Säugetier-Evolution: Grosse Entdeckungen an der Universität

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RELEASE
Embargo Wednesday 19th October 2011,
19 00
Säugetier-Evolution: Grosse Entdeckungen
an der Universität Lausanne
Arten verändern sich mit der Zeit. Aber wie? Wie haben sich unsere Organe in
den letzten Jahrtausenden entwickelt? Wieso ist das menschliche Gehirn so viel
komplexer als dasjenige anderer Säugetiere? Was unterscheidet den Menschen vom
Schimpansen? Eine internationale, breit angelegte Studie, unter der Leitung von
Prof. Henrik Kaessmann und seinem Team vom Zentrum für Integrative Genomik
(CIG) an der Universität Lausanne (UNIL) und dem SIB Schweizerischen Institut für
Bioinformatik gewährt neue Einblicke in den genetischen Ursprung der SäugetierEvolution. Tatsächlich haben es die Forscher geschafft, zum ersten Mal überhaupt die
Gen-Aktivität von sechs verschiedenen Organen in neun unterschiedlichen SäugetierArten zu vergleichen. Diese bedeutenden Ergebnisse werden heute als Leitartikel im
angesehenen Wissenschafts-Journal Nature publiziert.
Säugetiere haben viele gemeinsame Eigenschaften: das Säugen von Jungtieren, Haare, und ein
verhältnismässig grosses Gehirn, um nur einige zu nennen. Sie haben aber auch über die Zeit
für jede Art eigenständige Merkmale entwickelt. Um möglichst alle drei zur Zeit bekannten
Untergruppen der Säuger abzudecken, arbeiteten die Forscher in Lausanne mit Plazentatieren
(Maus, Rhesus-Affe, und Menschenaffe, sowie dem Menschen selbst), mit Beuteltieren
(Opossum) und mit Kloakentieren (Schnabeltier). Ein Hauptaugenmerk wurde auf folgende
sechs wichtigen Organe gelegt: der Grosshirnrinde, dem Kleinhirn, dem Herzen, der Niere, der
Leber und den Hoden.
Direkte Verfolgung der Gen-Expression
Die Gen-Expression liefert Erkenntnisse darüber, in welchen Organen und mit welcher Intensität
ein spezifisches Gen übersetzt wird. Bis kürzlich konnte die Gen-Expression nur mithilfe von
DNA-Chips gemessen werden, eine Technologie, die an ihre Grenzen stiess, wenn man
entfernt verwandte Arten miteinander vergleichen wollte. Aus diesem Grund waren bis anhin
nur Studien zwischen nah verwandten Arten, wie dem Menschen und dem Schimpansen,
durchgeführt worden.
Um den Umfang der Studie auszuweiten, bediente sich das Team der “RNA-Seq” Methode, die
durch den Einsatz von NextGen-Sequenziertechnologie das direkte Sequenzieren von MessengerRNA erlaubt. Die Messenger-RNA ist eine temporäre Kopie eines Teils der Erbsubstanz, die einem
oder mehrerer Gene entspricht, und die von der Zelle als Zwischenprodukt zur Synthese von
Proteinen gebraucht wird. „Indem wir die Messenger-RNA sequenzieren, verfolgen wir direkt
die Expression eines Gens. Auf diese Weise war es uns möglich, zu bestimmen, welche Gene
wirklich exprimiert wurden, und somit auch welche Proteine in den einzelnen Organen gebraucht
werden“ erklärt Henrik Kaessmann. „Darüber hinaus lieferte uns diese neue Technik sowohl
quantitative als auch qualitative Daten über die Gen-Expression. Somit erhielten wir nicht nur
Aufschluss darüber, in welchen Organen einzelne Gene aktiv waren, sondern auch mit welcher
Intensität sie exprimiert wurden.“ Den Forschern gelang es sogar die Existenz bisher unbekannter
Gene vorherzusagen, Gene, deren Funktion es noch zu bestimmen gilt.
Um die enormen Mengen an Daten, die mit der RNA-Seq Methode generiert wurden, zu
analysieren, machte das Team von der Informatik Infrastruktur der Vital-IT Plattform des SIB und
den Sequenziermaschinen der Genomik Plattform des CIG gebrauch – eine Zusammenarbeit die
von Erfolg gekrönt wurde.
Hirnzelle oder Leberzelle: eine Frage der Gen-Expression
Die Studie erstreckte sich über zweieinhalb Jahre und bestätigte, dass auf der Ebene der
verwendeten Gene die Unterschiede zwischen den Organen einer Spezies bedeutend grösser
sind als die Unterschiede, die zwischen dem selben Organ in verschiedenen Arten zu finden
sind. Mit anderen Worten heisst das, obwohl menschliche Hirnzellen exakt das gleiche Erbgut
wie menschliche Leberzellen aufweisen, sind diese beiden Organe völlig verschieden in Bezug
auf die Aktivität der einzelnen Gene, während das menschliche Hirn diesbezüglich trotz
unterschiedlichem Erbgut ähnlich funktioniert wie das Hirn eines Schnabeltiers. „Dies lässt sich
dadurch erklären, dass die Differenzierung von Organen in der Evolution viel früher stattfand als
die Artentrennung in den Säugern“ erläutert Henrik Kaessmann.
Die Forscher analysierten die Daten für jedes Organ einzeln, um den Grad der Evolution der
verschiedenen Spezies zu ermitteln. „Wir erkannten, dass der Verwandtschaftsgrad – die
phylogenetische Verwandtschaft – in allen Organen dieselbe ist. Anders ausgedrückt heisst
das, die Verwandtschaftsbeziehungen aus dem Vergleich der Gen-Expression zwischen den
verschieden Spezies widerspiegelten für jedes Organ genau den Platz, den die einzelnen Spezies
im genetischen Stammbaum innehaben“ fährt Professor Kaessmann fort.
Contacts
Prof. Henrik Kaessmann :
+41 79 903 18 70,
[email protected]
Schnelle Entwicklung im Hoden, langsame im Gehirn
Die Forscher hofften auch die Evolutionsrate der einzelnen Organe zu bestimmen, indem sie die
Veränderungen in der Gen-Expression über einen gewissen Zeitraum verfolgten. „Die Daten
über das Gehirn lieferten uns erstaunliche Resultate, die zeigten, dass es sich extrem langsam
entwickelte“, sagt Henrik Kaessmann. „Dies lässt sich dadurch erklären, dass dieses Organ
unzählige lebenswichtige Funktionen steuert und ausführen muss, was wenig Spielraum für
Veränderungen zulässt. Im völligen Gegensatz dazu haben die Hoden eine rasante Entwicklung
durchgemacht, was teilweise auf den starken Selektionsdruck auf die Fortpflanzung durch den
Wettbewerb zwischen den Männchen zurückzuführen ist.“
Géraldine Falbriard,
Relations médias UNIL :
+41 79 897 30 14
[email protected]
Irène Perovsek,
Head of communication SIB
Swiss Institute of Bioinformatics :
+41 21 692 40 54
[email protected]
Die Eigenheiten der einzelnen Säugerspezies verstehen
Abschliessend waren die Forscher der Universität Lausanne zusammen mit dem Team um
Prof. Sven Bergmann (Departement für Medizinische Genetik, UNIL, und SIB) in der Lage,
Veränderungen in der Aktivität der Gene zu identifizieren, die möglicherweise zur spezifischen
Entwicklung der Eigenschaften eines jeden der sechs untersuchten Organe beitrugen – so zum
Beispiel die hohe Komplexität des menschlichen Gehirns oder gewisse Besonderheiten der Hoden
des Schnabeltiers. „Ziel unserer Forschung ist es, den Ursprung für die Merkmale, die Säuger
von anderen Lebewesen unterscheiden, und im speziellen die menschlichen Eigenschaften, zu
verstehen“, schlussfolgert Henrik Kaessmann.
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