copyright ganzes Dokument: Architektur + Technik, HTA Luzern

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IV.1.3 ENERGON (D)
PASSIVHAUS MIT ZENTRALEM ATRIUM
Reto Miloni, Peter Hartmann, Hansruedi Preisig,
Katrin Pfäffli
Baujahr
2002
Ort
Ulm
Nutzung
Büro und Verwaltung
BGF Atrium
430 m2
Höhe Atrium
19 m
Kosten
7.3 Mio E
Bauherr
Software AG Stiftung, Darmstadt
Architekt
oehler + arch. kom, Bretten
Projektleitung
Stefan Oehler
Bauleitung
Freie Planungsgruppe 7, Stuttgart
Tragwerksplanung
Lachenmann Ingenieurbüro,
Vaihingen
Fassadenplanung
oehler + arch. kom, Bretten
Energieplanung
oehler + arch. kom, Bretten
Bauphysik
ebök Ingenieurbüro, Vaihingen
Strömungssimulation
Lichttechnikplanung
ebök Ingenieurbüro, Vaihingen
Gesellschaft für Licht- und
Bautechnik, Dortmund
Haustechnikplanung
ebök Ingenieurbüro, Vaihingen
Brandschutzplanung
Hosser, Hass & Partner, Berlin
Innenarchitektur
Ausführung Fassade
(Innenfassade)
Ausführung Fassade
(Atriumdach)
oehler + arch. kom, Bretten
Seuffert Niklaus GmbH, Bastheim
Frieß Metallbau AG, Obersulm
Sülzbach
Weitere Abbildungen II.4.2.1, II.6.1.2
copyright ganzes Dokument:
Architektur + Technik, HTA Luzern
Birkhauser Verlag
Mit dem Bürogebäude ‹Energon› in Ulm ist es
erstmals gelungen, die Atriumidee in energieeffizienter Passivbauweise an einem Bürobau zu implementieren. Architekten früherer Jahrhunderte
entwarfen offene Atrien. Atrien im Solarzeitalter
hingegen werden ‹unempfindlich› gegenüber sensorischen Reizen und energetischen Einflüssen
ihrer Umwelt. Sie schließen Umwelteinflüsse
stärker aus, als sie diese transmittieren. In einer
Wohn- und Arbeitswelt, in der sich Menschen
90 % ihrer Lebenszeit im Inneren von Gebäuden
aufhalten, wird die Auseinandersetzung mit der
Frage, wie viel Tageslicht, Luft, Schall, Wärme,
Wind oder Feuchte über ein Atrium in das Innere
eines Gebäudes und von da in benachbarte Nutz-
räume gelangt, zur architektonischen Herausforderung. Stefan Oehler, dem Architekten des ersten Passiv-Bürohauses Energon, ist es gelungen,
auf die Schlüsselfrage nach dem ‹richtigen Maß›
eines Atriums, plausible Antworten für einen
Büroneubau zu finden.
Konstruktion
Bei der Herleitung der Gebäude- und Atriumform
bzw. Dimensionierung von Energon, setzte sich
der Architekt mit Fragen des solaren Städtebaus,
der Gebäudegröße, Schnittausbildung, Form,
Kompaktheit und Sonnenausrichtung genauso intensiv auseinander, wie mit Energieströmen, dem
Schattenwurf oder Verglasungsanteil: «Solar-
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1
architektur bedeutet nicht die Maximierung von
solaren Gewinnen, sondern vielmehr intelligenten Umgang mit der Ressource Sonnenlicht».1
Das Gebäude erscheint in seiner konvexen aber
sehr kompakten Volumetrie und Grundrissform
eines Dreiecks mit nach außen gewölbten Fassaden wie eine überdimensionale Metapher des
Wankel’schen Kreiskolbenmotors. Entscheidende Vorteile derartiger Gebäudeformen sind Kompaktheit, Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz.
Im Kern dieses aufgeweiteten Dreiecks befindet
sich das mit Glas überdachte Atrium mit einer
Grundfläche von 430 m2.
Bei seiner Erstellung im Jahre 2002, galt das konsequent als Passivhaus erstellte Hauptgebäude
als größter Bau seiner Art. Mit einer Energiekennzahl für Heizung und Warmwasser unter
15 kWh/m2a, einer Luftdichtigkeit von 0.2 h-1,
einer installierten Heizleistung unter 10 W/m2
sowie mit einer großflächigen Fotovoltaikanlage
(150 kWp), brilliert es durch eine hervorragende
Verbrauchsbilanz. Neben energetisch vorbildlichen Werten werden im Energon auch Postulate
der Nachhaltigkeit berücksichtigt.2
Städtebau
Das nicht unterkellerte, fünfgeschossige Bürogebäude mit rund 7’000 m2 Nutzfläche befindet sich
am Kopf einer Gebäudezeile, entlang des Berliner
Rings im ‹Science Park II› der Stadt Ulm. Es bietet
Raum für 420 Arbeitsplätze auf vier Bürogeschossen sowie ein Erdgeschoss auf ‹Gartenebene› mit Kantine, Seminar-, Neben- und Technikräumen. Zwei Drittel der Einzel- und Gruppenbüros sind nach außen orientiert – ein Drittel
nach innen zum Atrium. In einem in das Terrain
geschobenen Nebentrakt außerhalb des Dämmperimeters befinden sich Zuluftzentrale sowie
einige Parkplätze. Auf eine Unterniveaugarage
wurde verzichtet. Parkmöglichkeiten bietet ein
separates oberirdisches Parkhaus in Gehweite.
Das zentrale Atrium übernimmt innerhalb des
symmetrisch ausgebildeten Hauptbaukörpers die
Funktion einer Piazza. Es stimuliert als ‹Marktplatz› nicht nur den Ideenaustausch zwischen
den Mitarbeitern verschiedener Unternehmen
(Dienstleistung, Softwarebranche) und Kunden
unter dem gleichen Dach, sondern es versorgt die
nach innen orientierten Büros auch mit nötigem
Tageslicht und vorgewärmter Frischluft.
Konstruktion
Fassade
Die sphärisch gekrümmten Brüstungs- und Fensterbänder mit hinterlüfteter Verkleidung aus Faserzementplatten prägen, zusammen mit auskragenden Wartungsstegen aus Stahlrosten, das
architektonische Erscheinungsbild der Außenfassaden. Der Glasanteil in der Außenhaut wurde
konsequent beschränkt, um die Wärmeverluste
möglichst klein zu halten. Bezogen auf das ganze
Gebäude beträgt der Glasanteil nur 0.17m2 Fens-
201
terfläche je m2 Nutzfläche (bei Berücksichtigung
des Atriums 0.23 m2 Glas pro m2 Nutzfläche). Die
Mischbauweise aus einer massiven Betontragkonstruktion (Stützen und Decken) kontrastiert,
bautechnisch ebenso wie ökologisch, mit der
leichten, vorfabrizierten Fassade aus einer hoch
gedämmten, vorgehängten Holzkonstruktion (UWert: 0.11 W/m2K bei einem Fenster-U-Wert von
0.84 W/m2K). Gegenüber Metallfassaden wurde
mit dieser Bauweise eine optimale Wärmebrückenfreiheitzuvernünftigen Kosten, mit teilweise
erneuerbaren Baumaterialien erreicht.
Die Geometrie dieser 3D-Fassade ist anspruchsvoll: Die geschosshohen, mit Mineralwolle gedämmten Fassadenelemente haben durch die
Krümmung, bei gleicher Teilung, am Umfang unterschiedliche Längen. Sie wurden darum geschossweise als Polygonzüge aus orthogonalen
Bauteilen an das Eisenbetonskelett angehängt,
die Schuppenstöße geschossweise abgedichtet
und dabei die Sonnenstores am Geschossübergang kaschiert. Vor den Fenstern hängen Jalousien, die im Oberteil Tageslicht zur Decke umlenken. Die geraden Innenfassaden sind ungedämmt
(U-Wert: 5.0 W/m2K), da das Atrium innerhalb des
Dämmperimeters liegt. Als Konsequenz können in
jedem Büro die Fenster zum Atrium geöffnet werden, was nicht nur wegen des Lüftens praktisch
ist, sondern auch psychologisch geschickt. Die
Blendschutzrollos lassen sich individuell bedienen.
Dach
Das eigentliche Atriumdach wurde als Pultdach
ausgebildet. Dabei kamen Pfosten-Riegelsysteme
mit zweifach verglasten Wärmeschutzgläsern
zum Einsatz. Als Sonnenschutz wurden, wartungstechnisch etwas riskante, spektral selektive Folienrollos im Isolierglasverbund gewählt.
Sie setzen den Lichttransmissionsgrad der Dachverglasung von 0.71 bei Sonnenschein auf etwa
0.13, den g-Wert von 0.50 auf etwa 0.17 herab und
verbessern den U-Wert bei geschlossenen Folienrollos auf 1.80 W/m2K. Trotz dieser eher mäßigen
Wärmeschutzwirkung der Überkopfverglasung,
wurde mit der vorhandenen inneren Wärme (Personen, Geräte, Passivsolargewinne), der kompak-
ten Volumetrie und einer ziemlich aufwändigen
Dachdämmung (50 cm) der Passivhausstandard
erreicht.
Nachhaltigkeit
Umsetzung im Bereich Gesellschaft
Das Atrium bildet das eigentliche Herzstück des
Geschäftshauses Energon. Entstanden ist ein
großzügig gestalteter, heller und behaglicher
Raum mit guten akustischen Eigenschaften. Über
das verglaste Dach und über offene Treffpunkte
in der umlaufenden Büroschicht wird ein direkter
Bezug nach außen hergestellt, der es erlaubt, den
Himmel zu sehen und das Wetter zu spüren.
Im Atrium erfolgt die interne Erschließung durch
202
die Liftanlagen, eine Wendeltreppe und horizontale Verbindungsstege. Durch dieses Konzept
werden die Nutzer immer wieder in das Atrium geführt, das dadurch zu einem zentralen Treffpunkt
wird und das ganze Gebäude räumlich erfahrbar
macht. Es entsteht ein Gefühl von Übersichtlichkeit, Transparenz und Sicherheit. Spezielle brandschutztechnische Maßnahmen ermöglichten diese offene Erschließung: eine minimale Brandlast
der eingebauten Materialien in Verbindung mit
bürointernen Fluchtwegen zu den Treppenhäusern. Gesonderte Abschottungen gegenüber dem
Atrium durch Schleusen und feuersichere Trennwände konnten dadurch vermieden werden.
In der Vermietungsphase zeigte sich, dass die zum
Atrium hin orientierten Büroräume bevorzugt gewählt wurden. Offensichtlich wird der Bezug zum
zentralen Lichthof als etwas Spezielles erlebt und
die übersichtliche Konzentration auf die Mitte, als
räumliche Qualität des Atriumbaus geschätzt.
Durch spezifische Maßnahmen ist es gelungen,
ein gutes sommerliches und winterliches Raumklima zu schaffen. Die Raumlufttemperaturen
variieren über das ganze Jahr betrachtet zwischen18 und 26 °C. Um eine Überhitzung im Sommer zu vermeiden, wird die mechanische Belüftung durch eine natürliche Belüftung zur Nachtauskühlung im Sommer sowie durch einen in der
Dachverglasung integrierten Sonnenschutz unterstützt. Beim Sonnenschutz handelt es sich um
eine semitransparente Folie, mit ausgewogenen
Eigenschaften zwischen Lichtdurchlässigkeit und
Wärmereflexion, die durch Elektromotoren ausund eingefahren werden kann. Bis anhin sind
keine Störungen dieser Konstruktion (z.B. durch
Überhitzung der Motoren) aufgetreten, es liegen
allerdings noch keine Langzeiterfahrungen vor.
Der g-Wert (Gesamtenergiedurchlassgrad) der gesamten Verglasung, inklusive Folie, beträgt 0.17.
Für einen zusätzlichen Wärmeschutz, des direkt
unter dem Glasdach liegenden Geschosses,
sorgt eine wärmereflektierende Verglasung der
Bürofenster.Während der überdurchschnittlichen
Temperaturen des Sommers im Jahr 2003 sind im
Atrium keine übermäßigen Temperaturen aufgetreten – das System scheint zu funktionieren.
Aus raumakustischer Sicht wurde eine angenehme Mischung zwischen ‹Dämpfung› und ‹Halligkeit› erreicht. Eine minimale Schallreflexion wird
durch eine schallabsorbierende Ausbildung der
umlaufenden Brüstungen aus gelochten Gipskartonplatten erbracht, welche mit Mineralwolle hinterlegt sind.
Umsetzung im Bereich Wirtschaft
Durch die zentrale Lage des Atriums und die rundum angeordneten Büroräumlichkeiten entsteht
ein sehr kompakter Baukörper, mit einem Verhältnis Oberfläche zu Volumen von 0.22 m-1. Dies ist
ein äußerst tiefer Wert, der sich sowohl hinsichtlich der Erstellungs- und Betriebskosten, wie auch
der Ressourcenschonung sehr positiv auswirkt.
Eine vorteilhafte Auswirkung hat auch der Verzicht auf eine eigentliche Unterniveaugarage.
Das Grundrisskonzept hat es ermöglicht, ein Drittel der Büroräumlichkeiten gegen das Atrium hin
zu orientieren. Dies bedeutet, dass ein Drittel der
Fassadenabwicklung lediglich eine Trennfunktion
zu erfüllen hat – Wärmedämm- und Schutzfunktionen entfallen. Auch dies wirkt sich maßgeblich
auf die Erstellungskosten aus. Die Einsparungen
sind wesentlich größer als die Mehraufwendungen für den Bau des Atriums, selbst wenn die
kostenintensive Atriumüberdeckung eingerechnet wird. So bestehen die Innenwände zum Atrium lediglich aus einfachen, vorfabrizierten und
nicht wärmegedämmten Holzelementen mit einfach verglasten Fenstern (6 mm dicke Glasscheibe), die nur eine minimale Schallschutzfunktion
zu übernehmen haben.
Große Beachtung wurde den Instandhaltungsund Instandsetzungsarbeiten des Atriums geschenkt. Eine fahrbare Hebebühne ermöglicht
diese Arbeiten von der Innenseite her. Die Hebebühne gehört zum Gebäude; ihr Standplatz im
‹Gartengeschoss›, unmittelbar neben dem Atrium,
ist bereits in einer frühen Phase eingeplant worden. Das Glasdach kann für Kontrollzwecke und
Unterhaltsarbeiten durch Spezialisten begangen
werden. Spezielle, aufwändige Gerüste sind nicht
erforderlich. Eine eventuelle Auswechslung der
Gläser erfolgt über die Hebebühne von innen her.
All diese, bereits während der Planung getroffenen Vorkehrungen für Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten, lassen niedrige Lebenszykluskosten erwarten.
Umsetzung im Bereich Umwelt
Die hohe Kompaktheit wirkt sich, wie bereits erwähnt, nicht nur finanziell, sondern auch hinsichtlich der Ressourcenschonung sehr positiv
aus. Es wird weniger Material verbraucht, was
einen geringeren Bedarf an Herstellungsenergie
(‹Grauenergie›) zur Folge hat. Diese ist nicht
gesondert berechnet worden, doch wurde darauf
geachtet, Materialien mit einem geringen Grauenergiewert zu verwenden. Aus Untersuchungen
ist bekannt, dass sich die Herstellungsenergie
durch eine hohe Kompaktheit, den weitgehenden
Verzicht von Unterniveaugeschossen und durch
die Vermeidung von großflächigen Stahl-Glaskonstruktionen bei den Fassaden wesentlich reduzieren lässt3. Diese drei Faktoren sind beim
Objekt Energon berücksichtigt worden. Damit
dürfte der hohe Ressourcenaufwand der Dachverglasung über dem Atrium mehr als kompensiert worden sein.
Der Heizwärmebedarf beträgt 15 kWh/m2a (EBF).
Dies ist ein sehr niedriger, dem Passivhausstandard entsprechender Wert. Er wird dank der hohen
Kompaktheit, Wärmedämmstoffschichten zwischen 30 und 40 cm, gut dämmenden Fenstern
und durch eine Wärmerückgewinnung der mechanischen Lüftung erreicht. Mittels Erd- und Fernwärme wird der Heizwärmebedarf gedeckt. Die
Wärmeverteilung erfolgt über die Lüftung und
durch temperiertes Wasser, das in einem in den
Betondecken eingelegten Rohrsystem geführt
wird, auch TABS genannt (Thermoaktives Bau-
teilsystem). Dieses Haustechnikkonzept erfüllt
die Forderung nach möglichst wenig nicht erneuerbaren Energien und nach einer hohen Behaglichkeit im Rauminnern. Allerdings wird dabei der
wichtigen Forderung nach konsequenter Trennung
von Systemen mit unterschiedlicher Lebensdauer
nicht Rechnung getragen. Durch das Einbetonieren des Rohrsystems in den Decken entsteht eine
schlecht kontrollierbare Situation, d.h. treten im
schlimmsten Fall Undichtigkeiten in der Leitungsführung auf, muss das System partiell stillgelegt
und ein neues System eingebaut werden.
Das kompakt gebaute Gebäude Energon lässt einen großen Teil der Parzellenfläche frei für eine
naturnahe Grünraumgestaltung mit vielfältigen
Biotopen für Pflanzen und Tiere. Ein Teich ist das
Kernstück der Gartenanlage. In diesem wird das
gesamte Regenwasser des Flachdaches und des
Glasdaches über dem Atrium gesammelt, von dort
einer Retensionsschicht zugeleitet oder für die
Gartenbewässerung genutzt. Dadurch kann anfallendes Regenwasser auf dem Grundstück versickern und die öffentlichen Abwasseranlagen
werden entlastet. Damit ist ein weiteres wichtiges
Postulat im Umweltbereich der Nachhaltigkeit erfüllt.
Energie
Das Atrium in seiner zentralen Lage im Gesamtgebäude, vor allem aber auch die intensive Kopplung der Atriumlüftung mit der Lüftung des Restgebäudes (Atrium als Zuluftverteiler), lassen ein
isoliertes energetisches Betrachten des Atriums
nicht zu. Es kann hier nur nochmals betont werden, welch wichtige Funktion das Atrium in diesem Zusammenhang besitzt, indem es eine im
Vergleich zu seinem Nutzvolumen sehr kleine
Außenfläche beisteuert und trotzdem eine große
zweite, innere Belichtungsebene für die Büros
öffnet.
Für das erklärte Ziel des Bauherrn (Wettbewerbsbedingung), ein Gebäude mit einem sehr geringen Energiekonsum zu erstellen (möglichst erneuerbare Energie), ergeben sich folgende zentrale Herausforderungen:
– Weitgehende Senkung der Verluste im Winter
– Vermeidung zu hoher Innenlasten und damit
eine Senkung von Kühllast im Sommer
– Nutzung von Wärmerückgewinnungsmöglichkeiten
–
–
Effiziente Haustechnikanlage
Einsatz von erneuerbarer Energie in
möglichst hohem Maß
Die Planer haben bei diesen Ansätzen alle fachlichen Register gezogen, was die nachfolgenden
Kennwerte bezeugen. Die entsprechende interdisziplinäre Planung erfolgte mittels der hilfreichen Unterstützung eines Büros für Bauphysik / Energiefragen / Haustechnikplanung.
Hinsichtlich der winterlichen Verlustsenkung ist
auf die extrem kompakte Gebäudeform hinzuweisen. Der mittlere U-Wert der Gebäudehülle von
0.37 W/m2K ist sehr günstig. Bei solch niedrigen
U-Werten ist den Wärmebrücken besondere Beachtung zu schenken, was mit entsprechender
Sorgfalt geschah. Nicht zu vernachlässigen war
z.B. die Wärmebrückenwirkung der Träger für die
außen liegenden Wartungsstege. Aber auch die
Veränderung (Verschlechterung) des U-Wertes der
Verglasung bei den beinahe horizontalen Dachfenstern im Vergleich zu vertikalen Fenstern wurde einbezogen.
Ein standardisiertes Vorgehen bei Passivhäusern
ist, dass bei der Ausführung nicht nur die Transmissionsverluste zu beachten sind, sondern mit
der Überprüfung der Luftdurchlässigkeit der Gebäudehülle auch die Lüftungsverluste. Das Gebäude Energon hat diese Kontrolle mit guten
Messwerten (nL50 0.2 h-1) bestanden.
Eine konsequente Durchbildung des sommerlichen Sonnenschutzes, zusammen mit einer relativ aufwändigen GA-System-Betriebsführung
des gesamten Gebäudes, vermag die entsprechenden Lasten zu minimieren. Erstaunlich sind
hier der günstige Lichttransmissionsgrad (0.71)
der Dachverglasung in Situationen ohne Sonnenschutz und der gewünschte, sehr tiefe Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) von 0.17 bei einer
sommerlichen Schutzsituation.
Die Bedarfsdeckung bezüglich Wärme, Kälte und
Energie für Warmwasser und Elektrizität erfolgt
mit einigem Zusatzaufwand und in größerem Ausmaß durch erneuerbare Energien, aber auch durch
Wärmerückgewinnung und die Nutzung interner
Abwärme.
Haustechnik Heizung / Kühlung
Die Büroräume verfügen über Decken mit temperaturaktiven Bauteilsystem (TABS), d.h., es sind
203
Atrium
204
Büro innen
4.5 m
Flur
1.6 m
Büro aussen
5.4 m
direkte / indirekte Beleuchtung
500 Lux
13.8 W/m 2
direkte / indirekte Beleuchtung
150 Lux
10.1 W/m 2
500 Lux
14.4 W/m2
3.24 m
Kreislaufverbundsystem
Abluft
Außenluft
Erdsonden
Kunststoffrohre in den Decken eingelegt, welche
im Winter ein Heizmedium (mit relativ geringer
Übertemperatur) und im Sommer ein Medium mit
Untertemperatur führen. Wegen der intensiven
Nutzung des Atriumgrundgeschosses für die
Kontaktpflege der Bewohner, musste auch dessen Boden mit einer Fußbodenheizung belegt
werden. Wärme wird im Bedarfsfall von der
Sonne gewonnen (passive Sonnenenergienutzung
durch Fenster und Atriumdach), aber durch intensive Nachtlüftung im Sommer wird das Atrium
auch ‹unterkühlt›. Wie angedeutet, wird die Versorgung durch geeignetes Benutzerverhalten,
aber auch durch bedarfsgerechte Steuerung, auf
das Notwendige minimiert.
–
–
–
–
Erdkanal
Erdreich zwischen den Sonden als
Wärmespeicher
Weitgehende Nutzung der verfügbaren
Abwärme der EDV-Anlagen und ihrer
Kältemaschine
Nutzung der Abluft zur Luftvorwärmung
Produktion erneuerbarer elektrischer
Energie mit einer Fotovoltaikanlage auf
dem Gebäudedach (15 kWp) Spitzenleistung und auf dem nebenstehenden
Parkgebäude (135 kWp).
Literatur / Quellen
1
2
3
Oehler, St.: Passivbürogebäude Energon Ulm
7. internationale Passivhaustagung, Hamburg 02/2003,
Passivhausinstitut Darmstadt,
www.passivhaustagung.de, 793 Seiten
Passivhaus Energon, SolarBau – Monitor, Projekt Nr. 17
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg,
www.solarbau.de
Kasser, U., Preisig, H. – SNARC, Systematik zur Beurteilung
der Nachhaltigkeit von Architekturprojekten für den Bereich
Umwelt
Vorentwurf zur SIA-Dokumentation,
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Zürich,
www.nachhaltiges-bauen.ch/forschung/snarc.html
Als konventionelle Wärme-Grundversorgung steht
Energie aus einem Fernwärmenetz zur Verfügung.
Fazit
Erneuerbare Energiequellen
Die Energieversorgung zapft eine Vielzahl von erneuerbaren Quellen an, wie sie mit ihrer Funktion
nachstehend aufgeführt sind (Vergleich entsprechendes Schema im Abschnitt Haustechnik des
Teils II):
– Winterliche Erwärmung und sommerliche
Kühlung der notwendigen Außenluft über
ein Erdregister
– Zusätzliche Erwärmung der Außenluft
mittels eines Wärmetauschers auch von
Seiten der Erdsonden möglich
– Erdsonden als Hauptwärme- resp. Hauptkältequelle der temperaturaktivierten
Decken
Die Gesamtqualität eines Atriums kann nicht an
seinem Beitrag zum Energiehaushalt des Gebäudes gemessen werden. Dennoch zeigt dieses Gebäude, wie mit einer nutzergerechten und interdisziplinären Planung / Bauausführung sowie
einer zweijährigen Mess- und Optimierungsphase
ein nachhaltiges Gebäude mit hoher Arbeitsplatzqualität geschaffen werden kann. Es ist zu hoffen,
dass das zukunftsweisende Gebäude über einen
längeren Zeitraum messtechnisch erfasst wird,
damit die im Rahmen einer Erfolgskontrolle ermittelten Werte (inkl. Benutzerbefragung) weitere Impulse für künftige Entwicklungen im Bereich
Energieeffizienz in Gebäuden auslösen können.
copyright ganzes Dokument:
Architektur + Technik, HTA Luzern
Birkhauser Verlag
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