Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem Autonomes Nervensystem 1. Einleitung 2. Allgemeiner Aufbau des ANS 3. Sympathikus 4. Parasympathikus 5. Darmnervensystem 6. Viszerale Wahrnehmung 7. Funktioneller Antagonismus von Sympathikus und Parasympathikus 8. Neurotransmission und zentrale Kontrolle 9. Kontrolle durch Hirnstamm und Hypothalamus Î Quelle: Birbaumer & Schmidt Kap. 6 1. EINLEITUNG • Im Allgemeinen gelingt es unserem Körper recht gut, sich oft ohne bewusste Anstrengung an die wechselnden Umweltanforderungen anzupassen. • Beispiele hierfür sind etwa der Anstieg von Blutdruck und Herzrate beim Treppensteigen, Anstieg der Speichel- und Magensaftproduktion beim bloßen Anblick von Speisen, verschiedenste hormonelle Reaktionen auf… • Diese Reaktionen werden über das Hormon- und vor allem das Nervensystem gesteuert. • Wichtig für Biopsychologie: z.B. Æ Stress, Emotionen Æ u.a. klinischer Aspekt der Psychosomatik (Herz-Kreislauf, gastrointestinale Störungen usw.) • Ganglien außerhalb des Zentralen Nervensystems wurden von frühen Anatomen als autonom bezeichnet. • Sowohl im Gehirn als auch in der Körperperipherie gibt es Neurone bzw. Nerven, die gemeinsam das Autonome Nervensystem (= vegetatives NS) bilden. • Autonome Neuronen im Gehirn und im Rückenmark entsenden ihre Axone aus dem ZNS hinaus und innervieren die Zellkörper der Ganglien Æ Ganglien senden ihre Axone in alle Körperorgane und kontrollieren deren Aktivität. Î Whd.: Abb. Pinel 3.1 und 3.2 (siehe auch Vorlesungen „Neurone“ und „Schädigungen des ZNS“) 1/ 6 Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem • Kontrolliert wird das autonome Nervensystem vor allem durch den Hirnstamm und den Hypothalamus. 2. ALLGEMEINER AUFBAU DES ANS • Bestehend aus drei Komponenten: o Sympathikus (eher für Aktivierung verantwortlich) o Parasympathikus (eher für Ruhezustände verantwortlich) o Darmnervensystem • Sympathikus / Parasympathikus: o zweizellige Neuronenkette: (a) erstes Neuron im Hirnstamm oder Rückenmark (präganglionär) (b) zweites Neuron in peripherem Ganglion (postganglionär) • Darmnervensystem: o Neuronen in den Wänden des Magen-Darm-Traktes 3. SYMPATHIKUS • Die Zellkörper aller präganglionären Neuronen befinden sich im Brustmark (thorakal , T1-T12) und oberen Lendenmark (lumbal, L1-L3) Î Abb. B&S 6.1 • Axone ziehen über Vorderwurzeln durch Rami (=„Zweige“) zu sympathischen Ganglien • Sympathische Ganglien: -Grenzstrang (paarig angelegt) -Ganglien in Bauch- und Beckenraum (unpaarig, keine Umschaltung) Î Abb. B&S 6.2 • Präganglionäre Fasern dünn (< 4 μm; myelinisiert Æ B-Fasern), postganglionäre Fasern sehr dünn (ca. 1 μm; unmyelinisiert Æ CFasern) 2/ 6 Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem • Erfolgsorgane (Effektoren): o glatte Muskulatur aller Organe o Blutgefäße o Herzmuskelfasern o Drüsen o lymphatisches Gewebe (z.B. Thymus, Milz, Lymphknoten) Î Abb. B&S 6.4, RLB 2.11 (oder im Pinel Anhang I) • Das sympath. Nervensystem innerviert auch das Nebennierenmark (NNM) Æ Nor/Adrenalin (Î Abb. B&S 6.5) • Es gibt Divergenz und Konvergenz der synaptischen Verschaltung in Ganglien (gilt auch für Parasympathikus!) Î Abb. B&S 6.3b 4. PARASYMPATHIKUS • Zellkörper der präganglionären Neurone befinden sich im Hirnstamm und im Kreuzmark (sakral, S2-S4). • sehr lange präganglionäre Axone, myelinisiert und unmyelinisiert; ziehen in speziellen Nerven zu organnahen postganglionären Neuronen (kein Grenzstrang!) • Vagusnerv (X. Hirnnerv): Axone zur parasympathischen Versorgung des gesamten Brust- und oberen Bauchraums (Î Abb. Pinel Anhang III: Die Hirnnerven) • Nervus splanchnicus: Axone zur parasympathischen Versorgung der unteren Beckenorgane (Achtung: N. Spl. beinhaltet auch Fasern, die zum Sympathikus zählen Æ vergl. B&S S. 336 15.4.1) • III., VII. und IX. Hirnnerv zur parasympathischen Innervation von Augenmuskulatur und Drüsen im Kopfbereich • intramurale Ganglien: postganglionäre Zellen in oder auf den Wänden des Magen-Darm-Traktes • Erfolgsorgane: wie Sympathikus außer Schweißdrüsen, Nebennierenmark (NNM), Gefäßsystem 3/ 6 Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem 5. DARMNERVENSYSTEM • dient der Kontrolle und Koordination von Effektorsystemen des Magen-Darm-Traktes; z.B. Durchmischung und Weitertransport des Darminhaltes • reguliert Magen-Darm-Trakt auch ohne Input von Sympathikus / Parasympathikus oder höheren Zentren (Æ „autonom“) • „Gehirn des Darms“ • sensorische Neuronen, motorische Neuronen und Interneuronen; zahlreiche Neurotransmitter und Neuromodulatoren (Serotonin, ATP, Peptide) 6. VISZERALE WAHRNEHMUNG • Mechano-, Chemo-, und Nozizeptoren • Informationsübermittlung aus den Effektororganen zum Gehirn; Afferenzen stellen bis zu 80% aller Nervenfasern in großen Nerven wie z.B. N. vagus • Viszerale Afferenzen führen im Hirnstamm und Rückenmark zu reflektorischer Wiederherstellung des homöostatischen Gleichgewichts. • meist unbewusst, da Afferenzen i.d.R. nicht den Kortex erreichen; Ausnahme: starke Abweichungen vom Sollwert oder Schmerzreize • Kontrolle/Beeinflussung von inneren Organen kann gelernt werden (Biofeedback) Î Abb. B&S 13.30 7. FUNKTIONELLER ANTAGONISMUS VON SYMPATHIKUS UND PARASYMPATHIKUS (funktioneller Synergismus) • alle parasympathisch innervierten Organe sind auch sympathisch versorgt (gilt nicht umgekehrt!) Æ Achtung! Nur „Daumenregel“ Æ siehe Exkurs • weitestgehend antagonistische Wirkungen Î Tab. B&S 6.1 4/ 6 Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem [EXKURS: SYMPATHISCHE UND PARASYMPATHISCHE INNERVATION Problem: Laut Tab 6.1 im Birbaumer & Schmidt gibt es parasymp. Innervationen die keinen direkten symp. „Gegenpart“ haben; dies widerspricht der o.g. „Daumenregel“ Antwort: Zu dieser Frage gibt es zwischen aktuellen Lehrbüchern durchaus Widersprüche. Die höchste Konsistenz bot m.E. das Lehrbuch der Physiologie (Klinke & Silbernagl). Dort wird ausgeführt: 1. Im Auge: Sympathikus innerviert den M. dilatator pupillae Î Pupillenerweiterung (Mydriasis) Parasympathikus innerviert M. sphincter pupillae Î Pupillenverengung (Miosis) Die für den Lichteinfall adäquate Pupillenweite wird somit über Steuerung antagonistischer Muskeln erreicht Î Besonders schnelle und präzise Einstellung 2. Tränensekretion: Auslösung bei Fremdkörpern zwischen Lid und Cornea durch Neurone im pontinen Bereich des Hirnstamms, hier befinden sich auch Verbindungen zum limbischen System, das die emotionale Auslösung der Sekretion hervorruft. Innervation der Tränendrüsen erfolgt parasympathisch (ABER: In Graphiken anderer Quellen, z.B. Kandel & Schwartz auch symp. Innervation) 3. Bronchialdrüsen: Parasympathikus innerviert die Schleimdrüsen Î Sekretion Sympathikus wirkt nicht direkt auf die Drüsen, kann jedoch den Effekt des Parasympathikus durch Innervation dessen Ganglien verhindern.] 8. NEUROTRANSMISSION IM AUTONOMEN NERVENSYSTEM • chemische Synapsen • Synapsen in Form von Varikositäten (1-2 μm Verdickungen); Unterschied zu ZNS-Synapsen oder neuromuskulärer Endplatte • Neurotransmitter: • präganglionär: Sympathikus Parasymp. • postganglionär: Sympathikus Æ Acetylcholin (ACh) Æ Acetylcholin (ACh) Æ Noradrenalin (NA) (mit Ausnahmen) Parasymp. Æ Acetylcholin (ACh) 5/ 6 Biopsychologie WiSe – Autonomes Nervensystem • Kotransmission: gleichzeitige Freisetzung von ‘klassischem’ Neurotransmitter (z.B. ACh) und Neuropeptiden (z.B. Neurotensin, Vasoaktives Intestinales Polypeptid (VIP), Substanz P) Î Abb. B&S 6.6 8.1 Cholinerge Transmission • neuroneuronale Synapsen (präganglionär Æ postganglionär) der autonomen Ganglien: nikotinerg • neuroeffektorische Synapsen (postganglionär Æ Effektororgane) des Parasympathikus: muskarinerg 8.2 Adrenerge Transmission • neuroeffektorische Synapsen (postganglionär Æ Effektororgane) des Sympathikus: (nor-)adrenerg • α-Adrenozeptoren, β-Adrenozeptoren; vermitteln meist antagonistische Effekte Î Tab. B&S 6.1 9. KONTROLLE DURCH HIRNSTAMM UND HYPOTHALAMUS • Spinale Reflexbögen (autonome Effektorsysteme) kontrollieren die Organfunktion: Afferenzen aus Organ Æ Interneuron im Rückenmark Æ Efferenzen aus Rückenmark zum Organ (Î Abb. B&S 6.8) • Teile des Hirnstamms und zahlreiche Kerngebiete des Hypothalamus regulieren die autonomen Effektorsysteme mit („autonome Zentren“) Aufgabe: Synchronisation und Abstimmung der spinalen Systeme (Regulation des Temperaturhaushalts, arterieller Blutdruck etc.) • Autonome Zentren modulieren über absteigende adrenerge, serotonerge und peptiderge (Vasopressin und Oxytocin) Bahnen die spinalen Systeme (Î Abb. B&S 6.10) 6/ 6