Universitätsspital Bern Hôpital universitaire de Berne Lebertransplantation Information für Patienten und Angehörige Oktober 2006 Petra Bischoff Lebertransplantation im Inselspital Bern Die Leber • Anatomie • Funktion • Zeichen der Lebererkrankung Lebererkrankungen • Virale Hepatitis • Gallenwegserkrankungen • Stoffwechselerkrankungen • Alkoholische Leberkrankheit • Autoimmune Leberzirrhose • Blut- and gefäßbedingte Leberzirrhose • Leberzirrhose unbekannter Ursache • Akutes Leberversagen Zeichen der Lebererkrankung • Portale Hypertonie • Oesophagusvarizenblutung • Aszites • Hautveränderungen Kriterien, Ausschlusskriterien und Risikofaktoren zur Lebertransplantation Vor der Transplantation • Warum ist eine Transplantation notwendig? • Abklärung zur Lebertransplantation • Das Transplantationsteam • Die Zeit auf der Warteliste Die Transplantation • Der Ruf ins Spital • Operationsvorbereitungen • Die Lebertransplantation Nach der Transplantation • Die Intensivstation • Medizinische and pflegerische Betreuung auf der Transplantations-Abteilung • Visiten • Labortests, Untersuchungen • Vorbereitung auf die Entlassung • Wieder „normal“ leben • Kontrollen im Hepatologischen Ambulatorium Medikamente and Komplikationen • Richtlinien • Information über spezielle Medikamente• • Postoperative Komplikationen Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 2 Lebertransplantation im Inselspital Bern Die erste Lebertransplantation (=OLT = Orthotope LeberTransplantation) in der Schweiz wurde 1983 im Inselspital Bern durchgeführt. Das Überleben der Patienten nach Lebertransplantation hat sich im Lauf der vergangenen 20 Jahre ständig verbessert. Durch die Standardisierung der Operationstechnik, Fortschritte in der Intensivmedizin und Anästhesie sowie verbesserte Immunosuppressiva ist die Lebertransplantation heute die Therapie der Wahl für Lebererkrankungen im Endstadium. Noch vor wenigen Jahren dauerte die Operation 10 bis 15 Stunden, es mußten große Mengen Blut- und Blutpräparate verabreicht werden und die Patienten waren nach der Transplantation häufig viele Wochen hospitalisiert. Heute läßt sich eine Lebertransplantation durchaus mit jedem anderen grossen Baucheingriff vergleichen. Die Operation dauert zwischen 3 bis 6 Stunden, der Aufenthalt auf der Intensivstation beträgt 1 bis 2 Tage. Im Durchschnitt können die Patienten nach 10 bis 14 Tagen nach Hause entlassen werden. Das 1-Jahresüberleben, der an unserer Klinik transplantierten Patienten beträgt über 94% und übertrifft damit bei weitem den internationalen Durchschnitt. Wenige Wochen nach der OLT sind 95% der Patienten unabhängig von fremder Hilfe wie z.B. Familienangehörige, Haushaltshilfe oder Spitex und können innerhalb weniger Monate ihrem Beruf wieder nachgehen. Die Leber Anatomie Die Leber ist mit ca. 1500 g das größte und eines der komplexesten Organe des menschlichen Körpers. Sie liegt im rechten Oberbauch unter dem Zwerchfell und reicht hinüber bis in den linken Oberbauch. Die Leber ist unterteilt in zwei große Lappen, dem rechten und dem linken Leberlappen. An der sogenannten Leberpforte (Leberhilus) treten Gefässe in die Leber ein, während der Gallengang sie hier verläßt. Die Leberarterie versorgt die Leber mit sauerstoffreichem Blut, die Pfortader, führt der Leber „verunreinigtes" Blut aus den Bauchorganen zur Entgiftung zu. Die obere und untere Hohlvene transportiert sauerstoffarmes Blut aus der unteren Körperregion in Richtung Herz/Lunge. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 3 Das Lebergewebe besteht aus unzähligen Funktionseinheiten, den sogenannten Leberläppchen. Diese Leberläppchen wiederum werden von Millionen von Leberzellen (Hepatozyten) gebildet. Die Leberzellen sind umgeben von einem Netzwerk mikroskopisch kleiner Gefässe and Gallengangskanälchen. Der große Gallengang leitet die in den Leberzellen gebildete Galleflüssigkeit in die Gallenblase. Die Gallenblase liegt unterhalb der Leber und dient als Reservoir für die Galleflüssigkeit. Bei Bedarf wird diese Flüssigkeit in den Dünndarm ausgeschüttet, wo sie bei der Verdauung zur Aufspaltung von Nahrungsfetten und zur Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen benötigt wird. Funktion Die Leber erfüllt täglich mehrere hundert Aufgaben, die notwendig sind um den menschlichen Organismus gesund zu erhalten. Einige der wichtigsten Funktionen sind: • Entgiftung von Abbauprodukten des Stoffwechsels, Medikamenten und Giften • Produktion und Ausscheidung der Galle zur Fettverdauung • Produktion von Eiweißstoffen, die zur Blutgerinnung unerläßlich sind • Speicherung von Zuckern, Vitaminen und Eiweissbausteinen • Aufbau und Verwertung von Cholesterin • Infektionsabwehr • Wärmespeicher Eine wichtige Aufgabe erfüllt die Leber bei der Verdauung, sie hilft mit die zugeführte Nahrung in Nährstoffe aufzuspalten und in Energie umzuwandeln. Wenn zum Beispiel bei körperlicher Belastung rasch Energie benötigt wird, wandelt die Leber ihren Vorrat an Glycogen (Speicherform von Glukose) zurück in Zucker und stellt sie dem Körper zur Verfügung. Kohlenhydrate wie sie in Getreideprodukten, Kartoffeln usw. vorkommen werden von der Leber in Glukose aufgespalten und in der Leber und den Muskeln gespeichert. Bei der Absorption (Aufnahme) von fettlöslichen Vitaminen (A, D, E and K) spielt die Galleflüssigkeit eine wesentliche Rolle. Vitamin D ist für den Knochenaufbau notwendig, während Vitamin K für die Blutgerinnung unerläßlich ist. Eine entscheidende Rolle spielt die Leber bei der Abwehr von Infektionen, vor allem bei Infektionen die ihren Ursprung im Darm haben. Etwa die Hälfte der im Körper vorhandenen Fresszellen (Makrophagen) kommen in der Leber vor. Diese Fresszellen sind für die Vernichtung von z.B. Bakterien verantwortlich. Lebererkrankungen Die Leber ist ein Organ mit außerordentlich grossen Reserven. Ohne Beeinträchtigung durch Erkrankungen oder äußere Faktoren (Alkohol, Medikamente, Gifte) bleibt ihre Funktion bis ins hohe Alter vollständig erhalten. Als einziges Körperorgan verfügt die Leber über die bemerkenswerte Fähigkeit zur vollständigen Regeneration. Dieses Phänomen macht es möglich, dass man die Leber eines verstorbenen Spenders für zwei Empfänger teilen kann, oder dass einem Lebendspender ein Teil seiner Leber zur Transplantation entnommen werden kann. Diese Regenerationsfähigkeit ist jedoch nicht unbegrenzt. Durch Krankheiten, oder kontinuierlich zugeführte Schadstoffe verliert die Leber diese Fähigkeit. Das zerstörte Gewebe kann dann nicht mehr durch gesunde Zellen ersetzt werden. Stattdessen kommt es zur Bildung von Narbengewebe (Fibrose) und nachfolgend zur Schrumpfung der Leber (Zirrhose). Mit Fortschreiten der Vernarbung nimmt auch die Funktion der Leber ab. Die Zirrhose ist nicht heilbar. Die Ursachen für eine Leberzirrhose sind vielfältig. Häufig: Selten: Hepatitis C Stoffwechselerkrankungen Hepatitis B Blut- Gefäßerkrankungen Primär biliäre Zirrhose Gallenwegsatresie Primär Sklerosierende Cholangitis Alkohol Zirrhose unbekannter Ursache Akutes Leberversagen Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 4 Virale Hepatitis Bei diesen Infektionen handelt es sich um Leberentzündungen, die durch die Hepatitisviren A, B, C, D und E hervorgerufen werden. Der wesentliche Unterschied zwischen den verschiedenen Hepatitisviren besteht in der Art der Übertragung: • Hepatitis A • Hepatitis B Verunreinigte Nahrungsmittel und Wasser Kontakt mit Blut (z. B. Blutkonserven/Transfusionen;gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln bei Drogenmissbrauch) • Hepatitis C Übertragung wie bei der Hepatitis B • Hepatitis D Infektion ist nur möglich, wenn bereits eine Hepatitis B vorliegt. Die Impfung gegen Hepatitis B schützt auch vor dem D- Virus • Hepatitis E Verunreinigte Nahrungsmittel/Wasser. Ist der Hepatitis A sehr ähnlich. Der Verlauf ist meistens sehr mild and ohne Langzeit schäden. Die meisten Menschen genesen von einer Hepatitis A ohne bleibende gesundheitlichen Folgen. Hepatitis B und C hingegen können nach der akuten Infektion in ein chronisches Stadium übergehen and die Leber dauerhaft schädigen. Vielfach verlaufen diese Hepatitisinfektionen ohne körperliche Beschwerden, die Erkrankung wird erst bemerkt, wenn der Leberschaden schon weit fortgeschritten ist. Leider ist zur Zeit nur bei der Hepatitis A und B eine Impfung möglich. Gallenwegserkrankunqen Die Gallenwegserkrankungen stellen eine sehr häufige Ursache zur Lebertransplantation dar. Durch den anhaltend gestörten Galleabfluss/Gallestau kommt es zu chronischen Entzündungen der Leber mit fortschreitendem Untergang gesunder Leberzellen and damit im Verlauf zu narbigem Umbau (Fibrose) des Gewebes. Primär biliäre Zirrhose (PBZ) Bei der primär biliären Zirrhose handelt es sich um eine chronisch fortschreitende Leberkrankheit, die gekennzeichnet ist durch eine entzündliche Zerstörung der, innerhalb der Leber verlaufenden kleinen Gallengefäße. Die Ursache dieser Erkrankung liegt wahrscheinlich im Immunsystem. Die PBZ ist eine sehr langsam verlaufende Krankheit (10 bis 20 Jahre), die überwiegend bei Frauen auftritt. (Verhältnis Frau/Mann 9:1). Sklerosierende Cholangitis (PSC) Die sklerosierende Cholangitis ist eine chronische Entzündung der inneren und äußeren Gallengänge, die charakterisiert ist durch eine fortschreitende Vernarbung. Bedingt durch die Vernarbung entsteht im Verlauf der Krankheit eine Verengung der Gallengefäße. Die Ursache ist noch weitgehend unbekannt, die Krankheit tritt jedoch besonders häufig im Zusammenhang mit Darmerkrankungen wie der Colitis ulcerosa and dem Morbus Crohn auf. Meist sind junge Männer im Alter zwischen 18 and 40 Jahren von der PSC betroffen. Stoffwechselerkrankungen Zu den wichtigsten Stoffwechselerkrankungen, die eine chronische Schädigung der Leber verursachen können, gehören: Alpha-1-Antitrypsinmangel Hierbei handelt es sich um den Mangel eines in der Leber gebildeten Eiweißstoffes, der die Ausschüttung von Trypsin an falscher Stelle hemmt. Trypsin ist ein Verdauungsenzym, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und für die Aufspaltung von Nahrungseiweiß verantwortlich ist. Liegt ein Mangel an Hemmstoff (Antitrypsin) vor, zerstört das nicht ausreichend inaktivierte Trypsin gesundes Gewebe. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 5 Hämochromatose Die Hämochromatose ist eine vererbte Störung der Eisenaufnahme im Körper, die bevorzugt in Weinbaugebieten auftritt (4 -10 mg Eisen pro 1 I Rotwein). Das überschüssig im Körper angesammelte Eisen lagert sich in verschiedenen Organen, insbesondere in Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse und der Haut (typische Bronzefarbe der Haut) ab. Morbus Wilson Angeborene, vererbte Stoffwechselstörung mit abnormer Kupferspeicherung. Ablagerung des Kupfers im Gewebe von Leber, Gehirn, Augen, Nieren, and Bauchspeicheldrüse. Die Krankheit manifestiert sich bereits im Kindesalter als Lebererkrankung, nach dem 12. Lebensjahr zusätzlich als neurologische Erkrankung mit parkinsonähnlichen Symptomen. Alkoholische Leberzirrhose Die toxische Alkoholgrenze ist individuell verschieden. Sie ist abhängig von Vorerkrankungen, Mangel- oder Fehlernährung sowie Alter and Geschlecht. Frauen haben eine wesentlich geringere Alkoholtoleranz als Männer. Die Alkoholgrenze für Männern liegt bei ca. 60 g Alkohol täglich, bei Frauen lediglich bei 20 g/Tag. Der chronische Alkoholkonsum führt zunächst zur Fettleber, im späteren Verlauf zur Fettleberhepatitis (Fettleber mit entzündlicher Reaktion) und schließlich zur Leberzirrhose. Durch Abstinenz und Behandlung der Symptome erreichen viele Patienten mit alkoholischer Zirrhose eine gute Lebensqualität und benötigen keine Lebertransplantation. Bei Patienten, deren Krankheitszustand sich trotz glaubhafter Abstinenz verschlechtert, wird eine Transplantation in Betracht gezogen. Im Inselspital verlangen wir eine 6-monatige Abstinenz bevor wir mit den Abklärungsuntersuchungen zur Lebertransplantation beginnen. Medikamentös-toxische Lebererkrankungen Eine Vielzahl Medikamente/ Substanzen können eine Leberschädigung herbeiführen. Es sind dies nicht selten Antidepressiva, Beruhigungsmittel, Schmerzmedikamente (besonders Paracetamol), Hormone (Pille, Anabolika), bestimmte Antibiotika, Narkosemedikamente, Antirheumatika sowie Vitamin A (bei übermäßiger Einnahme). Des weiteren können gewerbliche Gifte (z. B. Vinylchlorid, Nitroverbindungen, Tetrachlorkohlenstoff) und Schwermetalle (Blei, Mangan, Eisen, Kupfer, Phosphor) eine schwere Leberschädigung verursachen. Meist rufen diese Stoffe eine Leberentzündung mit Gallestau (häufiges Symptom ist die Gelbfärbung von Haut and Augen) hervor. Durch Verzehr des Knollenblätterpilzes kann eine besonders schwerwiegende Leberzellschädigung auftreten, die nicht selten tödlich verläuft. Autoimmune Leberzirrhose Hierbei handelt es sich um eine Reaktion des Immunsystems, bei der sich Antikörper gegen körpereigene Antigene richten. Dies führt zur Zerstörung der betroffenen Zellen. Von dieser Erkrankung sind zu 80 % Frauen betroffen. In der Hälfte aller Fälle beginnt die Erkrankung vor dem 30. Lebensjahr. Blut- Gefässbedinqte Leberzirrhose Budd-Chiari-Syndrom Die Leberzirrhose wird hervorgerufen durch Thrombosen der Lebervenen. Ursache sind häufig Thromboseneigung bei bestimmten Bluterkrankungen oder die Einnahme von östrogenhaltigen Kontrazeptiva (Pille). Der teilweise oder totale Verschluss der Lebervenen verursacht einen massiven Bluthochdruck im Pfortadersystem (portale Hypertonie). Beim chronischen Verlauf kommt es zur Leberzirrhose (bei großer Leber), Milzvergrößerung und zur Ausbildung von Umgehungskreisläufen. Der akute Verschluss äußert sich durch starke Bauchschmerzen, Lebervergrößerung und kann gelegentlich zum Leberkoma führen. Veno-occlusive Erkrankung Häufig durch östrogenhaltige Kontrazeptiva hervorgerufene Verschlusskrankheit der kleinen Lebervenen. Auch hier kommt es, wie beim Budd-Chiari-Syndrom, zum Pfortaderhochdruck und dadurch zur Ausbildung der Leberzirrhose. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 6 Leberzirrhose unbekannter Ursache (Kryptogene Zirrhose) In ganz seltenen Fällen kommt es vor, dass keine Ursache für die Leberzirrhose gefunden werden kann. Gelegentlich kann die Zirrhose auf dem Boden einer nicht mehr nach zu vollziehenden Stoffwechselerkrankung entstanden sein. Akutes (fulminantes) Leberversagen Als akutes oder fulminantes Leberversagen bezeichnet man den plötzlichen Ausfall aller Leberfunktionen, der durch einen massiven Untergang von Leberzellen verursacht wird, ohne das ein Hinweis auf eine vorbestehende Lebererkrankung vorliegt. Das akute Leberversagen ist eher selten, in etwa 50% aller Fälle tritt es als Folge einer akuten viralen Hepatitis auf. Des weiteren kann ein akutes Leberversagen durch Medikamente wie Paracetamol (Schmerz-Fiebermedikament), Halothan (Narkosegas) Isoniazid (Tuberkulosemedikament) oder Lebergifte ausgelöst werden. Die Krankheit geht einher mit Bewusstseinseintrübung (Verwirrtheitszustände bis zum tiefen Koma), Blutungsneigung, Unterzuckerung, erheblichen Störungen des Säure-Basenhaushalts und Funktionsstörung der Nieren. Die Chancen, dass sich die Leber wieder regeneriert sind sehr gering. Die Sterberate liegt zwischen 70 -90%. Als einzige Therapie kommt hier häufig nur eine notfallmässige Lebertransplantation in Frage. Zeichen der Lebererkrankung Pfortaderhochdruck (Portale Hypertonie) Durch die Zerstörung der Läppchen- und Gefäßstruktur der Leber, einhergehend mit entzündlicher Fibrose und knotiger Vernarbung des Gewebes, kommt es zur Abnahme der Leberfunktion und zur Ausbildung des Pfortaderhochdruckes. Normalerweise fließen ca. 1.5 I Blut pro Minute durch die Leber. 2/3 dieses Blutes kommen aus der Pfortader, das restliche Drittel aus der Leberarterie. Eine Erhöhung des Widerstands in der Pfortader verursacht durch z. B. Zirrhose oder Thrombose, führt zum Pfortaderhochdruck. Als Folge entwickeln sich sogenannte Umgehungskreisläufe (Kollateralen) vom Venensystem der Pfortader zum Venensystem der Vena cava (große Hauptvene des Körpers). Besonders häufig finden sich diese Kollateralen in der Speiseröhre (Oesophagusvarizen), im Magen (Fundusvarizen), am Anus (Hämorrhoiden) und als sogenanntes „Medusenhaupt" auf der Bauchdecke. Oesophagusvarizenblutung Die Blutung aus den Varizen der Speiseröhre (Bluterbrechen) stellt durch den massiven Blutverlust eine lebensbedrohliche Komplikation der portalen Hypertonie dar and muss unverzüglich intensivmedizinisch behandelt werden. Die Behandlung der Oesophagusvarizenblutung besteht in der Blutstillung, Ersatz des Blutverlustes und Maßnahmen zur Vorbeugung eines Komas. Bei nicht beherrschbarer Blutung ist eine NotfallOperation, bei der ein Shunt/Bypass zur Druckentlastung angelegt wird, erforderlich. Zur Vorbeugung der Varizenblutungen werden häufig blutdrucksenkende Medikamente wie z. B. Beta-Blocker eingesetzt. Aszites (Bauchwasser) Aszites tritt am häufigsten in fortgeschrittenen Stadien der Leberzirrhose mit Pfortaderhochdruck, Störungen der Eiweißbildung sowie Störungen des Wasser- und Elektrolyt-Haushalts auf. Ursachen sind zum Einen der Eiweißmangel, insbesondere der Mangel an Albumin verursacht eine Senkung des Kolloid-osmotischen Drucks (normaler Druck ist wichtig für die Gewebswasserbindung und die Wasserausscheidung in der Niere ), zum anderen der erhöhte Druck in der Pfortader und den Lebervenen. Der hohe Druck führt zu einer vermehrten Bildung von Lymphflüssigkeit, die einen wesentlichen Anteil an der Aszitesbildung hat. Ein weiterer Faktor ist die verminderte Ausscheidung von Natrium (= Kochsalz: bindet Wasser und hält es im Körper zurück ) und der damit erhöhte Natriumbestand des Körpers bei tiefer Konzentration im Blutserum. Bei der Behandlung des Aszites stehen zu nächst diätetische und medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund. Es wird eine kochsalzarme Diät verordnet und die tägliche Trinkmenge eingeschränkt. In vielen Fällen ist jedoch zusätzlich eine schonende Ausschwemmung des Wassers mittels harntreibender Medikamente erforderlich. Zirka 95% der Patienten mit Aszites sind mit diesen Maßnahmen gut zu behandeln. Bei ca. 5 % hat diese Therapie keinen Erfolg, man spricht hier von einem therapieresitenten Aszites. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 7 Bei diesen Patienten ist oft eine Shunt- Operation zur Ableitung des Wassers notwendig. Die Aszitespunktion (Ablassen des Aszites mit einer Kanüle) wird durchgeführt, wenn die Atmung durch den prall gefüllten Bauch eingeschränkt ist. Eine ernsthafte Komplikation bei Aszites ist die durch Mikroorganismen hervorgerufene Bauchfellentzündung, die sogenannte spontan bakterielle Peritonitis. Sie äußert sich durch einen harten, gespannten Bauch und verursacht erhebliche Schmerzen. Nach Bestimmung der krankheitsauslösenden Erreger werden gezielt Antibiotika zur Behandlung eingesetzt. Hautveränderungen bei Leberzirrhose Einige der häufig auftretenden äußerlichen Merkmale der Leberzirrhose: Gelbsucht (Ikterus) Gelbfärbung der Haut und der Skleren (Augen) verursacht durch die Cholestase (Gallestauung), tritt bei entzündlichen Schüben der Zirrhose und im Spätstadium der primär biliären Zirrhose auf. Juckreiz (Pruritus) Tritt besonders häufig bei der primär biliären Zirrhose auf und ist ebenfalls ein Zeichen der Gallestauung Gefässspinnen Stecknadelkopfgrosse rote Hautmale (Spider naevi), die durch dieErweiterung kleiner Gefässe (Arterien) entstehen. Vorkommen: Kopf, Brust und Arme Palmarerythem Rötung der Handinnenflächen, besonders am Kleinfingerballen Lacklippen Knallrote, leicht glänzende Lippen Häufig zeigen sich im Endstadium der Leberkrankheit Muskelschwund, reduzierte Muskelmasse und Untergewichtigkeit. Bei Männern können sich in ca. 10% der Fälle Brüste bilden (Gynäkomastie) einhergehend mit Hodenatrophie (Schrumpfung der Hoden) sowie Ausfall der Achsel- und Bauchbehaarung. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 8 Kriterien, Ausschlusskriterien und Risikofaktoren zur Lebertransplantation Kriterien (Indikationen) Die Lebertransplantation ist heute die Therapie der Wahl bei verschiedenen Lebererkrankungen im Endstadium sowie bei akutem Leberversagen. Man unterscheidet 6 Hauptindikationen (Gründe) zur Lebertransplantation. Sind eine oder mehrere dieser Symptome vorhanden, qualifiziert der Patient für eine Lebertransplantation: • Wiederholt auftretende Enzephalopathie (Verlangsamung des Denkens, Konzentrationsschwäche, Verwirrtheit bis hin zu Bewusstseinseintrübung/Koma • Portale Hypertension mit Oesophagusvarizenblutung und/oder nicht behandelbarem Aszites sowie Episoden von Bauchfellentzündungen • Stark erhöhtes Bilirubin • Stark eingeschränkte Syntheseleistung der Leber, die sich vor allem in Gerinnungsstörungen und tiefem Albumin (Körpereiweiß) äußert • Inakzeptable Lebensqualität (körperliche Schwäche, Müdigkeit, Krankheitsgefühl, unerträglicher Juckreiz usw.) • Wachstumsstörungen bei Kindern Ausschlusskriterien (Kontraindikationen) Einige Umstände/Erkrankungen schließen eine Lebertransplantation aus. Wir unterscheiden hier zwischen absoluten und relativen Kontraindikationen: Absolute Kontraindikationen: • Fortgeschrittene Herz-Lungenerkrankungen • Sepsis • Außerhalb der Leber lokalisiertes Tumorleiden • Aktiver Alkohol-Drogen- oder Medikamentenmissbrauch • Unbehandelbare psychiatrische Krankheiten • Deutliche Unzuverlässigkeit des Patienten Risikofaktoren Die folgenden Risikofaktoren werden von Fall zu Fall betrachtet und schließen eine Lebertransplantation nicht von vorne herein aus: • Nierenfunktionsstörung • Voroperationen an der Leberpforte • Aktive Oesophagusvarizenblutung • Schwere Mangelernährung, Abmagerung • Diabetes mellitus • Kombinierte Organtransplantation z. B. Leber + Niere, Leber + Herz usw. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 9 Vor der Transplantation Abklärung zur Lebertransplantation Vor der Aufnahme auf die Warteliste sind einige wichtige Untersuchungen notwendig, um abzuklären ob alle medizinischen Voraussetzungen zur Transplantation erfüllt sind und keine weiteren Erkrankungen vorliegen, die eine Lebertransplantation undurchführbar machen. Diese Untersuchungen nehmen einen Zeitraum von ca. 4 - 5 Tagen in Anspruch. Die Patienten werden zu diesem Zweck in der Klinik für Viszerale and Transplantationschirurgie hospitalsiert und erhalten dort vom Pflegepersonal einen Tagesplan, auf dem die geplanten Untersuchungen aufgeführt sind. Diese Hospitalisation gibt sowohl dem Patienten als auch den Ärzten und Pflegenden die Möglichkeit einander kennenzulernen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dieses gegenseitige Vertrauen ist später ein wesentlicher Faktor für das Gelingen der Lebertransplantation. Folgende Untersuchungen werden durchgeführt: • Komplette Laboranalyse von Blut, Urin und Stuhl • Verschiedene Röntgen- and Ultraschalluntersuchungen wie: Ultraschall der Leber (zur Bestimmung der Organgröße, des Blutflusses und zum Ausschluss von Tumoren) Röntgen der Lunge, der Nasennebenhöhlen and des Gebisses um mögliche Infektionsherde auszuschließen. • Belastungs- EKG and Ultraschall des Herzens • Lungenfunktionstests and Blutgasanalyse • Magenspiegelung • Darmspiegelung bei Patienten über 50 Jahren (Tumorrisiko) • Untersuchungen durch : Augenarzt, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Zahnarzt and Psychiater • Arztvisiten vom Anästhesisten (Narkosearzt), Nephrologen (Nierenspezialist) und vom Hämatologen (Blutspezialist) • Ernährungsberatung • Gespräche mit dem Sozialarbeiter, dem Chirurgen and der Transplantations-Koordinatorin In besonderen Fällen können weitere Untersuchungen (z. B. Kontrastmittelröntgen der Bauchgefäße usw. ) notwendig werden. Die Resultate all dieser Abklärungen werden dem Transplantationsteam (siehe unten) im Rahmen eines Meetings vorgestellt. Hier wird anhand der Befunde gemeinsam beurteilt, ob die Lebertransplantation die geeignete Therapie für den Patienten darstellt. Das Transplantationsteam Im weitesten Sinn gehören alle Personen, die an den Abklärungsuntersuchungen beteiligten waren, zum Transplantationsteam, denn eine so komplexe Operation wie die Lebertransplantation kann nur durch gute Zusammenarbeit und Kommunikation realisiert werden. Der engere Kreis, der später auch für die Betreuung vor und nach der Transplantation zuständig ist, setzt sich zusammen aus: Hepatologen, Transplansplantationschirurgen, Krankenschwestern/Pflegern der Intensivstation und der Abteilung, den Narkose- und Intensivärzten sowie dem Sozialarbeiter and der Transplantations-Koordinatorin. Die Zeit auf der Warteliste Patienten, die für eine Lebertransplantation qualifizieren, werden auf der zentralen, nationalen Warteliste von Swisstransplant registriert. Persönliche Daten, die notwendig sind um ein geeignetes Spenderorgan zu ermitteln sind: Alter, Größe, Gewicht and die Blutgruppe des möglichen Organempfängers. Die Patienten werden von der Transplantations-Koordinatorin mit einem Funkruf (Pager) ausgestattet, damit sie während der Wartephase jederzeit erreichbar sind, ihre Aktivitäten aber nicht einschränken müssen. Wie lange es dauert bis eine geeignete Spenderleber zur Verfügung steht, läßt sich sehr schwer voraussagen, die Dauer variiert von wenigen Tagen/Wochen bis zu mehreren Monaten. Die ärztliche Betreuung in dieser Zeit erfolgt in regelmäßigen Abständen durch die Ärzte des hepatologischen Ambulatoriums. Das Warten auf die Transplantation wird häufig als sehr belastend empfunden. Damit unsere Patienten die Wartezeit körperlich and seelisch gut überstehen, geben wir folgende Empfehlungen: Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 10 Strenges Einhalten der ärztlichen Verordnungen bezüglich Medikamenteneinnahme, Einschränkung der Trinkmenge usw. Bei Symptomen wie Fieber oder Gewichtszunahme unverzüglich Kontakt mit dem behandelnden Arzt aufnehmen Möglichst viel körperliche Bewegung (leichter Sport, Spaziergänge) Ratschläge der Ernährungsberatung einhalten. Soweit möglich weiter dem Beruf and/oder den Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Vor der Transplantation Der Ruf ins Spital Ist ein geeignetes Organ gefunden worden, werden die Patienten telefonisch oder via Pager von der Transplantations-Koordinatorin benachrichtigt. Der Eintritt ins Spital soll so schnell wie möglich erfolgen, jedoch bleibt genügend Zeit sich in Ruhe vorzubereiten und den Transport ins Spital zu organisieren. Die Patienten werden angehalten, nach dem Anruf nichts mehr zu essen and zu trinken. Operationsvorbereitungen Die Patienten werden an der Notfallpforte von der Transplantations-Koordinatorin in Empfang genommen und auf die Abteilung begleitet. Dort hat die zuständige Pflegeperson alles für die notwendigen Untersuchungen (Blutentnahme, Lungenröntgen, EKG and evtl. Ultraschall der Leber) vorbereitet. Der Abteilungsarzt untersucht die Patienten, erklärt ihnen nochmals den Ablauf der Transplantation sowie deren Risiken und holt zum Schluss das schriftliche Einverständnis zur Operation ein. Gewißheit, ob die Transplantation nun durchgeführt werden kann oder nicht, gibt es erst, wenn die Leber des Organspenders vom Chirurgen beurteilt worden ist. Da die Organentnahme beim Spender und die Vorbereitungen des Empfängers teilweise parallel ablaufen, können einige Stunden vergehen bis eine definitive Entscheidung gefällt ist. Es kann gelegentlich vorkommen, dass sich während der Entnahmeoperation zeigt, dass die Spenderleber nicht den medizinischen Anforderungen entspricht und die Lebertransplantation leider kurzfristig abgesagt werden muss. Unsere Patienten sind über diese Eventualität informiert worden. Dennoch ist die Enttäuschung nach all den Hoffnungen and Aufregungen verständlich, wir hoffen jedoch auf das Vertrauen unserer Patienten in unsere Entscheidung, denn ein gutes Operationsergebnis setzt voraus, dass ihnen ein optimales Organ mit guter Funktion verpflanzt wird. Die Lebertransplantation Die Transplantation wird unter Vollnarkose durchgeführt and dauert ca. 4 bis 6 Stunden. Zunächst wird die kranke Leber entfernt. Die Spenderleber wird anschließend durch Gefässnähte mit dem Kreislauf des Empfängers verbunden. Im Anschluss daran wird der Gallengang der Spenderleber mit dem des Empfängers verbunden. Nach Einlage von Drainagen, die das Wundsekret nach außen ableiten, wird das Operationsgebiet mit Nähten verschlossen. Nach der Transplantation Die Intensivstation Nach der Operation erwachen die Patienten auf der Intensivstation. Für etwa 1 bis 2 Tage werden hier Herz-Kreislauf und Lungenfunktion sowie die Flüssigkeitsbilanz überwacht und stabilisiert. Da die eigene Atmung unmittelbar nach der Operation noch unzureichend ist (Narkosemedikamente) wird sie für ein paar Stunden durch ein Beatmungsgerät unterstützt. Außer den Wunddrainagen und dem Beatmungsschlauch finden die Patienten nach dem Erwachen noch je einen Katheter zur Blutdrucküberwachung, zur Urinableitung and einen Katheter zur Messung der Herzdrücke sowie zur Flüssigkeits- Medikamentenverabreichung sowie eine Magensonde vor. Diese Leitungen werden so schnell wie es der Verlauf zu läßt wieder entfernt, um das Infektionsrisiko einzuschränken. Sobald der Beatmungsschlauch entfernt ist, wird mit der Atemtherapie und der Mobilisation begonnen. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 11 Medizinische and pflegerische Betreuung auf der Transplantationsabteilung Nach ca. 1-2 Tagen erfolgt die Verlegung von der Intensivstation auf die Transplantationsabteilung. Wie schnell die Entlassung geplant werden kann hängt jetzt zum grossen Teil von den Patienten selbst ab. Das Pflegepersonal unterstützt sie jedoch dabei, ihre Selbständigkeit and Unabhängigkeit so schnell wie möglich wieder zu erlangen. Die Patienten lernen sehr bald ihre Medikamente selbständig nach Plan einzunehmen. Die Visiten des Transplantationsteams finden täglichstatt. Hierbei werden die Patienten kurz untersucht und die weitere Therapie festgelegt. Labortests and Untersuchungen Es finden täglich Blutentnahmen statt, um die Funktion der Leber und Nieren zu kontrollieren, sowie zur Bestimmung der Medikamentenspiegel. Vorbereitung auf die Spitalentlassung Normalerweise kann nach 8 bis 10 Tagen die Entlassung definitiv geplant werden, das heißt, dass die Patienten im Durchschnitt nach 12 bis 14 Tagen das Spital verlassen können. Voraussetzung ist natürlich, dass im Verlauf keine Komplikationen wie z. B. eine Infektion oder Abstoßungsreaktion aufgetreten sind. Die Patienten werden vor der Entlassung von unserem Pflegepersonal sorgfältig auf diesen Tag vorbereitet. Auch unser Sozialarbeiter steht zur Verfügung, wenn für die erste Zeit daheim Unterstützung benötigt wird. Eine Heilkur ist im Anschluss an den Spitalaufenthalt nicht erforderlich, es ist für die Genesung sogar wesentlich besser, wenn die Patienten so rasch wie möglich ihr gewohntes Leben im Kreis der Familie wieder aufnehmen. Vor der Entlassung wird ein Termin für die erste Kontrolle im hepatologischen Ambulatorium organisiert. Die Patienten erhalten ein Rezept für ihre Medikamente und falls ihre Entlassung auf ein Wochenende fällt auch ausreichend Verbandmaterial und Medikamente für die ersten Tage. Außerdem wird ihnen eine Telefonliste für mögliche „Notfälle" (Fieber, Erbrechen usw.) mitgegeben. Nach der Transplantation Das normale Leben wieder aufnehmen Wir empfehlen unseren Patienten möglichst bald nach der Entlassung ihr gewohntes Leben wieder aufzunehmen. Leichte Hausarbeit, Spaziergänge oder sonstige leichte, körperliche Betätigung gepaart mit gesunder Ernährung fördern den Muskelaufbau und tragen dazu bei, dass die Patienten rasch zu Kräften kommen und wieder normal ihrer Beschäftigung nach gehen können. Einige wenige Regeln gilt es nach der Transplantation dennoch einzuhalten: • Bei Fieber über 38.5 °C unverzüglich Kontakt mit dem Transplantationszentrum aufnehmen (tagsüber: Dienstarzt hepatologisches Ambulatorium; nachts: Dienstarzt der Transplantationschirurgie). Fieber kann sowohl auf eine Abstoßungsreaktion als auch eine Infektion hinweisen, daher muss jeder Temperaturanstieg unverzüglich medizinisch abgeklärt werden und mit der geeigneten Behandlung begonnen werden. • Da die Medikamente anfangs noch hoch dosiert sind, sollten in den ersten Monaten größere Menschenansammlungen und Personen mit viralen Infektionen (Grippe, Kinderkrankheiten) gemieden werden. • Ausgedehnte Sonnenbäder vermeiden (Erhöhtes Risiko von Hautkrebs in Zusammenhang mit der Einnahme von Immunosuppressiva) • Empfehlungen des Pflegepersonals bezüglich Körperpflege and Mundhygiene befolgen Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 12 Das neue Leben genießen Berufstätigkeit Der Zeitraum nach welchem die Patienten ihren Beruf wieder aufnehmen können ist abhängig von der Art der Arbeit, ob eine sitzende Tätigkeit ausgeübt wird oder ob schwere körperliche Arbeiten verrichtet werden müssen. Nach spätestens 6 Monaten sind die Patienten im Allgemeinen jedoch in der Lage ihren Beruf wieder auszuüben. Generell ist es unser Ziel, den Patienten mit der Lebertransplantation die Möglichkeit zu geben, wieder ein normales, produktives Leben zu führen. Grundsätzlich sollen die Patienten für vier bis sechs Monate keine schweren Lasten heben., da wegen der verzögerten Wundheilung die Gefahr der Narbenhernien besteht (vor allem bei Männern eine häufig beobachtete Komplikation nach Lebertransplantation). Sexualität Wie schnell die Patienten nach der Transplantation ihre sexuellen Aktivitäten wieder aufnehmen, hängt weit gehend vom Verlauf der Genesung ab und wird von den Patienten selbst bestimmt. Medizinisch gibt es keine Gründe die gegen ein aktives Sexualleben sprechen. Die Lebererkrankung kann bei Männern Impotenz, körperliche Schwäche und Müdigkeit verursachen. Nach der Transplantation kehrt die Potenz normalerweise wieder zurück. Durch Medikamente wie z. B. Hochdruckmittel, hohe Steroiddosen kann jedoch die Impotenz nach der Lebertransplantation weiter andauern. Frauen, deren Menstruation durch die Lebererkrankung ausgesetzt hat, werden nach Normalisierung der Organfunktion und des Hormonhaushalts innerhalb weniger Monate nach der Transplantation wieder eine Monatsblutung bekommen. Obwohl der Zyklus unregelmäßig sein kann, ist ein Eisprung und somit eine Befruchtung möglich. Sexuell aktive Patientinnen in gebärfähigem Alter sollten daher unbedingt verhüten. Die Methode der Schwangerschaftsverhütung sollte stets mit dem Arzt besprochen werden. Die „Pille" zeigt sehr häufig Wechselwirkungen mit den immunosuppressiven Medikamenten und ist besonders wegen ihrer Wirkung auf die Leber nicht zur Verhütung geeignet. Intrauterinpessare (Spirale) eignen sich wegen erhöhtem Infektionsrisiko nicht. Empfehlenswert wäre eine Kombination aus Präservativen, Diaphragma und spermiziden Cremes. Falls kein Kinderwunsch mehr besteht, ist eine operative Sterilisation (Unterbrechung der Eileiter/ Samenleiter) die sicherste Methode. Für Patienten, die sexuell aktiv sind, aber keinen festen Partner haben, ist es lebenswichtig Kondome zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten (AIDS, Syphilis, Gonorrhö, Hepatitis oder Herpes) zu benutzen. Schwangerschaft Frauen wird angeraten für mindestens zwei Jahre nach der Transplantation eine Schwangerschaft zu vermeiden, denn nach dieser Zeit sind die immunosuppressiven Medikamente meist nur noch gering dosiert. Eine Schwangerschaft sollte stets geplant sein und die möglichen Risiken sollten vorher unbedingt mit dem behandelnden Hepatologen diskutiert werden. Trotz des erhöhten Risikos für Mutter und Kind ist es möglich nach Lebertransplantation ein gesundes Kind auszutragen. Die zu Anfang hohe Dosierung der immunosuppressiven Medikamente kann die Erbmasse in den Spermien oder die Spermien selbst schädigen. Auch transplantierte Männer sollten daher mit der Zeugung von Kindern warten bis die Dosis der Medikamente deutlich reduziert ist. Gegenüber der Normalbevölkerung ist die Missbildungsrate der von Transplantierten gezeugten Kinder jedoch kaum erhöht. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 13 Nachkontrollen in hepatologischen Ambulatorium (Klinische Pharmakologie) Die Nachkontrollen finden zu Anfang ein bis zweimal pro Woche im Ambulatorium der Klinischen Pharmakologie statt. Bei den Kontrollen werden die Vitalzeichen (Blutdruck, Puls, Temperatur usw.), das Wundgebiet und der Spiegel des Immunosuppressivums sowie die Blutwerte überprüft. Die Patienten kommen nüchtern zur Kontrolle und bringen ihre morgendliche Medikamentendosis mit. Nach der Blutentnahme erhalten sie einen kleinen Imbiß und können dann ihre Tabletten einnehmen. Falls die Dosierung der Immunosuppressiva nach dem aktuellen Blutspiegel verändert werden muss, wird dies den Patienten am Nachmittag des selben Tages telefonisch durch den behandelnden Arzt mitgeteilt. Sobald sich das Befinden der Patienten stabilisiert hat, werden die Kontrollen nach einigen Wochen vermehrt durch den Hausarzt übernommen. Medikamente und Komplikationen Medikamente Allgemeine Richtlinien: Der Patient ist für die korrekte Einnahme der verordneten Medikamente selbst verantwortlich und wird bei den Entlassungsvorbereitungen vom Pflegepersonal genau instruiert über: • Name und Wirkung der Medikamente • Wann, • Wie, • und wie lange die einzelnen Medikamente eingenommen werden müssen • Hauptnebenwirkungen • Was zu tun ist wenn die Einnahme vergessen wurde Immunosuppressiva Diese Medikamente unterdrücken eine Abstoßungsreaktion and sind sozusagen die „Lebensversicherung" des Transplantierten. In den ersten Monaten nach der Transplantation erhalten die Patienten eine Kombination von drei immunosuppressiven Präparaten. Je nach Verlauf wird nach einiger Zeit die Dosis verringert resp. können ein bis zwei der Medikamente abgesetzt werden. Cyclosporin A (Handelsnamen: Neoral, Sandimmune) Cyclosporin-A hemmt die körpereigene Immunabwehr. Dadurch wird verhindert, dass die transplantierte Leber vom Organismus als Fremdkörper erkannt wird und die Immunabwehr aktiviert wird. Es wirkt spezifisch auf die T-Zellen des Immunsystems. Hauptnebenwirkungen: • Erhöhtes Infektionsrisiko • Erhöhtes Risiko für Bluthochdruck and Nierenschwäche • Zahnfleischschwellungen • Vermehrter Haarwuchs am ganzen Körper • Starkes Zittern der Hände kann Zeichen für einen zu hohen Cyclosporinspiegel im Blut sein Azathioprin (Handelsname: Imurek) Imurek ist ebenfalls ein Mittel zur Unterdrückung der Immunabwehr, das die Bildung von Nukleinsäure (Hauptbestandteil der DNS) hemmt. DNS wird hauptsächlich in Zellen gebildet, die sich schnell teilen. Da das Immunsystem ebenfalls aus sich schnell teilenden Zellen besteht, wird mit der Einnahme von Imurek eine Verhinderung der Zellvermehrung bewirkt. Durch die Wirkung auf das Knochenmark kann die Anzahl der weißen Blutzellen and der Blutplättchen durch Imurek drastisch gesenkt werden. Hauptnebenwirkungen • Erhöhte Infektionsgefahr durch Verminderung der weißen Blutzellen • Übelkeit, Erbrechen • Blutungsneigung durch Verminderung der Blutplättchen Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 14 Korticosteroide (Handelsname Prednison, Prednisolon) Hierbei handelt es sich um ein Hormon, das in kleinen Mengen in der Nebenniere des Menschen gebildet wird. Es hat einen wichtigen Einfluss auf die Entzündungs- und Immunprozesse im Organismus. Nebenwirkungen: • Salz- and Wasser werden im Körper zurückbehalten, als Folge können Ödeme an Beinen und Fußrücken auftreten. • Magengeschwüre (Zur Vorbeugung werden Medikamente verordnet, welche die Magensäureproduktion verringern) • Erhöhung des Blutzuckers (In einigen Fällen kann die Einhaltung einer Diät oder die vorübergehende Verabreichung von Insulin notwendig werden) • Aufschwellen des Gesichts (Mondgesicht) Dieses Symptom verschwindet mit Verringerung der Dosis. • Muskelschwäche, Nachtschweiß, Alpträume • Verlangsamte Wundheilung, Akne • Steigerung des Appetits Tacrolimus oder FK-506 (Handelsname Prograf) Prograf ist in Wirkung and Nebenwirkungen dem Cyclosporin sehr ähnlich. Die Patienten bekommen entweder Cyclosporin oder Prograf verordnet. Einige wesentliche Unterschiede zu Cyclosporin sind: • Auftreten von Bluthochdruck ist geringer • Auftreten erhöhter Blutzuckerwerte ist häufiger • Neurologischer Störungen wie Zittern, Kopfschmerzen und Alpträume können vermehrt auftreten Komplikationen nach Lebertransplantation Abstoßungsreaktion Zirka 50% der transplantierten Patienten machen in der frühen postoperativen Phase eine Abstoßungsreaktion durch. Die Abstoßung ist eine Reaktion des Immunsystems. Das Immunsystem erkennt die Transplantatleber als etwas „fremdes" und mobilisiert nun bestimmte Zellen, die das neue Organ attackieren. Während des Spitalaufenthalts wird, durch die tägliche Untersuchung der Leberwerte, eine Abstoßung sehr rasch erkannt. Häufig geht diese auch mit etwas erhöhter Temperatur einher. Die Abstoßung ist sehr gut medikamentös zu behandeln. Die Patienten erhalten über 3 bis 5 Tage hoch dosierte Kortisonstöße. Vor allem in den ersten 12 Monaten nach Transplantation kann es immer wieder zu solchen Abstoßungsreaktionen kommen. Da eine Abstoßung unverzüglich behandelt werden muss, werden die Patienten angehalten sich zuhause bezüglich Körpertemperatur streng zu beobachten und einen Anstieg über 38.5 °C unverzüglich dem Transplantationszentrum mitzuteilen. Meist ist eine Hospitalisation notwendig um die notwendige Diagnostik durchzuführen und um die Abstoßung zu behandeln, oft reicht aber auch eine Erhöhung der Steroiddosis um die Immunreaktion in den Griff zu bekommen. Infektion Da die natürliche Infektabwehr durch die Immunosuppressiva herabgesetzt wird, ist die Gefahr einer Infektion besonders in den ersten Monaten nach der Transplantation erhöht. Man unterscheidet virale, bakterielle and fungale (Pilze) Infektionen. Virale Infektionen nach Transplantation Cytomegalovirus- Infektion (CMV) Das Cytomegalovirus ist ein Herpesvirus. Etwa 50% der Bevölkerung sind Träger des Virus, es wird aber erst aktiv wenn die Immunabwehr geschwächt ist, wie z. B. bei Transplantierten, alten Menschen and kleinen Kindern. Das Infektionsrisiko ist in den ersten Monaten nach der Transplantation am höchsten. Symptome sind: Fieber, Müdigkeit, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen and Lungenentzündung. Therapie Gancyclovir® (Tabletten oder Infusion) Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 15 Herpes-Simplex-Infektion Typ I und II Herpes simplex Typ I befällt sehr häufig die Gesichtshaut (Fieberbläschen), kann aber auch Augen und Lungen infizieren. Typ II verursacht meist Infektionen an den Genitalien (sexuelle Übertragung!). Die meisten Infektionen mit H. simplex verlaufen sehr mild. Hauptsymptome sind: Schmerzhafte, mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen an Mund oder Genitalien. Therapie: Zovirax® (Creme, Tabletten oder Infusion) Herpes zoster (Gürtelrose) Die Gürtelrose erscheint als Hautrötung oder als mit Flüssigkeit gefüllten Pusteln, hauptsächlich an der Brust, am Rücken oder an der Hüfte. Symptome: Starke Schmerzen, Hautrötung, Fieber Therapie: Antivirale Medikamente Pilzinfektionen Candidasis Candida albicans, ein Hefepilz kann bei Transplantierten eine Reihe entzündlicher Erkrankungen hervorrufen. Am häufigsten tritt er in der Mundhöhle und im Hals auf, er kann aber auch Entzündungen der Wunde, Augen, Atemwege oder Urogenitaltrakt verursachen. Symptome: Weiße, rauhe Beläge auf der Mundschleimhaut and/oder der Zunge, Schluckbeschwerden. Schmerzen beim Wasser lassen oder gelblich-weißer Ausfluß wenn der Urogenitalbereich befallen ist. Therapie: Vorbeugung (Teil der Medikation nach Transplantation), lokale oder systemisch wirkende Antipilzmedikamente (Cremes, Tabletten, Infusion) Pseudocystis carinii Pseudocystis carinii ist ein pilzähnlicher Keim, der schwere Lungenentzündungen verursachen kann. Symptome: Trockener Husten and Fieber Therapie: Vorbeugung mit Tabletten oder Inhalation (Teil der Medikation nach Transplantation) Bakterielle Infektionen Bei den bakteriellen Entzündungen stehen die Wundinfektionen (Operationsnarbe) im Vordergrund. Symptome: Rötung, Schwellung, Schmerz evtl. eitrige Sekretion aus dem Wundgebiet. Therapie Antibiotika nach Bestimmung der Keime durch einen Wundabstrich Chirurgische Spätkomplikationen Galleleck Man spricht von einem Galleleck, wenn sich die Galleflüssigkeit außerhalb der Gallengänge ansammelt. Dies äußert sich durch Schmerzen in der Lebergegend, Übelkeit, Erbrechen and Fieber. Gallengangsstenose Verengung des Gallengangs in der Nähe der Anastomose (Anschlussstelle), dadurch kann der Abfluß der Galle behindert werden. Kann häufig mit endoskopischer Dehnung oder Einlage eines kleinen Röhrchens behandelt werden. Symptome sind: Anstieg der Leberenzyme and des Bilirubins sowie Gelbfärbung der Haut. Petra Bischoff Transplantations- Koordinatorin Inselspital Bern 16