GESUNDHEIT R I N D Trockene und saubere Laufflächen sind Voraussetzung für eine gute Klauengesundheit. Fotos: Archiv, Wangler So haben wir das Mortellaro-Problem gelöst Auf dem Landesgut in Dummerstorf ist es gelungen, die Befallsrate von Mortellaro drastisch zu senken. Es berichtet Anke Wangler, Landesforschung Mecklenburg-Vorpommern, Dummerstorf. Typischer Anblick: Die kreisrunde, „erdbeerartige“ Veränderung im Zwischenballenbereich fällt sofort ins Auge. O bwohl viele Milchviehbetriebe in den vergangenen Jahren erheblich in den Kuh-Komfort investiert und die Haltungsbedingungen den gestiegenen Anforderungen ihrer Hochleistungskühe angepasst haben, hat sich die Klauengesundheit der Kühe nicht verbessert. Im Gegenteil: Der Anteil der Tiere, die wegen Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen aus den Beständen abgehen, ist weiter angestiegen. Besonders in leistungsstarken Betrieben und großen Herden haben die Probleme zugenommen. Untersuchungen in Norddeutschland haben ergeben, dass Mortellaro (Dermatitis digitalis), landläufig auch Erdbeerkrankheit genannt, die häufigste Unterfußerkrankung bei Milchkühen ist. Mortellaro tritt besonders häufig in Laufställen auf. Die genaue Erkran- R 12 top agrar 6/2003 wurden für die 320 Kühe und die Jungrinder neue Haltungsbedingungen geschaffen (Neubau eines Boxenlaufstalles für Milchvieh, Umbau des alten Kuhstalles für Rinder). Gleichzeitig wurde zu diesem Zeitpunkt damit begonnen, die Klauen aller Kühe und Jungrinder regelmäßig zu kontrollieren bzw. deren Gesundheitsstatus zu erfassen. Dabei stellte sich heraus, dass nicht nur 21 Prozent aller Milchkühe von der Mortellaro’schen Krankheit befallen waren, sondern dass auch mit 30 Prozent überdurchschnittlich viele Jungrinder erkrankt waren. Schieberfrequenz erhöht kungsursache ist noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich bildet das Zusammenwirken mehrerer Risikofaktoren wie z. B. ungenügende Hygiene, Fütterungsfehler und mangelnde Klauenpflege die Grundlage für die Entstehung dieser Krankheit. 30 % der Jungrinder betroffen Man geht davon aus, dass bereits etwa 60 Prozent aller Herden im Norden mit Mortellaro-Erregern infiziert sind, der Anteil latent erkrankter Tiere einer Herde beträgt mindestens 10 bis 12 %. Das Problem ist, dass sich die Krankheit im Bestand schnell ausbreitet. Dies war auch auf dem Landesgut in Dummerstorf der Fall. Im Sommer 2000 Mit den im Folgenden beschriebenen Maßnahmen ist es jedoch gelungen, die Erkrankungsrate bei den Milchkühen bis auf vier Prozent abzusenken – und anschließend auch auf diesem niedrigen Niveau zu halten: Bei der erstmaligen Befunderhebung (Klauenkontrolle) stellten wir fest, dass die am Stallende aufgestallten Kühe die höchste Befallsrate aufwiesen. In dieser Gruppe waren 30 Prozent aller Kühe an Mortellaro erkrankt. Die „ungünstigen“ Haltungsbedingungen (nasse, verschmutzte Laufflächen in unmittelbarer Nähe des Abwurfschachtes des Faltschiebers), deuteten auf eine bakterielle Infektion als Krankheitsauslöser hin. Um den Keimdruck zu mildern, wurde deshalb im ersten Schritt die Faltschieberfrequenz erhöht. Die Schieber wurden so eingestellt, dass sie alle 30 Minuten anlaufen. Die Standzeit zwischen zwei Räumdurchgängen beträgt nur zehn Minuten. Gleichzeitig wurde auch damit begonnen, die Übergänge und die Zutriebswege zum Melkstand mindestens ein Mal täglich von Hand abzuschieben. Vorwartehof, Melkstand und Rücktriebswege werden sogar drei Mal täglich, zwischen den Melkzeiten, gereinigt. Damit wird sichergestellt, dass auch die altmelkenden Kühe den Melkstand „trockenen Fußes“ erreichen. Sie müssen nicht mehr ständig durch den Kot und Urin der anderen 215 Kühe laufen, die vorher bereits zum Vorwartehof bzw. zum Melkstand getrieben wurden. Klauenbäder eingerichtet Durch die Verbesserung der Stallhygiene konnte die Mortellaro-Erkrankunksrate auf 15 Prozent (Februar 2002) gesenkt werden. Damit lag sie noch immer deutlich über dem angestrebten Wert von zehn Prozent. Der „durchschlagende“ Erfolg stellte sich erst mit der Durchführung regelmäßiger Klauenbäder im Milchvieh- und im Rinderstall ein. Die Kühe werden zwei Mal pro Woche (montags und freitags), nach jeder Melkzeit, durch das Klauenbad getrieben. Die Klauenbadlösung, ein Gemisch aus je 3 % Formalin und Kupfersulfat, wird täglich neu angesetzt. Zur groben Vorreinigung der Klauen wird dem Klauenbad eine Wanne mit klarem Wasser vorgeschaltet. Im Jungrinderstall wird das Klauenbad im Abstand von 14 Tagen für je zwei Tage eingerichtet. Wichtig ist, dass die Wannen im Rinderstall so in die Laufund Fressgänge eingepasst werden, dass ihnen kein Rind ausweichen kann. Ideal ist es, wenn alle Tiere die Wannen durchqueren müssen, um zum Futtertisch bzw. zur Tränke zu gelangen. Dies war zunächst nicht der Fall, was sich schnell als „Bumerang“ herausstellen sollte. Die Klauenbäder wurden zuerst so aufgestellt, dass die Wannen mit dem Klauenbad von den Jungrindern lediglich als Hindernis angesehen wurden, das es gekonnt zu umgehen bzw. zu überspringen galt. Statt zu einer Verbesserung der Klauengesundheit führte diese Behandlungsstrategie zu einer deutlichen Zunahme der Erdbeerkrankheit. Plötzlich war jedes zweite Tier (55 %!), erkrankt – trotz sofortiger Behandlung mit einem Antibiotika-Spray. Gleichzeitig stieg auch die Erkrankungsrate im Kuhstall wieder an. Eine deutliche Besserung stellte sich erst ein, als die Klauenbäder im Rinderstall optimal in die Übergänge zwischen den Laufgängen eingepasst wurden. Mit Einführung der Klauenbäder sank die Befallsrate im Milchviehstall zunächst bis auf etwa zehn Prozent ab. Durch die regelmäßige und konsequente Behandlung aller Mortellaro-Kühe beim Klauenschneiden ist es gelungen, die Krankheitsrate noch weiter, bis auf vier Prozent bei den Kühen bzw. bis auf sechs Prozent bei den Rindern, zu verringern. Empfehlungen für die Praxis Mortellaro können Sie in den Griff bekommen, wenn Sie die folgenden Maßnahmen beachten: ■ Kontrollieren Sie regelmäßig die Klauen der Kühe und Rinder. Führen Sie regelmäßig eine funktionelle Klauenpflege durch. Aus Zeitmangel unterbleibt häufig die notwendige Kontrolle. Nicht selten wird die Klaue erst dann hoch gehoben, wenn das Tier offensichtlich lahmt. ■ Halten Sie die Laufflächen sauber und trocken, das macht die Böden trittsicherer und verhindert das Ausrutschen und damit die Verletzungsgefahr der Tiere. Bewegung ist wichtig für die Kühe, sie fördert die Durchblutung und den Stoffkreislauf. Auf der Weide laufen die Tiere bis zu 12 km täglich, im Stall jedoch oft nur maximal bis zu 2,6 km. ■ Richten Sie regelmäßig Klauenbäder ein. Wichtig dabei ist, dass Sie die vom Hersteller angegebene Dosierung beachten! Das Mischungsverhältnis muss bei einem Wechsel der eingesetzten Produkte erneut überprüft werden. Die benötigten Wannen sollten etwa 3 bis 5 m lang, 1 bis 2 m breit und ca. 15 cm tief sein. Wenn die Wannen im Abtrieb des Melkstandes platziert werden, können grob verschmutzte Klauen bereits im Melkstand gesäubert werden. ■ Achten Sie auf weiche und trockene Liegeflächen. Bewährt haben sich eingestreute Tiefboxen sowie mit Matratzen ausgestattete Hochboxen, sofern diese eingestreut werden. Beim Liegen entlasten die Kühe sowohl die Klauen als auch die Gelenke. Hinzu kommt, dass Klauen auf trockenen Liegeflächen schneller abtrocknen, was wiederum zu einer Keimreduzierung führt. ■ Achten Sie auf eine angepasste Rationsgestaltung. Fütterungsfehler leisten der Entstehung von Klauenerkrankungen Vorschub. top agrar 6/2003 R 13