So haben wir das Mortellaro-Problem gelöst

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GESUNDHEIT
R I N D
Trockene und saubere
Laufflächen sind Voraussetzung für eine gute
Klauengesundheit.
Fotos: Archiv, Wangler
So haben wir das
Mortellaro-Problem gelöst
Auf dem Landesgut in Dummerstorf ist es
gelungen, die Befallsrate von Mortellaro drastisch zu senken. Es berichtet Anke Wangler,
Landesforschung Mecklenburg-Vorpommern,
Dummerstorf.
Typischer Anblick: Die kreisrunde, „erdbeerartige“ Veränderung im Zwischenballenbereich fällt sofort ins Auge.
O
bwohl viele Milchviehbetriebe
in den vergangenen Jahren erheblich in
den Kuh-Komfort investiert und die Haltungsbedingungen den gestiegenen Anforderungen ihrer Hochleistungskühe angepasst haben, hat sich die Klauengesundheit der Kühe nicht verbessert. Im
Gegenteil: Der Anteil der Tiere, die
wegen Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen aus den Beständen abgehen, ist
weiter angestiegen. Besonders in leistungsstarken Betrieben und großen Herden haben die Probleme zugenommen.
Untersuchungen in Norddeutschland
haben ergeben, dass Mortellaro (Dermatitis digitalis), landläufig auch Erdbeerkrankheit genannt, die häufigste Unterfußerkrankung bei Milchkühen ist.
Mortellaro tritt besonders häufig in
Laufställen auf. Die genaue Erkran-
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wurden für die 320 Kühe und die Jungrinder neue Haltungsbedingungen geschaffen (Neubau eines Boxenlaufstalles
für Milchvieh, Umbau des alten Kuhstalles für Rinder). Gleichzeitig wurde zu
diesem Zeitpunkt damit begonnen, die
Klauen aller Kühe und Jungrinder regelmäßig zu kontrollieren bzw. deren Gesundheitsstatus zu erfassen. Dabei stellte
sich heraus, dass nicht nur 21 Prozent aller Milchkühe von der Mortellaro’schen
Krankheit befallen waren, sondern dass
auch mit 30 Prozent überdurchschnittlich
viele Jungrinder erkrankt waren.
Schieberfrequenz erhöht
kungsursache ist noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich bildet das Zusammenwirken mehrerer Risikofaktoren wie
z. B. ungenügende Hygiene, Fütterungsfehler und mangelnde Klauenpflege die
Grundlage für die Entstehung dieser
Krankheit.
30 % der Jungrinder
betroffen
Man geht davon aus, dass bereits etwa
60 Prozent aller Herden im Norden mit
Mortellaro-Erregern infiziert sind, der
Anteil latent erkrankter Tiere einer Herde beträgt mindestens 10 bis 12 %. Das
Problem ist, dass sich die Krankheit im
Bestand schnell ausbreitet.
Dies war auch auf dem Landesgut in
Dummerstorf der Fall. Im Sommer 2000
Mit den im Folgenden beschriebenen
Maßnahmen ist es jedoch gelungen, die
Erkrankungsrate bei den Milchkühen bis
auf vier Prozent abzusenken – und anschließend auch auf diesem niedrigen Niveau zu halten:
Bei der erstmaligen Befunderhebung
(Klauenkontrolle) stellten wir fest, dass
die am Stallende aufgestallten Kühe die
höchste Befallsrate aufwiesen. In dieser
Gruppe waren 30 Prozent aller Kühe an
Mortellaro erkrankt.
Die „ungünstigen“ Haltungsbedingungen (nasse, verschmutzte Laufflächen in
unmittelbarer Nähe des Abwurfschachtes
des Faltschiebers), deuteten auf eine bakterielle Infektion als Krankheitsauslöser
hin. Um den Keimdruck zu mildern, wurde deshalb im ersten Schritt die Faltschieberfrequenz erhöht. Die Schieber
wurden so eingestellt, dass sie alle 30 Minuten anlaufen. Die Standzeit zwischen
zwei Räumdurchgängen beträgt nur zehn
Minuten.
Gleichzeitig wurde auch damit begonnen, die Übergänge und die Zutriebswege zum Melkstand mindestens ein Mal
täglich von Hand abzuschieben. Vorwartehof, Melkstand und Rücktriebswege
werden sogar drei Mal täglich, zwischen
den Melkzeiten, gereinigt.
Damit wird sichergestellt, dass auch
die altmelkenden Kühe den Melkstand
„trockenen Fußes“ erreichen. Sie müssen
nicht mehr ständig durch den Kot und
Urin der anderen 215 Kühe laufen, die
vorher bereits zum Vorwartehof bzw.
zum Melkstand getrieben wurden.
Klauenbäder eingerichtet
Durch die Verbesserung der Stallhygiene konnte die Mortellaro-Erkrankunksrate auf 15 Prozent (Februar 2002)
gesenkt werden. Damit lag sie noch immer deutlich über dem angestrebten
Wert von zehn Prozent.
Der „durchschlagende“ Erfolg stellte
sich erst mit der Durchführung regelmäßiger Klauenbäder im Milchvieh- und im
Rinderstall ein.
Die Kühe werden zwei Mal pro Woche (montags und freitags), nach jeder
Melkzeit, durch das Klauenbad getrieben. Die Klauenbadlösung, ein Gemisch
aus je 3 % Formalin und Kupfersulfat,
wird täglich neu angesetzt. Zur groben
Vorreinigung der Klauen wird dem Klauenbad eine Wanne mit klarem Wasser
vorgeschaltet.
Im Jungrinderstall wird das Klauenbad im Abstand von 14 Tagen für je zwei
Tage eingerichtet. Wichtig ist, dass die
Wannen im Rinderstall so in die Laufund Fressgänge eingepasst werden, dass
ihnen kein Rind ausweichen kann. Ideal
ist es, wenn alle Tiere die Wannen durchqueren müssen, um zum Futtertisch bzw.
zur Tränke zu gelangen.
Dies war zunächst nicht der Fall, was
sich schnell als „Bumerang“ herausstellen sollte. Die Klauenbäder wurden zuerst so aufgestellt, dass die Wannen mit
dem Klauenbad von den Jungrindern lediglich als Hindernis angesehen wurden,
das es gekonnt zu umgehen bzw. zu überspringen galt. Statt zu einer Verbesserung der Klauengesundheit führte diese
Behandlungsstrategie zu einer deutlichen Zunahme der Erdbeerkrankheit.
Plötzlich war jedes zweite Tier (55 %!),
erkrankt – trotz sofortiger Behandlung
mit einem Antibiotika-Spray. Gleichzeitig stieg auch die Erkrankungsrate im
Kuhstall wieder an. Eine deutliche Besserung stellte sich erst ein, als die Klauenbäder im Rinderstall optimal in die
Übergänge zwischen den Laufgängen
eingepasst wurden.
Mit Einführung der Klauenbäder sank
die Befallsrate im Milchviehstall
zunächst bis auf etwa zehn Prozent ab. Durch die regelmäßige
und konsequente Behandlung
aller Mortellaro-Kühe beim
Klauenschneiden ist es gelungen, die Krankheitsrate noch
weiter, bis auf vier Prozent bei
den Kühen bzw. bis auf sechs Prozent bei
den Rindern, zu verringern.
Empfehlungen
für die Praxis
Mortellaro können Sie in den Griff
bekommen, wenn Sie die folgenden
Maßnahmen beachten:
■ Kontrollieren Sie regelmäßig die Klauen der Kühe und Rinder. Führen Sie regelmäßig eine funktionelle Klauenpflege
durch. Aus Zeitmangel unterbleibt häufig
die notwendige Kontrolle. Nicht selten
wird die Klaue erst dann hoch gehoben,
wenn das Tier offensichtlich lahmt.
■ Halten Sie die Laufflächen sauber und
trocken, das macht die Böden trittsicherer und verhindert das Ausrutschen und
damit die Verletzungsgefahr der Tiere.
Bewegung ist wichtig für die Kühe, sie
fördert die Durchblutung und den Stoffkreislauf. Auf der Weide laufen die Tiere bis zu 12 km täglich, im Stall jedoch oft
nur maximal bis zu 2,6 km.
■ Richten Sie regelmäßig Klauenbäder
ein. Wichtig dabei ist, dass Sie die vom
Hersteller angegebene Dosierung beachten! Das Mischungsverhältnis muss bei
einem Wechsel der eingesetzten Produkte erneut überprüft werden. Die benötigten Wannen sollten etwa 3 bis 5 m lang,
1 bis 2 m breit und ca. 15 cm tief sein.
Wenn die Wannen im Abtrieb des Melkstandes platziert werden, können grob
verschmutzte Klauen bereits im Melkstand gesäubert werden.
■ Achten Sie auf weiche und trockene
Liegeflächen. Bewährt haben sich eingestreute Tiefboxen sowie mit Matratzen
ausgestattete Hochboxen, sofern diese
eingestreut werden. Beim Liegen entlasten die Kühe sowohl die Klauen als auch
die Gelenke. Hinzu kommt, dass Klauen
auf trockenen Liegeflächen schneller abtrocknen, was wiederum zu einer Keimreduzierung führt.
■ Achten Sie auf eine angepasste Rationsgestaltung. Fütterungsfehler leisten
der Entstehung von Klauenerkrankungen Vorschub.
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