Peptide und Proteine Prof. Dr. Albert Duschl Peptidbindung Peptidbindungen verknüpfen Aminosäuren untereinander zu Dipeptiden, Oligopeptiden und Polypeptiden (= Proteinen). Peptidbindungen entstehen durch einen Reaktionstyp den man Kondensation nennt. Dabei wird ein H2O abgespalten. Umgekehrt werden Peptidbindungen durch Hydroxylierung gelöst, also durch Anlagerung von H2O. © Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Links ein Oligopeptid (Pentapeptid). Man unterscheidet den N-Terminus (NH3-Gruppe) und den C-Terminus (COOH-Gruppe). © Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Peptidbindung 2 Die fortlaufende -C-C-N- Sequenz bildet die Hauptkette (main chain) eines Proteins. Konvention ist, daß das N-terminale Ende links und das C-terminale Ende rechts geschrieben wird. Das hat damit zu tun daß die Synthese eines Proteins vom N-Terminus zum C-Terminus erfolgt. Ebenso wird die Sequenz von links nach rechts gelesen. Im 1-Buchstaben-Code hat das untenstehende Peptid also die Sequenz GMDAFSGGV. © Löffler/Petrides: Biochemie und Pathobiochemie Proteingrössen, Molekulargewichte Proteine können ganz unterschiedlich groß sein: Das Peptidhormon Oxytocin hat 9 Aminosäuren, das Muskelprotein Titin zwischen 27,000 und 33.000. Aminosäuren haben im Durchschnitt ein Molekulargewicht von ca. 135 ⃰. Titin hat entsprechend ein Molekulargewicht von bis zu 3,816,030. Molekulargewichte werden in Dalton gemessen. Ein Dalton [Da] ist ein Zwölftel des Atomgewichts des Kohlenstoffisotops 12C. John Dalton hat 1803 die erste moderne Atomtheorie aufgestellt. Ein H-Atom hat danach z.B. ungefähr die Masse 1 (genau 1.0080) und ein O-Atom ungefähr die Masse 16 (genau 15.9994). Die ungeraden Zahlen kommen daher, dass alle Atome in Form verschiedener Isotope vorliegen. Häufige Isotope von Kohlenstoff sind z.B. 13C und das aus der Radiokarbondatierung bekannte 14C. Das Molekulargewicht einer Verbindung ist die Summe seiner Atomgewichte. Bei der üblichen Größe von Proteinen gibt man das Molekulargewicht normalerweise in Kilodalton [kDa] an. 1 Kilodalton = 1000 Dalton. ⃰ Eine sehr ungenaue Angabe. Durchschnitt von was? Denaturierung Denaturierung nennt man die Zerstörung der Struktur eines Proteins durch physikalische oder chemische Reize. Denaturierend können wirken: Hitze (Kochen von Lebensmitteln) Kälte (Selten) Zugabe von Salz (Pökeln von Lebensmitteln, "Aussalzen" von Proteinen durch Ammoniumsulfat) Entzug von Salz (Verringert die Hydrathülle des Proteins) Organische Lösungsmittel (Aceton, Ethanol) Säuren, Basen (Saure Konservierung von Lebensmitteln) Substanzen die Disulfidbrücken reduzieren (ß-Mercaptoethanol, Dithiothreitol) Disulfidbrücken, UV-Absorption Cystein ist die einzige proteinogene Aminosäure, die Disulfidbrücken ausbildet: Stabilisierung von Proteinstrukturen. Methionin enthält zwar auch S, aber nicht in reaktiver Form. Cystin sind zwei durch eine Disulfidbrücke verbundene Cysteine. Die aromatischen Aminosäuren Tryptophan, Tyrosin und in geringem Ausmaß auch Phenylalanin zeigen Absorption von UV-Licht im Bereich um 280 nm Wellenlänge. Diese Eigenschaft ist für die Analytik von Proteinen nützlich. © both figures Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Primärstruktur Proteine besitzen Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstrukturen. Die Primärstruktur eines Proteins ist seine Aminosäuresequenz. Beachten Sie, dass es sich hier um eine lineare Abfolge handelt. Primärsequenzen bilden keine Verzweigungen aus. Rechts sehen Sie die Primärstruktur von Lysozym. Es handelt sich um eine Protease (ein Protein-spaltendes Enzym) aus Hühnereiweiß. Die Aminosäuresequenz eines Proteins kann durch sequenzielle Abspaltung von einzelnen Aminosäuren festgestellt werden. Die am häufigsten verwendete Methode sequenziert das Protein vom N-Terminus her (Edmann-Abbau). Vom C-Terminus her ist es schwieriger. Man kann aufgrund technischer Schwierigkeiten ein Protein nicht am Stück durchsequenzieren. 20 Aminosäuren sind schon eine sehr gute Leistung. Heute sequenziert man oft stattdessen das zugehörige Gen, was sehr viel einfacher ist. © Springer: Biologie Informationsgehalt Die Primärstruktur ist (von posttranslationalen Modifikationen einmal abgesehen) auf der Ebene der Gene codiert. Es ist äusserst schwierig aus der Primärstruktur alleine Informationen darüber abzuleiten, welche dreidimensionale Struktur das Protein wirklich hat. Memo: Wenn Sie eine zwei Meter lange Schlange am Schwanzende packen, können Sie sich nicht wirklich darauf verlassen dass der Kopf zwei Meter von Ihnen entfernt ist. Black Rat Snake © K. Hübner Sekundärstrukturen 1 Sekundärstrukturen sind Strukturmotive, die sich in zahlreichen Proteinen wiederfinden. Die a-Helix Struktur wurde 1951 von Linus Pauling und Robert Corey postuliert. Sie heißt einfach darum a-Helix, weil es die erste entdeckte Sekundärstruktur war. a-Helices in Proteinen sind rechtshändig, drehen sich also vom N-Terminus aus betrachtet im Uhrzeigersinn. Es gibt auch andere Helixtypen bei Peptiden, aber die gezeigte Art ist in Proteinen bei weitem die häufigste. Sie hat nichts – nichts – nichts mit der DNA-Doppelhelix zu tun. © both figures Styrer: Biochemistry Sekundärstrukturen 2 Die einzelnen Aminosäuren sind in der a-Helix um 1.5 Å nach oben und um 100° zur Seite verschoben. Angström: 1 Å = 10-10 m. Die Einheit ist praktisch zum Rechnen mit Entfernungen in Molekülen. Eine Umdrehung der Helix bedeutet eine Höhe von 5.4 Å und besteht aus 3.6 Aminosäuren. Aufgrund dieser Eigenschaften sind in a-Helices Aminosäuren nahe beieinander, die in der Sequenz 3-4 Positionen auseinander liegen. © both figures Styrer: Biochemistry Sekundärstrukturen 3 Das ß-Faltblatt (ß-sheet) ist eine weitere häufige Sekundärstruktur. Sie wurde ebenfalls von Pauling und Corey entdeckt. Mehrere Peptidketten in ß-Faltblattstruktur können durch Wasserstoffbrücken zu einer größeren Einheit zusammengefügt werden. Sie bilden eine flache Struktur. Die Seitenketten ragen nach oben und unten aus der Fläche des Faltblatts heraus. Eine Aminosäuresequenz kann im ß-Faltblatt umkehren und antiparallel zurück laufen. Die Richtungsänderung erfolgt durch einen ß-turn. © both figures Styrer: Biochemistry Sekundärstukturen 4 Weitere Arten von Strukturen sind etwa die Kollagenhelix, bei der sich drei verschiedene Aminosäureketten in einer langgestreckten Helix umwinden. © www.pippilangstrumpf.de Es gibt auch Strukturen, bei der keine offensichtlich erkennbar geordnete Struktur vorliegt. Trotzdem liegen auch in solchen Bereiche die Positionen der einzelnen Aminosäuren zueinander genau fest. © www.yahooserious.com Random coil Als random coil bezeichnet man ungeordnete Strukturen die sich bei der Denaturierung eines Proteins ergeben – hier ist die geordnete Proteinstruktur zusammengebrochen so dass nur noch ganz allgemeine Richtlinien gelten (ionische Wechselwirkungen etc.) Ein denaturiertes Protein kann wieder renaturiert werden, wenn der störende Einfluss entfernt wird, indem man z.B. Salz ausdialysiert. Das klappt aber nicht für alle Proteine. Besonders robuste Proteine können kaum dauerhaft denaturiert werden (Bsp. BMP-2 <Bone Morphogenetic Protein, Knochenwachstumsfaktor>). Meist ist Denaturierung aber irreversibel: Ein gekochtes Ei können Sie nicht wieder roh machen. Strukturen in Proteinen die keine eindeutige Sekundärstruktur aufweisen werden auch als „coil“ bezeichnet. Verwechseln Sie das nicht mit „random coil“. Manchmal werden allerdings auch geordnete Bereiche ohne Sekundärstruktur „random coil“ genannt (die deutsche Wikipedia tut das, aber nicht die englische). Wichtig ist nur dass Sie wissen wovon die Rede ist. Tertiärstruktur 1 Die Tertiärstruktur ist die dreidimensionale Raumstruktur eines Proteins. Als Beispiel sehen Sie hier die Struktur von Interleukin-4, einem Cytokin mit immunregulierenden Aufgaben. Die Struktur besteht aus 4 a-Helices (rot), zwei sehr kurzen, einsträngigen ß-Faltblättern (blau) und verbindenden loops (gelb). Links ein sogenanntes "ribbon diagram", rechts eine stärker schematische Abbildung. Die Struktur der loops ist fix! Die Lokalisierung der Aminosäuren liegt auch in diesen Bereichen genau fest. Reinemer/Sebald/Duschl: Angew. Chemie Int. Ed. 39:2834 (2000) Tertiärstruktur 2 Hier eine weitere Proteinstruktur, diesmal für ein Rezeptorprotein das Interleukin-4 bindet. Die Struktur wird weitgehend von ß-Faltblättern bestimmt. Sie sehen dass sich das Protein aus zwei deutlich unterscheidbaren Bereichen zusammensetzt. Man bezeichnet solche Bereiche als Domänen. Domänen haben oft eine definierte Funktion. Die gleiche Art von Domäne kann in ganz verschiedenen Proteinen auftreten. Das hier sind zwei Domänen aus der Immunglobulin-Superfamilie. Diese Struktur taucht häufig in proteinbindenden Proteinen auf. Reinemer/Sebald/Duschl: Angew. Chemie Int. Ed. 39:2834 (2000) Quartärstruktur Quartärstrukturen entstehen durch Assoziation mehrerer separater Proteine, die durch nicht-kovalente Wechselwirkungen zusammengehalten werden. Nicht alle Proteine besitzen eine Quartärstruktur: Wenn sie als Monomere aktiv sind, ist bei der Tertiärstruktur Schluss. Im Bild: Das photosynthetische Reaktionszentrum des Bakteriums Rhodopseudomonas viridis, ein großer Komplex aus mehreren Proteinen. Wenn Sie sich das Bild ansehen, verstehen Sie sicher, warum 1988 Michel, Deisenhofer und Huber den Nobelpreis für Chemie für die Aufklärung dieser Struktur erhalten haben. © J. Deisenhofer, O. Epp., K. Miki, R. Huber, H. Michel prc.m3d Proteinstrukturaufklärung Röntgenkristallografisch: Das Protein wird aus einer Lösung heraus zum Kristallisieren gebracht und die entstandenen Kristalle mit Röntgenstrahlen beschossen. Die Strahlen werden im Kristall gebeugt und man kann aus dem Beugungsmuster ableiten, wie die Einheiten aussehen müssen, aus denen der Kristall zusammengesetzt ist. Durch NMR-Spektroskopie: Kernmagnetresonanz beruht darauf, dass sich Atome über ihren Kernspin gegenseitig beeinflussen. Legt man ein externes Magnetfeld an, so entstehen durch die Atomkerne und ihre Elektronen kleine lokale Zusatzfelder. Man kann dabei Resonanzen messen die sich verschieben, je nachdem in welcher chemischen Umgebung der Atomkern vorliegt. Diese Art Messung macht man mit gelösten Proteinen. Beide Methoden sind sehr schwierig und zeitaufwendig. Wenn man Glück hat gibt es schon eine ähnliche bekannte Struktur in den einschlägigen Datenbanken mit deren Hilfe man ein Modell der gesuchten Struktur berechnen kann. Warum Proteinstrukturaufklärung? Besseres Verständnis der Funktionsweise eines Proteins. Aufklärung der Wirkung von Mutationen. Entwicklung von Hemmstoffen (drug design). Aufklärung über Homologien unter Proteinen. Coole Abbildungen. © Hellmuth Eichrodt/Brauerei Ketterer