Biopsychosoziales Krankheitsverständnis und

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Paartherapeutische Aspekte bei der
Behandlung depressiver Erkrankungen
Workshop mit
Josef Heck, Dipl.-Psych., Dipl.-Theol., Ingolstadt
[email protected] – www.praxisgemeinschaft-heck.de
Schön Klinik Roseneck
Depression: Perspektiven heute
2. Symposium in Prien am Chiemsee
Freitag und Samstag, 23. und 24 September 2016
Inhalte
Grundlagen

Genogramm und Hypothesenbildung
Aufgaben für die Arbeit in Kleingruppen am Fallbeispiel Frau A.B.

Begriff Depression

Interaktion zwischen psychosozialen und biologischen Faktoren

Auslöser für Depressionen

Störungsmodelle:
VT [Lewinsohn]
KVT [Seligman, Beck]
PA [Mentzos]
IPT [Schramm]
ST [Schweitzer & v. Schlippe, Jones & Asen]
Systemtheoretisch orientiertes Modell [Schleiffer]
Konflikttheoretisch erweitertes Konflikt-Lösungs-Modell [Brunner & Heck]

Fallbeispiel: Tsukuru Tazaki [Haruki Murakami]
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
2
Inhalte
Therapie depressiver Störungen

Leitideen

Unterscheidung: Konflikt-Kontexte / Nicht-Konflikt-Kontexte

Systemisches Grundmodell: Welche Muster lassen sich rekonstruieren?

Lösungsorientiertes Fragen

Funktionale Analyse und das Problem des Anfangs

Beratung und Therapie als ‚konditionierte Koproduktion‘

Schritte der Konflikt-Rekonstruktion psychischer und sozialer Konflikte

Konstruktion äquivalenter Lösungen psychischer und sozialer Konflikte

Konstruktion von Lösungen in der Zeit und im Raum

Grundhaltungen in der Konflikt-Lösungsarbeit

Allgemeine Aspekte

Funktion von Konflikten: Entwicklung und Potentialentfaltung
Literatur
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Genogramm und Hypothesenbildung
Aufgaben für die Arbeit in Kleingruppen





Bitte lesen Sie jede/r für sich den Fallbericht über Frau A.B.
Setzen Sie sich danach am Ort in Kleingruppen zusammen (3-4 Personen).
Zeichnen Sie zunächst auf der Basis der im Text enthaltenen Informationen
ein Genogramm auf ein Flipchart. Tragen Sie alle Informationen, die Sie für
relevant erachten, in das Genogramm ein.
Nach Fertigstellung des Genogramms versuchen Sie, zumindest eine
Hypothese im Austausch in der KG zu erstellen zu folgender Frage:
Wenn man das depressive Verhalten der Patientin als Resultat eines
Lösungsversuchs eines existenziellen Problems oder Konfliktes
betrachtet – für welches Problem bzw. für welchen Konflikt könnte man dann
das depressive Verhalten von Frau A.B. als Resultat eines solchen
Lösungsversuchs betrachten?
Kurz: Für welches Problem, für welchen Konflikt stellt Depression – aus
Ihrer Sicht! – eine gute Lösung dar?
Welche weiteren Behandlungsmaßnahmen schlagen Sie vor?
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Grundlagen
Begriff Depression nach der ICD-10




Die ICD-10 beschreibt Depression als eine Erkrankung bzw. Störung, die
den ganzen Menschen umfasst: sein Denken, seine Gestimmtheit, seinen
Bezug zur eigenen Person, zu anderen Menschen, zur Umwelt, zur Zukunft,
zum körperlichen Befinden.
Depressive Störungen sind anhand einer typischen Symptomatik mit einer
gewissen Zeitstabilität und einem typischen Verlaufsmuster
diagnostizierbar und beschreibbar.
Hauptsymptom ist eine Störung der Affektivität, d.h. der Gestimmtheit eines
Menschen.
Depression wird verstanden als Resultat eines komplexen Wechselspiels
biologischer [genetische Prädisposition, biochemische Prozesse], psychischer
[veränderte Denkmuster] und sozialer Faktoren [Stress, Verlust, Misserfolg].
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Interaktion zwischen psychosozialen und
biologischen Faktoren




Es ist davon auszugehen, dass bei der Entstehung von Depressionen sowohl
genetische [Konkordanzraten bei eineiigen Zwillingen zwischen 30% - 80%],
biologische wie auch psychische und soziale Prozesse zusammenspielen.
Vorausgesetzt, dass eine Person eine genetische Disposition für die
Entwicklung einer Depression mitbringt, ist sie anfälliger, auf spezifische
Auslöser für Depressionen zu reagieren und eine Depression zu entwickeln.
Damit es zu einer Depression kommt, sind in der Regel auslösende
Ereignisse erforderlich, welche starke emotionale Reaktionen bewirken
und automatisierte Verhaltensmuster freisetzen: Die Person beginnt, sich
stärker mit sich selbst zu befassen, sich selbst, die Welt und die Zukunft
dysfunktional zu interpretieren.
Ungünstige Ursachenzuschreibung [Sichtweisen, Beobachtungen] und
dysfunktionale Informationsverarbeitung führen zu einer Abnahme
positiver Erfahrungen im Alltag, zu Rückzug und einer Abnahme an
Aktivitäten, was wiederum die depressive Verstimmung weiter verstärkt und
mit dem Vollbild einer Depression einherzugehen beginnt.
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J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Auslöser für Depressionen
Bodenmann, 2009, 41ff.
In 56 bis 73% der Fälle geht einer
Depression ein kritisches
Lebensereignis voraus. Dieses ist in
90% der Fälle ein Verlusterlebnis.
Verlust …

eines geliebten Menschen

eines wichtigen Tieres

eines wichtigen Objektes

des sozialen Netzwerkes
[Freunde, Nachbarn, Verwandte]

von Status und Funktionen durch
Arbeitslosigkeit, Pensionierung

von Achtung durch
Diskriminierung

des Partners durch Trennung und
Scheidung

der Kinder durch Auszug
Symposium 23.-24.09.2016
Vereinzelt kann es sich jedoch auch um
eine Misserfolgssituation handeln.
Misserfolg …

in einer wichtigen Prüfung

bei der Berufswahl

in persönlichen Angelegenheiten

in einer Bewerbung

soziale Zurückweisungen,
Kränkungen, Verletzungen, etc.
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Störungsmodelle – Überblick








Verhaltenstherapie [VT]:
Lerntheoretisches Modell (P.M. Lewinsohn)
Modell der gelernten Hilflosigkeit (M. Seligman)
Kognitives Modell (A.T. Beck)
Psychoanalyse [PA] (S. Mentzos]
Interpersonelle Therapie [IPT] (E. Schramm)
Systemische Therapie [ST] (Schweitzer & v. Schlippe, Jones & Asen):
Systemtheoretisches Modell (R. Schleiffer)
Konflikt-Lösungs-Modell (H. Brunner, J. Heck)
In den Modellen werden zunehmend Interaktion und Kommunikation
bedeutsam.
Alle gängigen Modelle und Theorien / Konzepte zusammen sind meines
Erachtens erst in der Lage, die unterschiedlichen Aspekte des komplexen
Phänomens ‚Depression‘ annähernd zu beschreiben!
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J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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VT – Lerntheoretisches Modell
Lewinsohn, 1974







Eingeschränkte soziale Fertigkeiten, sich so zu verhalten, dass in der
jeweiligen Umgebung eine positive Verstärkung erfolgt.
Monotone Lebensbedingungen, lähmende Routinen in Beruf, Partnerschaft
und Familie, eingeschliffene Verhaltensmuster.
Eingeschränktes Verstärkeruniversum von positiv besetzten Situationen,
Beziehungen und sozialen Netzwerken, Aktivitäten (Hobbys, Interessen) und
finanziellen und materiellen Ressourcen.
Geringe Verfügbarkeit von Verstärkern aufgrund der geographischen Lage,
des Verlustes wichtiger Bezugspersonen, des Arbeitsplatzes, der Gesundheit,
durch Inhaftierung.
Wegfall der Hemmung negativer Effekte durch positive Erfahrungen.
Reduktion von Verstärkern und depressives Verhalten bilden einen negativen
Teufelskreis in der Aufrechterhaltung depressiver Störungen.
Fallbeispiel: G. Bodenmann, 2009, S. 31f. [S. Deissler? Nicht nur Wegfall von
Verstärkern, sondern Verlust von Sinn].
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KVT – Modell der gelernten Hilflosigkeit
Seligman, 1972


Es wird angenommen, dass Menschen durch die Erfahrung der
Nichtbeeinflussbarkeit und Nichtvorhersagbarkeit vor allem aversiver
Ereignisse eine Einstellung der Hilflosigkeit entwickeln, die der Depression
entsprechende Symptome zur Folge hat.
Entscheidend dabei ist die subjektive Ursachenzuschreibung
bedeutungsvoller Ereignisse auf drei Dimensionen:
eher auf sich als auf andere
eher stabilen Persönlichkeitseigenschaften [„ich bin nicht liebenswert“] als
vorübergehenden Umständen, das heißt: „Unzulänglichkeiten“ sind nicht
veränderbar
eher globalen [„es ist immer mit allem und mit allen so“] als spezifischen
Aspekten der Situation, zugleich positive Ereignisse als von eigenem
Handeln unabhängig interpretiert werden, Glück und Zufall zugeschrieben
werden.
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KVT – Kognitives Modell
Beck, 1986


Depression wird als Folge verzerrter kognitiver Strukturen und fehlerhafter
Informationsverarbeitung auf drei verschiedenen Ebenen gesehen:
Kognitive Triade:
Die kognitive Triade besteht aus drei wesentlichen kognitiven Mustern, die
den Patienten verleiten, sich selbst, seine Erfahrungen und seine Zukunft in
idiosynkratischer Weise zu betrachten:
Negatives Selbstbild: Er beurteilt sich selbst als fehlerhaft, unzulänglich,
krank, benachteiligt, etc.
Negative Interpretation der eigenen Erfahrungen: Situationen werden
negativ eingeschätzt, in Interaktionen werden überall Niederlagen und
Enttäuschungen gesehen, etc.
Negative Zukunftserwartungen: Es wird angenommen, derzeitige Leiden
werden ewig weitergehen, Mühsal, Frustrationen und Benachteiligungen
werden erwartet, etc.
Im kognitiven Modell werden die anderen Merkmale und Symptome des
depressiven Syndroms als Folgen einer Aktivierung der negativen kognitiven
Muster [Unterscheidungen, Beobachtungen] angenommen. Dieses Denken
wird begleitet von negativen Affekten.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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KVT – Kognitives Modell
Beck, 1986




Kognitive Schemata: Kognitive Schemata sind die Voraussetzung für
Realitätswahrnehmung. Bei depressiven Patienten führt die Bildung zentraler
und bedeutungsvoller Schlüsselkognitionen zu Störungen in der
Realitätswahrnehmung und zu systematischen Fehlern im Denken. Die
systematische Anpassung der Schemata an neue Erfahrungen wird
verhindert.
Folgende fehlerhafte Informationsverarbeitungen halten negative
Schemata aufrecht: Willkürliche Schlussfolgerungen, selektive
Verallgemeinerungen, Übergeneralisierung, Magnifizieren der Leistungen
anderer, Minimieren der eigenen, Schwarz-Weiß-Malerei.
[Frühe] Traumata und Stresssituationen führen zur Entstehung negativer
Schemata über das Selbst, die Welt und die Zukunft. Physiologische,
emotionale und verhaltensmäßige Reaktionen werden durch diese Schemata
geformt und in bestimmten - für die betreffende Person problematischen Umständen und Situationen reaktiviert.
Das kognitive Therapiemodell geht also nicht nur von einer Affektstörung,
sondern primär von einer Denkstörung aus. Im kognitiven Modell werden die
affektiven Merkmale und Symptome des depressiven Syndroms als Folgen
einer Aktivierung der negativen kognitiven Muster angenommen. Sie bilden
das erste Glied in der Kette von Symptomen.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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PA – Der depressive Modus
Mentzos, 2009, 125ff.




Die unterschiedlichen Formen der Depression stellen aktive
Verarbeitungsmodi von Konflikten, Traumen und anderen Belastungen dar.
Der depressive Affekt signalisiert eine Erniedrigung des
Selbstwertgefühls, die Reduzierung von Entwicklungsmöglichkeiten in der
Zukunft, den Verlust von wertvollen Objekten, die Verstrickung in unlösbar
erscheinende Konflikte, etc.
Der depressive Modus stellt eine Rückzugsstrategie [Lösungsstrategie]
dar, einen Schutzmechanismus.
Der Schweregrad der depressiven Störungen ist nicht abhängig von der
Art des Konfliktes, des Traumas oder der sonstigen Belastung, die jeweils zu
der Depression führen, sondern von den Störungen bei der Bildung von IdealSelbst, Ideal-Objekt und Gewissen, vom Modus der Verarbeitung der
Störungen und der Reife bzw. der Unreife der mobilisierten
Abwehrmechanismen.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Unterscheidung: Trauer – Depression
Mentzos, 2009, 207ff.



Auch bei der Trauer sind Bedrückung, Rückzug und seelischer Schmerz
vorhanden, jedoch keine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls.
Keineswegs führt jeder reale oder symbolische Objektverlust zu einer
Depression, wohl aber zu einer Trauerreaktion. Sie ist nicht pathologisch,
sondern normal und zur Aufrechterhaltung psychischer Gesundheit
unerlässlich. Sie hat eine wichtige Lösungsfunktion.
Objektverlust erzeugt wahrscheinlich erst dort eine Depression, wo das
verloren gegangene Objekt eine ausgesprochen starke und einseitige, fast
monopolartige Bedeutung für die Aufrechterhaltung der narzisstischen
Homöostase [Selbstwertregulation] bei dem Betreffenden hatte, oder/und
dort, wo dieses Objekt stark ambivalent besetzt war.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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IPT – Störungsmodell
Schramm ,1996



Der Fokus liegt auf dem Zusammenhang zwischen depressivem
Verhalten und derzeitigen akuten oder langfristigen interpersonellen
Belastungsfaktoren. Dabei kann es sich beispielsweise um Konflikte mit
dem Partner, Trennungen von nahe stehenden Personen, den Verlust einer
vertrauten Rolle, oder um Einsamkeit handeln.
Es wird davon ausgegangen, dass der psychosoziale Kontext zum
Auftreten, zur Aufrechterhaltung und zum Verlauf der Depression wesentlich
beiträgt.
Die Analyse und Rekonstruktion intrapsychischer oder kognitiver Vorgänge
der Vergangenheit finden nicht statt. Aber der Einfluss früherer
Erfahrungen und unbewusster intrapsychischer Wünsche und Konflikte auf
spätere zwischenmenschliche Beziehungsmuster wird berücksichtigt.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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ST – Depression als Kommunikation
Schweitzer, v. Schlippe, 2007
Depressives Verhalten kann als Kommunikation verstanden werden,

sich stärker zu engagieren

als Bindung an Vergangenes: Depressives Verhalten kann metaphorisch
bestimmte Familienereignisse symbolisieren, z.B. die Verbindung zu einem
Verstorbenen ausdrücken [EF P. ...]

als Ausdruck von Loyalität: Die Person darf es sich z.B. nicht besser gehen
lassen als andere nahe stehenden Personen, die ein schweres Schicksal
erlitten haben

als bindend und systemerhaltend [Sch. ...]. Depression stellt dann die
Symmetrie in der Partnerschaft oder Familie wieder her.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Systemtheoretisch-funktionaler Ansatz
Schleiffer, 2012, 185ff.




Depression lässt sich als eine psychobiologische Grundreaktion auf einen
seelischen Schmerz mit Verlust des Wohlergehens und der narzisstischen
Integrität [vgl. Mentzos] auffassen.
Verlusterlebnisse und Trennungen, Konfliktsituationen, Zurückweisungen, der
Verlust des Arbeitsplatzes […] verweisen auf Probleme, für die eine
Depression als Problemlösungsversuch infrage kommen. Beim Blick auf die
genannten Risikofaktoren fällt auf, dass es so gut wie immer darum geht, wie
ein psychisches System in und durch Kommunikation adressiert wird.
Trennungen und Verlustereignisse beeinträchtigen das psychische
Wohlbefinden vor allem dann, wenn sie als kränkende, d.h. den Selbstwert
herabsetzende Zurückweisungen erlebt werden. Als riskant bzw. als
depressionsfördernd erweist sich ein Verlusterlebnis dann, wenn ihm eine
solche Bedeutung zugeschrieben wird. In einer solchen Situation nimmt das
psychische System sich als ungenügend adressiert wahr und erlebt sich
als nicht mehr ausreichend der Rede wert.
Nicht mehr dazu gehören, für andere relevant zu sein, deprimiert.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Depression als Problemlösungsversuch
Schleiffer, 2012, 195ff.



Depressive Menschen [sind dann] darum bemüht, ein schlechtes Bild von
sich und der Welt zu konstruieren [vgl. Beck], das sich zudem immer
wieder als überaus veränderungsresistent erweist. Es sieht dann fast so
aus, als ob sie auf das doch sonst allen Menschen zu unterstellende Streben
nach Glück verzichten.
Ein resignatives Aufgeben diene letztlich der Anpassung, wenn ein Kampf
doch nicht zu gewinnen ist. […] Habe man zu erkennen, dass einer
gefährlichen Situation letztlich doch nicht auszuweichen sei und dass
keinerlei Aussicht auf Erfolg bestehe, das erstrebenswerte Ziel überhaupt
erreichen zu können, sei es naheliegend, sich zurückzuziehen, sich selbst
zu demotivieren und auf weitere Anstrengungen zu verzichten [vgl.
Seligman]. Wenn jede Aktion die eigene Lage nur verschlechtern kann,
dürften Stillhalten und Nichtstun tatsächlich angemessene LösungsStrategien sein.
Es wäre absurd [vgl.: Schneider, Ruff, 1985], weiterhin Energien zu
vergeuden.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Funktionen depressiven Verhaltens und
Erlebens Schleiffer, 2012, 197ff.






Die depressive Verfassung tötet den Schmerz.
Grübeln und Rumination, das heißt: das unentwegte Festhalten an ein und
demselben Gedanken erspart weitere Enttäuschungen.
Pessimismus und Anspruchslosigkeit schützen für den Fall, dass die
eigene Lebenserfahrung Anlass gibt, nur noch weitere Katastrophen auf sich
zukommen zu sehen.
Der depressive Rückzug reduziert das Enttäuschungsrisiko.
Hoffnungslosigkeit garantiert auch Sicherheit. Wer sich auf andere verlässt,
ist schließlich – bekanntlich nicht nur nach Überzeugung Depressiver – doch
immer wieder selbst verlassen. Will man ganz sichergehen, sich nie zu früh
gefreut zu haben, gibt es nur noch eine einzige sichere Methode: Man darf
sich erst gar nicht freuen. Insofern kann die depressive Verstimmung auch
der Angstbewältigung dienen.
Gefühl der Gefühllosigkeit: Weder andere Personen noch das eigene
Selbst werden für wert gehalten, als Inhalte und Objekte einer Sorge
vorgestellt und thematisiert zu werden. Es tut sich eine innere Leere auf.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Konflikttheoretisch erweitertes
systemtheoretisches Modell
 Verzicht auf Klärung des sozialen Konflikts
 Selbst-Attribuierung der sozialen Exklusion.
 Scham-Gefühl als Reaktion
 Negative Selbst-Bewertung
 Symptomatik als Lösungsversuche
Person
Kritisches
Lebensereignis:
Kommunikation
 Beobachtete Exklusion:
Subjektive Zuschreibung:
Irrelevant für Kommunikation
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Exklusion  Verzicht auf Konfliktklärung
 Selbst-Attribution  Selbst-Verlust
Kritische Lebensereignisse, Verlusterlebnisse und Misserfolgserlebnisse sind
zunächst rein faktisch auftretende Ereignisse. Sie erlangen ihre Bedeutung erst
durch bestimmte Zuschreibungen und eine bestimmte Weise der Bewältigung.
Sie führen nicht gleichsam automatisch zu depressiven Erlebens- und
Verhaltensweisen. Damit diese Ereignisse zu depressiven Reaktionen führen,
müssen folgende Risikofaktoren hinzukommen:

Exklusion: Die Beobachtung und Markierung der Person als irrelevant für
Kommunikation (Fuchs, Schleiffer) bei gleichzeitigem aktiven Verzicht auf die
Klärung eines sozialen Konfliktes. Zurückweisung erfolgt nicht einseitig.

Das Ersetzen des sozialen Konfliktes durch einen psychischen Konflikt.
Dadurch kommt es zur Auflösung der strukturellen Kopplung Psyche /
Kommunikation (Luhmann, Fuchs).

Die Person beobachtet sich selbst als die Ursache der Ex-Kommunikation.

Diese Form der Exklusion wird als schambesetzte De-Personalisierung
erlebt, als Verlust der sozialen Adresse (Luhmann, Fuchs).

Zugleich wird das Selbstwert-Gefühl herabgesetzt bis zerstört (Mentzos).
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Systemtheoretisch-funktionale Analyse
depressiven Verhaltens und Erlebens
Depressive Verhaltens- und Erlebensweisen werden in diesem Modell betrachtet

als Resultate

eines Versuchs einer Person

einen sozialen Konflikt zu vermeiden,

indem sie ihn durch einen psychischen Konflikt ersetzt,

der nicht entschieden, also nicht aufgelöst wird.
Aus dieser Betrachtungsweise ergeben sich Folgerungen für Psychotherapie und
Paar- bzw. Familientherapie:

Rekonstruktion des psychischen Konfliktes

Die Lösung des psychischen Konfliktes erfordert das Wagnis des Eingehens
und das Lösen eines sozialen Konfliktes
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Fallbeispiel: T. Tazaki am Rand des Nichts
Murakami, 2014, 9, 36, 274




9: Der Auslöser für die starke Anziehungskraft, die der Tod auf Tsukuru
Tazaki ausübte, war eindeutig. Seine vier engsten Freunde hatten ihm
eröffnet, dass sie ihn niemals wiedersehen oder mit ihm sprechen wollten.
36: Die kommenden sechs Monate in Tokio verbrachte Tsukuru an der
Schwelle des Todes. Er hatte sich am Rand seines bodenlosen schwarzen
Abgrunds eine bescheidene Heimstatt errichtet und fristete dort sein
einsames Dasein. Es war ein gefährlicher Ort, denn hätte er sich im Schlaf
nur einmal umgedreht, er wäre ins Nichts gerollt.
Die Landschaft um ihn herum war, soweit sein Auge reichte, von schroffen
Felsen übersät. Nirgendwo ein Tropfen Wasser, nirgendwo ein Grashalm.
Keine Farben und auch kein richtiges Licht. Keine Sonne, kein Mond und
keine Sterne. Wahrscheinlich auch keine Himmelsrichtungen [keine
Orientierung]. Zu bestimmten Zeiten wechselten dämmriges Zwielicht und
bodenlose Dunkelheit einander ab.
274: Die ganze Zeit habe ich mich als Opfer gesehen. Immer gedacht, mir
wäre grundlos grausames Unrecht widerfahren.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
23
Der lange Lösungsweg Tsukurus
Murakami, 2014, 94, 95, 97, 278, 277






94: Sara: Als wir miteinander geschlafen haben, hatte ich das Gefühl, du
warst irgendwo anders, nicht an dem Ort, an dem wir uns zusammen
befanden. Du warst sehr zärtlich, es war wunderschön, und dennoch …
95: Sara: Wenn es mit uns beiden etwas Ernstes werden soll, möchte ich
nicht, dass dieses Etwas zwischen uns steht. Etwas, von dem ich nicht weiß,
was es ist. […] Seine Wurzeln reichen wahrscheinlich tiefer, als du denkst.
97: Tsukuru: In den letzten zehn Jahren war ich mit drei oder vier Frauen
zusammen. […] Aber keine von ihnen begehrte ich so leidenschaftlich,
dass ich mich selbst vergessen hätte.
278: Tsukuru: Mir fehlt das Selbstvertrauen. Weil ich nichts bin. Ich habe
keine Persönlichkeit [Person, Adresse]. Ich habe ihr nichts zu bieten. Das ist
von Anfang an mein Problem gewesen. Ich komme mir vor wie ein leeres
Gefäß.
92: Sara: Ich finde, du solltest allmählich klären, warum deine vier
Freunde sich so abrupt von Dir abgewandt haben.
277: Eri: Du musst um sie kämpfen, Tsukuru. […]. Unter allen Umständen.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
24
Therapie depressiver Störungen
Leitideen – 1



Versteht man Depression als Negation des Selbst, als Setzung von SinnLosigkeit als Lebens-Sinn aufgrund der Erfahrung und des Erlebens von
Exklusion und eigener Selbstentwertung, dann müsste das Ziel der Therapie
bestehen in der Ermöglichung einer Negation dieser Negation.
Dieser Prozess hat zwei Teilziele: die Wiederentdeckung und die aktive
Durchsetzung des einzigartigen und einmaligen Selbst des Patienten in seiner
konkreten Beziehungswelt durch Wieder-in Kommunikation-treten und durch
die Wieder-Annahme einer Sinnsetzung, die auch den Wider-Sinn seiner
Biographie und seiner historischen Erfahrung immer wieder angemessen
kompensieren kann (P.K. Schneider, E.J. Ruff, 1985). Und zwar unter der
theoretischen Prämisse und der praktischen Erfahrung, dass die Person dies in
der akuten depressiven Phase aus strukturellen Gründen aus sich selbst heraus
gar nicht zu tun vermag.
Veränderung auf der Basis eines grundlegenden Reframings, Beobachtung
2.Ordnung: das depressive Verhalten, dem sich der Patient ausgeliefert erlebt,
wird im Kontext seiner persönlichen Geschichte und der Geschichte seiner
Beziehungen anders beobachtet: als Resultat eines wertzuschätzenden,
kreativen, aber scheiternden Konflikt-Lösungs-Versuches und als Resultat einer
Anpassungsleistung an für ihn selbst nicht mehr anders zu bewältigende
Umweltkonstellationen.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Leitideen – 2





Diese Wertschätzung durchzieht den gesamten therapeutischen Prozess und
bildet so eine Keimzelle für eine neue Form der Selbstbejahung und das
Fundament für die Entwicklung neuer Sinnfiktionen und Handlungsoptionen.
Diese erste Form der Wiederaufnahme der Kommunikation erfolgt in Therapie
und Beratung in Form der unmittelbar erlebten und nicht weiter reflektierten
Ermöglichung einer umfassenden Annahme der Person und der Ermöglichung
eines tiefen Selbstverstehens der Person.
Ein weiteres wesentliches Ziel ist, die Person vor die Entscheidung zu stellen,
die Kommunikation auch mit anderen Personen in ihrem sozialen Umfeld
wieder aufzunehmen.
Dies erfordert Mut zum Risiko der Erfahrung möglicher oder sehr
wahrscheinlicher erneuter Neins in Kommunikation.
Wesentlich dabei ist, dazu beizutragen, dass in der Erfahrung von Neins in der
sozialen Kommunikation die Selbstnegation der Person in der
‚innerpsychischen Kommunikation‘ unterbleibt.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Leitideen – 3
Jones, Asen, 2002, S. 28




Das Hauptziel eines systemischen Ansatzes zur Paartherapie bei Depression
liegt somit also darin, die dargelegten Symptome in ihren Kontext zu
stellen – das heißt in den Kontext der gegenwärtigen und vergangenen
Beziehungen der Person zu Familienmitgliedern und/oder wichtigen anderen
Personen wie auch in den Kontext der sozialen und kulturellen Faktoren und
Diskurse.
Systemische Paartherapie zielt darauf ab, der DP [designierten Patientin] und
der PartnerIn zu neuen Perspektiven für die dargelegten Probleme zu
verhelfen, den depressiven Verhaltensweisen eine neue Bedeutung zu
geben und mit neuen Wegen im Umgang miteinander zu
experimentieren.
Wir gehen dabei von folgender Voraussetzung aus: Wenn das Paar seine
Interaktion ändert, ändern sich vielleicht auch die Symptome.
Wie kann dies – Schritt für Schritt – in der Kommunikation mit Patient
unter Einbeziehung seiner/ihres Partners/Partnerin ermöglicht werden.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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Unterscheidung
Konflikt-Kontexte / Nicht-Konflikt-Kontexte
Die für die Entwicklung und Aufrechterhaltung depressiven Erlebens und
Verhaltens relevanten Kontexte können

die aktuell Partnerschaft oder Familie sein,

oder andere soziale Beziehungen.

Selbst wenn konflikthafte Beziehungskontexte außerhalb der Familie/
Partnerschaft als relevanten Kontexte für Entstehung und Aufrechterhaltung
depressiven Verhaltens und Erlebens rekonstruiert werden, können diese für
Partner und Familienangehörige Stressfaktoren darstellen, auf die diese
ihrerseits oft symptomverstärkend reagieren, so dass auch hier ein problemstabilisierendes Interaktionsmuster beobachtbar ist, das genau rekonstruiert
und aufgelöst werden sollte. Es ist aber nicht Ergebnis eines sozialen
Konfliktes: „Zum Beispiel können Versuche, der DP beim Überwinden der
Depression zu helfen, indem man ihre Aufmerksamkeit auf die nichtdeprimierenden Aspekte ihres Lebens lenkt – ‚die schönen Dinge des Lebens
betrachtet‘ – ihr Gefühl der Isolation und des Nicht-verstanden-Werdens
verstärken und somit die Depression vertiefen“ (Jones, Asen, 2002, 27f.).
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
28
… Unterscheidung

Auch hier „[versucht] die Therapeutin, mit dem Paar [der Familie] zusammen
herauszufinden, welche Ressourcen sie haben, um zu neuen und anderen
Interaktionsmustern zu gelangen, zu denen nicht die Symptome und die
damit verbundenen Verhaltensweisen gehören“ (Jones, Asen, 2002, 28).
Erforderlich ist hier nicht die Rekonstruktion eines sozialen Konfliktes in der
Partnerschaft, aber die Rekonstruktion der problemstabilisierenden
Interaktionsmuster, Kognitionen und Gefühle, sowie die Konstruktion
alternativer Lösungen (Jones, Asen, 2002; de Shazer, Dolan, 2007;
Bamberger, 2015). Hilfreich dafür ist der Bezug auf das systemische
Grundmodell.
Für die Arbeit mit Patienten, deren depressives Verhalten und Erleben in
Zusammenhang mit konflikthaften sozialen Prozessen der Partnerschaft
bzw. der Familie betrachtet werden, wird im Folgenden das KonfliktLösungs-Modell (Brunner/Heck, 2016) vorgestellt. Voraussetzung ist die
psychische Stabilität des Patienten, die Wiedererlangung seiner Alltags-,
Reflexions- und Kommunikationsfähigkeit und seines Selbst-Verständnisses.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
29
Systemisches Grundmodell
Welche Muster lassen sich rekonstruieren?
Physiologische
Reaktionen
‚Feuern‘
Physiologische
Reaktionen
‚Feuern‘
Neuronales System
Wahrnehmung
Gedanken
Gefühle
Wahrnehmung
Gedanken
Gefühle
Psychisches System
AlterVerhalten
[Nörgeln]
EgoVerhalten
[Rückzug]
Soziales System
als Kontexte /
Umwelten füreinander
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
30
Lösungsorientiertes Fragen
Jones/Asen, 2002; de Shazer/Dolan, 2007, Bamberger, 2015
Eigenschaft
Schlüsselwort
Musterfrage
bedeutsam
was
"Was möchten Sie erreichen ?"
positiv
stattdessen
"Was werden Sie stattdessen tun ?"
prozesshaft
wie
"Wie machen Sie das dann genau ?"
hier und jetzt
verhalten/machen
(Präsensform)
"Was machen Sie dann genau ?"
so spezifisch wie möglich
genau/im einzelnen
"Wie machen Sie das dann genau ?"
klein
der nächste kleine Schritt
"Was ist der nächste kleine Schritt ?"
im Kontrollbereich der KlientIn
Sie
"Was werden Sie dann tun ?
in der Sprache der KlientIn
Worte der KlientIn verwenden
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
31
Funktionale Analyse
und das Problem des Anfangs (Fuchs, 2011)





Ausgangsfrage der funktionalen Analyse: Für welchen psychischen oder
sozialen Konflikt kann ein Phänomen [hier: depressives Erleben und
Verhalten], das als ‚Störung‘ oder als ‚problematisches Verhalten‘ bezeichnet
wird, als Resultat von ‚Lösungsversuchen‘ des Konfliktes beobachtet und
gewürdigt werden?
Im Unterschied zum manifesten Verhalten, dem beschriebenen ‚Problem‘,
der ‚Störung‘, können die den ‚Störungen‘ inhärenten Konflikte von einem
beobachtenden System nicht bzw. nicht vollständig beobachtet werden. Sie
werden von einem externen Beobachter als latent hinbeobachtet. Damit wird
eine Unterscheidung eingeführt: manifest / latent.
Latente Konflikte müssen re-/konstruiert werden, wieder in Kommunikation
gebracht werden als Bedingung für die Erfindung äquivalenter Lösungen.
Psychotherapie und Paartherapie sind aber nur möglich auf der Basis
eines entsprechenden psychischen und sozialen Problembewusstseins
und eines damit verbundenen Leidensdruckes. Andernfalls besteht für
die Patienten und ihre Partner keine Notwendigkeit für eine
Lösungsarbeit.
Dazu bedarf es einer Programmatik, einer Methodik, einer Vorgehensweise,
die die beraterische bzw. therapeutische Kommunikation in Themenbereiche
strukturiert.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
32
Beratung und Therapie als ‚konditionierte
Koproduktion‘ (Fuchs, 2011; Luhmann, 2004)



Beratung und Therapie vollzieht sich im Medium von Kommunikation, als
sekundäres soziales Funktionssystem, in dem ein Veränderungswunsch
bzw. ‚Leidensdruck‘ und dessen ‚Auf-Lösung‘ kommuniziert wird.
Die psychischen Systeme von Beratern, Therapeuten und Klienten und
deren soziales Kommunikationssystem werden als strukturell gekoppelt
betrachtet, als ‚konditionierte Koproduktion‘.
Strukturelle Kopplung meint das wechselseitige Zur-Verfügung-Stellen von
eigener vorkonstituierter Komplexität zum Aufbau des anderen Systems.
Symposium 23.-24.09.2016
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Schritte der Konflikt-Rekonstruktion
Themen der Kommunikation
Brunner / Heck, 2016

Kontextklärung [zu Beginn]


Beschreibung des Problems und der Problemsituation 
Beschreibung des eigentlichen Problems, des Problems am Problem 

Auftragsklärung


Beschreibung der Ziele 
Beschreibung der Hindernisse 
Beschreibung des Konfliktes 

Auftragsklärung

Beschreibung äquivalenter neuer Lösungen 

Symposium 23.-24.09.2016
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Kontextklärung zu Beginn



Es geht in diesem Themenbereich um die Klärung der Frage:
„Welche Personen sprechen dem gerade begonnenen Beratung- bzw.
Therapieprozess welche Bedeutung zu?“
Diese Klärung dieser Fragestellung ist verbunden mit einem ‚Blick zurück‘.
Die Klienten werden gebeten, zu beschreiben, welche Personen welche
Motive und Ziele mit diesem aktuellen Beratungs- bzw. Therapieprozess
verbinden, welches Kommunikationssystem sich um diese Themen bereits
gebildet hatte, um gleichsam ‚errechnen‘ zu können, welche vorkonstituierte
Eigenkomplexität dieses bereits bestehende Kommunikationssystem in das
aktuelle beraterische bzw. therapeutische System einbringt bzw. – umgekehrt
betrachtet – wie sich das beraterische bzw. therapeutische System optimal an
das bereits bestehende soziale Kommunikationssystem ankoppeln könnte,
um dieses durch das Zur-Verfügung-Stellen beraterischer bzw.
therapeutischer Eigenkomplexität und Kompetenz angemessen ‚irritieren‘ und
‚verstören‘ zu können.
Symposium 23.-24.09.2016
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35
[Re]Konstruktion psychischer Konflikte
Beschreibung des Problems 





Klienten beschreiben das Problem in einer Weise, in der sie sich oft als Opfer
betrachten.
Sie wünschen eine Lösung oft zunächst nur in der Form der Abwesenheit
des Problems: es möge verschwinden.
Klienten werden gebeten, relevante Aspekte des Problems und der
Problemsituation zu beschreiben:
„Was ist das Problem?“
„In welcher Situation tritt es auf?“
„Welche Personen sind beteiligt?“
„Wie verhalten sie sich?“
„Welche Kontextfaktoren müssen mitberücksichtigt werden?“
Die Informationen können in einem Genogramm visualisiert werden.
Interaktionsmuster können hypothetisch konstruiert und durch
systemische Fragen überprüft werden.
Symposium 23.-24.09.2016
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[Re]Konstruktion psychischer Konflikte
Beschreibung des Problems am Problem 





Die Beschreibung des eigentlichen Problems im Unterschied zur
Beschreibung des Problems. Dies ist der wichtigste Schritt im gesamten
Prozess. Er wendet den Blick des Klienten auf ihn selbst.
Die eigentliche, aber nur im Dialog entfaltbare Frage lautet:
„Wie machen Sie selbst das genau, dass das, was da gerade geschieht oder
was andere machen, für Sie zu dem wird, was Sie selbst als ‚Problem‘
betrachten und als ‚Problem‘ bezeichnen?“
Eine zumutbarere Frage wäre:
„Was ist eigentlich für Sie so schwierig in dieser Situation? Was ist denn für
Sie – wenn ich das mal so sagen darf – das Problem am Problem?“
Der Klienten wird als Täter, als Mitverantwortlicher, beobachtet, der ein
Verhalten, eine Situation als Problem beobachtet und durch sein Verhalten
aktiv mit aufrecht erhält, implizit zugleich jedoch auch als jemanden, der
auch anders beobachten und handeln könnte.
Diese Phase wird abgeschlossen mit einer Auftragsklärung.
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[Re]Konstruktion psychischer Konflikte
Beschreibung der Ziele – Auftragsklärung 




Die Beschreibung bzw. Konstruktion der Ziele im Unterschied zum
eigentlichen Problem, gleichsam die andere Seite der Medaille.
Wenn Klienten nach der detaillierten Beschreibung der Problemsituation und
der Kontexte dieser Situation gebeten werden, zu beschreiben, wie sie selbst
durch eigenes Verhalten diese Situation mit herstellen und mit
aufrechterhalten, dann ist es fast unvermeidlich, dass die Klienten nicht nur
unmittelbar wissen, was sie nicht wollen, sondern sofort einen Zugang haben
zu dem, was sie stattdessen wollen.
Sie gehen von der Seite des Problems auf die Seite der Lösung. Sie treffen
eine Unterscheidung, kreuzen die Seiten, denn die Lösungs-Seite wird immer
schon mitgeführt.
Der Klient muss dann nur noch angeregt werden, unter Berücksichtigung
der Kriterien für wohldefinierte Ziele (de Shazer, Dolan, 2007) sehr genau
und so konkret wie möglich zu beschreiben, was er auf der Seite der Lösung
tatsächlich anders macht.
Symposium 23.-24.09.2016
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[Re]Konstruktion psychischer Konflikte
Beschreibung der Hindernisse 




Die Beschreibung der Hindernisse beruht auf der Prämisse, dass die
Personen als sich selbst organisierende Problemlöser betrachtet werden, die
selbstverständlich ununterbrochen Entscheidungen im Hinblick auf relevante
Ziele treffen. Es besteht Entscheidungs- und Handlungszwang. Sonst hört ein
System auf zu operieren, zu existieren.
Nun gibt es Situationen, in denen es schwierig oder gar unmöglich
erscheint, eindeutige Entscheidungen zu treffen. Dabei wird angenommen,
dass es für die Personen nicht schwierig ist, Entscheidungen zu treffen, weil
sie dies nicht könnten [Defizit-Modell].
Vielmehr wird davon ausgegangen, dass es für die Personen ernst zu
nehmende Hindernisse – Einstellungen, Werte, Glaubensüberzeugungen –
gibt, die der Erreichung relevanter Ziele entgegenstehen.
Nach einer kurzen Einführung dieser Idee werden Klienten gefragt:
„Ich bin der Überzeugung, dass Sie die von ihnen genannten Ziele schon
längst realisiert hätten, gäbe es für Sie nicht triftige Gründe, die dagegen
sprechen, dies zu tun. Was genau hindert Sie?“
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[Re]Konstruktion psychischer Konflikte
Beschreibung des Konfliktes 




Ziele und die den Zielen entgegenstehenden Hindernisse [Widersprüche]
werden als die Komponenten psychischer Konflikte betrachtet.
Stress: Gefühle der Überforderung, Unruhe, Blockade, etc. sind die Folgen
nicht auflösbar bzw. nicht entscheidbar erscheinender Konflikte.
Psychische Konflikte schlagen gleichsam ins Körperliche um.
Oft werden nicht die den Stress bedingenden Konflikte, sondern nur die
Stressreaktionen selbst als das ‚Problem‘ betrachtet und von den Personen
auf unterschiedliche Weise aufzulösen und zu bewältigen versucht [durch
Resignation, Vermeidung, Kontrollverhalten, Alkohol, etc., also durch die
Entwicklung von ‚Störungen‘] auf eine Weise, die die Stressreaktion und das
Bewältigungsverhalten oft teufelskreisartig aufrechterhalten.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung des Problems 



Oft werden Auseinandersetzungen beschrieben, die in alltäglichen
Bagatellen ihren Anfang nehmen und immer wieder eskalieren.
Die Beschreibungen der ‚Problem‘-Situationen der beiden Partner können
sehr unterschiedlich sein, so dass sich bereits diese Gesprächssituation als
soziale Konflikt-Situation zeigt, die eine Entscheidung erfordert, an welchem
Thema angeschlossen werden soll.
Die Partner reden dann einerseits über unterschiedliche ‚Problem‘-Sichten,
sind andererseits bereits mitten im Geschehen der Konflikt-Lösung.
„Was ist das Problem aus Ihrer Sicht?“
„In welcher Situation tritt es auf?“
„Welche Personen sind beteiligt?“
„Wie verhalten sie sich?“
„Welche Kontextfaktoren müssen mitberücksichtigt werden?“
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[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung des Problems am Problem 





Die Beschreibung des eigentlichen Problems im Unterschied zur
Beschreibung des Problems.
Dies ist der wichtigste Schritt im gesamten Prozess. Er wendet den Blick
auf die Partner selbst. Die nur im Dialog entfaltbare Frage lautet:
„Was ist eigentlich für Sie so schwierig, wenn sich Ihr Partner / Ihre Partnerin
in dieser Situation so verhält, wie Sie das sehen und gerade beschrieben
haben? Was ist denn für Sie – wenn ich das mal so sagen darf – das
Problem am Problem?“
Die Partner werden als Mitverantwortliche beobachtet, die erst dem Verhalten
des anderen Partners die Bedeutung des ‚Problems‘ zuschreiben und sich
dieser eigenen Konstruktion entsprechend verhalten, implizit zugleich auch
als jemanden, der auch anders beobachten und handeln könnte.
Die Partner erkennen neue Aspekte in den Sichtweisen des anderen
Partners im Unterschied zu ihren eigenen Sichtweisen.
Diese Phase wird abgeschlossen mit einer Auftragsklärung.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung der Ziele – Auftragsklärung 



Die Beschreibung bzw. Konstruktion der Ziele im Unterschied zum
eigentlichen Problem, gleichsam die andere Seite der Medaille.
Beide Partner beschreiben in diesem Gesprächsrahmen nicht nur, was sie
von sich selbst erwarten, sondern auch, was sie vom anderen Partner
erwarten, woran genau sie merken, dass die von ihnen erstrebten Ziele
erreicht und die mit diesen verbundenen Werte realisiert worden sind – wieder
unter Berücksichtigung der Kriterien wohldefinierter Ziele (de Shazer, Dolan,
2007).
Sie gehen von der Seite des Problems auf die Seite der Lösung. Sie treffen
eine Unterscheidung, sie kreuzen die Seiten, denn die Lösungs-Seite wird
immer schon mitgeführt.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
43
[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung der Hindernisse 




In sozialen Konfliktlagen werden die beiden Partner nacheinander gefragt:
„Was genau hindert Sie, dem Ziel, dem Wunsch Ihres Partners / Ihrer
Partnerin zu entsprechen?“
Wir gehen davon aus, dass ‚hinter‘ diesen ‚Hindernissen‘ immer wichtige, vor
allem positive Werte und Bedürfnisse der Personen stehen.
Diese gilt es in der Kommunikation ausführlich und sehr genau zu eruieren, in
die Kommunikation zu bringen – in einer Haltung der Offenheit, Neugierde,
Neutralität und der Wertschätzung.
Berater und Therapeuten könnten dadurch zum Modell werden für die
partnerschaftliche Kommunikation – ohne dass dies in der beraterischen /
therapeutischen Kommunikation selbst noch einmal metakommuniziert wird.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
44
[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung des Konfliktes 



Mit der Beschreibung der Ziele der Partner und der Beschreibung der den
Zielen des einen Partners entgegen stehenden Hindernisse des anderen
Partners haben wir die Komponenten sozialer Widersprüche bzw. Konflikte
[re]konstruiert.
Eine Unterscheidung müssen wir noch präziser beschreiben:
Im Falle psychischer Konflikte bilden Ziel und Hindernis die beiden Seiten
des Konflikts.
Im Falle sozialer Konflikte könnte man sich damit begnügen, zu sagen, die
unterschiedlichen Ziele der beiden Partner bilden die beiden Seiten der
Unterscheidung, die sich widersprechen.
Mit der Unterscheidung von Zielen einer Person und den Hindernissen
dieser Person in Bezug auf die Ziele der anderen Person werden jedoch die
spezifischen widersprechenden Werte-Implikationen in den Zielen der einen
Person gegenüber den Zielen der anderen Person differenziert herausgearbeitet und für beide Partner offen gelegt – was oft nicht der Fall ist.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
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[Re]Konstruktion sozialer Konflikte
Beschreibung des Konfliktes 
Ziel E
Symposium 23.-24.09.2016
Hindernis
E → ZA
Hindernis
A → ZE
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
Ziel A
46
Konstruktion äquivalenter Lösungen
psychischer und sozialer Konflikte 



Die Personen und Partner erleben die Differenziertheit der beiden Seiten
des Konfliktes als [auf]klärend und erleichternd, wenn sie in einer neutralen,
neugierigen und wertschätzenden Kommunikation [re]konstruiert worden sind.
Vieles hat sich allein dadurch schon verändert: Sichtweisen und Einstellungen
zu sich selbst und zu anderen, zu eigenen und fremden Motiven und Werten,
zu Bedürfnissen und Zielen sind in den Blick gekommen.
Ohne diese vollzogenen kognitiven und emotionalen Veränderungen der
Beteiligten ist der eigentliche erst folgende Konflikt-Lösungs-Prozess nicht
einmal ansatzweise denkbar. Er umfasst folgende Schritte:
Neue Auftragsklärung
Frage nach den positiven Erfahrungen im Umgang mit Konflikten?
Frage nach Ressourcen, hilfreichen Strategien für den Lösungsprozess?
Hinführung zur Erweiterung des Lösungs-Möglichkeiten-Raumes des
Konfliktes: 2 Alternativen – 4 Fälle – 16 Möglichkeiten.
Zeit- / Raum-Experimente.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
47
Konstruktion von Lösungen in der Zeit
Brunner / Heck, 2016, 95ff.
Der Klient hat die Möglichkeit, alle 4 Lösungs-Zeit-Räume nacheinander in der Zeit zu
‚durchschreiten‘ und sich darin zu erfahren (Abb. 4).
a / nicht b
b / nicht a
beides
beides nicht
Zeit
Abb. 4: Zeit-Räume als Hinweise und Symbolisierungen von Lösungs-Möglichkeiten
Wichtig ist nun zu sehen, dass der Klient in dem Moment, in dem er durch die 4 Zeit-Räume
schreitet, sich zugleich schon im Raum der 16 Lösungs-Möglichkeiten befindet, ohne dass der
Klient diesen 16 Lösungs-Möglichkeiten-Raum für sich beobachtet.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
48
Konstruktion von Lösungen im Raum
Brunner / Heck, 2016, 106ff.
Bei diesem Ansatz wird der konkrete Raum der Beratung, Mediation bzw. Therapie
als Lösungs-Möglichkeiten-Raum benutzt und die 4 Fälle werden nicht nach und
nach in der Zeit entfaltet bzw. in die Zeit ‚gelegt‘, sondern gleichsam im aktuellen
Beratungs-, Mediations- bzw. Therapie-Raum komprimiert. Die 4 Fälle werden als
vier Flächen symbolisiert, welche Quadranten darstellen, die leicht durch senkrecht
zueinander gelegte flexible Bänder gebildet werden können.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
49
Grundhaltungen
in der Konflikt-Lösungsarbeit – 1
Brunner / Heck, 2016, 116ff.
Die Gestaltung von Konflikt-Lösungs-Prozessen erfordert auf Seiten der Berater
und Therapeuten eine professionelle Rahmung, welche die Menschen, die sich
in Konflikten befinden, ermutigt, eine professionell geführte Konflikt-LösungsKommunikation zu riskieren:

Die Transparenz eines Konzeptes, das ‚Durchscheinen‘ einer Struktur in der
Gestaltung der Themenabfolge der Kommunikation, schafft Sicherheit und
Vertrauen in die Steuerungskompetenz des Beraters und Therapeuten.

In jeder Phase des beraterischen bzw. therapeutischen
Kommunikationsprozesses wird den Klienten aber auch eine Entscheidung
und Mitverantwortung in der Form wiederholter Auftragsklärungen
zugemutet.

Unabhängig von der konkreten Konflikt-Lösung ereignet sich auf der
Beziehungs- oder Mitteilungsebene der Kommunikation permanent soziales
Lernen am Modell.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
50
Grundhaltungen
in der Konflikt-Lösungsarbeit – 2
Brunner / Heck, 2016, 116ff.



Konflikt-Partner lernen am meisten vom Berater bzw. Therapeuten, wenn es
ihm gelingt, den Partnern so viel Zeit, Empathie und Verständnis zur
Verfügung zu stellen, dass deren Werte und Lösungs-Möglichkeiten für den
redenden, indirekt aber auch für den zuhörenden Partner präzise deutlich
werden. Sie lernen ein Muster der Gestaltung einer wertschätzenden
Kommunikation, das nicht noch einmal reflektiert wird.
Die Einhaltung einer sozialen Neutralität gegenüber den Personen und einer
Wert-Neutralität gegenüber den von ihnen gelebten und vermittelten Werten
erscheint als die wesentlichste Moderationskompetenz eines gelingenden
Konflikt-Lösungs-Prozesses.
Neutralität erfordert die konsequente Einnahme der Ebene der Beobachtung
2. Ordnung, der unterscheidenden Beobachtung der von den Klienten
getroffenen Wert- und Lösungs-Unterscheidungen.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
51
Allgemeine Aspekte





Das KLM zielt nicht auf Konsens im Sinne eines Vergleichs oder eines
Kompromisses durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft unter
beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen bzw.
formulierten Ziele. Vielmehr geht es um
• die Entfaltung eines Lösungs-Möglichkeiten-Raumes mit 16 logischen
Konflikt-Lösungs-Möglichkeiten [Komplexitätserhöhung]
• die Auswahl einer Konflikt-Lösungs-Möglichkeit [Komplexitätsreduktion]
Kompromiss stellt lediglich eine der insgesamt 16 Lösungs-Möglichkeiten
dar, ebenso die Nicht-Entscheidung als Entscheidung.
Die Lösungen psychischer und sozialer Konflikte haben oft soziale bzw.
psychische Konflikte zur Folge. Psychische und soziale Konflikte ‘benötigen’
sich zu ihrer Lösung gegenseitig.
Im Prozess der Lösung sozialer Konflikte entsteht nahezu immer eine
Irritation der strukturell gekoppelten psychischen Systeme, im Prozess
der Lösung psychischer Konflikte eine Irritation sozialer Systeme.
Die Reflexion der Auswirkungen von Neu-Entscheidungen sollte also
Bestandteil System / Umwelt-verträglicher Konflikt-Lösungs-Prozesse sein.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
52
Funktion von Konflikten
Entwicklung und Potentialentfaltung



(Luhmann)
Nach Luhmann (1985, 502ff.) haben Widersprüche und Konflikte eine
alarmierende, die Notwendigkeit von system- und umweltadäquateren
Veränderungen anzeigende, potenzialentfaltende Funktion.
„Komplexe Systeme benötigen ein recht hohes Maß an Instabilität, um
laufend auf sich selbst und auf ihre Umwelt reagieren zu können […].
Widersprüche sind in diesem Zusammenhang zu sehen als
Spezialeinrichtungen der Unsicherheitsamplifikation; sie verunsichern
sozusagen gezielt – sei es in einer darauf abzielenden Analyse, sei es in
widersprechender Kommunikation […]. Widersprüche werden deshalb oft als
Promotoren der Systembewegung angesehen oder gar als Antriebsstuktur
einer dialektischen Entwicklung“.
Beratung, Therapie und Mediation haben ihre Grenzen, wenn Konflikte
destruktiv-gewalttätig eskalieren. Sie erfordern dann das Ende von
Beratung, Therapie und Mediation und gegebenenfalls den Einsatz sozialer
Kontrolle. Gewalt zeigt an, dass Beratung, Therapie und Mediation Konflikte
nicht mehr mit ihren eigenen Bordmitteln – Kommunikation – lösen kann.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
53
Was bleibt bei den Klienten?
Das Eingehen des Risikos der Entscheidung
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
54
Literatur
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
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G. G. Bamberger (2015): Lösungsorientierte Beratung. Beltz, Weinheim.
A.T. Beck, A.T., Rush, A.J., Shaw, B.F., Emery, G. (1986): Kognitive Therapie der
Depression. Urban & Schwarzenberg, München.
G. Bodenmann (2009): Depression und Partnerschaft. Hintergründe und Hilfen. Verlag
Hans Huber, Bern.
H. Brunner, J. Heck (2016): Triff eine Entscheidung! Das Arbeitsbuch zum KonfliktLösungs-Modell in Beratung, Mediation und Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen.
P. Fuchs (2011): Die Verwaltung der vagen Dinge. Gespräche zur Zukunft der
Psychotherapie. Carl-Auer, Heidelberg.
P. Fuchs (2014): Der Fuß des Leuchtturms liegt im Dunkeln. Eine ernsthafte Studie zu
Sinn und Sinnlosigkeit. Unveröffentlichtes Manuskript.
H. Dilling, W. Mombour, M.H. Schmidt (2005): Internationale Klassifikation psychischer
Störungen ICD-10 Kapitel V (F). Huber, Bern.
E. Jones, A. Asen (2002): Wenn Paare leiden. Wege aus der Depressionsfalle.
Borgmann, Dortmund.
P.M. Lewinsohn (1974): A behavioral approach to depression. In: R.J. Friedman, M.M.
Katz (eds.): The psychologie of depression. New York, Wiley.
N. Luhmann (1985): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie, Suhrkamp,
Frankfurt.
N. Luhmann (2004): Einführung in die Systemtheorie. Carl-Auer, Heidelberg.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
55
Literatur
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S. Mentzos (2009): Lehrbuch der Psychodynamik. Die Funktion der Dysfunktionalität psychischer
Störungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen.
H. Murakami (2014): Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki. DuMont Buchverlage, Köln.
R. Schleiffer (2012): Das System der Abweichungen. Eine systemtheoretische Neubegründung der
Psychopathologie. Carl-Auer, Heidelberg.
P.K. Schneider, E.J. Ruff (1985): Der begriffene Wahnsinn. Ein kognitives Modell zur Aufklärung und
Therapie des psychotischen Verhaltens. Campus Forschung, Frankfurt.
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J. Schweitzer, A. v. Schlippe (2007): Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II. Das
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M.E.P. Seligman (1972): Learned helplessness. Annual Review of Medicine 23.
S. de Shazer, Y. Dolan (2007): Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute.
Symposium 23.-24.09.2016
J. Heck: Paartherapeutische Aspekte
56
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