Nachhaltiges Bauen – weit mehr als nur

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NACHHALTIGKEIT
Das Institut Bauen und Umwelt veröffentlicht die Umwelt-Produktdeklarationen
(EPD) für den Bausektor und macht diese
auch online zugänglich.
Foto: IBU
Nachhaltiges Bauen –
weit mehr als nur Energieeffizienz
Gesetzlich werden heute an die Energieeffizienz von Neubauten hohe
Anforderungen gestellt. Um nachhaltig zu sein, muss ein Gebäude
allerdings weit mehr leisten. Es geht darum, neben den ökologischen
auch ökonomische und soziale Aspekte über den gesamten Lebenszyklus
hinweg zu betrachten.
S
o wirtschaften, dass die Lebensgrundlage der kommenden Generationen nicht zerstört wird – dieser Grundgedanke steht hinter dem
Trend-Thema Nachhaltigkeit. Dabei ist
das Thema nicht so neu, wie es scheint.
Im Jahr 2013 feierte die nachhaltige
Wirtschaftsweise vielmehr ihren 300.
Geburtstag. Entstanden ist sie in der
Forstwirtschaft: 1713 forderte Hans Carl
von Carlowitz, ein Oberberghauptmann
aus dem Erzgebirge, nicht mehr Holz im
Wald zu schlagen als auch wieder nachwächst. Die Vereinten Nationen entwarfen 1987 schließlich das heutige
Nachhaltigkeitsverständnis. Seither wird
Nachhaltigkeit in einem Dreiklang
betrachtet, der neben der ökologischen
Komponente auch ökonomische und so-
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ziale Aspekte berücksichtigt. Übertragen
auf das nachhaltige Bauen bedeutet das,
dass ein Gebäude nicht nur energie-,
sondern auch kosteneffizient sein muss
und seinen Nutzern eine hohe Aufenthaltsqualität bietet. Der stärkste Treiber
für das nachhaltige Bauen in Deutschland ist der Bund. Er verlangt bei öffentlichen Bauprojekten neben den hohen
energetischen auch die weiteren Standards der Nachhaltigkeit.
Zahlreiche Siegel für Nachhaltigkeit
Um die Nachhaltigkeit eines Gebäudes
nachzuweisen, gibt es verschiedene,
international anerkannte Systeme zur
Gebäudezertifizierung. Eines der bekanntesten ist das amerikanische LEED-System, das ebenso wie das britische
BREEAM-System auch in Deutschland
Anwendung findet. Weitere Beispiele
aus anderen Ländern sind der MinergieStandard in der Schweiz, das HQE-Siegel
in Frankreich oder CASBEE in Japan. Viele
dieser Systeme haben den Nachteil, dass
auch sie den Schwerpunkt auf die energetische Qualität eines Gebäudes zur
Bewertung legen. In Deutschland haben
sich mit der Deutschen Gesellschaft für
Nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem
Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen
für Bundesgebäude (BNB) zwei Zertifizierungsansätze entwickelt, die einen ganzheitlichen Anspruch verfolgen.
Die ganze Lebensdauer im Blick
Sowohl die auf Privatgebäude ausgerichtete DGNB- als auch die für den öffentli-
ausbau + fassade
Bauen mit Mehrwert | 2015
Grundlagen
chen Bau ausgelegte BNB-Zertifizierung
nehmen das gesamte Gebäude in den
Blick. Neben der ökologischen Qualität
werden die ökonomische Qualität, soziokulturelle und funktionale Aspekte, die
technische Qualität und die Prozesse
beim Bau bewertet. Wie viel Fläche verbraucht das Gebäude? Welche Anlagentechnik wird eingesetzt? Oder auch: Welche akustische Qualität erzielen die
Innenräume? All das sind Fragen, die bei
einer Zertifizierung betrachtet werden.
Damit steht neben der reinen Gebäudehülle auch der Innenausbau im Fokus.
Bereits bei der Planung lässt sich durch
den Zertifizierungsprozess bestimmen,
welchen Nachhaltigkeitsstandard das
Gebäude erreicht. Die Betrachtung beginnt somit beim ersten Entwurf, und
endet am Ende der geplanten Nutzungsdauer. Denn um wirklich nachhaltig zu
sein, muss sich ein Gebäude ebenso umweltschonend zurückbauen lassen, wie
es errichtet wurde.
Produktdeklarationen als Datenbasis
Um klare Aussagen über die Nachhaltigkeit machen zu können, kommt es entscheidend auf die eingesetzten Baustoffe an. In nachhaltigen Bauprojekten
können nur solche Baustoffe Verwendung finden, die eine Umweltproduktdeklaration – kurz EPD für »Environmental Product Declaration« – besitzen.
Diese betrachtet, wie groß die Umweltbelastung durch das jeweilige Bauprodukt ist, beispielsweise durch die Energie,
die für die Herstellung und den Transport verbraucht wird. Die EPD bieten die
relevanten Daten, die für die Berechnung
des Grades der Nachhaltigkeit unverzichtbar sind.
Bei Umsetzung strikt auf EPD achten
Da die Zertifizierung der Nachhaltigkeit
über die energetische Betrachtung
hinausgeht, ist für ausführende Firmen
beim Einsatz der Materialien Vorsicht
geboten. Selbst wenn beispielsweise bei
der Dämmung eine vermeintlich günstigere Materiallösung denselben energetischen Effekt bietet, kann sie die Zertifizierung
des
Gebäudes
negativ
beeinflussen. Das ist dann der Fall, wenn
die alternative Lösung keine Umweltproduktdeklaration trägt beziehungsweise
in dieser andere Standards erfüllt. Bei der
www.ausbauundfassade.de
Ausführung müssen die in der Ausschreibung angegebenen Anforderungen an
die EPD daher zwingend eingehalten
werden. Ansonsten drohen im schlimmsten Fall Regressforderungen.
Insgesamt ist das nachhaltige Bauen
ein Thema, mit dem sich jeder Fachbetrieb befassen muss. Schon heute ist
es für öffentliche Bauprojekte eine zwin-
gende Vorgabe, bei Privatprojekten wird
die Zertifizierung zunehmend beliebter.
Um hier nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen Handwerksbetriebe die
neuen Anforderungen des Marktes erfüllen können.
Christoph Lindemann,
Fachjournalist
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