Theoretische Physik 5 — Statistische Physik

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Sommersemester 2016,
Stand: 12. Juli 2016
Theoretische Physik 5
— Statistische Physik —
Kurz-Zusammenfassungen der zentralen Begriffe und Resultate
Thorsten Feldmann
Theoretische Physik 1, Department Physik, Naturwiss.-techn. Fakultät, Univ. Siegen (Germany)
1. Vorlesung (Fr 15.4.2016)
Abschnitt 1.1: Motivation
• Beschreibung von Vielteilchensystemen durch makroskopische Zustandsgrößen,
welche statistische Mittelwerte der mikroskopischen Eigenschaften repräsentieren.
• Phänomenologische Thermodynamik: empirische Bestimmung der Gesetzmäßigkeiten zwischen makroskopischen Größen.
• Statistische Physik: Herleitung aus Wahrscheinlichkeitsanalyse der mikroskopischen Theorie.
• Beispiel: (thermische) Zustandsgleichung für ideales Gas (d.h. hinreichend verdünnt)
pV = N kB T ,
(1)
(mit p =Druck, N =Teilchenzahl, V =Volumen), definiert Boltzmann-Konstante
kB ' 1.381 · 10−23 J/K
zur Umrechnung der (absoluten) Temperaturskala in K (=Kelvin) relativ zur Energieskala (in Joule). Ein Ziel der statistischen Physik wird gerade sein, den Temperaturbegriff mikroskopisch zu begrnden.
Konkretes Beispiel:
Gesetz von Boyle-Mariotte. Im Rahmen der Newtonschen Mechanik betrachten wir einen Stempel der Fläche A, welcher mit einem Gewicht der Masse M senkrecht auf ein Gasvolumen V mit Teilchenzahl N wirkt. Für die Kraft auf den Stempel gilt offensichtlich einerseits
F = Mg .
Andererseits bewegen sich die Gasatome mit Geschwindigkeiten ~v = (vx , vy , vz ), so dass ein Druck
p = F/A
erzeugt wird, der gerade die Stempelkraft kompensiert.
Wie berechnet sich p (makroskopisch festgelegt durch M und A) aus mittlerer Geschwindigkeit
der Atome (|~v |, festgelegt durch mikroskopische Dynamik)? - Dazu berechnen wir Impulsübertrag der
Teilchen bei (elastischer) Reflektion an der Stempelwand,
|∆~
p| = 2m |vz |
Um die Zahl der Teilchen zu berechnen, welche pro Zeitintervall ∆t auf den Stempel treffen, betrachten
wir ein kleines Volumen unterhalb des Stempels:
∆V = A ∆z = A |vz | ∆t
1
Im Mittel bewegen sich 50% der Teilchen in Richtung des Stempels (d.h. vz > 0), so dass
∆nTreffer =
1 Ntot
1
∆V = ρ A |vz | ∆t
2 V
2
Daraus ergibt sich die Kraft der Teilchen auf den Stempel
F = ∆nTreffer
|∆~
p|
1
= ρ A |vz | 2m|vz | = ρA mvz2
∆t
2
Aus Symmetriegründen gilt (im thermodynamischen Gleichgewicht) weiterhin
hvx2 i = hvy2 i = hvz2 i =
2
1 2
h~v i =
hEkin i
3
3m
und somit
N 2
hEkin i ,
V 3
welcher einen einfachen Zusammenhang zwischen den Größen Druck, Teilchenzahl/Volumen und mittlerer
p=
kinetischer Energie der Atome (statist. definiert) herstellt.
Anmerkungen:
• Namen berühmter Physiker, die mit der empirischen Erforschung der Thermodynamik verbunden
sind: Clausius, Kelvin, Gibbs, . . .
• Wichtige Einsichten bei der statistischen Herleitung lieferten: Boltzmann, Planck, Einstein, . . .
• Die Bedeutung der statischen Physik reicht weit über die traditionellen thermodynamischen Anwendungen hinaus. Aktuelle Forschungsgebiete reichen von der Erforschung der Eigenschaften
des Quark-Gluon-Plasmas in der Teilchenphysik bis zur Kosmologie.
• Zusammen mit der speziellen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik bildet die Statistische
Physik damit einen der Grundpfeiler der modernen Physik.
Abschnitt 1.2: Wahrscheinlichkeitstheorie
• Begriffe der Wahrscheinlichkeitstheorie:1
Ereignis: i
Häufigkeit: Ni mit
P
i
Ni = N
relative Häufigkeit: hi = Ni /N mit
P
i
hi = 1
Wahrscheinlichkeit: pi = limN →∞ hi
• Bestimmung der relativen Häufigkeit aus
– Zeitmittel (1 System zu mehreren Zeitpunkten)
– Ensemble-Mittel (mehrere gleichartige Systeme)
1
Man mache sich die Begriffe zum Beispiel für einen idealen Würfel mit pi = 1/6 klar.
2
• Addition von Wahrscheinlichkeiten:
p(i
oder j)
Ni + Nj
N →∞
N
= pi + pj = lim
(i und j schließen sich aus)
• Multiplikation von Wahrscheinlichkeiten:
p(i
und j)
= pi · pj =
Ni · Mj
N,M →∞ N M
lim
(i und j sind unabhängig)
• Mittelwert:
hf (x)i =
X
pi f (xi )
(2)
i
wobei die Systemgröße x für Ereignis i den Wert xi annehme.2
• Schwankung:
∆x =
p
h(x − x̄)2 i =
p
hx2 i − hxi2
(3)
Kontinuierliche Ereignisvariable:
Genauer: Ereignisvariable X mit kontinuierlichen Werten x.
• Verallgemeinerung
Wahrscheinlichkeit: pi
P
Mittelwert: hxi = pi xi
−→
−→
Wahrscheinlichkeitsdichte: p(x) dx
R
hxi = x p(x) dx
etc.
(4)
Spezialfall diskreter Verteilungen aus p(x) =
P
i
pi δ(x − xi ).
• Charakteristische Funktion aus Fourier-Transformierter:
Z
∞
X
(−ik)n n
−ikx
−ikx
χ(k) ≡ dx e
p(x) = he
i=
hx i
n!
n=0
= 1 − ikhxi −
k2 2
hx i + . . .
2
(5)
µn ≡ hxn i bezeichnet man auch als Momente von p(x).
2
Mathematisch sollten wir zwischen dem theoretischen Mittelwert und dem empirischen Erwartungswert (definiert über die Häufigkeiten hi ) unterscheiden. In der statistischen Physik ist der Unterschied
zwischen den beiden Ausdrücken wegen N ≫ 1 i.A. irrelevant.
3
• Wahrscheinlichkeitsverteilung für Funktionen f (x) (→ Übung)
aus ω(f ) df ≡ p(x) dx folgt
Z
ω(f0 ) = hδ (f (x) − f0 )i = dx p(x) δ (f (x) − f0 )
(6)
• Verallgemeinerung auf N-dimensionale Ereignisvariablen ~x = (x1 , . . . , xN )T
Z
N
p(~x) d x
mit
hf (~x)i = dN x p(~x) f (~x)
etc.
(7)
• Korrelation von zwei Zufallsvariablen xi und xj aus ~x:
Kij ≡ h(xi − hxi i) (xj − hxj i)i
(8)
mit Einzelwahrscheinlichkeiten
Z
ωi (xi ) =
dN x0 δ(xi − x0i ) p(~x)
(9)
Für statistisch unabhängige Ergeignisvariablen faktorisiert die Wahrscheinlichkeitsdichte,
p(~x)
unkorreliert
=
ω1 (x) · · · ωN (x)
(10)
und Kij = hxi − hxi ii · hxj − hxj ii = 0.
Beispiele für spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilungen:
• Binomialverteilung:
(z.B. für Random-Walk mit p und q = 1 − p, m Schritte nach links, N − m Schritte
nach rechts)
N m N −m
N
N!
pN (m) =
p q
mit Binomial-Koeff.
=
(11)
m
m
m!(N − m)!
Normierung:
N
X
pN (m) = (p + q)N = 1
(12)
m=0
• Normalverteilung: (Gauß–Funktion)
Ergibt sich aus Entwicklung des Logarithmus einer Funktion W (N ) mit exponentieller Abhängigkeit von z.B. einer großen Teilchenzahl N um den wahrscheinlichsten
Wert N ,
ln W (N ) = ln W (N ) +
d(ln W )
1 d2 (ln W )
(N ) (N − N ) +
(N ) (N − N )2 + . . .
dN
2 dN 2
(13)
4
Ergibt (nach Normierung) Gauß–Funktion,
1
(N − N )2
W (N ) ' √
exp −
2(∆N )2
2π ∆N
mit
W 0 (N̄ ) ≡ 0
(14)
1
d2 (ln W )
≡
−
(N )
(∆N )2
dN 2
und
mit Mittelwert N und Schwankung ∆N .
• Poisson-Verteilung:
Folgt aus Binomialverteilung für
p1
und
N m
als (→ Übung)
P (λ, m) =
λm
exp(−λ) ,
m!
5
mit λ ≡ N · p
(15)
2. Vorlesung (Fr 22.4.2016)
Zentraler Grenzwertsatz
• Aussage:
– x1 , . . . , xN seien unabhängige Ergeignisvariablen mit gleicher Wahrscheinlichkeitsverteilung,
ωi (xi ) ≡ ω(xi ) .
– Dann nähert sich die Wahrscheinlichkeitsdichte p(y) für die zusammengesetzte
Variable
y = x1 + x2 + · · · xN
für große N beliebig gut einer Normalverteilung an, mit
hyi = N hxi = N hxi i
∆y ≡
und
p
√
hy 2 i − hyi2 = N ∆x
(16)
– Insbesondere skaliert die relative Schwankung
1 ∆x
1
∆y
=√
∼√
hyi
N hxi
N
(17)
und verschwindet im Grenzfall N → ∞ (sofern ∆x beschränkt und hxi =
6 0).
• Beweis: Betrachte die verwandte Ereignisvariable
PN
(xn − hxi)
1
z = √ (Y − N hxi) = n=1 √
= z(x1 , . . . , xN )
N
N
Aus (5) und (6) erhält man die dazugehörige Wahrscheinlichkeitsverteilung, indem man zeigt, dass die entsprechende charakteristische Funktion faktorisiert (vgl.
Übung), d.h.
Z
ωz (z0 ) = dN x (ω(x1 ) · · · ω(xN )) δ(z(x) − z0 )
⇒ χz (k) =
N D
Y
√
e−ik (xn −hxi)/
N
E
= eik
√
N hxi
√ N
χx (q = k/ N )
,
(18)
n=1
wobei χx (q) die charakteristische Funktion der einzelnen Zufallsvariablen x ist.
Nach Rücktransformation findet man also
Z
√ N
dk ikz0 +ik√N hxi ωz (z0 ) =
e
χx (k/ N )
.
(19)
2π
6
√
• Um die charakteristische Funktion χx (q) für kleine Argument q = k/ N zu entwickeln, müssen wir beachten, dass diese zur N -ten Potenz eingeht. Deshalb betrachten wir sinnvollerweise die Entwicklung des Logarithmus (d.h. wir entwickeln
den Exponenten), was auf die sog. Kumulantenentwicklung führt,3
"∞
#
X (−iq)r
q2
χx (q) ≡ exp
(20)
Cr = 1 − iqC1 − (C2 + C12 ) + . . . ,
r!
2
r=1
wobei die Koeffizienten Cn (Kumulanten) aus Vergleich mit der Entwicklung nach
Momenten µn (s.o.) erfolgt, insbesondere
C2 = µ2 − µ21 = (∆x)2 .
C1 = µ1 = hxi ,
√
• Für den Ausdruck (χx (k/ N ))N bedeutet das, dass wir Terme der Ordnung k 3 /N 3/2
in der Entwicklung des Exponenten vernachlässigen können. Damit erhält man
Z
Z
dk ikz0 +ik√N hxi+N (−iqC1 − q2 C2 )
dk ikz0 − k2 (∆x)2
N →∞
2
2
ωz (z0 ) −→
e
=
e
(21)
2π
2π
und danach nach Ausführen des Gauß-Integrals
z02
ωz (z0 ) −→ (2π(∆x) )
exp −
2(∆x)2
(y − N hxi)2
dz
N →∞
2 −1/2
ωz (z(y)) −→ (2πN (∆x) )
exp −
(22)
bzw. ωy (y) =
dy
2N (∆x)2
N →∞
2 −1/2
was der Aussage des zentralen Grenzwertsatzes entspricht. #
Für die Anwendung in der Statistischen Physik bedeutet dies, dass wir im sog.
Thermodynamischen Limes:
N → ∞,
V → ∞,
N
= ρ = const.
V
(23)
die relativen Schwankungen von (makroskopischen) thermodynamischen Zustandsgrössen
vernachlässigen und Zustandsgrößen Y mit ihrem Erwartungswert hY i identifizieren
können.
Abschnitt 1.3: Grundlagen der klassischen statistischen Physik
• Wir betrachten N Atome mit (kanonischen) Orts- und Impulskoordinaten (~qi , p~i ).
Diese bilden den 6N –dimensionalen Phasenraum (im Folgenden auch “Γ-Raum”
genannt)
3
Man beachte, dass der Term mit r = 0 fehlt, da trivialerweise χx (0) ≡ 1 gelten muss.
7
• Die mikroskopische Dynamik sei durch eine Hamiltonfunktion H(q, p) beschrieben4
(ohne zeitabhängige äußere Kräfte),
∂H
~q˙ i =
,
∂ ~p˙ i
∂H
~p˙ i = −
,
∂ ~q˙ i
∂H
= 0,
∂t
(24)
so dass E = H(q, p) eine Konstante der Bewegung ist.
– Jedem Zustand des N -Teilchensystems entspricht somit ein Punkt im Γ-Raum
(zu einem bestimmten Zeitpunkt t).
– Die zeitliche Entwicklung von (q, p) erfolgt gemäß Hamiltonscher Dynamik,
so dass sich eine Trajektorie (q(t), p(t)) ergibt, welche eindeutig durch Anfangsbedingungen (q0 , p0 ) bestimmt ist.
– Für abgeschlossene Systeme mit Energieerhaltung, E = H(q, p) = const.,
verlaufen die Trajektorien auf einer (6N − 1)-dimensionalen Hyperfläche mit
E =const.
– Aufgrund der ständigen interatomaren Kollisionen ist die Bewegung extrem
sensitiv auf die Anfangsbedingungen und verläuft in der Regel “chaotisch“
(nicht-periodisch). [Verlauf entspricht einem “Random-Walk” unter Vermeidung der bereits durchlaufenen Punkte].
– Im Laufe der Zeit erreicht die Trajektorie jeden Bereich der Energiehyperfläche
und ist damit repräsentativ für das N -Teilchensystem.
• alternative Beschreibung: “Wolke“ von N Punkten für jedes einzelne Atom im 6-dim. “µ–Raum”
– Unterteilung des µ–Raums in einzelne Phasenraumzellen
∆τ = ∆qx ∆qy ∆qz ∆px ∆py ∆pz
(25)
welche mehr oder weniger häufig belegt sind.
– Mit der Zeit bewegt sich die “N -Punkte-Wolke”, so dass einzelne Phasenraumzellen mehr
oder weniger häufig belegt sind.
• Physikalische (makroskopische) Observable O(q, p) ergeben sich als zeitlicher Mittelwert über Phasenraumtrajektorie:
Z T
1
hOi = lim
dt O(q(t), p(t)) .
(26)
T →∞ T
0
4
Hier steht (q, p) als Kurzschreibweise für (q1 , . . . , qN ; p1 , . . . , pN ), und Gradienten nach den Orten
und Impulsen der einzelnen Teilchen sind der Einfachheit halber als d/d~qi etc. notiert.
8
Große Zeiten T beziehen sich hier relativ zu den typischen Zeitintervallen zwischen
2 interatomaren Kollisionen, die sich für typische Gase zu τ ∼ 10−9 Sekunden
abschätzen lassen.5
• (Quasi-) Ergodenhypothese: Für große Zeiten T ∆τ kommt die Trajektorie
im Γ-Raum (für ein abgeschlossenes System) jedem “zugänglichen Punkt auf der
Energiehyperfläche beliebig nahe.
• zugängliche Punkte sind dabei durch äußere Parameter oder weitere Erhaltungsgrößen x = {x1 , x2 , ...} eingeschränkt (z.B. Volumen V durch unendlich hohes Kastenpotential, oder Teilchenzahl N , . . . ). Diese erscheinen implizit in der HamiltonFunktion:
H = H(q, p; x) ≡ E
• In der statistische Physik identifizieren wir nun das oben definierte Zeitmittel mit
dem sog. ”Ensemble-Mittel“, d.h. (gedachte) gleichartige Kopien des Systems
mit Wahrscheinlichkeitsverteilung im Γ-Raum, ρ(q, p, t),
R
dq dp O(q, p) ρ(q, p, t)
R
hOiEnsemble =
.
(27)
dq dp ρ(q, p, t)
(Für ggf. unnormierte W-Verteilungen wurde der Mittelwert hier entsprechend
normiert.) Jedes einzelne System im Ensemble ist dabei durch unterschiedliche
Anfangsbedingungen (q0 , p0 ) charakterisiert.
• Erfahrungssatz: Als thermisches Gleichgewicht bezeichnen wir den Makrozustand, der sich einstellt, wenn wir das System über einen großen Zeitraum sich
selbst überlassen. Dann wird hOi und somit auch ρ zeitunabhängig,
t groß
ρ(q, p, t) −→ ρ(q, p)
• Die theoretische Formulierung führt dann auf das Liouville-Theorem:
– Wir betrachten dazu Punkte in einem Gebiet Ω im Γ-Raum zur Zeit t und
t + ∆t. Deren zeitliche Änderung ist dann einerseits durch
Z
∂ρ(q, p, t)
dq dp
∂t
Ω
gegeben. Andererseits lässt sie sich auch durch den ”Fluss“ von Phasenraumpunkten durch den Rand von Ω bestimmen,
Z
dF~ · ~v ρ(q, p, t) ,
−
∂Ω
5
Man benötigt dazu die typischen Wirkungsquerschnitte σ ∼ πr02 mit effektiven Atomradien r0 ∼
10 cm. Aus den typischen Teilchendichten, N/V ∼ 2.7 · 1019 /cm3 ergeben sich freie Wegll̈angen λ =
V /σ/N der Ordnung 10−4 cm. Mit typischen atomaren Geschwindigkeiten |~v | ∼ 105 cm/s ergibt sich
schließlich die angegebene Abschätzung für ∆τ .
−8
9
wobei dF~ das nach außen gerichtete Flächenelement ist, und
~v = (~q̇1 , . . . , ~q̇N ; ṗ~1 , . . . , ṗ~N )
die Phasenraumgeschwindigkeit (nicht die der Teilchen!).
Analog zur E-Dynamik schreiben wir das Oberflächenintegral mit Hilfe des
Gaußschen Satzes um in ein Volumenintegral und erhalten
Z
∂ρ ~
+ ∇ · (~v ρ) = 0 .
(28)
dqdp
∂t
Ω
Da das Gebiet Ω beliebig ist, ergibt sich daraus eine Kontinuitätsgleichung
für die Wahrscheinlichkeitsdichte,6
∂ρ ~ ~
+∇·j =0
∂t
(29)
mit
~ =
∇
∂ ∂
,
∂qi ∂pi
und ~j = ~v ρ = (q̇i , ṗi ) ρ
(30)
– Ausführen der Ableitungen liefert
3N
∂ρ X
=
−
∂t
i=1
=
∂
∂
(q̇i ρ) +
(ṗi ρ)
∂qi
∂pi
3N X
∂ q̇i
i=1
∂ ṗi
+
∂qi ∂pi
∂ρ
∂ρ
ρ + q̇i
+ ṗi
∂qi
∂pi
Gelten die Hamiltonschen Gleichungen, fällt der erste Term in eckigen Klammern heraus, und die verbleibenden Ausdrücke lassen sich als totale Ableitung
schreiben,7
dρ(q(t), p(t), t)
=0
dt
6
(31)
Die dazu gehörende Erhaltungsgröße ist hier die Anzahl von Trajektorien/Phasenraumpunkten.
Dies ist analog zum Fall einer inkompressiblen Flüssigkeit in der Kontinuumsmechanik. D.h. wenn
zur Zeit t0 die Ensemblepunkte ein Gebiet G0 mit Phasenraumvolumen Γ0 belegen, ergibt sich zur Zeit
t > 0 zwar i.A. ein anderes Gebiet Gt , doch das belegte Volumen bleibt gleich, Γt = Γ0 , welches eine
alternative Formulierung des Liouville-Theorems ergibt.
7
10
3. Vorlesung (Fr 29.4.2016)
– Alternativ lässt sich das Ergebnis auch durch sog. ”Poisson-Klammern“
ausdrücken,8
dρ
∂ρ
∂ρ
∂ρ
∂ρ ∂H ∂ρ ∂H ∂ρ
=
+ q̇
+ ṗ
=
+
−
dt
∂t
∂q
∂p
∂t
∂p ∂q
∂q ∂p
≡
∂ρ
− {H, ρ} = 0 ,
∂t
(32)
mit Poisson-Klammern {A, B} ≡ (∂q A)(∂p B) − (∂p A)(∂q B) = −{B, A}.
– Hängt ρ = ρ(H(q, p), t) nur noch über die Hamilton-Funktion von (q, p) ab,
ergeben sich somit automatisch stationäre Verteilungen, ∂t ρ = 0 und ρ(H) =
ρ(E) = const.9
• Um die klassische statistische Physik zu entwickeln, wäre das nächste Ziel, solche stationären Verteilungen ρ(q, p) für klassische Systeme zu bestimmen. — Wir
werden uns aber im Folgenden direkt der quantenmechanischen Beschreibung zuwenden . . .
1.4 Grundlagen der Quantenstatistik
Wir müssen nun zwei Arten von ”Unkenntnis“ unterscheiden:
• quantenmechanische Unschärfe bzgl. gleichzeitiger Kenntnis von nicht-kommutierenden
Observablen (hier speziell q und p),
• unvollständige Information über die Mikrozustände.
1.4.1 Statistischer Operator (Dichtematrix)
• In der QM definieren wir den Begriff des ”reinen Zustands“, welcher durch
die Messung eines vollständigen Satzes kommutierender Observablen präpariert
werden kann.
→ Vektor |ψi im Hilbertraum
mit
|ψi =
X
cn |fn i ,
cn = hfn |ψi
(33)
n
8
Dies ist insbesondere für den Vergleich mit der Quantenmechanik (s.u.) hilfreich. Entsprechend lässt
sich die formale Lösung der Liouville-Gleichung als
ρ(q, p, t) = e−iL̂t ρ(q, p, 0)
schreiben, mit dem formalen Liouville-Operator iL̂ ≡ −{H, . . .}, wobei die Exponentialreihe als verschachtelte Anwendung der Poisson-Klammern zu verstehen ist.
9
Dies gilt allgemein für Dichtefunktionen, die nur über eine Konstante der Bewegung von (q, p)
abhängen, siehe Übung.
11
und Orthonormalsystem
F̂ |fn i = fn |fn i ,
hfn |fm i = δnm ,
1=
X
|fn ihfn | ,
(34)
n
quantenmechanische Erwartungswerte der Observablen F̂ ergeben sich dann als
hF̂ i = hψ|F̂ |ψi =
X
fn |cn |2 ,
(35)
n
wobei |cn |2 gerade die Wahrscheinlichkeiten angibt, im gegebenen Zustand |ψi den
Wert fn zu messen.
• Falls wir dagegen keine vollständige Information über den Zustand besitzen, so liegt
ein gemischter Zustand vor (gilt dann insbesondere auch für makroskopische
Systeme). D.h. dem System kann kein einzelner Hilbertvektor zugeordnet werden!
Stattdessen befinde sich das System mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit pm in
einem reinen Zustand |ψm i (mit m = 1, 2, . . . oder auch kontinuierlich), wobei
X
0 ≤ pm < 1
und
pm = 1 .
(36)
m
Ziel wäre dann wieder die Wahrscheinlichkeiten pm für bestimmte statistische Ensembles zu bestimmen.
• Zur weiteren Diskussion nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Zustände
|ψm i orthonormiert sind,10 Bei einer Messung der Observable F̂ erhalten wir also
nun also eine zusätzliche Mittelung,
X
hF i ≡
pm hψm |F̂ |ψm i ,
(37)
m
wobei die Wahrscheinlichkeiten pm die statistische Mittelung beschreiben, und
hψm |F̂ |ψm i die einzelnen quantenmechanischen Erwartungswerte. Für pm = δm0
(d.h. nur ein pm von Null verschieden) reduziert sich die Definition wieder auf die
eines reinen Zustands |Ψ0 i.
Man beachte: Die beiden Mittelungen sind von prinzipiell unterschiedlicher Natur:
– Die quantenmechanische Mittelung involviert komplexe Phasen mit Interferenzeffekten etc.
– Die statistische Mittelung geht über reelle Wahrscheinlichkeiten (keine Inteferenz).
10
In der Übung wird gezeigt, dass es ausreicht, dass die Zustände normiert sind, die Orthogonalität
aber nicht notwendig ist.
12
Einfaches Beispiel:
|+i =
2-Niveau–System:
1
,
0
|−i =
0
,
1
mit z.B. p+ = 2/3 und p− = 1/3. Ergibt für den Erwartungswert von σ3
1
2 1
1
2
1 0
1
1 0
0
− (0, 1)
= − = .
hσ3 i = (1, 0)
0 −1
0
0 −1
1
3
3
3 3
3
• Eine äquivalente Darstellung erhält man über
X
X
hF̂ i =
fn ωn , ωn =
pm |hfn |ψm i|2 ,
n
(38)
m
denn durch Einsetzen ergibt sich
X
X X
X
fn pm hfn |ψm ihψm |fn i =
pm
hψm |F̂ |fn ihfn |ψm i =
pm hψm |F̂ |ψm i = hF̂ i .
n,m
m
n
m
• Es liegt nahe, den Anteil, der sich nur auf die Zustände |ψm i und deren Wahrscheinlichkeiten pm bezieht,
X
pm |ψm ihψm | ,
(39)
ρ̂ =
m
als ”Statistischen Operator“ (Dichtematrix) zu definieren,11 so dass folgende
Eigenschaften gelten:
– Erwartungswerte über die Spur (Summe der Diagonalelemente) des Produkts
von ρ̂ und der Observablen,
hF̂ i = Sp ρ̂F̂ .
(40)
Denn mit beliebiger Basis {|φi i} gilt
X
Sp(ρ̂F̂ ) =
hφi |ρ̂|φj ihφj |F̂ |φi i
i,j
=
X
pm hφi |ψm ihψm |φj ihφj |F̂ |φi i
i,j,m
=
X
=
X
m
pm
X
hψm |φj ihφj |F̂ |φi ihφi |ψm i
i,j
pm hψm |F̂ |ψm i
#
m
11
Man beachte, dass dieser Operator eine grundlegend andere Rolle spielt, als die Operatoren, die wir
physikalischen Operatoren in der QM zuordnen: Hier reflektiert ρ̂ die quantenmechanischen Zustände,
genauer gesagt die unvollständige Information darüber!
13
– Hermizität (weil |ψm ihψm | hermitesch und pm reell):
ρ̂ = ρ̂† ,
und somit hat ρ̂ reelle Eigenwerte und orthogonale Eigenvektoren.
– Normierung (ergibt sich direkt aus h1̂i = 1):
X
Sp(ρ̂) = 1 =
pm ,
(41)
m
(spiegelt die Wahrscheinlichkeitserhaltung wider).
– ρ̂ ist nicht negativ, d.h.
hφ|ρ̂|φi =
X
pm |hφ|ψm i|2 ≥ 0 ,
(42)
m
für beliebiges |φi, weil 0 ≤ pm ≤ 1.
• Reine Zustände ergeben sich für den Spezialfall ρ̂ = |ψ0 ihψ0 |.
• Das Quadrat des statistischen Operators ergibt sich als
X
p2m |ψm ihψm |
ρ̂2 =
m
und somit
Sp(ρ̂2 ) =
X
p2m ≤
X
pm = Sp(ρ̂) = 1 ,
(43)
m
m
wegen p2m ≤ pm , wobei die Gleichheit gerade genau dann gilt, wenn ein reiner
Zustand vorliegt.
• Der andere Extremfall wäre ein gemischter Zustand, bei dem alle individuell beitragenden Zustände (nehmen wir an, das wären N Stück) gleichverteilt sind, d.h.
ρ̂ =
N
X
pk |ψk ihψk |
mit pk = 1/N ,
k=1
so dass
N
1 X
1
ρ̂ =
|ψk ihψk | =
1̂
N k=1
N
woraus sich Sp(ρ̂2 ) = 1/N ergibt.
14
(auf zugänglichem Unterraum)
• Schließlich lässt sich die zeitliche Entwicklung von ρ̂ aus der Schrödinger-Gleichung
für die individuellen Zustände |ψm i bestimmen,12
i~
∂ ρ̂ X
=
pm i~∂t (|ψm (t)ihψm (t)|)
∂t
m
X =
pm Ĥ |ψm (t)ihψm (t)| − |ψm (t)ihψm (t)|Ĥ = [Ĥ, ρ̂]
m
”von-Neumann–Gleichung“
(44)
Dies stellt gerade das quantenmechanische Pendant zur Liouville-Gleichung dar.13
12
Man beachte, dass die Zeitabhängigkeit des statistischen Operators also im Schrödinger-Bild gegeben ist, während die den Observablen zugeordneten Operatoren F̂ zeitunabhängig sind. Im HeisenbergBild ist es dann gerade umgekehrt, so dass die Zeitabhängigkeit von hF̂ i wieder in beiden Bildern
identisch ist.
13
Wieder ist zu beachten, dass die Gleichung zwar ähnlich wie die Heisenberg-Gleichung für die
Zeitentwicklung von Operatoren im Heisenberg-Bild aussieht, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen.
15
4. Vorlesung (Fr 6.5.2016)
Dichtematrix für zusammengesetzte Systeme:
• Betrachte zwei statistisch unabhängige Teilsysteme. Dann ergeben sich die Zustandsvektoren des Gesamtsystems aus denen der einzelnen Systeme als direktes
Tensorprodukt,
X
|ψi = |ψ1 i ⊗ |ψ2 i ≡ |ψ1 ψ2 i =
cij |ai i ⊗ |bj i ,
(45)
ij
wobei |ai i und |bj i Basisvektoren der Teilsysteme sind.
⇒ Für statistisch unabhängige Systeme ergibt sich die Dichtematrix ρ̂ des Gesamtsystems ebenfalls als direktes Produkt der Dichtematrizen ρ̂1,2 ,
ρ̂ = ρ̂1 ⊗ ρ̂2
=
(statist. unabhängig)
!
!
X
X
X
pi |ψi ihψi | ⊗
qj |φj ihφj | =
(pi qj ) (|ψi φj ihψi φj |) ,
i
j
(46)
ij
so dass die Wahrscheinlichkeit (pi qj ), das System 1 im Zustand |ψi i und das System 2 im Zustand |φj i zu finden, gerade faktorisiert.
P
P
• Wegen j pi qj = pi und i pi qj = qj , lassen sich die Eigenschaften der Teilsysteme
einfach projizieren,
ρ̂1 = Sp(2) ρ̂ ,
ρ̂2 = Sp(1) ρ̂ ,
(47)
wobei die Spur dann jeweils nur bezüglich des einen oder anderen Hilbertraums zu
nehmen ist. Für obigen Fall mit ρ̂ = ρ̂1 ⊗ ρ̂2 führt das auf die triviale Identität,
X
Sp(2) (ρ̂1 ⊗ ρ2 ) = ρ̂1 ⊗ Sp(ρ̂2 ) = ρ̂1 =
pi |ψi ihψi | .
i
Gl. (47) gilt aber auch allgemein (für korrelierte Teilsysteme), wobei dann ρ̂1,2
auch als ”reduzierte Dichtematrizen“ (des jeweiligen Teilsystems) bezeichnet
werden.
1.4.2. Entropie (in der Statistik)
• Im Rahmen der allgemeinen statistischen Beschreibung wollen wir einer gegebenen
Dichtematrix ρ̂ eine reelle positive Zahl S(ρ̂) zuordnen, welche den ”Informationsinhalt“ des durch die Dichtematrix beschriebenen Systems quantifiziert.
• Dabei soll diese Größe insbesondere additiv sein, d.h. für zwei statistisch unabhängige Teilsysteme (s.o.) soll gelten14
ρ̂ = ρ̂A ⊗ ρ̂B
14
!
⇒
Offensichtlich ist das z.B. für die Größe Sp(ρ̂2 ) =
16
S(ρ̂) = S(ρ̂A ) + S(ρ̂B )
P
ij (pi qj )
2
6=
P
i
p2i +
P
j
p2j nicht der Fall.
(48)
• Da S nur von den Wahrscheinlichkeiten pi abhängen soll, machen wir den Ansatz
P
i pi f (pi ), wobei wegen der Additivität f (pi qj ) = f (pi ) + f (qj ) gelten sollte.
Daraus folgt
f (x) = −k ln x ,
mit einer beliebigen (positiven) Konstanten k (damit S ≥ 0 für 0 ≤ pi ≤ 1).
Nachprüfen der Additivität:
X
X
S(ρ̂A ⊗ ρ̂B ) = −k
(pi qj ) ln(pi qj ) = −k
(pi qj ln pi + pi qj ln qj )
ij
= −k
X
ij
pi ln pi + k
i
X
qj ln qj = S(ρ̂A ) + S(ρ̂B )
#
j
Für eine basisunabhängige Definition schreiben wir das wieder als Spur,15 und
definieren die makroskopische Größe ”Entropie“ als
S(ρ̂) = −k Sp (ρ̂ ln ρ̂) ,
(49)
wobei der Logarithmus des statistischen Operators über die Reihenentwicklung
bzw. die Logarithmen der Eigenwerte definiert ist, so dass sich obige Definition in
der Eigenbasis von ρ̂ (und nur dann) auf obigen Ansatz reduziert.
• S(ρ̂) quantifiziert also den Informationsgehalt von (bzw. die Unkenntnis über) die
zugrundeliegenden Mikrozustände. Die Konstante k entspricht dabei gerade der
Wahl der Basis des Logarithmus:
→ ”natürliche“ Konvention: k = 1, log = ln
(von-Neumann)
→ Informationstheorie: k = 1/ ln 2, log = log2
→ Thermodynamik: k = kB
(Shannon)
(Boltzmann-Konstante, s.o.)
Einige Eigenschaften der Entropie:
• Für einen reinen Zustand mit pi = δi0 erhalten wir stets pi ln pi = 0, d.h. minimale
Entropie,
S=0
(reiner Zustand) .
• Andererseits ergibt ein gleichverteilter Zustand mit pi = 1/N gerade
N
X
1
1
ln
= k ln N .
S = −k
N
N
i=1
Dies entspricht der maximal möglichen Entropie, was man leicht mit Hilfe der
Methode der Lagrange-Multiplikatoren zeigen kann: Die Extermalaufgabe für die
15
D.h. die Wahrscheinlichkeiten pi in obiger heuristischer Herleitung sind gerade die Eigenwerte von
ρ̂ in der Diagonalbasis.
17
Wahrscheinlichkeiten pi mit der Nebenbedingung
der Funktion
P
i
pi = 1 ergibt sich dann aus
!
Sλ (pi ) = −
X
pi ln pi + λ
X
pi − 1
,
i
∂Sλ
!
= − ln pk − 1 + λ = 0
∂pk
(für alle k = 1 . . . N )
Wegen der Monotonie des Logarithmus folgt aus der 2. Zeile sofort pk = pk0 = eλ−1 ,
und mit der Nebenbedingung dann pk = 1/N #.
• Bei der Messung eines Quantesystems gilt also
vorher:
nachher:
S ≤ kB ln N
S≥0
gemischter Zustand
(Gleichheit für reinen Zustand)
d.h. kB ln N entspricht gerade dem maximal möglichen Erkenntnisgewinn |∆S| bei
der Messung.
• Hinsichtlich der Zeitentwicklung von S ist zu beachten, dass die Entropie nur von
den Wahrscheinlichkeiten abhängt, aber nicht von den Zuständen. Somit ist S unter Zeitentwicklung konstant (!), dS
= 0 . Wie eben diskutiert, ändert sich aber
dt
die Entropie beim quantenmechanischen Messprozess. Um den anscheinenden Widerspruch aufzulösen, muss man berücksichtigen, dass sich die Entropie nach der
Messung auf die reduzierte Dichtematrix des untersuchten Teilsystems bezieht. Die
Entropieänderung der Umgebung (Messapparat) taucht in dieser Betrachtung nicht
auf (mehr weiter unten).
• Entropie von gemischten Systemen:
Wir betrachten zwei Dichtematrizen ρ̂1 und ρ̂2 . Dann ist auch
ρ̂(λ) ≡ λ ρ̂1 + (1 − λ) ρ̂2 ,
mit 0 ≤ λ ≤ 1
(50)
eine legitime Dichtematrix, denn
Spρ̂ = 1 ,
ρ̂† = ρ̂ ,
(1)
(2)
und 0 ≤ pi = λpi + (1 − λ) pi ≤ 1 .
Wie vergleichen sich die dazugehörigen Entropien? —
Dazu benutzen wir die sog. ”Kleinsche Ungleichung“, welche besagt, dass allgemeine Dichteoperatoren ρ̂ und ρ̂0 stets folgende Relation erfüllen,
−Sp(ρ̂ ln ρ̂) ≤ −Sp(ρ̂ ln ρ̂0 ) .
18
(51)
Der Beweis erfolgt in den Übungen.
Damit erhält man
λ S(ρ̂1 ) + (1 − λ) S(ρ̂2 ) = −λ Sp(ρ̂1 ln ρ̂1 ) − (1 − λ) Sp(ρ̂2 ln ρ̂2 )
Klein
≤ −λ Sp(ρ̂1 ln ρ̂(λ)) − (1 − λ) Sp(ρ̂2 ln ρ̂(λ))
= −Sp(ρ̂(λ) ln ρ̂(λ)) = S(ρ̂(λ)) .
(52)
Die Entropie S(ρ̂) ist somit eine konvexe ”Funktion“ (vgl. auch Übungsbeispiel).16
• Entropie für korrelierte Teilsysteme:
Wir betrachten nun eine allgemeine Dichtematrix für ein System aus 2 Teilsystemen
A, B, mit ρ̂AB 6= ρ̂A ⊗ ρ̂B . Aus der Kleinschen Ungleichung folgt wieder
S(ρ̂AB ) = −Sp(ρ̂AB ln ρ̂AB ) ≤ −Sp (ρ̂AB ln(ρ̂A ⊗ ρ̂B )) .
(53)
Um das weiter umzuformen, müssen wir beachten, dass der Logarithmus des Tensorprodukts als
ln(ρ̂A ⊗ ρ̂B ) = ln(ρ̂A ⊗ 1B ) + ln(1A ⊗ ρ̂B )
(54)
zu lesen ist, wodurch sich
S(ρ̂AB ) ≤ −SpA ((Sp(ρ̂AB ) ln ρ̂A ) − SpB ((Sp(ρ̂AB ) ln ρ̂B )
= −SpA (ρ̂A ln ρ̂A ) − SpB (ρ̂B ln ρ̂B ) = S(ρ̂A ) + S(ρ̂B )
(55)
ergibt (Gleichheit gilt dann wieder gerade für unkorrelierte Systeme. D.h. für vorgegebene Gesamtentropie SAB sind die Entropien der Teilsysteme größer (oder
gleich) dem unkorrelierten Fall.
16
Für gewöhnliche konvexe Funktionen hätten wir s(λx + (1 − λ)y) ≥ λs(x) + (1 − λ)s(y).
19
5. Vorlesung (Fr 20.5.2016)
1.4.3. Master-Gleichung (nach Pauli)
• Wir betrachten im Folgenden zwei Teilsysteme (A und B), welche durch einen
Hamiltonoperator
Ĥ = ĤA ⊗ 1̂B + 1̂A ⊗ ĤB + ĤAB
beschrieben werden, wobei ĤAB eine kleine Wechselwirkung zwischen den beiden
Teilsystemen beschreibt, welche als Störung zu behandeln ist.
• Konzentrieren wir uns auf die Dichtematrix des Teilsystems A, so können wir diese
allgemein in der Eigenbasis {|ii} von ĤA entwickeln, so dass
X
X
∗
.
(56)
ρ̂A =
pi |iihi| +
qij |iihj| ,
mit pi = p∗i und qij = qji
i
i6=j
• Ohne Störung wird die Zeitentwicklung von ρ̂A nur durch ĤA beschrieben, wobei
die Diagonalelemente unverändert bleiben, während die Nichtdiagonalelemente eine
oszillierende Phase
ei/~ (Ei −Ej ) t
erhalten.
Nach Mittelung über große Zeiten heben sich die oszillierenden Terme i.A. auf,
X
Mittelung
ρ̂A −→
pi |iihi|
(ĤAB = 0)
(57)
i
• Bei Hinzunahme der Wechselwirkung als kleine Störung17 mitteln sich die Beiträge
der Nichtdiagonalelemente weiterhin heraus. Allerdings sind die Eigenzustände |ii
von ĤA jetzt nicht mehr Eigenzustände des Gesamthamiltonians Ĥ, so dass die
Wahrscheinlichkeiten pi zeitabhängig werden, mit einem linearen Zusammenhang
X
pi −→ pi (t) =
Wij (t, t0 ) pj (t0 )
für t ≥ t0 .
(58)
j
Hierbei bezeichnen die Wij reelle ”Übergangswahrscheinlichkeiten“, mit
X
X
Wij ≥ 0 ,
Wij = 1 ,
Wij = 1 .
(59)
j
i
• Somit können wir die Änderung der Wahrscheinlichkeiten pi (t) auch schreiben als
X
pi (t) − pi (t0 ) =
Wij (t, t0 ) pj (t0 ) − pi (t0 )
j
=
X
(Wij (t, t0 ) pj (t0 ) − Wji (t, t0 ) pi (t0 )) .
(60)
j
17
Der allgemeine Formalismus zur zeitabhängigen Störungstheorie wird im Rahmen der Vorlesung
”Komplexe Quantensysteme“ diskutiert. Wir beschränken uns hier auf eine heuristische Diskussion.
20
• Man beachte, dass obige Konstruktion auf eine irreversible Zeitentwicklung führt,
dann mit W −1 (t, t0 ) = W (t0 , t) (als Matrix) und 0 ≤ Wij ≤ 1 für alle (i, j), können
die Matrixlemente von W −1 offensichtlich nicht als Wahrscheinlichkeiten interpretiert werden.
Grund für die Asymmetrie in der Zeitentwicklung ist die Mittelung über die Phasen
(→ Dekohärenz).
• Wir können das auch in differentieller Form schreiben und führen dazu die Übergangsraten
P
P
d
0 wij ≡
Wij (t, t ) ,
mit i wij = 0 und j wij = 0 ,
(61)
dt
t=t0
ein, so dass
ṗi (t) =
X
(wij (t) pj (t) − wji (t)pi (t)) .
(62)
j
• Für die Entropie des Teilsystems A bedeutet dies (hier mit kB ≡ 1)
ṠA = −
X
X pi
d X
pi ln pi = −
ṗi ln pi −
ṗi ,
dt i
pi
i
i
(63)
wobei der letzte Term wegen Wahrscheinlichkeitserhaltung Null ergibt, und der
erste Term mit (62) geschrieben werden kann als
X
X
pj
ṠA = −
(wij pj ln pi − wji pi ln pi ) = −
wji pi ln ,
(64)
pi
ij
ij
wobei im letzten Schritt die Summationsindizes im ersten Term umbenannt wurden. Verwendet man nun, dass (− ln x) ≥ (1 − x) gilt, erhält man die Ungleichung
X
X
d
pj
SA ≥
wji pi 1 −
=
(wji pi − wji pj ) = 0 ,
(65)
dt
pi
ij
ij
d.h. unter der Voraussetzung, dass über die oszillierenden Phasen gemittelt werden
darf, wächst die Entropie des Teilsystems A zeitlich immer an.
• Die Entropie ändert sich nicht mehr, wenn ṗi = 0, d.h. wenn detailliertes Gleichgewicht
wij pj = wji pi
erfüllt ist. Die Entropie nimmt dann im Gleichgewichtszustand den – unter den
gegebenen Nebenbedingungen – maximal möglichen Wert an.
• Die im Gleichgewicht realisierte Dichtematrix ist also jene, welche die Entropie
(der Teilsysteme) maximiert.
21
In der Thermodynamik18 verstehen wir unter der Entropie stets die Gleichgewichtsentropie, Sthermo = SGleichgewicht . (Die Entropie lässt sich aber im obigen Sinne auch
für Systeme außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts definieren.)
• Das physikalische Bild hinter diesem Sachverhalt ist Folgendes:
– Die Menge der reinen Zustände eines Teilsystems ist verschwindend klein (vom
Maß Null im Raum aller möglichen Zustände).
– Ebenso ist die Menge der unkorrelierten Dichtematrizen des Gesamtsystems
vom Maß Null im Vergleich zu allen möglichen Dichtematrizen.
– Somit kann ein Zustand kleinerer Entropie nicht ”zufällig“ erreicht werden,
und die Zeitentwicklung tendiert zum Zustand größerer Entropie.
– Statistische Fluktuationen um das Gleichgewicht sind möglich, aber umso
unwahrscheilicher, je größer dabei die Verminderung der Entropie ist.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf Gleichgewichtszustände und konstruieren die
Dichtematrizen, welche unter den vorgegebenen Nebenbedingungen maximale Entropie
ergeben.
2. Gleichgewichtsensembles
2.1 Mikrokanonisches Ensemble
Das sog. ”mikrokanonische Ensemble“ ist charakterisiert durch ein System mit endlich vielen Zuständen, welche (gemäß unserer vorherigen Diskussion) alle a priori alle
gleich wahrscheinlich sind.
• In der Thermodynamik sind das üblicherweise Zustände, welche (nahezu)19 die
gleiche Gesamtenergie E0 haben (bzw. ein vollständig isoliertes System, in welchen
die Gesamtenergie erhalten ist), d.h.
ρ̂ =
X
1
|E, nihE, n| ,
Ω(E0 )
(66)
n|E=E0
wobei die Anzahl dieser Zustände,
Ω(E0 ) = Sp
X
|E, nihE, n| ,
n
als ”mikrokanonische Zustandssumme“ bezeichnet wird.20
18
welche in diesem Sinne eigentlich als Thermostatik zu bezeichnen wäre
In der Praxis betrachten wir E ∈ [E0 , E0 + ∆E] mit ∆E E0 .
20
Im Falle unendlich vieler Zustände ist ρ̂ als mathematische Distribution zu verstehen, formal
19
ρ̂ =
X
1
|E, nihE, n| δ(E − E0 ) .
Ω(E0 ) n
22
(67)
• Für die Entropie folgt gemäß voheriger Definition dann einfach
S = S(E) = kB ln Ω(E) ,
(68)
d.h. die Entropie ist selbst Funktion der (vorgegebenen) Gesamtenergie.
• Der Übergang zur klassischen Physik erfolgt gemäß
Z 3N 3N 1
d pd q
.
Ω(E) =
N!
(2π~)3N E≤H(q,p)≤E+∆E
(69)
Hierbei gehen zwei zentrale Eigenschaften der Quantenmechanik ein:
– Identische Teilchen sind in der QM ununterscheidbar. Deshalb dürfen Konfigurationen im
Phasenraum, die sich nur durch Vertauschung der Teilchen unterscheiden, nicht mehrfach
gezählt werden, welches einen Faktor 1/N ! für N identische Teilchen erfordert.
– Das ”Abzählen“ von Konfigurationen im klassischen Phasenraum erfordert eine ”natürliche“ Größe einer elementaren Phasenraumzelle. Diese ergibt sich (z.B. über die Quantisierung des Impulses in einem vorgegebenen Volumen V ) als (2π~)3 .
In den Übungen wird als Beispiel die mikrokanonische Zustandssumme für ein ideales (d.h. nichtwechselwirkendes) Gas hergeleitet (mit Teilchenzahl N ),
3
E
V
ln Ω(E, V, N )ideal = N ln
+ ln
+ const. .
(70)
N
2
N
• Da die Anzahl der möglichen Realisierungen eines Makrozustands mit der Gesamtenergie E = N für N 1 Freiheitsgrade exponentiell mit N wächst, ist auch die
Entropie (wie E) S ∝ N eine extensive Zustandsgröße, d.h. die ”spezifische
Entropie“, s = S/N , ist in 1. Näherung unabhängig von der Systemgröße.
2.2 Temperatur
• Wir betrachten nun wieder 2 Teilsysteme, welche untereinander wechselwirken,
so daß (bei festen äußeren Parametern)) sie Energie austauschen können. Diese
Energieform bezeichnen wir dann als ”Wärme“.
• Das Gesamtsystem sei abgeschlossen, die Gesamtenergie E also fest vorgegeben.
• Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Energie gemäß E = E1 + E2 auf die beiden Teilsysteme aufteilt, ergibt sich aus den entsprechenden relativen Häufigkeiten
Um das mathematisch sauber zu diskutieren (vgl. unten), sollte man sich aber immer die δ-Distribution
als Grenzwert einer geeigneten Funktionenschar (z.B. Gauß-Kurven mit infinitesimaler Breite) darstellen.
23
passender Mikrozustände, welche sich aus den mikrokanonischen Zustandssummen
der Teilsysteme berechnen lassen,
p(E1 , E2 )E=E1 +E2
(f est)
=
Ω1 (E1 ) Ω2 (E − E1 )
Ω1 (E1 ) Ω2 (E2 )
=
= p(E1 ) . (71)
Ω(E1 + E2 )
Ω(E)
• Das Maximum dieser Verteilung wird demnach erreicht, wenn
dp !
Ω0 Ω2 − Ω1 Ω02
,
=0= 1
dE1
Ω
(72)
d.h. im Maximum gilt
Ω01
Ω0
= 2
Ω1
Ω2
⇔
d
d
ln Ω1 (E1 ) =
ln Ω2 (E2 ) .
dE1
dE2
(73)
• Dies lässt sich direkt auf die Aufteilung in mehrere Teilsysteme verallgemeinern,
so dass die Ableitung der Logarithmen der individuellen mikrokanonischen Zustandssummen nach der Energie somit eine charakteristische Größe darstellt, welche mögliche Teilsysteme in ”Äquivalenzklassen“ einteilt.
Es liegt deshalb nahe, eine entsprechende thermodynamische Zustandsgröße, ”Temperatur“ zu definieren, gemäß
β≡
d
1
ln Ω(E) ≡
dE
kB T
⇔
1
dS
≡
,
T
dE
(74)
wobei T die übliche absolute Temperatur gemessen in Kelvin darstellt.
Die Existenz der Temperatur wird manchmal auch als ”0. Hauptsatz“ der Thermodynamik bezeichnet.
• Anmerkungen:
– Wenn in quantenmechanischen Systemen die Energie unbeschränkt ist, wächst
Ω(E) monoton mit E an, woraus β > 0 folgt.
(Ein Gegenbeispiel wird in den Übungen diskutiert.)
– Wärmekontakt im Gleichgewicht mit einem (unendlich) großen Referenzsystem bekannter Temperatur ermöglicht somit Temperaturmessung.
– Als Verhältnis zweier extensiver Größen ist die Temperatur als intensive
Zustandsgröße (unabhängig von der Systemgröße) definiert.
24
6. Vorlesung (Fr 27.5.2016)
• Anmerkungen:
– Gemäß unserer allgemeinen Diskussion im Zshg. mit dem zentralen Grenzwertsatz folgt die Wahrscheinlichkeit der Energie E1 im Teilsystem einer
Gauß-Verteilung,
(E1 − Ē1 )2
,
(75)
p(E1 ) ' p(Ē1 ) exp −
2∆E12
wobei das Schwankungsquadrat wieder skaliert wie
1
∂ 2 ln p N
=
−
∝ 2,
(76)
2
2 ∆E1
∂E1 E1 =Ē1
Ē1
√
so dass die relative Schwankung ∆E1 /Ē1 ∝ 1/ N → 0 im thermodynamischen Limes verschwindet, d.h. die Energie des Teilsystems im Temperaturgleichgewicht ist scharf (!) vorgeben,
∆E1
E1 = Ē1 1 + O
.
Ē1
Dies kann man z.B. für das ideale Gas explizit verifizieren (→ Übung).
– Wärmeaustausch zum Temperaturgleichgewicht führt wieder auf Maximierung der Gesamtentropie (vor Wärmekontakt: S = SA + SB ; nachher S →
SAB ≥ SA + SB ).
2.3 Druck etc.
• I.A. hängt der Hamiltonoperator von einer Reihe äußerer Parameter ab (im Beispiel
von Gasen insbesondere vom Volumen V , in dem das Gas eingeschlossen ist),
Ĥ = Ĥ(α) ,
α: äußere Parameter
(77)
• Somit ist auch die Dichtematrix im mikrokanischen Ensemble implizit von diesen
Parametern abhängig,
ρ̂ =
1
δ(E − Ĥ(α)) = ρ̂(E, α) ,
Ω
und ebenso die mikrokanon. Zustandssumme, Ω = Ω(E, α).
• Wenn wir α als infinitesimale Störung betrachten,
Ĥ(α) = Ĥ0 + α
25
∂ Ĥ
+ ...
∂α
(78)
erhalten wir gemäß quantenmech. Störungstheorie für die Verschiebung der Energieniveaus,
∆En (α) = α hn|
∂ Ĥ
|ni ,
∂α
(79)
mit den Eigenzuständen {|ni} des ungestörten Problems, Ĥ0 |ni = En |ni.
• Aus der Normierung der Dichtematrix folgt dann21
1 ≡ Sp (ρ̂(E, α)) =
X
1
hn|δ(E − Ĥ(α))|ni
Ω(E, α) n
X
1
hn|δ(E − ∆En (α) − En )|ni
Ω(E, α) n
X
Ω(E, α) =
δ(E − ∆En (α) − En ) .
=
⇒
(80)
n
Damit lässt sich die Ableitung vom Logarithmus der Zustandssumme leicht ausrechnen, denn
∂ ln Ω
1 ∂Ω
1
∂Ω X ∂∆En
=
=
−
∂α
Ω ∂α
Ω
∂E
∂α
n
!
1
∂ Ĥ
∂Ω X ∂ Ĥ
=
|ni = −β Sp ρ̂
−
hn|
.
(81)
Ω
∂E
∂α
∂α
n
• Insgesamt erhalten wir also für die partiellen Ableitungen der Entropie S(E, α)
*
+
∂S
∂ Ĥ
1
1
∂S
=
und
=
−
,
(82)
∂E α T
∂α E T
∂α
E
und somit für das entsprechende vollständige Differential
*
+
1
1 ∂ Ĥ
dS = dE −
dα ,
T
T ∂α
(83)
E
bzw. durch Umstellen (und explizite Summation über den gesamten Satz {αi } von
äußeren Parametern)
*
+
X ∂ Ĥ
dE = T dS +
dαi ,
(84)
∂αi
i
E
21
Entsprechend obiger Fußnote ist das mathematisch etwas unsauber. Man stelle sich hier die δDistribution besser als Gauß-Funktion mit Breite δE E vor!
26
als ”Fundamentalbeziehung der Thermodynamik“, wodurch ein Zusammenhang zwischen der infinitesimalen Änderung der Energie, dem Energieübertrag bei
konstanten äußeren Parametern αi – welchen wir als ”Wärme“ δQ definieren –
und der am System durch Änderung der äußeren Parameter verrichteten Arbeit
δW hergestellt wird.
In integrierter Form,
∆E = ∆Q + ∆W
stellt diese Manifestierung des Energieerhaltungssatz den ”1. Hauptsatz der
Thermodynamik“ dar.
∂ Ĥ
i wegen der Analogie zur mechanischen
• Allgemein bezeichnen wir die Größen h ∂α
i
R
Arbeit ∆W = d~s · F~ als ”verallgemeinerte Kräfte“.
Insbesondere erhalten wir für das Beispiel α = V (Volumen) als verallgemeinerte
Kraft den ”Druck“ p als
+
*
Z
∂S
∂ Ĥ
=T
⇔ ∆W = − p dV .
(85)
p=−
∂V
∂V E
E
Anmerkung: Man beachte, dass δQ und δW keine vollständigen Differentiale
R sind (und damit
keine Zustandsgrößen implizieren), denn die Werte ∆Q = T dS bzw. ∆W =
R P ∂ Ĥ
22
i h ∂αi i dαi hängen i.A. von der Prozessführung (d.h. Weg im α-S–Raum ab.
Die Größen dS = δQ/T und dV = −δWVol. /p sind dagegen vollständige Differentiale (und T und p fungieren im mathematischen Sinne als ”integrierende Faktoren“).
• Betrachten wir jetzt zusätzlich zum Wärumeaustausch auch “Volumenaustausch“
(oder Änderung eines anderen äußeren Parameters in H), können wir analog wie
vorher argumentieren, d.h. die Maximierung der Entropie für ein aus 2 Teilsystemen
zusammengesetztes Gas mit E = EA + EB und V = VA + VB (bei festem N ) liefert:
∂SA
∂SB
∂SA
∂SB
−
dEA +
−
dVA
dS =
∂EA
∂EB
∂VA
∂VB
1
1
pA
pB
=
−
dEA +
−
dVA
(86)
TA TB
TA TB
22
Zur Erinnerung: mögliche Prozessführungen in der Thermodynamik sind z.B.
– isobar (p =const.)
– isochor (V =const.)
– isotherm (T =const.)
– adiabatisch (δQ = 0)
H
H
Da gemäß obiger Diskussion Integrale über geschlossene Wege nicht verschwinden, δQ 6= 0 6= δW ,
ergibt sich damit der Ansatzpunkt für periodisch arbeitende Wärmekraftmaschinen.
27
Da dEA und dVA unabhängig sind, folgt daraus sofort TA = TB und pA = pB im
Gleichgewicht (dS = 0). Physikalisch sorgt also Wärmeaustausch für Temperaturausgleich und Volumenaustausch für Druckausgleich.
• Analog können wir Teilchenaustausch mit N = NA + NB fest zulassen. Die zugehörige verallgemeinerte Kraft bezeichnen wir als ”chemisches Potential“ µ,
so dass für Gase S = S(E, α) = S(E, V, N ) bzw. E = E(S, V, N ), und die Fundamentalrelation nimmt dann die Form
dE = T dS − p dV + µ dN
an. Dabei ist
∂E
∂S
=T,
V,N
∂E
∂V
(87)
= −p ,
S,N
∂E
∂N
= µ.
(88)
S,V
2.4 Kanonisches Ensemble
Im Gegensatz zum mikrokanon. Ensemble betrachten wir nun ein Teilsystem, welches
offen ist, also Energie mit der Umgebung austauschen kann. Das Gesamtsystem (d.h.
Teilsystem plus Umgebung) kann wieder mikrokanonische behandelt werden.
• Wir schreiben für die reduzierte Dichtematrix des Teilsystems allgemein
X
X
1
ρ̂1 =
.
p(E1 )
|nihn|
Ω(E1 )
E
n,E fest
1
(89)
1
Hierbei ist p(E1 ) die Wahrscheinlichkeit, dass das System 1 die Energie E1 hat.
• Mit der gleichen Argumentation wie vorher erhalten wir durch Abzählen der Möglichkeiten, dass das Umgebungsystem die Energie E2 = E − E1 hat,
p(E1 ) =
Ω2 (E − E1 )
.
Ω(E)
(90)
• Wir nehmen nun im Folgenden weiterhin an, dass die Umgebung (System 2) groß
im Vergleich zum betrachteten Teilsystem 1 ist, insbesondere
E1 E ≈ E2 ,
T ≡ T2 .
Dann können wir den Logarithmus von p(E1 ) entwickelne,
ln p(E1 ) = ln Ω2 (E − E1 ) − ln Ω(E)
' ln Ω2 (E) − E1
= ln
d ln Ω2 (E)
− ln Ω(E)
dE
Ω2 (E)
1
− E1
Ω(E)
kB T
⇒ p(E1 ) = const. e−E1 /kB T .
(91)
Den Faktor e−βE bezeichnen wir in der Thermodynamik auch als ”Boltzmann–
Faktor“.
28
• Daraus erhalten wir die ”kanonische Dichtematrix“
1 X −E1 /kB T X
1
ρ̂kanon. = ρ̂(T ) =
e
|nihn| = e−Ĥ/kB T ,
Z E
Z
n,E =fest
1
(92)
1
wobei wir im letzten Schritt benutzt haben, dass Ĥ |ni = E1 |ni mit Ĥ als Hamiltonoperator des Teilsystems 1, und die Summationen gerade die Vollständigkeitsrelation im entsprechenden Hilbertraum realisieren.
• Somit ist die kanonische Dichtematrix deutlich einfacher definiert als ρ̂mikro−kanon. ,
und die entsprechende ”kanonische Zustandssumme“ ergibt sich aus der Normierung von ρ̂ einfach zu
−β Ĥ
Z = Sp e
.
(93)
Anmerkungen:
– Die äußeren Parameter gehen wieder über den Hamiltonoperator ein, d.h.
Z = Z(T, α) = Sp e−β Ĥ(α) .
(94)
– Man beachte, dass einerseits die Anzahl der Zustände im Teilsystem 1 i.A.
mit der Energie E1 exponentiell zunimmt; andererseits nimmt die Anzahl der
zugänglichen Zustände in der Umgebung exponentiell mit E1 ab.
– Vergleicht man den Boltzmann-Faktor mit dem Zeitentwicklungsoperator,
U = e−iĤt/~ , erkennt man, dass die Temperatur ”formal“ (d.h. mathematisch
im Sinne der analytischen Fortsetzung) einer ”imaginären Zeit“ entspricht,
β ↔ it/~ .
• Erwartungswerte von Operatoren Ô ergeben sich im kanon. Ensemble einfach zu
Sp e−β Ĥ Ô
Sp e−β Ĥ Ô
.
hÔi = Sp(ρ̂Ô) =
=
(95)
Z
Sp e−β Ĥ
• Insbesondere erhalten wir als Erwartungswert der Energie E im Teilsystem 1
1
Ē = hĤi = Sp e−β Ĥ Ĥ
Z
1
∂ −β Ĥ
1 ∂Z
∂
= − Sp
e
=−
=−
ln Z ,
(96)
Z
∂β
Z ∂β
∂β
bzw.
Ē = kB T 2
29
∂
ln Z .
∂T
(97)
• Entsprechend für die Entropie,
kB
Sp e−β Ĥ − ln Z − β Ĥ
Z
kB
kB β
=
ln Z Sp(e−β Ĥ ) +
Sp e−β Ĥ Ĥ
Z
Z
1
= kB ln Z + kB β Ē = kB ln Z + Ē .
T
S̄ = −kB Sp (ρ̂ ln ρ̂) = −
(98)
• Und für verallgemeinerte Kräfte, wie z.B. den Druck,
+
!
*
1
∂ Ĥ
∂ Ĥ
= − Sp e−β Ĥ
p=−
∂V
Z
∂V
=
1 ∂ ln Z
∂
1 ∂
Sp(e−β Ĥ ) =
= kB T
ln Z .
βZ ∂V
β ∂V
∂V
(99)
• Somit lassen sich im kanonischen Ensemble alle Zustandsgrößen (d.h. genauer gesagt ihre thermodynamischen Mittelwerte23 ) aus dem Logarithmus der kanon. Zustandssumme Z ableiten. Demnach ist es sinnvoll, eine entsprechende Zustandsgröße, die sog. ”Freie Energie“ einzuführen, als
F (T, α) ≡ −kB T ln Z(T, α) ,
(100)
F = Ē − T S̄ .
(101)
so dass mit (98)
• Mathematisch entspricht der Übergang von der Energie E = E(S, V, N ) zur freien
Energie (F = F (T, V, N )) gemäß (101) gerade einer Legendre-Transformation.24
Für die entsprechenden totalen Differentiale ergibt sich z.B. für Gase, mit dE =
T dS − p dV + µ dN ,
dF = dE − T dS − S dT = −S dT − p dV + µ dN ,
woraus sich die partiellen Ableitungen direkt ablesen lassen,
∂F
∂V
∂F
S=−
, p=−
, µ=
.
∂T V,N
∂V T,N
∂N T,V
(102)
(103)
• Die thermodynamischen Gesetze (d.h. die Beziehungen zwischen den Zustandsgrößen im jeweils betrachteten Teilsystem) bleiben beim durch die Legendre-Transformation definierten Koordinatenwechsel bzgl. der zur Definition des entsprechenden Ensembles benutzten Zustandsgrößen unverändert!
23
welche gemäß unserer allgemeinen Diskussion relative Schwankungen aufweisen, welche im thermodynamischen Limes vernachlässigbar sind
24
Vergleiche mit dem Zusammenhang zwischen Lagrange-Funktion, L = L(q, q̇) und Hamiltonfunktion
H = H(q, p) = L − pq̇ in der klassischen Mechanik.
30
7. Vorlesung (Fr 3.6.2016)
Beispiel: Ideales Gas (siehe auch Übung)
• Im mikrokanonischen Ensemble wurde die Entropie des idealen (klassischen) Gases
berechnet als
V
3
E
S(E, V, N ) = kB N ln + ln + const. ,
(104)
N
2
N
• Aus der Betrachtung der partiellen Ableitungen erhält man
3 1
1
3
∂S
= kB N
=
⇒ E ideal = kB N T
∂E V,N
2E
T
2
(105)
als sog. ”kalorische Zustandsgleichung“ des idealen Gas. Insbesondere hängt
die Energie E hier nur von der Temperatur T ab (allgemein auch von V ).
• Mit dem 1. Hauptsatz erhält man (für N = const.)
∂ Ē
∂ Ē
E=Ē(T,V )
δQ = dE − δW = dE + pdV
=
+ p dV
dT +
∂T
∂V
(106)
Man beachte, dass wir hier zur unterscheiden haben zwischen der Energie als Funktion ihrer natürlichen25 Variablen, E = E(S, V, N ) und der aus der kalorischen
Zustandsgleichung erhaltenen Energiefunktion E = Ē(T, V, N ). In der Thermodynamik verwendet man häufig ein und dasselbe Symbol, kennzeichnet dann aber bei
den partiellen Ableitungen der verschiedenen Funktionen die anderen Parameter
als Indizes rechts der Klammer, also speziell in obigem Fall
∂E
∂ Ē
≡
.
(107)
∂T
∂T V,N
Dies definiert gerade die sog. ”Wärmekapazität“ bei festem Volumen,
δQ
∂E
CV ≡
=
.
dT V
∂T V,N
(108)
Für das ideale Gas erhalten wir also insbesondere
CVideal =
• Weiterhin haben wir
∂S
1
p
ideal
= kB N
=
∂V E,N
V
T
3
kB N .
2
⇒
(109)
pV ideal
= N kB T ,
als ”thermische Zustandsgleichung“, welche p(T, V /N ) definiert.
25
siehe unten
31
(110)
• Entsprechend erhält man aus (∂S/∂N )E,V = −µ/T die Funktion µ̄(T, V /N )
• Die gleichen Relationen können wir analog aus der freien Energie herleiten, welche
wir aus S(E, V ) und Ē(T, V ) gemäß der Legendre-Transformation
F (T, V ) = Ē(T, V ) − T S̄(T, V )
V
3
Ē(T, V )
ideal 3
= kB N T − kB N T ln + ln
+ const
2
N
2
N
V
3
3
= N kB T − ln − ln
kB T + const.
N
2
2
erhalten, so dass
∂F
= −S̄(T, V, N ) = −S(Ē(T, V, N ), V, N )
∂T V,N
V
3
3
ideal
= −kB N
+ ln
kB T + const.
N
2
2
• Daraus erhalten wir nun wieder die thermische Zustandsgleichung über
N kB T
∂F
= −p = −
,
∂V T,N
V
(111)
(112)
(113)
(und entsprechend µ = (∂F/∂N )T,V ).
Wir wollen nun anhand des obigen Beispiels der Frage nachgehen, ob man z.B. auch aus
der Funktion S̄(T, V, N ) für die Entropie alleine wieder die Zustandsgleichungen ableiten
können. Der Einfachheit halber betrachten wir wieder N =const.
• Aus dem totalen Differential für S̄ = S(Ē(T, V ), V ) ergibt sich
∂S
∂E
∂E
∂S
dS̄ =
dT +
dV +
dV
∂E V
∂T V
∂V T
∂V E
1 ∂E
∂E
1
=
dT +
−p
dV
T ∂T V
∂V T
T
(114)
• Koeffizientenvergleich ergibt
∂E
∂V
1
T
T
∂E
∂ S̄
3 1
ideal
=
= kB N
,
∂T V
∂T V
2T
1
∂ S̄
ideal kB N
−p
=
=
.
T
∂V T
V
32
(115)
• Daraus erhält man die partiellen Differentialgleichungen:
∂E
3
3
= kB N ⇒ E(T, V ) = N kB T + f (V ) ,
∂T V
2
2
N kB T
∂E
N kB T
⇒ p=
−
=
− f 0 (V ) .
V
∂V T
V
(116)
D.h. um die Zustandsgleichungen eindeutig bestimmen zu können, benötigen wir
noch zusätzliche Information aus Ē(T, V ) !
Fazit: Die Funktion S̄(T, V ) ist zwar eine thermodynamische Zustandsgröße (festgelegt
im thermodynamischen Gleichgewicht), aber kein sog. ”Thermodynamisches Potential“, aus welchem alle thermodynamischen Beziehungen für das konkrete System abgeleitet werden können! In diesem Sinne sind die Funktionen
F (T, V )
und
S(E, V )
und
E(S, V ) ,
ausgedrückt durch ihre ”natürlichen Variablen“ dagegen thermodynamische Potentiale! – Weitere Potentiale werden im nächsten Abschnitt eingeführt.
2.5. Thermodynamische Potentiale
Offensichtlich lassen sich durch weitere Legendre-Transformationen andere thermodynamische Potentiale generieren. Diese können für spezielle physikalische Fragestellungen
jeweils nützlicher sein als andere.
33
Beschränken wir uns auf ein Gas mit konstanter Teilchenzahl N ergeben sich folgende
Möglichkeiten:
Entropie:
S(E, V )
← mikrokanon. Ensemble
1
dS = (dE + p dV )
T
↓ kanon. Ensemble
↓ umstellen/auflösen
(innere) Energie:
E(S, V )
Freie Energie:
F (T, V ) = E − T S
T,S
↔
dE = T dS − p dV
dF = −S dT − p dV
l p, V
l p, V
Enthalpie:
H(S, p) = E + pV
Freie Enthalpie:
G(T, p) = H − T S = F + pV
T,S
↔
dG = −S dT + V dp
dH = T dS + V dp
2.5.1. Enthalpie
Die Enthalpie H = E + p V taucht z.B. auf, wenn wir die Wärmekapazität bei festem
äußeren Druck betrachten,
δQ
(117)
Cp ≡
dT p
mit
δQ = dE + p dV = dH − V dp
(118)
H̄(T, p) = H(S̄(T, p), p)
(119)
und
ergibt sich direkt
Cp =
∂ H̄
∂T
=
34
∂H
∂T
.
p
(120)
• z.B. für das ideale Gas mit E = 23 N kB T und pV = N kB T
3
N kB dT ,
2
5
dH = N kB dT
2
dE =
⇒
d(pV ) = N kB dT
Cpideal =
⇒
5
3
N kB > CVideal = N kB .
2
2
(121)
2.5.2 Freie Enthalpie und Gibbs-Duhem Relation
G = F + pV = H − T S = G(T, p, N )
• Für homogene Systeme (d.h. nur eine Teilchensorte) hängt die freie Enthalpie
G(T, p, N ) nur von einer extensiven Größe, N , ab. Da G selbst eine extensive
Zustandsgröße ist, muss demnach zwingenderweise gelten
⇒
G(T, p, N ) ≡ N · g(T, p)
(122)
mit der spezifischen freien Enthalpie g(T, p).
∂G
• Wegen ∂N
= µ ergibt sich die sog. ”Gibbs-Duhem–Relation“:
T,p
µ(T, p) ≡ g(T, p)
⇔
G=Nµ
(123)
• Darau erhält man alternativ
N µ = E − T S + pV
(analog mit F, H)
(124)
bzw.
SdT − V dp + N dµ = 0 ,
(125)
d.h. die 3 intensiven Größen T, p, µ können nicht unabhängig variiert werden!
• Weiterhin ist also µ = µ(p, T ) selbst ein thermodynam. Potential mit den natürlichen Variablen p, T , und
dµ =
V
S
dp − dT = vspezif. dp − sspezif. dT .
N
N
• Für das Beispiel des idealen Gases gilt dann
pV
3
kB T
3
3
µ = F/N +
= kB T
− ln
− ln( kB T ) + const.
N
2
p
2
2
5
= kB T − ln(kB T ) + ln p + const. .
2
35
(126)
(127)
2.5.3. Maxwell-Relationen etc.
Für vollständige Differentiale vetauschen die partiellen Ableitungen, z.B.
dE = T dS − pdV + µdN
∂ 2E
∂
∂E
∂T
⇒
=
=
∂V ∂S
∂V ∂S
∂V S,N
∂
=
∂S
∂E
∂V
=−
∂p
∂S
(128)
V,N
Analog für andere Potentiale aus dF , dH, dG:
• Die Relationen lassen sich schnell herleiten, wenn man die natürlichen Variablen
von E, F, H, G parat hat. (Für entsprechende Merkregeln wird auf die Literatur
verwiesen.)
Weitere Relationen folgen aus den Eigenschaften der Jacobi-Determinante für Funktionen mehrerer Veränderlicher. (→ Übung)
2.6. Großkanonisches Ensemble
• Ähnlich wie beim Übergang vom mikrokanonischen zum kanonischen Ensemble
können wir das zu betrachtende Teilsystem jetzt auch gegenüber Teilchenaustausch
√ öffnen, d.h. N ist nicht mehr fest vorgegeben, sondern N = N̄ 1 + O(1/ N
fluktuiert (z.B. Teilchenaustausch durch permeable Wand, chemische Reaktionen,
relativistische Teilchen).
• D.h. zusätzlich zum unendlich großen Wärmereservoir betrachten wir jetzt auch
ein unendlich großes Teilchenreservoir.
• Die Beschreibung der Umgebung (System 2) erfolgt wieder mittels der mikrokanonischen Zustandssumme,
Ω2 = Ω2 (E2 , N2 ) = Ω2 (E − E1 , N − N1 ) ,
(129)
mit N1 N und E1 E.
• Die Entwicklung von ln Ω2 bezüglich E1 und N1 liefert dann entsprechend
1 ∂S2
∂ ln Ω2
=
= β2 ≡ β ,
∂E2
kB ∂E2
∂ ln Ω2
1
∂S2
=
= −β2 µ2 ≡ −βµ .
∂N2
kB ∂N2
36
(130)
8. Vorlesung (Fr 10.6.2016)
. . . d.h. durch die Umgebung werden jetzt die Temperatur und das chemische Potential
(über die Teilchensorte des Reservoirs) fest vorgegeben.
• Zusätzlich zum Boltzmann-Faktor e−βE1 erhalten wir jetzt einen Faktor (→ ”Fugazität“) e+βµN1 , so dass die ”großkanonische Zustandssumme“ lautet
X
(131)
Y (T, V, µ) =
eβµN1 Z(T, V, N1 ) = Sp e−β(Ĥ−µN̂ ) ,
N1
wobei N̂ dann als Anzahloperator im Teilsystem 1 definiert ist (d.h. Eigenwerte
N1 auf Basisvektoren mit entsprechender Teilchenzahl hat).
• Das zugehörige ”großkanonische Potential“ definieren wir als
J(T, V, µ) = −kB T ln Y .
(132)
Erwartungswerte der anderen Zustandsgrößen ergeben sich im großkanonischen
Ensemble mit dem entsprechenden ”großkanonischen Dichteoperator“,
1
exp −β(Ĥ − µN̂ ) .
(133)
ρ̂g.k. =
Y
• Insbesondere ergibt sich für die Entropie
hSi = −kB hln ρ̂i = −kB − ln Y − β hĤi + µ hN̂ i
1
−J + Ē − µN̄ ,
T
was der Legendre-Transformation
=
(134)
J = Ē − T S̄ − µN̄
(135)
entspricht, wobei bzgl. E(S, V, N ) gerade die Rollen von (S ↔ T ) und (N ↔ µ)
vertauscht werden. In differentieller Form ergibt sich
dJ = −S dT − p dV − N dµ ,
(136)
so dass sich die Zustandsgrößen (S, p, N ) wieder aus den entsprechenden partiellen
Ableitungen von J(T, V, µ) ergeben, welche wieder Maxwell-Relationen genügen
etc.
• Weiterhin folgt aus der Gibbs-Duhem–Relation (s.o.)
J = E − T S − µN = −pV
⇔
Y = exp
pV
kB T
1
J(T, V, µ) ,
(137)
V
d.h. Druck entspricht gerade dem volumenspezifischen großkanon. Potential.
bzw.
p(t, µ) = −
37
2.6.1 Verteilungsfunktion für ideale Quantengase
Als Anwendung für die großkanonische Zustandssumme diskutieren wir ideale (d.h. nicht
wechselwirkende) Quantengase.
• Den Hamilton- und Teilchenzahloperator können wir dann schreiben als
X
X
Ĥ =
n̂r r ,
N̂ =
n̂r ,
r
(138)
r
wobei {r } mit r = 0, 1, 2, . . . das Spektrum der 1-Teilchenenergien beschreibt, und
die Eigenwerte nr = 0, 1, . . . der Operatoren n̂r zählen, wieviele Teilchen sich im
jeweiligen Energieniveau r befinden.
• Wenn wir als Basiszustände gerade die Eigenvektoren von n̂r wählen (→ Besetzungszahlformalismus26 ), nimmt die g.k. Zustandssumme dann eine besonders einfache Form an:
!
X
X
(139)
(r − µ) nr
Y =
exp −β
r
{nr }
Hierbei taucht das chemische Potential also gerade als Referenzenergie für die 1Teilchen–Energieeigenwerte in der Form (r − µ) auf. Die Summe läuft hierbei über
alle Besetzungszahlkonfigurationen {n1 , n2 , . . .}, die erlaubt sind (s.u.).
• Aufgrund der Summe im Exponenten faktorisiert die g.k. Zustandssumme,
!
Y
Y X
−β(r −µ)nr
f (r )
(140)
e
≡
Y =
r
r
nr
• Um die Summation in der Funktion f (r ) auszuführen, muss man wissen, welche
Besetzungszahlen quantenmechanisch erlaubt sind:
Das ”Spin-Statistik–Theorem“ besagt, dass
– Bosonen, also Teilchen mit ganz-zahligem Spin, eine symmetrische Vielteilchenwellenfunktion besitzen, und deshalb die Besetzungszahlen alle Werte
zwischen 0, 1, . . . ∞ einnehmen können.
– Fermionen, also Teilchen mit halb-zahligem Spin, eine anti-symmetrische
Vielteilchenwellenfunktion besitzen, und deshalb jeder einzelne Zustand maximal einmal besetzt werden kann (Pauli-Prinzip) und deshalb nur nr = 0, 1
erlaubt sind.27
26
wird in der Vorlesung ”Komplexe Quantensysteme“ ausführlicher beleuchtet
Für etwaige Spin-Entartung müssen wir globale Faktoren multiplizieren, was wir hier der Einfachheit
halber ignorieren.
27
38
(Das ist zunächst eine empirische Beobachtung, die aber im Rahmen der Quantenfeldtheorie bewiesen werden kann.)
• Damit lassen sich die Funktionen f (r ) für Bosonen und Fermionen explizit ausrechnen,
Bosonen: fB (r ) =
∞
X
e−β(r −µ)nr
geom. Reihe
=
1 − e−β(r −µ)
−1
nr =0
Fermionen: fF (r ) =
1
X
e−β(r −µ)nr = 1 + e−β(r −µ)
+1
(141)
nr =0
• Wir können jetzt insbesondere die mittlere Besetzungszahl für ein gegebenes
Energieniveau berechnen,
hnk i =
1 X
1 ∂
1 ∂
ln Y = −
ln f (k )
nk · e−β(r −µ)nr = −
Y
β ∂k
β ∂k
(142)
{nr }
Daraus erhält man
hnk i
Bosonen
e−β(k −µ)
=
1 − e−β(k −µ)
1
= β( −µ)
k
−1
e−β(k −µ)
1 + e−β(k −µ)
1
= β( −µ)
k
+1
”Bose-Einstein–Statistik“ ,
(143)
”Fermi-Dirac–Statistik“
(144)
hnk iFermionen =
• Für den Fall, dass z = exp(βµ) 1 gilt, erhält man
hnk i = z
1
z1
−→ z e−βk ,
∓z
eβk
(145)
was der klassischen Boltzmann-Verteilung (unabhängig vom Spin) entspricht.
39
2.7 Der 2. Hauptsatz der Thermodynamik
Grundidee der Thermodynamik
• Thermodynamischer Zustand charakterisiert durch Zustandsgrößen (p, v, T, . . .).
• Im thermischen Gleichgewicht ändern sich die Zustandsgrößen nicht (mehr)
mit der Zeit.
• Zustandsgleichungen verknüpfen Zustandsgrößen (für bestimmte Systeme). Jede Zustandsgleichung reduziert die Anzahl der unabhängig justierbaren Zustandsgrößen um Eins.
• Zustandsgleichungen lassen sich aus thermodynamischen Potentialen ableiten.
• Zustandsänderungen führen Systeme von einem Gleichgewichtszustand (!) in
einen anderen. Gemäß des 1. Hauptsatzes werden dabei i.A. Wärme und Arbeit
umgesetzt.
Für die folgende Diskussion unterscheiden wir insbesondere:
1. Adiabatische Zustandsänderungen (kein Wärmeaustausch mit der Umgebung).
2. Reversible Prozesse (dabei bleibt insbesondere die Entropie im abgeschlossenen
System konstant).
3. Irreversible Prozesse (die Entropie im abgeschlossenen System nimmt zu).
4. Quasi-Statische Prozesse: Die Zwischenzustände bei einer Zustandsänderung
befinden sich (annähernd) im thermischen Gleichgewicht, (d.h. langsame Prozessführung bezogen auf die intrinsischen Relaxationszeiten des Systems).
In diesem Fall können Änderungen der Zustandsgrößen durch Integration (unter
Verwendung der Zustandsgleichungen) berechnet werden.
Präzisierung des Zusammenhangs zwischen Entropie und Wärmezufuhr:
• Aus der Fundamentalrelation und dem 1. Hauptsatz erhalten wir zunächst:
T dS = dE −
X ∂H
X ∂H
h
idαi = δQ + δW −
h
idαi .
∂α
∂α
i
i
i
i
(146)
• Allerdings können wir nur für quasistatische Prozesse annehmen, dass die Arbeit
gerade dem thermischen Erwartungswert der Änderung des Hamiltonoperators entspricht28 , so dass nur dann
δW = δWq.s. ≡
28
X ∂H
h
idαi
∂α
i
i
(quasi-statisch)
Das hatten wir in der vorherigen Diskussion immer implizit vorausgesetzt.
40
(147)
In diesem Fall erhalten wir also auch
δQ = δQq.s. = T dS
(quasi-statisch)
(148)
• Im allgemeinen geht aber zusätzliche Arbeit für die Erhöhung der Entropie ”verloren”, d.h. δW ≥ δWq.s. und somit, als eine Formulierung des 2. Hauptsatzes
der Thermodynamik,
T dS ≥ δQ
(2. Hauptsatz)
(149)
Anmerkungen:
– Für abgeschlossene Systeme mit δQ = 0 erhalten wir wieder dS ≥ 0.
– Speziell für quasi-statische Prozesse gilt das Gleichheitsszeichen, dS = δQ/T .
Somit kann man die Entropieänderung ∆S stets durch Integration von δQ/T
für einen quasistatischen Ersatzprozess, welcher den gleichen Anfangsund Endzustand verbindet, berechnen.
Zu Extremaleigenschaften von S und F :
Im abgeschlossenen System war S ≤ Smax und S → Smax im Gleichgewicht.
• Betrachten wir einen Prozess T = const. (definiert durch ein Wärmereservoir), gilt:
∆Stot = ∆S + ∆Sreservoir ≥ 0 .
(150)
Aufgenommen wird Wärmemenge ∆Q, so dass
∆Sres = −
∆Q
.
T
• Daraus erhält man mit dem 1. Hauptsatz und ∆T = 0:
∆Stot =
−∆F + ∆W
≥0
T
(151)
und daraus −∆W ≤ −∆F für Arbeit, die vom Gas verrichtet wird (d.h. ∆W < 0).
Damit ist
|∆W | ≤ |∆F | = |∆Wmax |
(T = const.)
(152)
d.h. die “freie“ Energie definiert gerade die maximale Arbeit, die das Gas bei
konstanter Temperatur verrichten kann.
• Betrachten wir jetzt zusätzlich dV = 0, so folgt ∆W = 0 und damit
∆F ≤ 0 ⇔ F ≥ Fmin
(T, V = const.)
(153)
d.h. die freie Energie wird gerade minimal im Gleichgewicht für T, V fest (kanonisches Ensemble).
41
9. Vorlesung (Fr 17.6.2016)
2.8. Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik
• Wir stellen uns zunächst die Frage: Wie verhalten sich thermodynamische Systeme
bei kleinen Werten der inneren Energie?
Aus der Quantenmechanik wissen wir, dass es einen Grundzustand mit der Energie
E0 gibt. Wenn wir die Möglichkeit eines entarteten Grundzustands zunächst außer
Acht lassen, entspricht das gerade einem einzigen Mikrozustand, bei dem alle Teilchen im Zustand mit der geringst möglichen Energie sind. Für die mikrokanonische
Zustandssumme erhalten wir also:
Ω(E → E0 ) ≡ 1
⇒ S(E → E0 ) = kB ln Ω(E → E0 ) ≡ 0
(ohne Entartung)
(154)
• Wenn wir jetzt höhere Energieniveaus anregen, wächst die Zustandssumme (für
E > E0 ) i.A. wie Ω(E) ∝ (E − E0 )γN mit z.B. γ = 3/2 für ein ideales Gas. Daraus
folgt
∂ ln Ω
γN E→E0
1
=
∝
−→ ∞
kB T
∂E
E − E0
(155)
d.h. der Grenzwert E → E0 korrespondiert (wie erwartet) mit dem Limes T → 0,
und wir erhalten entsprechend
S̄(T → 0) ≡ 0
(ohne Entartung)
(156)
• Was geschieht bei Entartung? – Z.B. für N Atomkerne mit Spin-1/2 (der Einfachheit halber stellen wir uns diese Atomkerne in einem Festkörper an gewisse
Gitterplätze gebunden vor). Wenn wir das System jetzt herunterkühlen, werden
also die Freiheitsgrade, die der Bewegung der Atomkerne im Gitter entsprechen
“eingefroren”. Der Grundzustand ist jetzt 2N -fach entartet gemäß der unabhängigen Spin-Einstellungen der Kerne, also
S̄(E → E0 ) = S0 = kB ln 2N = N kB ln 2 ,
(157)
Wichtig hierbei ist, dass S0 /N nicht von weiteren Zustandsgrößen (wie z.B. V )
abhängt, sondern lediglich von den durch den Entartungsgrad vorgegebenen Zahlenfaktoren.
Andererseits können wir bei den jetzt erreichten tiefen Temperaturen die magnetische Wechselwirkung der Spins nicht mehr vernachlässigen, d.h. die Entartung des Grundzustands wird durch die (zunächst vernachlässigbare) Spin-SpinWechselwirkung aufgehoben. Entsprechend können wir dem System weiter Energie
entziehen, indem wir die magnetischen Anregungsenergien einfrieren usw.
42
• Als Fazit bleibt also festzustellen, dass wir den Grenzfall T → 0 in der Praxis so
zu verstehen haben, dass der Wert von kB T klein ist gegenüber den relevanten
Anregungsenergien des Systems (wir schreiben dafür T → 0+ ). Bei einer entsprechenden Zustandsänderung ändert sich die Entropie nicht,
∆S(T → 0+ ) ≡ 0
3. Hauptsatz (Nernst-Theorem)
(158)
• Der 3. Hauptsatz impliziert die Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes,
weil mit ∆S ≥ δQ/T für T → 0+ auch keine Wärme mehr umgesetzt würde, d.h.
dem System kann auch nicht weiter Energie entzogen werden.
• Andererseits kann man sich für ein reales System durch endlich viele abwechselnde
Schritte von isothermer Kompression und adiabatischer Expansion dem Wert T →
0+ beliebig gut nähern. Dabei ist zu beachten, dass sich die Isochoren im S − T –
Diagramm alle bei (T → 0+ , S = S0 ) treffen (→ Skizze).
3. Ideale Quantengase
3.1 Strahlungfeld ↔ Photonengas
Wir diskutieren nun ein elementares Beispiel für die Thermodynamik eines Quantengases, nämlich die Eigenschaften des elektromagnetischen Strahlungsfeldes im Vakuum
(unter Berücksichtigung der Quanteneffekte).
• Dazu geben wir uns periodische Randbedingungen (z.B. durch einen ideal reflektierenden Kasten mit Volumen V = L3 ) vor.
• Gemäß der Quantenmechanik gehen wir von quantisierten Schwingungsmoden
aus, mit Energie (aus Dispersionrelation der elmg. Wellengleichung)
(~k) = ~c |~k| ,
und ki =
2π
L
zi
(159)
mit ganzen Zahlen zi .
• Der Hamiltonoperator kann dann (hier zunchst heuristisch) wieder im Besetzungszahlformalismus geschrieben werden,
X
Ĥ =
(~k) n̂(~k, λ) ,
(160)
λ=±1
wobei wir berücksichtigt haben, dass elmg. Strahlung zwei unabhängige Polarisationen λ haben kann, und n̂(~k, λ) die Zahl der angeregten Schwingungsmoden
bezeichnet, die wir als Quasiteilchen (“Photonen”) interpretieren.29
29
Die genauere Begründung erfolgt in der Vorlesung “Komplexe Quantensysteme” oder auch in “Theoretischer Teilchenphysik I”. Eine Besonderheit von Photonen ist, dass sie keine Ruhemasse besitzen und
nicht (direkt) miteinander wechselwirken; dies hat zur Folge, dass das chemische Potential verschwindet
(s.u.).
43
• Die kanonische Dichtematrix lautet dann


X
1 −β Ĥ
1
(k) ~ 
1 Y
(k) ~

ρ̂ = e
=
exp −
n̂(k, λ) =
exp −
n̂(k, λ) .
Z
Z
kB T
Z
kB T
~k,λ
~k,λ
(161)
• Bei der Berechnung der kanonischen Zustandssumme als Spur summieren wir wieder ber alle Besetzungszahlen, n(~k, λ) = 0, 1, . . ., da Photonen, als quantisierte Moden des elektromagnetischen Vektorpotentials, als Spin-1–Teilchen, also Bosonen,
zu behandeln sind (auch hier erfolgt die genauere Begründung in den Vorlesungen
“komplexe QS/TP1”). Somit
!
∞
Y X
Y
Y
1
−β Ĥ
−β (k) n
−β (k) −2
=
Z = Spe
=
e
=
1
−
e
(162)
1 − e−β (k)
n=0
~k,λ
~k,λ
~k
Hierbei ist der Fall ~k → 0 mit (~k → 0) = 0 im Folgenden auszuschließen.
• Hieraus berechnet sich die freie Energie zu
F (T, V ) = −kB T ln Z = 2kB T
X
~
ln 1 − e−β(k) .
(163)
~k6=0
Die Summe über die Wellenzahlen lässt sich im thermodynamischen Limes als
Integral schreiben,30
Z
X
V
d3 k
für ki = 2π
z ,
−→
L i
(2π)3
~k6=0
und damit
V
F (T, V ) = 2kB T
(2π)3
Z
V
= 2kB T
(2π)3
~
d3 k ln 1 − e−β ~c |k|
kB T
~c
3
4π
2
Z
∞
r2 dr ln 1 − e−r .
(164)
0
Das Integral ergibt −π 4 /45, so dass sich das Endergebnis schreiben lässt als
4 4σ 4
π 2 kB
F (T, V ) = −
T V,
mit σ =
,
(165)
3 c
60 ~3 c2
wobei σ als “Stefan-Boltzmann–Konstante” bezeichnet wird.
wobei ~k = 0 in der Tat nicht beiträgt, solange der Integrand für |~k| → 0 schwächer divergiert als
1/k 2
30
44
• Daraus lassen sich wieder alle thermodynamischen Eigenschaften des Photongas
ausrechnen, z.B.
∂F
16σ 3
Entropie: S = −
=
T V,
∂T
3c
∂F
4σ 4
Druck: p = −
=
T ,
∂V
3c
4σ 4
innere Energie: E = F + T S =
T V
(“Stefan-Boltzmann–Gesetz”) ,
c
∂E
∂S
16σ 3
Wärmekapazität: CV =
=T
=
T V.
(166)
∂T V
∂T V
c
Insbesondere erhält man aus dem Vergleich die Zustandsgleichung
1
(Photongas)
pV = E
3
(zu vergleichen mit pV = 32 E für klassisches ideales Gas).
(167)
• Für die mittleren Besetzungszahlen n(~k, λ) (sprich den Anregungen der Schwingungsmoden) gilt wieder die Bose-Einstein-Verteilung (jetzt mit µ = 0)31
1
,
(168)
hn̂(~k, λ)i = β(k)
e
−1
so dass sich für die Gesamtphotonenzahl schreiben lässt,
Z
X
V
1
~
hN̂ i =
hn̂(k, λ)i = 2
d3 k
(169)
~
3
β~c
|
(2π)
e k| − 1
~k,λ
mit |~k| = ω/c erhält man
V 4π
hN̂ i = 2
(2π)3 c3
Z
∞
0
ω 2 dω
≡V
eβ~ω − 1
Z
∞
n(ω) dω ,
(170)
0
wobei
ω2
1
π 2 c3 eβ~ω − 1
die spektrale Anzahldichte (pro Volumen) repräsentiert.
n(ω) =
(171)
• Durch Multiplikation mit den 1-Photonenergien ~ω lässt sich daraus direkt die
spektrale Energiedichte bestimmen,
Z ∞
~
ω3
E=V
u(ω) dω ,
mit u(ω) = 2 3 β~ω
,
(172)
π c e
−1
0
was gerade dem “Planckschen Strahlungsgesetz” entspricht.
(Die Grenzfälle kleiner und großer Temperaturen werden in den Übungen diskutiert.)
31
Die freie Enthalpie berechnet sich mit obigen Formeln in der Tat zu G = µN = F + pV = 0.
45
10. Vorlesung (Fr 24.6.2016)
Herleitung der thermischen Zustandsgleichung für Photonengas:
• Integration ber die spektrale Anzahldichte ergibt (nach Variablensubstitution)
3
Z
V (kB T )3 ∞ t2 dt
2ζ(3) kB T
N=
=
V,
(173)
~3 π 2 c3
et − 1
π2
~c
0
wobei das Integral die sog. Riemannsche Zeta-Funktion definiert.
• Aus den oben berechneten Formeln fr pV und E ergibt sich dann
3
1
π 2 kB T
pV = E =
kB T V
3
45
~c
π4
=
N kB T ≈ 0.9004 . . . N kB T ,
90 ζ(3)
(174)
d.h. man erhält eine etwa 10%-tige Abweichung vom idealen-Gas-Gesetz.
• Entsprechend ergibt sich dann für die Entropie
2π 4
S=
N kB ∝ N .
45ζ(3)
(175)
Diese ist also nur von der Photonzahl N abhängig!
3.2 Phononengas ↔
Quasiteilchen für Schallanregungen im Festkörper
Ähnliche Argumentation wie beim Photongas:
• Für ein periodisches Kristall können wir die unabhängigen Schwingungsmoden
durch ebene Wellen beschreiben.
• Diese lassen sich dann als harmonische Oszillatoren quantisieren, so dass der Hamiltonoperator
X
Ĥ =
(~k) n̂(~k, λ) + E0
(176)
k,λ
lautet, mit der Grundzustandsenergie E0 = Ng 0 .
• Im Unterschied zu Photonen, gehorchen die Gitterschwingungen i.A. komplizierteren Dispersionsrelationen.32 Weiterhin weisen die Gitterschwingungen mehr Polarisationen auf (für ein kubisches Gitter zwei in transversaler Richtung und eine
32
Z.B. ergibt ein einfaches Modell einer linearen Kette von Atomen mit Masse m, Gitterabstand a
und Federkonstante f eine Dispersionsrelation
r
f
ka
(k) = ~ω = 2~
sin
.
m
2
46
in longitudinaler Richtung). Für Details wird auf die Vorlesungen zur Festkörperphysik verwiesen.
• Beim Übergang von der Summe über Wellenzahlen zur Integration über Energiebzw. Frequenzwerte müssen wir deshalb jetzt eine allgemeine Zustandsdichte g(ω)
annehmen, so dass
Z ∞
X
g(ω) dω ,
(177)
−→ 3Ng
0
~k
wobei wir den Faktor für die 3 Polarisationen und die Ng Gitterplätze herausgezogen haben, so dass g(ω) auf den Wert 1 normiert ist.
• Ansonsten erfolgt die Herleitung analog zum Photonengas, so dass jetzt z.B.
Z ∞
F (T, V ) = E0 + 3Ng kB T
dω ln 1 − e−β ~ω .
(178)
0
• Daraus lassen sich dann wieder andere thermodynamische Größen ableiten. Insbesondere ergibt sich der Beitrag der Phononen zur Wärmekapazität gemäß
S=−
∂F
,
∂T
∂ F
∂F
= −T 2
E = F + TS = F − T
∂T
∂T T
Z ∞
~ω
= E0 + 3Ng
dω g(ω) β ~ω
,
e
−1
0
Z ∞
3Ng
(~ω)2 eβ ~ω
∂E
=
dω
g(ω)
CV =
∂T
kB T 2 0
(eβ ~ω − 1)2
(179)
– Im Grenzfall T → 0 sind nur kleine Energien/Wellenzahlen relevant. Dann
kann man die Dispersionsrelation linear nähern,
ω(~k) = cS |~k| .
Hierbei entspricht cS der Schallgeschwindigkeit, wobei i.A. zwischen den Schallgeschwindigkeiten für longitudinale und transversale Wellenausbreitung zu
unterscheiden ist (im Folgenden cL bzw. cT ).
Damit kann man direkt die Ergebnisse des Photonengas übernehmen, wobei
lediglich die Ersetzung
2
2
1
−→ 3 + 3
3
c
cT
cL
47
vorzunehmen ist. Insbesondere erhält man für die Energie und Wärmekapazität bei kleinen Temperaturen dann (s.o.)
4
π 2 kB
2
1
E=
+ 3 T 4 V + E0 ,
3
3
30 ~
cT
cL
4
2π 2 kB
2
1
CV =
+ 3 T3 V ,
(kleine T )
(180)
15 ~3 c3T
cL
wobei die zweite Gleichung als “Debye-Gesetz” bekannt ist.
– Im Grenzfall T → ∞ vereinfacht sich der Integrand, denn
1
β→0
−→
eβ ~ω − 1
1
,
β~ω
so dass
Z
∞
g(ω) dω = E0 + 3Ng kB T ,
E = E0 + 3Ng kB T
0
CV = 3Ng kB ,
(181)
was als “Dulong-Petit-Gesetz” bezeichnet wird. Insbesondere hängt die
Wärmekapazität bei großen Temperaturen also nicht mehr von den Details
des Festkörpers (und der Dispersionsrelation) ab, sondern nur von der Anzahl
der Freiheitsgrade der Schwingungsmoden.
3.3 Ideales Bosegas und Bose-Einstein–Kondensation
Wir betrachten ein Gas von Bosonen bei niedrigen Temperaturen, so dass die Näherung
eines verdünnten Quantengases (vgl. Übung) nicht mehr gilt. Wir vernachlässigen der
Einfachheit halber weitere Wechselwirkungen und definieren das ideale Bosegas durch
n̄p =
1
,
exp(β(p − µ)) − 1
(182)
mit nicht-relativistischer Dispersionsrelation
p = p2 /2m .
(183)
• Damit die Besetzungszahl n̄p für p = µ nicht divergiert, muss µ ≤ 0 sein (beim
Bosonengas). Dann lässt sich n̄p als unendliche geometrische Reihe schreiben,
n̄p =
∞
X
e−β(p −µ)
`
.
(184)
`=1
• Wie im Falle des Photonengases ersetzen wir im thermondynamischen Limes die
Summe über Impulseigenzustände p durch ein Impulsintegral, so dass
Z
∞
X
X
p2
V
3
βµ ` −β 2m
`
N=
n̄p →
d
p
e
e
.
(185)
3
(2π~)
p
`=1
48
• Das Impulsintegral ist elementar und liefert analog zum idealen Gas die 3. Potenz
der thermischen Wellenlänge (vgl. Übung),
λT = √
h
,
2πmkB T
(186)
mit einem zusätzlichen Faktor 1/l3/2 aus dem Exponenten. Für die Gesamtteilchenzahl ergibt sich somit
N (T, V, µ) =
∞
V X zl
V
g3/2 (z)
≡
3
λT l=1 l3/2
λ3T
(187)
wobei die unendliche Reihe in der Fugazität z eine spezielle transzendente Funktion,
die sog. “verallgemeinerte Riemannsche Zetafunktion” definiert.
gν (z) ≡
∞
X
zl
l=1
lν
(188)
(die ersten beiden Terme der Reihe hatten wir bei der Diskussion des verdünnten
Quantengases in den Übungen berücksichtigt).
• Wenn wir also V /N und T festlegen, erhalten wir eine implizite Definition von µ
als Funktion von v und T . Insbesondere:
– Für T → ∞ geht die thermische Wellenlänge gegen Null, λT → 0. Damit ein
endlicher Wert für N/V definiert ist muss also dann auch g3/2 (z) → 0 gehen,
d.h. für die Fugazität z → 0 ⇔ µ → −∞.
– Da gν (z) eine monoton wachsende Funktion von z ist und λT monoton fallend
mit T müssen auch das chemische Potential und die Fugazität monoton von
der Temperatur abhängen.
– D.h. die Fugazität (das chem. Potential) haben einen Maximalwert von zmax =
1 (entspricht µmax = 0) und fallen monoton mit der Temperatur auf z → 0
bzw. µ → −∞.
• Der Wert z = 1 markiert also eine kritischen Temperatur (in Abhängigkeit von
V /N ), für die
λ3Tc
N
= g3/2 (1) ≡ ζ(3/2) ' 2.612 . . .
V
(189)
gilt, wobei ζ(ν) die eigentliche Riemannsche Zetafunktion ist. Im Einklang mit
unseren vorherigen Überlegungen entspricht das (bis auf einen Zahlenfaktor der
Ordnung 1) der Situation, dass die thermische Wellenlänge dem mittleren Teilchenabstand entspricht.
49
• Unsere bisherige Herleitung liefert keine physikalische Lösung für Temperaturen
unterhalb von Tc . Grund hierfür ist die implizite Annahme, dass der thermodynamische Limes (der Übergang von einer Impussumme zu einem Impulsintegral)
unproblematisch ist. Für µ → 0 ist dies aber nicht mehr gewährleistet, denn bei
µ = 0 verhält sich die Besetzungszahl des Grundzustandes (p → 0), wie
µ→0
n̄p −→
1
eβ p2 /2m
p→0
−1
−→ ∝
1
p2
(190)
und ergibt einen divergenten Beitrag zur Impulssumme.
Diese Divergenz geht beim
R
Übergang zum Impulsintegral verloren, denn 0 d3 p/p2 ist regulär (und trägt im
thermodynamischen Limes sogar nur mit Maß Null zum Gesamtintegral bei). D.h.
die Besetzung des Grundzustandes n̄0 für µ → 0 wird in der bisherigen Herleitung
vollkommen falsch beschrieben.
• Zur Korrektur behandeln wir den Beitrag des Grundzustandes n̄0 ≡ N0 separat
und schreiben
Z
X
V
V
(191)
N=
n̄p = n̄0 +
d3 p n̄p ≡ N0 (T ) + 3 g3/2 (z)
3
(2π~)
λ
T
p
mit der Fallunterscheidung
n̄0
→0
T > Tc :
N
T < Tc :
N0 = O(N )
im thermodyn. Limes (s.o.)
makroskopisch besetzter Grundzustand
(192)
...
50
11. Vorlesung (Fr 1.7.2016)
...
• Unterhalb der kritischen Temperatur33 vereinfacht sich die obige Formel zu
N = N0 +
V
λ3T
ζ(3/2)
(T ≤ Tc )
(193)
Wenn wir das wieder auf die kritische Temperatur (s.o.) beziehen, erhalten wir
N0 (T )
=1−
N
T
Tc
3/2
(T ≤ Tc )
Hieraus lesen wir ab:
– Makroskopische Besetzung des Grundzustands unterhalb von Tc .
(194)
(→ Skizze)
√
– Für T → 0 geht N0 → N
√
– Tc lässt sich als Übergangstemperatur für die sog. “Bose-Einstein–Kondensation”
interpretieren (ähnlich wie beim Kondensieren von Wasserdampf, bilden die
N0 Teilchen im Grundzustand ein Kondensat, dass z.B. nicht mehr zum Druck
beiträgt).
• Die innere Energie des idealen Bosegases lässt sich analog berechnen. Zunächst
schreiben wir unter Verwendung von (184)
∞
X
l
1 ∂
l
z −
p n̄p =
e−βp .
(195)
β ∂l
l=1
Wegen 0 → 0 trägt hier der Grundzustand nicht zur inneren Energie bei, und wir
erhalten für alle Werte von T
E(T, V, µ) =
X
p
∞
V X l
1 ∂
1
z −
p n̄p = 3
3/2
λT l=1
β ∂l l
∞
3
V X zl
3
V
= kB T 3
= kB T 3 g5/2 (z) .
5/2
2
λT l=1 l
2
λT
(196)
C
• Hieraus lässt sich die spezifische Wärmekapazität CV berechnen:
√
– Für T < Tc mit µ = 0, z = 1 ergibt sich einfach (mit λT ∝ 1/ T )
CV (T )
1
∂E
15 v
=
ζ(5/2)
=
N kB
N kB ∂T V,N
4 λ3T
33
Dort verhält sich µ ' − kNB0T → 0− für N0 ∼ O(N ) im thermodynamischen Limes.
51
(197)
Wenn wir dies wieder durch Tc ausdrücken, ergibt sich
CV (T )
15
=
N kB
4
T
Tc
3/2
ζ(5/2)
ζ(3/2)
(198)
∗ Die kondensierten Teilchen tragen nicht zur Wärmekapazität bei.
∗ Für T → 0 verschwindet CV (T ) ∼ T 3/2 (vgl. 3. Hauptsatz)
∗ Unterhalb von TC wächst CV monoton mit der Temperatur bis auf einen
Wert
CV (Tc )
15 ζ(5/2)
3
=
>
N kB
4 ζ(3/2)
2
(mit ζ(5/2) = 1.341 . . .)
– Für T > Tc muss auch die Temperaturabhängigkeit des chemischen Potentials
berücksichtigt werden. Als Ergebnis erhält man (→ Übung)
∗ CV (T ) ist stetig bei T = Tc
∗ CV0 (T ) ist nicht stetig → Wärmekapazität als Ordnungsparameter für
Phasenübergang zum BE-Kondensat.
∗ Oberhalb von Tc fällt CV (T ) für große Temperaturen monoton auf den
Wert 23 N kB des klassischen idealen Gases ab.
– In der Realität ergibt sich für Helium-4 eine Übergangstemperatur von Tc =
2.17 K, wobei Helium-4 bei diesen Temperaturen flüssig ist (und damit das
spezifische Volumen festliegt, v = 46 Å3 ). Das entspricht nicht ganz dem
Wert, der sich für das ideale Bose-Gas ergibt (3.13 K). Offensichtlich sind im
flüssigen Helium die interatomaren Wechselwirkungen nicht vernachlässigbar.
Trotzdem ist das ideale Bose-Gas ein gutes Modell, um den Phasenübergang
qualitativ zu verstehen, denn im Vergleich dazu zeigt das fermionische Helium3 keinen solchen Phasenübergang.
– Für die thermische Zustandsgleichung des idealen Bose-Gas gilt unterhalb der
kritischen Temperatur
p=
kB T
2E
= 3 ζ(5/2) = p(T )
3V
λT
(T < Tc )
(199)
d.h. unterhalb von Tc hängt der Druck nicht von Volumen/Dichte ab (bei
festem T ). D.h. versucht man die Flüssigkeit zu komprimieren (V kleiner),
vergrössert sich nicht der Druck, sondern es gehen einfach mehr Teilchen ins
Kondensat über −→ horizontale Isotherme im p-V –Diagramm!
3.4 Ideales Fermi-Gas
Wir interessieren uns wieder für den Grenzfall tiefer Temperaturen, wo λ3T ∼ V .
52
• Wegen Pauli-Prinzip gibt es keine makroskopische Besetzung des Grundzustands.
• Vielmehr ergibt sich aus der Fermi-Dirac–Verteilung
1
1 für < µ
T →0
n() = β(−µ)
−→
0 für > µ
+1
(200)
d.h. es werden die tiefst möglichen Energieniveaus aufgefüllt (modulo Spin-Entartung).
• Man bezeichnet den Wert des chem. Potentials bei T = 0 als “Fermi-Energie”,
F ≡ µ(T = 0, V /N ) ,
(201)
n()
(202)
so dass
T =0
= θ(F − )
mit der Stufenfunktion θ(x).
• Für ein freies Fermigas (welches z.B. als Modell für die Leitungselektronen im Metall dient) lauten die 1-Teilchen-Energien wieder einfach = p2 /2m. Entsprechend
definieren wir den “Fermi-Impuls” über
F =
p2F
2m
(für freies Fermi-Gas).
(203)
• Die makroskopischen Zustandsgrößen erhalten wir gemäß
E(T, V, µ) =
X X p2
n() ,
2m
s
N (T, V, µ) =
XX
z
sz
p
~
n() ,
etc.
(204)
p
~
Für Elektronen ergibt die Spinsumme einfach den Spin-Entartungsgrad, und im
thermodynamischen Limes ersetzen wir die Impulssumme wieder über ein Integral,
Z
X
2V
→
d3 p
(Spin-1/2).
(205)
(2π~)3
sz ,~
p
• Für T = 0 ergibt sich dann einfach
Z pF
2V
2V 4π p3F
2
4πp
dp
=
N=
,
(2π~)3 0
(2π~)3 3
(206)
wobei der zweite Faktor einfach das Volumen der sog. “Fermi-Kugel” im Impulsraum ist. Umstellen nach pF bzw. F liefert
1/3
2/3
~2
2 N
2 N
pF = ~ 3π
,
F =
3π
.
(207)
V
2m
V
53
• Aus der allgemeinen Relation pV = 23 E (für eine Dispersionrelation ∼ p2 in 3
Dimensionen) ergibt sich entsprechend der sog.
5/3
N
2
N
~2
2 2/3
“Fermi-Druck”: PF = F
=
3π
.
(208)
5
V
5m
V
Im Vergleich zum Bose-Gas geht der Druck also für T → 0 nicht gegen Null,
sondern nimmt einen endlichen Wert an. (Dieser Druck ist z.B. für die Stabilisation
von Neutronensternen (gegen die Gravitationskraft) und für die Inkompressibilität
von festen und flüssigen Körpern verantwortlich.)
Fermi-Verteilung bei kleinen Temperaturen
Wir betrachten im Folgenden kleine Temperaturen, bei denen
• µ(T, V /N ) ≈ µ(0, V /N ) = F
• F kB T bzw. T TF ≡ F /kB (“Fermi-Temperatur”)34
Dann macht es Sinn, die Fermi-Verteilung entsprechend umzuschreiben,
n() := θ(µ − ) + η(x) ,
⇔
η(x) =
ex
mit x = β( − µ) ,
1
− θ(−x) .
+1
(209)
• Die Funktion η(x) ist ungerade in x,
η(−x) =
ex
ex − ex − 1
1
−
θ(x)
=
−
(1
−
θ(−x))
=
+ θ(−x) = −η(x)
e−x + 1
1 + ex
1 + ex
#
• Die Funktion η(x) ist nur im Bereich = F ±O(kB T ) signifikant von Null verschieden. D.h. die “Fermi-Kante” in der Stufenfunktion bei T = 0 wird entsprechend
“aufgeweicht”
(→ Skizze)
Sommerfeld-Entwicklung
Zur Berechnung thermodynamischer Größen (z.B. spezifischer Wärme) benötigen wir
Integrale über die Fermi-Dirac-Verteilung,
Z ∞
I=
d f () n() .
(210)
0
• Mit den obigen Überlegungen für T TF schreiben wir das um
Z µ
Z ∞
I=
d f () +
d f () (n() − θ(µ − )) .
0
(211)
0
Der erste Term entspricht dem Fall T = 0, während der Ausdruck in Klammern
im 2. Term gerade unserer Funktion η(x) entspricht.
34
Z.B. haben Elektronen in Natrium eine Fermi-Energie von 3.24 eV, was TF = 3.77·104 K entspricht,
d.h. die folgenden Näherungen sind dort sogar bei Zimmertemperatur anwendbar.
54
• Da η(x) nur für kleine Argumente x beiträgt, können wir im 2. Integranden auch
die Funktion f () um = µ entwickeln, so dass nach Variablensubstitution
Z µ
Z
1 ∞
x
0
I=
d f () +
dx f (µ) + f (µ) + . . . η(x) .
(212)
β −βµ
β
0
• Schließlich gilt nach Voraussetzung, dass βµ 1. Da gleichzeitig η(x) für x → −∞
exponentiell abfällt, können wir die untere Integrationsgrenze im 2. Integral auf
−∞ setzen. Dann trägt aber wegen η(−x) = −η(x) nur der ungerade Anteil der
Taylorreihe von f (x) bei, so dass
Z µ
Z µ
Z
f 0 (µ) ∞
π2 0
4
d f () +
dx
η(x)
+
O(T
)
=
d
f
()
+
I'
f (µ) + O(T 4 ) .
2
2
β
6β
0
−∞
0
(213)
Dieser Ausdruck lässt sich für gegebene Funktion f () leicht auswerten.
Wir wenden die Sommerfeld-Näherung auf die Gesamtteilchenzahl an:
• Mit
2V
N=
(2π~)3
Z
d3 p n() ,
=
p2
2m
(214)
entspricht das dem Fall (→ Übung)
f () =
3 1/2
N
2 3/2
F
3/2
• Wenn wir die Gleichung für I durch 3N/2F teilen, erhalten wir aus (213)
3/2
2F
3
Z
µ
=
0
d 1/2 +
π2 1
2 3/2 π 2
1
=
µ +
(kB T )2 √
√
2
6β 2 µ
3
12
µ
(215)
• Wir schreiben µ = F + (µ − F ) = F + ∆µ und entwickeln in ∆µ ∼ T 2 ,
3/2
2F
3
=
2
π2
1
(F + ∆µ)3/2 +
(kB T )2 √
3
12
F + ∆µ
2 3/2
π2
1
1/2
' F + F ∆µ +
(kB T )2
+ O(T 4 ) ,
3
12
F
(216)
woraus folgt, dass
π 2 (kB T )2
π2
∆µ = µ − F ' −
=−
12 F
12
55
T
TF
2
F .
(217)
12. Vorlesung (Fr 8.7.2016)
Analog zum Bosegas verhält sich das chemische Potential des Fermigases bei sehr großen
Temperaturen wieder wie µ → −∞. Daraus ergibt sich das qualitative Bild des Temperaturverhaltens von µ(T ) bei festem V /N :
[→ Skizze]
• Für T → 0 ist µ = F (V /N ).
• Danach fällt µ zunächst quadratisch ab.
• Im Bereich der Fermitemperatur wechselt µ das Vorzeichen.
• Weit oberhalb der Fermitemperatur fällt µ weiter monoton ab.
[Übung]
• Im Falle der Berechnung der inneren Energie ist gerade
f () =
3 3/2
N
2 3/2
F
und somit
E
T TF
3
1
' N 3/2
2 F
Z
3
1
= N 3/2
2 F
µ
3/2
d 0
π 2 32 √
µ
+ 2
6β
2 5/2
π 2 32 √
µ + 2
µ
5
6β
• Jetzt kann man noch µ = F + ∆µ mit (217) zur Ordnung T 2 entwickeln, so dass
E
T TF
3
π2
' N F +
N kB
5
4
T
TF
2
.
• Daraus erhält man insbesondere für die Wärmekapazität des idealen Fermigases
bei tiefen Temperaturen:
π2 T
CV =
N kB ,
(218)
2 TF
also einen linearen Anstieg mit der Temperatur.
• Das ist physikalisch plausibel, denn für T TF trägt gerade nur der Bruchteil
der Teilchen bei, welche Energien in der Nähe der Fermikante besitzen, und dieser
Bruchteil skaliert wie T /TF .
• Für höhere Temperaturen T TF geht CV stetig (von unten) in den klassischen
[→ Skizze]
Wert, 23 N kB über.
56
• Anmerkung: Wenn wir das Ergebnis z.B. auf die Leitungselektronen im Metall
anwenden, müssen wir beachten, dass auch die Atomschwingungen zur Wärmekapazität beitragen, d.h. die experimentell zugängliche Größe ist von der Form
CVtot = CVPhononen + CVElektronen = α T 3 + γ T ,
(219)
wobei die Koeffizienten α und γ experimentell zu fitten sind und dann mit der
theoretischen Vorhersage verglichen werden können.
3.5 Reale Gase (und Flüssigkeiten)
Bisher sind wir bei der Berechnung der Zustandssummen stets von idealisierten Systemen
ausgegangen, d.h. insbesondere
• punktförmige Teilchen (keine innere Struktur)
• keine Wechselwirkungen untereinander
Im Folgenden wollen wir untersuchen, was sich ohne obige Näherungen ändert.
3.5.1 Zwei-atomige Moleküle
Als einfachster Fall für Teilchen mit Struktur betrachten wir eine Zahl N von 2-atomigen
Molekülen (zunächst weiterhin ohne intermolekulare Wechselwirkungen).
• Der Hamiltonoperator setzt sich dann aus einem Translations-, einem Vibrationsund einem Rotationsanteil zusammen,
Ĥ = Ĥtrans + Ĥvib + Ĥrot ,
(220)
wobei die jeweiligen Energieeigenwerte gegeben sind durch (vgl. QM-I)
p̂2i
=
(p̂i = Schwerpunktsimpuls, wird klassisch behandelt)
2m
1
vib
i (n) = ~Ω n +
(quantisierter harmonischer Oszillator)
2
trans
(p)
i
~2
`(` + 1)
2I
rot
i (`) =
(221)
(222)
~ 2 , Trägheitsmoment I)
(quantisierter Drehimpuls L
(223)
• Da der Hamiltonoperator in 3 unabhängige Summanden zerfällt, faktorisiert entsprechend die kanonische Zustandssumme,
Z = Sp e−β Ĥ
VN
=
N!
|
d3 p −β p2
e 2m
(2π~)3
{z
Z
= Zideal
·
Zvib
·
!N
N
X
·
−β~Ω(n+ 12 )
e
·
n
} |
Zrot .
X
e−β
~2
2I
!N
`(`+1)
`,m
{z
} |
{z
}
(224)
57
Rotationsanteil:
• Für den Rotationsanteil der Zustandssumme erhalten wir:
!N
!N
∞ X
`
∞
X
X
Trot
β~2
Zrot =
e− 2I `(`+1)
=
(2` + 1) e− T `(`+1)
`=0 m=−`
mit Trot ≡
~2
2IkB
`=0
(225)
Typische Werte für molekulare Trägheitsmomente ergeben Werte für die Referenztemperatur Trot ∼ 100 K. Die Berechnung der unendlichen Summe über die
Drehimpulsquantenzahl ` lässt sich nur in bestimmten Grenzfällen analytisch berechnen.
• Für kleine Temperaturen, T Trot , sind nur die Beiträge mit kleinem ` relevant,
N
Zrot = 1 + 3 e−2Trot /T + 5 e−6Trot /T + . . . ,
(226)
da die Terme mit höherem ` immer stärker exponentiell abfallen.
• Im Grenzfall T Trot können wir nicht einfach den Exponenten entwickeln, da
ab einem bestimmten ` stets `(` + 1) Trot /T 1 gilt. Deshalb benutzen wir einen
mathematischen Trick, um die Summe in ein Integral plus Korrekturterme umzuschreiben, die sog. “Euler-MacLaurin–Summenformel”. In unserem Fall lassen sich
Summen über Funktionen, deren Wert f (`) und Ableitungen f (n) (`) im Unendlichen verschwinden, schreiben als
Z ∞
∞
∞
X
f (0) X (−1)k B2k (2k−1)
=
d` f (`) +
+
f
(0) ,
(227)
2
(2k)!
0
`=0
k=1
wobei B2k die sog. “Bernoulli-Zahlen” sind, mit (in unserer Konvention)
B2 =
1
,
6
B4 =
1
,
30
...
• Das Integral ist einfach. Mit der Substitution x = `(`+1)
ergibt sich
2
Z ∞
Z ∞
T
Trot
T
− rot
`(`+1)
T
d` (2` + 1) e
=2
dx e−2x T =
,
Trot
0
0
(228)
was gerade dem klassischen Resultat (kontinuierlicher Drehimpuls) entspricht.
• Die Korrekturterme ergeben
Trot
f (0) = 1 , f (0) = 2 −
,
T
2
Trot
(n≥4)
f
(0) = O
T
0
Trot
f (0) = −12
+ 12
T
000
58
Trot
T
2
−
Trot
T
3
,
• Damit lässt sich die unendliche Summe als Taylorreihe in Trot /T approximieren,
∞
X
1
1
Trot
1
Trot
T
+ −
2−
+
−12
+ ...
f (`) '
T
2
6
·
2
T
30
·
4
·
3
·
2
T
rot
`=0
!
2
T
1 Trot
1 Trot
=
1+
+
+ ...
(229)
Trot
3 T
15
T
• Setzen wir in beiden Grenzfällen die jeweilige Entwicklung in ln Zrot ein und entwickeln die Terme unter dem Logarithmus ergibt sich
(
3 e−2 Trot /T − 29 e−4 Trot /T + . . . , T Trot
ln Zrot ' N
(230)
Trot 2
1
ln TTrot + 13 TTrot + 90
+ . . . , T Trot
T
• Hieraus können wir wieder Energie und Wärmekapazität bestimmen:
Erot = N kB T 2
(
= N kB
∂
ln Zrot
∂T
6 Trot e−2Trot /T + . . .
T 1−
1 Trot
3 T
−
1
45
Trot 2
T
,
+ ... ,
T Trot
T Trot
(231)
und
(
CVrot
= N kB
12 TTrot
1
1 + 45
2
e−2Trot /T + . . . ,
Trot 2
+ ...
,
T
T Trot
T Trot
(232)
• Der Temperaturverlauf des Rotationsanteils der Wärmeenergie ist somit folgendermaßen (→ Skizze)
– klassisches Verhalten (N kB ) für T Trot (entspricht 2 Rotationsfreiheitsgraden für die beiden unabhängigen Rotationen senkrecht zur Symmetrieachse –
die Rotationen um die Symmetrieachse haben für punktförmige Atome kein
Trägheitsmoment!),
– zunächst Anstieg für kleinere T oberhalb von Trot ,
– dann exponentielle Unterdrückung für T → 0 aufgrund der Quanteneffekte
(Quantisierung des Drehimpuls, Temperatur reicht nicht aus, um Drehimpulsquanten anzuregen).
Vibrationsanteil:
Aus dem Vibrationsanteil zur kanonischen Zustandssumme lässt sich wieder eine Referenztemperatur Trot definieren,
!N
!N
X
X Tvib
~Ω
−β~Ω (n+ 21 )
− T (n+ 12 )
Zvib =
e
=
e
,
Tvib ≡
,
(233)
kB
n
n
wobei typische Werte bei Tvib ∼ 1000 K liegen.
59
• Für den Vibrationsanteil lässt sich die Summe über die Energieeigenwerte wieder
als geometrische Reihe exakt aufsummieren,
N Tvib
T
Zvib = e− 2
1 − e−Tvib /T
−N
⇒
ln Zvib = −
N Tvib
− N ln 1 − e−Tvib /T .
2 T
(234)
• Daraus ergibt sich für Energie und Wärmekapazität
1
1
Evib = N kB Tvib
+
,
2 eTvib /T − 1
(235)
und
⇒
CVvib
Tvib
T
2
−2
eTvib /T eTvib /T − 1
Tvib
T
2
1
4 sinh2
= N kB
= N kB
(
= N kB
−T /T
Tvib 2
e vib
T
Tvib 2
1
+
1 − 12 T
Tvib
2T
+ ... ,
...
,
T Tvib
T Tvib
(236)
• Der Temperaturverlauf des Vibrationsanteils der Wärmeenergie ist somit (→ Skizze):
– klassisches Verhalten (N kB ) für T Tvib (entspricht 2 Vibrationsfreiheitsgraden, wobei Relativkoordinate und -impuls der beiden Atome jeweils N kB /2
beitragen),
– monotoner Abfall mit für kleinere T oberhalb von Trot ,
– dann exponentielle Unterdrückung für T → 0 aufgrund der Quanteneffekte
(Quantisierung des harmonischen Oszillators, Temperatur reicht nicht aus,
um Energiequanten anzuregen).
Für den Temperaturverlauf der gesamten Wärmekapazität ergibt sich dann folgendes
Bild (→ Skizze)
• Für 0 T Trot gilt CV ∼ CVideal = 23 N kB
• Für Trot T Tvib gilt CV ∼ 52 N kB
• Für Tvib T < Tdiss. gilt CV ∼ 27 N kB , wobei Tdiss die Temperatur bezeichnet, bei
der die Moleküle in zwei einzelne Atome dissoziieren.
• Für T Tdiss. fallen die Rotations- und Vibrationsfreiheitsgrade weg, wobei jetzt
2N -Atome als annähernd ideales Gas CV = 3 N kB liefern.
60
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