ADHS und Persönlichkeitsstörungen – Entwicklungswege und

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ADHS und Persönlichkeitsstörungen –
Entwicklungswege und
Differentialdiagnose
8. Kinder- und Jugendpsychiatrischer
Nachmittag
Dr. Marc Allroggen
8. Juni 2016
Conflict of interests
Research grants: Bayerisches Landesjugendamt, Stiftung Hänsel & Gretel,
BMBF, MWK BW;
Payments for lectures and publications, travel grants: Boehringer Ingelheim,
ZfP Süd-Württemberg, VHS Böblingen, ZHP BW, Dreiländerinstitut, amyna e. V.,
Profecta AG, La Strada e. V., Infokoop Künzelsau, Akademie Wissenschaftliche
Weiterbildung Ludwigsburg, MWV, Regierungspräsidium Tübingen, Universität
Tübingen, Landesakademie für Fortbildung Esslingen, Akademie für
Lehrerfortbildung Dillingen, Fachhochschule St. Pölten;
Clinical trials: Sub-Investigator Boehringer Ingelheim, Janssen CILAG, Shire,
Universität Ulm;
Diese Veranstaltung findet mit freundlicher Unterstützung der Firma
Shire statt.
Dr. Marc Allroggen
Dr. Marc Allroggen
Übersicht
1. Einleitung und Definitionen
1.1 Persönlichkeitsstörungen
1.2 ADHS
2. Borderlinepersönlichkeitsstörung
3. Differentialdiagnose und Überschneidungen
Dr. Marc Allroggen
1.1 Persönlichkeit – eine Definition (Fiedler, 1995)
Summe von charakteristischen Verhaltensweisen und
Interaktionsmustern,
mit
denen
der
Mensch
gesellschaftlich kulturellen Anforderungen und
Erwartungen zu entsprechen versucht und seine
zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Suche
nach einer persönlichen Identität mit Sinn zu füllen
versucht.
Dr. Marc Allroggen
1.1 Persönlichkeitsstörungen – Definition (ICD-10)
Eine Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch
rigide und wenig angepasste Verhaltensweisen,
die eine hohe zeitliche Stabilität aufweisen,
die situationsübergreifend auftreten,
die zu persönlichem Leid oder gestörter sozialer
Funktionsfähigkeit führen.
Es handelt sich um ein tief verwurzeltes, anhaltendes Verhaltensmuster
mit starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale
Lebenslagen. Betroffen sind Wahrnehmen, Denken, Fühlen und
Beziehungen zu anderen.
Die Störung beginnt in der Kindheit oder Adoleszenz und dauert bis ins
Erwachsenenalter an. Das Stellen der Diagnose einer
Persönlichkeitsstörung vor dem Alter von 16 oder 17 Jahren ist
wahrscheinlich unangemessen.
Dr. Marc Allroggen
1.1 Persönlichkeitsstörungen – Diagnostische Kriterien (ICD-10)
1. Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungsund Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutlich
von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben ab. Diese
Abweichung äußert sich in mehreren Bereichen: Kognition,
Affektivität, Impulskontrolle und/oder Beziehungsgestaltung
2. Die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende
Verhalten in vielen persönlichen und sozialen Situationen
unflexibel, unangepasst oder unzweckmäßig ist.
3. Es bestehen persönlicher Leidensdruck oder nachteiliger
Einfluss auf die soziale Umwelt.
4. Die Abweichung ist stabil und hat im späten Kindesalter oder der
Adoleszenz begonnen.
5. Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer
anderen psychischen Störung erklärt werden.
6. Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche
Funktionsstörung des Gehirns müssen als mögliche Ursache
ausgeschlossen werden.
Dr. Marc Allroggen
1.1 Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen (nach Schmeck et al., 2009)
Dr. Marc Allroggen
Allgemeinbevölkerung
Klinische Stichprobe
Irgendeine PS
(Erwachsene)
5 – 10 %
Bis 50 %
Irgendeine PS
(Jugendliche)
10 - 17 %
25 – 30 %
Paranoide PS
0,4 – 2,4 %
11 – 22 %
Schizoide PS
0,5 – 0,9 %
1,8 %
Dissoziale PS
1,5 – 3,7 %
1,6 – 18,2 %
Emotional-instabile PS
1,3 – 1,8 %
14 – 20 %
Histrionische PS
2,1 – 3 %
4,3 %
Zwanghafte PS
1,7 – 6,4 %
3,6 – 9 %
Selbstunsichere PS
0,4 – 1,3 %
11 – 15,2 %
Abhängige PS
1,6 – 6,7 %
4,6 – 20 %
1.1 Persönlichkeitsstörungen im ICD-10 und DSM 5
DSM 5
ICD-10
Cluster A
(sonderbar – exzentrisch)
Paranoide PS (301.0)
Schizoide PS (301.20)
Schizotype PS (301.22)
Paranoide PS (F60.0)
Schizoide PS (F60.1)
Schizotype PS (F21)
Cluster B
(dramatisch-emotional)
Antisoziale PS (301.7)
Borderline PS (301.83)
Histrionische PS (301.50)
Narzisstische PS (301.81)
Dissoziale PS (F60.2)
Emotional instabile PS
(F60.3)
Histrionische PS (F60.4)
Narzisstische PS (F60.81)
Cluster C
(ängstlich-vermeidend)
Vermeidende PS (301.82)
Abhängige PS (301.6)
Zwanghafte PS (301.4)
Vermeidende PS (F60.6)
Abhängige PS (60.7)
Zwanghafte PS (60.5)
Dr. Marc Allroggen
1.1 Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Narzisstische Persönlichkeitsstörung gemäß DSM-5
1. hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit
2. ist stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht,
Schönheit oder idealer Liebe
3. glaubt von sich besonders und einzigartig zu sein und nur von ganz wenigen
besonderen Personen verstanden zu werden
4. verlangt nach übermäßiger Bewunderung
5. zeigt übertriebene Erwartungen, hohes Anspruchsdenken
6. ist in zwischenmenschlichen Beziehung ausbeuterisch, eigennützig
7. zeigt Mangel an Empathie, ist nicht Willens, Gefühle und Bedürfnisse anderer
zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
8. ist häufig neidisch auf andere oder glaubt andere seien neidisch auf ihn
9. zeigt arrogante überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen
Dr. Marc Allroggen
1.1 Persönlichkeitsstörungen im DSM-5
Allgemeine
Kriterien
Kriterium A
Beeinträchtigungen in der
Selbst- u.
Beziehungsfähigkeit
(Identität, Selbststeuerung,
Empathie, Vertrautheit)
Kriterium B
Pathologische
Persönlichkeitsmerkmale
(25 Faszetten in 5
Domänen)
Kriterium
C und D:
Durchgängigkeit und Stabilität
Kriterium
E, F & G:
Alternative Erklärungen für die Persönlichkeitspathologie;
Kriterium G z.B. Identitätskrise
Dr. Marc Allroggen
1.1 Level of Personality Functioning Scale: Kriterium A Selbst
Identität
Selbststeuerung
L0: Bewusstsein eines einzigartigen Selbst,
Selbstvertrauen, Fähigkeit zum Erleben der ganzen
Bandbreite der Emotionen
L0: Zielsetzung im Einklang mit eigenen Fähigkeiten,
angepasstes Verhalten, reflektiert eigene Erfahrungen
bezüglich Bedeutung
L1: relativ intaktes Gespür für das eigene Selbst, die IchGrenzen nehmen unter Stress an Klarheit ab,
Selbstvertrauen schwankt, starke Emotionen werden
leidvoll erlebt mit herabgesetzter Bandbreite
L1: Übertrieben zielorientiert, Ziele stehen im Konflikt,
unrealistisch oder sozial unpassende persönliche
Standards, der Selbstreflektion fähig, aber einseitig (sehr
emotional, sehr intellektuell)
L2: eigenen Identität hängt sehr von anderen ab mit
unzureichender Grenzziehung, vulnerables
Selbstvertrauen, Abhängigkeit von Anerkennung,
Emotionsregulation setzt externale Bestätigung voraus
L2: Ziele orientieren sich an externaler Anerkennung,
übertriebene persönliche Standards (muss etwas
besonderes sein, Anderen gefallen), Mangel an
Authentizität, eingeschränkte Selbstreflektion
L3: Geringes Gespür für Autonomie u. eigene
Agentenschaft, brüchige oder fehlende Ich-Grenzen,
gestörtes Selbstbild, welches durch andere bedroht
erlebt wird, Emotionen unpassend zum Kontext, rasch
wechselnde Gefühle oder chron. Verzweiflung
L3: Schwierigkeiten persönliche Ziele zu entwickeln und
zu verfolgen, persönliche Standards sind unklar oder
widersprüchlich, eingeschränkte Fähigkeit der
Selbstreflektion oder eigene mentale Prozesse zu
verstehen
L4: Fehlendes Gefühl eines einzigartigen Selbst, eigene
Agentenschaft wird als fehlend erlebt oder organisiert,
externale Verfolgung, brüchige Ich-Grenzen, gestörtes,
leicht als durch Andere bedroht erlebtes Selbstbild,
Emotionen nicht kongruent mit Kontext oder innerem
Erleben, Hass und Aggression als dominante Affekte
L4: Schwache Differenzierung zwischen Gedanken und
Handlungen, eingeschränkte Fähigkeit zur Setzung von
Zielen, inkohärente Ziele, fehlende persönliche
Standards, fehlende Selbstreflektion, fehlende oder als
fremd erlebte persönliche Motive
(0=nicht gestört bis 4=extrem gestört)
Dr. Marc Allroggen
(0=nicht gestört bis 4=extrem gestört)
1.1 Level of Personality Functioning Scale: Kriterium A
Beziehung
Empathie
Nähe
(0=nicht gestört bis 4=extrem gestört)
(0=nicht gestört bis 4=extrem gestört)
L0: Fähigkeit die Erfahrung und Motive Anderer zu
verstehen, wertschätzt Perspektiven Anderer auch bei NichtZustimmung, ist sich der Wirkung eigener Handlungen auf
Andere bewusst
L0: Verfügt über mehrere befriedigende u. stabile
Beziehungen, engagiert sich in mehreren nahen und
reziproken Beziehungen, strebt nach Kooperation
L1: etwas eingeschränkt in der Fähigkeit, die Erfahrungen
anderer zu verstehen, erlebt Andere als übertrieben in ihren
Erwartungen oder kontrollierend, Inkonsistenz bezüglich der
Einschätzung der eigenen Wirkung auf andere
L1: ist in der Lage, stabile Beziehungen einzugehen mit
Einschränkung in Tiefe ohne Befriedigung, Fähigkeit und
Wunsch nach intimen/reziproken Beziehungen, aber
eingeschränkt im Ausdruck und verunsichert bei starken
Emotionen oder Konflikten, Defizite in Kooperationsfähigkeit,
unrealistische Standards
L2: Überanpassung an Wünsche Anderer in so weit als sie
für sich selbst bedeutsam, erlebt haben, hohe
Selbstbezogenheit, kein Bewusstsein für die Wirkung auf
Andere oder unrealistische Einschätzungen der eigenen
Wirkung auf Andere
L2: ist in der Lage Beziehungen zu knüpfen, aber sie können
oberflächlich sein, Beziehungen dienen Selbstwertregulation,
Wunsch perfekt verstanden zu werden, wenige reziproke
Beziehungen, dienen eigenen Zielen
L3: Eingeschränkte Fähigkeit, die Erfahrungen und Motive
Anderer zu verstehen, Meinungsverschiedenheiten werden
als bedrohlich erlebt, Konfusion über die Wirkung auf
Andere, Anderen werden bösartige Motive unterstellt
L3: Wunsch nach Beziehungen, aber beeinträchtigte
Fähigkeit, zufriedene u. stabile Beziehungen zu führen,
Wechsel zwischen Angst vor Zurückweisungen und Wunsch
nach Verbindung, Andere werden v.a. in Bezug auf sich
Selbst wahrgenommen
L4: Völlige Unfähigkeit, die Erfahrungen u. Motive anderer
zu verstehen, keine Wahrnehmung für die Perspektiven
Anderer, soziale Interaktionen werden verwirrend erlebt
L4: Wunsch nach Beziehungen ist begrenzt aus Angst oder
Desinteresse. Beziehungsaufnahme ist desorganisiert, kühl
oder durchgehend negativ, keine reziproken Beziehungen,
Beziehungen werden nur in Bezug auf eigene Bedürfnisse
wahrgenommen
Dr. Marc Allroggen
1.1 Trait domains and facets
Trait Domains
Facets
Negative Affektivität vs. Emotionale
Stabilität
Emotionale Labilität, Ängstlichkeit,
Trennungsangst, Feindseeligkeit,
Unterwürfigkeit, Depressivität,
Perseveration, Argwohn, expressive
Affektivität
Distanziertheit vs. Extraversion
Rückzug, Vermeidung von Intimität,
Anhedonie, Depressivität, geringe
Affektivität, Argwohn
Antagonismus vs. Verträglichkeit
Manipulativ, Falschheit, Grandiosität,
heischend nach Aufmerksamkeit,
Gefühllosigkeit, Feindseligkeit
Enthemmung vs. Gewissenhaftigkeit
Unverantwortlichkeit, Impulsivität,
Ablenkbarkeit, Risikosuche, Mangel an
rigidem Perfektionismus
Psychotizismus vs. Klarheit
Ungewöhnliche Annahmen und
Erfahrungen, Exzentrizität, kognitive &
perzeptuelle Dysregulation
Dr. Marc Allroggen
1.1 Kriterium A Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Mindestens mäßige Beeinträchtigung in 2
der folgenden Bereiche:
Identität
Exzessive Abhängigkeit der
Selbstwertregulation von
anderen; Emotionsregulation
spiegelt Schwankungen des
Selbstwertes wider
Selbststeuerung
Ziele orientieren sich an
externaler Anerkennung,
übertriebene persönliche
Standards (muss etwas
Besonderes sein, Anderen
gefallen)
Eingeschränkte Fähigkeit,
sich mit Gefühlen und
Bedürfnissen anderer zu
identifizieren oder diese zu
erkennen; Über- oder
Unterbewertung der eigenen
Wirkung auf Andere
Empathie
Vertrautheit
Dr. Marc Allroggen
Beziehungen dienen der
Selbstwertregulation,
oberflächlich
1.1 Kriterium B Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Grandiosität (Antagonismus): offen oder verdeckte
Anspruchshaltung, Gefühl der Überlegenheit
Aufmerksamkeitssuche (Antagonismus): Suche nach
Bewunderung und Zentrum der Aufmerksamkeit
Dr. Marc Allroggen
Übersicht
1. Einleitung und Definitionen
1.1 Persönlichkeitsstörungen
1.2 ADHS
2. Borderlinepersönlichkeitsstörung
3. Differentialdiagnose und Überschneidungen
Dr. Marc Allroggen
1.2 AD(H)S - Kernsymptome
Hyperaktivität
fein- und grobmotorische Unruhe
Kraft und Tempo schlecht dosiert
Verhalten nicht situationsgerecht
Impulsivität
Probleme bei der Selbstkontrolle
Mangel an vorausschauender Planung
geringe Frustrationstoleranz
schnelle Stimmungswechsel
Unaufmerksamkeit
Aufmerksamkeitsstörung
Ablenkbarkeit
Mangel an zielgerichteter Aktivität
Dr. Marc Allroggen
1.2 ADHS - epidemiologische Prävalenz
5,3%
Polanczyk et al., Int J Epidemiol, 2014
Polanczyk et al., Am J Psychiatry, 2007
Kein Hinweis auf Veränderung der Prävalenz über die letzten 30 Jahre
Dr. Marc Allroggen
1.2 AD(H)S - Diagnosestellung
Symptome situationsübergreifend
–
Schule, zuhause, Untersuchungssituation
abnormes Ausmaß für Entwicklungsstand
Beginn vor dem 7. LJ (Alter) – (im DSM-5: vor dem 13. LJ)
mindestens seit 6 Monaten (Dauer)
Diagnosestellung (Leitlinien der DGKJPP):
1. Symptomatik (Exploration)
2. Entwicklungsgeschichte (biographische Anamnese,
Temperament, Beginn und Verlauf der Symptomatik)
3. Psychiatrische Komorbidität (Sozialverhalten, Teilleistungen,
Tics, Angst, Depression)
4. Störungsspezifische Rahmenbedingungen (Fremdanamnese,
körperlich-neurologische Untersuchung, Erziehung)
5. Testpsychologische Diagnostik (Intelligenz, Teilleistungen,
Entwicklungsstand)
6. Apparative Labordiagnostik (Schilddrüsenfunktion, EEG)
7. Differentialdiagnostik
Dr. Marc Allroggen
1.2 Klassifikation nach ICD-10/DSM-5
ICD-10
DSM-5
Einfache Aktivitäts- und
Aufmerksamkeitsstörung (F90.0)
Gemischtes Erscheinungsbild
(314.01)
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens (F90.1)
Vorwiegend hyperaktiv-impulsives
Erscheinungsbild (314.01)
Sonstige hyperkinetische
Störungen (F90.8)
Sonstige hyperkinetische
Störungen (314.01)
Nicht näher bezeichnete
hyperkinetische Störungen
(F90.9)
Nicht näher bezeichnete
hyperkinetische Störungen
(314.01)
Aufmerksamkeitsstörung ohne
Hyperaktivität (F98.8)
Vorwiegend unaufmerksames
Erscheinungsbilde (314.00)
Dr. Marc Allroggen
1.2 ADHS - Genetik
familiär gehäuftes Auftreten, Jungen häufiger betroffen
Erkrankungsrisiko bei erstgradig Verwandten von Kindern
mit ADHS zwei- bis achtfach erhöht
– Geschwister: Prävalenz 2-4fach erhöht
– Eltern: Prävalenz 8-10x höher
Kinder betroffener Erwachsener in 40-60% der Fälle
selbst betroffen
Adoptionsstudien: stärkerer genetischer als
Umwelteinfluss („shared environment“)
Vererbbarkeit 76 % (Faraone et al., 2005)
Dr. Marc Allroggen
1.2 Hinreifung
Regions where the ADHD group
had delayed cortical maturation
N=223/Gruppe
Shaw et al., 2007
Dr. Marc Allroggen
1.2 Neurobiologie
Banaschewski et al. (2004): Neurobiologie der Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörung (ADHS) Kindheit und Entwicklung 13(3), 2004; 137-147
Dr. Marc Allroggen
1.2 Behandlung der ADHS
Multimodale Behandlung mit
- Psychoedukation
- Elterntraining/-beratung
- Selbstinstruktions-/Konzentrationstraining
- Pharmakotherapie (z. B. Stimulantien, Atomoxetin,
Guanfacin)
Dr. Marc Allroggen
Übersicht
1. Einleitung und Definitionen
1.1 Persönlichkeitsstörungen
1.2 ADHS
2. Borderlinepersönlichkeitsstörung
3. Differentialdiagnose und Überschneidungen
Dr. Marc Allroggen
2. Borderline Persönlichkeitsstörung
Diagnostische Kriterien gemäß DSM-5 (1)
Ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in
zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den
Affekten sowie von deutlicher Impulsivität.
5 der folgenden 9 Kriterien müssen erfüllt werden:
1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes
Verlassenwerden zu vermeiden
2. Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher
Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen
Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist
3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität
des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung
4. Impulsivität in mindest zwei potenziell selbstschädigenden
Bereichen (Geldausgaben, Sexualität, Substanzmissbrauch,
rücksichtloses Fahren, Fressanfälle)
Dr. Marc Allroggen
2. Borderline Persönlichkeitsstörung
Diagnostische Kriterien gemäß DSM-5 (2)
5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen
oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten
6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der
Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie,
Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmung gewöhnlich
einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern)
7. Chronisches Gefühle von Leere
8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut
zu kontrollieren (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut,
wiederholte körperliche Auseinandersetzungen)
9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide
Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome
Dr. Marc Allroggen
2. BPD Diagnostische Kriterien DSM 5 – Alternatives
Modell
Mittelgradige oder stärkere Beeinträchtigung in zwei der
folgenden Bereiche:
a) Identität (instabiles oder wenig entwickeltes Selbstbild, innere
Leere, dissoziative Symptome)
b) Selbststeuerung (Instabilität in Zielsetzung,
Wertvorstellungen etc.)
c) Empathie (Eingeschränkte Fähigkeit, die Bedürfnisse
anderer Personen zu erkennen, Überempfindlichkeit)
d) Nähe (instabile zwischenmenschliche Beziehungen)
Mindestens 4 der folgenden Persönlichkeitsmerkmale (darunter
mindestens 1 der gekennzeichneten Merkmale):
Emotionale Labilität, Ängstlichkeit, Trennungsangst,
Depressivität, Impulsivität, Neigung zu riskantem Verhalten,
Feindseligkeit
Dr. Marc Allroggen
2. Persönlichkeitsstörungen – Entstehungsmodell (Beauchaine et al.,
2009)
Dr. Marc Allroggen
2. Stabilität von PD Merkmalen
Kann die Diagnose bei Jugendlichen gestellt werden?
Stigmatisierung
Behinderung in der Entwicklung, da PD als lebenslanges und
wenig veränderbares Schicksal angesehen wird
Persönlichkeit von Kindern u. Jugendlichen schwankt stark, es
können keine starren Verhaltensmuster gefunden werden, wie
es gefordert wird
Dr. Marc Allroggen
2. Stabilität von PD-Merkmalen
Stabilität von Persönlichkeitsmerkmalen nimmt mit dem Alter zu, ist aber bereits
im Kindergartenalter (r=.52) moderat vorhanden (im Vergleich Erwachsenenalter
r=.62) (Caspi et al., 2005)
Borderline-Symptome sind bereits im Kindesalter standardisiert und valide
erfassbar - im Vergleich zu Erwachsenen
häufiger: Ärger, Stimmungsschwankungen
seltener: Identitätsstörungen, Impulsivität, Dissoziation (Zanarini et al. 2011)
Anzahl von PD Merkmalen nimmt im jungen Erwachsenenalter ab (Gutierrez et al.,
2012)
Aus: Gunderson, 2009
Dr. Marc Allroggen
2. Borderline Persönlichkeitsstörung – Behandlungsansätze
(Gunderson, 2016)
Dr. Marc Allroggen
2. Borderline Persönlichkeitsstörung – Pharmakotherapie
Hinweise auf Wirksamkeit für
Interpersonelle Probleme: Aripiprazol, Valproat
Affektive Dysregulation: Haloperidol, Aripiprazol,
Stimmungstabilisatoren
Impulsivität: Flupentixol, Aripiprazol, Stimmungstabilisatoren,
Omega-3-Fettsäure
Wahrnehmungsstörung: Arpiprazol, Olanzapin
Keine Empfehlung für:
SSRI und Polypharmakotherapie
Dr. Marc Allroggen
Übersicht
1. Einleitung und Definitionen
1.1 Persönlichkeitsstörungen
1.2 ADHS
2. Borderlinepersönlichkeitsstörung
3. Differentialdiagnose und Überschneidungen
Dr. Marc Allroggen
3. Vorläufersymptome von Persönlichkeitsstörungen des
Cluster B
Histrionische Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.4)
→ oberflächliche und labile Affektivität, theatralisches Verhalten,
Suggestibilität, Verlangen nach Anerkennung und äußeren Reizen
→ Vorläufersymptome: ?
Narzisstische Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.8)
→ Gefühl der Großartigkeit, Bedürfnis nach Bewunderung, Mangel an
Empathie
→ Vorläufersymptome: aggressives und delinquentes Verhalten
Dissoziale Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2)
→ Missachtung sozialer Normen und Regeln, geringe
Frustrationstoleranz, Reizbarkeit, fehlendes Schuldbewusstsein
→ Vorläufersymptome: Störungen des Sozialverhaltens
Dr. Marc Allroggen
3. Vorläufersymptome von Persönlichkeitsstörungen des
Cluster B
Borderline Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.31)
→ Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und
in den Affekten, Impulsivität
→ Vorläufersymptome: interpersonelle Schwierigkeiten, Impulsivität,
exzessive Angst, gestörte Realitätsüberprüfung und
Selbstwahrnehmung, emotionale Instabilität, selbstverletzendes
Verhalten, Aufmerksamkeitsstörungen, Störungen des Sozialverhaltens,
posttraumatische Störungen
Dr. Marc Allroggen
3. Vorläufersymptome der Borderline PD
Emotionale Probleme
Impulsivität
Aufmerksamkeitsprobleme
Beziehungsschwierigkeiten
….im Kindesalter zeigen einen
Zusammenhang zu Symptomen einer
BPD im jungen Erwachsenenalter
Carlson et al., 2009
Dr. Marc Allroggen
3. Zusammenhang zwischen PD und ADHS –
Retrospektive Untersuchungen
Erwachsene Patienten mit ADHS
Hoher Anteil an Komorbidität mit
- BPD (37%) und ASPD (30%) (Anckarsäter et al., 2006)
- irgendeiner PD (>50%) (Cumyn et al., 2009)
- irgendeiner PD (50 %) (Männer hauptsächlich NPD, Frauen
hauptsächlich histrionische PD) (Jacob et al., 2014)
Erwachsene Patienten mit BPD
- häufiger retrospektiv ADHS Symptome (60 %) als Patienten
mit anderen oder ohne PD (6-10%) (Fossati et al., 2002)
- Hohe Rate an ADHS in Kindheit (41.5%) und
Erwachsenenalter (16.1%) (Philipsen et al., 2008)
Dr. Marc Allroggen
3. Zusammenhang zwischen PD und ADHS – Prospektive
Untersuchungen
Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeitsproblemen bei 12-Jährigen
und schizotypen, vermeidenden, depressiven und narzisstischen
Persönlichkeitszügen 10 Jahre später (Alvarez-Moya et al., 2007)
Erhöhtes Risiko für Kinder mit ADHS und Persönlichkeitsstörungen in
der Adoleszenz, insbesondere Borderline PD (OR = 13.16), Antisoziale
PD (OR = 3.03), Vermeidende PD (OR = 9.77) und Narzisstischer PD
(OR = 8.69) (im Vergleich zu nicht-klinischer Kontrollgruppe)
Bei persistierender ADHS Symptomatik insbesondere für Antisoziale PD
(OR = 5.26) und Paranoide PD (OR = 8.47) (im Vergleich zu
Jugendlichen mit remittierter ADHS) (Miller et al., 2008)
Kinder mit ADHS zeigen als junge Erwachsene depressive PD (26%),
antisoziale PD (21%), negativistische PD (18%), Borderline PD (14%)
und histrionische PD (12%) (Fischer et al., 2002)
Dr. Marc Allroggen
3. Untersuchung eigener ADHS Patienten (Allroggen, Ludolph, &
Knupfer, 2012)
Dr. Marc Allroggen
3. Zusammenhang zwischen ADHS und BPD Erklärungsmodelle
1) ADHS ist ein Vorläufersyndrom von Persönlichkeitsstörungen
(Caspi et al., 2005)
Beeinträchtigung der sozialen Interaktion
Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung
2) ADHS und Persönlichkeitsstörungen sind unterschiedliche
Phänotypen derselben zugrundeliegenden Störung (Miller et al.,
2008)
Dr. Marc Allroggen
3. Differentialdiagnose (ergänzt nach Philipsen, 2006)
Gemeinsame
Symptome
ADHS
Aufmerksamkeitsstörung
Langeweile, fehlende externe Dissoziation in emotionalen
Stimuli
Stresssituationen
Hyperaktivität
Motorische Unruhe bei
fehlenden externen Stimuli
Unruhe in emotionalen
Stresssituationen
Impulsivität
Selbstschädigende
Verhaltensweisen, Wut/Ärger
Selbstschädigende
Verhaltensweisen, Wut/Ärger
Störungen der Emotionsregulation/Spannungsgefühl
Sensation seeking,
Wut/Ärger
NSSI, Wut/Ärger
Störung der sozialen
Interaktion
Soziale Integrationsprobleme
Instabile Beziehungen
BPD
Chronische Suizidalität
Gefühl der Leere
Dr. Marc Allroggen
(Selbstwertproblematik)
Ängste vor Verlassenwerden
(geringe Selbstwirksamkeitserwartung)
Identitätsstörung
Frühe Symptome einer BPD
Trennungsängste/diffuse
Ängste
Feindseligkeit
Wechselnde
Beziehungsgestaltung (Eltern)
Selbstverletzendes Verhalten
Dr. Marc Allroggen
3. Zusammenfassung und Therapeutische Implikationen
Symptome einer BPD sind im Jugendalter häufig (z. B.
Identitätsstörung, Stimmungsschwankungen, Instabilität in
Beziehungen.
Hohe Überschneidung zwischen Symptomen einer ADHS und
einer BPD (z. B. Impulsivität, Störungen der Emotionsregulation)
Problematische Differentialdiagnose
Trennungsängste/Diffuse Ängste, Feindseligkeit, Wechselnde
Beziehungsgestaltung und Selbstverletzendes Verhalten deuten
auf Vorliegen einer BPD hin.
Dr. Marc Allroggen
3. Zusammenfassung und Therapeutische Implikationen
bei Komorbidität im Jugendalter (insbesondere bei bestandener
kindlicher ADHS)
Konsequente (pharmakologische) Behandlung der
zugrundeliegenden ADHS sowie psychotherapeutische
Behandlung der BPD
Bei Vorherrschen der BPD Symptomatik (insbesondere bei
fehlender sicherer ADHS Diagnose im Kindesalter)
Primäre psychotherapeutische Behandlung der BPD
Dr. Marc Allroggen
Danke für Ihre Aufmerksamkeit
[email protected]
Dr. Marc Allroggen
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