Epigenetik-Klassische Mechanismen und Krankheiten ÖAK Diplomkurs Genetik 2013 Gerda Egger Klinisches Institut für Pathologie Medizinische Universität Wien Medizinische Universität Wien Gerda Egger Themen 1. Defini(on und Epigene(sche Mechanismen 2. Epigene(sche Phänomene 3. Epigene(k und Krankheiten Medizinische Universität Wien Gerda Egger Einige Zahlen… • Ca. 25,000 humane Gene • Länge der DNA ~2m, 10,000-fach kompaktiert, 1.3 µm Durchmesser der Chromosomen • Weniger als 4% der DNA kodieren für Protein • Aber: 80% des Genoms haben eine biochemische Funktion • 3x109 Bases pro humanem Genom • Ca. 200 verschiedene Zelltypen pro Organismus Medizinische Universität Wien Gerda Egger Genom Organisation in Eukaryonten Medizinische Universität Wien Gerda Egger Aktive und stille Bereiche des Genoms: Eu- versus Heterochromatin Medizinische Universität Wien Gerda Egger Definition: Epigenetik (historisch) • Conrad Hal Waddington (1905–1975) Epigenetic landscape Kausale Mechanismen, durch die Gene eines Genotyps den Phänotyp bestimmen können. Medizinische Universität Wien Gerda Egger Definition: Epigenetik (modern) • Das Studium vererbbarer Veränderungen (mito(sch/ meio(sch) der Genfunk(on, die nicht durch Veränderungen in der DNA Sequenz erklärt werden können. (Riggs et al. 1996). Gene(cs Medizinische Universität Wien Epigene(cs Gerda Egger Chromatinstruktur und epigenetische Mechanismen • • • DNA Histone nicht-kodierende RNA Funktion • X-Chromosom Inaktivierung • Imprinting • Silencing parasitärer Elemente • Heterochromatin • Zellgedächtnis und Identität Medizinische Universität Wien Gerda Egger DNA Methylierung Medizinische Universität Wien Gerda Egger Die Rolle von DNA Methylierung § DNA Methylierung erfolgt zumeist am Cytosin eines CpG Dinukleotides § DNA Methylierung führt zur Stilllegung von DNA Abschnitten • Transposons, repetitive Sequenzen • Heterochromatin • gewebsspezifische Gene • X-Chromosom in weiblichen Säugern § Etabliert als Abwehrmechanismus gegen fremde DNA (Viren, Bakterien) ? Medizinische Universität Wien Gerda Egger Verteilung der DNA Methylierung im Genom • Ca. 70% der somatischen DNA wird an CpG Dinukleotiden methyliert • Ausnahme: CpG-Inseln • Definition CpG Insel: mindestens 500 bp lang, 55% GC Gehalt, Ratio von CpG erwartet / CpG beobachtet = 0.65 • Ca. 60% aller Gene besitzen CpG Inseln -> “housekeeping genes” • CpG-Inseln sind normalerweise nicht methyliert Medizinische Universität Wien Gerda Egger Methylierungsmechanismus • De novo Methyltransferasen arbeiten unabhängig von DNA Synthese • Die DNA Methyltransferase DNMT1 bindet an die Replika(onsgabel und methyliert die neue DNA während der DNA Synthese (“maintenance”) Medizinische Universität Wien Gerda Egger Zusammenfassung • DNA Methylierung erfolgt an Cytosinen in einem CpG context • 70% aller CpGs im Genom sind methyliert • CpG Islands sind Regionen im Genom die eine hohen Anteil an CpGs enthalten, die zumeist unmethyliert vorliegen • DNA Methylierung führt zur Stilllegung von Genomabschnitten (Heterochromatin) oder einzelnen Genen Medizinische Universität Wien Gerda Egger Histone Modifikationen Medizinische Universität Wien Gerda Egger Nukleosomenstruktur Medizinische Universität Wien Gerda Egger Histone Modifikationen Medizinische Universität Wien Gerda Egger Effekte posttranslationaler Histonmodifikationen Medizinische Universität Wien Gerda Egger Die verschiedenen Histonmodifikationen ergeben einen komplexen Histon-Code Medizinische Universität Wien Gerda Egger Histonmodifikationen können aktivierend oder repressiv wirken • Acetylierung: aktivierend, findet sich häufig um die Transkriptionsstartseite exprimierter Gene, Acetylierung bedingt Auflockerung der Chromatinstruktur. DNA wird leichter zugänglich • Methylierung: – H3K4me wirkt aktivierend, Tranksriptionsstart – H3K27me wirkt repressiv, Heterochromatin, inaktives X-Chromosom, inaktive Gene • Histonmodifikationen werden von spezifischen Proteinen erkannt und gebunden. Diese können dann weitere Aktivatoren oder Repressoren rekrutieren. • Histonmodifikationen sind dynamisch und können schnell wieder gelöscht werden. Medizinische Universität Wien Gerda Egger Zusammenfassung • Histonmodifikationen können die Chromatinstruktur verändern und damit Genaktivität oder Repression begünstigen (Beispiel Azetylierung, Phosphorylierung) • Histonmodifikationen werden von “Leseproteinen” erkannt und interpretiert (Beispiel Methylierung) Medizinische Universität Wien Gerda Egger Nicht-­‐kodierende RNA Medizinische Universität Wien Gerda Egger Der Großteil der RNA einer Zelle ist nicht kodierend Medizinische Universität Wien Gerda Egger RNA Interferenz (RNAi) • RNAi wurde von A. Fire and C. Mello in C.elegans entdeckt (1998) • Nobelpreis 2006 • Funktion für Verteidigung gegen Fremd-DNA (z.B. Viren) • bedingt „Silencing“ von Genen • Arten: siRNA, miRNA, piRNA Medizinische Universität Wien Gerda Egger lincRNAs können Chromatin verändern Medizinische Universität Wien Gerda Egger Zusammenfassung • Nicht-kodierende RNA stellt den Großteil zellulärer RNA dar • Kann Proteinsynthese verhindern • Kann durch Rekrutierung von Chromatin modifizierenden Komplexen die Chromatinstruktur verändern und somit zur Genregulation beitragen. Medizinische Universität Wien Gerda Egger 2. Epigenetische Phänomene Medizinische Universität Wien Gerda Egger Klassische Epigenetische Phänomene • Dosage compensation (X-Chromosom Inaktivierung) • Silencing von parasitischen Sequenzen im Genom • „Position effect variegation“ (PEV) in Drosophila • „Mating type switching“ in Hefe • Heterochromatin Bildung • Imprinting • „Zellgedächtnis“ - Polycomb and Trithorax Group Proteine Medizinische Universität Wien Gerda Egger, Epigenetik 27 Gerda Egger Genomische Prägung-Imprinting Tigon (Vater Tiger, MuWer Löwe) Liger (Vater Löwe, MuWer Tiger) Medizinische Universität Wien Gerda Egger Genomische Prägung • • Definition: Eltern-spezifische Genexpression; nur das väterliche oder mütterliche Allel eines Gens wird exprimiert (vergleiche elternspezifische Gene: Y-chromosom, Mitochondrien) Die meisten „imprinted genes“ sind wichtig für embryonales und neonatales Wachstum Mechanismus: Expression wird kontrolliert durch DNA Methylierung an einer bestimmten Region -> ICE (Imprinting Control Element) Repeat Medizinische Universität Wien Gerda Egger Krankheitsbilder Imprinting • Sister Syndromes: Prader-Willi (PW) and Angelman (AS): chromosome 15q11-q13 Medizinische Universität Wien Gerda Egger, Epigenetik 30 Gerda Egger X-Chromosom Inaktivierung • erfolgt in weiblichen Säugern • Auswahl eines X erfolgt zufällig • durch Zusammenspiel verschiedener epigene(scher Mechanismen • das inak(ve X hat eine Heterochroma(nstruktur Medizinische Universität Wien Gerda Egger 3. Epigenetische Komponenten von Krankheiten Medizinische Universität Wien Gerda Egger Umwelteinfluesse und Epigenetik Medizinische Universität Wien Gerda Egger Agouti Mäuse- ein Epiallel hilft den Einfluß der Umwelt auf das Epigenom zu bestimmen • Gabe von Folsäure, Vitamin B12-> mehr gesunde Nachkommen • Gabe von BispenolA-> mehr kranke Nachkommen Medizinische Universität Wien Gerda Egger Epigenetik und Krebs British Journal of Cancer (2007) 97, 1–5. Histone modifications as markers of cancer prognosis: a cellular view S K Kurdistani Medizinische Universität Wien Gerda Egger DNA- Methylierungsmuster sind in Tumorzellen verändert Medizinische Universität Wien Gerda Egger Methylierungsmuster in Tumoren und Normalgewebe normal tumor Medizinische Universität Wien tumor normal Top 662 significant CpG sites, p<10-5; q<0.007 Gerda Egger Aberrante DNA Methylierung in Tumoren • • • • tritt bereits in frühen Tumorstadien auf korreliert oft mit Aggressivität des Tumors wirkt wie genetische Mutation -> Verlust eines Proteins Tumorsuppressorgene sind häufig durch DNA Methylierung stillgelegt • Hoffnung, dass DNA Methylierung spezifischer Gene als Biomarker für die Klinik Verwendung finden werden (Diagnose, Prognose, Prädiktion) Medizinische Universität Wien Gerda Egger, Epigenetik 38 Gerda Egger Entwicklung Epigenetischer Biomarker • Nicht invasiv (Blut, Urin, Stuhl..) • Sensitiv (wenige Moleküle können detektiert werden) • Nützlich für: Screening, Follow-up, Prognose oder Vorhersage des Therapieansprechens Septin9 Methylierungstest Medizinische Universität Wien Gerda Egger Kommerzielle Methylierungstests Biomarker Application Disease Material SEPT9 Early*detection Colorectal*cancer Blood VIM Early*detection Colorectal*cancer Stool SHOX2 Early*detection Lung*cancer Sputum GSTP1 Early*detection Prostate*cancer Urine MGMT Predictive Brain*cancer Tumor TWIST2*+*NID2 Predictive Bladder*cancer Urine VIM*+*NID2 Recurrence Bladder*cancer Urine Table|Commercially3available3tests3based3on3DNA3methylation3biomarkers Commercial3test Epi*proColonR*1.0*(Epigenomics),*ColoVantageTM*(Quest*Diagnostics),*Real*Time*mS9*(Abbott) Cologuard*TM*(Exact*Sciences),*ColoSure*(LabCorp) Epi*proLungR*BL*1.0*(Epigenomics) Predictive*Biosciences PredictMDxTM*Brain*Cancer*(MDxHealth) CertNDx™*Bladder*Cancer*Assay*Hematuria*Assessment*(Predictive*Biosciences) CertNDx™*Bladder*Cancer*Assay*Recurrence*Monitoring*(Predictive*Biosciences) Tests basieren auf frei-zirkulierender Tumor DNA Medizinische Universität Wien Gerda Egger Epigenetische Veränderungen sind reversibel Yoo CB and Jones PA (2006) Nature Reviews Drug Discovery 5: 37–50 Medizinische Universität Wien Gerda Egger Epigenetische Therapie Name DNMT*inhibitors Chemical*structure Target Approval*(Year) 5-Aza-cytidine nucleoside analogue DNMT1 MDS (2004) 5-Aza-deoxycytidine nucleoside analogue DNMT1 MDS (2006) Trade*name*(Company) Application Adverse*effects Vidaza (Celgene) iv, sc Dacogen (Eisai Tokyo/Johnson&Johnson) iv, sc myelosuppression myelosuppression HDAC*inhibitors vorinostat romidepsin hydroxamic acid cyclic peptide HDACs CTCL (2006) Zolinza (Merck) HDACs CTCL (2009), PTCL (2011) Istodax (Celgene) Name DNMT*inhibitors Chemical*structure Target 5-Aza-cytidine 5-Aza-deoxycytidine nucleoside analogue nucleoside analogue DNMT1 DNMT1 hydroxamic acid cyclic peptide hydroxamic acid hydroxamic acid benzamide benzamide hydroxamic acid hydroxamic acid hydroxamic acid HDACs HDACs HDACs HDACs HDAC1, 6, 8 HDAC1, 2, 3, 8 HDACs HDACs HDAC6 nucleoside carboxamide carboxamide nucleoside derivative polyketide nucleobase quinazoline diketopiperazine HMTs, PRC2 HMT EZH2 HMT EZH2 HMT SETD2 HMT SETD8 HMTs HMT G9a HMT SU(VAR)3-9 diazepine diazepine diazepine BET proteins BET proteins BET proteins po iv diarrhea, fatigue, nausea, anorexia nausea, fatigue, infections, anemia Completed*clinical*studies/NHL ClinicalTrials.gov*Identifier phase II phase II NCT00005639 NCT00882206 approved (CTCL); phase II approved (CTCL) phase II/III (CTCL) phase II phase II phase I phase I phase I preclinical NCT00490776 NCT00274651 NCT00543582 NCT00098891 NCT00562224 NCT00677105 HDAC*inhibitors vorinostat romidepsin panobinostat belinostat mocetinostat entinostat abexinostat quisinostat rocilinostat HMT*inhibitors DZNep GSK126 EPZ005687 sinefungin nahuoic acid adenosine dialdehyde BIX01294 ! chaetocin BRD*inhibitors JQ1 iBET GW841819X preclinical Hassler MR, Schiefer AI and Egger G. Epigenomics. 2013 Aug;5(4):397-415. Medizinische Universität Wien Gerda Egger Zusammenfassung • Epigenetik beschreibt erbliche Veränderungen in der Genexpression, die nicht durch Veränderungen der DNA Sequenz bedingt sind. • Mechanismen: – DNA Methylierung – Histone Modifikationen, Remodeling – nicht-kodierende RNA • Phänomene: Imprinting, X-Chromosom Inaktivierung • Epigenetik und Krankheiten: – Epigenetische Veränderungen können durch Umweltfaktoren positiv und negativ beeinflusst werden – Epigenetische Aberrationen finden sich in diversen Tumoren-> Angriffspunkt für Therapie, Biomarker Medizinische Universität Wien Gerda Egger, Epigenetik 43 Gerda Egger Referenzen: Bücher * Erschienen: 02.2009 * EAN: 9780879698751 * ISBN-10: 0-87969-875-6 * Seitenzahl: 580 * Sprache(n): Englisch * Lehrbuch Medizinische Universität Wien * Erschienen: Juni 2010 * EAN: 9783832195281 * ISBN-10: 3-8321-9528-9 * Seitenzahl: 368 * Sprache(n): Deutsch Gerda Egger Referenzen: Websites • Epigenesys Network of Excellence http://epigenesys.eu/ • ScienceNOW on PBS Nova: http://www.pbs.org/wgbh/nova/sciencenow/3411/02.html • Epigenetic blog: http://www.epigenie.com/ • Nature Scitable: http://www.nature.com/scitable/spotlight/epigenetics-26097411 • Science Focus on Epigenetics: http://www.sciencemag.org/site/feature/plus/sfg/resources/res_epigenetics.xhtml Referenzen: Dokus • The ghost in your genes (BBC) • Epigenetik, wenn Essen auf die Gene schlägt (ARTE) Medizinische Universität Wien Gerda Egger