FT 15 Politik und Wirtschaftslehre

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Hochschultage Berufliche Bildung 2017
– Fachtagungen –
FT 15 Politik und Wirtschaftslehre
Abstracts
Besand, Anja:
Umgang mit Heterogenität und Vielfalt an berufsbildenden Schulen
„In keiner anderen Schulart werden Lehrkräfte momentan stärker durch die Heterogenität ihrer
Schülerinnen und Schüler herausgefordert als in beruflichen Schulen.“ (Vergleich dazu Besand,
2014) So zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler der berufsbildenden Schulen nicht nur sehr
unterschiedliche schulische Vorerfahrungen mitbringen, sondern sich auch im Hinblick auf Alter,
Herkunft und/oder weltanschaulicher Orientierung in herausfordernder Weise unterscheiden. Dieser
besonderen und bisher wissenschaftlich noch wenig beachteten Ausgangslage an berufsbildenden
Schulen widmet sich das Projekt „Stärkung von Studierenden des beruflichen Lehramts im Umgang
mit Heterogenität und Vielfalt“ im Rahmen der Qualitätsoffensive zur Lehrer*innenbildung an der TU
Dresden. Der Tagungsbeitrag skizziert, wie das Projekt dieser Herausforderung forschend begegnet,
indem kurz vorgestellt wird, wie durch leitfadengestützte Interviews aktuelle Bedarfe und
Herausforderungen an berufsbildenden Schulen erhoben werden. Darüber hinaus werden im Beitrag
erste empirische Ergebnisse zur Diskussion gestellt, die Stimmen aus den berufsbildenden Schulen
aufzeigen und zum gemeinsamen Weiterdenken in diesem Feld einladen. Der Beitrag soll einen
anregenden Austausch einleiten, der die Fragen stellt: Welche aktuellen Herausforderungen sind an
berufsbildenden Schulen vorzufinden und wie können Studierende der berufsbildenden Schulen
besser als bisher auf diese aktuell kommunizierten Herausforderungen vorbereitet werden?
Kenner, Martin:
Veränderung von Argumentationsstrukturen zu weiterer Zuwanderung und gesellschaftlicher
Kulturvielfalt. Ergebnisse einer Interventionsstudie an beruflichen Schulen.
Es ist kein neues Phänomen, dass der gesellschaftliche Umgang mit Zuwanderung und Kulturvielfalt
durch zwei entgegengesetzte Haltungen markiert wird. Auf der einen Seite steht ein erkennbarer Teil
der Bevölkerung, der Offenheit und Aktivitätsbereitschaft zeigt, was beispielsweise zur aktuellen
Wortschöpfung „Willkommenskultur“ geführt hat. Auf der anderen Seite äußert sich ein gleichfalls
erkennbarer Bevölkerungsanteil mit dezidierter Ablehnung auf diesen Ausschnitt gesellschaftlicher
Realität, was aktuell u.a. im Zuspruch populistischer Politikangebote sichtbar wird. Gleichwohl diese
Einstellungen von emotionalen Dispositionen bestimmt werden, spielen nach sozialpsychologischen
Theorien auch kognitive Aspekte bei deren Zustandekommen eine Rolle. Dieser Zugang wird im
Rahmen eines Unterrichtskonzeptes zum interkulturellen Lernen an beruflichen Schulen für eine
reflektierte Einordnung der kontroversen gesellschaftlichen Auseinandersetzung genutzt. Ausgehend
von der Frage nach den eigenen kulturellen Wurzeln und Aspekten kultureller Identität werden in
diesem Konzept Probleme und Synergien des Zusammenlebens in einer multikulturell
zusammengesetzten Gesellschaft erörtert. Der Vortrag stellt das Unterrichtskonzept vor und geht
darauf ein, inwiefern sich Argumentationsstrukturen von Lernenden zur Zuwanderung und
Kulturvielfalt durch solche Anregungen im Unterricht verändern lassen.
Hochschultage Berufliche Bildung 2017
– Fachtagungen –
Kroneberg, Clemens:
Motive und Folgen sozialer Grenzziehungen
Soziale Grenzziehungen prägen unseren Alltag, häufig vorbewusst und unartikuliert, manchmal aber
auch als Gegenstand sozialer Auseinandersetzungen. Wir zählen bestimmte Personen zu unserer
Familie, unseren Nachbarn, unseren Freunden und Kollegen, andere nicht. Schwieriger wird die
Unterscheidung schon bei den Familien, Nachbarn und Freunden anderer und im Streitfall bedarf es
sogar manchmal juristischen Beistands um Fragen der Zugehörigkeit – nicht immer zweifelsfrei, aber
doch wenigstens rechtskräftig – zu klären. Die genannten Unterscheidungen sind zunächst nur
symbolische Grenzen, d.h. sprachliche Etikettierungen zur Kategorisierung von Objekten, Menschen,
sozialen Praktiken, Zeit und Raum. Zu sozialen Grenzen werden diese erst in dem Maße, in dem sie
bestimmte Handlungsweisen motivieren und mit ungleichem Zugang zu Lebenschancen
einhergehen. Die Bedeutung sozialer Grenzen für die Identität, den Selbstwert und die
Lebenschancen von Menschen führt häufig zu sozialen Auseinandersetzungen über ihr Verständnis,
ihren Verlauf, ihre Durchlässigkeit und ihre Relevanz. Der Vortrag führt in die Thematik ein, indem er
Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen sozialer Grenzziehungen diskutiert. Neben
grundlegenden Einsichten der Soziologie sozialer Grenzziehungen werden bereits Fragen
aufgeworfen, die sich auf Grenzziehungsprozesse in schulischen Kontexten beziehen, insbesondere
unter Bedingungen sozialer und ethnisch-kultureller Vielfalt.
Rettberg, Gunnar:
Religiöse Vielfalt und politische Bildung an beruflichen Schulen
Nicht nur Schulkultur, auch Unterrichtsfächer, müssen sich auf zunehmende religiöse Diversität in der
Folge von Migration und Flucht (Achour 2015) einstellen. Auch die sozialwissenschaftliche
Fachdidaktik ist dazu aufgefordert, die religiöse Dimension in ihre Gegenstandfelder konzeptionell zu
integrieren (Sander 2016, 135). Das betrifft auch die sozialwissenschaftliche Bildung an beruflichen
Schulen. In diesem Vortrag wird die Frage beleuchtet: Welches sind mögliche fachdidaktische
Strategien zur Reaktionen auf steigende religiöse Diversität an Berufskollegs? Zunächst wird ein
weiter Heterogenitätsbegriff eingeführt, der auf einen Inklusionsbegriff abstellt, welcher von
vielfältigen Differenzdimensionen ausgeht (Lutz & Wenning 2001). Damit soll verdeutlicht werden,
dass die Differenz religiöse/säkulare SchülerInnen a) eine von verschiedenen intersektionalen
Differenzlinien darstellt und b) nicht kulturell oder ethnisch aufgeladen werden darf. Anschließend
wird mit Blick auf das Berufskolleg die Forderung aus Teilen der sozialwissenschaftlichen
Fachdidaktik diskutiert, die religiöse Dimension nicht nur in der Schulkultur, sondern auch in die
Gegenstandsfelder der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer zu integrieren (Sander 2016, 135).
Schließlich soll an einem empirischen Fallbeispiel beleuchtet werden, inwiefern ein dialogisches
Modell dazu geeignet sein kann, die religiöse Dimension in Konzepte und Modelle der
sozialwissenschaftlichen Bildung zu integrieren und damit auf steigende religiöse Vielfalt – hier im
Rahmen der politischen Bildung an beruflichen Schulen – angemessen zu reagieren.
Hochschultage Berufliche Bildung 2017
– Fachtagungen –
Simml, Maria:
Zur Diversität neu zugewanderter Jugendlicher und junger Erwachsener an Berufsschulen
Die stark zugenommene Zuwanderung von Personen aus dem Ausland – sei es durch wirtschaftlich
intendierte Einwanderung oder durch Fluchtmigration – stellt das berufliche Bildungssystem vor neue
Herausforderungen. Die Ausbildungs- und Bildungsintegration dieser Personengruppe trifft auf ein
uneinheitliches und breit gefächertes Sprach- und Bildungsniveau, was empirische Befunde belegen
(z.B. die Untersuchung von Baumann und Riedl 2016 oder der aktuell erschienene Migrationsbericht
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge).
Für das Berufsbildungssystem ist die Beibehaltung der bisherigen Qualitätsstandards wichtig. Dabei
muss die Integration der neu Zugewanderten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ihre besonderen
Voraussetzungen einschließlich ihrer Heterogenität berücksichtigen. Der zentrale Kristallisationspunkt
wird sein, inwieweit es gelingt, für sie passende (Aus-)Bildungskonzepte und
Beschäftigungsangebote zu schaffen und sie dafür mit den erforderlichen sprachlichen Fertigkeiten
auszustatten, damit sie möglichst rasch an Gesellschaft und Arbeitsmarkt teilhaben können.
Aufgrund des raschen Anstiegs der berufsschulpflichtigen jungen Fluchtmigranten an bayerischen
Berufsschulen hat die Stiftung Bildungspakt Bayern das Projekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber
und Flüchtlinge“ initiiert. In diesem Rahmen sollen an über 20 ausgewählten Modellschulen in Bayern
Erfolgsfaktoren für die Beschulung von Fluchtmigranten identifiziert und praktikable Konzepte zu ihrer
Multiplikation bereitgestellt werden. Ziel ist, dass durch die sprachliche Qualifizierung, die
Berufsvorbereitung und die kulturelle Integration in den sogenannten Berufsintegrationsklassen ein
möglichst hoher Anteil anschließend eine erfolgreiche berufliche Qualifizierung, möglichst in Form
einer Berufsausbildung, durchlaufen kann.
Zustrassen, Bettina:
Zielgruppenorientierung – ein Ansatz „exkludierender Inklusion“?
Im Zuge der Diskussion über Differenz, Diversität und Inklusion wird verstärkt wieder Bezug auf das
Konzept der Zielgruppenorientierung genommen (Dönges/Köhler 2015). Es gilt als ein Instrument, um
heterogenen Lerngruppen gerecht zu werden.
Im Beitrag erfolgt zunächst eine theoretische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen
Zielgruppebegriffen in der politischen Bildung. Es wird der Frage nachgegangen, welche sozial- und
bildungspolitischen Ansätze hinter den Zielgruppenbegriffen stehen. Während der Zielgruppenansatz
in seiner Entstehungsphase dezidiert emanzipatorisch ausgelegt wurde, entwickelte er sich in den
1980er Jahren zu einem stärker sozialpädagogischen Konzept. Wolfgang Giesecke äußerte 1989
eine deutliche Kritik am sozialpädagogisch gewandelten Zielgruppenbegriff: „Bildungsangebote
haben hier für staatliche Instanzen legitimierenden instrumentellen Charakter. Sie gleiten ab in eine
Betreuungs- und Befriedungsarbeit …“ (1989: 128). Eingegangen wird auch auf das grundsätzliche
Spannungsverhältnis von In- und Exklusion der Zielgruppenarbeit.
„Um überhaupt inkludierende Aktivitäten ergreifen zu können, so Schäffter, muss Exklusion bereits
als Tatsache identifiziert und als Defizitmerkmal exkludierten oder exklusionsgefährderten Gruppen
zugeschrieben werden (2013: 56). Das führt nach Schäffter dazu, dass in jeder Inklusion aus einen
korrelativen Verständnis heraus Exklusion als performativer Akt wirksam werde (vgl. ebd.: 57).
Hochschultage Berufliche Bildung 2017
– Fachtagungen –
Ausgehend von den theoretischen Überlegungen zum Zielgruppenbegriff sollen im zweiten Teil des
Vortrags Fragen der Umsetzbarkeit des Zielgruppenkonzepts aufgegriffen werden: Was bedeutet
Zielgruppenorientierung im Kontext von Inklusion? Worin unterscheidet sich Zielgruppenorientierung
in der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung von der Arbeit an Berufsschulen? Welche
zielgruppenorientierten Konzepte gibt es an Berufsschulen und wie sind diese zu bewerten?
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