Triadisches System ICD-10 Diagnostische Hauptgruppen F0 Organische, einschließlich symptomatische psychische Störungen F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen F3 Affektive Störungen F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F5 Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen oder Faktoren F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen F7 Intelligenzminderung F8 Entwicklungsstörungen F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend ICD-10 Kap. FO: Organische psychische Störungen F00 Demenz bei Alzheimer-Krankheit F01 Vaskuläre Demenz F02 Demenz bei sonstigen andernorts klassifizierten Erkrankungen F03 Nicht näher bezeichnete Demenz F04 Organisches amnestisches Syndrom F05 Delir F06 Sonstige psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit F07 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen auf- grund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns Entwicklung der Altersstruktur M F M F M F Statistisches Bundesamt Häufigkeit der Demenz in Deutschland nach Bickel, 1999 Was ist eine Demenz ? heute allgemein definiert als eine • Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen (Gedächtnis und Denkvermögen) mit Beeinträchtigungen der Aktivitäten des täglichen Lebens (der Alltagskompetenz) Î auf dem Boden einer hirnorganischen Störung ! ICD-10 Diagnosekriterien 1. 2. 3. 4. Gedächtnisstörung Abnahme des Denkvermögens Persönlichkeitsveränderung Beeinträchtigung der selbständigen Lebensführung 5. Dauer der unter 1 - 3 genannten Symptome mindestens 6 Monate 6. Ausschluss eines Delirs als Ursache der Hirnleistungsstörungen Schweregrade • leichte Demenz: weitestgehende Selbständigkeit; Hilfe bei komplexeren Aktivitäten (z.B. Bank- oder Behördenangelegenheiten); Abbau wird registriert → depressive Reaktionen häufig • mittelschwere Demenz: Namen vertrauter Personen werden vergessen; Vermischung von Gegenwart und Vergangenheit; Hilfe bei Waschen und Anziehen; gestörter Tag-NachtRhythmus; Krankheitsgefühl geht verloren • schwere Demenz: kontinuierliche Beaufsichtigung und Pflege notwendig; Immobilität, Inkontinenz, Schluckstörungen; Häufigste Todesursache: Lungenentzündung Häufigkeit verschiedener Demenzformen Lieb et al., 2008 Die 3 häufigsten Demenzformen •Alzheimer Demenz •Vaskuläre Demenz •Frontotemporale Demenz Funktionelle Neuroanatomie Kognition, „Persönlichkeit“ Sprache Riechen Affekte Lernen und Gedächtnis Räumliche Wahrnehmung Prominente Alzheimer-Patienten „Eine Frau von 51 Jahren zeigte als erste auffällige Krankheitserscheinung Eifersuchtsideen gegen den Mann. [...] Zeitweise ist sie völlig delirant [...] und scheint Gehörshalluzinationen zu haben. Oft schreit sie viele Stunden lang mit grässlicher Stimme. Ihre Merkfähigkeit ist aufs schwerste gestört. Zeigt man ihr Gegenstände, so benennt sie dieselben meist richtig, gleich darauf aber hat sie alles wieder vergessen. [...] Den Gebrauch einzelner Gegenstände scheint sie nicht mehr zu wissen.“ „Auguste D.“ (Auguste Deter, 1850 - 08.04.1906) Beschreibung Alois Alzheimers Alzheimers Labor in München Fibrillen Alois Alzheimer, 1864 - 1915 Plaque Neuropathologie: Fibrillen • intrazellulär • wichtigste Komponente: Tau-Protein Neuropathologie: Plaques • extrazellulär • wesentlicher Bestandteil: Aβ1-42 Pathophysiologie des Aß Mattson, Nature 2004 Verteilungsmuster der Plaques und Fibrillen nach Braak u. Braak, 1993 Makroskopischer Befund kognitiv unbeeinträchtigt Alzheimer-Demenz AD: makroskopische Veränderungen Risikofaktoren für AD • Lebensalter ! • betroffene Blutsverwandte • genetischer Faktor: Apolipoprotein E4 (bis 7fach) • wahrscheinliche RF: stattgehabte Kopftraumata, geringe (Schul-)Bildung, Depression in der Vorgeschichte • kein erhöhtes Risiko: Diabetes mellitus, rheumatische Erkrankungen, stattgehabte Narkosen AD – Diagnosekriterien für eine AD sprechen: • schleichender Beginn mit langsamer Verschlechterung • fehlende Hinweise auf ZNS- oder systemische Erkrankung, die ihrerseits eine Demenz verursachen können • Fehlen eines plötzlichen apoplektischen Beginns und neurologischer Herdzeichen Die 3 häufigsten Demenzformen •Alzheimer Demenz •Vaskuläre Demenz •Frontotemporale Demenz Vaskuläre (gefäßbedingte) Demenz • Gruppe von Demenzen, die sich auf der Grundlage von Durchblutungsstörungen im Gehirn entwickeln → Je nach Art und Lokalisation der Schädigungen im Gehirn treten zum Teil sehr unterschiedliche Symptome auf Risikofaktoren: Alter, Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes, Nikotin VD – Diagnosekriterien für eine VD sprechen: • plötzlicher Beginn • nicht kontinuierliche (DD: AD), sondern schrittweise Verschlechterung, Zeiten deutlicher Besserung • neurologische Herdzeichen • Episoden von Verwirrtheit bereits zu Beginn • Affektlabilität und -inkontinenz bereits zu Beginn Verlauf AD u. VD im Vergleich Lieb et al., 2008 Die 3 häufigsten Demenzformen •Alzheimer Demenz •Vaskuläre Demenz •Frontotemporale Demenz Frontotemporale Demenz - Morbus Pick Kernsymptome: Arnold Pick (1854-1924) • Sozialverhalten: Enthemmung, Taktlosigkeit • Wesensänderung mit Passivität oder Überaktivität • früher Verlust von Krankheitseinsicht Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz Seidl et al., 2005 Diagnostik Ziele der Diagnostik • Liegt eine Demenz vor? – Normaler Alterungsprozess? – Mögliche andere Ursachen: z.B. depressive Pseudodemenz, akute Verwirrtheit • Falls ja: welche Ursache? – Alzheimer-Demenz – Vaskuläre Demenz – Sonstige • Frühzeitige Diagnostik Æ optimale Behandlung Was würden Sie tun? Die Säulen der Diagnostik Labor Bildgebung Testung Klinik Diagnose Die 7 Warnzeichen der / die Betroffene... 1 ...wiederholt immer wieder die gleiche Frage. 2 ...erzählt immer wieder die gleiche kurze Geschichte. 3 ...weiß nicht mehr, wie bestimmte alltägliche Verrichtungen wie Kochen, Kartenspiel, Handhabung der TV-Fernbedienung gehen. 4 ...hat den sicheren Umgang mit Geld, Überweisungen, Rechnungen und Ähnlichem verloren. 5 ...findet viele Gegenstände nicht mehr oder er legt sie an ungewöhnliche Plätze und verdächtigt andere Personen, den vermissten Gegenstand weggenommen zu haben. 6 ...vernachlässigt anhaltend sein Äußeres, bestreitet dies aber. 7 ...antwortet auf Fragen, indem er die ihm gestellte Frage wiederholt. NIA, 1999 Neuropsychologie: Mini Mental State Examination • Orientierung (max. 10 Punkte) • Merkfähigkeit (unmittelbar + verzögert, max. 6 Punkte) • Aufmerksamkeit, (max. 14 Punkte) Sprache, Praxie Neuropsychologie: Uhrentest „Dies soll eine Uhr sein. Ich möchte Sie bitten, in diese Uhr die fehlenden Ziffern zu schreiben. Zeichnen Sie danach die Uhrzeit ‚10 nach 11’ ein.“ Neuropsychologie: Uhrentest Beruf: Chemikerin Beruf: Hausfrau Beruf: Betriebswirt Alter: 80 Jahre Alter: 74 Jahre Alter: 70 Jahre MMSE: 23 MMSE: 15 MMSE: 13 Neuropsychologie: Trail Making Test Labor: Allgemeine Bestimmungen • Routinelabor (Elektrolyte, Blutbild, Leber-, Schilddrüsen-, Entzündungswerte etc.) • Genetische Marker (APOE-Genotyp) • Infektionsserologie (Lues, Borrelien etc.) • Lumbale Liquorpunktion („Nervenwasserentnahme“) Bildgebung: MRT-Befunde Gesunder Proband Patient mit leichtgradiger Alzheimer-Demenz Bildgebung: Hippokampus-Atrophie HC LKB AD Bildgebung: PET Gesund AD Gesund VD Labor: Tau-Protein im Liquor Schönknecht et al., 2003 Grenzen der Diagnostik 1. Trotz diagnostischer Fortschritte kann die Alzheimer-Demenz nicht 100 % sicher diagnostiziert werden 2. Alzheimer-ähnliche Gehirnpathologie (Fibrillen, Plaques) auch bei unauffälliger Klinik möglich (präklinische Phase?) 3. Dauer der präklinischen Phase unklar; Faktoren wie hohes Bildungsniveau wirken protektiv (längere Kompensation?) Therapie der Demenzen • Allgemeinmedizinische Maßnahmen • Pharmakologische Therapie • „experimentelle“ Ansätze Therapie der Demenzen • Allgemeinmedizinische Maßnahmen • Pharmakologische Therapie • „experimentelle“ Ansätze Allgemeinmedizinische Maßnahmen • Klärung der Diagnose • Abklärung / Behandlung von Begleiterkrankungen • Trainingsprogramme • Angehörigenarbeit • Gestaltung des Umfeldes Therapie der Demenzen • Allgemeinmedizinische Maßnahmen • Pharmakologische Therapie • „experimentelle“ Ansätze Pharmakologische Therapie • Kognitive Defizite Cholinergika, Memantin • Psychopathologische Begleitsymptome Antidepressiva, Neuroleptika, Sedativa Betroffene Neurotransmittersysteme Lieb et al., 2008 Pharmakologische Therapie: Cholinergika CholinesteraseHemmer Acetylcholinesterase ACh Kognition unter Rivastigmin bei leichter bis mittlerer AD ADAS-Cog mittlere Veränderung gegenüber Ausgangswert Verbesserung 2 1 6–12 mg/Tag Exelon ® 1–4 mg/Tag Exelon ® Placebo * * * 0 –1 –2 * D = 4.94 * –3 –4 –5 Verschlechterung 12 18 Studienwoche 26 *p<0.05 vs Placebo Cholinesterasehemmer: Nebenwirkungen - Gastrointestinale Nebenwirkungen: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen - Kardiale Nebenwirkungen: Bradykardie, Synkopen - Allgemein Nebenwirkungen: Erschöpfung, Schwindel, Kopfschmerzen, Tremor Pharmakologische Therapie: Begleitsymptome • Neuroleptika: • Unruhezuständen und Regulierung des Schlaf/Wach-Rhythmus: niederpotente NL, z.B. Pipamperon, Melperon • Unruhe, Agitiertheit, Wahnbildung und Wahrnehmungsstörungen: hochpotente NL in niedriger Dosierung, z.B. Haloperidol, Benperidol •Atypische NL (Risperidon, Clozapin, Quetiapin, Ziprasidone, Olanzapin, Amisulpirid) • Antidepressiva: •Begleitende Aktivierung •Antidepressiva in niedriger Dosierung CAVE: anticholinerge Nebenwirkungen (z.B. Promethazin/Atosil; Amitryptilin/Saroten, Clozapin/Leponex) Therapie der Demenzen • Allgemeinmedizinische Maßnahmen • Pharmakologische Therapie • „experimentelle“ Ansätze Strategien und Ziele bei der AD Prävention und Therapie Mattson, Nature 2004 Impfung „Morbus Alzheimer: Impfung bremst den Gedächtnisverfall“ Deutsches Ärzteblatt 100, Ausgabe 25 vom 20.06.2003 • Prinzip: Aktive Immunisierung mit rekombinantem präaggregiertem Aβ42Antigen • Im Tierversuch mit transgenen Mäusen Verringerung amyloider Plaques Aufnahme eines AmyloidPlaque im Gehirn einer Maus • Abbruch der Phase-IIa-Studie wegen postvakzinaler aseptischer Meningoencephalitis bei 15 von 375 Patienten Danke für die Aufmerksamkeit!