Hören/ auditives System

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Hören/auditives System
Hören/
auditives System
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Hören und Sprechen sind die wichtigsten Kommunikationsmittel des Menschen. Das Gehör des Menschen
erlaubt es, hochkomplexe, detaillierte Informationen aus der Umwelt zu extrahieren. In erheblich größerem
Ausmaß als jeder andere Sinn ist das Gehör dabei für die menschliche Sprache und ihre Entwicklung
verantwortlich.
Aufgabe des Ohres
Das Ohr ist das empfindlichste Sinnesorgan des Menschen. Der adäquate Reiz ist Schall. Er gelangt durch den
äußeren Gehörgang an das Trommelfell, welches als Membran den Gehörgang abschließt und die Grenze
zum luftgefüllten Mittelohr bildet. Durch die Gehörknöchelchen des Mittelohrs wird der Schall auf das Innenohr übertragen.
Im flüssigkeitsgefüllten Innenohr läuft die Schallenergie als Welle – „Wanderwelle“ – weiter. Aufgabe der
Sinneszellen des Innenohrs ist es, dieses mechanische Schallsignal in ein körpereigenes, bioelektrisches bzw.
biochemisches Signal zu überführen. Nach diesem Transduktionsprozess gibt die Sinneszelle das Signal
mittels eines Transmitters an den Hörnerv weiter. Hörnerv, Hirnstamm und Hörbahn leiten die Information
als Folge von Aktionspotentialen, jedoch mehrfach durch Synapsen unterbrochen, über die Hörbahn bis zur
Großhirnrinde.
Die Schallleitung zum Innenohr
Das Ohr des Menschen besteht aus dem äußeren Ohr, dem Mittel- und dem Innenohr [Abb. 1]. Der Schall
gelangt durch die Luft des äußeren Gehörgangs bis zum Trommelfell [Luftleitung] und anschließend wird
seine Energie durch Schwingungen von Trommelfell und Gehörknöchelchen bis zum ovalen Fenster des
Innenohrs fortgeleitet. Gleichzeitig wird der niedrige Schallwellenwiderstand [Schallimpedanz] der Luft an
die hohe Impedanz des flüssigkeitsgefüllten Innenohrs angepasst. Das Innenohr kann aber auch Schwingungen der Schädelknochen verarbeiten [Knochenleitung].
Das Mittelohr ist eine Schallbrücke, um den hohen Schallwellenwiderstand des Innenohrs zu überwinden. Im Mittelohr ist in das Trommelfell der Hammer [Malleus*] eingelassen und über den Amboss [In-
Äußeres
Ohr
Mittelohr
Nervus
vestibulocochlearis
Innenohr
Trommelfell
vestibuläres
Labyrinth
Gehörgang
©
Cochlea
(Hörschnecke)
Abb. 1. Schematische Darstellung
des Ohrs. Längsschnitt durch den
äußeren Gehörgang, räumliches
Schema von Mittelohr und Cochlea.
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Hören
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Steigbügel
Cochlea
Helikotrema
Amboß
Hammer
Struktur
der „entrollten“
Cochlea
Trommelfell
Basilarmembran
und Corti-Organ
ReissnerMembran
Scala tympani (Perilymphe)
(sog. Cochleäre Trennwand)
ovales Fenster
Scala media (Endolymphe)
rundes Fenster
Scala vestibuli (Perilymphe)
Abb. 2. Schema von Mittelohr und Cochlea. Die Cochlea ist entrollt, um die Skalen besser zu sehen.
cus*] mit dem Steigbügel [Stapes*] verbunden [Abb. 2]. Die Fußplatte des Steigbügels sitzt beweglich im
ovalen Fenster* zum Innenohr.
Beim Gesunden wird die Schallenergie im Mittelohr nicht durch Luftdichteschwankungen, sondern durch
Schwingungen [Vibrationen] des Trommelfells und der Gehörknöchelchen fortgeleitet. Die Gehörknöchelchen sind anatomisch so gebaut, dass Schallenergie auf das Innenohr übertragen werden kann. Der Trommelfell-Gehörknöchelchen-Apparat passt die Impedanz der Luft an die Impedanz der Flüssigkeit des Innenohrs an. Diese Impedanzanpassung wird durch 2 Hauptmechanismen erzielt:
◗ Die Gehörknöchelchen wirken als Hebel. Dadurch übt die Steigbügelfußplatte auf das ovale Fenster eine
größere Kraft aus, als die durch die Luft ursprünglich am Trommelfell erzeugte.
◗ Klinisch bedeutsamer ist es jedoch, dass die Fläche der Steigbügelplatte deutlich kleiner ist als die Fläche
des Trommelfells. Da Druck = Kraft/Fläche ist, wird durch den Bau von Trommelfell und Gehörknöchelchen eine Druckerhöhung erreicht.
Ohne Mittelohr würde 98 % des Schalls vom Ohr reflektiert und nicht aufgenommen werden. Ursache ist die
viel höhere Impedanz des Innenohres im Vergleich zur Luft. Es ist also eine Impedanzanpassung erforderlich, für die Trommelfell und Gehörknöchelchen verantwortlich sind. Die Reflektion wird dadurch so
drastisch verringert, dass 60 % der Schallenergie in das Innenohr eintreten kann.
Die Schalltransduktion im Innenohr
In der Cochlea* [Hörschnecke] des Innenohres bildet das Schallsignal eine Wanderwelle entlang des
schlauchförmigen Corti-Organs aus. Das Amplitudenmaximum der Wanderwelle entsteht in Abhängigkeit
von der jeweiligen Reizfrequenz an einem bestimmten Ort entlang des Corti-Organs. Die Schwingung des
Corti-Organs löst eine Abbiegung der Sinneshärchen der Rezeptorzellen [Haarzellen*] im Corti-Organ aus.
Dadurch wird das mechanische Schallsignal in elektrische und chemische Signale umwandelt [transduziert].
Als dessen Folge geben innere Haarzellen einen afferenten Transmitter an die afferenten Fasern des Hörnervs ab. Äußere Haarzellen sind für die aktive Verstärkung des Wanderwellenmaximums und die Stimulation der inneren Haarzellen verantwortlich.
Die Innenohrschnecke ist ein aus mehreren Schläuchen aufgebautes Organ, das in Form eines Schneckenhauses in zweieinhalb Windungen aufgerollt ist. Im Querschnitt erkennt man, dass sie aus 4 übereinander
liegenden „Schläuchen“ besteht [Abb. 3], aus 3 so genannten Skalen und dem Corti-Organ. Gegen das Mittelohr sind Scala vestibuli und Scala tympani durch die Steigbügelfußplatte am ovalen Fenster bzw. die Membran des runden Fensters abgegrenzt. Scala vestibuli und Scala tympani sind mit der aus dem Liquor stam-
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menden Perilymphe gefüllt, einer Flüssigkeit, die
Knochen
sich ähnlich wie andere extrazelluläre Flüssigkeiten
Reissner-Membran
zusammensetzt, also viel Na+ enthält.
Scala media
Unterhalb der Scala vestibuli liegt die Scala meStria
Scala vestibuli
dia. Diese wird durch die Reissner-Membran und das
vascularis
Corti-Organ begrenzt. In der Scala media befindet
sich die Endolymphe, eine auffällig K+-reiche FlüsTektorialmembran
sigkeit, deren Zusammensetzung intrazellulären
Flüssigkeiten ähnelt. Sie ist darüber hinaus gegenäußere
über den übrigen Extrazellulärräumen des Körpers
Haarzellen
stark positiv geladen [etwa +85 mV]. Dieses ständig
innere
Haarzellen
vorhandene Potential heißt endokochleäres Potential. Endolymphe und endolymphatisches Potential
Basilarmembran
Scala tympani
werden durch die Stria vascularis, einem sehr gut
Fasern des Hörnervs
durchbluteten Bereich der Cochleawand, produziert.
Zur Freisetzung des Kaliums besitzen die marginalen
Abb. 3. Querschnitt durch die Cochlea.
Striazellen Kalium-Ionenkanäle.
Das Corti-Organ befindet sich zwischen Scala
media und Scala tympani und enthält die Hörsinneszellen [Haarzellen]. Seine Grenzmembran zur Scala
tympani heißt Basilarmembran.
Wird das Ohr beschallt, so schwingt der Stapes mit der ovalen Fenstermembran, sodass die Schallenergie
durch das ovale Fenster in die Perilymphe der Scala vestibuli eintritt. Die Flüssigkeit ist nicht kompressibel
und weicht daher aus; dabei werden Reissner-Membran, Scala media und Corti-Organ nach unten gedrückt
[Abb. 2: weißer Pfeil; Abb. 3: roter und weißer Pfeil]. Dadurch wird auch die Flüssigkeit in der Scala tympani
verdrängt. Diese ist ebenfalls inkompressibel, kann aber ausweichen, weil die Membran des runden Fensters
gegen das Mittelohr gewölbt werden kann [Abb. 2]. Im weiteren Verlauf einer Schallschwingung schließt sich
die umgekehrte Bewegung an: Steigbügel und ovales Fenster werden wieder nach außen, die Reissner-Membran und Corti-Organ nach oben, das runde Fenster nach innen bewegt. Da bei einem Schallereignis
Schallschwingung auf Schallschwingung das ovale Fenster ein- und auslenken, führt dieser Vorgang zu einer
ständigen Auf- und Abwärtsbewegung [Auslenkung] der Membranen und des Corti-Organs des Innenohrs.
Im Querschnitt [Abb. 3, Abb. 4] sieht man die Rezeptorzellen [Haarzellen], die in Stützzellen eingebettet sind.
Rezeptorzellen und Stützzellen bilden das Corti-Organ. Der Mensch besitzt 3 Reihen äußerer Haarzellen sowie eine Reihe innere Haarzellen, die an ihrem oberen Ende jeweils bis zu 100 haarähnliche, submikroskopische Fortsätze, die Stereozilien [Sinneshärchen], besitzen [Abb. 4]. Über ihnen (in der Scala media) befindet sich die Tektorialmembran [Abb. 3, Abb. 4], welche die Spitzen der längsten Stereozilien der äußeren
Haarzellen soeben berührt. Dadurch befindet sich zwischen Tektorialmembran und Haarzellen ein schmaler,
mit Endolymphe gefüllter Spalt.
Die oben geschilderte schallinduzierte Auf- und Abwärtsbewegung [Auslenkung] von Scala media und
Corti-Organ führt zu einer Relativbewegung [Scherbewegung] zwischen Tektorialmembran und CortiOrgan. Diese sind nämlich an unterschiedlichen übereinander liegenden Orten parallel aufgehängt [Abb. 5].
Wenn beide gleichzeitig ausgelenkt werden, entsteht eine Parallelverschiebung zwischen beiden Strukturen.
Weil die Tektorialmembran die Spitzen der längsten Stereozilien der äußeren Haarzellen berührt, kann sie
bei dieser Relativbewegung die Stereozilien umbiegen [abscheren, auslenken, deflektieren] und dadurch die
Sinneszellen adäquat reizen [Abb. 5].
Endolymphe
Tektorialmembran
Stereozilien
äußere Haarzellen
innere Haarzelle
efferente Synapsen
Stützzellen
Basilarmembran
afferente
Synapse
Hörnerv
Abb. 4. Querschnitt durch das Corti-Organ.
Das Schema zeigt die Anordnung von
Sinneszellen und afferenten Nervenfasern. Die äußeren Haarzellen haben Kontakt mit der Tektorialmembran, die inneren Haarzellen haben keinen Kontakt.
Dadurch werden die äußeren Haarzellen
durch die Tektorialmembran gesteuert.
Die inneren Haarzellen werden durch die
äußeren gesteuert (Pfeil).
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Die inneren Haarzellen hingegen haben keinen
direkten Kontakt mit der Tektorialmembran. Man
stellt sich vor, dass der schmale endolymphatische
Flüssigkeitsfilm zwischen Tektorialmembran und
Haarzellen auf Grund der Scherbewegung unter der
Tektorialmembran hin- und hergleitet [subtektoriale
Endolymphströmung, Pfeil in Abb. 5]. Dadurch sollen die Stereozilien der inneren Haarzellen mitgenommen und ausgelenkt werden. Man spricht von
hydrodynamischer Kopplung.
Durch die Abscherung der Sinneshärchen wird der
Transduktionsprozess in den Haarzellen eingeleitet.
Befindet sich die Haarzelle in Ruhe, so beträgt das
Ruhemembranpotential der Haarzellen [Abb. 6] zwischen rund -40 mV [innere Haarzellen] und rund
-70 mV [äußere Haarzellen]. Eine Deflektion der Stereozilien infolge des Schallreizes führt zur Änderung
des Membranpotentials [Rezeptorpotential, Abb. 7].
Für den zugrunde liegenden Transduktionsprozess wird angenommen, dass eine Abscherung der
Zilien die Öffnung von Ionenkanälen an der Spitze
der Zilien hervorruft. Interessanterweise ziehen kleine Fäden von den Spitzen der meisten Stereozilien
zur Wandung der dahinter stehenden Zilie [sog. Tip
links, Abb. 8]. Werden die Stereozilien in Erregungsrichtung deflektiert, so werden die Tip links gespannt. Man stellt sich vor, dass durch den Zug K+durchlässige Kanäle geöffnet werden und dass durch
diese Kanäle K+-Ionen aus der K+-reichen Endolymphe in die Haarzelle einströmen und zu deren Depolarisation führen [Abb. 9]. Zur Repolarisation besitzt
die Zelle kaliumspezifische Ionenkanäle [z. B.
KCNQ4-Kanäle] an ihrer seitlichen Zellmembran.
Eine Depolarisation der Haarzelle öffnet mehr dieser
Kanäle. Dadurch können K+-Ionen die Haarzelle
durch die seitliche Zellmembran wieder verlassen,
und das Membranpotential wird wieder angehoben.
Signaltransformation von der Sinneszelle zum Hörnerven
Die durch die Abscherung der Stereozilien bewirkten
Ionenströme und Potentialänderungen innerer
Haarzellen – nicht jedoch äußerer Haarzellen – setzen an ihrem unteren Ende den Neurotransmitter*
Glutamat frei [Abb. 9]. Glutamat diffundiert durch
den dort befindlichen schmalen synaptischen Spalt
und bindet an AMPA-Rezeptoren der Hör-Nervenzellmembran. Dadurch wird ein postsynaptisches
Potential ausgelöst, das zu Nervenaktionspotentialen
führt.
Die Reizung der afferenten Nervenfasern und damit die Weitergabe der im Schallreiz enthaltenen
Information erfolgt ausschließlich von den inneren
Haarzellen. Interessanterweise haben die äußeren
Haarzellen nämlich eine ganz andere Funktion, die
später besprochen wird.
Frequenzselektivität: Grundlage des Sprachverständnisses
Das gesunde Ohr hat eine erstaunlich gute Fähigkeit,
Tonhöhen zu unterscheiden, wenn die Töne sukzes-
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Tektorialmembran
Endolymphe
Perilymphe
äußere
Haarzelle
Basilarmembran
a
Tektorialmembran
Sog
Endolymphe
Auslenkung
Perilymphe
Deflexion der Stereozilien
(Sinneshärchen)
b
Abb. 5. Erregungsmechanismus der Haarzellen. Schematischer Ausschnitt aus der Schneckentrennwand. Gezeigt ist die Anordnung der
Haarzellen zwischen Tektorial- und Basilarmembran: A in Ruhe, äußere
Haarzellen berühren die Tektorialmembran, innere berühren sie nicht;
B bei Auslenkung der Schneckentrennwand. Die wanderwelleninduzierte Auslenkung der Schneckentrennwand einschließlich
Haarzelle nach oben führt zu einer Deflektion der Stereozilien. Die
Stereozilien der äußeren Haarzellen werden durch die Tektorialmembran deflektiert. Die Stereozilien der inneren Haarzellen schert der Sog
der Endolymphströmung (Pfeil) ab.
0 mV
[Na+]
[K+]
+85 mV
Scala
media
[K +] [Na+]
Scala
vestibuli
+155 mV
–70 mV
Haarzelle
[Na+]
[K+]
0 mV
Scala
tympani
Abb. 6. Endokochleäres Potential. Die Scala media mit positivem
endokochleären Potential und auffällig hoher Kaliumkonzentration in
der Endolymphe. Das apikale Ende der Haarzellen ragt in die Scala
media hinein. Beim Transduktionsvorgang öffnet die Haarzelle Ionenkanäle, sodass aufgrund der elektrochemischen Potentialdifferenz vermutlich Kaliumionen aus der Scala media in die Haarzelle einströmen.
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Schallreiz
110 db SPL
Rezeptorpotential
Membranpotential [mV]
-60
-70
-80
Abb. 7. Potentialmessung an Haarzellen mit Mikroelektroden. Schnelle
positive und negative Potentialabweichungen vom -70 mV-Wert bei Beschallung. Diese Potentialänderungen heißen Rezeptorpotentiale.
Abb. 8. Tip links. A Rasterelektronenmikroskopie der Tip links. Man sieht Fäden, die von der Spitze eines
Stereoziliums zum dahinter stehenden Stereozilium ziehen (Abb. Dr. Koitchev, Tübingen). B Eine akustische
Reizung führt zu einer Anspannung der Spitzenfäden (Tip links), die zur Öffnung von Ionenkanälen in den Spitzen
von Stereozilien führen soll. C Eine Hemmung erlaubt eine Entspannung der Spitzenfäden mit Schluss von
Ionenkanälen.
Scala tympani
Scala media
medial
lateral
Tip link öffnet Kanal
Stereozilium
(Sinneshärchen)
K+
Schallsignal
Deflektion
Endolymphe
hohe [K+ ]
Perilymphe
niedrige [K+ ]
Depolarisation
öffnet
Kanal
Zellkern
0 mV
K+ (Repolarisation)
?
[Ca 2+ ]
afferenter Transmitter
[Gehirn]
+85 mV
Abb. 9. Transduktionschritte von Haarzellen. Das Schallsignal führt zu
einer Deflektion des Haarbündels, wodurch sich apikale Ionenkanäle
öffnen.Kaliumionen strömen in die Zelle.Die Folge ist eine Depolarisation
der Zelle. Die Depolarisation führt (in inneren Haarzellen) zur Freisetzung
des afferenten Transmitters (vermutlich Glutamat), wodurch die
afferenten Nervenfasern stimuliert werden. Bei äußeren Haarzellen führt
Zytoplasma der
sie zur Kontraktion der Zellen. Gleichzeitig steigert die Depolarisation die
Haarzelle
Öffnungswahrscheinlichkeit von kaliumspezifischen Kanälen in der
Hörnervenfaser laterobasalen Zellwand (in äußeren Haarzellen sind es z.B.Typ-C-Kanäle).
Sie erlauben die Repolarisation der Zelle. Äußere Haarzellen elongieren,
innere beenden die Transmitterfreisetzung.
siv angeboten werden. Bei 1000 Hz können Änderungen um 0,3 %, also 3 Hz wahrgenommen werden. Ist
diese Frequenzunterschiedsschwelle verschlechtert, kann der Kranke Sprache kaum noch verstehen.
Für die Ausbildung dieser sog. Frequenzselektivität besitzt die Cochlea einen zweistufigen Mechanismus.
Erklingt ein Ton, werden die schlauchförmige Scala media und Corti-Organ gleichzeitig in die bereits
geschilderten ständigen Auf- und Abwärtsbewegungen, also in Vibrationen versetzt [um nicht alle
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Strukturen nennen zu müssen, sprechen manche
auch verkürzend von Vibrationen der Basilarmembran, meinen jedoch alle genannten kochleären
Strukturen]. Diese Vibrationen bleiben nun nicht auf
den Bereich in unmittelbarer Nähe von Steigbügel
und rundem Fenster beschränkt, sondern bilden eine
Welle aus, die von der Schneckenbasis bis zur Schneckenspitze wandert [Wanderwelle]. Während ihrer
Wanderung nimmt ihre Amplitude in einem ersten
Schritt etwas zu, wird in einem zweiten Schritt bis zu
tausendfach zu einer hohen Welle mit sehr scharfer
Spitze verstärkt und nimmt im weiteren Verlauf
plötzlich wieder ab [Abb. 10]. Diese Verstärkung ist
bei niedrigen und mittleren Schalldrücken besonders auffällig. Die Vibration der scharfen Spitze der
Wanderwelle soll dann den oben genannten subtektorialen Flüssigkeitsfilm der Endolymphe deutlich
verschieben [Endolymphströmung] und dadurch die
inneren Haarzellen stimulieren. Letztere geben anschließend, nach dem oben genannten Transduktionsprozess, den afferenten Transmitter an die afferenten Hörnervenfasern weiter.
Für das Verständnis der Frequenzselektivität ist
von grundlegender Bedeutung, dass sich diese scharfe Spitze für jede Tonfrequenz an einem anderen Ort
in Längsrichtung der Basilarmembran ausbildet.
Hohe Frequenzen erzeugen das Maximum der Wanderwelle in der Nähe der Schneckenbasis, mittlere
Frequenzen in der Schneckenmitte, tiefe Frequenzen
an der Schneckenspitze. Man spricht daher vom
Ortsprinzip [Ortstheorie, Tonotopie] der Wanderwelle.
Das Maximum der Wanderwelle ist auf die äußeren Haarzellen zurückzuführen. Bei niedrigem
Schalldruck erzeugen die äußeren Haarzellen nämlich zusätzliche mikromechanische Schwingungen in
der Reizfrequenz. Äußere Haarzellen können sich bis
zu 20.000-mal pro Sekunde [20 kHz] verkürzen und
verlängern [Abb. 11]. Die zusätzliche Schwingungsenergie entsteht nur an dem jeweils frequenzcharakteristischen, eng umschriebenen Ort der Basilarmembran. Nur dort werden jeweils einige wenige,
wahrscheinlich ca. 50, äußere Haarzellen durch die
Tektorialmembran gereizt, die zusätzlich erzeugte
Schwingungsenergie wird scharf lokalisiert an die
inneren Haarzellen abgegeben: Die Wanderwelle
wird in dem sehr eng umschriebenen Bereich verstärkt. Durch diesen kochleären Verstärkungsprozess wird die hohe Frequenzselektivität des gesunden Ohres, die Voraussetzung für das Sprachverständnis ist, erreicht. Der für diesen Verstärkungsprozess verantwortliche Motor ist das Protein Prestin [von ital. „presto“ = schnell] in der Zellmembran
der äußeren Haarzellen.
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ovales Fenster
rundes Fenster
Scala vestibuli
Wanderwelle
Basilarmembran + Corti-Organ
= Cochleare Trennwand
Scala tympani
Abb. 10. Die Wanderwelle in den kochleären Membranen. Die Wanderwelle startet nahe den Fenstermembranen und läuft die Basilarmembran entlang in Richtung Schneckenspitze. In Abhängigkeit von der jeweiligen Frequenz des Schallsignals bilden die kochleären Membranen
ein Amplitudenmaximum an einem jeweils eng umschriebenen Ort
aus.
Abb. 11. Die Motilität äußerer Haarzellen als Grundlage des kochleären
Verstärkers. Links Haarzelle in Ruhe; Mitte stimulierte äußere Haarzelle:
die Haarzelle verkürzt sich;Rechts anschließend elongiert die Haarzelle.
Die Längenänderungen „pumpen“ mechanische Energie in die Wanderwelle, wodurch diese tausendfach verstärkt und die Endolymphströmung unter der Tektorialmembran so stark wird, dass die inneren Haarzellen gereizt werden. (Abb: Dr. R. Zimmermann,Tübingen)
Informationsübertragung und Verarbeitung im
Zentralnervensystem
Die von der inneren Haarzelle als Folge des Transduktionsprozesses ausgelöste Transmitterfreisetzung wird
in Form einer neuronalen Erregung über Hörnerv, Hirnstamm und Hörbahn bis zum auditorischen Kortex
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innere
Haarzelle
A
B
Aktionspotentiale bei
geringem Schalldruck
Rate der Aktionspotentiale nimmt zu
Bestfrequenz
hier!
leise
Töne
afferente
Nervenfaser
Schalldruckverlauf
laute
Töne
Abb. 12. Kodierung des Schalldrucks im
Hörnerv. A Bei leisen Tönen werden nur
die Fasern mit der dazugehörigen Bestfrequenz gereizt; B bei zunehmender
Lautstärke nimmt die Zahl der Aktionspotentiale in den Fasern zu; C bei weiterer
Steigerung des Schalldrucks kann die Zahl
der Aktionspotentiale nicht mehr gesteigert werden. Daher werden zusätzlich
Nachbarfasern aktiviert (Rekrutierung).
im Temporallappen weitergeleitet. Dabei sind
wenigstens 5–6 hintereinander geschaltete, durch
Synapsen* verbundene Neurone* beteiligt. Sie
besitzen Kollaterale und Interneurone*, die zu einer
ausgedehnten neuronalen Vernetzung des auditorischen Systems führen.
Der Hörnerv überträgt die transduzierten Signale
Radiatio
aus der Cochlea ins Zentralnervensystem [ZNS]. Er
auditiva
besteht aus einer großen Zahl afferenter sowie teilCorpus genic. med.
Colliculus inferior
weise auch efferenter [d.h. aus dem Gehirn kommenLemniscus lateraalis
Auditorischer
der] Nervenfasern. 90 % der afferenten Nervenfasern
Kortex im Gyrus
Nuclei lemnisci later.
haben nur eine Synapse mit einer einzigen, nämlich
temporalis
N. cochlearis dorsalis
einer inneren Haarzelle. An das Gehirn werden also
transversus
N. cochlearis ventralis
im Wesentlichen Informationen von den inneren
Haarzellen weitergeleitet. Da jede Haarzelle nach
Nucleus statoacusticus
dem Ortsprinzip [siehe oben] einer ganz bestimmNucleus olivaris sup.
Kochlea
ten Tonfrequenz zugeordnet ist, wird die mit einer
Corpus
trapezoideum
bestimmten Haarzelle synaptisch verbundene Hörnervenfaser bei Beschallung des Ohrs mit dieser Abb. 13. Schematische Darstellung der zentralen Hörbahn.
ganz bestimmten Frequenz optimal erregt. Diese
Frequenz heißt charakteristische Frequenz oder
Bestfrequenz einer Einzelfaser. Die Zeitdauer eines Schallreizes wird durch die Zeitdauer der Aktivierung
der Nervenfasern kodiert, die Höhe des Schalldruckpegels durch die Entladungsrate verschlüsselt [Abb. 12].
Allerdings kann eine einzelne Nervenfaser eine bestimmte Entladungsrate nicht überschreiten, sondern
erreicht ab einem bestimmten Schalldruck einen Sättigungsbereich. Trotzdem kann die Information nach
höherer Lautstärke weitergegeben werden, da dann eine zunehmende Zahl benachbarter Fasern aktiviert
wird [Rekrutierung, Recruitment].
Die zweiten Neurone gehen vom ventralen Nucleus cochlearis aus. Ein Teil zieht zur oberen Olive der
gleichen Seite, ein Teil kreuzt zur oberen Olive der anderen Seite [Abb. 13]. Ebenso kreuzen die afferenten
Fasern vom dorsalen Kern zum Nucleus lemnisci lateralis der Gegenseite. Dadurch ist jedes Innenohr mit
der rechten und der linken Hörrinde verbunden. Außerdem können in den Nervenzellen des Olivenkomplexes erstmals im Verlauf der Hörbahn binaurale [= von beiden Ohren aufgenommene] akustische Signale
miteinander verglichen werden. Die höheren Neurone verlaufen von der oberen Olive zum Teil auf der
gleichen Seite, zum Teil auf der Gegenseite nach jeweils neuer Umschaltung zum Colliculus inferior und
anschließend zum Corpus geniculatum mediale. Schließlich ziehen die Afferenzen als Hörstrahlung [Radia-
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tio acustica] zur primären Hörrinde [HeschlQuerwindung] des Temporallappens.
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Schallquelle
Die einfache Kodierung des ersten und von Teilen
des zweiten Neurons wandelt sich grundlegend ab
dem dorsalen Nucleus cochlearis und weiter zunehmend mit jedem höheren Neuron. Zwar wird das
Ortsprinzip bis zum auditorischen Kortex beibehalten, d.h., dass bestimmte Schallfrequenzen an bestimmten Orten der Hörrinde oder der auditorischen Kerne repräsentiert sind. Zusätzlich besitzen
jedoch beispielsweise einige vom dorsalen Nucleus
cochlearis ausgehende Neurone kollaterale Verschaltungen, die teils exzitatorisch, teils inhibitorisch
zusätzliche
Laufstrecke
wirksam sind [On-off-Neurone]. Die Folge ist, dass
Laufzeitdifferenz
einzelne Neurone des dorsalen Cochleariskerns bei
Schallreiz stets gehemmt werden.
Eine grundsätzliche Eigenschaft der höheren
Neurone der Hörbahn ist es, nicht auf reine Sinustöne, sondern auf bestimmte Eigenschaften eines
Schallmusters [z. B. Sprachmuster] zu reagieren. So Abb. 14. Auditorische Raumorientierung. Die Laufzeitdifferenz eines
gibt es Fasern, die bei einer bestimmten Schallfre- Tons zwischen beiden Ohren wird im zentralen auditorischen System
quenz aktiviert, durch höhere oder tiefere Töne je- verarbeitet und dient der lateralen Schallquellenlokalisation.
doch gehemmt werden. Auch gibt es Neurone, die auf
eine Frequenzzunahme, und solche, die auf eine Frequenzabnahme [Frequenzmodulation] reagieren, wobei zusätzlich der Grad der Modulation von Bedeutung
sein kann. Andere Zellen sprechen nur auf die Amplitudenänderung eines Tons an.
Diese Spezialisierung von Neuronen auf bestimmte Eigenschaften eines Schallmusters ist im auditorischen Kortex noch ausgeprägter. Neurone können hochspezialisiert auf den Beginn oder das Ende, auf eine
Mindestzeitdauer oder eine mehrfache Wiederholung, auf bestimmte Frequenz- oder Amplitudenmodulationen eines Schallreizes sein. Man nimmt daher an, dass diese bis zur Hörrinde zunehmende Spezialisierung
der Neurone auf bestimmte Eigenschaften des Schallreizes es erlaubt, Muster innerhalb des Schallreizes
herauszuarbeiten und für die kortikale Beurteilung vorzubereiten [Informationsverarbeitung]. Das gesprochene Wort oder Musik bestehen aus derartigen Mustern, die wir trotz eines Störschalls [z. B. Umgebungsgeräusche] erkennen können.
Die Richtung einer Schallquelle kann geortet werden. Dieses räumliche Hören oder auditorische Raumorientierung geschieht durch das zentrale Hörsystem. Dort finden sich in bestimmten Bereichen, etwa der
oberen Olive oder dem Colliculus inferior, auf Raumorientierung hochspezialisierte Neurone, welche die von
den beiden Ohren ankommenden Folgen von Aktionspotentialen miteinander vergleichen. Dazu müssen
zunächst einmal beide Ohren einigermaßen normal hören [binaurales Hören]. In der Regel liegen Schallquellen nicht genau in der durch den Kopf definierten Mittelebene [Mediansagittalebene], sondern irgendwie seitlich. Dann ist die Schallquelle von einem Ohr weiter entfernt als vom anderen. Der Schall trifft
dadurch am entfernteren Ohr später und leiser ein [Abb. 14]. Das auditorische System ist dabei in der Lage,
Intensitätsunterschiede von nur 1 dB und Laufzeitunterschiede bis hinab zu 3 x 10-5 s sicher zu erkennen.
Eine derartig minimale Schallverstärkung tritt bei einer Abweichung der Schallquelle von 3 Grad von der
Mittellinie auf.
Laufzeit- und Intensitätsdifferenzen erlauben zwar die Bestimmung des Raumwinkels, nicht jedoch die
Entscheidung, ob sich die Schallquelle oben, unten, vorne oder hinten befindet. Hierzu ist die Form der Ohrmuschel, die eine Richtcharakteristik besitzt, bedeutsam. Je nachdem, in welchem Winkel das Schallsignal auf
die Ohrmuschel auftrifft, wird es minimal verformt. Offenbar können diese dadurch modulierten [„verzerrten“] Schallmuster zentral erkannt und ebenfalls zur Bildung eines Raumeindrucks verwandt werden.
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