Psychologische Konzepte der Verhaltensmedizin Glasbrenner

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Kurzreferat:
Psychologische Grundkonzepte der
Verhaltensmedizin
Seminar: „Psychologische Mechanismen
bei somatischen Störungen“
HWS 2008
Prof. Dr. Claus Bischoff
Referentin: Manuela Glasbrenner
Kernfragestellungen der Verhaltensmedizin
Weshalb können manche Menschen Extremsituationen
aufgrund eines unglaublich starken Lebenswillens
bewältigen und warum scheinen sich manche andere
Menschen selbst aufzugeben und zu sterben?
Kann es sein, dass psychische Faktoren körperliche
Krankheiten auslösen?
Kann das Auftreten von Krankheiten aufgrund
psychischer Merkmale verschieden sein?
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Definition Verhaltensmedizin ?
Begriff: Interaktion zwischen psychischen Vorgängen
(Verhalten, Psychologie) & körperlichen Prozessen
(Medizin)
= Anwendung verhaltenstherapeutischer Methoden in
der Medizin
Berücksichtigung biologischer, psychischer & sozialer
Faktoren bei der Erklärung der Entstehung &
Aufrechterhaltung von Krankheit
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Definition Verhaltensmedizin
Junges, interdisziplinäres Arbeitsfeld
biopsychosoziales Erklärungsmodell von
Gesundheit & Krankheit
=> Multikausalistische Sichtweise
=> Aufhebung der Reduktion von Gesundheit
und Krankheit auf physische Zustände
VM: Oft können psychologische Erkenntnisse
eine Antwort auf unbefriedigende
Krankheitskonzepte liefern
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Psychologische Grundkonzepte der
Verhaltensmedizin
Die Konzepte haben eine Bedeutung für
Grundverständnis von Gesundheit &
Krankheit
Krankheitsverläufe, Krankheitserleben &
Krankheitsfolgen
Planung effektiver Interventionen
Einsatz empirisch geprüfter Erkenntnisse der
Verhaltensmedizin in Prävention, Diagnostik,
Behandlung & Rehabilitation
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Psychologische Grundkonzepte:
1.1 Lernen & Sozialisation
Klassische Konditionierung
Bsp.1 : Chemotherapie bei Krebspatienten:
Zytostatika lösen Übelkeit & Brechreflex aus => Später
können Zeitpunkt, Verabreichungssituation oder
Umgebungsvariablen den Brechreiz auslösen
Bsp. 2: Konditionierung auf tonische Umgebungsvariablen:
Phasische Auslöser am Arbeitsplatz (z. B. Zeitdruck) =>
Stresserleben => Konditionierung auf tonische
Umgebungsbedingungen (Räumlichkeiten,
Lichtverhältnisse) => Entstehung Bluthochdruck
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Psychologische Grundkonzepte:
1.1 Lernen & Sozialisation
Operante Verstärkung
Lernen durch positive Rückmeldung oder
Reduktion negativer Zustände
Wirkprinzip des Biofeedback
Emotionale Zuwendung auf Krankheitssymptome
Arztverhalten kann aktives Bewältigungsverhalten
reduzieren
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Psychologische Grundkonzepte:
1.1 Lernen & Sozialisation
Modelllernen
Verhaltensweisen & physiologische
Veränderungen werden durch Lernen durch
Beobachtung erworben
Bsp.: Bei somatoformen Störungen waren häufig
Geschwister oder Elternteile chronisch
krank
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Psychologische Grundkonzepte:
1.1 Lernen & Sozialisation
Weitere Sozialisationsaspekte
V. a. Entwicklung von Einstellungen und
Verhaltensweisen
Bsp.: Überzeugungen in Familien, die regeln,
wann ein Arztbesuch erforderlich ist
wie mit Medikamenten umgegangen wird
Was gute/schlechte Interventionen sind
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Psychologische Grundkonzepte:
1. 2 Informationsverarbeitung & Gedächtnis
Bevorzugte Wahrnehmung & Speicherung von
Informationen, die mit bestehenden kognitiven
Grundkonzepten vereinbar sind
Bsp. 1: Personen mit hoher Gesundheitsangst nehmen v. a.
Informationen wahr, die im Einklang mit
Gesundheitsängsten stehen =>Weitere Verunsicherung
Bsp. 2: „Schmerzgedächtnis“ bei chronischen Schmerzen:
Wiederholte Erfahrung von Schmerz in bestimmten
Situationen => Erwartungshaltung führt zu
Sensibilisierung schmerz auslösender Reize.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.3 Subjektive Krankheitsmodelle
Kognitive Repräsentation von Krankheit:
Subjektive Annahmen
Art der Erkrankung & Symptome
Entstehung & Zeitverlauf
Konsequenzen für die Lebensführung
Heilung/Linderung möglich?
Kausalattributionen zu Ursachen
gesundheitsbezogene Kontrollüberzeugungen
= Ausmaß der Überzeugung, selbst den
Krankheitsverlauf beeinflussen zu können
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Psychologische Grundkonzepte:
1.4 Krankheitsverhalten
= individuelle Reaktion auf ein Symptom/Erkrankung
Wahrnehmung, Bewertung & handlungsbezogener
Reaktionen
Abnormes Krankheitsverhalten:
Bsp. 1: Festhalten an somatischen Erklärungen bei
körperlichen Beschwerden ohne ausreichenden
organmedizinischen Befund.
Bsp. 2: chronisches Krankheitsverhalten
Passivität und Hilflosigkeit, Vertrauensverlust in eigene
Bewältigungsstrategien
Schon- und Vermeidungsverhalten
intensive Inanspruchnahme med. Maßnahmen
=> u. U. größere Beeinträchtigung durch maladaptive
Bewältigungsstrategien als durch eigentliche Beschwerden.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.5 Symptomwahrnehmung
Formen der fehlerhaften Symptomwahrnehmung:
Wahrnehmung/Berichten von Symptomen ist
unvollständig oder unterschätzend
Körperliche Symptome fehl eingeschätzt
Körperliche Symptome überschätzt.
Bsp.: Symptome für Überbelastung/Gewebsschädigung
nicht registriert
⇒ Prozesse schreiten fort
⇒ Wahrscheinlichkeit für ernsthafte Krankheit erhöht.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.5.1 Interozeption
Interozeption:
Aufnahme, Weiterleitung & Verarbeitung von Informationen
über Zustände & -änderungen des Körpers
Anwendungsfeld:
Interventionen zur Verbesserung d. Wahrnehmungsgenauigkeit
Diabetiker: rechtzeitige Wahrnehmung von Symptomen
bezüglich Konzentrationsveränderungen des
Blutglukosespiegels.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.5.2 Somatosensorische Verstärkung
Tendenz, die Aufmerksamkeit verstärkt auf
körperliche Vorgänge zu lenken & wahrgenommene
Körperempfindungen katastrophierend zu bewerten
⇒ Intensivierung der Symptomwahrnehmung
Ergebnisse:
⇒ Zusammenhang zwischen Symptomberichten &
medizinischem Befund bei z. B. Magengeschwüren
eher schwach ausgeprägt
⇒ Zusammenhang zwischen erlebter Beeinträchtigung &
krankheitsbezogenen Einstellungen z. T. größer als mit
objektivem Befund.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.6 Stress
Mediatorprozesse zwischen psycho-biologischer
Stressreaktion & Entstehung von Krankheit
Bsp. 1: kognitiv-behavioral: Risikoverhalten
Z. B. Tabakkonsum & Ernährung als
verhaltensbezogene Komponente d. Stressreaktion
Bsp.2: physiologisch: Krankheitsverlauf
Beteiligung psychosozialer Belastung bei
Chronifizierung von Krankheit
(u. a. Krebs, Diabetes mellitus)
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Psychologische Grundkonzepte:
1.7 Emotion
Negative Affektivität: Erleben & Ausdruck negativer
Affekte (Nervosität, Ärger, Abscheu, Wut)
=> korreliert positiv m. Gesundheitsbeschwerden
=> korreliert negativ m. subjektiver Einschätzung des
Gesundheitszustandes (Prädiktor!)
Bsp.: Koronare Herzerkrankungen
Verstärktes Erleben von Ärger und Feindseligkeit
erhöht Wahrscheinlichkeit für Herzinfarkt
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Psychologische Grundkonzepte:
1.8 Persönlichkeit
Der Versuch, spezifische Persönlichkeitsmerkmale
mit spezifischen Krankheiten in Verbindung zu
bringen, muss im Allgemeinen als gescheitert
betrachtet werden.
Studien: Zusammenhänge zwischen Neurotizismus
& Auftreten von psychischen und
psychosomatischen Beschwerden
=>bisher kaum Konsequenzen
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Psychologische Grundkonzepte:
1.9 Salutogenetische Aspekte
Salutogenese: „Ursprung von Gesundheit“
Bsp.: Konzept „Sence of coherence“
Umschreibt Bewusstsein für Sinnhaftigkeit,
Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit des Lebens
⇒ Positivere Reaktion auf Belastungen (Sinnvergabe)
⇒ Aktivierung von Bewältigungsmechanismen
⇒ Relevanz für Prävention
Außerdem: soziale Unterstützung, befriedigende
Lebensgestaltung u. a.
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Psychologische Grundkonzepte:
1.10 Gesundheitsschädigendes Verhalten
Vor allem: Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel
⇒ Schwierig zu verändernde Verhaltensmuster
⇒ Höchste Relevanz für Gesundheitssystem
⇒ Prävention vor Therapie
Bsp.: Diabetes Prevention Program Research (2002)
3200 Personen mit Risikolaborwerten
1. Placebo
2. Medikament
3. Verhaltensmodifikation
Nach 3 Jahren: Nur 4,8% Diabetes in Gruppe 3
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Psychologische Grundkonzepte:
1.11 Compliance und Motivation zur Behandlung
Compliance bezeichnet Therapiemitarbeit & -befolgung
Prävention: Abbau gesundheitsschädigenden Verhaltens
Akute/chronische Krankheiten: Anwendung von
Therapiemaßnahmen.
Strategien zur Verbesserung der Compliance:
Patientenschulung
Kognitive Therapietechniken
Gedächtnishilfen
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Psychologische Grundkonzepte:
1.11 Compliance und Motivation zur Behandlung
Psychotherapiemotivation:
Gering bei Patienten m. körperlichen Beschwerden,
besonders ohne organischen Befund leiden.
Günstig:
Therapie als „Informationsveranstaltungen“ oder
„Stressbewältigungshilfe“
Ggf. durch behandelnden Arzt vorgeschlagen
im medizinischen Setting durchgeführt
Eventuell zunächst Bewusstmachen der Problematik
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Noch Fragen?
Zusätzlich: Verständnisbeispiel
Eine 51-jährige Patientin leidet seit Jahren an einer schweren chronischen
Atemwegserkrankung, die eine ausgeprägte Einschränkung ihrer körperlichen
Belastbarkeit zur Folge hat. Bei ihrer letzten Behandlung in der
Lungenfachklinik wurde sie auf einer Intensivstation wegen akuter Pneumonie
behandelt. In deren Folge entwickelte sie intensive Panikattacken mit Atemnot,
Herzrasen, Schwindel und nächtliche Alpträume. Sie fürchtete sich vor engen
Räumen mit geschlossenen Türen und vermied es, ihre Wohnung ohne
Begleitung zu verlassen. Ängstlich beobachtete sie ihren Körper und bewertete
jede ungewöhnliche Veränderung als Anzeichen für einen Atemnotzustand.
Aufgrund der wesentlichen Einschränkungen reduzierte sich ihre
Lebensqualität und sie fühlte sich hilflos gegenüber den Beschwerden. Auf
ärztliche Empfehlung begab sie sich in eine verhaltensmedizinische stationäre
Behandlung. Das gemeinsam entwickelte Krankheitskonzept, welches sowohl
die organische Grunderkrankung, als auch psychologische Faktoren
berücksichtigte, erschien ihr glaubwürdig. Während der Therapie lernte sie,
zwischen den organisch begründeten Atemnotzuständen und Panikattacken zu
differenzieren. Graduell begab sich die Patientin in angst besetzte Situationen
und erkannte dabei ein Abklingen ihrer Angstsymptomatik, ohne Sauerstoff zu
inhalieren. In der Folge erweiterte sich ihr Bewegungsspielraum deutlich.
Ermutigt durch die ersten Erfolge und die Erfahrung zunehmender
Selbstständigkeit, setzte sie die erarbeiteten Bewältigungsstrategien aktiv in
Alltagssituationen um. Insgesamt konnten deutliche Verbesserungen im
psychischen und körperlichen Befinden erzielt werden, auch wenn vor allem
aufgrund der schweren chronischen Atemwegserkrankung wesentliche
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Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit fortbestehen.
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