Christoph Mayr Fingerle Architekt St. Oswaldweg 71 I - 39100 Bozen T 0039 / 0471 / 97 50 91 F 0039 / 0471 / 98 17 61 [email protected] www.mayrfingerle.com Realisierung des Bibliothekenzentrums in Bozen Realizzazione di un centro bibliotecario a Bolzano TECHNISCHER BERICHT RELAZIONE TECNICA Bozen I Bolzano 10.06.2013 Bibliothekenzentrum Bozen Technischer Bericht I Allgemeines Das Konzept der Bibliothek hat sich in den letzten Jahren auf Grund der Einführung der Datenverarbeitung und vor allem infolge der Verbreitung des Internets nachhaltig verändert. Die Bibliothek ist nicht länger nur ein mehr oder minder „passiver Bücherspeicher“, sondern ein aktiver Partner für den Informationssuchenden und insbesondere auch ein sozialer Ort, d.h. ein Platz der Begegnung von Bürgern jeden Alters und jeden Standes. Waren früher 80% der Bücher im Archiv und nur 20% frei zugänglich so ist es heute umgekehrt. Die moderne Bibliothek bietet neben frei aufgestellten Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsbeständen in ihren Räumen eine Vielzahl von unterschiedlich gestalteten und verschieden verwendbaren Arbeitsplätzen (inspirative Orte). Die Bibliothek ist kurz gesagt ein öffentlicher Raum im besten Sinn des Wortes, in dem sich Menschen und Medien jedweder Art begegnen und wo die Informationssuche begleitet von Fachpersonal unter einem einzigen Dach, über ein breites Spektrum von Möglichkeiten erfolgt. In zahlreichen Sitzungen wurde in den letzten Jahren zusammen mit den verantwortlichen Bibliothekaren das vorgegebene Programm gemeinsam diskutiert und die daraus resultierenden Ergebnisse in das Projekt integriert. II Entwurfskonzept Das Projekt bestehend aus auskragenden Leseplattformen und Innenhöfen verschiedener Größe. Bildhafter Bezugspunkt ist ein Bücherstapel von lose übereinander geschichteten Büchern, die durch unterschiedliche Größe und Position, Vor- und Rücksprünge eine räumliche Figur bilden. Wie die Bücher mit verschiedenen Inhalten belegt sind, so sind im Projekt die drei Bibliotheken und deren Inhalte auf die einzelnen Ebenen verteilt. III Städtebau Das Projekt sieht vor, den von vielen als charakteristisch erachteten Eingangsbereich bzw. den Südtrakt der ehemaligen Pascoli Schule, der sich in das Gedächtnis eines Teiles der Stadtbewohner eingeprägt hat, zu erhalten und in das Wettbewerbsprojekt zu integrieren. Die Longonstrasse wird eine verkehrsberuhigte Zone für Fußgänger und Fahrräder. Dadurch wird der Aussenbereich an der Ostseite der Bibliothek akustisch beruhigt und insgesamt für die Bibliothek und das umliegende Stadtviertel besser nutzbar gemacht z.B. als Lesepark, für Kindertheater im Freien, Lesen unter Bäumen usw. Das Projekt sieht ein lang gestrecktes Gebäude vor, das an der Stelle der ehemaligen Schule errichtet wird. Die Einschreibung des Baues in den vormaligen Standort der Schule ermöglicht es den heutigen Baumbestand zu erhalten, der seinerseits zur Verschattung des Gebäudes beiträgt und zu einem wesentlichen Bestandteil des Projektes wird. Auf Grund der ergiebigen Schneefälle im Jahre 2009 mussten leider 3 große Zedern gefällt werden. Diese sollen durch neue Bäume entsprechender Größe ersetzt werden. In der Gebäudehöhe nimmt die Bibliothek im Norden Bezug auf die angrenzende Siedlung - das Klösterle Areal, 1925 - von Clemens Holzmeister. Im Süden wird das Haus höher und bezieht sich auf die Gebäudehöhen der Freiheitsstrasse. Die Kompaktheit des Gebäudes schafft zu den Nachbargebäuden im Westen genügend Raum und erlaubt es deren Wohnqualität in Bezug auf Besonnung und Belichtung zu erhalten. IV Erschließung Die primäre Erschließung erfolgt über die historische Treppenanlage im Süden, die durch einen behindertengerechten Rampenaufgang im Osten ergänzt wird, der zum Haupteingang und zur automatischen Rückgabestelle führt. Durch das Erdgeschoss führt eine Art Passage, die als gedeckter Verbindungsweg die Frontkämpferstrasse im Süden mit der A. Diazstrasse im Norden verbindet und die vom äußeren Strassenleben in das Innere der Bibliothek führt. Die vertikale Erschließung erfolgt über Rolltreppen im zentralen Atrium, das durch Transparenz und eine differenzierte Gliederung eine leichte Orientierungsmöglichkeit und eine schnelle Erkennbarkeit der einzelnen Leseplattformen ermöglicht. Die Bibliothek wird zu einem öffentlichen Erlebnisraum. V Funktionale Gliederung Die Besonderheit dieses Bibliothekenzentrums besteht in der Tatsache, dass hier drei Bibliotheken untergebracht sind: die deutsche und ladinische Landesbibliothek Tessmann, die italienische Landesbibliothek Claudia Augusta und die Stadtbibliothek C. Battisti. Wesentlicher Grundsatz bei der räumlichen Gestaltung und Anordnung der verschiedenen Funktionsbereiche ist die maximale Flexibilität der Innenräume. Die Verschiebung von Funktionen und die Umnutzung von Räumlichkeiten entsprechend zukünftiger Bibliothekskonzepte sind jederzeit möglich. Die Flexibilität kann durch fahrbare Einrichtungsgestelle unterstützt werden. Damit können Räume in kürzester Zeit und ohne viel Aufwand befristet für andere Zwecke genutzt werden. Die Bibliothek bietet dem Besucher und Benutzer einen ganz direkten und unkomplizierten Zugang zum Buch und ein vielfältiges Medienangebot in einem stimulierenden Ambiente. Die inneren und äußeren Lesebereiche sind unterschiedliche Zonen der Ruhe, der Kommunikation und des Verweilens. Erdgeschoss Das Gebäude ist entsprechend den Funktionen in gut ablesbare Bereiche unterteilt: Im Erdgeschoss ist der Eingangsbereich mit Ausleihe und Rückgabemöglichkeit über ein RFID – System (24h). Anschließend das Forum, ein Zeitungslesebereich, der flexibel nutzbar ist für öffentliche Veranstaltungen und Ausstellungen, ein „Literaturcafe“ (Bar-Bistro), wird unabhängig vom Bibliothekenzentrum im Osten erschlossen und könnte ein beliebter Treffpunkt werden. Angrenzend führt eine Treppe zu den Vortragsräumen in das 1.Untergeschoss. Im zentralen Atrium, dem „Herz“ der Bibliothek befindet sich ein Infopoint und im Westen der ZeitschriftenBereich. Zur Armando Diazstrasse ist die Kinder- und Jugendabteilung der Stadtbibliothek. In Anbetracht der zahlreichen umliegenden Schulen ist an dieser Stelle ein zweiter Eingang vorgesehen. 1. l 2. l 3. l 4. Obergeschoss Die vertikale Erschließung zu den Obergeschossen erfolgt über das zentrale Atrium dem „Herz“ der Bibliothek. Jedes Geschoss wird mit einer Rolltreppe und mit einer offenen Treppe erschlossen, welche zu den in zentraler, übersichtlicher Lage liegenden Infopoints führen. Im 1. Obergeschoss befindet sich ein weiterer Teil der Stadtbibliothek, im 2. Obergeschoss die Landesbibliothek Tessmann und im 3. Obergeschoss die italienische Landesbibliothek „Claudia Augusta“ und der zweite Teil der Landesbibliothek Tessmann. In den unteren Geschossen ist die „Public Library“ und folglich der lautere Bereich mit Jugend und Kinderabteilung. Nach oben hin wird das Bibliothekenzentrum immer ruhiger und daher befindet sich hier der wissenschaftliche Bereich. In den Randzonen nahe der Fassade und Innenhöfen sind über alle Obergeschosse Lesezonen verteilt. Im 2.Obergeschoss bietet ein großzügiger Leseraum Studierenden eine akustisch abgeschirmte Rückzugsmöglichkeit an, im 3.Obergeschoss wird eine Reihe von „Carrels“ zum Anmieten zur Verfügung gestellt. Räume unterschiedlicher Größe dienen der Gruppenarbeit und dem „Co-working“. Über frei schwebende Brücken ist der Neubau mit dem Altbau flechtartig verbunden und ergibt für den Besucher ein Raumerlebnis und einen Blick zu den oberen und unteren Ebenen des Bibliothekenzentrums. Der Altbau wird als eigenständiger Baukörper behandelt. Das Sanierungskonzept sieht vor „Zurückzubauen“, das heißt, die Umbauten der siebziger und achtziger Jahre zu entfernen und sich an den ursprünglichen Bauzustand zu orientieren. Der Altbau ist von den statischen Grundvoraussetzungen der Deckenlasten mit 250 kp/m² für eine Bibliothek nach heutiger Norm mit 600 kp/m² nicht geeignet. Um nicht alle Decken erneuern zu müssen, werden dort Veranstaltungen und Tätigkeiten vorgesehen, welche statisch mit dem Altbau verträglich sind. Weiters kann der Altbau unabhängig vom restlichen Bibliothekenzentrum genutzt werden bzw. an externe Vereine und Genossenschaften vermietet werden. Im vierten Obergeschoss befindet sich der Verwaltungstrakt mit den Büro- und Aufenthaltsräumen für die Verwaltung. 1. l 2. l 3. Untergeschoss Im 1.Untergeschoss befinden sich zwei Veranstaltungsräume, die sowohl den Bibliotheken als auch auswärtigen Vereinen und Interessierten zur Verfügung stehen. Diese Räumlichkeiten sind über die Westseite natürlich belichtet bzw. belüftet und unabhängig vom laufenden Bibliotheksbetrieb nutzbar. Eine kleine Tiefgarage in 1.Untergeschoss wird über eine Rampe im Bestandsgebäude erschlossen und bietet 24 PKW einen Abstellplatz. Angrenzend befinden sich die Magazine für den laufenden Betrieb und die erforderlichen Neben- und Technikräume des Bibliothekenzentrums. Im 1. und 2. Untergeschoss sind Kompaktarchive und Archive für historische Schriftstücke untergebracht. Das 3. Untergeschoss ist ein reines Technikgeschoss im welchem unter anderem das Büchertransportsystem, welches alle Geschosse bedient, eingebaut ist. VI Konstruktion / Statik / Materialisierung Das Bibliothekenzentrum ist ein kompakter Körper, der sich in Längsrichtung von Norden nach Süden entlang der Longonstrasse entwickelt. Die Höhe variiert zwischen fünf oberirdischen Geschosse im Süden und vier im Norden. Das bestehende Gebäude wird auf der Grundlage denkmalpflegerischer Überlegungen saniert. Dabei sollen die historischen Elemente besonders berücksichtigt werden und in Zusammenarbeit mit dem Künstler Manfred Alois Mayr (der bereits beim Wettbewerb mitgearbeitet hat) sollte für das gesamte Gebäude ein Material und Farbkonzept ausgearbeitet (Kunst am Bau) werden. Das Zusammenspiel zwischen Alt und Neu wird zu einem Thema dieses Projektes. Der Neubau wird in einer Stahlbeton-Skelettbauweise errichtet. Der Stahlbeton besteht aus hell eingefärbtem Sichtbeton. Die geschlossenen Fluchttreppenhäuser und die Aufzüge befinden sich in den zentral liegenden Kernen. Ein weiterer Personenaufzug dient ausschließlich für die Erschließung des Bestandsgebäudes und des Verwaltungsbereichs im 4. Obergeschoss. Diese Kerne haben auch eine statische Funktion und dienen der Aussteifung des Gebäudes. Die auskragenden Baukörper und Bauteile in den Obergeschossen werden statisch dimensioniert und je nach Anforderung werden die Stahlbetondecken vorgespannt. Der Hauptanteil der Fassaden besteht aus einer Glasfassade mit Dreifach- Isolierverglasung und einem außen liegenden und steuerbaren Sonnenschutz. Die horizontalen umlaufenden Fassadenbänder in Stahlbeton gliedern die einzelnen Geschosse des Bibliothekenzentrums. Auf der Dachfläche des Verwaltungsbereiches ist eine extensive Begrünung vorgesehen bzw. eine Auslegung mit Photovoltaik-Elementen. VII Haustechnik I Heizung I Lüftung I Klima I Beleuchtung I Akustik Grundlage der technischen Gebäudeausstattung sind folgende konzeptionellen Ziele: Möglichst geringe Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungskosten bei gleichzeitiger Erfüllung der hohen qualitativen Anforderungen an das Bibliotheksgebäude, dies bedeutet eine hohe Nutzungsqualität für Besucher, Mitarbeiter und Medieneinheiten. Energetische Einstufung des Gebäudes = Klimahaus "B"; Heizwärmebedarf bezogen auf die Netto – Geschossfläche : 31,80 kWh/(m²a); Die kompakte Bauweise, die optimale Wärmedämmung, der effiziente Sonnenschutz mit Sonnenschutzverglasung g-Wert kleiner als 0,28 und die konsequente Reduktion der Wärmebrücken führen zu einem Gebäude mit geringem Energiebedarf für Heizung und Kühlung. Die Hygienelüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung und Feuchtigkeitskontrolle schafft eine angenehme und gute Luft im Gebäude und reduziert die Lüftungsverluste. Heizung im Winter mit Zonenregelung: ca. 20 – 22°C Lufttemperatur mittels Strahlungsheizung; Kühlung im Sommer mit Zonenregelung: ca. 24 – 26°C Lufttemperatur mittels Strahlungskühlung; Hygienischer Luftwechsel mit 35 m³/h und Person und minimal ca. 1 Volumen / Stunde Luftwechsel in allen Bereichen; Lüftung im Winter mit Nachheizung und Befeuchtung der Zuluft auf 40% relative Feuchte; Lüftung im Sommer mit Kühlung und Entfeuchtung der Zuluft auf ca. 60% relative Feuchte; In den Archiven in den Untergeschossen ist eine Raumtemperatur von 18 Grad +/- 2 Schwankung und eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent +/-5% Schwankung vorgesehen. Die Archive sind weiters mit einer geeigneten Löschanlage ausgestattet. Die Energieversorgung des Gebäudes baut auf Geothermie über erdberührte Betonteile mit einer reversiblen Wärmepumpe gepaart mit einer Photovoltaikanlage zur Eigenproduktion elektrischer Energie. Die Spitzenlasten für Heizung werden mit einem Gasbrennwertkessel gedeckt, die Kühlung mit einem hocheffizienten Kaltwassersatz mit Kühlturm gedeckt. Auf diese Weise kann für die Lage im Zentrum Bozens ein Maximum an erneuerbaren Energieträgern eingesetzt werden, ohne den für Trinkwasserzwecke geschützten Grundwasserkörper zu beeinträchtigen. Um der raumakustischen Anforderung, geringe Nachhallzeit und genügend Absorbtionsflächen, der Bibliothek gerecht zu werden, sind die einzelnen Bereichen gezielt Materialien eingesetzt. Lese- und Studierräume werden akustisch abgeschottet. Die Fußböden der oberen Geschosse bestehen teilweise aus Teppichboden (gute Absorbtionseigenschaften) und sämtliche Decken werden als Akustikdecken ausgeführt. Die Medien in den Regalen werden blendfrei und entsprechenden den Luxvorgaben für Bibliotheken beleuchtet. Die Lesebereiche werden mit einer individuellen Beleuchtung (Tisch- Stehlampen) ausgestattet.