235 13Lebertumoren Jörg Fuchs, Rupert Handgretinger, Ivo Leuschner, Steven W. Warmann 13.1 Benigne Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . 235 13.2 Maligne Lebertumoren . . . . . . . . . . . . . . . 239 13.1.1Hämangiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 13.2.1Hepatoblastome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Stadiensysteme und Risikostratifizierung . . . . . . . . 240 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 13.1.2Hamartome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 13.1.3Adenome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Therapie und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 13.1.4 Fokale noduläre Hyperplasie . . . . . . . . . . . . . 239 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Lebertumoren im Kindesalter können benigne oder maligne sein und umfassen nach Weinberg und Finegold (1983) verschiedene Entitäten (Tab. 13-1). Die Behandlungsprinzipien dieser Tumoren richten sich nach dem malignen Potenzial und bei den benignen Formen im Besonderen nach der klinischen Symptomatik. 13.1 Benigne Lebertumoren 13.1.1Hämangiome Definition und Epidemiologie Das Leberhämangiom ist ein vaskulärer Tumor der Leber. Er ist der häufigste benigne Lebertumor im Kindes- 13.2.2 Hepatozelluläres Karzinom . . . . . . . . . . . . . . 245 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Stadiensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.2.3Lebersarkome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Klinik und Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 13.2.4 Sonstige maligne Lebertumoren . . . . . . . . . 246 alter und wird in über 80 % der Fälle innerhalb der ersten 6 ­Lebensmonate diagnostiziert. Mädchen sind etwas ­häufiger betroffen als Jungen (1,7 : 1). Die Inzidenz der ­Hämangiome in der Leber bei Kindern ist schwer abzuschätzen, da viele dieser Läsionen keiner operativen Therapie bedürfen. Pathologie Nach der gültigen Klassifikation für kindliche Gefäßtumoren werden auch die Leberläsionen in Leberhämangiome mit Spontanregression und solche ohne Regressionstendenz eingeteilt. Die Expression des Glukose-Trans­ por­ter-Proteins-1 (GLUT1) unterscheidet zwischen den beiden ­Typen. Sie können unifokal oder multizentrisch auftreten. Der Begriff infantiles Hämangioendotheliom der Leber sollte nicht mehr verwendet werden. 236 13 Lebertumoren Tab. 13-1 Primäre Lebertumoren im Kindesalter (nach Weinberg u. Finegold 1983). Tumorentität Häufigkeit (%) Maligne Tumoren Hepatoblastom 43 hepatozelluläres Karzinom 23 Sarkom 6 Hämangiome 13 Hamartome 6 Adenome 2 fokale noduläre Hyperplasie 2 Sonstige 5 Benigne Tumoren Klinik und Diagnostik Die pränatale Diagnostik von Leberhämangiomen ist Mitte der 1990er-Jahre erstmalig beschrieben worden. Gelegentlich ist der Befund mit einem Hydrops fetalis assoziiert. Postnatales klinisches Leitsymptom ist eine Disten­ sion des Abdomens. In ca. 15 % der Fälle haben die Kinder Zeichen einer Herzinsuffizienz, die lebensbedrohliche Ausmaße annehmen (high cardiac output failure) und unbehandelt in rund 80 % der Fälle zum Tode führen kann. Darüber hinaus kann man in 15–60 % der Fälle auch Hämangiome an anderen Stellen des Körpers diagnostizieren (z. B. Haut, Pankreas, Knochen). Die Kinder können schwere Krankheitsverläufe wie ein Kasabach-Merritt-Syndrom (kavernöse Riesenhämangiome mit Thrombosierungsgefahr und Verbrauchskoagulopathie sowie mikroangiopathischer hämolytischer Anämie) entwickeln. Laborchemisch fällt eine Anämie (Hb < 10 g/dl) in mehr als 50 % der Fälle auf. Eine dezente Transaminasenerhöhung ist möglich und rund 20 % der Kinder haben eine Hyperbilirubinämie. Das Alphafetoprotein kann über die Altersnorm erhöht sein und die Abgrenzung zum Hepatoblastom erschweren. Die Dopplersonographie ist das wegweisende diagnostische Verfahren. Der Untersucher findet hyperperfundierte multiple hyperechogene Herde in der Leber, eine deutlich erhöhte Flussgeschwindigkeit in der Arteria hepatica (100– 200 cm/s) sowie einen Kalibersprung in der Aorta abdominalis auf der Höhe des Truncus coeliacus. Gelegentlich können auch primär solide Rundherde in der Leber, die keine Hyperperfusion aufweisen, identifiziert werden. Hier sollte eine histologische Abklärung erfolgen. Im Verlauf von Wochen bis Monaten oder nach interventioneller Therapie kommt es zu Zeichen der Regression mit Größenreduktion der Herde, Abnahme der Perfusion und Verkalkungen. Die Computertomographie oder die MR-Angiographie stellen wichtige ergänzende Bildgebungsverfahren dar, die vor allem auch für differenzialdiagnostische Überlegungen von Bedeutung sind. Die Angiographie hat vor allem in der interventionellen Behandlung eine große Bedeutung. Therapie Die Therapie reicht in Abhängigkeit von der Präsenz klinischer Symptome von der simplen Observation bis hin zur Lebertransplantation. Kleine klassische Herde in der Leber ohne jedwede klinische Symptome können observiert werden, da eine hohe Chance für eine Spontanremission besteht. Symptomatische Kinder bedürfen einer raschen und nicht selten intensivmedizinischen Therapie. Im Vordergrund steht zunächst die Behandlung der Herzinsuffizienz mit Diuretika und Digitalisglykosiden. Die medikamentöse Behandlung des Hämangioms selbst kann hoch dosiert mit Steroiden (Prednisolon 2–5 mg/kg KG/d für 4 Wochen), Interferon alpha (1–3 mU/ m2 KOF/d) oder neuerdings mit Beta-Blockern erfolgen (Szymik-Kantorowicz et al. 2005). Die Erfahrungen zum Einsatz von Beta-Blockern sind allerdings speziell für Leberhämangiome sehr beschränkt. Die zytostatische Behandlung mit Vincristin und/oder Cyclophosphamid wird mit großer Skepsis betrachtet, da es zahlreiche andere Therapieoptionen gibt. Gleiches gilt für die Strahlentherapie. Die supraselektive Embolisation (z. B. mit Coils) ist eine Alternative zur chirurgischen Behandlung und kann mit Erfolg auch bei bilobulären Prozessen eingesetzt werden (Abb. 13-1). Sie wurde bereits erfolgreich bei Kindern mit einem Geburtsgewicht unter 3 000 g durchgeführt. Erfahrenen Radiologen bzw. Kardiologen gelingt die Intervention über einen Zugang via Vena femoralis und offenem Foramen ovale zur Arteria hepatica (Warmann et al. 2003). Die chirurgische Behandlung ist indiziert bei unilobulären Prozessen und beinhaltet die anatomische Leberresektion. Eine Alternative zur interventionellen Therapie ist die Ligatur der Arteria hepatica dextra oder sinistra mit dem Nachteil, dass diese nicht selektiv erfolgt und die Gefahr von größeren Lebernekrosen besteht. Die Lebertransplantation ist eine Ultima Ratio bei multifokalen Leberherden und kritischem progressivem Krankheitsverlauf. In der Literatur existieren zahlreiche Vorschläge für ein Stufenkonzept in der Behandlung solch gutartiger Läsionen. ­Abbildung 13-2 zeigt ein Beispiel für ein auf der Grundlage der existierenden Datenlage etabliertes Behandlungsschema. Prognose Die Prognose kleinerer Hämangiome ist aufgrund der Spontanremission exzellent. Die Steroidbehandlung hat eine Erfolgsquote von ca. 25 %. Die Ergebnisse der Interferontherapie sind mit einem Erfolg in 50–80 % der Fälle deutlich besser. Nichtsdestotrotz liegt die Überlebensrate aufgrund der Variabilität der Erkrankung zwischen 45 und 90 %. 13.1 Benigne Lebertumoren 13.1.2Hamartome Definition und Epidemiologie Hamartome sind gutartige Läsionen der Leber (zweit­ häufigster benigner mesenchymaler Lebertumor), die in 85 % aller Fälle bei Kindern unter 2 Lebensjahren diagnostiziert werden. Hier besteht eine leichte Knabenwendigkeit (3 : 2). Pathologie Die Läsionen sind meist zystisch, können innerhalb der Leber aber auch pedunkuliert auftreten. Die Zysten sind teilweise von Epithel, teilweise auch von Endothel ausgekleidet. Bisher ist nicht sicher, ob es sich um einen eigentlichen Tumor handelt oder um eine hamartomatöse Fehlbildung. Eine Störung des Imprintings wird in einem Teil der Fälle diskutiert. Abb. 13-1 Supraselektive Coil-Therapie bei einem Neugeborenen mit einem Hämangiom der Leber. a) Angiographische Darstellung des Tumors über die Arteria hepatica dextra. b) Zustand nach Coil-Applikation in einem Subast der Arteria hepatica dextra mit Reduktion der Perfusion. c u. d) MRT des Hämangioms vor interventioneller Therapie und 3 Monate später mit Zeichen der Gefäßreduktion und Regression (Pfeile). (Abdruck aus: J Pediatr Surg, 38 [8], Warmann S, Bertram H, Kardorff R, Sasse M, Hausdorf G, Fuchs J, Interventional treatment of infantile hepatic hemangioendothelioma, 1177–81, © 2003, mit freundlicher Genehmigung von Elsevier) Solitäre Läsion ohne Symptome ● Observation mit Symptomen ● ● Digoxin Diuretika Bilobuläre Läsionen mit beherrschbaren Symptomen ohne Symptome ● ● Steroide Interferon alpha ● ● ● ● ● ● Embolisation Resektion Abb. 13-2 Management von Leberhämangiomen. ● ● mit nicht beherrschbaren Symptomen Digitalisglykoside Diuretika Steroide Interferon alpha Embolisation Lebertransplantation ● ● Embolisation Lebertransplantation 237 238 13 Lebertumoren Klinik und Diagnostik In Analogie zu den anderen Lebertumoren ist das Leitsymptom ein vergrößertes Abdomen mit einem palpablen Tumor. Ansonsten existieren die klassischen unspezifischen Symptome: ●● Appetitlosigkeit, ●● Übelkeit und Erbrechen sowie ●● Anämie. Neugeborene sind oft sehr krank und weisen nicht selten ein Atemnotsyndrom auf. In einigen Fällen kann die Diagnose bereits pränatal in Zusammenhang mit einem Hydrops fetalis gestellt werden. Laborchemisch existieren keine typischen Auffälligkeiten und auch bei dieser Klientel ist das Alphafetoprotein meist altersentsprechend. Bildgebende Verfahren – Sonographie, CT oder MRT – ermöglichen die Abgrenzung zum Leberhämangiom und zum Hepatoblastom. Typische Zeichen in der Bildgebung sind echogene Herde mit multizystischen flüssigkeitsgefüllten Strukturen und zahlreichen Septierungen (Abb. 13-3). Therapie Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion. Bei seltenem bilobulären Befall der Leber ist einer Lebertransplantation gegenüber der Marsupialisation der Zysten oder dem Tumordebulking der Vorrang einzuräumen, da Rezidive vorprogrammiert sind und Hamartome ein Potenzial zur malignen Transformation in undifferenzierte embryonale Sarkome besitzen. In der Literatur sind auch wenige Fälle einer Spontanrückbildung nach Biopsie und sequenziellen CT-Nachuntersuchungen beschrieben. Prognose Die Prognose der Hamartome ist nach kompletter Resek­ tion exzellent. Allerdings sind einige Todesfälle durch intra- und postoperative Komplikationen (Blutungen, Atemnotsyndrom, Leberversagen) beschrieben und keineswegs zu unterschätzen. 13.1.3Adenome Definition und Epidemiologie Leberadenome sind gutartige Tumoren der Leberzellen. Sie sind im Kindesalter sehr rar. Pathologie Leberadenome kommen gehäuft bei Einnahme von Kontrazeptiva oder Kortikoiden und bei Diabetes mellitus oder Glykogenspeicherkrankheiten vor. Zytologisch sind die Adenomzellen praktisch nicht von normalen Hepatozyten zu unterscheiden. Die mikroskopische Läppchenarchitektur fehlt in den Adenomen. Klinik und Diagnostik Adenome verursachen gelegentliche Oberbauchschmerzen und werden in der sich anschließenden Bildgebung Abb. 13-3 Leberhamartom bei einem neugeborenen Mädchen. a u. b) MRT, c) intraoperativer Befund sowie d) angeschnittenes Hemihepatektomiepräparat.