HEPATOLOGIE AKUTES LEBERVERSAGEN 123 • Definition: Akut

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HEPATOLOGIE
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AKUTES LEBERVERSAGEN
Definition: Akut auftretende Leberfunktionsstörung mit Koagulapathie und Ikterus
bei Patienten ohne vorbestehende Lebererkrankung. Nach dem Abstand zwischen
Beginn der Lebererkrankung und dem Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie werden das hyperakute (<7 Tage), das akute (7-28 Tage) und das subakute
Leberversagen (>28 Tage) unterschieden.
Das akute Leberversagen ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die in einem
Lebertransplantationszentrum behandelt werden sollte und bei der Diagnostik,
Therapie und die Evaluation zur evtl. Lebertransplantation sofort erfolgen müssen.
Ursachen: Regional sehr unterschiedlich, die häufigsten Ursachen sind
Parazetamol-Intoxikation, Virushepatitis, medikamentös-toxische Genese. Seltene
Ursachen sind Autoimmunhepatitis, Knollenblätterpilzvergiftung, akuter M. Wilson,
Budd-Chiari-Syndrom, Schwangerschaftshepatopathien, andere Intoxikationen. In
bis zu 30% lässt sich keine Ursache eruieren.
Natürlicher Verlauf: Je nach Fallserie liegt die Mortalität ohne Lebertransplantation bei 65-90%, wobei das hyperakute Leberversagen die beste und das
subakute Leberversagen die schlechteste Prognose haben. Bei Patienten, die
ohne Transplantation überleben, kommt es i.d.R zur restitutio ad integrum.
Diagnostik: Die Klärung der Genese hat größte Bedeutung, weil (1) bei bestimmten Erkrankungen eine spezifische Therapie existiert, welche die Prognose
vermutlich verbessert (Tabelle 1), und (2) die Kenntnis der Ursache auch eine bessere prognostische Abschätzung ermöglicht (z.B. günstig bei akuter Hepatitis A,
während Patienten mit akutem M. Wilson ohne LTx praktisch nie überleben).
Tabelle 1: Spezifische Therapie bei akutem Leberversagen
Ursache
Therapie
Parazetamolintoxikation
Acetylcystein 300 mg/kg i.v. (Gesamtdosis): 150
mg/kg in 200 ml G5% über 15 min, 50 mg/kg in 500ml
G5% über 4 h, 100mg/kg in 1000ml G5% über 16 h)
Fulminante Hepatitis B
Lamivudin (100mg/d, bzw. Nieren-adaptiert)
Knollenblätterpilzvergiftung Aktivkohlespülung, Silimarin, Penicillin G
Autoimmunhepatitis
Glucokortikoide
Drohende Komplikationen und deren Prävention
Die bedrohlichsten Komplikationen beim akuten Leberversagen sind das Hirnödem
und Infektionen. Hypoglykämien müssen vermieden werden; durch optimiertes Kreislaufmonitoring und Infusionstherapie soll das Risiko eines akuten Nierenversagens,
das die Prognose mit oder ohne Lebertransplantation verschlechtert, gesenkt werden.
Bei beginnender Bewusstseinstrübung sollte frühzeitig die Indikation zur
Schutzintubation gestellt werden. Dies gilt insbesondere auch bei Verlegung von
Patienten, die evtl. per Hubschrauber eingeflogen werden.
• Hirnödem: Bis zu 80% der Patienten mit Enzepahopathie Grad IV entwickelt ein
Hirnödem. Die Genese ist multifaktoriell, vermutlich sind eine Störung der
Bluthirnschranke und toxische Metabolite beteiligt. Zur Diagnosestellung sollte ein
craniales CT durchgeführt werden, das auch andere Ursachen der
Bewusstseinsstörung, insbesondere intrakranielle Blutungen, ausschliessen kann.
Finden sich Zeichen des Hirnödems, sollten folgende Maßnahmen erfolgen:
- 20° Oberkörperhochlagerung
- milde Hyperventilalation (pCO2 30-35 mmHg)
- Mannitol 0,5-1,0 g/kg KG als Bolus, kann wiederholt werden bis zu einer
Serumosmolaltät von 320 mosm/l
- Experimentelle Verfahren: Barbituratkoma, Hypothermie, Leberersatzverfahren
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Wenn ein invasives Hirndruckmonitoring verfügbar ist, sollten ein Hirndruck unter
20-25 mmHg und ein zerebraler Perfusionsdruck von >50-60 mmHg angestrebt
werden. Häufig ist aber aufgrund der Koagulopathie die Anlage einer
Hirnddrucksonde nicht möglich, so dass man nur engmaschige klinischneurologische Überwachung und bei drohender Verschlechterung eine
Wiederholung des CCT heranziehen kann.
Infektion: Bis zu 80% der Patienten entwickeln eine bakterielle Infektion, bis 32%
eine Pilzinfektion. Mit 50% sind Pneumonien am häufigsten. Bei den Bakterien
überwiegen gram-positive Keime (70%), davon die Hälfte S. aureus. Bei den gramnegativen Keimen führt E. coli, bei den Pilzen Candida spp. Systemische
Prophylaxe kann die Infektionsrate auf 20% senken. Daher sollten alle Patienten
eine systemische antibakterielle Prophylaxe mit z.B. Piperacillin/Tazobactam oder
einem Carbapenem, kombiniert mit oralem Amphotericin B, erhalten. Eine
selektive Darmdekontamination bringt darüber hinaus keinen zusätzlichen Nutzen.
Eine prophylaktische Fluconazoltherapie wird nicht generell empfohlen. Bei allen
Patienten muss eine engmaschige Infektionssurveillance mit Abstrichen und
Kulturen (Sputum, Urin, Blutkulturen, Hautabstriche) durchgeführt werden und die
Behandlung entsprechend angepasst bzw. erweitert werden.
.Hypoglykämie: Häufige Messung des Blutzuckerspiegels, auf ausreichende
Ernährung bzw. Infusionstherapie achten.
Nierenversagen: optimiertes Kreislaufmonitoring (ZVD), Infusionstherapie,
Vermeidung nephrotoxischer Substanzen, ggf. Nierenersatzverfahren.
Management
Jeder Patient mit Verdacht auf ein akutes Leberversagen sollte mit dem
Lebertransplantationshintergrund der Medizinischen Klinik II besprochen werden.
Anfragen von auswärtigen Kliniken sollten ebenfalls mit dem Hintergrunddienst
besprochen werden.
In der Primärevaluation sollten insbesondere spezifisch behandelbare Ursachen
identifiziert oder ausgeschlossen werden (siehe Tabelle 1). Als Verlaufsparameter für
die Leberfunktion sind als Laborwerte vor allem der Quick und der Faktor V (wegen
der kurzen Halbwertszeit) geeignet, klinisch muss ein engmaschiges neurologisches
Monitoring erfolgen. Die supportiven Maßnahmen zielen auf die Prävention von
Komplikationen (Hypoglykämie, Hirnödem, Infektionen, Nierenversagen). Eine
frühzeitige Verlegung auf die Intensivstation, auch bei noch stabilem Kreislauf und
Atmung, ist empfehlenswert.
Kontraindikationen für eine Lebertransplantation (siehe Kapitel Lebertransplantation)
sollten rasch abgeklärt werden. Falls keine Kontraindikationen vorliegen, sollte die
Möglichkeit einer Lebertransplantation mit dem Patienten möglichst vor dem Auftreten
einer signifikanten Enzephalopathie besprochen werden, um das prinzipielle
Einverständnis einzuholen.
Die Prognoseabschhätzung erfolgt anhand der bekannten Scores (King’s College
Score, Clichy-Kriterien, Wilson-Score) und zusätzlicher neu identifizierter Parameter
(Serumlaktat, -phostphat, Apache III-Score). Man muss allerdings bedenken, dass
diese Scores zwar eine hohen positiven aber eine schlechten negativen prädiktiven
Wert besitzen. Die Entscheidung, wann ein Patient bei Eurotransplant gemeldet wird
und wann ein Organangebot angenommen wird, ist immer eine schwierige
Einzelfallentscheidung und wird gemeinsam mit Transplantationshintergrund und den
Kollegen der Chirurgie und Anästhesie getroffen. Das Langezeitüberleben nach
Lebertransplantation liegt bei diesen Patienten bei 60%.
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