Gesundheitsgespräch - Bayerischer Rundfunk

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Gesundheitsgespräch
Wie bitte? – Hilfen für gutes Hören
Sendedatum: 29.04.2017
Experte:
Prof. Joachim Müller, Oberarzt und Leiter des Funktionsbereiches Otologie
und Cochlea Implantate, Leitung des CI-Zentrums der Klinik für Hals-, Nasen-,
Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilians Universität München
Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach
Schwerhörigkeit ist eine Einschränkung, die man auf den ersten Blick nicht
sieht, ganz anders als z.B. bei einem Brillenträger, dessen Defizit auf Anhieb
erkennbar ist. Das Ohr funktioniert immer, 24 Stunden am Tag. Auch wenn wir
schlafen ist es aktiv und bereit, zum Beispiel warnende Geräusche
wahrzunehmen und bewusst zu machen. Doch Schwerhörigkeit ist weiter
verbreitet, als allgemein angenommen wird. Laut WHO zählen Hörstörungen in
den Industriestaaten mittlerweile zu den großen Volkskrankheiten, deren
Behandlung hohe volkswirtschaftliche Bedeutung hat. Gründe dafür können die
demografische Entwicklung mit Zunahme der Schwerhörigkeit im Alter sein,
aber auch die vermehrte Betroffenheit Jugendlicher durch ein verändertes
Freizeitverhalten mit zum Teil exzessiver Lärmbelastung.
Der Text beruht auf einem Interview von Beate Beheim-Schwarzbach mit
Prof. Joachim Müller, Oberarzt und Leiter des Funktionsbereiches Otologie
und Cochlea Implantate, Leitung des CI-Zentrums der Klinik für Hals-,
Nasen-, Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilians Universität München.
Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich!
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Schwerhörigkeit – Was sind Hörstörungen?
Schlechtes Hören unterscheidet sich von schlechtem Zuhören. Beides führt zu
schlechtem Verstehen und dazu, dass man Informationen nicht wahrnehmen
kann.
Unter Schwerhörigkeit versteht man eine Verminderung der Hörfähigkeit im
weitesten Sinne, beginnend bei subjektiv kaum empfundenen Hörstörungen bis
hin zur Gehörlosigkeit. Nach epidemiologischen Studien (Deutsches Ärzteblatt)
liegt die Prävalenz behandlungsbedürftiger Hörstörungen in Deutschland bei
etwa 19 Prozent. D.h. fast jeder fünfte der Untersuchten hatte eine angehende
oder bereits fortgeschrittene Hörstörung.
Nur noch eingeschränkt hören können
Schlecht zu hören kann in einer Zeit wachsender Informationsflut eine große
Hürde sein. Egal, ob die Einschränkung schwerer ausgeprägt ist oder ob nur
eine leichte Schwerhörigkeit besteht, in jedem Fall resultiert daraus eine
Beeinträchtigung, die von der Umwelt nicht sofort wahrgenommen wird. Wer
schlecht hört, hat das Gefühl, sein Gegenüber nuschelt oder wendet sich
vermeintlich beim Reden in die andere Richtung. Oder er hat Schwierigkeiten,
Sprache in lauter Umgebung zu verstehen. Ebenso spielt die Psyche eine
Rolle, denn das, was wir hören, löst Gefühle aus („Aufgehen in der Musik“) und
aktiviert über zahlreiche zentrale Vernetzungen unsere körperlichen und
seelischen Vorgänge.
Einschränkung der Lebensqualität
So können selbst geringe Hörstörungen in einer Welt des immer schneller
werdenden Informationsaustausches zum Nachteil werden. Denn wer dem
hörsprachlichen Austausch nicht mehr schnell genug folgen kann, läuft
Gefahr, sowohl beruflich als auch familiär isoliert zu werden. Wer dauerhaft
schlecht hört, wird mit zunehmender Schwerhörigkeit isoliert und vereinsamt
sogar oft, denn die sozialen Kontakte bröckeln. Außerdem verlernt das
Gehirn, mit den akustischen Reizen umzugehen. Wer zehn Jahre und länger
mit dem Gang zum HNO-Arzt wartet, bis er sich für eine Versorgung mit
einer Hörhilfe entscheidet, der muss erst langsam wieder lernen, die
ungewohnten, in Vergessenheit geratenen Höreindrücke und die damit
verbundenen Informationen zu verarbeiten.
Anatomie des Ohres
Das Ohr besteht aus Außen-, Mittel- und Innenohr. Trifft eine Schallwelle
über die Ohrmuschel und den Gehörgang (Außenohr) auf das Trommelfell,
dann beginnt dieses zu schwingen. Diese Schwingungen werden im
Mittelohr über die drei Knöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel zum
Innenohr weitergeleitet.
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„Der Steigbügel selbst koppelt die
Schallschwingungen am runden
Fenster wie ein Stempel, der in
die Flüssigkeit der Cochlea
(Hörschnecke) drückt, in das
Innenohr ein. Dort wird die
mechanische Schallschwingung
in eine elektrische Erregung des
Hörnervs umgewandelt, und
anschließend über den Hörnerv
ins Gehirn geleitet, wo die
Hörempfindung als Geräusch,
Sprache, oder Musik bewusst
wird.“ Prof. Joachim Müller.
Bild: picture-alliance/dpa
Das Ohr – ein präzises Organ
Im Mittelohr wird die Schallenergie vom Trommelfell aufgenommen und über
den Hammergriff und die Ossikel (kleine Knochenstücke) zum ovalen
Fenster weitergeleitet. Dabei überträgt das Mittelohr akustische
Informationen über einen breiten Dynamikbereich mit hoher Genauigkeit.
„An der Hörschwelle liegen die akustisch bedingten Auslenkungen der
Ossikel nur wenig oberhalb der Größenordnung der Braun‘schen
Molekularbewegung.“ Prof. Joachim Müller.
Generell erfasst das gesunde Ohr einen weiten Lautstärkebereich, von sehr
leisen Geräuschen wie Blätterrauschen (5 -10 db) bis zu extrem lauten z.B.
eines Düsenflugzeugs (130 - 140 db). Dabei kann das gesunde Ohr sinnvolle
Geräusche bei Hintergrundlärm, auch bei hohen Lautstärken herausfiltern,
so dass man beispielsweise trotz Hintergrundmusik noch in der Lage ist, sich
zu unterhalten.
Hörschäden
Je nach Ort der Störung können Hörschäden eingeteilt werden in:
•
Schallleitungsschwerhörigkeiten
•
Schallempfindungsschwerhörigkeiten
•
Schallverarbeitungsschwerhörigkeit
•
Kombinierte Schwerhörigkeiten
Bei der ersten Gruppe wird der Schall nicht oder nur eingeschränkt weiter
geleitet, die Schallempfindungsschwerhörigkeit dagegen hat ihre Ursache im
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Innenohr oder im Hörnerv. Bei einer Schallverarbeitungsschwerhörigkeit ist
die Weiterverarbeitung in der Hörbahn oder die Wahrnehmung gestört. Für
den Betroffenen ist aus dem Symptom der erlebten Hörstörung meist nicht
ableitbar, wo die Ursache der Hörstörung lokalisiert ist und ob sie relativ
banal (“Ohrschmalzpfropf“) oder ernsthafter Natur ist, wie zum Beispiel bei
einem Hörsturz.
Tonschwellenaudiogramm
Um herauszufinden, welche Art von Einbußen jemand hat, stehen
verschiedene Tests zur Verfügung, die z.B. das Ton-Hörvermögen von den
tiefen bis zu den hohen Frequenzen und im sog. Sprachaudiogramm die
Verständlichkeit von dargebotenen Worten überprüfen. Ergänzend werden
Methoden der so genannten objektiven audiologischen Diagnostik
angewandt, bei denen, unabhängig von der Mitarbeit des Patienten, z.B.
Reflexe der Mittelohrmuskeln oder elektrophysiologisch die Leitfähigkeit des
Hörnervs gemessen werden.
Einteilung der Schwerhörigkeit
Der Grad der Schwerhörigkeit wird fünf Gruppen eingeteilt:
•
Gruppe 0 - normalhörig
•
Gruppe 1 - geringgradige Schwerhörigkeit
•
Gruppe 2 - mittelgradige Schwerhörigkeit
•
Gruppe 3 - hochgradige Schwerhörigkeit
•
Gruppe 4 - Hörreste oder Taubheit
Der klinische Befund reicht von keinen oder nur leichten Problemen bei der
Kommunikation (Gruppe 0) bis zu keinerlei Sprachverständnis bei maximaler
Lautstärke (Gruppe 4).
Neugeborenen-Hörscreening
Derzeit nehmen alle Neugeborenen in Deutschland an den ersten
Lebenstagen am Hörscreening teil, jedenfalls dann, wenn sie in einer
Geburtsklinik zur Welt kommen. Dabei wird dem Neugeborenen auf dem zu
untersuchenden Ohr ein Schallsignal angeboten und anschließend entweder
• die so genannten otoakustischen Emissionen gemessen, das sind
Töne, die das Ohr auf den Schallreiz hin abgibt. Oder es werden
• durch den Schall induzierte Hirnstammantworten gemessen
(Screening BERA) – vergleichbar wie bei einem EEG.
Hören und Sprechen
Eine möglichst frühe Untersuchung des Hörvermögens Neugeborener ist
wichtig, da vielen Eltern nicht klar ist, dass Kinder nur sprechen lernen, wenn
sie auch gut hören können. Mit einer Hörstörung können nicht nur
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Schwierigkeiten mit dem Spracherwerb einhergehen, sondern auch
vielfältige Aspekte der generellen Entwicklung beeinflusst werden.
„Wichtige Kommunikationswege in unserer Gesellschaft beruhen nun mal auf
Sprache. Erkennt man die Hörstörung frühzeitig, dann können spezialisierte
Pädaudiologen die Kinder schon in den ersten Lebensmonaten mit Hörhilfen
(Hörgeräten oder Cochlea Implantaten, wenn diese auf Grund einer
stärkeren Hörstörung notwendig würden) versorgen, so dass einer
drohenden, Beeinträchtigung der Hör-Sprachentwicklung frühzeitig in den
wichtigen biologischen Phasen der Entwicklung entgegengewirkt werden
kann. Leider sind die biologischen Zeitfenster begrenzt, so dass ein gewisser
Zeitdruck, insbesondere bei hochgradigen Hörstörungen besteht. Insofern ist
das Neugebornenhörscreening äußerst wichtig.“
Prof. Joachim Müller, Oberarzt und Leiter des CI-Zentrums der Klinik für
Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilians Universität München.
Warum höre ich schlecht? - Ursachen der Schwerhörigkeit
Deutschlandweit geht man davon aus, dass ca. 13 bis 14 Millionen
schwerhörige Menschen behandlungsbedürftig sind. Die Altersspanne reicht
von Neugeborenen bis zu Älteren und Senioren. Genauso vielfältig sind die
Ursachen: Schalleitungs- oder Schallempfindungsschwerhörigkeit;
vorübergehend oder andauernd, eher leichter ausgeprägt oder doch deutlich
einschränkend, plötzlich oder schleichend auftretend. Bei Kindern können
häufig vorübergehend auftretende Hörstörungen z.B. durch Paukenergüsse
(Flüssigkeit im Mittelohr) im Rahmen von Infekten der oberen Luftwege
auftreten. Sie werden dann konservativ behandelt, manchmal müssen
sinnvollerweise auch operative Therapieoptionen erwogen werden.
Im Alter lässt das Hörvermögen, wie viele andere Körperfunktionen auch,
generell nach. Dann kann ein Hörgerät sinnvoll sein.
Beispiele für häufige Ursachen einer Schwerhörigkeit
Eine relative häufige, plötzlich auftretende Hörstörung ist der „Hörsturz“. Die
meisten Patienten, die einen Hörsturz haben, hören plötzlich auf einem Ohr
nichts mehr. Das Ausmaß so eines Hörsturzes reicht von einer
vorübergehenden, minimalen Einschränkung bis zum kompletten Hörverlust.
In der Regel wird ein Hörsturz medikamentös behandelt, bei vollständiger
Ertaubung oder hochgradiger Hörstörung können (kleinere) operative
Eingriffe indiziert sein.
Paukenerguss
Hören Kinder schwer, dann ist die Ursache oft ein sogenannter
Paukenerguss. Dahinter kann eine vergrößerte Rachenmandel stecken, im
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Volksmund Polypen genannt. Die Rachenmandel behindert die Belüftung
des Ohres über die eustachische Röhre.
„Sinnvollerweise sollte die Rachenmandel dann entfernt und das Sekret
abgesaugt werden, gegebenenfalls wird vorübergehend auch ein
Belüftungsröhrchen eingelegt.“ Prof. Joachim Müller, Oberarzt und Leiter des
Funktionsbereiches Otologie und Cochlea Implantate, Leitung des CIZentrums der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde der LudwigMaximilians Universität München.
Auslöser eines Paukenergusses können neben Infekten auch Allergien sein.
Verstopfung des Gehörgangs
Ist der Schalltransport zum Ohr unterbrochen oder eingeschränkt, dann
spricht man von einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Ein Beispiel dafür ist ein
Ohrschmalz-Pfropf, der den Gehörgang blockiert, so dass der Betroffene
plötzlich nichts mehr hört. Diesen entfernt der HNO-Arzt aus dem Gehörgang
und löst so das Problem. Vorbeugen kann man so einer Verstopfung des
Gehörgangs, indem man gar nicht erst versucht, das Ohr regelmäßig mit
Wattestäbchen zu reinigen. Auch Mütter sollten bei ihren Kindern darauf
verzichten, denn dabei reizt man die Haut des Gehörgangs, was zu einer
übermäßigen Produktion von Ohrschmalz führen kann. Außerdem stopft man
das Ohrschmalz erst recht in die Tiefe und komprimiert es.
Hörsturz
Ein Hörsturz ist eine plötzlich auftretende Hörminderung von relevantem
Ausmaß, die prinzipiell durch eine ganze Reihe von Ursachen im Innenohr
oder Hörnerv ausgelöst sein kann: Wenn man DEN Auslöser an sich nicht
kennt, spricht man vom klassischen Hörsturz. Ein Hörsturz kommt in der
Regel aus heiterem Himmel. Immer wieder ist die Rede davon, dass Stress
beteiligt sein soll, ein wissenschaftlicher Nachweis ist naturgemäß schwierig,
auch wenn die Patienten häufig von begleitenden Belastungssituationen
berichten. Allgemein empfohlen wird allerdings, typische Risikofaktoren zu
meiden, die hohen Blutdruck, Stoffwechselerkrankungen und die Entwicklung
von Gefäßleiden unterstützen können.
„Sind Hörstörungen durch Erkrankungen des Ohres oder durch virale oder
bakterielle Infekte bedingt, und man hat eine eindeutig Ursache
herausgefunden, dann spricht man eigentlich nicht mehr von einem
Hörsturz.“ Prof. Joachim Müller.
Der Therapieansatz bei einem Hörsturz ist multi-modal. Ob eine Behandlung
mit Kortison wirksam ist, darüber sind sich Fachleute uneins. Die Leitlinie zur
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Behandlung des Hörsturzes empfiehlt sie derzeit, allerdings wird sie gerade
überarbeitet.
Auslöser: Knalltrauma
Auch laute Schallereignisse können eine Hörschädigung auslösen, dabei
handelt es sich in der Regel um eine Innenohr-Schwerhörigkeit. Diese
lärmschädigenden Ereignisse können z.B. ein plötzlicher Knall oder eine
Explosionen sein. Genauso potentiell gefährlich sind Lärmereignisse, die
man erlebt, wenn man sich in einem Konzert direkt neben die
Lautsprecherbox stellt.
Lärmschutz
Ist Lärm zu laut oder wirkt zu lange auf die Ohren ein, dann kann daraus eine
Innenohrschwerhörigkeit resultieren, die mit der Zeit zunimmt und zur
Verschlechterung des Gehörs führt. Wer beruflich oft Lärm ausgesetzt ist,
sollte deswegen den berufsgenossenschaftlichen Arbeitsplatzvorschriften
folgend Lärm- und Gehörschutz tragen, um Hörstörungen möglichst zu
vermeiden.
Hörstörung im Alter
Die Ursachen für eine Hörminderung im Alter sind noch nicht eindeutig geklärt.
Durchblutungsstörungen, Ablagerungen im Ohrbereich, sich verändernde
Bindegewebsstrukturen können eine Rolle spielen, ebenso Alterungsprozesse
im Gehirn. Familiäre Veranlagungen sind offenbar von Bedeutung, ebenso
schädigende Einflüsse, die im Laufe des Lebens auf das Gehör einwirken.
Dazu gehören vor allem Lärm, Dauerstress, Umweltgifte,
Medikamentenmissbrauch, ungesunde Ernährung mit viel Alkohol und Nikotin,
sowie Bewegungsmangel. Nachteilige Folgen haben möglicherweise auch
häufige oder chronische Entzündungen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich.
„Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) gehört zu den typischen
Innenohrschwerhörigkeiten. Betroffen sind vor allem die Sinneszellen des
Hörorgans auf beiden Seiten. Zu der fortschreitenden
Schallempfindungsstörung kann noch eine Schallleitungsschwerhörigkeit
kommen.“ Prof. Joachim Müller
Je nach individueller Veranlagung nimmt im Laufe des Lebens die Hörfähigkeit
ab, das Gehör lässt allmählich nach. Aber nicht jeder wird im Alter schwerhörig.
Viele Menschen hören auch mit siebzig noch gut, während mancher 40-jährige
schon eine Hörhilfe braucht. Natürlich altert auch das Gehör, wie viele
biologische Funktionen. Die damit zusammenhängenden Vorgänge wirken sich
jedoch unterschiedlich auf das Sprachverstehen aus. Wenn man eine
Hörminderung bemerkt, können Folgeschäden besser vermieden werden.
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„Es gibt neuere Untersuchungen zur Frage, wie sich die kognitive
Leistungsfähigkeit Älterer entwickelt, die schlechter hören im Vergleich zu
anderen, die besser hören. Dr. Isabelle Mosnier, CI-Expertin aus Paris,
konnte zum Beispiel eindrucksvoll nachweisen, dass ältere Menschen, die
ihre Hörstörung frühzeitig mit einem Hörgerät oder Cochleaimplantat
kompensieren, bei kognitiven Tests deutlich besser abschneiden.“ Prof.
Joachim Müller.
Erkrankungen des Ohres
Es gibt eine ganze Reihe von entzündlichen Ohrerkrankungen oder
Knochen-Umbau-Erkrankungen (Otosklerose), die das Trommelfell oder die
Gehörknöchelchen betreffen – sie beeinträchtigen die Schallübertragung. In
vielen Fällen können spezialisierte Ohrchirurgen durch einen
mikrochirurgischen Eingriff im Mittelohr eine Hörverbesserung erzielen.
Zudem können kranke Gehörknöchelchen durch künstliche ersetzt werden.
Mögliche Ursachen von Schwerhörigkeit
Außenohr
• Ohrschmalzpfropf im Gehörgang
• Fremdkörper, Exostosen (Knochenwucherungen)
• Gehörgangsentzündungen, Ekzeme (auch durch Diabetes)
• angeborene Fehlbildungen
• Verletzungen
• Tumoren
Mittelohr
• Trommelfelldefekte
• akute und chronische Mittelohrentzündungen,
• Knocheneiterung (Cholesteatom) des Mittelohres und des Ohrknochens
(Mastoid)
• Otosklerose (typischer Weise Versteifung des Steigbügels)
• Verletzung, Schädelverletzungen
Innenohr
• Hörsturz
• Lärmschwerhörigkeit
• Akute Lärmschäden (Knall- und Explosionstrauma)
• Altersschwerhörigkeit
• erbliche Fehlbildungen
• Infektionen wie Masern, Mumps, Gehirnhautentzündungen
• Übergreifen chronischer Mittelohrentzündungen
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Innenohrentzündung (Labyrinthitis)
Menière-Krankheit
Medikamente, Giftstoffe, Alkohol
Kreislauf, Herz, Stoffwechsel, Halswirbelsäule
Durchblutungsstörungen im Innenohr (Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz,
basiliäre Migräne)
Weitere Durchblutungsprobleme (Arteriosklerose, Herz-KreislaufErkrankungen, Blutarmut)
Stoffwechselerkrankungen (Diabetes, erhöhte Blutfettwerte,
Mineralstoffmangel)
Autoimmunerkrankungen
Schäden an der Halswirbelsäule
Hörnerv und Nervenbahnen im Gehirn
Wucherungen oder ein Tumor am Hörnerv (sog. Akustikusneurinom)
Herpes zoster oticus (Gürtelrose des Ohres)
Hirnhautentzündung (Meningitis)
Entzündungen am Hörnerv, etwa im Rahmen einer Nervenerkrankung
wie der multiplen Sklerose
Was leistet ein Hörgerät? Auch neueste Hörgeräte machen aus einem
alten kein junges Ohr
"Nicht sehen trennt von den Dingen, nicht hören trennt von den Menschen."
(I.Kant). Nur wer hört, kann Sprache und Intellekt interaktiv entwickeln.
Bei chronischen Hörproblemen gleichen individuell angepasste Hörgeräte die
Beeinträchtigung oft gut aus, manchmal können Implantate die Hörfunktion
teilweise ersetzen. Wichtig ist es, nicht nur „das Ohr“ zu sehen, denn der
Hörsinn erhält Input vom linken und rechten Ohr, also von zwei Seiten. Beim
„Hörgesunden“ interagieren rechtes und linkes Ohr miteinander, so dass man,
dadurch dass der Schall auf beiden Ohren etwas unterschiedlich laut und etwas
zeitlich versetzt ankommt, z.B. Störlärm unterdrücken kann und so in lauter
Umgebung besser versteht. Auch ist die Richtungsbestimmung, aus der ein
Schall kommt und das Entfernungshören nur mit zwei Ohren möglich. Prinzipiell
sind wir zum „guten Hören“ nicht nur auf das Hören mit einem Ohr angewiesen,
sondern auf beide.
Sind allerdings bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit die Haarzellen in
der Schnecke eines Ohres teilweise untergegangen, muss der Hörverlust
meist durch ein Hörgerät ausgeglichen werden, das den Schall verstärkt und
- dem Hörverlust angepasst - die biologischen Defizite ausgleicht. Im Prinzip
wird der Schall dem Trommelfell verstärkt angeboten.
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Ausprobieren
Es gibt eine Vielzahl technisch unterschiedliche Hörgeräte, die entweder
hinter dem Ohr sitzen oder im Ohr getragen werden - sie können oft auch
einen starken Hörverlust der verschiedenen Frequenzen ausgleichen.
Welches Hörgerät im Einzelnen in Frage kommt, sollte man beim
Hörgeräteakustiker seiner Wahl ausprobieren und sich dafür genügend Zeit
nehmen und verschiedene Geräte ausreichend lange testen.
„Ein Hörgerät müssen Sie in der Regel mehrfach einstellen lassen, die
verschiedenen Hörgeräte mit den verschiedenen Techniken klingen
unterschiedlich. Außerdem unterscheiden sie sich in der Verstärkerleistung
und den technischen Parametern sowie durch Zusatzfunktionen, die in
schwierigen Hörsituationen Vorteile bewirken können.“ Prof. Joachim Müller.
Hörtraining
Wer geraume Zeit bestimmte Frequenzen nicht gehört oder Sprache nur
bruchstückhaft verstanden hat, dessen Gehirn ist es nicht mehr gewohnt,
manche akustische Reize zu interpretieren, die „Hörerinnerung“ oder das
„Hörgedächtnis“ hat nachgelassen. Deswegen bieten manche
Hörgeräteakustiker begleitend zur Hörgeräteanpassung ein strukturiertes
Trainingsprogramm an, das das Ohr stufenweise wieder an die tatsächlichen
Lautstärken heranführt. Denn auch das beste Hörgerät ist auf die
Verarbeitung und das Training des Gehirns angewiesen, nur so kann der
Betroffene die Einschränkungen (teilweise) wettmachen.
In-Ohr-Geräte
Für viele ist auch heute noch ein Hörgerät mit einer sichtbaren
Beeinträchtigung verbunden und wird deswegen als kleines kosmetisches
Stigma empfunden. Alternativ gibt es deswegen mittlerweile Im-Ohr-Geräte,
die für manche Hörstörungen gut geeignet und deutlich weniger sichtbar
sind. Früher galten Hinter-dem-Ohr-Geräte als robuster und hatten mehr
technische Möglichkeiten, doch das ist überholt.
Neue Entwicklungen
Mittlerweile gibt es auch sehr kleine Hörgeräte, die mit einem dünnen
Schläuchlein hinter dem Ohr sitzen, so dass man sie kaum noch sieht. Es
gibt auch solche, die mit dem schallabgeben Teil des Hörgeräts im
Gehörgang sitzen und damit näher am Trommelfell sind.
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Implantierbare Hörgeräte
Wer z.B. aus kosmetischen Gründen Wert darauf legt, dass das Hörgerät
überhaupt nicht zu sehen ist, für den gibt es implantierbare Hörgeräte oder
Hörimplantate, die in einer Operation eingebracht werden.
„Man muss aber bedenken, dass diese Geräte natürlich auch ihre
Energiequelle, den Akku mit implantiert haben. Seine Lebensdauer ist
endlich, ähnlich wie beim Akku eines Handys, er muss nach einer gewissen
Zeit operativ ausgetauscht werden.“ Prof. Joachim Müller, Oberarzt und
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Mittelohr-Implantate
Hat z.B. eine Entzündung zu großen Zerstörungen im Mittelohr geführt, und
ein Patient hört daraufhin nur noch eingeschränkt, dann lohnt es sich
eventuell, über ein aktives Mittelohr-Implantat nachzudenken. Dabei handelt
es sich um einen kleinen, elektro-magnetischen Schwinger, der bei einer
Operation auf die Fenster der Gehörschnecke oder die verbleibenden
Gehörknöchelchen angekoppelt wird und die Schallschwingung als
mechanische Vibration direkt in die Schnecke leitet. In der Regel reicht das
übertragene Frequenzspektrum weiter in den Hochtonbereich als bei
konventionellen Hörgeräten. Nach Anpassung an den individuellen
Hörverlust kann der Patient wieder hören.
Cochleaimplantat – Hörprothese für Gehörlose
Ein Cochleaimplantat (CI), ein „elektronisches Ohr“, ist dann sinnvoll, wenn
der Hörnerv funktionsfähig ist und die Schädigung in Innenohr liegt. Das CI
gibt in der Hörschnecke kleine bioelektrische Impulse ab, die den Hörnerv
reizen und „Hören“ vermitteln. Wer sein Gehör verloren hat, oder taub auf die
Welt kommt, kann damit wieder hören, wenn auch im Vergleich zum
Normalgehör nur begrenzt, denn die Innenohrprothese generiert nur kleine
bio-elektrische Impulse. Doch immerhin ca. zwei Drittel bis drei Viertel der
Versorgten können - je nach Ursache und Dauer der Schwerhörigkeit - mit
dem elektronischen Ohr sogar telefonieren.
Das CI besteht aus zwei Teilen, einem Implantat, das eingesetzt wird und
einem Sprachprozessor außen, der die Sprachcodierung übernimmt und
Signale mit Hilfe eines kleinen Senders drahtlos durch die Haut leitet. Der
innere Teil des CI ist mit dessen äußerem Teil über Magneten verbunden.
Außen hat das Gerät Batterien, die den Sprachprozessor betreiben. Die
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Energie für das innere Implantat für die Decodierung wird über die
Sendespule induktiv übertragen.
Eignet sich ein CI für Patienten jeden Alters?
Taub geborene Kinder können ab dem 4. Lebensmonat versorgt werden,
wenn die Diagnostik die Schwerhörigkeit bestätigt. Ein biologisch sinnvoller
Zeitpunkt, denn dann kann ein Kleinkind i.d.R. den Kopf selbst halten, und
die Spule fällt nicht ständig herunter. Je früher ein taub geborenes Kind
versorgt wird, desto günstiger ist die Prognose für die Hörrehabilitation und
die allgemeine Entwicklung.
Bei älteren Menschen gibt es keine Altersgrenze.
CI und Hörgerät in einem
Moderne Entwicklungen kombinieren in einem Gerät die Vorteile von
akustischem und elektrischem Hören. Solche Geräte eignen sich vor allem
für Patienten, die Einbußen beim Störschall haben. Vom Aussehen her
ähnelt das Gerät einem CI mit den beiden Komponenten, darüber hinaus gibt
es wie bei einem Hörgerät einen Zugang zum Gehörgang, wo der Schall
abgegeben wird.
Trends
Generell werden CI-Geräte immer kleiner und von der Sprachverarbeitung
her immer differenzierter, denn sie können aus dem Sprachsignal immer
mehr Informationen codieren, so dass der Patient mehr versteht.
„Daneben gibt es den Trend in Richtung voll implantierbarem CI, so dass
man von außen gar nichts mehr sieht. Und es gibt den Trend, drahtlose
Zusatzgeräte wie z.B. Smartphones anzukoppeln.“ Prof. Joachim Müller,
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