! ! "# $ $ % $ $ ! + 0 +, + %& "# $ ( -. ' () ! "# $% / + & + #$ $ " % % ( $" # . !"# $ # !% $! ! " # % & '& " ( * ! % , # $# .. /0 # & ( # $ / * ' 1 1 ! 0 2 3 4 5 64 % 7 3 8 9 / $ ) + , - # Es kommt nicht häufig vor, dass Tony Blair einen Mann in seine Task Force zur Bekämpfung des Terrorismus beruft, der gleichzeitig von der amerikanischen Heimatschutzbehörde als Sicherheitsrisiko einstuft wird. Es kommt nicht häufig vor, dass Frankreich wegen Verbreitung islamistischen Gedankenguts einem Mann die Einreise verweigert, der gleichzeitig saudi-arabischen Boden nicht betreten darf, weil er angeblich unislamische Ideen predigt. Dieser Mann, Tariq Ramadan, provoziert und polarisiert. Und er fasziniert. Vor allem junge, intellektuelle Muslime in Europa. Denn ihnen, die sich im tatsächlichen oder vermeintlichen Kampf der Kulturen oft von allen Seiten in die Defensive gedrängt fühlen, spricht Tariq Ramadan eine geradezu welthistorische Bedeutung zu. Sie sollen Impulsgeber sein für eine weltweite Erneuerung des Islams. Dass ausgerechnet die Kinder der Diaspora und nicht etwa die Schriftgelehrten aus den Moscheen des Nahen Ostens dem Islam aus seiner Krise helfen sollen, das mag für Außenstehende überraschend klingen. Für Tariq Ramadan ist es eine logische Schlussfolgerung aus der Geschichte. Der Islam habe sich immer wieder erneuert durch die Verbindung mit fremden Kulturen. Grün 13 (0.20) O-Ton Tariq Ramadan When the Muslims were to travel ... as to the culture. And that is no contradiction. Übersetzung Als die Muslime in die Welt gezogen sind, und sie sind ja nach Asien gewandert, nach Nordafrika, nach Europa, in viele Regionen der Welt, dann haben sie überall die für sie fremden Kulturen aufgenommen. Sie haben überall die Prinzipien des Islams kombiniert mit der Prinzipien der Kulturen vor Ort. Wenn Sie heute nach Nordafrika kommen, finden Sie da einen afrikanischen Lebensstil gepaart mit dem Islam. Und dieser Lebensstil unterscheidet sich natürlich von dem arabischen Lebensstil. Und ich behaupte, was wir zur Zeit erleben, ist die Geburt eines neuen Lebensstils: eines europäischen Islams. Er ist Teil des einen, weltumspannenden Islam, aber er ist gleichzeitig verankert in der europäischen Kultur. Und das ist kein Widerspruch. 2 Es gibt nur einen Islam. Darauf besteht Tariq Ramadan. Die Grundsätze dieses einen Islam sind festgelegt in der schriftlichen Quellen, also im Koran und der Überlieferung des Propheten. Aber es gab und gibt verschiedene Lesarten dieser Texte. Die europäischen Muslime sollten diese Vielfalt der Lesarten bereichern um eine kulturkritische Variante. Grün 23 2.50 O-Ton Tariq Ramadan So to be critical with our own culture ... so Muslims should do that. Übersetzung Kritisch zu sein gegenüber unserer eigenen Kultur, das muss der Ausgangspunkt sein. Selbstkritik ist die Grundlage für jedes Zusammenleben mit anderen. Also sollten Muslime das tun. Wie niemand sonst sind die europäischen Muslime zu einem selbstkritischen Blick auf den Islam berufen und befähigt. Denn sie sind aufgewachsen im festen Glauben an Allah einerseits und mit dem europäischen Geist der Aufklärung andererseits. Grün 30 (0.30) O-Ton Tariq Ramadan When you are in the mainstream public system here ... Listen! Listen! Übersetzung Wenn man hier in die öffentlichen Schulen geht, dann gibt es ein klares pädagogisches Grundprinzip, und das heißt: Stell Fragen! Du darfst alles in Frage stellen. In der islamischen Erziehung gilt dagegen meist das genaue Gegenteil. Dort sagt der Imam: Hör mir zu! Du sollst zuhören und glauben, was man dir sagt. Hör zu! Tariq Ramadan distanziert sich von den Koranschulen, die auch in Europa immer noch nach dem alten Gehorsamsprinzip lehren. Wir brauchen keine Parallelwelten, sagt er. Er distanziert sich von Ehrenmorden, von Gewalt gegen Andersgläubige, von Zwangsheiraten. Und er behauptet, all das habe nichts mit dem Islam zu tun. Grün 23 O-Ton Tariq Ramadan 3 Anyone now here in this room ... marry me without my consent. Übersetzung Jeder hier im Raum, der behauptet, es gibt keine Frauendiskriminierung in der muslimischen Gemeinschaft, ist nicht ehrlich. Aber ist die Ursache dafür der Islam oder sind es kulturelle Traditionen? Ich sage: der Islam hat keine Probleme mit Frauen, aber viele Muslime haben Probleme mit Frauen. Was soll das heißen? Das heißt, wir müssen Religion und Kultur trennen. Wir müssen fragen, was wirklich in den islamischen Quellen steht. Natürlich gibt es hier viele Einwandererfamilien, die ihren Söhnen mehr Rechte einräumen als ihren Töchtern. Aber liegt das am Islam oder an der Kultur der Herkunftsländer? Ich sage, im Namen des Islam müsst ihr kritisch gegenüber der Kultur eurer Herkunftsländer sein. Wenn die Eltern sagen, nach islamischen Regeln entscheiden wir, wer unsere Kinder heiraten wird, dann müssen wir sagen: nein, das mag türkische oder marokkanische Tradition sein, aber nicht islamische. Nach den Gesetzen des Islams kann mich niemand heiraten ohne meine Zustimmung. Tariq Ramadan will den Islam befreien von der kulturellen Prägung durch archaische Gesellschaften in Saudi-Arabien, Anatolien oder anderswo. Schon immer habe es auch andere islamische Kulturen gegeben. Die indonesische etwa, in der auch Frauen zugelassen seien im Kreise der Gelehrten, die über die Auslegung der Texte entscheiden. In der arabischen Welt sei das undenkbar, aber leider auch in den muslimischen Gemeinschaften Europas. Weil sich die Gläubigen hier immer noch viel zu sehr an den Herkunftsländer orientieren, anstatt ihre eigene Lesart des Islam zu propagieren. 4 Grün 18 0.35 O-Ton Tariq Ramadan You have new generations. And they are German, and they are british. ... back to the countries of origin. Übersetzung Es sind neue Generationen herangewachsen. Und die sind deutsch und britisch usw. Und uns kann man nicht mehr einfach mit den Koranauslegungen aus den islamischen Hauptländern kommen. Wir brauchen Antworten von hier. Die neue Umgebung hat uns ein ganz neues Verständnis der überlieferten Texte gebracht. Und dieses neue Verständnis vermitteln wir jetzt auch in die Herkunftsländer. Um der Einheit des Islam willen, davon ist Ramadan überzeugt, werden die Gläubigen in den Herkunftsländern zuhören müssen, auch wenn sie sich noch dagegen sträuben. So werden die europäischen Muslime für die Modernisierung ihrer Religion sorgen. Wenn Tariq Ramadan so weltoffen argumentiert, warum dann das Misstrauen in den USA und Frankreich und nicht nur dort? Vielleicht, weil er gegen das Kopftuchverbot an französischen Schulen streitet. Vielleicht weil er im Namen der Einheit des Islams eine spirituelle Verbundenheit auch zu noch so konservativen Predigern empfindet. Vielleicht, weil er auch von den Muslimen in Europa erwartet, dass sie sich selbstverständlichen den Gesetzen der Scharia unterwerfen. Aus seiner Sicht steht das ihrer Integration in westliche Gesellschaften nicht entgegen. Schließlich herrsche doch Religionsfreiheit und so könnten Muslime sowohl ihren religiösen Gesetzen gehorchen als auch die weltlichen Gesetze des Landes respektieren, in dem sie leben. Sie könnten sogar in der Armee ihres Landes dienen, selbst dann, wenn diese Armee gegen ein muslimisches Land zu Felde zieht. 5 Schwarz 4 (0.40) O-Ton Tariq Ramadan You are loyal to the country ... only thing that is essential for me. Übersetzung Du stehst loyal zu dem Land in dem Du lebst, aber wer immer der Gegner ist, Muslime oder Nicht-Muslime, die einzige Frage, die Du Dir stellen musst; ist es richtig oder falsch, wozu man Dich auffordert. Wenn ich aufgefordert werde, gegen jemanden in den Krieg zu ziehen und zu töten, ob es nun um Muslime geht oder um Nicht-Muslime, und ich erkenne tief in meinem Gewissen, es ist falsch, dann ist diese Gewissensentscheidung das einzige, was für mich zählt. Indem er das Gewissen als entscheidende Instanz für das Handeln des Menschen einführt, erscheint Ramadan wie eine Art muslimischer Luther. Er selbst würde diesen Vergleich nicht mögen. Denn darin klingt die Idee an, der Islam brauche vielleicht Anleihen aus anderen Religionen. Trariq Ramadan aber besteht auf einem eigenständigen muslimischen Weg in die Moderne. Der Geist der Aufklärung darf nur von Muslimen und niemandem sonst in die Moscheen getragen werden. Auf sein junges Publikum wirkt er an diesem Abend in Berlin wie ein Prophet. In der Diskussion, die sich an seinem Vortrag anschließt, kommt keine Kritik auf. Statt dessen bedanken sich fast alle beinahe überschwänglichen für seine erhellenden Ausführungen. Deren Quintessenz lässt sich zusammenfassen in der Botschaft: Ein moderner Islam ist möglich. Wir müssen ihn nur wollen! 6