Dr - Helmut Petz

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RiBVerwG Helmut Petz
Wintersemester 2014/15
UMWELTRECHT
Pflicht-Vertiefungsveranstaltung im Schwerpunktbereich 8
A. EINFÜHRUNG
I.
GRUNDLAGEN DES UMWELTRECHTS
1.
Einführung: Probleme des Umweltschutzes
Mensch lebt in und von der Umwelt
=> Umweltschutz = "Schicksalsfrage der Menschheit" (Breuer, 1981)

neue Qualität der Umweltprobleme:
 anthropogene Umweltveränderungen
 nicht mehr nur singuläre, lokal begrenzte Störfälle, sondern globale
Umweltschäden; Akteure und Wirkungen überschreiten nationalstaatlichen
Aktionsrahmen (z.B. Ozonschicht; Klimawandel); nicht der Störfall, sondern in
erster Linie der „Normalbetrieb“ erzeugt die Umweltprobleme
 nicht mehr nur Beeinträchtigung einzelner Umweltmedien, sondern
medienübergreifende Beeinträchtigungen und Veränderungen
 komplexe Wirkungsgefüge (Studie „Global 2000“)
=> einerseits Abmilderung der Wirkungen schädigender Ereignisse durch
kompensatorische Kapazitäten der Natur,
=> andererseits kaum kalkulierbarer "Point of no Return"
=> Moderner Umweltschutz: Übergang von punktueller Schadensabwehr zur
integralen Umweltpflege und -vorsorge

Umweltprogramm der Bundesregierung 1971:
Def. Umweltpolitik:= Gesamtheit aller Maßnahmen, die notwendig sind,
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2
 um dem Menschen eine Umwelt zu sichern, die er für seine Gesundheit und ein
menschenwürdiges Dasein braucht
 um Boden, Luft und Wasser, Pflanzen- und Tierwelt vor nachteiligen Wirkungen
menschlicher Eingriffe zu schützen und
 um Schäden oder Nachteile aus menschlichen Eingriffen zu beseitigen

Bestandsaufnahme:
 einerseits wichtige Erfolge (z.B. emissionsarme Autos und Flugzeuge;
hervorragende Filteranlagen; Verzicht auf FCKW; "Energiewende")
 andererseits werden Erfolge durch vermehrte Inanspruchnahme von
Umweltgütern (z.B. Steigerung von Produktion, Konsum und Verkehr;
Wohlstandsteilhabe weiter Teile der Erdbevölkerung) häufig zunichte gemacht

aktuelle Herausforderungen:
 Internationalisierung und Globalisierung des Umweltschutzes (z.B. bei
CO2-Ausstoß und Klimaschutz) als Reaktion auf Globalisierung der Akteure und
beeinträchtigenden Wirkungen
 Umweltschutz als Querschnittsaufgabe: Umweltbeeinträchtigungen berühren
nahezu alle Lebensbereiche => Verankerung des Umweltschutzes in allen
relevanten Regelungsbereichen (z.B. Verkehr, Industrie, Bauen;
Energieerzeugung; Landwirtschaft)
2.
Begriff und Struktur des Umweltrechts
Rechtsstaat => staatlicher Umweltschutz verwirklicht sich im Recht;
Umweltschutz als rechtliche Querschnittsaufgabe => unweltrechtliche Regelungen
nahezu über die gesamte Rechtsordnung verteilt:

Einteilung des Umweltrechts
 öffentliches Umweltrecht
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3

Umweltordnungsrecht: Recht der Abwehr von Gefahren und der Vorsorge
gegen Risiken im Umweltbereich (historische Wurzeln des Umweltrechts;
auch jetzt noch in vielen Bereichen <z.B. ImmissionsschutzR> dominierend)

Umweltplanungsrecht: Bewältigung komplexer Umweltprobleme durch
oder im Rahmen von Planung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG;
Lärmminderungsplanung, §§ 47a ff. BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 8 ff.
BNatSchG; aber auch umweltbeeinträchtigende Planungen wie Straßenund Flughafenplanung)
 Umweltprivatrecht (z.B. §§ 906, 1004 BGB, Umwelthaftungsrecht)
 Umweltstrafrecht (z.B. §§ 324 bis 330 d StGB)

Einteilung des öffentlichen Umweltrechts
 Umweltrecht i.e.S.:

allgemeines Umweltrecht: Umwelt-Verwaltungsverfahrensrecht (vgl.
hierzu den allgemeinen Teil des – gescheiterten – UGB) und sonstige
allgemeine Regelungen (z.B. UIG, UVPG, UStatG, UmwRG)

besonderes Umweltrecht: umweltspezifisches materielles Recht; dient
ausschließlich oder hauptsächlich dem Schutz bestimmter Umweltmedien
(z.B. Immissionsschutz-, Naturschutz-, Wasserschutz-, Bodenschutz-,
Kreislaufwirtschafts-, Atom-, Gentechnikrecht)
 Umweltrecht i.w.S.: problembezogene Querschnittsregelungen; über die
gesamte Rechtsordnung verteilt; insbesondere in Gesetzen, die zwar nicht in
erster Linie dem Umweltschutz dienen, aber in hohem Maße umweltrelevant
sind (z.B. § 1a, § 2 Abs. 4 BauGB; § 9 ROG; FluglärmschutzG)
3.
Verfassungsrechtliche Grundlagen
a)
Überblick
Ertrag des Verfassungsrechts für den Umweltschutz vergleichsweise gering
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bis zur Schaffung der Staatszielbestimmung Umweltschutz: keine spezifischen
Umweltschutzpostulate im GG; auch aus dem Rechtsstaatsprinzip (einschließlich
Grundrechte), dem Demokratieprinzip und dem Sozialstaatsprinzip lassen sich keine
ummittelbaren Umweltschutzpostulate ableiten;
Rechtsstaats- und Demokratieprinzip enthalten aber Rechtfertigungsanforderungen
für grundrechtsgebundenes staatliches Handeln: Freiheitsbeschränkungen formell
(Vorbehalt des Gesetzes; Kompetenzen) und materiell (Grundrechte)
rechtfertigungsbedürftig => freiheitssichernde Wirkung gegenüber dem Staat
darüber hinaus gewährleistet die Verfassung einen Handlungsrahmen zum
Binnenausgleich der Freiheitsentfaltung in der freien Gesellschaft
=> Instrumente des privaten Interessenausgleichs (z.B. Vertragsfreiheit)
=> gesetzliche Schädigungsverbote (z.B. im Strafrecht) und Sekundäransprüche
(z.B. im Deliktsrecht nach §§ 823 ff., 1004 BGB)
Konsequenzen für den Umweltschutz:
b)

Umweltbeeinträchtigungen in erster Linie durch Verhalten Privater (z.B. Produktion
und Verkehr) => freiheitssichernde Wirkung gegenüber dem Staat trifft nicht
den Kern der Umweltprobleme

Umweltgüter nur teilweise privat zugeordnet => Instrumente des
gesellschaftlichen Binnenausgleichs nur eingeschränkt wirksam
Grundrechte
"materieller Dreh- und Angelpunkt des freiheitlichen Rechtsstaats"
aa) Eingriffsabwehr ("Status negativus")
Abwehr staatlicher Umweltbelastungen

Umweltbeeinträchtigungen unmittelbar durch den Staat (z.B. Straßenbau oder
öffentliche Einrichtungen wie Müllverbrennungsanlagen)
Probleme:
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 nur subjektiver Individualrechtsschutz: kein Abwehrrecht ohne subjektive
Rechtsbeeinträchtigung
 Relevanzschwelle: unzumutbare individuelle Betroffenheit (z.B. durch
Lärmbeeinträchtigungen) muss nachgewiesen werden

private Umweltbelastungen (z.B. durch emittierende Anlagen) unter staatlicher
Mitwirkung (z.B. auf der Grundlage staatlicher Genehmigungen)
Probleme:
 Zurechenbarkeit: nur bei Fehlverhalten des Staates (grundlegend BVerfGE
53, 30 <59> Mühlheim-Kärlich)

wenn Genehmigung gesetzmäßig erteilt: => grundsätzlich kein Abwehrrecht

wenn Genehmigung gesetzeswidrig
=> kann durch Bürger abgewehrt werden
=> auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz
=> auch hier Relevanzschwellen

private Umweltbelastungen ohne staatliche Mitwirkung
Probleme:
 keine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte
=> kann grundsätzlich nur zivilrechtlich abgewehrt werden
=> auch hier nur subjektiver Individualrechtsschutz
=> auch hier Relevanzschwellen
bb) Objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte/staatliche Schutzpflichten
Grundrechte sind nicht nur subjektive Abwehrrechte, sondern auch objektiv-rechtliche
Wertentscheidungen der Verfassung (vgl. z.B. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht
II, Rn. 76) => staatliche Schutzpflichten
Probleme:
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Verletzung nur, "wenn staatliche Organe gänzlich untätig geblieben oder die
getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind" (BVerfGE 79, 174 <201 f.>);
weiter Bewertungs- und Handlungsspielraum des Staates
=> nur wenige Konstellationen im Umweltbereich, in denen sich objektiven
Schutzpflichten zu subjektivem Anspruch auf staatliches Handeln verdichten
c)
Rechtsstaatsprinzip
Probleme:
 Vorbehalt des Gesetzes: erschwert rasche Reaktionen auf Umweltprobleme
 Kompetenzen: ursprünglich im Umweltrecht stark zersplittert; seit
Föderalismusreform I Konzentration der Gesetzgebung beim Bund <s.u.>
 Vertrauensschutz: Rückwirkungsverbot etc.
d)
Demokratieprinzip <entsprechend Vorbehalt des Gesetzes>
Zwischenergebnis:
 Abwehr staatlicher Umweltbeeinträchtigungen: nicht Problemschwerpunkt
im Bereich der Umweltbeeinträchtigungen
 Einforderung umweltschützender Aktivitäten des Staates
o
staatliche Schutzpflichten verschaffen dem Bürger in der Regel keine
subjektive Rechtsposition
o
umgekehrt freiheitssicherndes Instrumentarium zur Abwehr
freiheitsbeeinträchtigender Aktivitäten des Staates
 verfassungsunmittelbares Korrektiv, etwa im Sinne einer Pflicht zum
"verantwortlichen (d.h. in unserem Zusammenhang: umweltschonenden)
Freiheitsgebrauchs" ist unserem Verfassungsverständnis grundsätzlich
fremd
e)
Staatszielbestimmung Umweltschutz, Art. 20a GG
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Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146); in Kraft getreten am 15.11.1994

Rechtsnatur: objektiv-rechtliche Staatszielbestimmung
 kein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers
 kein absoluter Vorrang des Umweltschutzes

Schutzgut: natürliche Lebensgrundlagen (deshalb ist die Bezeichnung "Staatsziel
Umweltschutz" nicht ganz präzise) und Tierwelt
 auch menschlich gestaltete Umwelt ("Kulturlandschaft")
 anthropozentrische Konzeption (allerdings nicht im Sinne einer schlichten
humanen Nutzenkalkulation)
 Konzeption der Nachhaltigkeit ("… auch in Verantwortung für die künftigen
Generationen …")

Relevanz:
 Rechtfertigung für umweltschützende Aktivitäten des Gesetzgebers
(insbesondere im Bereich vorbehaltslos gewährleisteter Grundrechte)
 Direktive für Verwaltung (etwa bei der Ermessensbetätigung) und
Rechtsprechung (etwa bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe)
f)
Föderale Kompetenzordnung
aa) Umweltgesetzgebung: Föderalismusreform I:
zwar nicht Einführung eines einheitlichen Kompetenztitels "Recht der Umwelt"; aber
deutliche Konzentration der Kompetenzen beim Bund (alle Kernkompetenzen im
Bereich des Umweltschutzes in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, zumeist
als konkurrierende Kompetenz); Erforderlichkeitsklausel im Umweltrecht überwiegend
nicht mehr anwendbar, Art. 72 Abs. 2 GG; Abweichungsgesetzgebung der Länder
bei der bisherigen Rahmengesetzgebungskompetenz ("kompetitiver Föderalismus")
Überblick über Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Umweltrechts:
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
ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes: v.a. Luftverkehrsrecht,
Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG; Atomrecht, Art. 73 Abs. 1 Nr. 14 GG

konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes:
 wichtigste Materien:
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG: Recht der Wirtschaft (z.B. EnWG)
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG: Bodenrecht (BauGB)
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG: Lebensmittel- und Tierschutzrecht
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG: Wasserstraßen
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG: Straßenverkehr
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 23 GG: Schienenbahnen
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG: Abfallbeseitigung, Luftverschmutzung und
Lärmbekämpfung (KrWG; BImSchG)
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG: Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG)
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG: Raumordnung (ROG)
o
Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: Wasserhaushalt (WHG)
 drei Grundvarianten:
o
Kernkompetenz des Bundes: Gesetzgebungskompetenz ohne
Erforderlichkeitsschranke und ohne Abweichungskompetenz der Länder
(z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 <Bodenrecht> und Nr. 24 GG <BImSchR>)
o
Erforderlichkeitskompetenz des Bundes: Gesetzgebungskompetenz mit
Erforderlichkeitsschranke (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 20, 22 GG)
o
Abweichungskompetenz der Länder:
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
konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne
Erforderlichkeitsschranke, aber mit begrenzter
Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG:
abweichende Regelungen über Naturschutz ohne allgemeine
Grundsätze; z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG: abweichende Regelungen
über den Wasserhaushalt ohne stoff- oder anlagenbezogene
Regelungen;
Abgrenzungsprobleme (strittig ist z.B., ob die naturschutzrechtliche
Eingriffsregelung zu den Grundsätzen des NatSchR gehört)

konkurrierende Gesetzgebung des Bundes ohne
Erforderlichkeitsschranke, aber mit unbegrenzter
Abweichungskompetenz der Länder (z.B. Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG)

(ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz der Länder: im Wesentlichen nur
noch bei verhaltensbezogenem Lärm (siehe Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG), im
Fischereirecht sowie im - subsidiär anzuwendenden - Polizeirecht

Übergangsvorschrift des Art. 125b GG (insb. Abs. 1 Satz 2)
bb) Umweltverwaltung
Vollzugszuständigkeit der Länder in nahezu sämtlichen Bereichen des Umweltrechts:

Vollzug der Landesgesetz und nicht gesetzesakzessorischer
Verwaltungsvollzug, Art. 30 GG: z.B. BayImSchG

Vollzug der Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten der Länder
(Landeseigenverwaltung, Art. 83, 84 GG); Bund kann Behördeneinrichtung und
Verwaltungsverfahren regeln oder selbst Verwaltungsvorschriften erlassen, Art. 84
Abs. 1 und 2 GG (ohne Zustimmung Bundesrat); dafür Abweichungskompetenz der
Länder; Umweltverfahrensrecht fällt unter Art. 84 Abs. 1 Satz 5 und 6 GG und ist
deshalb abweichungsfest

Vollzug der Bundesgesetze im Auftrag des Bundes (Bundesauftragsverwaltung,
Art. 85 GG): z.B. Kernenergieverwaltung, Art. 87c GG
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Bundeseigene Verwaltung: im Wesentlichen nur Verwaltung der
Bundeswasserstraßen, Art. 87 Abs. 1 Satz 1, Art. 89 GG
4.
Unionsrechtliche Bezüge des Umweltrechts
Umweltrecht auf Unionsebene naheliegende Konsequenz, da Umweltbelastungen nicht
an der Staatengrenze Halt machen
Entwicklung des Umweltrechts: von Beginn an unter dem Einfluss des Unionsrechts
=> wesentlicher Motor für Entwicklung des deutschen Umweltrechts
=> deutscher Gesetzgeber heute in vielen Bereichen "Umsetzungsgesetzgeber" (z.B.
Aarhus-Konvention; UVP-RL; Plan-UP-RL; Vogelschutz-RL; FFH-RL; Seveso-II-RL; IERL; WR-RL)
Kompetenzgrundlage des unionsrechtlichen Umweltrechts: Art. 192 i.V.m. 191 AEUV
Verhältnis von unionsrechtlichem und nationalem Umweltrecht

Anwendungsvorrang des Umweltrechts der Union (≠ Geltungsvorrang):
Entgegenstehendes nationales Recht verliert nicht seine Geltung, darf aber im
Einzelfall nicht angewendet werden (gilt für alle Handlungsformen <VO und RL>)

Umsetzungserfordernis (gilt nur für RL, Art. 288 Abs. 3 AEUV): RL hinsichtlich des
zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die
Wahl der Form und der Mittel
=> Einpassung der umzusetzenden unionsrechtlichen Regelung in das
mitgliedstaatliche Rechtssystem
Konsequenzen bei (normativen) Umsetzungsdefiziten (z.B. Seveso-II-RL):
 RL-konforme Auslegung des nationalen Rechts (zur Vermeidung eines
Umsetzungsdefizits) durch nationale Gerichte: Sofern Auslegungsspielräume
existieren, ist diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die mit den
Regelungen und Zielsetzungen der RL vereinbar ist (z.B. Seveso-II-RL: der
Bundesgesetzgeber hat das in der RL enthaltene Gebot, dem Erfordernis, dass
zwischen Störfallbetrieben und störempfindlichen öffentlichen Bereichen
langfristig Rechnung getragen wird, nur als Planungsvorgabe, nicht hingegen
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auch als Vorgabe für die Genehmigungsentscheidung verstanden und deshalb
nur in § 50 BImSchG, nicht aber auch in § 34 BauGB umgesetzt; der EuGH hat
dieses RL-Verständnis als unionsrechtswidrig beanstandet; das BVerwG (U. v.
20.12.2012 – BVerwG 4 C 11.11 – BVerwGE 145, 290) hat § 34 BauGB dahin
ausgelegt, dass dem Abstandserfordernis in dem in § 34 BauGB enthaltenen
Rücksichtnahmegebot Rechnung zu tragen ist)
 Unmittelbare Wirkung der RL (EuGH): Voraussetzungen (vgl. z.B. Koch,
UmwR, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 85 ff.):

RL auf Gewährung subjektiver Rechte gerichtet

Umsetzungsfrist abgelaufen

Umsetzung der RL defizitär (keine/nicht ordnungsgemäße Umsetzung)

Regelung hinreichend bestimmt, vorbehaltlos und unbedingt
=> unmittelbare vertikale Wirkung (zugunsten des Bürgers im Verhältnis zum
Staat, z.B. im Bereich des Gesundheitsschutzes)
=> keine unmittelbare horizontale Wirkung
 Staatshaftung (für legislatives Unrecht; EuGH, Slg. 1991 I-5357 Rn. 33 ff.
<Francovich>); Voraussetzungen:

RL auf Gewährung subjektiver Rechte gerichtet

Regelung hinreichend bestimmt, vorbehaltlos und unbedingt

RL vom Mitgliedstaat verletzt

ein durch die RL begünstigter hat Schaden erlitten

Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden
 Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV): Einleitung durch Kommission;
Gelegenheit zur Stellungnahme; Entscheidung EuGH;
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wenn Umsetzungsdefizit festgestellt
=> Pauschalbetrag/Zwangsgeld (Art. 260 Abs. 2 und 3 AEUV)
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5.
Grundprinzipien des Umweltrechts
a)
Überblick
Grundprinzipien des Umweltrechts: auf unterschiedlichen Aktionsebenen
(Völkerrecht; Unionsrecht; nationales Recht) herausgebildet;

nationalrechtliche Ebene:
politischer Ursprung (z.B. Umweltprogramm BReg von 1971 sowie Fortschreibung
im Umweltbericht BReg von 1976);
nach und nach verrechtlicht (erstmals im Staatsvertrag über die Schaffung einer
Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, Art. 16; Fortschreibung im
Einigungsvertrag, Art. 34 EV);
=> Rechtsverbindlichkeit nur dort, wo Geltung ausdrücklich gesetzlich
normiert; auf verschiedenen Ebenen zum Teil divergierende Inhalte
herkömmliche Prinzipientrias:
 Vorsorgeprinzip: Primärziel, Belastungen und Gefahren für die Umwelt
bereits im Vorfeld zu vermeiden
 Verursacherprinzip: determiniert als Sekundärziel die Verantwortlichkeiten für
Umweltbeeinträchtigungen (Adressaten von Umweltschutzmaßnahmen;
finanzielle Lastenverteilung; mittelbar auch Präventivfunktion)
 Kooperationsprinzip: bestimmte Art und Weise der Organisation des
Umweltschutzrechts (organisatorische und instrumentelle Umsetzung)

unionsrechtliche Ebene (Art. 191 Abs. 2 AEUV):
 hohes Schutzniveau
 Prinzip der Vorsorge und Vorbeugung
 Ursprungsprinzip: Beeinträchtigungen vorrangig am Ursprung bekämpfen
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 Verursacherprinzip

angereichert durch weitere Prinzipien, die sich auf internationaler und
unionsrechtlicher Ebene durchgesetzt (insb. sog. Querschnittsklausel des Art. 11
AEUV) und Einzug in die nationalen Umweltschutzgesetze gefunden haben
 Integrationsprinzip: Schutzauftrag für die Umwelt in ihrer Gesamtheit
 Nachhaltigkeitsprinzip (vgl. Schmidt/Kahl, Umweltrecht, 2006, § 1 Rn. 22;
Klöpfer, Umweltschutzrecht, 2008, § 3 Rn 13)

Rechtsnatur und Rechtswirkung:
Unionsrecht:
prägende Wirkung für unionsrechtliche Umwelt-RL, in denen die Unionsebene dem
nationalen Gesetzgeber detaillierte inhaltliche Vorgaben für eine prinzipiengeleitete
Ausgestaltung des nationalen Rechts machen kann
nationales Recht:
einheitliche Regelung fehlt
=> bereichsspezifische Ausprägungen mit unterschiedlichem Regelungsinhalt
=> Generalisierung aus den Vorschriften des besonderen Umweltrechts
 interpretationsleitende Funktion (z.B. Norm mit Vorsorgecharakter => keine
subjektive Rechtsposition; Auslegung von RL der EU)
 Ausfüllung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen
b)
Schutzprinzip

Zweck und Inhalt
Zweck: „vor“-umweltrechtliches Prinzip der Gefahrenabwehr
Inhalt: Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und Abwehr konkreter
Umweltgefahren
=> greift nicht erst, wenn Umwelt bereits geschädigt, sondern bereits dann, wenn
Schädigung konkret droht;
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=> Anknüpfung an polizeirechtlichen Gefahrenbegriff:= Sachlage, die bei
ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem
Schaden an Rechtsgütern führen würde; Anforderungen an Wahrscheinlichkeit
umso niedriger, je bedeutender die betroffenen Umweltgüter und je größer das
Ausmaß der erwarteten Schädigung sind;
Konkretisierung in technischen Regelwerken (BImSchV; TA Lärm, TA Luft)

Rechtsnatur und Rechtswirkungen
zwingendes Recht
drittschützende Wirkung, soweit sich Bürger auf subjektive Rechtspositionen wie
insbesondere Recht auf Gesundheit und Leben <Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG> oder
Eigentum <Art. 14 GG> berufen kann; insoweit auch Klagebefugnis

Einfachrechtliche Verankerung
generelle Regelung fehlt; bereichsspezifische Ausprägung
 als gesetzliche Zielbestimmung, z.B. § 1 BImSchG
 als Betreiberpflicht, z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG
c)
Vorsorgeprinzip

Zweck und Inhalt
wichtigstes Prinzip des Umweltrechts; von der bloß reaktiven Schadensbeseitigung
zum präventiven und planenden Umweltschutz
heute im Wesentlichen zwei Varianten:
 Risiko- und Gefahrenvorsorge (sicherheitsrechtlicher Aspekt)
Vorsorge schon im Vorfeld der polizeirechtlichen Gefahrenschwelle
o
auch entfernte Risiken
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
zeitlich (“zukünftige Generationen“; Bsp. Klimaschutz)

räumlich (z.B. Ferntransporte von Schadstoffen)
o
auch Fälle mit geringerer Eintrittwahrscheinlichkeit: Schwelle für
Vorsorge ist bereits erreicht, wenn fachliche Anhaltspunkte für schädliche
Wirkung bestehen (z.B. Mobilfunk); bloßes Besorgnispotential reicht
demgegenüber nicht aus (kein Null-Risiko-Prinzip)
o
auch Umweltbelastungen, die erst im Zusammenwirken mit anderen
Belastungen schädlich werden können (kumulative Kausalität)
o
gegebenenfalls auch Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen
Vorsorgemaßnahmen:
o
technische Vorkehrungen zur Emissionsvermeidung/-minderung (Gebot
der Belastungsminimierung, z.B. nach Stand der Technik, § 5 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 BImSchG); Grenzen: Verhältnismäßigkeit
o
technische und/oder organisatorische Vorkehrungen für den Fall einer
Verwirklichung von Unfall- oder Störfallrisiken (sog. „Dennoch-Störfall“),
ggf. auch Abstandserfordernisse (Art. 12 der Seveso-II-RL)
o
unter Umständen Beweiserleichterungen oder Beweislastumkehr
 Ressourcenvorsorge
bewirtschaftungsrechtlicher Aspekt; Umweltvorsorge im Sinne einer
zukunftsverträglichen Ressourcenbewirtschaftung; Ziel, für zukünftige
Nutzungen Freiräume zu erhalten (s. auch Nachhaltigkeitsprinzip)

Dogmatische Herleitung
"Handeln im Ungewissen" (sog. Ignoranztheorie, vgl. Erbguth/Schlacke,
Umweltrecht 2005, § 3 Rn. 4); behördliche Risikoentscheidungen erfordern eine
gewisse Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle
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
Rechtsnatur und Rechtswirkungen
allgemeine Gesetzesgrundlage für Vorsorgeprinzip fehlt; derzeit (wohl) allein durch
Fachgesetze getragen (vgl. aber § 1 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 UGB-RefE)
nur objektiv-rechtliches Prinzip; keine drittschützende Wirkung (keine
subjektive Rechtsposition des Bürgers, aufgrund derer er verlangen könnte, dass
jenseits des Schutzprinzips Umweltvorsorge betrieben wird); => keine
Klagebefugnis

Einfachrechtliche Verankerung
 Vorsorge als allgemeiner Gesetzeszweck: z.B. § 1 BImSchG, § 1a WHG
 Verpflichtung zur Minimierung denkbarer Schadensrisiken durch
Beachtung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglichen
Vorsorgemaßnahmen: z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 7a WHG
 Verschlechterungsverbot: insb. § 13 Satz 1 BNatSchG
 Vorsorge als Planungsdirektive: § 1 Abs. 5, Abs. 6 Nr. 7, § 1a BauGB
d)
Verursacherprinzip

Zweck
Umweltprogramm der BReg. 1971: "Jeder, der die Umwelt belastet oder sie
schädigt, soll für die Kosten dieser Belastung oder Schädigung aufkommen";
insoweit lediglich Kostenzurechnungsprinzip: Verursacherprinzip bestimmt, wem
einzelne Umweltbeeinträchtigungen zuzurechnen sind und wer für die Beseitigung
bzw. Verminderung in die Pflicht genommen werden soll
general- und spezialpräventive Wirkung (mittelbar verhaltenssteuernd aufgrund
der auf einen Schädiger zukommenden finanziellen Belastungen)
allerdings: rein ökonomische Betrachtung kann effektiven Umweltschutz nicht
gewährleisten; deshalb auf Ergänzung durch Vorsorgeprinzip angelegt
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
Inhalt und Rechtswirkungen
Verursacherprinzip wird heute allgemein weiter verstanden:
 nicht bloß ökonomisches Kostenzurechnungsprinzip mit dem Ziel einer
Internalisierung der Kosten von Umweltbeeinträchtigungen
 sondern auch finanzielles und materielles Verantwortungsprinzip,
Beeinflussung der Verantwortlichen i.S. einer Nichtverursachung, etwa
o
durch Zurechnung i.S. der polizeirechtlichen Störerverantwortung
o
als Zurechnungskriterium für Anreizinstrumente (s.u.)
Maßstab für Zurechnung: erhebliche naturwissenschaftliche Nachweisprobleme bei
komplexen Wirkungszusammenhängen (z.B. Waldschaden); deshalb rechtliches
Zurechnungsprinzip, das der Gesetzgeber jenseits von Äquivalenz- oder
Adäquanztheorie nach Gerechtigkeits-, Billigkeits- oder politischen
Zweckmäßigkeitserwägungen ausgestalten kann

Einfachrechtliche Verankerung
 Vermeidungs-, Verminderungs- oder Beseitigungspflichten (z.B. Autos,
§ 38 BImSchG; Hausmüllbeseitigung)
 Auferlegung "ersparter" Kosten bei pflichtwidrigem Verhalten
 Auferlegung der Kosten für Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen (z.B.
naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung in der
Bauleitplanung, § 135a BauGB)
 Belastung mit politisch festgesetzten Knappheitspreisen für die Umweltnutzung
(z.B. Emissionshandel)
e)
Kooperationsprinzip
nicht umweltspezifisches, aber doch umwelttypisches Prinzip („Bürgergesellschaft“);
Bekenntnis zu gemeinsamer Verantwortung von Staat und Gesellschaft und zur
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wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit im freiheitlich-demokratischen
Rechtsstaat (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 4 UGB-RefE)

Aufgabenverteilungsprinzip: vom imperativen zum paktierenden Staat (z.B.
informelle Absprachen; freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Vermeidung
staatlicher Maßnahmen <VerpackungsV; Atomausstieg etc.>)
Vorteile:
 Einbindung privater Verantwortung
 Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz
Nachteile:
 Gefahr inhaltlicher Kompromisse zu Lasten des Gemeinwohls und der
Belange des Umweltschutzes
 Fehlende rechtsstaatliche Sicherungen, insbesondere für betroffene Dritter,
wenn Normsetzungen oder behördliche Anordnungen durch Absprachen oder
Selbstverpflichtungs-Abkommen ersetzt werden
deshalb staatliche Gewährleistungsverantwortung als notwendiges Korrektiv
erforderlich, wenn Aufgaben des Umweltschutzes privatisiert werden

kooperatives Aufgabenwahrnehmungsprinzip, z.B. Anhörung "beteiligter
Kreise" (§ 51 BImSchG), Beteiligungsrechte (§§ 63 ff. BNatSchG)
 Einbringung von Sachverstand; Komplettierung des
entscheidungserheblichen (Abwägungs-) Materials
 Repräsentation von (organisierten) Interessen
 aber auch: erhöhte Mitwirkungspflichten (z.B. in Form von materiellen oder
prozessualen Präklusionswirkungen)
f)
Integrationsprinzip
Zweck: Schutz der Umwelt in ihrer Gesamtheit;
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gemeinschaftsrechtliche Wurzeln (UVP-RL und IVU-RL)
Aspekte des Integrationsprinzips:

interne Integration: medienübergreifender Ansatz (z.B. § 5 Abs. 1 Satz 1
BImSchG: "… hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt …")

externe Integration: Berücksichtigung der Umweltbelange auch in mittelbar
umweltrelevanten Politiken (insb. Querschnittsklausel Art. 6 EGV)
gesetzliche Ausprägungen:
g)

§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG ("Wechselwirkungen zwischen Umweltgütern")

§ 75 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwVfG (formelle Konzentrationswirkung)

vgl. auch § 42 ff. UGB-RefE (integrierte Vorhabengenehmigung)
Nachhaltigkeitsprinzip
in Staatszielbestimmung des Art. 20a GG nicht ausdrücklich benannt, aber impliziert
(Zukunftsverantwortung des Staates "für künftige Generationen");
gesetzliche Ausprägungen:

naturschutzrechtliche Eingriffs- und Ausgleichsregelung, §§ 18 ff. BNatSchG

Verschlechterungsverbote, § 33 Abs. 5, § 34 Abs. 1 BNatSchG

Raumordnung, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 3 ROG
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6.
Instrumente des Umweltrechts
a)
Überblick

historische Entwicklung
Entwicklung des Umweltrechts aus dem Polizei- und Ordnungsrecht sowie dem
Gewerberecht; Instrumente des Umweltrechts deshalb größtenteils mit den dort
vorfindlichen Handlungsformen identisch;
wegen des Querschnittscharakters des Umweltrechts teilweise auch
Regelungsinstrumente aus anderen Bereichen des Verwaltungsrechts in das
Umweltrecht integriert;
einzelne Instrumente aber zum Teil anderes Gewicht; zum Teil auch
umweltrechtliche Neuentwicklungen:
 Vorsorgeprinzip: Verlagerung von den klassischen Instrumenten der
Gefahrenabwehr hin zu Planungsinstrumenten
 Kooperationsprinzip: Instrumente des kooperativen Umweltschutzes und der
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Selbststeuerung; influenzierende
Instrumente (Umweltabgaben; informelles Verwaltungshandeln)
Einsatz der zum Teil substituierbaren Instrumente durch den Gesetzgeber im
Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (insb. Verhältnismäßigkeit)
grundsätzlich nach politischen Gesichtspunkten (Effizienz; Akzeptanz etc.)

Systematisierung
mögliche Systematisierung der Instrumente nach Zielkonkretisierung und
Wirkungsweise gegenüber dem Adressaten:
 Staatliche Eigenvornahme: konkretes Verhaltensziel; Zielerreichung
unmittelbar durch die öffentliche Verwaltung
 Instrumente direkter Verhaltenssteuerung: konkretes Verhaltensziel;
Zielerreichung durch das Verhalten des Bürgers; unbedingter Wille zur
Zielerreichung
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 Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung: konkretes Verhaltensziel;
Zielerreichung durch das Verhalten des Bürgers; bedingter Durchsetzungswille
(Zielerreichung wird der privaten Entscheidung überlassen; Einflussnahme auf
Motivation des Bürgers
 Planungsinstrumente: nur generelles Verhaltensziel; konkret in Betracht
kommende Ziele und Maßnahmen unklar und deshalb planungsbedürftig
b)
Staatliche Eigenvornahme
Kernbereich: Sicherung der Entsorgung, z.B. für Haushaltsabfälle, für Atommüll,
(eingeschränkt) für Abwasserbeseitigung; allerdings zunehmend Privatisierung
c)
Instrumente direkter Verhaltenssteuerung
Durch Instrumente direkter Verhaltenssteuerung wird dem Adressaten ein bestimmtes
Verhalten abverlangt, das gegebenenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwangs auch
zwangsweise durchgesetzt werden kann, und dessen Nichtbeachtung ggf.
Sanktionen zur Folge hat
aa) Gesetzliche Instrumente: Gebote und Verbote
Gebote und Verbote in einer Vielzahl umweltrechtlicher Regelungen, die zu einem
bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten:

Unterlassungspflichten: Verbot bestimmter umweltgefährdender Tätigkeiten, ggf.
auch durch Festlegung von Umweltstandards (Bau- und Betriebsnormen <z.B.
StVZO>; Immissionsnormen <z.B. TA Lärm>; Produktnormen)

Leistungspflichten: Bsp.: Pflege-, Erhaltungs- und Bewirtschaftungspflichten,
§§ 1a, 28 WHG; Kennzeichnungs- und Verpackungspflichten, §§ 13 ff. ChemG;
Wiederherstellungs- und Ausgleichspflichten, § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, § 11
Satz 2 BWaldG; Pflicht zur Bestellung eines Betriebsbeauftragten, §§ 21a ff. WHG;
§§ 53 ff. BImSchG

Duldungspflichten, z.B. Betretungsrechte, § 19 Abs. 2 AtG, § 21 WHG
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bb) Administrative Instrumente
(1)
Instrumente der Eröffnungskontrolle
(a)
Formen

Anzeigepflichten
genehmigungsersetzend (etwa bei privilegierten, ausnahmsweise erlaubnisfreien
Umweltbelastungen, z.B. § 17a WHG) oder genehmigungsergänzend (etwa bei
der Änderung genehmigungspflichtiger Anlagen, § 15 BImSchG)

präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt
Bsp. Baugenehmigung; immissionsschutzrechtliche Genehmigung, §§ 4 ff.
BImSchG; abfallrechtliche Transportgenehmigung, § 49 KrW-/AbfG; gentechnische
Genehmigungen, § 16 Abs. 1 und 2 GenTG

repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt
Bsp. baurechtliche Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB; wasserrechtliche Erlaubnis (§ 7
WHG) und Bewilligung (§ 8 WHG); Rodungs- und Umwandlungsgenehmigung (§ 9
BWaldG); naturschutzrechtliche Ausnahmen und Befreiungen (§ 45 Abs. 6 bis 8
und § 67 BNatSchG)
(b)
Entscheidungsverfahren
Verfahrensgestaltung grundsätzlich entsprechend dem Gewicht der den
Verfahrensgegenstand bildenden Umweltbelastungen; umweltrechtliches
Standardverfahren ist das förmliche Genehmigungsverfahren

förmliches Genehmigungsverfahren
in den meisten Umweltgesetzen das Regel- oder sogar das ausschließliche
Genehmigungsverfahren; insbesondere dann, wenn Verwaltungsentscheidung
materiell "schwach programmiert" ist, umfangreiche und schwierige Sachverhalte zu
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ermitteln und typischerweise die Rechte und Interessen vieler berührt sind
(Stichwort: "Richtigkeitsgewähr und Grundrechtsschutz durch Verfahren")
Verfahren richtet sich in aller Regel nach den Verfahrensvorschriften der
entsprechenden Fachgesetze; Anwendung der §§ 63 ff. VfVfG setzt eine
ausdrückliche Anordnung durch Rechtsvorschrift voraus, § 63 Abs. 1 VwVfG
(deshalb keine subsidiäre, allenfalls analoge Anwendung, str.)
Verfahrensablauf: ähnelt demjenigen des Planfeststellungsverfahrens (s.u.)
Verfahrensabschluss: Genehmigungsentscheidung, § 69 VwVfG (VA)
Genehmigungswirkungen: Gestattungs-, formelle Konzentrations- und
privatrechtliche Gestaltungswirkung (wie insbesondere im
immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, §§ 10 ff. BImSchG <s.u.>)

Sonderfall: „vereinfachtes“ Genehmigungsverfahren
§ 10 Satz 1 VwVfG (vgl. § 19 BImSchG i.V.m. 4. BImSchV: vereinfachtes
Genehmigungsverfahren, wenn nach Art, Ausmaß und Dauer der von den Anlagen
schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen
und erheblichen Belästigungen mit dem Schutz der Allgemeinheit und der
Nachbarschaft vereinbar); im Übrigen nur untergeordnete Rolle

Sonderfall: Planfeststellungsverfahren <s.u.>
einerseits Vorhabenzulassungsverfahren (Verwaltungsverfahren, durch das die
Zulässigkeit eines konkreten - in der Regel, aber nicht mehr durchgängig:
öffentlichen - Vorhabens festgestellt wird)
andererseits Planungsverfahren: planerischer Gestaltungsspielraum der
Planfeststellungsbehörde (Bsp. Flughafenplanung)
(2)
(Repressive) Instrumente der Befolgungskontrolle
Mögliche Inhalte: nachträgliche Anordnungen (§ 17 BImSchG); Untersagungs-,
Stilllegungs- oder Beseitigungsanordnungen (§ 20 BImSchG)
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d)
Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung
belassen dem Bürger die Freiheit, sich zwischen verschiedenen, mehr oder weniger
umweltbeeinträchtigenden Verhaltensweisen zu entscheiden; nehmen auf die
Motivation der Betroffenen Einfluss; das unweltpolitisch erwünschte Verhalten wird etwa
durch ökonomische Anreize oder entsprechende Informationen, zum Eigeninteresse;
Instrumente indirekter Verhaltenssteuerung fördern damit zugleich das
Umweltbewusstsein
aa) Finanzielle Anreizinstrumente

Umweltabgaben
Arten:
 Steuern (Bsp. "Ökosteuer" auf Mineralöl)
 Gebühren (Bsp. Müllgebühren)
 Beiträge (z.B. für gemeindliche Kläranlage)
 Sonderabgaben (Bsp. "Wasserpfennig" für Grundwasserentnahme durch
gewerblich-industrielle Eigenföderer); zulässig bei Gruppenhomogenität,
Sachnähe der Gruppe; Gruppenverantwortung und Gruppennützigkeit
Zwecke: Umweltfinanzierungsabgaben, Umweltnutzungs- und
Entsorgungsabgaben, Umweltlenkungsabgaben, Umweltausgleichsabgaben

Subventionen
vermögenswerte Leistungen des Staates an Private für Verzicht auf
Umweltbeeinträchtigungen oder Vornahme umweltpolitisch erwünschter
Maßnahmen
 direkte Subventionen (z.B. Zuschüsse für Solaranlagen und Wärmedämmung)
 indirekte Subventionen (z.B. Steuerbefreiung für schadstoffarme Kfz)
bb) Gewährung von Benutzungsvorteilen
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Bsp. erleichterte Erteilung von Landerechten für lärmarme Flugzeuge
cc) Umweltzertifikate und Kompensationsmodelle
Bsp. Emissionshandel; austauschbare Emissionskontingente
dd) Umweltinformationen

Behördliche Warnungen und Empfehlungen
Bsp. Warnhinweise bei Glykolwein; Flüssigei-Skandal; Tschernobyl
Problem: Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerfG NJW 2002, 2621); Kompetenzen

Zugang zu Umweltinformationen (UIG)
freier Zugang für jedermann zu Umweltinformationen (RL 2003/4/EG; UIG)
ee) Umweltabsprachen
rechtsgeschäftliche oder informelle Vereinbarungen zwischen Staat und Privaten an
Stelle hoheitlicher Maßnahmen (Bsp. FCKW, Altautoentsorgung, Verpackungen)
Problem: "freiwillige" Selbstverpflichtungen sind oft gar nicht so freiwillig, weil sie in der
Regel vor dem Hintergrund massiver Regelungsandrohungen zustande kommen;
Rechtsschutzdefizite; häufig fehlende Transparenz
ff)
Zielvereinbarungen
KrW-/AbfG: Festlegung von Zielen für freiwillige Rücknahme von Abfällen nach
Anhörung der beteiligten Kreise, innerhalb angemessener Frist zu verwirklichen
gg) fakultative Kontrollen; Umweltaudit-System
freiwilliges, öffentlich kontrolliertes System zur kontinuierlichen Verbesserung des
betrieblichen Umweltschutzes (betriebliche Umweltprüfung, Umweltprogramm,
Umweltmanagement, Umweltbetriebsprüfung, periodische Umwelterklärungen)
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e)
Planungsinstrumente
aa) Begriff und Wesen der Umweltplanung
Begriff der Planung:= vorausschauendes Setzen von Zielen und
Vorwegnahme der zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen
(Maurer, Allg. VwR, 16. Aufl. 2006 § 16 Rn. 14 m.w.N.; Bsp. Bauleitplanung)
=> Transformation eines Ist-Zustands in einen Soll-Zustand unter Angabe der
zur Transformation erforderlichen Maßnahmen (Zielvorgabe - Ist-Analyse Maßnahmenwahl - Prognose);
=> in der Regel Zusammenspiel von Planungs- und Ordnungsrecht
(planungsrechtliche Vorgaben für ordnungsrechtlichen Vollzug, z.B.
Bebauungsplan als Grundlage für Genehmigung von Bauvorhaben, § 30 Abs. 1
BauGB, Art. 68 BayBO)
Wesen der Planung:

positiv-finale Ausrichtung auf bestimmte Gestaltungsziele
im Gegensatz zu konditional-negatorisch gestalteten ordnungsrechtlichen
Instrumenten (tatbestandlich programmierte Konditionalprogramme;
ausgerichtet auf Schadensfreiheit, Gesetzmäßigkeit; Wahrung der Rechte
Dritter)
Gestaltungsziele: teils rechtlich und im Übrigen politisch definiert; in der
Regel komplexe Zielsetzungen => auf Ausgleich angelegt

planerischer Gestaltungsspielraum
Gestaltungsspielraum ist Wesensmerkmal der Planung (BVerwGE 34,
301/304: Planung ohne Gestaltungsspielraum ist Widerspruch in sich; aus
jeder gesetzlich eingeräumten Planungskompetenz fließt planerischer
Gestaltungsspielraum, auch wenn er nicht ausdrücklich normiert ist)

Rechtsbindungen der Planung
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 Vorbehalt des Gesetzes (Eingriffe in Freiheit und Eigentum bedürfen
einer gesetzlichen Grundlage; in Art. 20 Abs. 3 GG nicht
ausdrücklich normiert, aber vorausgesetzt)
=> Planungsermächtigung erforderlich
o
generelle Ermächtigung zur Planung: Erforderlichkeit der Planung
(in der Bauleitplanung <"Die Gemeinden haben die Bauleitpläne
aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung
und Ordnung erforderlich ist, § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB>) bzw.
Planrechtfertigung (in der Fachplanung/Planfeststellung)
o
ggf. (z.B. wegen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) auch Ermächtigung zur
Festsetzung des konkreten Planinhalts erforderlich (z.B.
abschließender Katalog der zulässigen Festsetzungsinhalte beim
Bebauungsplan, § 9 BauGB)
 Vorrang des Gesetzes (Die "vollziehende Gewalt und die
Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden", Art. 20 Abs. 3
GG)
=> soweit gesetzliche Regelung für die Planung bestehen, sind die
Planungsträger daran gebunden (verbindliche Planungsvorgaben)
o
Verfahrensanforderungen (z.B. Öffentlichkeitsbeteiligung)
o
materielle Planungsvorgaben
(z.B. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB, § 41 BImSchG)
 Übermaßverbot/Verhältnismäßigkeit:
=> Abwägungsgebot (z.B. § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) als flexibles
Instrument zur Herstellung von Verhältnismäßigkeit

unterschiedliche Handlungsformen der Planung
Ergebnis rechtlicher Planung: Plan (keine eigene rechtliche
Handlungsform; kann grundsätzlich in allen Rechtsformen erlassen werden)
 Gesetz (z.B. LEP)
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 Verordnung (z.B. Luftreinhaltepläne, § 47 BImSchG)
 Satzung (z.B. Bebauungsplan, § 10 Abs. 1 BauGB)
 Verwaltungsakt (z.B. PFB)
 Verwaltungsvorschrift (z.B. Verkehrswegebedarfsplan)
Rechtsform des Plans in der Regel im Gesetz festgelegt; ansonsten nach den
allgemeinen Definitionsmerkmalen zu bestimmen
Wesen der Umweltplanung
zielgerichtete Umweltgestaltung (Verbesserung des Umweltschutzes;
Vermeidung oder Abmilderung von Umweltbeeinträchtigungen; Gegensteuerung
bei Fehlentwicklungen)
Wurzeln: Schutzprinzip; Vorsorgeprinzip aber zunehmend von Bedeutung
bb) Arten rechtlicher Umweltplanung (Überblick)
(1) umweltspezifische Fachplanungen (Umweltplanung i.e.S.)
Fachplanung mit umweltspezifischer Zielsetzung; Kern der Umweltplanung;
Umweltschutz ist vorrangiges Planungsziel; andere Belange sind allerdings im
Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen
Bsp. Luftreinhalteplanung, § 47 BImSchG; Lärmminderungsplanung, § 47a
BImSchG; Landschaftsplanung, §§ 13 ff. BNatSchG; wasserwirtschaftliche
Planung, §§ 36 ff. WHG; Abfallwirtschaftsplanung
(2) umweltrelevante Planung (Umweltplanung i.w.S.)
wegen ihrer zum Teil erheblichen Umweltauswirkungen rechnen auch
umweltrelevante Raumplanungen und raumbedeutsame Fachplanungen zur
Umweltplanung (i.w.S.); Umweltschutz ist hier nicht primäres Planungsziel, aber
in der Abwägung zu berücksichtigen
Raumplanung:= Oberbegriff für alle raumbedeutsamen Planungen
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
räumliche Gesamtplanung

raumbedeutsame Fachplanung
(a) räumliche Gesamtplanung (Raumordnung und Bauleitplanung)
Raumbezogenheit vieler Umweltprobleme
=> Schwerpunkt der Umweltplanung liegt in der räumlichen Gesamtplanung; ihr
obliegt es als Querschnittsaufgabe, raumbedeutsame Belange und
Raumnutzungsansprüche zu koordinieren und zum Ausgleich zu bringen

überörtliche Ebene: Raumordnungspläne
Aufgabe der Raumordnung:
Gesamtraum und Teilräume durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen
und Maßnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern, § 1 Abs. 1 ROG
wichtige Querverbindungen und Überschneidungen zwischen Umweltrecht
und überörtlicher räumlicher Gesamtplanung; wichtiges Instrument zur
Integration verschiedener Umweltbelange; wichtige Bedeutung für
umweltrelevante Standortentscheidungen
Ebenen:
 Raumplanung in der EU (§ 18 ABs. 2 ROG)
 Raumplanung auf Bundesebene (§ 18 Abs. 1 ROG)
 Raumplanung auf Landesebene (§ 8 ROG)
 Regionalplanung (§ 8 ROG)
umweltspezifische Leitvorstellungen bei der Aufgabenerfüllung (§ 1 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 und 4 ROG): Schutz und Entwicklung der natürlichen
Lebensgrundlagen; langfristige Offenhaltung der Gestaltungsmöglichkeiten
der Raumnutzung,
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 Leitlinie einer "nachhaltigen Raumentwicklung", die die sozialen und
wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen
Funktionen in Einklang bringt, § 1 Abs. 2 Satz 1 ROG
 verschiedene umweltrelevante Grundsätze der Raumordnung, vgl. insb.
§ 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 - 7 ROG

örtliche Ebene: gemeindliche Bauleitplanung
Aufgabe der Bauleitplanung, § 1 Abs. 1 BauGB: städtebauliche
Entwicklung und Ordnung
Instrumente der Bauleitplanung:
 Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan)
 Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan)
Hauptproblem: Flächeninanspruchnahme (in Bayern wurden im Jahr 2007
täglich ca. 16 ha an freier Fläche verbaut = ca. 20 Fußballfelder, im Jahr 2000
sogar ca. 29 ha)
Umweltbelange in der Bauleitplanung:
 umweltspezifische Planungsziele, § 1 Abs. 5 BauGB: nachhaltige
städtebauliche Entwicklung, die die … umweltschützenden
Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen
miteinander in Einklang bringt; menschenwürdige Umwelt zu sichern und
die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, auch in
Verantwortung für den allgemeinen Klimaschutz
 umweltspezifische Planungsleitlinien: Belange des Umweltschutzes
einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Rahmen
der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen, § 1 Abs. 6 Nr. 7
BauGB
 Bodenschutzklausel, § 1a Abs. 2 BauGB
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 naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, § 1a Abs. 3 BauGB: Verbot
vermeidbarer und Ausgleich unvermeidbarer Eingriffe in Natur und
Landschaft
 umweltspezifische Verfahrensanforderungen: z.B. Umweltprüfung,
§ 2 Abs. 4 BauGB; umweltbezogene Informationen, § 3 Abs. 2 Satz 2
BauGB
(b) raumbedeutsame (umweltrelevante) Fachplanungen
Aufgabe der Fachplanung: = Planung raumbedeutsamer Vorhaben
einschließlich der Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausführung der
Planung (abzugrenzen von Raumplanung als übergreifende Grundlagenplanung
für die Bodennutzung); keine umweltspezifische Zielsetzung, aber in der Regel
umweltbeeinträchtigende Wirkung
Gegenstände der Fachplanung, insb.

Verkehrswegeplanung (für Straßen- und Schienenfahrzeuge), §§ 16 ff.
FStrG; Art. 35 ff. BayStrWG; §§ 17 ff. AEG

Planung des Baus und Betriebs von Flughäfen, §§ 6 ff. LuftVG

Ausbau der Gewässer und Wasserstraßenplanung, § 31 Abs. 2 WHG, § 13
ff. WaStrG

Planung von Abfalldeponien, § 31 Abs. 2 Krw-/AbfG

Planung zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle, § 9a AtG

Planung von Energieleitungsanlagen; §§ 43 ff. EnWG
Bsp. Straßenplanung:

Ziel: Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4
FStrG
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
Gegenstand: nur öffentliche Straßen; unterschiedliche Qualifikationsmerkmale
je nach Verkehrsfunktion; Einteilung in Straßenklassen (Bundes-, Staats-,
Kreis- und Gemeindestraßen); Planung nach den jeweils einschlägigen
Vorschriften (FStrG; BayStrWG)
nicht Umweltrecht im engeren Sinne, aber wegen zum Teil erheblicher
Umweltrelevanz Umweltrecht im weiteren Sinne (z.B. § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG)
Instrumente der Fachplanung:
zentrales Instrument: Planfeststellung, §§ 72 ff. VwVfG; greift immer dann,
wenn durch Rechtsvorschrift vorgesehen;
daneben: Plangenehmigung, § 74 Abs. 6 VwVfG i.V.m. § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG;
Bebauungsplan, § 17b Abs. 2 FStrG; ggf. auch formlos-interne Planung

Rechtsgrundlagen
§§ 72 ff. VwVfG bzw. Art. 72 ff. BayVwVfG i.V.m. dem jeweiligen
Fachplanungsrecht
Verzahnung von allgemeinem Verwaltungsrecht und besonderem
Fachplanungsrecht; Fachplanungsrecht entscheidet u.a. darüber, wann
ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss (Faustformel:
größere raumbedeutsame Infrastrukturvorhaben, z.B. Bau oder Änderung
von Bundesfernstraßen, § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und modifiziert ggf. die
allgemeinen Vorschriften (z.B. Fristen für einzelne Verfahrensschritte, § 17a
Nr. 5 FStrG)

Verfahrensablauf und Verfahrensabschluss, § 73 VwVfG
 Einleitung durch Vorhabensträger mit Planeinreichung, Abs. 1 S. 1
 Einholung Stellungnahmen Behörden innerhalb eines Monats, Abs. 2, 3a
 öffentliche Auslegung (für die Dauer eines Monats), Abs. 2, 3, und 5
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 Einwendungsverfahren (Möglichkeit von Einwendungen innerhalb der
Einwendungsfrist <bis zwei Wochen nach Ablauf Auslegungsfrist >), Abs. 4
 Erörterungstermin (Ziel: Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen den
unterschiedlichen Interessen), Abs. 6, 7;
 Verfahrensabschluss: Planfeststellungsbeschluss (PFB), § 74 VwVfG

Rechtsnatur und Rechtswirkungen PFB
Rechtsnatur: VA, § 74 Abs. 1 i.V.m. § 69 VwVfG; Möglichkeit von
Nebenbestimmungen, § 74 Abs. 2 VwVfG (z.B. aktive oder passive
Schutzauflagen wie Lärmschutzwälle und –wände oder Lärmschutzfenster,
letztere mit Entschädigungsrechtsfolge, § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG)
Rechtswirkungen, § 75 VwVfG:
 Gestattungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG): Feststellung der
Zulässigkeit des Vorhabens hinsichtlich aller von ihm berührten
öffentlicher Belange
 (formelle) Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG):
Ersetzung anderer behördlicher Entscheidungen; materiell-rechtliche
Maßstäbe der ersetzten Verfahren (z.B. Bau- und Naturschutzrecht)
bleiben beachtlich
 Gestaltungswirkung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG): öffentlich-rechtliche
Beziehungen zwischen Vorhabenträger und Betroffenen werden
rechtsgestaltend geregelt (z.B. Begründung von Ansprüchen auf
Lärmschutzmaßnahmen)
 Ausschlusswirkung (§ 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG): alle (privat- oder
öffentlich-rechtlichen) Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung oder
Änderung sind ausgeschlossen (insb. deliktische oder nachbarrechtliche
Abwehransprüche)
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 enteignungsrechtliche Vorwirkung: Festsetzungen im
Planfeststellungsbeschluss berechtigen nach Maßgabe der einschlägigen
Enteignungsgesetze zur Enteignung (Unterschied zum Bebauungsplan!)
planerischer Gestaltungsspielraum: Planfeststellung ist im Kern
Abwägungsentscheidung; weiter planerischer Gestaltungsspielraum;
gerichtliche Überprüfung auf Rechtsfehler beschränkt
Umweltbelange in der Fachplanung:
Beispiel Straßenplanung

Planrechtfertigung: Bedarfsprognose (z.B. Verkehrswegebedarfsplan)

Bindung an das Ergebnis vorgelagerter Verfahren: z.B.
Linienbestimmung, § 16 FStrG; Raumplanung

z.B. Verkehrslärmschutz:
gestuftes System aus Abwägungsdirektiven und verbindlichen
Planungsvorgaben, §§ 41 ff. BImSchG (s.u. B.I.4. <Verkehrsbezogener
Immissionsschutz>)
 Trennungsgrundsatz (§ 50 BImSchG): Abwägungsdirektive (s.o.
C.I.2.a)
 aktiver und passiver Lärmschutz, §§ 41 f. BImSchG: zwingende
Planungsvorgaben
o
aktiver Lärmschutz, § 41 Abs. 1, § 43 BImSchG i.V.m. der 16.
BImSchV
o
passiver Lärmschutz, § 42 BImSchG
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