Allgemeine Informationen zur Lebertransplantation im Kindesalter Bei der Lebertransplantation wird dem Empfänger im Regelfall immer die gesamte Leber entfernt. Das transplantierte Organ kann dagegen entweder eine ganze Leber oder auch ein Teilorgan darstellen. Dies hängt zum einen von der Größe des Kindes, aber auch von dem Angebot von „Eurotransplant“ (der europäischen Vergabestelle für Organe) und der Transplantationsdringlichkeit des Kindes ab. Bei kleinen Kindern wird oftmals aufgrund der geringeren Körpergröße nur der linke bzw. linkslaterale Leberlappen eines erwachsenen Spenders transplantiert (Split-Technik-> Trennung der Leber in zwei transplantierbare Teile). In den Abbildungen 1 und 2 finden Sie eine schematische Darstellungen des LeberSplittings. Mit der Split-Technik hat man die Möglichkeit, mit einer Leber einem Kind (linker Leberlappen) und einem Erwachsenen (rechter Leberlappen) helfen zu können. Darüber hinaus ist es möglich, dass Eltern oder nahe Angehörige einem Kind einen Teil ihrer eigenen Leber spenden. Voraussetzung für eine sogenannte Lebendspende ist, dass sie die gleiche Blutgruppe haben, gesund sind und kein erhöhtes Risiko für Komplikationen während und nach der Operation haben. Zum Beispiel würde man ungern eine Mutter als Spenderin nehmen, die zu Thrombosen neigt. Oberstes Gebot bei Lebendspenden ist, dass die Gesundheit des Spenders nicht gefährdet wird. Der Hauptvorteil bei der Leberteil-Lebendspende ist die zeitliche Planbarkeit der Transplantation, somit also die Verkürzung der Wartezeit, beziehungsweise die Transplantation des Kindes im eventuell besseren Allgemeinzustand. Es ist eine Frage der Abwägung dieser Vorteile für das Kind gegenüber den Belastungen und dem Risiko für den Spender. Genauere Informationen zum Thema Lebendspende finden Sie hier. Wie bei jeder Operation besteht auch bei der Transplantation ein Risiko zu versterben, auch wenn dieses heutzutage sehr gering ist. Dieses Risiko hängt unter anderem davon ab, wie weit fortgeschritten die Lebererkrankung zum Zeitpunkt der Transplantation ist oder welche weiteren Erkrankungen der Patient an anderen Organen aufweist. Insgesamt sind die Gesamtergebnisse der Lebertransplantation im Kindesalter jedoch als sehr gut zu bezeichnen mit einem Langzeitüberleben von über 90%. In der vor der Transplantation wird jeder Patient über sein individuelles Risiko aufgeklärt. Dieses geschieht, sobald alle Voruntersuchungen abgeschlossen sind und der Patient auf die Warteliste aufgenommen wird. Nach der Lebertransplantation müssen die Kinder verschiedene Medikamente einnehmen, damit sie die neue Leber nicht abstoßen. Dazu gehören sogenannte Immunsuppressiva wie Ciclosporin A (CsA, Sandimmun® Optoral) oder Tacrolimus (FK506, Prograf®), Kortison, Aspirin zur Blutverdünnung und Ursodeoxycholsäure (Ursofalk®) zur Anregung des Galleflusses, eventuell auch noch Diuretika zur Wasserausschwemmung. Darüber hinaus ist die Therapie mit einem nebenwirkungsarmen Antikörper (Basiliximab; Simulect®) zur Reduktion von Abstoßungsreaktionen inzwischen bei kindlichen Empfängern Standard. Diese Antikörper werden nur zwei Mal in der frühen Phase nach Transplantation gegeben. Am Anfang müssen die kleinen Patienten relativ viele Medikamente einnehmen, im Laufe der Zeit können diese zunehmend abgesetzt oder reduziert werden. Wenn alles „normal“ verläuft, kann zum Beispiel nach einem Jahr das Kortison und das Aspirin ganz abgesetzt werden. Nach heutigem Stand der Wissenschaft muss jedoch ein stärkeres Medikament zur Unterdrückung der Körperabwehr lebenslang weitergegeben werden, zumeist ist dies Ciclosporin A oder Tacrolimus. Generell kann man aber sagen, dass in den bundesdeutschen Transplantationszentren eher eine niedrigere Immunsuppression angestrebt wird, um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten. Evaluation Patienten, die sich hinsichtlich einer Lebertransplantation informieren möchten bzw. die von ihren Ärzten zur Beratung oder Durchführung einer Lebertransplantation aufgefordert werden, sollten sich in unserer Ambulanz zunächst für ein Vorgespräch vorstellen. Hierfür ist eine telefonische Terminvereinbarung unbedingt notwendig. In akuten Fällen kann auch eine sofortige stationäre Verlegung notwendig werden. Für eine Erstvorstellung sollten alle medizinischen Unterlagen vom Kinder- oder Hausarzt und von den vorbehandelnden Kliniken unbedingt mitgebracht werden. Wird bei der ambulanten Vorstellung festgestellt, dass eine Lebertransplantation innerhalb der nächsten Jahre notwendig scheint, erfolgt die Durchuntersuchung (= Evaluation) zur Listung zur Lebertransplantation. Hierzu werden die Patienten in der Regel stationär in der Kinderklinik des UKE aufgenommen. Welche Untersuchungen notwendig sind, um das OP-Risiko einer Transplantation einzuschätzen, wird prinzipiell individuell festgelegt. Nach den erfolgten Voruntersuchungen für eine Transplantation erfolgen die chirurgische Operationsaufklärung, die Narkosearztaufklärung zur Transplantation sowie eine Aufklärung von Seiten der Kinderhepatologen. Des Weiteren werden unsere Transplantationskoordinatoren jeden Patienten betreffend aller organisatorischen Punkte im Zusammenhang mit der Listung und der Lebertransplantation informieren. Für ausländische Patienten ist darüber hinaus das International Office des UKE für alle organisatorischen Fragen zuständig. Komplikationen nach pädiatrischer Lebertransplantation Akute Abstoßungen Diese treten bei jedem dritten bis vierten Kind auf, bei Säuglingen seltener als bei größeren Kindern. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die neue Leber verloren geht. Es muss dann die Abwehr des Körpers stärker unterdrückt werden, z. B. durch eine mehrtätige Kortisontherapie. Sollte hiermit die Abstoßung nicht gut in den Griff zu bekommen sein, muss eventuell die Dauertherapie ganz umgestellt werden (z. B. von Ciclosporin auf Tacrolimus) oder durch weitere Immunsuppressiva wie Azathioprin (Imurek®), Mycophenolat Mofetil (Cellcept®) oder Everolimus (Certican®) erweitert werden. Für letztgenanntes Medikament liegen jedoch noch keine ausreichenden Daten vor. Eine akute Abstoßung ist bei uns nur sehr selten Grund für einen Transplantatverlust. Eine chronische Abstoßung tritt inzwischen bei Säuglingen in ca. 15% der Fälle auf (bei größeren Kindern bis zu 20%) und kann dann Grund für eine erneute Lebertransplantation sein. Die genauen Ursachen hierfür sind noch weitestgehend unklar. Chirurgische Komplikationen Trotz der verbesserten Operationstechniken ist es oft nicht möglich, ein optimal passendes Organ zu transplantieren. Bei Kindern besteht jedoch eher die Situation, dass ein Spenderorgan relativ zu groß ist. Darüber hinaus führt die Operation häufig zu einer vorübergehenden Schwellung der neuen Leber. Dies zusammen resultiert in einer sogenannten Large-for-size-Situation (= zu großes Organ für zu wenig Platz im Bauch) mit der Gefahr einer schlechten Durchblutung der Leber sowie Ausbildung von Gefäßverschlüssen. Bei ungefähr der Hälfte der Patienten unter einem Jahr wird daher der Bauch zunächst nicht ganz verschlossen, sondern ein sogenannter „Goretex®-Patch“ (eine Art sterile Plastikhaut) eingelegt, der nach einigen Tagen wieder operativ entfernt werden kann. Dies ist relativ unkompliziert möglich und stört die Patienten wenig. In vielen Zentren sind gerade bei Säuglingen Gefäßverschlüsse in den neuen Gefäßverbindungen ein großes Problem. Um dies zu verhindern, bekommen die kleinen Patienten zunächst Heparin über die Vene und später Aspirin zum Schlucken. Bereits während der Transplantation wird ein Ultraschall der Leber durchgeführt, um eine schlechte Durchblutung möglichst frühzeitig festzustellen. Diese Kontrollen werden nach der Operation auf Station engmaschig fortgeführt. Weitere typische chirurgische Komplikationen, die zu erneuten Operationen führen können, sind Galleleckagen (Galleflüssigkeit läuft in den Bauchraum), Darmperforationen (kleinere Löcher im Darm) und Blutungen aus neuen Gefäßverbindungen oder Schnittflächen. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass nicht wenige Patienten ein weiteres Mal operiert werden müssen. Infektionen Da insbesondere kleine Patienten ein relativ unreifes Immunsystem haben und darüber hinaus oft geschwächt durch die Lebererkrankung in die Transplantation gehen, sind sie danach sehr anfällig für Infektionen. In der Mehrzahl der Fälle sind diese bakterielle Infektionen gefolgt von Virus- und Pilzinfektionen. Je höher die Dosis der das Immunsystem unterdrückenden Medikamente, desto gefährdeter ist ein Patient für Infektionen. Leider können die Infektionen auch so schlimm verlaufen, dass ein Kind daran versterben kann. Dies kommt jedoch insgesamt sehr selten vor. Um dies zu verhindern, bekommen die Kinder prophylaktisch direkt nach der Operation Antibiotika, und die Entzündungswerte im Blut werden oft kontrolliert. Hier spielt natürlich auch die Erfahrung der betreuenden Schwestern und Ärzte eine große Rolle. Posttransplantationslymphom (PTLD) Bekommt ein Patient immunsuppressive Medikamente, ist er gefährdet, im Verlauf nach der Transplantation eine Art Lymphdrüsenkrebs zu entwickeln, ein sogenanntes Posttransplantationslymphom. Dieses Risiko ist besonders hoch, wenn Kinder nach der Transplantation eine Infektion mit Ebstein-Barr-Virus (EBV) durchmachen und zeitgleich besonders hohe Dosen von Ciclosporin A oder Tacrolimus (z. B. aufgrund wiederholter Abstoßungen) einnehmen müssen. Da in Deutschland meist eine niedrige Immunsuppression bevorzugt wird, kommt das Posttransplantationslymphom bei uns kaum noch vor. Während in anderen Ländern fast jedes fünfte Kind davon betroffen war, ist es bei uns nur circa jedes fünfzigste Kind. Bluthochdruck und Nierenfunktionsstörungen Ein Bluthochdruck ist eine typische Nebenwirkung einer Therapie mit Ciclosporin, Tacrolimus und Steroiden. Im Vergleich zu anderen Ländern kommt dieser bei uns wegen der relativ niedrigen Medikamentenspiegel relativ selten vor. Von unseren kleinen Patienten musste nur jeder zwanzigste dauerhaft wegen eines Bluthochdruckes behandelt werden. Im Vergleich dazu war dies in anderen Ländern (z. B. USA) jeder dritte Patient. Die Ursache hierfür liegt höchstwahrscheinlich in der höheren Basis-Immunsuppression anderer Zentren. Ebenfalls zu achten ist auf die Nierenfunktion, die unter Ciclosporin und Tacrolimus beeinträchtigt sein kann. Tritt eine Nierenfunktionsstörung dauerhaft auf, sollte die immunsuppressive Therapie angepasst werden, z. B. niedrigere Medikamentenspiegel von Ciclosporin toleriert und eventuell zur zusätzlichen Abstoßungsunterdrückung ein weiteres Medikament, wie z. B. Azathioprin (Imurek®) eingenommen werden. Nachsorge In der Regel sind die Patienten bei einem unkomplizierten Verlauf für ca. 3-4 Wochen nach der Lebertransplantation in der UKE-Kinderklinik stationär. Zunächst werden sie einige Tage auf der Kinder-Intensivstation betreut, später dann auf unseren Normalstationen. Es können jedoch im Verlauf verschiedene Komplikationen auftreten, die im individuellen Fall zu einem etwas längeren stationären Aufenthalt führen können. Nach Entlassung erfolgt die Betreuung der frisch transplantierten Kinder entweder direkt in unserer Ambulanz oder wird in engmaschiger Rücksprache mit uns durch die betreuenden Kinderärzte oder heimatortnahen Ambulanzen durchgeführt. Im ersten Vierteljahr nach Transplantation kann dieses sogar manchmal 2 Mal wöchentliche Besuche erfordern. Anschließend verlängert sich der Abstand der notwendigen Kontrolluntersuchungen immer weiter bis zu einem 3-Monatsintervall. Hinweise zur Verlaufskontrollen sowie allgemeinen Empfehlungen nach überstandener Lebertransplantation finden Sie auch in unserem Elternmerkblatt unter der Rubrik Patienteninformation. Wichtig sind gerade zu Beginn nach der Transplantation engmaschige Kontrollen der Leberwerte sowie der Medikamentenspiegel, um Abstoßungsreaktionen rechtzeitig zu erkennen. Darüber hinaus können alle immunsuppressiven Medikamente auch unerwünschte Wirkungen aufweisen, die ebenfalls im Blick behalten werden müssen und gegebenenfalls eine Anpassung oder Umstellung der Therapie notwendig machen können. Im Langzeitverlauf ist eine stationäre Verlaufskontrolle bei uns nach 6 Monaten sowie dann bei unkompliziertem Verlauf in jährlichen Abständen nach der Lebertransplantation, sogenannte Jahreskontrollen, wünschenswert. Im Rahmen der Jahreskontrolle wird zum einen die Transplantatfunktion überprüft, jedoch auch die allgemeine psychomotorische Entwicklung und Wachstum dokumentiert. Die Ultraschalluntersuchung durch unsere erfahrenen Kinderradiologen kann frühzeitig Veränderungen der Transplantatdurchblutung sowie Strukturauffälligkeiten nachweisen. Darüber hinaus empfehlen wir auch bei einem unkomplizierten Verlauf in 3-jährlichen Abständen eine Leberbiopsie zur Beurteilung der Transplantathistologie, da man nicht alle Veränderungen mittels Ultraschall bzw. an Hand der Laborparameter erkennen kann. So kann ein Patient trotz normaler Leberwerte eine leichte akute oder chronische Abstoßung entwickeln, die gegebenenfalls zu einer Medikamentenanpassung oder –umstellung führen kann. Wichtig ist zudem auch die Kontrolle der Nierenfunktion, da diese durch die immunsuppressive Therapie geschädigt werden kann. Merkblatt für die Eltern Hinweise für die Zeit nach der Transplantation sowie allgemeinen Empfehlungen nach überstandener Lebertransplantation finden Sie auch in unserem Elternmerkblatt unter der Rubrik Patienteninformation.