Maritime Wirtschaft Branchen und Sektoren, die dank des Meeres Geschäfte machen, sind so vielfältig, wie die Bevölkerung an sei­ nen Küsten. Mit von der Partie: Deutschlands leistungsstarke maritime Wirtschaft und Forschung. Dabei geht es um weit mehr, als nur die Nutzung einer Ressource. Ein Meer voller Chancen| © pixabay - Hans Die Weltmeere sind Handelswege, Nahrungslieferanten, Energieproduzenten, Erholungs- und Freizeitzonen – ein enormes Reservoir biologischer, mineralischer, energetischer Quellen. Zugleich dienen sie unfreiwillig als Müll- und Kohlendioxidschlucker, büßen als Opfer von Überfischung und Klimaerwärmung ihre Artenvielfalt ein. Als gigantische und dennoch empfindliche Lebensräume stabilisieren die Meere in erheblichem Maß das Weltkli­ ma und stellen dadurch menschliches Überleben sicher. Eine einheitliche Definition aller Wirtschaftsaktivitäten mit Meeresbezug steht noch aus. Die Rede ist eher tech­ nikorientiert von maritimer Wirtschaft, mehr ozeanorientiert von mariner Wirtschaft. Unter Betonung der Nach­ haltigkeitsaspekte wird von blauer Wirtschaft gesprochen, in alles umfassender Weise zunehmend auch von Ocean Economy oder Meereswirtschaft. Traditionell gehören dazu Schifffahrt und Schiffbau, Seehäfen und Werften, Meerestechnik, handwerklicher und industrieller Fischfang samt Verarbeitung, Offshoreölgewinnung und -gasgewinnung, Meeres- und Strandtourismus. Es tauchen neue Felder auf, die die Meereswirtschaft erwei­ tern und verwandeln: Offshorewindenergie, Wellen- und Gezeitenkraftwerke, Tiefseeerdölextraktion, Hochsee­ aquakultur, Meeresbergbau, marine Biotechnologien, Trinkwassergewinnung, Ozeanvermessung und -observa­ tion, Meeresentmüllung und Meeresschutz. Manche Segmente wiederum befinden sich noch in der Geburtspha­ se. Zu ihnen zählt die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Kohlen­ 1 www.gtai.de stoffabscheidung und -speicherung oder das Management von Meeresschutzzonen. Ein riesiges Arbeitsfeld Erstmals hat die OECD jetzt weltweit die einzelnen Aktivitäten der Meereswirtschaft nach ihrer Bruttowert­ schöpfung gewichtet. Insgesamt, so die konservative Einschätzung, geht es jährlich um 1,5 Billionen US-Dollar an Bruttowertschöpfung mit einer Verdopplung bis 2030. Zweige, die Millionen von Familien betreffen wie der handwerkliche Fischfang, oder solche mit hohem Wachstumspotenzial wie die blaue Biotechnologie sind dabei noch nicht einmal enthalten. Aus dieser Weltperspektive haben die Erdöl- und Gasgewinnung offshore mit gut einem Drittel das größte Gewicht, gefolgt vom Küstentourismus, den Hafenaktivitäten und der Herstellung ma­ ritimer Technik und Ausrüstungen. Für 2030 ergibt sich ein verändertes Bild. Bis dahin wird der Anteil der Öl- und Gasgewinnung offshore abneh­ men und hinter den Tourismus zurückfallen. Die geförderten Mengen aber nehmen weiter zu und dies unter im­ mer schwierigeren und riskanteren Bedingungen, wie Projekte in Mexiko und Norwegen zeigen. Kräftig zulegen dürfte den Prognosen zufolge die Offshorewindenergie, die schon heute in der Europäischen Union (EU) 75.000 Menschen beschäftigt. Überdurchschnittlich entwickelt sich im Umfeld steigender Nachfrage und sinkender Wildfischbestände die marine Aquakultur. Die EU hat dabei Nachholbedarf und fördert die Ausweitung nach­ haltiger Aquakultur, wie etwa in Portugal und Kroatien. Im Hinblick auf neue Wirkstoffe für Medikamente, Ma­ terialien, Kosmetika oder Nahrungsmittel ragt die Meeresbiotechnologie hervor. Da das Festland als Wirtschaftsraum weitgehend vermessen und erschlossen ist, nimmt die Bewirtschaftung der Meere zu. Druck machen die Globalisierung mit weiterwachsenden Handelsströmen und die Bevölkerungszu­ nahme mit ungestilltem Hunger nach Nahrungsmitteln, Energie und anderen Rohstoffen. Gleichzeitig rückt der Ozean immer stärker ins Klimaschutzbewusstsein – als Klimaregulierer und als Betroffener der globalen Erwär­ mung. Das im November 2016 in Kraft getretene Weltklimaabkommen von Paris erwähnt ihn erstmals aus­ drücklich als zu bewahrendes und in seiner Biodiversität zu schützendes Ökosystem. Im Spannungsfeld zwi­ schen Bewirtschaftung und Bewahrung, Nutzung und Übernutzung, Profit und Schutz zeichnen sich neue Ein­ satzfelder ab. Der Trend geht zu Technologien und Verfahren, die das Potenzial der Ozeane nachhaltiger und – angesichts fataler Erdölkatastrophen oder Schiffsemissionen – sicherer erschließen. Sie tragen dazu bei, Schä­ den unter Einsatz von Sensoren, Satellitentechnik und Drohnen zu bemessen, zu kontrollieren und im Idealfall zu verringern – etwa durch Nachzucht und Aufstockung der Fischbestände oder den Abbau der schwimmenden Plastikhalden. 1,5 Billionen US-Dollar beträgt die jährliche Bruttowertschöpfung der Ocean Economy laut OECD. Dieser Wert könnte sich bis 2030 verdoppeln. Industrie 4.0 unter dem Meer Mit zunehmender Meerestiefe steigen die technischen Hürden, Umwelt- und Sicherheitsrisiken. Diese Probleme sowie die Möglichkeiten von Digitalisierung und Automatisierung fordern schon lange bestehende wie junge Branchen, allen voran die Offshorezulieferindustrien, die Hersteller maritimer Ausrüstungen und die Meeresfor­ schung in all ihren Facetten, heraus. Als Schlüsseltechnologien im Rahmen der Hightechstrategie der Bundesre­ gierung gelten maritime Technologien als Innovationstreiber und werden durch einen Masterplan unterstützt. Die alle zwei Jahre in Hamburg stattfindende Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft SMM, Messe für Schiff­ bau, Maschinen und Meerestechnik, spiegelte im September 2016 die Metamorphose, welche die Schifffahrt durch Digitalisierung, Automatisierung und verschärfte Emissions- wie Sicherheitsanforderungen durchläuft. 2 www.gtai.de Green Shipping im Sinne einer Verminderung der Umweltbelastungen durch die Schifffahrt etwa über alternati­ ve Antriebe (Flüssigerdgas, batteriegestützte Hybridsysteme), ist eine Forschungsrealität. Auch scheint die Zu­ kunft autonom gesteuerter Schiffe nicht mehr fern. In der EU bringen vom Meer abhängige Wirtschaftstätigkei­ ten 5,4 Millionen Arbeitsplätze und drei bis fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Eine Strategie für Blaues Wachstum setzt seit Ende 2012 auf eine verantwortungsvolle Bewirtschaftung der Meere, die im EU-Rahmen­ haushalt bis 2020 mit 6,5 Milliarden Euro gefördert wird – Nachhaltigkeit, die zum Wettbewerbsvorteil europäi­ scher Unternehmen geraten soll. Text: Miriam Neubert, Germany Trade & Invest Madrid Anteile der Sektoren an der weltweiten Bruttowertschöpfung der Meereswirtschaft 2010 und 2030 (in %) Sektor 2010 2030 Durchschnittliches jährliches Wachstum der Bruttowertschöpfung 2010 bis 2030 Industrieller Fischfang 1 2 4,1 Industrielle marine Aquakultur <1 <1 5,7 Industrielle Fischverarbeitung 5 9 6,3 Küsten- und Meerestourismus 26 26 3,5 Offhore Öl- und Gasgewinnung 34 21 1,2 Offshore Windenergie 1 8 24,5 Hafenaktivitäten 13 16 4,6 Schiffbau und -reparatur 4 3 2,9 Maritime Ausrüstungen 11 10 2,9 Schifffahrt 5 4 1,8 Insgesamt 100 100 3,5 1) Für 2010 wird von einem Umfang der Bruttowertschöpfung der Meereswirtschaft in Höhe von 1,5 Billionen US-Dollar ausgegangen. Für 2030 lautet die konservative Prognose in konstanten Preisen des Jahres 2010 auf 3 Billionen US-Dollar. Nicht eingeschlossen sind handwerklicher Fischfang und -verarbeitung, Beratungs- und Fi­ nanzdienstleistungen, Meeresobservation und marine Biotechnologie. Quelle: OECD, Publikation The Ocean Economy in 2030, April 2016 3 www.gtai.de Liste der Studien und Reports über ökonomische Eigenschaften der Blauen Wirtschaft OECD-Report The Ocean Economy in 2030 (April 2016) Maritime Agenda und Strategie des Blauen Wachstums der EU Aktuelle Informationen der Deutschen Koordinierungsstelle zum Weltklimarat IPCC Foto: pixabay/Hans KONTAKT Sofia Hempel +49 (0)228 24 993-215 Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch teilweise – nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. © 2017 Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bun­ destages. 4 www.gtai.de