit eine genauere Beurteilung der Proliferationsfraktion
ermöglicht. Hierdurch kann über die Form und Intensität der Therapie beim einzelnen
Patienten genauer entschieden werden. Die Evaluation der Expression von MCMProteinen im MCC stellt eine Erweiterung der differentialdiagnostischen Verfahren dar
und ermöglicht neue Einblicke in zelluläre Abläufe um MCM-Proteine.
58
VI. Literaturverzeichnis
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Danksagung
Ich möchte mich ganz herzlich bedanken bei meinem Doktorvater Priv.-Doz. Dr. Thilo
Gambichler für die exzellente Betreuung und die konstruktive fachliche Unterstützung
während der verschiedenen Phasen meiner Arbeit.
Ebenso möchte ich meinen Dank an Jun.-Prof. Dr. Alexander Kreuter aussprechen für die
vielen praktischen Tipps und die Hilfe bei der Anfertigung der histologischen Bilder.
Ein besonderer Dank geht weiterhin an Dr. Nick Othlinghaus, der mir mit seinen Ratschlägen
und wertvollen Anregungen auf dem gesamten Weg des praktischen Teils meiner Arbeit zur
Seite stand sowie die histologische Durchsicht der Präparate übernommen hat.
Des Weiteren bedanke ich mich bei Prof. Dr. Markus Stücker für die histologische Betreuung.
Auch möchte ich mich ganz herzlich bei Sabine Richter und Frau Pantz für die professionelle
Einweisung in die histologische Aufarbeitung sowie die Ermöglichung der Arbeit in den
Räumlichkeiten der Histologie des St. Josef Hospitals bedanken.
Meinen persönlichen Dank möchte ich abschließend Concha Höfler, meinem Freund Roland
Bücker und meiner Familie aussprechen. Sie haben mich während dieser Zeit begleitet sowie
auf wunderbare Weise motiviert und unterstützt.
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name
Annika Breininger
Geburtsdatum und -ort
25.09.1981, Zweibrücken
Familienstand
ledig
Staatsangehörigkeit
deutsch
Schulausbildung
08/1988-06/2001
Rudolf Steiner-Schule Schloss Hamborn
06/2001
Abitur
Akademische Ausbildung
10/2002-12/2008
Studium der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum
10/ 2004-06/2005
Studium der Medizin an der Université Louis Pasteur, Straßburg,
Frankreich
12/2008
Staatsexamen, Approbation
Famulaturen
07/2005
Innere Medizin, St. Josefs-Krankenhaus Salzkotten
12/2005
Blockpraktikum HNO im Hospital Clinic Barcelona, Spanien
03/2006
Allgemeinmedizinische Praxis Dr. von Campenhausen, Dortmund
08/2006
Gemeinschaftspraxis
Ardeystraße
nephrologischer Schwerpunkt), Witten
03/2007
Dermatologie, St. Josef-Hospital Bochum
(onkologischer
und
Praktisches Jahr
08-12/2007
Dermatologie, St. Josef-Hospital Bochum
12/2007-04/2008
Innere Medizin, Schwerpunkte Gastroenterologie und Onkologie, St.
Josef-Hospital Bochum
04-07/2008
Chirurgie, St. Josef-Hospital Bochum
Dissertation
05/2007-08/2009
Thema:
Immunhistochemische
Merkelzellkarzinom
Betreuer: Priv.-Doz. Dr. Thilo Gambichler
Untersuchungen
am
Publikation
05/2009
Gambichler, T., Breininger, A., Rotterdam, S., Altmeyer, P., Stücker,
M., Kreuter, A. (2009). Expression of minichromosome maintenance
proteins in Merkel cell carcinoma. J Eur Acad Dermatol Venereol.
23(10), 1184-8.
Sonstige praktische Tätikeiten
03-08/2007
Pflegetätigkeit im St. Josef-Hospital Bochum
01-06/2005
Nachtwachen in Krankenhäusern der Université Louis Pasteur,
Straßburg
03-11/2006
Leitung von Kursen in Erster Hilfe
10/2003-03/2004
Studentische Hilfskraft am Institut für Anatomie, Bochum
08/2002-02/2003
Sechsmonatiges Pflegepraktikum in der Klinik Öschelbronn
Auslandsaufenthalte
01-03/1997
Dreimonatiger Sprachaustausch in Stourbridge, England
07/1999
Vierwöchiger Sprachaustausch in Le Mans, Frankreich
04-07/2003
Viermonatiger Aufenthalt in Santa Cruz, Bolivien
03/2004
Zweiwöchige Mitarbeit im internationalen Arbeitscamp
der Nimm-Meine-Hand-Stiftung in Pécs, Ungarn
12/2006
Blockpraktikum HNO im Hospital Clinic Barcelona, Spanien
10/ 2004-06/2005
Studium der Medizin an der Université Louis Pasteur, Straßburg,
Frankreich
Berufliche Tätigkeit
Seit 07/2009
Innere Medizin, St. Hedwig-Krankenhaus Berlin
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